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In dem Ausbau der Wohlfahrtspflege ist die Ausbildung der Woblfahrtspflegerinnen von der größten Bedeutung. Wie zielstrebig die Pflege für die Gesunderhaltung unseres Volkes und die notwendigsten Erziehungsmaßnahmen in Stadt und Land durchgeführt wird, hängt nicht an letzter Stelle von der Durchbildung der Wohlfahrtspflegerinnen ab. Daher wird es meine Sorge sein,
die Wohlfahrtsschulen, die sozialen Frauenschulen und andere Aus⸗ Fildungsstätten in jeder Weise zu fördern. Unser Land muß neben
dem Lehrer und der Lehrerin die Wohlfahrtspflegerin zur Hebung der Volksgesundheit, der Volkskultur und der Volkssittlichkeit besitzen, und wir müssen Mittel und Wege finden, um die Ausbildung der Fürsorgerinnen zu ermöglichen und zu fördern. 1
Ich bin mir klar, daß eine staatliche Prüfungsordnung für Wohlfahrtspflegerinnen erst der Anfang einer Förde⸗ rung durch mein Ministerium ist, und daß ich bei größter Beachtung des Eigenlebens jeder Schule das feinere, innere Leben aller Anstalten befruchten muß. Schon sieht die veränderte Prüfungsordnung vor, daß auch Volksschülerinnen ein Weg zum Eintritt in die Wohlfahrts⸗ schule geöffnet wird, und sie wird die Gesundheitsfürsorge, die Jugend⸗ wohlfahrt und die allgemeine und wirtschaftliche Wohlfahrtspflege zweckdienlich berücksichtigen. Unsere Zukunftssorge aber wird es sein, daß die Wohlfahrtsschulen sich ganz einstellen auf die Bedürfnisse unseres Volkes, und daß in allen Gegenden Preußens sowohl in der Stadt wie auf dem Lande durch zielbewußte, warmherzige und hin⸗ gebende Arbeit von Wohlfahrtspflegerinnen das Kulturleben unseres Volkes gefördert wird. 8
Unter der wirtschaftlichen Notlage, in der die Anstalten der privaten Fürsorge sich befinden, haben die Einrichtungen des Mutter⸗ und Kinderschutzes besonders zu leiden. Es liegt heute so, daß die Kinder großer Volksschichten auch die einfachsten Erfordernisse für gesunde Lebensentwicklung entbehren müssen, daß die vor und nach der Entbindung in ihrer Erwerbsfähigkeit be⸗ schränkten Mütter mit ihren Säuglingen die ersten Opfer dieser traurigen wirtschaftlichen Verhältnisse werden. Die Kommunen sind nicht mehr in der Lage, das Unheil abzuwenden. Wir müssen nach Mitteln und Wegen suchen, um die vor dem Zusammenbruch stehenden Heime und Anstalten über die schwere Krisis hinüberzubringen. Sonst werden ungezählte Glieder der Volksgemeinschaft dem Elend weiter anheimfallen, und Seuchen und Unterernährung mehr als zuvor ihre Opfer finden.
Die Gesamtlage auf dem Gebiete der Volkswohl⸗ fahrt wird durch zwei Tatsachen gekennzeichnet. Zunächst durch die Tatsache, daß die zu lindernden Nöte in allen Volksschichten, nicht zuletzt auch in den ehemaligen Mittelstandskreisen, riesengroß sind. (Sehr richtig!) Der Gesundheitszustand hat infolge der erlittenen Kriegsstrapa⸗ zen, der chronischen Unterernährung und einer Verarmung, von deren Tragweite vielfach noch die richtige Vorstellung fehlt, aufs schwerste gelitten. Die notwendigen Wohnungen fehlen. Eine gedeihliche Fortentwicklung der freien Liebestätigkeit ist mit Rücksicht auf die den privaten Organisationen zur Verfügung stehenden verhältnis⸗ mäßig geringen Hilfsmittel gefährdet; sie bedarf stärkster Förderung von seiten des Staates. Der Nachwuchs unseres Volkes ist in seiner Jugendkraft verwüftet. Jugendpflege und Jugendfürsorge sind daher notwendiger denn je. Das ist die eine Seite des Bildes.
Die Kehrseite stellt uns vor die Tatsache, daß bei der traurigen Finanzlage der öffentlichen Körperschaften Staat und Gemeinden für Zwecke der Wohlfahrtspflege nicht die Riesensummen zur Verfügung stellen können, die notwendig sein würden, um die soziale Reform⸗ arbeit so umfassend und tiefgründig durchzuführen, wie es angesichts der gesundheitlikhen, seelischen und sittlichen Erfordernisse geboten wäre. Beiden Tatsachen, von denen die eine trauriger ist als die andere, muß mein Ministerium ins Auge sehen, beiden Tatsachen muß Rechnung zu tragen versucht werden.
Auf der einen Seite müssen die zwingendsten Wohlfahrtsarbeiten, insbesondere diejenigen vorbeugenden Charakters, als unerläßliche Staatsaufgaben anerkannt werden. Von allen andern Gründen ab⸗ gesehen auch deshalb, weil durch rechtzeitige Aufwendung notwendiger Geldmittel zur Verhütung von Krankheit, Siechtum, Familienelend und Jugendverwahrlosung gewaltige Geldmittel gespart werden können, die späterhin, wenn man jetzt mit verschränkten Armen den Dingen freien Lauf lassen wollte, für Errichtung und Unterhaltung von Krankenanstalten, Altersheimen, Siechenhäusern, Erziehungsanstalten und Gefängnissen aufgebracht werden müßten. (Lebhafte Zustimmung.) Wie im Budget einer Familie, so ist auch im Budget eines Staates die sparsamste Wirtschaft immer die, welche durch vernunftgemäße Anlage notwendiger Mittel die künftige Notwendigkeit der Ausgabe noch größerer Mittel verhütet. (Wiederholte Zustimmung.)
Auf der andern Seite müssen die Arbeiten der Volkswohlfahrts⸗ pflege sich dem Gesamtrahmen der Einnahmen und Ausgaben des Staats einfügen. Ein finanzieller Zusammenbruch des Staates würde die Fortsetzung aller Wohlfahrtsausgaben auf lange Jahre hinaus unmöglich machen.
Demgemäß müssen Mittelwege gefunden werden, auf denen wir um so leichter eine ersprießliche Wohlfahrtspflege werden entfalten können, wenn wir uns alle miteinander zu einer festen Schicksals⸗ gemeinschaft zusammenschmieden (sehr richtig! im Zentrum), zu einem Gemeinschaftsempfinden, das uns immer wieder einhämmert, wie hoffnungslos und unmöglich ein Wiederaufstieg unseres Volkes ist, wenn wir nicht zu einer Verinnerlichung unseres Lebens und zu einer Vereinfachung unserer Lebensbedürfnisse zurückkehren, und wenn eine Versittlichung unserer wirtschaftlichen Arbeitsmethoden nicht erzielt werden kann.
Jenem Gemeinschaftsempfinden eine möglichst breite Grundlage zu geben, ist gleichzeitig die Wohlfahrtsarbeit in hervorragendem Maße berufen, sofern es namentlich in den örtlichen Wohlfahrts⸗ ämtern und Fürsorgestellen draußen im Lande gelingt, Vertreter aller und der weitesten Bevölkerungskreise für die lebendige Mit⸗ arbeit in der Volkswohlfahrtspflege zu interessieren und hilfsbereit zu machen. Durch das gemeinsame Miteinanderarbeiten und Für⸗ einanderarbeiten in der Wohlfahrtspflege gelangen wir und gelangt unser Volk zur Unparteilichkeit, zur Selbstlosigkeit, zu einer gegen⸗ seitigen, familienmäßigen Anteilnahme.
Die in der Wohlfahrtspflege zu leistende Menschheits⸗ arbeit ist neutrales Gebiet. Wo sie es heute noch nicht ist, soll sie es werden. Der Arbeitsgeist muß uns über alle politischen Mei⸗ nungsverschiedenheiten und Gegensätze des Tages hinweg zu einer sozialen und nationalen Gesinnungsgemeinschaft emporreißen. In diesem Sinne ist Volkswohlfahrtspflege für jeden, der die einigende Kraft des sozialen Denkens und Arbeitens bejaht, der sicherste Grund⸗ stein für weitschauende Staatsarbeit. (Lebhafter Beifall im Zentrum
Im Verlaufe der Beratung hat der Minister für Volks⸗ wohlfahrt Stegerwald noch einmal das Wort ergriffen, um folgende Erklärung abzugeben:
Minister für Volkswohlfahrt Stegerwald: Meine Damen und Herren! Den Dank an die hochherzigen Spender im Auslande an unsere Kinder habe ich bereits an anderer Stelle ausgesprochen. Den Bemerkungen, die heute im hohen Hause ausgesprochen worden sind, schließe ich mich ebenfalls an. Die Ausführung der Anregungen der Frau Vorrednerin über die Frauenreferate, die Beschäftigung von Frauen bei den Zentral⸗ und Bezirksbehörden, ist im besten Gange Im Laufe des letzten Jahres sind, soweit ich übersehe, acht bis neun Frauen teilweise als Ministerialräte, teilweise als Regierungsräte in den Reichsministerien und den preußischen Ministerien zur Anstellung gelangt. Auch die Frauenreferate, die ehedem während des Krieges bei den Kriegsamtsstellen zur Einführung gelangt sind, habe ich den Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten anzugliedern be⸗ antragt, und ich hoffe, darüber mit dem Herrn Finanzminister zu einem günstigen Ergebnis zu kommen. (Bravo!)
Was die Bezeichnung der weiblichen Beamten angeht, so muß nach der Richtung eine Einmütigkeit zwischen dem Reich und den Ländern herbeigeführt werden. Ich stehe heute ebenfalls auf dem Standpunkt, daß die weibliche Bezeichnung richtig ist. Darüber sind aber die Meinungen an den verschiedensten Stellen noch geteilt. Es muß erst eine Meinungsklärung zwischen Reich und Ländern herbeigeführt werden, um eine einheitliche Benennung der weiblichen Beamten durchführen zu können.
Was das, Schlemmerleben in Berlin anlangt, wo ich gebeten wurde, kräftig dazwischen zu fahren, so möchte ich bemerken, daß ich das nur indirekt tun kann. Ich habe schon mehrfach Anregungen an das Ministerium des Innern und auch an das Berliner Polizei⸗ präsidium gegeben, daß nach der Richtung ganz kräftig durchgegriffen werden solle. An einigen Plätzen ist ja inzwischen auch kräftig durch⸗ gegriffen worden. Aber ich bin der Meinung, daß das allgemeiner geschehen muß, da die gegenwärtige Stunde wirklich nicht dazu angetan ist, dieses ärgerniserregende Leben und Treiben in den Schlemmer⸗ lokalen weiter zu dulden.
Die Unterstellung der weiblichen Angestellten im Gastwirts⸗ gewerbe unter die Gewerbeaussicht anstatt unter die Polizei ist eine Angelegenheit des Handelsministeriums. Ich werde mich dieserhalb mit dem Handelsministerium ins Benehmen setzen.
Die hauswirtschaftliche Ausbildung der Frauen ist eine An⸗ gelegenheit, die teilweise das Ministerium des Innern und dann das Handelsministerium angeht. Auch diese Angelegenheit werde ich weitergeben.
Dann hat der Herr Abgeordnete Schloßmann gemeint, ich möchte bei der Aufstellung des Haushalts mehr Ressort⸗, Wohlfahrtsminister als Staatsminister sein. Ich kann dem Herrn Abgeordneten Schloß⸗ mann versichern, daß, wenn es nur auf Energie ankäme, ich das schon tun würde; denn wer im Laufe der Jahre Gelegenheit hatte, mich kennen zu lernen, der wird mir nicht Mangel an Energie nachsagen wollen. Aber solange der preußische Staat in seinem Haushalt einen Fehlbetrag von zwei Milliarden hat, solange ist der Finanzminister stärker als selbst der energischste Wohlfahrtsminister. Ich kann Ihnen das feste Versprechen geben, daß ich mich von der Stunde an, wo dieser Fehlbetrag einigermaßen ausgeglichen sein wird, nicht mehr mit einem Haushalt abspeisen lassen werde, wie in diesem Jahre. (Bravo!)
Dann hat Herr Abgeordneter Weyl gemeint, die Beamten des Wohlfahrtsministeriums hätten bei der Beratung des Hebammen⸗ gesetzes Sabotage getrieben. Davon kann meines Erachtens keine Rede sein. Die Beamten haben mir nach jeder Sitzung des Aus⸗ schusses und des Unterausschusses Vorträge über das gehalten, was vorgegangen ist. Da befinden wir uns nun in der schwierigen Lage. Wir haben das Hebammengesetz in der Hauptsache nach den Vorschlägen ausgearbeitet, die der Bevölkerungsausschuß im vorigen Jahre auf⸗ gestellt hatte; jetzt kommen aber aus dem Ausschuß zur Beratung des Hebammengesetzes wieder neue Vorschläge. Nun muß ich offen sagen, daß gegenwärtig, wo Reich und Länder in der Exekutive häufig aneinander sioßen, ich meinerseits nichts dazu beitragen möchte, das verwaltungs⸗ organisatorische Durcheinander zu vergrößem. (Sehr gut! im Zentrum.) Ich habe schon in den letzten Tagen in einer großen öffentlichen Ver⸗ sammlung ausgesprochen: ich habe im Verlaufe des Krieges immer die Beobachtung gemacht, daͤß, wenn eine Sache festgefahren war, ein neues Amt geschaffen wurde (sehr richtig! und Heiterkeit); jetzt, wenn eine Sache verfahren ist, setzt man einen Reichs⸗ oder Staatskommissar ein (erneute Heiterkeit); und damls wie jetzt stellte sich regelmäßig heraus, daß die Desorganisation noch größer geworden war als vorher. (Zustimmung.) Darum möchte ich bei allen Gesetzen wünschen, daß sie sich in den Rahmen der allgemeinen Verwaltung eingliedern. Solange die künftige Gliederung der Provinzialverwaltung noch in der Luft schwebt, solange noch nicht feststeyt, auf welchen staatsrecht⸗ lichen Grundlagen die Provinzialautonomie durchgeführt werden wird, solange hätte ich gewünscht, daß man auch beim Hebammengesetz die Kreise und nicht die Provinzen zu Trägern des Gesetzes vorsieht. (Zustimmung im Zentrum und rechts.) Ueber die Einzelheiten wird man selbstverständlich noch reden können. Aber weil die Dinge hin⸗ sichtlich der glatten Abwicklung der Staatsverwaltung doch in vieler Hinsicht verwickelt liegen, deshalb haben eben die Beamten des Wohl⸗ fahrtsministeriums auch im Unterausschuß daran festgehalten, daß man in der Hauptsache die untersten Instanzen mit der Durchführung des Hebammengesetzes betrauen möchte. (Sehr richtig! im Zentrum.)
Bezüglich der Benennung der Kreisärzte stehe ich ganz auf dem Standpunkt des Herrn Abg. Dr. Schloßmann. Wenn
auf der einen Seite die ehemaligen Oberlehrer alle als Studienräte bezeichnet werden und andererseits eine Anzahl von Räten als neue Amtsbezeichnungen eingeführt worden sind, dann ist es vom Stand⸗ punkt der Kreisärzte unerträglich, daß ihnen weiterhin die Amts⸗ bezeichnung Medizinalrat vorenthalten wird. Entweder muß eine Reihe der bisherigen Bezeichnungen abgeschafft werden, oder aber den Kreisärzten muß auch die Amtsbezeichnung Medizinalrat gegeben werden. Diesen Standpunkt habe ich auch kürzlich noch bei der Reform der Besoldungsordnung in Preußen im Staatsministerium vertreten. Man hat aber davon abgesehen, die Amtsbezeichnungen jetzt schon endgültig festzulegen, weil man sagte, es muß eine Meinungs⸗ übereinstimmung über diese Amtsbezeichnungen zwischen den Ländern und dem Reich herbeigeführt werden. Da jetzt die Verabschiedung der Besoldungsreform drängt, diese Amtsbezeichnungsfrage aber eine ver⸗ hältnismäßig schwierige ist, hat man diesen Teil der Beamten⸗ besoldung zurückgestellt. Es wird aber in kurzer Zeit Klarheit ge⸗ schaffen werden, und dann bestehe ich darauf, daß entweder ein Teil
Titel Medizinalrat verliehen wird. b 8 Wenn dann von dem Kinderhospiz Norderney gesagt worden is ,
daß es allmählich zu einem internationalen Gelächtar auswachse und man es nicht verantworten könne, daß man auf der einen Seite in Preußen vom Auslande Mittel zur Behebung der Kindernot entgegen⸗ nehme, wogegen man für das Kinderhospiz Norderney, das sich für die Unterbringung der Kinder besonders eigne, nichts tue, so habe ich dazu folgendes zu bemerken. Von seiten des preußischen Staates haben wir dem Norderneyer Hospiz 100 000 ℳ angeboten. Weiterhin hat das Reich für Abnutzung des Hauses während des Krieges durch die Kriegsrekovaleszenten 400 000 ℳ zu Verfügung gestellt. 8 Endlich sind dem Hospiz aus einer Hilfskasse 100 000 ℳ zur Verfügung gestellt worden. Das sind also insgesamt 600 000 ℳ, über die das Bad schon seit längerer Zeit hätte verfügen können. Die Verwaltung sagte aber, daß sie eine Million benötigte, und weil sie diese Million nicht bekommen hat, hat sie auch einstweilen von den 600 000 ℳ, die sie hätte ver⸗ wenden können, keinen Gebrauch gemacht. Mir ist es aber bei dem besten Willen nicht möglich gewesen, die restlichen 400 000 ℳ auf⸗ zubringen. Sie haben ja bei den Etatberatungen im Ausschuß ge⸗ sehen, mit welchen finanziellen Schwierigkeiten das Wohlfahrts⸗ ministerium zu kämpfen hat. Der Frage Norderney ist also vom Wohlfahrtsministerium die allergrößte Aufmerksamkeit zugewendet worden. Aber ich kann diese restlichen 400 000 ℳ8 nicht aus dem Aermel schütteln. Das ist eben auch eine Sache wie viele andere, die
man nicht plötzlich regulieren kann.
Zum Schluß noch die Bemerkung zu der Anregung, daß der Zu 8 lauf zum ärztlichen Studium unterbunden werden möchte. Ich bin der Auffassung, daß der Zulauf zu den akademischen Berufen überhaupt gegenwärtig ein ungesunder ist, und daß darin in kurzer Zeit ganz von selbst eine Wendung eintreten wird. Denn wir müssen doch im Staatsleben — darüber kommen wir nicht hinweg — zu einer gründlichen Vereinfachung der ganzen Verwaltung kommen. Weiter⸗ hin ist mit Recht ausgesprochen worden, daß es für die Aerzteschaft eine Beschäftigungsmöglichkeit in den bisherigem Umfange nicht mehr geben wird. Nicht bloß in der Verwaltung, nicht bloß bei den Aerzten, sondern allgemein ist es nicht mehr möglich, die freien Berufe in dem⸗ selben Maße wie bisher zu beschäftigen, wo wir ein wohlhabendes Deutschland gewesen sind. Darum bin ich der Auffassung, daß in ab⸗ sehbarer Zeit die Abebbung gegenüber dem Zulauf zu den Universitäten, zu den akademischen Berufen ganz von selbst erfolgt, und daß deshalb ein Sondervorgehen gegenüber den Medizinern nicht ratsam und nicht wünschenswert erscheint.
Im übrigen danke ich dem hohen Hause für das Wohlwollen, dos es bei der Beratung des Etats des Wohlfahrtsministeriums den Be⸗ strebungen dieses Ministeriums entgegengebracht hat. Ich werde be⸗ strebt sein, mit den Mitteln, die einigermaßen aufzubringen sind, das denkbar Beste auf dem Gebiete der Volkswohlfahrt zu schaffen.
182. Sitzung vom 29. November 1920, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)
Es wird die zweite Beratung des Staatshaus halts⸗ planes für 1920 fortgesetzt.“
Den Bericht des Hauptausschusses über den Haushalt der Gestütverwaltung erstattet Abg. Dallmer (D. Nat.) Der Ausschuß hat diesen Haushalt unverändert genehmigt, will den Nachweis über die Ab⸗ und Zugänge an Beschälern in den Landgestüten im Kalenderjahr 1919 und über die Betriebsergebnisse der Haupt⸗ und Landgestüte in den Jahren 1915/16 bis 1917/18 für durch Kenntnismahme erledigt erklären und beantragt folgende Entschließung:
Um den Fehlbetrag im Haushalt der Gestütverwaltung mög⸗ lichst zu beseitigen, wird die Staatsregierung ersucht, in eine fung darüber einzutreten, ob und inwieweit eine Erhöhung der Ein⸗ nahmen, insbesondere der Deckgelder, möglich und zweckmäßig ist.
Der Referent weist besonders auf die schwere Belastung hin, die der preußischen Pferdezucht und der Landwirtschaft durch die Ver⸗ pflichtung der Ablieferung an die Entente erwächst. Der Pferde⸗ bestand, speziell in Ostpreußen, habe sich dadurch ganz außerordentlich verringert. Auch die Zahl der Hengste sei bedauerlicherwelse beträcht⸗ lich zurückgegangen. Das Bestreben der Verwaltung müsse nunmehr darauf gerichtet sein, uns vom Auslande möglichst unabhängig zu machen. Die Bezahlung der Gestütwärter sei noch immer nicht an⸗ gemessen; hoffentlich würden die auf Erhöhung gerichteten Wünsche vom Besoldungsausschuß berücksichtigt werden.
Abg. Peters⸗Hochdonn (Soz.) stellt fest, daß nach den Aeuße⸗ rungen der Regierung die Verwaltung jetzt den von ihm im vorigen Jahre gegebenen Ratschlägen folgen und mit dem vorhandenen Zucht⸗ material auszukommen versuchen wolle, Für die schleswig⸗holsteinischen Pferde sei jegliche Einführung von Vollblut ausgeschlossen; auch in Ostpreußen wolle man den Betrieb entsprechend umstellen. Das Defizit im Haushalt der 1““ müsse unter allen Um⸗ ständen verschwinden; cine Erhöhung der Deckgelder 2. nicht zu um⸗
en und lasse sich bei den heutigen Preisen der Pferde auch recht⸗ rtigen.
Abg. Kaulen (Hentr.): Auch in den rn. Provinzen drückt die Ablieferungspflicht an die Entente sehr hart auf die Peervetnch und den Pferdebestand. Die Aufzucht von Halbblut gehört den Pri⸗ vaten. Auch die private Hengstzucht muß durch staatliche Beihilse ge⸗ foͤrdert werden. Die dafür im Etat ausgeworfenen Mittel sind nur sehr gering; man sollte sie durch Ueberweisung weiterer Mittel aus den Totalisatorgewinnen erhöhen. Die Auffüllung der ferdebestände wird Jahre erfordern. Die prirate Hengsthaltung sollte man auch durch Bewilligung von Prämien unterstützen. Die Deckgelder sind erst im letzten Jahre erhöht worden; ob sie eine weitere allgemeine Erhöhung ertragen, ist fraglich, weil dann die Gefahr besteht, daß die Stuten den pridaten Hengstanstalten zugeführt werden. 8
„Graf von Kanitz (D. Nat.): Nach dem Fortfall des großen militärischen Bedarfs muß mam sich über die Schnelligkeit wundern mit der die Landwirtschaft sich auf die Züchtung eines anderen Ge⸗ brauchspserdestandes eingelassen hat, und auch die Gestütverwaltung hat den verändenten Umständen Rechnung getragen. Aber auch diese Schnelligkeit hat ihre Bedenken. Um brauchbare Bedarfspferde heran⸗ zuziehen, nicht rein mechanisch vorgegangen werden. s für die ver-e ge idealste Pferd ist das hannoversche Pferd. Jedenfalls möchte ich auch im Interesse der ostpreußischen Verdezugr die Gestüt⸗ verwaltung vor Versuchen warnen, die verunglücken müssen und nur ein unbrauchbares Mischprodukt ergeben, wobei das Warmblut wie das Kaltblut in gleicher Weise verdorben werden. Das Vollblutpferd ih keine bloße Spielerei, wir brauchen es unbedingt in Deutschland, wei es eine internationale Bedeutung hat. Unser Vollblut muß voll⸗ wertig auf dem Weltmarkt Mag man zu den Rennen tehen wie man will, die Welt hält nun einmal vorläufig an der Beur⸗ teilung des Vollblutes nach dem Ergebnis der Rennen fest. Ich 2X kenne an, daß auch die sozialdemokvatische Partei sich diesem Stand⸗ punkt genähert hat, daß die Vollblutzucht eine Aufgabe der staatlichen Gestüte bleiben muß. Aber auch hier muß vor rein mechanischen Ex⸗ perlmenten gewaent werden. Meine hippologischen Betrachtungen
Mit Ausnahme d den der Mimnister, die im Wortlnee wiedergegeben 8 paiss
neuen Ratstitel beseitigt wird, oder daß auch den Kreisärzten der
möchte ich damit schließen, daß ich die Verwaltung bitte, möglichst für die leinerhaltung der verschiedenen Rassen zu sorgen. Zum Etat selbst möchte ich bemerken, daß es am besten wäre, wenn der Posten zum gen Futtermitteln ganz aus dem Etat verschwände und alles durch die Eigenwirtschaft der Gestüte gedeckt werden könnte. Im allgemeinen kömnen sich meine politischen Freunde mit der Tätigkeit des jetzigen Oberleiters der Gestüte einverstanden erklären, er hat Gutes gewirkt für die Züchter sowie für die Verbraucher und ist un⸗ bedingt einer der besten Hyppologen, die wir heute haben.
Abg. Held (D. Vp.): Gestütsverwaltung ist heute eines der wenigen Institute, die zum Wiederaufbau dienen, und bedarf daher der größten Fürsorge. ie Kriegsverluste und der Abgabezwang kosten uns 820 000 Pferde. „Es wird sehr schwer sein, einzuholen, was wir verloren haben, und die Landespferdezucht wieder auf die Höhe zu bringen. Der Oberlandstallmeister hat es in geschickter Weise ver⸗ standen, den Gedanken, das wirtschaftliche Prinzip in den Vorder⸗ 8. zu stellen, durchzuführen; in erster Reihe steht die Aufzucht der
rbeitspferde, dann kommen die Qualitätspferde. Wenn man beachtet, daß die Gestütsverwaltung für einen hannoverschen Hengst, der ins Ausland gegangen war, 175 000 Mark hat bezahlen müssen, so kann man sich einen Begriff machen, wie teuer uns die Aufzucht der Qualitätspferde zu stehen kommt. Gleichwohl muß auch diese im Auge behalten werden. Zunächst ja das Defizit dieses Haus⸗ halts einen unbehaglichen Eindruck. Es tritt hinzu, daß auch Neu⸗ bauten auf den Gestüten erforderlich sind. Die Frage der Deck⸗ und Sprunggelderhöhung — so gelöst werden, daß die Gefahr einer Zu⸗ nahme der wilden Hengste möglichst ausgeschlossen wird. Die han⸗ növersche Merdaaces steht heute auf einer ganz besonderen Höhe; was irgend geschehen kann, um sie auf dieser Höhe zu erhalten, muß geschehen.
Oberlandstallmeister Großeurth: Die Umstellung unserer Landespferdezucht bedingt die Bereitstellung sehr behendentaan Mittel. Die Deckgelder können und müssen wir erhöhen und haben sie bereits geseigent Sie betrugen früher für mindere Qualitäten 6 oder 8, für
essere 15 oder 20 Mark. Mit Hilfe der bereits sehr wesentlich ge⸗ steigerten Deckeinnahmen ist es uns denn auch gelungen, die Ein⸗ nahmen der Landgestüte so in die Höhe zu schrauben, daß die Ausgaben 71„ wurden, aber bei den Hauptgestüten wird diese Möglichkeit nicht
stehen. In den Hauptgestüten strömen die besten Blutströme zu⸗ senmen. werden gemischt und gehen wieder in das Land hinaus; die Produktion eines derartigen Bestpferdes kann nicht rentabel sein, sie muß Geld kosten. Wir stellen dort Versuche nicht nur mit ein⸗ eimischen, sondern auch mit ausländischen Blutströmen an, alles das
stet Geld, sehr viel Geld. Wir lassen keine Aufzucht hinausgehen,
von der wir nicht felsenfest überzeugt sind, daß sie eine Verbesserung
bedeutet. Ein Hauptgestüt kann also niemals einbringen, was es kostet. Diese Kosten sind aber wahrkich angewandt, eine wirt⸗ 8. eingerichtete Pferdezucht ist ein Segen für das Vaterland. leberall wo die Pferdezucht blüht, blüht der Bauernstamm. Wir wissen ja und haben es von den Rednern aus dem Hause heute wieder gehört, vor wie arghen Aufgaben unsere Landwirtschaft steht. Ich unterschreibe jedes das der Abgeordnete Graf Kanitz über Ost⸗ Fe gesagt hat. Wir brauchen dort ein Pferd, etwas schwerer, ühler, ruhiger im Temperament, aber ohne wesentliche Zumischung fremden Blutes; Ostpreußen will aus sich selbst heraus ein so be⸗ schaffenes Pferd haben, das den wirtschaftlichen Verhältnissen voll enügt. Die größten Fortschritte auf dem Gebiet der Pferdezucht aben in den letzten 20 Jahren die Rheinlande gemacht. Es wird sich darum handeln, das einmal adoptierte System dauernd festzuhalten; durch Schwanken kommen wir nicht vorwärts. Die Frage der Erhöhung der Staatsbeiträge für Genossenschaftshengste werden wir prüfen. Für die Anregung .. Verleihung von Landbeschälern sind wir dankbar. Was die Futterbersorgung der Landgestüte aus eigener Landwirtschaft betrifft, so ist dieses Verlangen für einige unpraktikabel, die meisten aber haben eigene Landwirtschaft. Die Gestütsverwaltung dankt dem Hause für die ihr gezollte Anerkennung und hofft, daß es gelingen wird, unsere Pferdezucht wieder auf die frühere Höhe zu bringen. Der Haushalt der Gestütverwaltung wird genehmigt, die Ausschußanträge gelangen zur Annahme. Es folgt die Abstimmung über den Haushalt des Mini⸗
steriums für Volkswohlfahrt und über die dazu gestellten Anträge. Vor der Abstimmung erklärt
ein Vertreter des Finanzministers, daß dieser, ohne seinen prinzipiellen Widerspruch gegen die Erhöhung von Ausgaben ohne gleichzeitige Deckung aufzugeben, Phen die vom Ausschusse be⸗ antragten Erhöhungen in diesem Haushalt keinen Einspruch erheben will, unter der Voraussetzung, daß das Haus nicht über die Ausschuß⸗ anträge hinausgeht.
Darauf wird der Haushalt im einzelnen durchweg nach den Ausschußanträgen bewilligt.
Die darüber hinausgehenden Anträge der Sozialdemo⸗ kraten werden mit den Stimmen sämtlicher bürgerlichen Par⸗ teien abgelehnt.
zwuur Annahme kommt der Antrag des Zentrums, in den Haushalt 200 000 ℳ für soziale Ausbildungszwecke bereit⸗ üstellen, die besonders zur Heranziehung von geeigneten Persönlichkeiten aus den Kreisen der minderbemittelten Be⸗ völkerung verwendet werden sollen.
Auch die vom Hauptausschuß beantragten Entschließungen werden angenommen. Darunter befindet sich das Ersuchen, die Kreisärzte „Kreismedizinalräte“ zu benennen, bisherige Truppenübungsplätze für erholungsbedürftige Großstadtkinder benutzen zu 8 die Zahl der vollbesoldeten Kreisärzte in beschleunigtem Tempo zu erhöhen, in dem nächsten Etat die Gehälter für fünf Regierungsgewerbeärzte einzustellen sowie gegen die Verlegung des Direktoriums der Reichsversiche⸗ rungsanstalt g8 Angestellte von Berlin⸗Wilmersdorf Ein⸗ spruch zu erheben.
Das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der un⸗ abhängigen Sozialisten auf Sozialisierung des Heilwesens bleibt zweifelhaft. Die Auszählung ergibt, daß für diesen An⸗
f. gegen ihn 22 Mitglieder stimmen. Ein Teil der Mit⸗ glieder der bürgerlichen Parteien beteiligt sich an der Aus⸗ zählung nicht und bleibt außerhalb des Saales.
Das Haus h beschlußunfähig, die Sitzung muß daher um 3 Uhr 20 Minuten abgebrochen werden. Vizepräsident Dr. Porsch setzt auf 3 ½ Uhr eine neue Sitzung an mit der Tagesordnung: Haushalt der Bauverwaltung.
8
182. Sitzung vom 29. November 1920, Nachmittags 3 ½ Uhr.
Auf der Tagesordnung sieht der Haushalt der Bauverwaltung. 1 Der Ausschuß hat den Haushalt sonst unverändert benehmi t, aber für den Ausbau des .* els zwischen Inster⸗ urg und Groß⸗Bubainen als ersten Teilbetrag statt 100 000 Mark 500 000 ℳ eingesetzt. Ferner hat der Ausschuß ge⸗ strichen den ersten Teilbetrag von 133 000 ℳ zur I von Wohnungen für die Beamten, Arbeiter und Angestellten der staatlichen Werft und des staatlichen Schleppbetriebes in erne a. d. Ruhr. Außerdem hat der Ausschuß Frer Ent⸗ richungen angenommen. Die erste ersucht die Regierung ie Bestrebungen des Ruhrvereins zur Schiffbarmachung der Ruhr auf das tatkräftigste zu unterstützen. Die zweite Ent⸗ schließung fordert, daß die bei der Bauverwaltung beschäftigten ohnangestellten höherer Ordnung, besonders die zahlreichen Techniker, die 20 und mehr Jahre im Staatsdienst beschäftigt sind und deren Beibehaltung erforderlich ist, baldigst in plan⸗
muäßige Stellen überführt werden sollen.
Um dem Wohnungsmangel abzuhelfen, müssen au
Abg. Dr. von Kries (D. Nat.): Der Etat erscheint in diesem Umfag zum letzten Male, da am 1. April 1921 die Wasserbau⸗ verwal 1ng,ef das Reich übergeht. Meine politischen Freunde stehen
auf dem Standpunkt, daß die Finanzpolitik auf den Wasserstraßen
des Reiches in dem Sinne ausgeübt wird, der den Interessen
Preußens entspricht. Ich würde dankbar sein für eine Erklärung
der Regierung, daß der Mittellandkanal so ausgeführt wird, wie
es dieses Haus hier beschlossen hat. Ein Rest der Wasserbauverwal⸗ vune bleibt ja in Preußischen Händen, soweit die nicht schiffbaren
Wasserstraßen in rag. kommen. Hier bitte ich, die Interessen
der Fischerei zu berücksichtigen. In den Kommissionsberatungen
haben wir erfreulicherweise seststellen können, daß die Wasserbau⸗ verwaltung im allgemeinen es verstanden hat, ein erfreuliches Ver⸗ hältnis zu ihren Arbeitern herzustellen und allmählich zu einem gewissen Akkordsystem überzugehen, das wir nach Ansicht meiner
Freunde unter den gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnissen dringend
brauchen. Im Baugewerbe herrscht zurzeit große Arheitslosigkeit;
es bleibt zu erwägen, ob man nicht wenigstens die angefangenen
Bauten zu Ende führen sollte. Ueber die Erfahrungen 2 der
sparsamen Bauweise, mit den Lehmbauten, wäre eine Denkschrift
wünschenswert. Die Reichspostverwaltung hat Kraftfahrlinien ein⸗
ollen Verhandlungen schweben, um die aus dieser Konkurrenz ent⸗ tehenden Schäden zu beseitigen. Wir wären der Re ierung außer⸗ ordentlich dankbar, wenn sie uns etwas über das Ergebnis dieser Verhandlungen mitteilen wollte. Der Redner befürwortet dann einen von der Deutschnationalen Partei eingebrachten Antrag, der die Staatsregierung ersucht, den Antrag der Direktion der Kreis Altenaer Schmalspur⸗Eisenbahn auf Genehmigung der Betriebs⸗ einstellung der Bahnlinie Schalksmühle — Halver im Interesse der Ge⸗ meinde, der Industrie und der besonders schwer bedrohten Arbeiter⸗ schaft abzulehnen. Der Redner schließt mit den Worten: Meine politischen reunde sehen mit einem gewissen Bedauern, daß der Etat in diesem Jahre zum letzten Male in diesem Umfang erscheint. Wir haben den Beamten zu danken für ihre treue hingebende Arbeit um Wohl des Vaterlandes, und ich möchte die Hofßꝛung ausdrücken, daß in Zukunft es den vom Reich übernommenen Beamten gelingen möge, auch in der Reichsbauverwaltung die keußischer Wirtschafts⸗ Uechhegsen ebenso kräftig zu wahren wie lsher Lebhafter Beifall rechts. bg. Garnich (D. V.): Die Techniker in der Verwaltung erkennen an, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung binsichtlich der Besoldungs⸗ und Anstellungsverhältnisse durch die neuen Be⸗ soldungsgesetze im allgemeinen durchgeführt ist, sie führen aber be⸗ rechtigte Klage darüber, daß sich an ihrer sonstigen Stellung, be⸗ sonders an ihrer Beschäftigung unter Leitung administrativ vor⸗ 1 Beamter nichts geändert hat. Nach wie vor bleibt die lage, daß die technischen Kräfte, die gerade die Privatindustrie mit so großem Erfolge zu würdigen versteht, im Staatsdienst viel⸗ fach Frrche u verkümmern müssen. Auch die Beförderungsverhältnisse sind für die Techniker immer noch ungünstiger als für die anderen Beamten, die Gleichstellung ist nur thevretlsch. Der Volksvertretung müßte größere Klarheit über die Abgrenzung der Ressorts gegeben werden, und wenigstens der neue Landtag müßte baldmöglichst nach einem Zusammentritt Organisationspläne vorgelegt bekommen, in denen die Abgrenzung der Zuständigkeit und die allgemeine Ver⸗ teilung der Geschäfte übersi üüsc dargestellt wird. Dabei wird auf eine mögliche Zusammenfassung der Fierthch in den Snn verteilten aber an sich gehörenden Arbeiten Bedacht zu nehmen sein. Redner bezieht sich anf. die von b Wirtschafts⸗ verbänden z. B. auf die vom Reichsbund der deutschen Techniker in dieser Hinsicht gefaßten Entschließungen und bringt hierau Einzelwünsche von Beamten der Wasserbauverwaltung vor bezügli Uebernahme in den Reichsdienst. Mit dem Antrag der Deutsch⸗ nationalen erklärt sich Redner einverstanden und befürwortet seiner⸗ seits einen Antrag, betreffend Einstellung von Mitteln in den Haus⸗ halt für 1921 zur Verbesserung der Vorflut an der oberen und mittleren Oder und zum Ausbau der unteren Oder, der Schließung der offenen Stelle bei Schredt und Ausbau der Oder von Raduhn bis Küstrin. Mit aufrichtigem Bedauern nehmen wir bei der demnächstigen Ueber⸗ führung unseres Wasserstraßenwesens an das Reich Abschied von einer Tätigkeit des preußischen Stagtes auf einem Gebiet, wo er in un⸗ ermüdlicher Tätigkeit große wirtschaftliche Leistungen vollbracht hat. (Zrstimmung re 9 Unser aufrichtiger Dank gilt allen Beamten der preußischen Wasserbauverwaltung für ihre treue, hingebende Arbeit und für ihre ausgezeichneten Leistungen. Möge der Ausbau der künf⸗ tigen Reichswasse traßen erfolgreich fortschreiten, und mögen dann die auf das Reich übernommenen Beamten die Intere en des preu⸗ ßischen Staates sachkundig vertreten und fördern. (Beifall rechts.) Abg Rößler (Soz.): Der Flußlauf des Pregels ist von Inster⸗ burg ab zum grefen Teil völlig versandet, und das agrarischem Interesse. Er venß nach dem dringenden Wunsche der dortigen Bewohner wieder schiffbar gemacht und auch dieser Flußlauf dem Reiche überwiesen werden. Auch in “ hat man, als infolge der Abtretungen die Verminderung der Beamtenschaft not⸗ wendig wurde, die Juristen und die Techniker abgeschafft; auch hier zeigt sich die ungerechte Bevorzugung der Juristen und das Weiterwuchem des Assessorismus. Der Etatsansatz von 140 000 000 für Erdarbeiten ist bei dem heutigen Stande des Geldwertes viel säganna damit kann man große Unternehmungen, wie die Durch⸗
sübn9 aber auch die Provinzialverbände betreiben solche. Es
hrung des Mittellandkanals, die Oderregulierung usw., nicht fördern. Wenn man die produktive Erwerbslosenfürforge auch auf diese Kanal⸗ und Erdarbeiten ausdehnt, beschreitet man einen falschen Weg, der lediglich zur Lohndrückerei führen und die üfinfn salschen Kämpfe ver 89rS muß. Die Tarifverträge werden dadurch illusorisch gemacht. Der Bauarbeiterverband hat bereits dagegen Stellung ge⸗ nommen, wir warnen die Regierung, diesen Weg zu beschreiten. Die fhriftichen Löhne im Baugewerbe sind ohnehin nicht etwa zu hoch, sie sind im Gegenteil hinter denen in der Metall⸗, Holz⸗ und Textil⸗ industrie zurückgeblieben. Die Unternehmer im Baugewerbe führen Beschwerde darüͤber, daß die Regierung die 5 Baubetriebe so bevorzuge, daß das private Baugewerbe konkurrenzunfähig werde. Die Bauarbeiter haben mit der Begründung des Verbandes der sozialisierten Baubetriebe gerade angestrebt, die Bauten zu verbilligen, und die Regierung hätte alle Ursache, die Bestrebungen des Verbandes zu unterstützen. In Berlin und in Köln sind von ihm bereits solide ausgeführte Bauten errichtet, und die Erbauer 8 dabei auf ihre Rechnung gekommen, ebenso wird in Breslau und in Hamburg vor⸗ gegangen.
Abg. Paul Hoffmann (U. Soz.): Auch wir unterstützen alle den Ausbau der Wasserstraßen. Doch darf die Arbeitslosigkeit nicht dazu benutzt werden, um von Staats wegen die Löhne zu drücken. Die Akkordarbeit und das lehnen wir ab, beide sind bloß Mittel, um die Arbeitskraft auf das äußerste auszunutzen. Durch die Regiearbeit können große Ersparnisse herbei⸗ geführt werden, das haben wir beim Schleppbetrieb erfahren. Aber auch der Staat darf nicht etwa Arbeiten in eigener Regie ausführen, um damit auf die Löhne zu drücken. Die Unfallgefahr für die Arbeiter⸗ schaft wird immer größer, die Unfallvorschriften werden vielfach gar nicht beachtet. Die Regierung tut keineswegs, was in ihrer Macht steht, um die Bautätigkeit zu heben; in einem Falle in einem Vor⸗ ort in Berlin hat sie aus formalen Gründen Schwierigkeiten gemacht und damit gerade eine Hemmung der Bautätigkeit herbeigeführt. Gegen den Baustoffwucher muß mit aller Energie an “ werden.
r Kasernen und andere Staatsgebäude, auch das Berliner Schloß, mehr als bisher herangezogen werden. Geschieht nicht bald Dur veenndes, so muß und wird die Arbeiterschaft zur Selbsthilfe viaiges it dem Ueber⸗ gang der Wesserraahn auf das Reich ist wenigstens der 58 üchtigen E9 unkerpolitik ein Ende gemacht worden. Die Zahl der
rbeitslosen in Deutschland ist zurzeit 3 Millionen. Wir kommen aus dieser Misere erst heraus, wenn die Arbeiterschaft die Pro⸗ duktion selbst in die Hand nimmt.
Um 5 ½ Uhr erfolgt auf Dienstag, 11 Uhr. (Dritte Lesung der Verfassung, Fortsetzung der Etatberatung.)
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. Dem Reichsgesundheitsamt ist das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche vom Schlachtviehhof in Leipzig am 26. No⸗ vember 1920 gemeldet worden.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheite
(Nach den Feres ectcha es des Reichsgesundheitsamts“ Nr. 47 vom 24. November 1920.)
1“ Fleckfieber⸗ “
Deutsches Reich. In der Woche vom 14. bis 20. No⸗ vember wurden 5 Erkrankungen festgestellt, und zwar in Prostken E “ Allenstein) 4 und in Parchim (Mecllenburg⸗
werin) 1.
Nachträglich wurden noch mitgeteilt für die Woche vom 24. bis 30. Oktober 2 Erkrankungen im Barackenlager Arys (Kreis Johannis⸗ burg, Reg.⸗Bez. Allenstein); vom 7. bis 13. November 1 Erkrankung in Königsberg i. Pr. .
Genickstarre.
Preußen. In der Woche vom 7. bis 13. November wurden 12 Erkrankungen gemeldet in folgenden Regierungsbezirken [und Kreisenz: Aachen 1 [Aachen Stadt], Düsseldorf 1 [Ham⸗ born], Köslin 1 (Stolp Stadt]) Magde burg 7 [Wanzleben], Minden 1 [Büren], Stralsund 1 (Grimmen]. „Schweiz. Vom 31. Oktober bis 6. November 1 Erkrankung im Kanton Zürich.
Spinale Kinderlähmung.
Schweiz. Vom 31. Oktober bis 6. November 7 Erkrankungen, und zwar in den Kantonen Zürich 2 — davon in der Stadt Zürich 1 —, Bern 2 — davon in der Stadt Bern 1 —, St. Gallen, Waadt und Neuenburg je 1. 8
R u h r. LEW 18 Preußen. In der Woche vom 7. bis 13. November wurden 33 Erkrankungen (und 11 Todesfälle) angezeigt in folgenden Re⸗ ierungsbezirken sund Kreisen]: Allenstein 1 (1) [Ortels⸗ 2 Arnsberg 6 (5) [Dortmund Stadt — (2), Dortmund Land 1 (2), Hörde Stadt — (1), Hörde Land 4, Iserlohn Land 1], Breslau 1 [Militsch!, Cassel 3 9. 1 Melsungen je 1 (1), Wolfhagen 1], Düsseldorf 4(1) [Barmen 1 (1), Essen Stadt 2, Mülheim a. d. R. 1%. Frankfurt 2 [Landsberg a. W. „Stadt, Soldin je 1), Köln 2 [Köln Stadt]!, Minden 1 Halle i. W.) Münster 4 [Recklinghausen Stadt, Recklinghausen Land je 21, Stade 1 ([Zeven], Stettin 4 (2) (Stettin], Trier 1 [Merzigl!, Wies baden 3 (Frankfurt a. M. 2, Wiesbaden Land 1]; nachträglich für die Woche vom 31. Oktober bis 6. November: Oppeln 10 Beuthen Land 2, Hindenburg 1, Kattowitz Stadt 3, Kattowitz Land 2, Groß Strehlitz, Tarnowitz je 1), Schneide⸗ mühl 1 [Deutsch Kronel].
Verschiedene Krankheiten
in der Woche vom 7. bis 13. November 1920. „Pocken: Glasgow 1 Todesfall; Varizellen: Nürnberg 11, Wien 17 Erkrankungen; Tollwut: Reg.⸗Bez. Düsseldorf 1 Er⸗ krankung; Bißverletzungen durch tollwutverdächtige Tiere: Reg.⸗Bez. Köslin 1; Influenza: Berlin 6, Breslau 4, alle a. S. 2, Regensburg, Birmingham je 1, Edinburg, Glasgow, Liverpool je 2, London 5 Todesfälle; Reg.⸗Be⸗ zirke Koblenz (Vorwoche) 1, Düsseldorf 4, in Nürnberg 22, Hessen, Budapest je 2, Kopenhagen 44, Prag und Vororte, Stockholm je 1 Erkrankungen; Genickstarre*): 2 niederlän⸗ dische Orte (24. bis 30. Oktober) je 1, Prag und Vororte 2 Er⸗ krankungen; Ruhr: Budapest 7, Prag und Vororte 2, Wien
8 Todesfälle, Budapest 83, Prag und Vororte 14, Wien 21 Er⸗ krankungen; Malaria: Prag und Vororte 1 Todesfall, Reg.⸗Bez. Aurich 2, Prag und Vororte 1 Erkran⸗ kungen; Krätze: Kopenhagen 197 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen ist an Diphtherie und Krupp gestorben in Elbing, Hamm — Erkrankungen wurden an⸗ gezeigt in Berlin 201, Breslau 35, Hamburg 57, Amsterdam 38, Kopenhagen 109, Stockholm 25, Wien 31. Ferner wurden Er⸗ krankungen ermittelt an Scharlach in Berlin 115, Hamburg 46, Amsterdam 20, Budapest 53, Kopenhagen 110, Rotterdam (24. bis 30. Oktober) 29, Wien 88; an Masern und Röteln in Nürn⸗ berg 87, Hamburg 24, Budapest 38; an Typhus in Mecklenburg⸗ Schwerin 28, Budapest 27, Wien 21. 8
*) Der in der Woche vom 17. bis 23. Oktober aus Braunschweig gemeldete Todesfall hat sich nicht als Genickstarre erwiesen. een
Verkehrswesen.
Die Pressestelle der badischen Regierung teilt mit:
„Unter der Leitung des Reichsverkehrsministers Groener fand gestern in der Generaldirektion Karlsruhe die Erste Allgemeine Technische der Reichseisenbahnen mit den e des maschinentechnischen Dienstes der Zweigstellen der Generaldirektion und der Eisenbahndirektionen der Reichs⸗ eisenbahnen statt, um über die allgemeinen Richtlinien für die Entwicklung der maschinentechnischen Frage zu beraten und die Maßnahmten für die Hebung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Maschinendienstes festzulegen. Im bdesonderen wurden die Personalverhältnisse, die Ausnützung der Lokomotiven sowie der Materialverbrauch im Zugdienst einer eingehenden Prüfung unterzogen. Auf dem Gebiet des Werkstättenwesens stand die Durch⸗ führung der Arbeiten und die technische Aufsicht zur Beratun Es herrscht Einmütigkeit darüber, daß die seit dem Frühiahr in aufsteigender Linie sich bewegenden Leistungen der Werk⸗ tätten noch einer erheblicheren Steigerung bedürfen. Im ufe der Debatte wurde möglichst einfache Konstruktion der Lokomotiven und die Beseitigung der vielen Typen dringend gefordert. Die Materialversorgung der Werkstätten, über die don der Arbeiterschaft mancherlei Klagen laut geworden waren, sowie die Verwendun er Altstoffe und Feuerungsrückstände wurden lebhaft erörtert. Der Reichsverkehrsminister machte noch Mitteilung von seiner Absicht, der Regierung und dem Parlament die Schaffung einer Stelle eines technischen Staatssekretärs bei den Eisenbahn⸗ abteilungen des Reichsverkehrsministeriums für den Haushalt 1921 vorzuschlagen.
Der Weltpostkongreß hat den von der Kommissi on für den Postpaketdienst bes 8,n Tarif mit Aenderungen angenommen.
Lindenberg, Kr. Beeskow. 29. November 1920. — Drachenaufstieg von 6 à bis 6 ¼½ a.
Relativde Feuchtig⸗ keit
¹ mm %
757,1 V — 7,2 98 690 — 1,3 60 ⅛ bedeckt. Reif. — Sicht: 8 km.
Luftdruck Temperatur Co
oben V unten
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