bis dahin reiche völlig aus, um sich über die in lester Stunde gestellte eion Abänderungsanträge schlüssig zu werden. Einer Klar⸗ tellung hinsichtlich der Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts be⸗ dürfe es nicht mehr.
8 Nach kurzer Erörterung beschließt das Haus gegen die Stimmen der beiden Parteien der Rechten und des Zentrums, die Beratung heute abzusetzen und auf morgen zu ver⸗ schieben.
Hierauf fährt das Haus in der zweiten Lesung des Staatshaushaltsplans für 1920 fort und nimmt die vor 8 Tagen abgebrochene Erörterung über die Justizverwaltung wieder auf.
Justizminister Dr. am Zehnhoff: Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Heilmann hat in seiner Rede behauptet, das Jahr 1920 bedeute den Zusammenbruch der Rechtspflege im Deutschen Reich, und beim Volk sei jetzt der letzte Rest von Vertrauen zur Rechtspflege geschwunden. Dieser Behauptung muß ich mit aller Entschiedenheit entgegentreten. (Lebhafter Beifall im Zentrum.)
Die von Herrn Abgeordneten Heilmann vorgebrachten Tatsachen sind keineswegs geeignet, diese Worte zu stützen. Ich behaupte, daß das Vertrauen zur Rechtspflege im letzten Jahre nicht vermindert worden ist, daß vielmehr weite Kreise der Bevölkerung bei dem steten Wechsel der Verhältnisse gerade in der Justiz den einzigen festen Halt erblicken. (Bravol im Zentrum. — Widerspruch links.)
Herr Abgeordneter Heilmann hat den Staatsanwälten den Vor⸗ wurf der Parteilichkeit gemacht. Dieser Vorwurf ist völlig un⸗ begründet. Daß er auf dem Gebiete des Zivilrechts nicht zutrifft, gibt Herr Abgeordneter Heilmann selbst zu; aber er erhebt ihn mit um so größerem Nachdruck auf dem Gebiete des Strafrechts. Demgegenüber sage ich: die Gerechtigkeit ist eine Stimmung der Seele, die niemand nur für ein Gebiet der Rechtspflege besitzen kann. Irren ist menschlich, das gilt leider auch in der Rechtspflege. Es kommen gewiß Strafurteile vor, die als verfehlt bezeichnet werden müssen; es geht aber nicht an, ein verfehltes Strafurteil ohne weiteres auf Parteilichkeit der Richter zurückzuführen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Ein solches Urteil beruht vielmehr, wofern kein Rechtsirrtum vorliegt, in der Regel darauf, daß den Richtern die für die Beurteilung der Tat in Betracht kommenden Umstände nicht in richtiger Beleuchtung zum Bewußtsein gekommen sind. Die Er⸗ kenntnis, daß auch in der Rechtspflege Irrtümer vorkommen können, ist nicht neu und auch nicht erst im letzten Jahre gewonnen worden. Hat sie doch zur Einführung der Berufungsinstanz geführt, die jetzt ja, abgesehen von den Schwurgerichts⸗ und Reichsgerichtssachen, für alle Strafsachen geschaffen werden sollen.
In diesem Zusammenhang möchte ich bemerken, daß auch meines Erachtens für die richtige Rechtsfindung die Zuziehung von Schösen sehr wichtig ist. Je weiter der Kreis gezogen wird, aus dem die Schöffen genommen werden, um so größere Gewähr ist geboten, daß bei der Rechtsfindung die Auffassung aller Volks⸗ kreise ihre Beachtung findet. Es entspricht auch meinem Wunsch,
daß am richtigen Platz die Frauen als Schöffen Verwendung finden. Dagegen ist nach meiner Auffassung die Annahme des Herrn Ab⸗ geordneten Heilmann völlig abwegig, daß der Richterstand besser würde, wenn die Wahl der Richter durch das Volk er⸗ folgte. Ich will diesem Problem heute nicht nachgehen, zumal es ja eine Reichssache ist, und mich nur auf einige Andeutungen beschränken. Wie ist die Wahl gedacht? Soll es eine Verhältniswahl sein? Wie sollen die Wähler wissen, wo die geeigneten Kandidaten zu finden sind, woher sollen sie ein Urteil über die Fähigkeit der Kandidaten haben? (Zuruf rechts.)
Ob die Wahl der Richter durch das Volk in kleinen Staaten angängig ist, will ich dahingestellt sein lassen, obwohl die Erfahrungen, die man in solchen Staaten gemacht hat, nicht gerade ermutigen. Jedenfalls ist die Sache in einem Staate wie Preußen unmöglich. Mit aller Entschiedenheit bestreite ich dem Herrn Abgeordneten
Heilmann gegenüber sodann, daß das Richterkorps eine Einheit bilde, die aus treuen Hohenzollerndienern besteht. (Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) — Das bestreite ich ja eben! Unter den Richtern befinden sich, wie dem Herrn Abgeordneten bekannt sein dürfte, Anhänger aller Parteien, insbesondere auch der ihm nahe⸗ stehenden und seiner eigenen. Ich glaube aber auch, daß die An⸗ hänger der rechtsstehenden Parteien es zum großen Teil ablehnen, als Hohenzollerndiener bezeichnet zu werden. Es wird unter ihnen manche geben, die allerdings früher treue Diener ihres Königs und Kaisers gewesen sind, aber aus dem Gang der Geschehnisse — wenn auch wehen Herzens — die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die Herrschaft der Hohenzollern zu Ende ist. Ich halte es aber auch bei einem überzeugten Monarchisten für ausgeschlossen, daß er die Tat eines Angeklagten nur deshalb, weil er Republikaner ist, nicht objektiv beurteilt. Gegenüber der Behauptung des Herrn Abgeord⸗ neten Heilmann behaupte ich, daß der preußische Richterstand eine
EFiinheit von vaterlandsliebenden und pflichttreuen Beamten ist, die
trotz der Not der Zeit unter häufig schwierigen Verhältnissen auf ihrem Posten ausharren und dafür den Dank des Vaterlandes ver⸗ dienen. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Das Volk denkt anders! — Rufe rechts: Welches Volk)
Der Herr Abgeordnete Heilmann hat als Beweis für die angeb⸗ liche parteipolitiscäche Einseitigkeit des Richter⸗ standes angeführt, daß in Bochum der Vorsitzende und der Staats⸗ anwalt des außerordentlichen Kriegsgerichts Mitglieder des Schutz⸗ und Trutzbundes seien. Meine Ermittlungen haben aber ergeben, daß diese Behauptung unzutreffend ist. (Hört! Hört! im Zentrum und rechts.) Beide Herren sind weder Mitglieder des Schutz⸗ und Trutzbundes oder des Alldeutschen Verbandes, noch sind sie es je gewesen.
Mit Emphase sagt der Herr Abgeordnete Heilmann: „Kein Wasser wäscht von der preußischen Justig die Schmach ab, daß kein einziger Kapp⸗Verbrecher bestraft worden ist.“ Demgegenüber weise ich darauf hin, daß die Bestrafung der Kapp⸗Verbrecher nicht Sache der preußischen Justiz, sondern des Reichsgerichts ist. Wir haben alle Fälle, bei denen irgendwie eine Beteiligung an dem Kapp⸗Unter⸗ nehmen in Frage kommen konnte, zur Verfolgung an das Reichs⸗ justizministerium als die zuständige Stelle abgegeben. Der vom Herrn Abgeordneten Heilmann erhobene Vorwurf ist also durchaus un⸗ begründet.
Der Herr Abgeordnete erhebt sodann die Klage gegen die preußische Justiz, daß die Kriegsverbrecher von preußischen Richtern geschont, geschützt und verteidigt würden. Auch hier ist der Vorwurf, wofern er überhaupt begründet ist, an die falsche Adresse gerichtet. Wie dem Herrn Abgeordneten Heilmomg bekamtt ist, waren
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die Kriegsverbrecher durchweg Soldaten. Als solchen aber kam ihnen die vom Rate der Volksbeauftragten erlassene militärische Amnestie vom 7. Dezember 1918 zugute, wodurch sie jeglicher Straf⸗ verfolgung entzogen wurden. (Hört, hört! und Heiterkeit rechts.) Der Herr Abgeordnete Heilmann hat sodann ganz allgemein be⸗ hauptet, daß überall da, wo das Exrmessen der Justizbehörden ent⸗ scheidend sei, wie bei der Frage, ob eine Beleidigung im öffentlichen Interesse von Amts wegen zu ver⸗ folgen sei, bei der Amnestie usw. die Justizbehörden zum Nachteil der sozialdemokratischen Partei verführen. In ersterer Beziehung hat er hingewiesen auf die öffentlichen Klagen wegen Beleidigung eines Pastors durch die Behauptung, daß er sich auf seine Predigten nicht vorbereite, wegen Beleidigung des Majors Gieren und wegen
Beleidigung des Freikorps Aulock. In allen drei Fällen ist das
Vorhandensein eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung nicht zu bestreiten. (Zuruf links.) Zum Fall Gieren ist folgendes zu bemerken: Der in der „Niederschlesischen Volksstimme“ vom 10. Dezember 1919 erschienene Artikel ist meines Erachtens vom Staatsanwalt mit Recht als eine schwere Beleidigung des Offiziers⸗ korps aufgefaßt worden. Es heißt darin, daß schließlich fast das ganze Offizierkorps einschließlich der Etappe eine bestechliche Kameraderie von Schurken gewesen sei, daß es sich als moralisch durchaus minder⸗ wertig, feige und verlogen (Hört, hört!) erwiesen, daß ihm vor allem der Mut zur sittlichen Wahrtheit gefehlt habe und dergleichen mehrt. In der Hauptverhandlung hat auch der Angeklagte selbst erklärt, daß er den Inhalt des Artikels nicht in jeder Beziehung bewilligen könne. In dem Urteil sind als strafverschärfend nicht nur die vor 1913 liegenden Vorstrafen wegen Beleidigung, sondern auch noch andere Umstände berücksichtigt worden. Ob der Major Gieren die von dem Herrn Abgeordneten ihm zügeschriebene Aeußerung, der jetzigen Judenregierung brauche man keine Treue zu halten, geten hat, weiß ich nicht. Jedenfalls wäre sie für den fraglichen Beleidigungsprozeß belanglos gewesen.
Die Aeußerung des Herrn Abgeordneten über den Fall der „Bres⸗ lauer Volkswacht“ bezüglich der Beleidigung der Offiziere des Frei⸗ korps Aulock ist wie folgt richtig zu stellen. In der „Breslauer Volkswacht“ stand ein Artikel, in dem drei Truppenteile, nicht nur das Freikorps Aulock beleidigt wurden. Dieser veranlaßte den Chef des Generalstabes der III. Kavalleriedivision am 3. April wegen Be⸗ leidigung der drei in dem Artikel genannten Korps Strafantrag zu stellen, worauf die Staatsanwaltschaft pflichtgemäß Klage erhoben hat. Das Gericht ist nicht in die Lage gekommen, sich über die Klage auszusprechen, weil inzwischen die Amnestie eingetreten war. Ein Vorwurf gegen die Breslauer Staatsanwaltschaft kann demnach nicht erhoben werden.
Unrichtig ist auch die Behauptung, daß die Amnestie ungleich⸗ mäßig angewendet worden sei. Ich weise nur darauf hin, daß im Landgerichtsbezirk Duisburg 1535 Personen, wohl alles Arbeiter, unter die Amnestie gefallen sind; im Landgerichtsbezirk Hagen 163, im Landgerichtsbezirk Münster 300. In den Landgerichtsbezirken Essen, Dortmund und Bochum ist die Zahl der Amnestierten so hoch, daß sie wegen der damit verbundenen großen Arbeit bis jetzt noch nicht ermittelt werden konnte. (Hört, hört! rechts. Heiterkeit.)
Daß auch bei der Begnadigung parteiisch verfahren werde, hat der Herr Abg. Heilmann nicht behauptet. Eine solche Behaup⸗ tung hätte aber auch den Tatsachen allzu sehr widersprochen.
Die Strafaussetzung wird grundsätzlich möglichst weit⸗ herzig gehandhabt. Daß trotz der großen Sorgfalt, mit der die Sache vom Ministerium und allen in Betracht kommenden Behörden be⸗ handelt wird, einmal in einem einzelnen Falle, in dem eine Aussetzung am Platze gewesen wäre, eine solche nicht erfolgt sei, ist möglich, mit Rücksicht auf die Unmenge der Aussetzungsgesuche — sie zählen nach vielen Tausenden — aber wohl begreiflich und auch entschuldbar.
Nach der Behauptung des Herrn Abgeordneten gibt die Dauer der Untersuchungshaft zu vielen Klagen Anlaß. Richtig ist, daß infolge der gewaltigen Zunahme der Kriminalität die Unter⸗ suchungen nicht überall so rasch abgeschlossen werden können wie früher. Aber hierfür ist die Justiz nicht verantwortlich zu machen. Eine bedeutende Vermehrung der Beamten der Staatsanwaltschaft wäre aus sachlichen Gründen zu wünschen, wird sich aber mit Rücksicht auf die traurige Finanzlage des Staates nur in beschränktem Umfange erreichen lassen.
Ich greife nun aus der Reihe der von dem Herrn Abgeordneten zur Unterstützung seiner Klagen vorgebrachten Einzelfälle noch einige heraus.
Der Herr Abgeordnete hat angeführt, daß ein Widerspruch be⸗ stände in der Behandlung einerseits der von Ebert und Noske wegen des Badebildes und andererseits der von dem früheren Kaiser wegen des Bonn⸗Films angestrengten Klagen. Der behauptete Widerspruch besteht aber in der Tat nicht. (Zuruf links: Si tacuisses!) Allerdings sind Ebert und Noske mit ihrer Klage im subjektiven Verfahren ab⸗ gefallen. Es ist dann aber auf ihren Antrag im objektiven Ver⸗ fahren eine das Badebild wiedergebende Postkarte in Gemäßheit der §§ 46, 47 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst von 1901 eingezogen worden. Der vormalige Kaiser hat eine Klage im subjektiven Verfahren überhaupt nicht erhoben⸗ im objektiven Verfahren hat er wegen des Bonn⸗Films denselben Erfolg gehabt wie Ebert und Noske wegen der Postkarte.
Nun zu den Fällen Marloh, von Kessel, Marburger Studenten.
Die Verurteilung von Marloh zu 1 ¼½ Jahren ist vom mili⸗ tärischen Kriegsgericht erfolgt, das der preußischen Justiz nicht unterstand.
Gegen von Kessel war das Verfahren wegen Eidesverletzung ursprünglich von der Zivilbehörde eingeleitet. Dann hat das Militär⸗ gericht die Sache bekommen, weil angenommen wurde, daß von Kessel der Militärgerichtsbarkeit noch unterstehe. Mit der Aufhebung der Militärgerichte ist die Sache wieder vom Zivilgericht übernommen worden. Bei diesem war die Durchführung nicht möglich, weil Kesse nach dem Gutachten der medizinischen Sachverständigen nicht ver⸗ nehmungsfähig ist. Das Gericht ist also für die Verzögerung auf keinen Fall verantwortlich.
Der Fall der Marburger Studenten ist ebenfalls wie der Fall Marloh vor dem außerordentlichen Kriegsgericht verhandelt worden. Dieses hat angenommen, daß die von den Studenten er⸗ schossenen Spartakisten auf der Flucht befindlich gewesen seien. Die Sache kommt jetzt von neuem vor dem Schwurgericht zur Ver⸗ handlung.
Was sodann die Verurteilung des Arbeiters Haase wegen der Beleidigung des Grafen Keller anbelangt, so hat das Justiz⸗ ministerium, sobald es von der Sache Kenntnis erhalten hatte, sofort
die Vollstreckung der Strafe aufgehoben. Nach den Akten ist übrigens anzunehmen, daß es sich um Sachen von geringem Werte gehandelt hat, und daß das Gericht auf Grund des eidlichen Zeugnisses des Grafen Keller die Ueberzeugung gewonnen hat, daß von ihm eine An⸗ eignung der fraglichen Gegenstände nicht beabsichtigt gewesen ist. Graf Keller ist auch zu der Klage keineswegs gezwungen worden, sondern er hat sie erhoben, sobald er von der Aeußerung des Haase Kenntnis erhalten hatte.
Gegen den Lehrer Stemmer ist allerdings ein Verfahren eingeleitet gewesen, weil er als Unterführer der Roten Armee von der Gemeinde Hordel eine Summe Geldes erpreßt hatte. (Hört, hört! rechts.) Auf Grund des Amnestiegesetzes ist er am 14. August entlassen worden. Die Einleitung des Verfahrens war einwandfrei und an sich berechtigt. Nachdem am 27. Juli eine Eingabe des sozialistischen Lehrervereins von Hagen vom 24. desselben Monats beim Justizministerium eingetroffen war, ist sofort Bericht ein⸗ gefordert worden. Von einer Verschleppung der Sache kann keine Rede sein.
Das von dem Herrn Abgeordneten erwähnte Verfahren gegen den Kommunisten Wild schwebt zurzeit noch beim Reichsgericht, das bisher allerdings die Amwendbarkeit der Amnestie verneint hat. Beim Feuerarbeiter Gerunzig ist die Anwendbarkeit der Amnestie nicht — wie der Herr Abgeordnete annimmt — deshalb verneint worden, weil er seinen Dienstanzug behalten hatte, sondern weil er, allerdings mit einem Ausweis des Zentralrats versehen, einen Dienst⸗ anzug mit Anwendung von Waffen erpreßt hatte. (Hört, hört! rechts.) Da die Begnadigung in diesem Falle Sache des Reichs ist, sind die Akten von uns an das Reichsjustizminsterium zur weiteren Veran⸗ lassung abgegeben worden. (Zuruf links: Also, die Akten sind in
„Ordnung!) — Ach, Sie verstehen ja von der Sache nichts.
Die Behauptung des Herrn Abg. Heilmann, daß unbequeme Beamte immer noch einfach entfernt würden, kann ich nicht umvwidersprochen lassen. Der von ihm zur Unterstützung dieser Behauptung angeführte Fall Lerche verhält sich nach meiner Er⸗ mittlung wesentlich anders, als ihm mitgeteilt worden ist. Lerche hat die Strafe von einem Monat Gefängnis nicht wegen Diebstahls eines Bogens Papier, sondern wegen Unterdrückung des Pensio⸗ nierungsgesuchs eines gewissen Stolle erhalten, was etwas ganz anderes ist.
Zu dem vom Herrn Abg. Heilmann vorgebrachten Vorfall in Osnabrück ist diesseits folgendes ermittelt worden:
Die Soldaten des Freikorps Lichtschlag wollten die Versammlung der Friedensgesellschaft in Osnabrück, die öffentlich war, besuchen. Als die ersten Soldaten den Saal betreten wollten, wurden sie von den Ordnern aufgefordert, in der Garderobe die Waffen, d. h. die Seitengewehre, abzulegen. Sie weigerten sich, dem nachzukommen, und drängten in den Saal. Da die Ordner sie an dem Betreten des Saales gewaltsam zu verhindern suchten, kam es zu einem Gedränge, in dem die Soldaten von Zivilisten mit Gummi⸗ knüppeln und anderen Werkzeugen geschlagen sein wollen. Der Ulan Esser zog einen Revolver hervor und lud ihn, angeblich, weil er sich von Zivilsten bedroht fühlte, und zur Abwehr einen Schreckschaßs abgeben wollte. Er behcuptet, als er habe abdrücken wollen, sei er am Arm gestoßen worden, und deshalb habe der Schuß, der in die Luft habe gehen sollen, den Sohn des Vorsitzenden der Friedens⸗ gesellschaft Knüppe getroffen. (Zuruf links: Im Saal schießt man doch nicht in die Luft!)
Das Verfahren ist zunächst vor der Militärbehörde geführt worden. Es ist von ihr am 27. Juni 1920 eingestellt worden, weil der Täter nicht zu ermitteln sei, auch mit Rücksicht auf die Auflösung des in Frage kommenden Truppenteils keine Aussicht bestehe, ihn zu ermitteln. Dem die Untersuchung führenden Kriegsgerichtsrat war dabei nicht bekannt, daß die Person des Täters inzwischen am 20. Mai 1920 in dem zivilgerichtlichen Verfahren festgestellt war. Alsbald, nachdem dies dem untersuchungsführenden Kriegsgerichtsrat bekannt geworden war, ist er erneut in Untersuchungen eingetreten.
In dem zivilgerichtlichen Verfahren ist der Täter am 22. Maꝛĩ 1920 dem Amtsrichter vorgeführt und von diesem, ohne daß ein Haft⸗ befehl erging, wieder entlassen worden. Für den Amtsrichter war hierbei entscheidend, daß der inzwischen vom Militär entlassene Be⸗ schuldigte zu seinen Eltern zurückgekehrt war, daher nicht flucht⸗ verdächtig erschien. Tatsächlich hat sich der Beschuldigte auch niemals der Strafverfolgung entzogen, so daß die Annahme des Amtsrichters, es bestehe kein Fluchtverdacht, sich als zutreffend erwiesen hat. Dafür, daß der Amtsrichter den Sachverhalt nicht objektiv gewürdigt, sondern sich von parteiischen Gesichtspunkten irgendwelcher Art hat leiten lassen, ist nicht der geringste Anhalt gegeben. Gegen den Täter ist nunmehr von der Staatsanwaltschaft Osnabrück Anklage wegen fahr⸗ lässiger Körperverletzung erhoben und von der Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet worden. Termin zur Hauptverhandlung stand am 29. Oktober an; in diesem Termin mußte aber Vertagung eintreten, weil einzelne Zeugen nicht erschienen waren. Zu irgend⸗ welchen Maßnahmen liegt demnach für die Justizverwaltung kein Anlaß vor. (Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Nach Angabe des Herrn Abgeordneten Heilmann sollen in Sensburg in Ostpreußen die Richter, die den Gegenstreik gegen den von Arbeitern veranstalteten Streik geleitet hatten, den Arbeitern Strafbefehle über 4 Wochen Haft geschickt haben. Nach meiner Er⸗ mittelung muß hier ein tatsächlicher Irrtum vorliegen, indem weder der Richter Seesemann noch der Richter Schulz — nur diese können in Frage kommen — gerichtliche Handlungen vergenommen haben, die mit dem Streik oder Gegenstreik in Zusammenhang stehen.
Was den Fall der Verurteilung des Steiner in Schweidnitz wegen Diebstahls eines Fasses Speisefett anlangt, so hebt der Herr Abgeordnete hervor, daß die Anzeige erfolgt sei am Tage, nach dem Steiner eine Ortsgruppe der U. S. P. in Schweidnitz gegründet hatte. Ich verstehe nicht, inwiefern daraus ein Vorwurf gegen die Staatsanwaltschaft oder das Gericht hergeleitet werden könnte. Ohne Rücksicht auf die Gründung der Ortsgruppe ist die Staatsanwalt⸗ schaft eingeschritten, nachdem sie Kenntnis von der Anzeige erhalten hatte. Aus welchen Beweggründen die Anzeige erstattet worden ist, geht weder Staatsanwaltschaft noch Gericht etwas an.
Auf den Fall Sklarz will ich heute nicht eingehen, weil er, wie bereits Herr Abgeordneter Heilmann selbst bemerkt hat, Gegen⸗ stand einer besonderen Anfrage ist.
Die vom Herrn Abgeordneten Heilmann erwähnte Sache Schwidden schwebt zurzeit in der Berufungsinstanz. Für die Annahme, daß der erste Richter sich bei der Urteilsfällung durch die von dem Herrn Abgeordneten erwähnten Umstünde babe bestimmen
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vorgeschrieben ist.
lassen, fehlt jeglicher Anhalt. Wer die preußischen Richter kennt
wird dies für gänzlich ausgeschlossen halten. (Unruhe bei den Unab⸗
hängigen Sozialdemokraten.) In der Sache Gutehoffnungshütte ist das Verfahren
noch nicht abgeschlossen. Nach den Akten scheint festzustehen, daß die
bei Klose beschlagnahmten Papiere der Gutehoffnungshütte und die
auf Papier der Gutehoffnungshütte geschriebenen Abschriften mit Zu⸗
stimmung des Klose beschlagnahmt und der Gutehoffnungshütte, der sie gehörten, herausgegeben worden sind. (Hört, hört! rechts.)
In der Sache Siemsen trifft das Justizministerium, keinerlei Schuld. Am 13. Juli ist das Urteil gesprochen und der Haftbefehl erlassen worden. Sobald man im Justizministerium hiervon Kennt⸗ nis erhalten hatte, ist, und zwar bereits am 15., beim Oberstaats⸗
anmwalt angefragt worden, ob Haftentlassung möglich sei. Am 16. ist
diese angeordnet worden. Am 4. August trat die Amnestie ein. Das Justizministerium ist also sofort und erfolgreich im Interesse des Herrn Siemsen in Tätigkeit getreten.
Die Ernennung des Amtsgerichtsrats Parey in Eisleben zum Aufsichtsrichter daselbst hat sich ordnungsmäßig vollzogen. Sie ist
8 erfolgt auf den Vorschlag des Oberlandesgerichtspräsidenten in Naum⸗
burg und des Landgerichtspräsidenten in Halle, welch letzterer berichtet, daß aus dem Kreise der Beamtenschaft keine Tatsache mitgeteilt sei, die begründete Bedenken gegen Pareys Eignung erwecken könnte. Er hat sich dabei an meine Rundverfügung vom 14. Mai dieses Jahres gehalten, in der die Befragung des Beamtenausschusses nicht (Abg. Christange: Der Richter, der den Eid auf die Verfassung verweigert hat, ist zum aufsichtsführenden Richter ernannt worden! — Hört, hört! bei den U. Soz.) — Damit ist wohl Herr Marquardt gemeint? Der ist auf seinen Wunsch nach Char⸗ lottenburg versetzt worden. — Auf Anfrage, ob Parey die ihm von
dem Herrn Abgeordneten in den Mund gelegte Aeußerung getan habe, ist die telegraphische Antwort gekommen: 8 Fassung unrichtig, Akten folgen“. Nach Eintreffen der Akten werde ich dem Herrn Abgeordneten weiteren Aufschluß geben.
„Behauptung in der
Der Herr Abgeordnete Heilmann hat meine die Einsicht⸗ nahme in die Personalakten betreffende Verfügung vom 3. November d. J. getadelt. Ihr erster Absatz lautet:
Die Preußische Staatsregierung hat unter Aufhebung des in der Allgemeinen Verfügung vom 18. November 1919 (Zustiz⸗ ministerialblatt Seite 574) mitgeteilten Beschlusses beschlossen, daß die Personalakten, auch soweit sie vor dem 1. Oktober 1919 angelegt sind, den Beamten auf Verlangen zur Einsicht vorzulegen sind, und daß es dem Vorstande der Behörde, bei der die Personalakten
führt werden, überlassen bleiben soll, vor Gewährung der Einsicht
diejenigen Stücke aus den Akten zu entfernen und zu vernichten, die sich zur Vorlegung an die Beamten nicht eignen, insbesondere deshalb, weil dritten Personen aus der Vorlegung Nachteile ent⸗ stehen könnten. Der Wortlaut ergibt, daß es sich nicht um eine besondere Verfügung des Justizministers handelt, daß dieser vielmehr lediglich für sein Ressort einen Staatsministerialbeschluß zur Ausführung gebracht hat. Dieser Beschluß ist aber meines Erachtens auch richtig und dient den Interessen der Beamten. Würden die sämtlichen Personalakten, wie der Herr Abgeordnete angeregt hat, eingestampft, so gingen viele für die Beamten wichtige und nützliche Notizen verloren. Die meisten Beamten haben kein Interesse an der Sache. Diejenigen von ihnen aber, denen daran liegt, ihnen unbequeme Stücke, die sie nicht sehen
sollen, aus den Akten zu beseitigen, können das jederzeit durch das Verlangen der Akteneinsicht erreichen.
(Abg. Christange: Die Einsicht wird ihnen aber nicht gestattet!) — Sie brauchen weiter nichts zu tun, als die Akteneinsicht zu fordern, dann muß ihnen dieser Wunsch erfüllt werden.
Der Herr Abgeordnete Heilmann hat endlich die baldige Auf⸗ lösung der Fideikommisse gefordert. Die diese Auflösung verfügende Verordnung des Staatsministeriums ist inzwischen er⸗ schienen. Bei Prüfung der Verordnung wird der Herr Abgeordnete
finden, daß die in seinem Antrage auf Drucksache Nr. 3306 angegebenen Riicchtlinien tunlichst innegehalten worden sind. Die Berechtigung
des Staatsministeriums zum Erlaß der Verordnung ergibt sich aus
den 88 3 und 285 des Abelsgesetzes vom 23. Jumi dieses Johres und
§ 4 der Ergänzungsverordnung vom 22. September dieses Jahres. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß die Verordnung den Beifall des hohen Hauses finden wird. (Bravol vechts und im Zentrum.)
Abg. Dr. Berndt (D. Dem.): Es kommt weniger auf den Wortlaut der Gesetze, als auf den Geist der Rechtspflege an. Die Rechtspflege muß getragen sein vom Geist des m Staates, der sich aufbaut auf der Demokratie und dem sozialen Gedanken. Wir wollen dem Laienelement einen größeren Platz einräumen in der Richterschaft, auch den Arbeitern und Frauen. Die Volksschullehrer 8gg als Schöffen und Geschworene herangezogen werden. Wenn ein Abgeordneter in seiner Abgeordnetentätigkeit beleidigt worden ist, so muß in jedem Falle ohne ÜUnterschied der Parteizugehörigkeit öffent⸗ liche Anklage erhoben werden. Das beste Strafrecht ist dasjenige, das dem Richter möglichst freien Spielraum läßt. Der Strafvollzug muß so gestaltet werden, daß der Gefangene zur Arbeit erzogen wird. Die Fürsorge für entlassene Strafgefangene muß ausgedehnt werden. Beim Strafvollzug soll nicht der Stants⸗ anwalt entscheidend sein. Wir brauchen ein einheitliches Arbeits⸗ recht, das auch die Hausangestellten umföe. Im Ziyilprozeßver⸗ fahren muß das Laienelement mehr zur echtsprechung herangezogen werden. Dem sozialdemokratischen Antrag auf Zulassung von Frauen als Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte stimmen wir zu. Es wiederholt nur die Forderung unseres früheren Antrages Friedberg. Diese Forderung zieht nur die * aus der ver⸗ fassungsmäßig festgelegten Gleichberechtigung der Geschlechter. Wir wenden uns entschieden gegen eine weitere Vermehrung der Sonder⸗ gerichte. Das Arbeitsrecht darf den ordentlichen Gerichten nicht entzogen werden. Gerade im Arbeitsrecht brauchen wir unabhängige Richter. Die paritätische Besetzung mit Arbeitgebern und Arbeitern kann auch unter dem Vorsitz eines Richters beibehalten werden. Die Rechtsanwälte müssen auch vor den Gewerbe⸗ und Kaufmannsgerichten ugelassen werden. Die Zwangsauflösung der Familiengüter muß saleuntest durchgeführt werden. Die Agngtenrechte sind aufzuheben geoen angemessene Entschädigung. Eine entschädigungslose Aufhebun würde bedenkliche Folgen haben. Schiedscerichte werden nac billigem Ermessen die Entschädigungen zu bestimmen haben. Die Abfindung sollte teilweise durch Land erfolgen, damit die Latifundien aufgehoben werden, und eine großzügige Siedlungspolitik eingeleitet wird. In Einzelfällen können wir der Kritik des Abg. Heilmann an der Rechtsprechung zustimmen, aber wir müssen uns vor Verallgemeinerungen hüten. Was ist aus dem Disziplinar⸗ verfahren gegen lappistische Justizbeamte geworden? Der Redner bespricht sodann Fragen des Rechtsstudiums und verlangt die materielle Besserstellung der Referendare. (Beifall.)
Ein Regierungsvertreter: Nur infolge der außerordent⸗ lichen Steigerung der Strafsachen wirken jetzt vielleicht mehr Assessoren, als zulässig, in den Strafkammern mit. Von Fragebogen, die die persönlichen Verhältnisse der Rechtsanwälte betreffen, ist
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Abg. Dr. Seelmann (D. Behauptung des Abg. Heileags. im alten
der Büttel des Staates gewesen, ist Richter keineswegs eine bevorzugte Klasse sen. In der Straf⸗ rechtspflege sind auch vielfach Geschworene und Schöffen maßgebend, man darf daher nicht die gelehrten Richter für alles verantwortlich machen. Bei den Strafkammern gibt es keine Parteilichkeit, sondern nur Unterschiede in der Stvenge der einzelnen Richter. Es gibt keine Klassenjustiz. (Abg. Adolf Hoffmann: Marloh! Eulenburg!) Das Verlangen der Sozialisten geht dahin, daß alle Richter Fopla⸗ listen seien. (Widerspruch links.) Gerade der unabhängige Richter wechselt seine Anschauungen nicht nach dem Tagesbedarf. Wir sehen der Entwicklung mit Vertrauen entgegen, solange die jungen Juristen unter der Anleitung der versfischen Richter in der Hingabe an das Amt ausgebildet werden. Meine Partei hat mich beauftragt, unserem Richterstand den Dank für seine Hingabe an das Amt und für seine treue Pflichterfüllung in schwerster
Zeit rr een (Beifall rechts.) Nach der Rede des Ab⸗
rdneten ilmann ee ich mich dieses Auftrags gern. Der neuen Regelung der Ausbildung der jungen Juristen stehen wir einigermaßen steptisch gegenüber. Wir legen das Hauptgewicht darauf, daß die jungen Juristen sich in den Geist einer gerechten und unab⸗ hängigen eesgrechung hineinfinden. Wir erkennen an, daß vdie Justizverwaltung außerordentlich, belastet ist, aber ihr Apparat ist viel zu schwerfällig. Der Dienst der Justizve⸗waltung könnte be⸗ schränkt werden. Es wird jetzt viel zu viel geschrieben, besser wäre es, wenn die Justizverwaltung diese oder jene Frage mit den Ober⸗ landesgerichtspräsidenten oder den Landgerichtspräsidenten in münd⸗ lichen Besprechungen behandelte. Es ist schon mancher alte 2 ab⸗ geschnitten worden, aber es gibt noch viele Zöpfe, die abgeschnitten zu werden verdienten. Die Justizverwaltung muß dezentralisiert werden. Die Ueberlastung der Gerichte wird immer schlimmer, namentlich in Berlin erliegt ein Richter nach dem andern der Ueber⸗ last. Ich habe im vergangenen Jahre im Hauptausschuß der Justiz⸗ verwaltung Vorschläge unterbreitet, aber es ist nichts geschehen, und heute erleben wir eine Massenflucht aus der Justiz, namentlich seitens der besten Kräfte. Einige praktische Falle erregen unsere ernste Besormis. Gegen den Landgerichtspräsidenten Kasten in Königsberg, einen Mann von 60 bis 70 Jahrven, ist das Disziplinarverfahren auf formliche Dienstentlassung einge⸗ leitet worden. Als das Oberlandesgericht das Verfahren ablehnte, Ee e CEE1A“” 1 Bes Lammergericht statt So schnöd f man 52* 8— Beamten vüicht deandeca ecn Se las nur darin and, auf seinem Gerichtsgebäude die schwarz⸗weiß⸗ rote Fahne aufgezogen war. Der Staatskommissar Boro in Königsberg hat die FrFilasgumg von Untersuchu langt, und sein Helfersbelfer Lübbring (stürmische Helfershelfer?) drohte die Zellen gewaltsam zu öffnen. handelte sich um Untersuchungsgefangene, und die Regierung sollte nicht in hohe Stellen amte berufen, die keine Ahnung von den Gesetzen haben. Herr Borowski ist inzwischen ausgeschieden. Herr Lübbring waltet noch seines Amtes. Nur seine Eigenschaft als Abgeordneter schützt ihn vor dem Arm der Gerechtigkeit. Wie steht der Justizminister dazu? Der Polizeipräsident Lübbring hat ferner drei Redakteure einer deutschnationalen Zeitung festsetzen lassen. (Jronische Rufe der Unabhängigen: Gemeinheit! unerhört!), ohne sie nach dem Gesetz binnen 24 Stunden dem ordentlichen Richter zuzu⸗ führen. Unsere kleine Anfrage deswegen vom 23. April wurde erst am 28. September beantwortet. (Ruf bei den Unabhängigen: Ist schnell genug gegangen!) Die Regierung erklärte, keinen Anlaß zum Einschreiten zu haben, da der Polizeipräsident es getan habe, um die Arbeiter zu beruhigen. Um der Arbeiter willen wird also die persön⸗ liche Freiheit angefaßt. Wie stellt sich der Justizminister dazu? Redner befürwortet dann den don efegtete von den Deutsch⸗ nationalen gestellten Antrag, den Justizminister zu ersuchen, möglichst bald eine Kommission unter Heranziehung von Strafanstaltsberufs⸗ beamten be E Ge 25 X zur Neu⸗ ordnu Stvafvo u 8 n “ Er r. sodann, für die Gleichstellung der Justizsekretire mit den Verwaltungssekretären und fordert der Resorm des Strafgesetzbuchs auch eine Einschränku des Schreibwerks. Er schließt zu. der Linken gewendet mit folgenden Worten: Unser preußischer Richterstand steht viel zu hoch, um von Ihren Angriffen erreicht zu werden. (Lebhafter Beifall rechts.) Justitia fundamentum regnorum — danach richten Sie Ihre Kritik ein, aber reißen Sie nicht etwas herunter, um das uns die Welt be⸗ neidet. (Unruhe und Gelächter links.) Schon haben Sie die Ver⸗ waltungen in die Hände bekommen, und das Volk sieht, was daraus geworden ist. (Große Unruhe links.) Wenn Sie auch noch die Justiz in die Hände bekommen (stürmische Unterbrechung links, in der die Schlußworte des Redners verloren gehen).
Hierauf wird um 53½ Uhr die Fortsetzung der Beratung
auf Mittwoch, 12 Uhr, vertagt, (kleinere Vorlagen, der
Gesetzentwurf, betr. die Altersgrenze).
Sgefangenen ver⸗ rotestrufe links: öffnen. Es
Handel und Gewerbe. Heute findet kein Börsenverkehr statt.
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— Von unterrichteter privater Seite wird dem „W. T. B.⸗ schrieben: In der vorvergangenen Woche haben in Prag zwischen Vertretern deutscher Banken und den zuständigen tschecho⸗ slowakischen Ministerien Besprechungen uͤber die Aus⸗ legung und Durchführung der Anlage E des Wirtschafts. abkommens vom 29. Juni 1920 stattgefunden, die grundsätzliches Einverständnis über die Beseitigung der bestehenden zahlreichen Schwierigkeiten bei der Abstempelung tschecho⸗slowakischer Wertpapiere ergeben haben. Zunächst wurde in Würdi⸗ gung der bestehenden Unklarheiten eine Fristverlängerung für die Ab⸗ stempelung bis zum 15. Januar 1921 zugestanden. Die Bekanntgabe der übrigen Ergebnisse erscheint deshalb verfrüht, weil zunächst das Einverständnis der beiderseitigen Regierungen hierzu eingeholt werden soll, und diese dahber noch nicht als endgültig angesehen werden können. Es dürfte jedoch kein Zweifel bestehen, daß die wichtigsten Gesichts⸗ punkte die Zustimmung beider Regierungen finden werden. Gelegentlich der Verhandlungen wurde von deutscher Seite die Frage der tschecho⸗ slowakischen Vermögens⸗ und Vermögenszuwachsabgabe aufgeworfen, der nach dem Gesetz vom 8. April 1920 auch Ausländer mit ihrem fämtlichen in der Tschecho⸗Slowakei befindlichen Vermögen (also nicht nur mit dem Grund⸗ und Betriebsvermögen, sondern auch mit Guthaben, Depots und sonstigen Forderungen gegen tschecho⸗slowakische Schuldner) unterworfen sein sollen. Es wurde betont, daß dieses Gesetz nicht nur eine ungeheure Beunruhigung in die deutschen Interessentenkreise getragen habe, sondern auch zu einer schweren Schädigung des eigenen Wirtschaftslebens der tschecho⸗slowafi⸗ schen Republik führen werde und bereits geführt habe. Im Hinblick darauf, daß in einiger Zeit Verhandlungen über den Abschluß eines Beee zur Beseltigdng der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und der Tschecho⸗Slowakei für die ein befriedigendes Ergehnis zuversichtlich erwartet wird, wurden die zuständigen Vertreter des Irager Finanzministeriums gebeten, eine Verlängerung der am 31. 3 1920 abgelaufenen Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für Ausländer schon jetzt zuzugestehen, damit die Strafbestimmungen des Gesetzes bei nicht rechtze tiger Abgabe bis zum 31. Dezember 1920 nicht zur Anwendung u kommen hätten und im Falle eines vorherigen Vertrags⸗ chlusses zwischen Deutschland und der Tschecho⸗Slowakei gegebenen⸗ alls unnötige Arbeit vermieden würde. Darauf wurde die (allerdings unverbindliche) Erklärung abgegeben, daß mit einer Fristverlängerung für Ausländer über den 31. Dezember 1920 hinaus gerechnet werden könne, so zunächst wohl — soweit nicht Grund⸗ und Betriebs⸗ vermögen in Betracht kommt — abgewartet werden kann, ob sich auf Grund der Verhandlungen zwischen Deutschland und der Tschecho⸗ Slowakei die Abgabe der Steuererklärungen erübrigen wird.
6 1b Geld
mu be⸗
Telegraphische Auszahlung.
8 24. November 23. November Brief Geld Brief
2092,10 2047,95 2052,05 448,00 454,50 455,50 925,95 909,05 910,95 925,95 916,55 918,45
1316,35] 1296,20 1298,80 141,15 135,85 136,15 260,30 259,70 260,30 240,25 239,75 240,25
68,57 68,93 69,07 422,95 417,09 417,95
1076,10] 1043,95 1046,05
905,95 884,10 885,90
2087,90 447,00 924,05 924,05
1313,65 140,85 259,70 239,75 422,05
1073,90 904,05
Amsterdam⸗Rotterdam
Brüssel und Antwer
Christiania.. ...
Kopenhagen .. .5
Stockholm und Gothen⸗ burg. .
Helsingfors.
Italien
London
New York
Paris..
Schweiz.
Spanien..
Wien (altes))).
Wien (Dtsch.⸗Oesterr.), †
abgestemp. 20,83
20,77 86,35 15
86,15 15,28
20,97
I“ 86,15 Budapest. 14,73 Bulgarien ; Konstantinopel 3
Wagengestellung für Kohle, Koks Sund Briketts ---—
Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen
am 22. November 1920. 21 389
20 056 am 23. November 1920. 22 042
Gestellt..
Nicht gestellt.
Beladen zurück⸗ geliefert..
Gestellt..
Nicht gestellt.
Beladen zurück⸗ geliefert
20 848
Berichte von auswärtigen Wertpapiermärkten.
Frankfurt a. M., 23. November. (W. T. B.) Bei un⸗ regelmäßiger Haltung war das Geschäaft an der Abendbörse ruhig, in Bergwerksaktien stellte sich Abgabenneigung ein, die Ab⸗ schwächungen von 2 bis 6 vH zur Folge hatten. Es notierten Mannes⸗ mann 623, nachbörslich 625, Phönix 640 — 642, Harpener 571, Buderus 710, Caro 305, Oberbedarf 3245 Laurahütte 380, Elektro⸗ papiere behaupteten ihren Kursstand. Voigt & Häffner waren mit 354 fester, Licht und Kraft 210,50, Bergmann 279,75. Höher gingen chemische Paviere. Th. Goldschmidt waren 500, Rütgers⸗ werke 439, Badische Anilin 595, Scheideanstalt waren mit 848,50 behauptet. Kassa⸗Industrieaktien unterlagen teil⸗ weise einer Abschwächung. Niedriger stellten sich Adlerwerke mit 339. Vereinigte Berlin⸗Frankfurter Gummifabrik wurden bei großen Um⸗ sätzen gehandelt und stiegen etwa 30 vH auf 490. Brauerei Sinner mit 160 und Chamotte Annawerk mit 440 waren je 10 vH höher. Ferner notierten: Daimler 273,50, Hirsch Kupfer 427,50, Spiegel u. Spiegelglas 659,50. Die Auslandspapiere schwächten sich im Ver⸗ laufe 5 da sich auf dem Devisenmarkte eine schwankende Haltung einstellte. 5 % Goldmexikaner notierten 720 —700, Silbermexikaner 530 — 500, 4 ½ % Bewässerungsanleihe 508 —500, 5 % Tehunantepec 475, Baltimore and Ohio 535 — 530, Schantung 598. Die Devisen schwächten sich zum Teil ab. Es notierten: Brüssel. 445, Holland 2050, London 236, Paris 420, Schweiz 1060, Italien 265, New York 66,75. 8
Köln, 23. November. (W. T. B.) Englische Noten 235,00 bis 238,00, Französische Noten 420,00 — 424,00, Belgische Noten 443,00 bis 446,00, Holländische Noten 2050,00 — 2080,00, Rumänische Noten 102,00 — 103,00, Amerikanische Noten 65,25 — 66,25, Schweizerische Noten —,—, Italienische Noten —,—, Stockholmer Noten —,—. — Anmerika Kabelauszahlung 65,50 — 66,50.
Leipzig, 23. November. (W. T. B.) Sächsische Rente 57,50, Bank für Grundbesitz 150,50, Chemnitzer Bankverein 205,00, Ludwig Hupfeld 476,00, Piano Zimmermann 459,00, Stöhr u. Co. 606,00, Sächs. Wollgf. vorm. Tittel u. Krüger 380,00, Chemnitzer Zimmermann 270,00, Peniger Maschinenfabrik 175,00, Leipziger Werkzeug Pittler u. Co. 418,00, Hugo Schneider 365,00, Fritz Schulz jun. 409,00, Riebeck u. Co. 250,00.
Hamburg, 23. November. (W. T. B.) Börsenschlußkurse. Deutsch⸗Australische Dampfschiff⸗Gesellschaft 274,00 bis 285,00 bez., Deutsche Dampschiff.⸗Gesellschaft Kosmos 449,00 bis 462,50 bez., Deutsch⸗Ostafrika⸗Linie 280,00 bis 352,00 bez., Hapag 199,000 bis 200,75 bez., Hamburg⸗Südamerika 425,00 bis 437,00 bez., Nord⸗ deutscher Lloyd 189,75 — 194,25 bez., Vereinigte Elbeschiffahrt 315,00 bis 326,00 bez., Hamburg⸗Bremen Afrikalinie —X,— G., —,— B., Schantungbahn 583,00 — 594,00 bez., Brasilianische Bank 630,00 G., 670,00 B., Commerz⸗ und Privat⸗Bank 210,50 G., 212 50 B., Vereinsbank 212,00 G., 216,00 B., Alsen⸗Portland⸗Zement 419,50 bis 420,50 bez., Anglo⸗Continental 392,50 bis 405,00 bez., Asbest Calmon 299,50 — 307,00 bez., Dvnamit Nobel 371,00 — 376,00 bez., Gerbstoff Renner 532,00 bis 535,00 bez., Norddeutsche Jutespinnerei 308,50 bis 310,50 bez., Harburg⸗Wiener Gummi 444,00 bis 456,00 bez., Caoko 240,00 bez.,, Sloman Salpeter 2625,00 bez., Neuguinea 680,00 G., 700,00 B., Otavi⸗Minen⸗Aktien 845,00 G., 855,00 B., do. Genußsch. 620,00 G., 640,00 B. — Tendenz: Schwächer.
Wien, 23. November. (W. T. B.) Türkische Lose 3010,00, Staats⸗ bahn 4530,00, Südbahn 1727,00, Oesterreichische Kredit 1135,00, Ungarische Kredit 1740,00, Anglobank 1089,00, Unionbank 951,50, Bankverein 1183,00, Länderbank 1900,00, Oesterreichisch⸗Ungarische Bank 5500,00, Alpine Montan 5050,00, Prager Eisen 12930,00, Rima Muranyer 3300,00, Skodawerke 3090,00, Salgokohlen 7610,00, Brüxer Kohlen —,—, Galizia 26600,00, Waffen 3300,00, Lloyd⸗Aktien 33000,00, Poldihütte 4630,00, Daimler 1480,00, Oester⸗ reichische Goldrente 177,00, Oesterreichische Kronenrente 98,50, Februar⸗ rente 98,00, Mairente 98,00, Ungarische Goldrente —,—, Ungarische Kronenrente 118,50, Veitscher —,—, Siemens⸗Schuckert 1810,00.
Wien, 23. November. (W. T. B.) Notierungen der Devisen⸗ zentrale: Berlin 751,00 G., Amsterdam 14550,00 G., Zürich 7525,00 G., Kopenhagen 6450,00 G., Stockholm 9300,00 G., Christiania 6450,00 G., Marknoten 749,00 G., London 1675,00 G.
Prag, 23. November. (W. T. B.) Notierungen der Devisen⸗ zentrale: Berlin 119,25 G., Marknoten 119,25 G., Wien 16 ⅛ G.
Paris, 23. November. (W. T. B.) Devisenkurse. Deutsch⸗ land 24,00, Amerika 16,09,5, Belgien 106,00, England 56,62 ½, Holland 493,50, Italien 69,50, Schwei 252,50, Spanien 212.50.
Paris, 23. November. (W. T. B.) 5 % Französische Anleihe 85,20, 4 % Französische Anleihe 69,60, 3 % Französische Rente 55,00, 4 % Spanische äußere Anleihe 174,60, 5 % Russen von 1906 1 3 % Russen von 1896 —,—, 4 % Türken unifiz. 65,80, Suezkanal 6030, Rio Tinto 1505.
Amsterdam, 23. November. (W. T. B.) Wechsel auf London 11,45, Wechsel auf Berlin 4,80, Wechsel auf Paris 20,30, Wechsel auf Schweiz 51,32 ⅛, Ser auf Wien 1,02 ½, Wechsel auf Kspenbagen 44,40, Wechsel auf Stockholm 63,25, Wechsel auf Christiania 44, Wechsel auf New York 323,50, Wechsel auf Brüssel 21,45, Wechse auf Madrid 43,50, Wechsel auf Italien 12,75. — 5 % Niederländische Staatsanleihe von 1915 82 ⅛, 3 % Niederländ. Staatsanleihe 51,75, Königlich Niederländ. Petroleum 698,50, Holland⸗Amerika⸗Linie 321,00, Atchion Topeka n. Santa Fé 109,75, Rock Island —,—, Southern Paciste 145,00, Southern Railway, —,—, Union Pacific 155,50, Anaconda 108,50, United States Steel Corp. 106,75. — Anfangs fest, Schluß schwächer G
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