1920 / 286 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Seit längerer Zeit ist die Herstellung eines sich über das ganze Reich erstreckenden Netzes von Funk⸗ stellen im Gange, das das Drahtleitungsnetz ergänzen und bei Leitungsstörungen eine Verbindungsmöglichkeit verbürgen soll. Bisher waren Funkstellen in Berlin, Breslau, Darmstadt, Dortmund, Düssel⸗ dorf, Frankfurt (Main), Friedrichshafen, Hamburg, Hannover, Königs⸗ berg (Pr.), Konstanz, Leipzig, München, Stettin und Stuttgart ein⸗ gerichtet worden. Jetzt hat das Netz eine Ergänzung durch die Er⸗ zffnung einer Funkstelle in Elbing erfahren, die insofern von be⸗ sonderer Bedeutung ist, als sie neben Königsberg die Nachrichten⸗ verbindungen über den polnischen Korridor hinweg sichert.

F g b förderung von Geschäftspapieren und Warenproben. Vom 15. Dezember an sind auch gewöhnliche und eingeschriebene Geschäftspapiere, Warenproben und Misch⸗ sendungen (zusammengevpackte Drucksachen, Geschäftspapiere und Warenproben) im Inlands⸗ und Auslandsverkehr zur Versendung mit der Flugpost meagsen Flugzuschläge werden in gleicher Höhe wie bei Drucksachen erhoben.

P ostwertzeichen. Um den großen Bedarf an höherwertigen Postfreimarken, die namentlich im Paket⸗ und Auslandsverkehr ge⸗ kraucht werden, zweckentsprechend befriedigen P können, gibt die Post⸗ verwaltung vorübergehend, d. h. bis zum Erscheinen der Markwerte der neuen Freimarken nach den Entwürfen des Künstlerwettbewerbs, zweifarbige Buchdruckmarken zu 1, 1 ¼, 2 und 4 mit dem Bilde der Germania heraus. Die Marken, die auch noch in Rollenform herauskommen werden, haben dieselbe Form und Größe wie die bis⸗ herigen Pfennigwerte und eignen sich deshalb besser zur Massen⸗ herstellung als die größeren Kupfer⸗ und Gummidruckmarken, die vaneben weiter vertrieben werden. Von den meisten der nach dem Wettbewerb geplanten neuen Postfreimarken der Psennig⸗ und Mark⸗ werte sind zurzeit die endgültigen Schnitte in Arbeit, so daß die ersten Marken dieser Art in einigen Monaten ausgegebe werden können

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9 1“ Heft 11 vom Jahrgang 1920 der „Zeitschrift für Klein⸗ bahnen“, im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten (Verlag von Julius Springer, Berlin), enthält u. a. folgende Beiträge: Instandsetzungsarbeiten an Wagen elektrischer Stadt⸗ und Untergrundbahnen; Die selbsttätige Signalanlage der Berliner Hoch⸗ und Untergrundbahn nebst einigen Vorläufern (vom Geh. Baurat Dr.⸗Ing. G. Kemmann), mit zablreichen Abbildungen und mehreren Tafeln 8 Belgiens elektrische Schnellbahnen. Gesetzgebung: Deutsches Reich: Bekanntmachung vom 7. Oktober 1920 zur Verordnung über die schiedsgerichtliche Erhöhung von Beförde⸗ rungspreisen der Privateisenbahnen, Kleinbahnen (Lokalbahnen usw.), Straßenbahnen und Anschlußbahnen vom 21. Februar 1920; Erlaß der preußischen Staatsregierung vom 11. Oktober 1920, betr. die Anwendung des vereinfachten Enteignungsverfahrens beim Bau einer Privatanschlußbahn in Finsterwalde. Rechtsprechung: Er⸗ kenntnis des Reichsgerichts, VI. Zivilsenats, vom 4. Oktober 1920, betr. eigenes Verschulden im Sinne des § 1 des Reichshaftpflicht⸗ gesetzes vom 7. Juni 1871. Kleine Mitteilungen: Neuere Pläne, Vorarbeiten, Genehmigungen, Betriebseröffnungen und Betriebs⸗ ünderungen von Kleinbahnen; Neues von der Rhätischen Bahn; Die Fahrgeschwindigkeiten auf den Londoner Untergrundbahnen; Normen⸗ ausschuß der deutschen Industrie; Patentbericht (mit 5 Abbildungen) Bücherschau, Zeitschriftenschau.

Was der Erfinder des Fernsprechers, nämlich der Deutsche Philipp Reis, in England gilt, lehren uns die Artikel, die die englische Presse in diesen Tage ihrem Landsmanne Dr. Alexander Graham Bell gewidmet hat, der von Amerika nach England herübergekommen ist und aus diesem Anlaß als der Erfinder des Telephons begrüßt wird. Es ist richtig, daß Dr. Bell schon 1876 einen Fernsprecher, das sogenannte „Bell⸗Telephon“ konstruiert hat. Dank der erfolgreichen Unterstützung durch befreundete amerikanische Gelehrte vermochte Bell dann seinen Apparat schon bis 1877 so erheblich zu verbessern, daß er, wenn auch freilich zunächst nur auf kurze Entfernungen, für die allgemeine Nach⸗ richtenübermittlung verwendbar wurde. Vor allem gebührt Dr. Bell das Verdienst, daß es ihm gelang, Geber und Empfänger konstruktiv identisch herzustellen. Erfunden hatte aber das Telephon bereits 1860 der Lehrer Philipp Reis in Friedrichsdorf bei Homburg v. d. Höhe. Der Reissche Apparat, der dem ersten Bell⸗Telephon in mehr als einer Hinsicht ähnelte, hatte jedoch das Mißgeschick, das schon mancher großen Erfindung beschieden war, daß man hier waren es die deutschen Gelehrtenkreise seine Bedeutung nicht anerkannte. Ein Modell des Reisschen Fernsprechers war 1862 durch Zufall in das naturwissenschaftliche Institut in Edinburgh gekommen, wo Graham Bell, selbst aus Edinburgh gebürtig, 1862/63 die Uni⸗ versität besuchte. Ihren Studenten wurde damals die Reissche Er⸗ 1“ vielfach vorgeführt. Verschiedene ausländische Gelehrte haben dann später festgestellt, daß Bell als Edinburgher Student die Reissche Erfindung gekannt und daß er sich bei seiner Telephon⸗ konstruktion später auf sie gestützt hat. Von dem berühmten englischen Physiker Professor Silvanus Thompson wurde auf Erund ein⸗ gehender wissenschaftlicher Untersuchungen im Jahre 1883 unserem Reis die Erfindung des Fernsprechers sogar ausdrücklich zuerkannt. Das scheint man heute vergessen zu haben. Ein Umstand von größter Bedeutung war es übrigens, daß, als die ersten beiden Stücke der 1877 er Type des Bell⸗Telephons Ende Oktober desselben Jahres nach Europa gelangten, Stephan sie sofort in die Hände bekam. Er erkannte sofort den unermeßlichen Wert des Apparats und machte ihn, nachdem Werner Siemens im Handumdrehen einen ver⸗ besserten deutschen Fernsprecher nach Bellschem System erbaut hatte November 1877, und damit zuerst in der Welt, also auch noch vor Amerika, dem öffentlichen Verkehr dienstbar.

Theater und Musik.

Im Opernhause findet morgen, Freitag, als zweiter Abend der Gedenkfeier anläßlich des 150. Geburts⸗ tages Beethovens eine Festaufführung von Fidelio“, mit den Damen Wildbrunn, Escher, Vespermann und den Herren Mann, Armster, Braun, Hente, Zador und Philipp besetzt, statt. Musikalischer Leiter ist der Generalmusikdirektor Leo Blech. An⸗ fang 7 Uhr.

„Im Schauspielhause wird morgen „Der Kronprinz“ mit Lothar Müthel in der Titelrolle und Eduard von Winterstein als König wiederholt. Anfang 7 Uhr.

Mannigfaltiges.

Vom Reichsministerium für Ernährung und La ndwirtschaft wird durch „W. T. B.“ folgendes verbreitet: Ein Teil der Berliner Hotels hat seinen Wirtschafts⸗ betr ieb geschlossen. Aus diesem Anlaß sind in der Oeffent⸗ lichkeit Kundgebungen und Auslassungen laut geworden, aus denen der Eindruck entstehen kann, als ob die Schließung erfolgte, weil die Hotels nicht in der Lage wären, ihren Gästen Lebens⸗ mittel in ausreichender Menge und Form zu verabreichen. 3. B. ist eine Resolution von den Besitzern und Di⸗ rektoren Berliner Hotels angenommen worden, in der es heißt: „Die Vertreter der größeren Berliner Hotels und Restaurations⸗ betriebe beschließen und perpflichten sich hiermit, spätestens vom 15. Dezember ab, ihre Restaurationsbetriebe solange geschlossen zu halten, bis es ihnen wieder ermöglicht wird, ohne Verstoß gegen gesetzliche oder behördliche 9 deeaes hne ihre Betriebe ordnungs⸗

20 472 Wagen werktäglich auf 21 900 Wagen;

haltung der Verordnungen gezeigt hat.“ Weiter berichten die Blätter, daß einige Hotels folgende Bekannt⸗ machung ausgehängt haben: „Wegen Unerfüllbarkeit der Rationierungsvorschriften bleibt unser Betrieb (Küchen⸗ und Restaurationsbetrieb) solange geschlossen, bis es uns wieder ermöglicht wird, ohne Verstöße gegen behördliche Maßnahmen unseren Betrieb ordnungsmäßig zu führen.“ Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß die der Zwangswirtschaft in Verbindung mit der Lockerung der Einfuhr auf weiten Gebieten der Ernährung dazu Ft hat, daß Hinde rnisse für eine ausreichende

erpflegung in den Hotels nicht bestehen. Sehr wesentliche Lebensmittel für den Mittagstisch sowohl, wie für den Abendtisch (Fleisch, Fische, Kartoffeln, Eier) sind, ebenso wie die notwendigen Zubereitungsmittel (Fett, Margarine, Speck) nicht rationiert. Sie können mithin in beliebiger Menge gekauft und verwendet werden. Die Zwangswirtschaft bezieht sich in der Hauptsache nur auf Mehl, Milch, Butter und Zucker.

Die Direktion der Universum⸗Film⸗A.⸗G. hatte zum Dienstag⸗ nachmittag in den Ufa⸗Palast am Zoologischen Garten zur Vor⸗ führung des von Fred. Orbing und Hanns Kraly ver⸗ faßten, von der Meßter⸗Union aufgenommenen Film⸗Dramas „Anna Boleyn“ eingeladen, das einige Stunden später im Rahmen eines Gesellschaftsabends für Wohlfahrtszwecke zum ersten Male der Oeffentlichkeit gezeigt wurde. Dieses in bezug auf die aufgewandten Mittel gewaltigste Filmwerk, das je in Deutsch⸗ land hergestellt worden ist, erscheint in hohem Maße geeignet, inter⸗ nationale Bedeutung zu erlangen und dem Ausland die Leistungsfähigkeit der deutschen Filmindustrie, ganz besonders auch in künstlerischer Beziehung, an einem schlagenden Beispiel vor Augen zu führen. Es gibt wohl augenblicklich nur zwei Spielleiter in Deutschland, die Phantasie genug haben, um dem ar mißbrauchten Film künstlerische Wirkungen abzugewinnen. Der eine ist Paul Wegener, dessen eindrucksvoller „Golem“ unlängst an dieser Stelle gewürdigt wurde; der andere ist Ernst Lubitsch, der das Einzelspiel und die ungeheuren Massenszenen in „Anna Boleyn“ (fünftausend in geschichtliches Gewand ge⸗ kleidete Menschen wirkten z. B. bei dem Krönungszuge mit) mit Feldherrnblick nnd sorgsam ordnender Hand leitete. Das Stadtbild Alt Londons mit der Westminster⸗Abtei (außen und innen) war eigens für den Zweck von Kurt Richter nach zeitgenössischen Bildern in festem Material in Tempelhof aufgebaut worden, wo im vergangenen Sommer die Aufnahmen erfolgten. Be⸗ sonderer Erwähnung bedarf auch noch ein Turnier⸗Hof mit den ihn umgebenden Galerien und der Loge für König Heinrich VIII. von England und sein Gefolge. In diesem pra tvollen Rahmen be⸗ Heg sich die bunte Volksmenge, sprengen die Reiter und Reisigen auf prächtigen Pferden einher, fahren die altmodischen Staats⸗ karossen; da ist nichts, was das Auge störend an die Gegen⸗ wart erinnerte; eine alte, längst verklungene Zeit ist da in voller Lebenswahrheit wiedererstanden und es fehlt nur die Farbe, um das Bild vollkommen zu machen. Aber auch die Jagd⸗ und Reiterszenen in freier Natur, die Park⸗ und Hoffeste sind in ihrer Anordnung und in der Wahl des landschaftlichen Schauplatzes weitere für den malerischen Sinn und die treffsischere, für solche Aufgaben geradezu geniale Art des phantasievollen Spielleiters. Auf gleicher Stufe der Vollendung stehen die Einzelleistungen der Dar⸗ steller und Darstellerinnen. Die liebliche Gestalt der unglücklichen Anna Boleyn könnte kaum anmutiger und charakteristischer verkörpert werden als durch Henny Porten. Sie ist sowohl in den sonnigen Anfangsszenen wie später da, wo Anna Boleyns Schicksal die tragische Wendung nimmt, ungemein ausdrucksvoll.é Ein Charakterbild einprägsamster Art schuf Emil Jannings als König Hein⸗ rich VIII., dessen Genußsucht und despotische Natur er in einer Fülle feinbeobachteter Einzelzüge zu zeichnen wußte, ohne dabei einen Zug dämonischer Größe dieses selbstherrlichsten Königs auf Englands Thron vermissen zu lassen. Es ist unmöglich, die Vertreter der anderen Hauptrollen einzeln zu würdigen; die Namen Hedwig Pauli, Egede Nissen, Ludwig Hartau, Paul Hartmann, Paul Biensfeld, um nur einige zu nennen, eweisen, daß nur erste Kräfte hiesiger Bühnen (auch in den Neben⸗ rollen) ihre Kunst in den Dienst der Sache stellten. Der Eindruck des Dramas war stark, und der Beifall, für den sich di d Hauptdarsteller persönlich bedanken konnten, stürmisch.

In Thüringen. sind, wie „W. T. B.“ meldet, Rauhreifs, wie er in gleicher Stärke schon seit 20 Jahren nicht eingetreten ist, schwere Störungen im Fernsprech⸗ und Telegraphenbetrieb eingetreten. Das Ortsfernsprechnetz von Ilmenau ist zusammengebrochen. Weitere Umbrüche von Linien werden aus verschiedenen anderen Orten des Erfurter Bezirks gemeldet.

Magdeburg, 15. Dezember. (W. T. B.) Die Stadt Aken befindet sich seit heute ohne Stadtverwaltung, da der Magistrat und die sozialdemokratischen Stadtverordneten, dem vor einigen Monaten gegebenen Beispiel der bürgerlichen Stadtverordneten folgend, ihre Mandate niederlegten. Die Akener Stadtverwaltung wird vorläufig von einem von der Magdeburger Regierung zu er⸗ nennenden Kommissar übernommen.

Cassel, 15. Dezember. (W. T. B.) In der heute fort⸗ gesetzten Verhandlung des Marburger Studentenprozesses stellte die Verteidigung den Antrag, den Prinzen Friedrich Wilhelm zur Lippe als Zeugen zu laden, der damals beim Stabe des Detachements von Schenk war. Dem Antrag wurde stattgegeben und die Zeugenvernehmung fortgesetzt.

Detmold, 15. Dezember. (W. T. B.) Im Walde bei Bad Salzuflen wurden heute Teile eines Flugzeug⸗ parkes im Werte von über einer Million Mark aufgefunden, die offenbar dahin gebracht worden waren, um von dort aus ver⸗ schoben zu werden. Das vorgefundene Material, das u. a. acht große Kisten mit acht Flugzeugmotoren, Propellerteilen usw. enthält, wurde von den Behörden beschlagnahmt. Es handelt sich um Heeres⸗ gut, das auf Verlangen der Entente vernichtet werden sollte. 1

London, 15. Dezember. (W. T. B.) Ein großes Flug⸗ üeug, das den Dienst zwischen London und Paris ver⸗ jieht und gestern mittag den Flugplaß Cricklewood verließ, ist abge⸗ stürzt. Der Führer, der Mechaniker und zwei Flug⸗ gäste wurden getötet, sechs Fluggäste verletzt. 8

Paris, 15. Dezember. (W. T. B.). 8 heo,h aus 3 sam menstoß zweier Eisenbahnzüge bei Forba

stattgefunden. 17 Personen wurden getötet und n darunter 12 schwer. „Havas“ meldet aus Saargemünd, daß der Fetas sich 8 dem Ba 1.“ Kreuzwald ecreignete, wo ein Bergarbeiterzug, der von Saargemünd kam mit eine

Güterzug zusammenstieß. 1114““ inem

Nach einer Meldung hat heute vormittag ein Zu⸗

Handel und Gewerbe.

In der vergangenen Woche war laut Meldung des „W. T. B.“ aus Essen die Verkehrslage der Eisen bach 8 nach dem katholischen Feiertag am 9. Dezember, etwas günstiger als in den voraufgegangenen Tagen. Der zunehmende Frost und Schnee⸗ fall werden aber erneute Schwierigkeiten hervorrufen und auch die Schiffahrt erneut ungünstig beeinflussen. Die Brennstofflagerbestände auf den Zechen bezifferten sich am 11. Dezember insgesamt auf 535 061 (491 533) Tonnen. Die Wagengestellung stieg von

infolge

den Duisburg⸗Ruhrorter Häfen betrug nur 14 841 (17 741) Tonnen der Umschlag der Zechen am Kanal dagegen 19 766 (17 626) Tonnen werktäglich.

Zusammmenschluß der Fachverbände des E zelhandels. Der Reichsverband für Damen⸗ und Mädchenkleidung E. V., Sitz Berlin, der Reichsverband für Herren⸗ und Knabenkleidung E. V., Sitz Düsseldorf, und der Reichsverband der Putzdetaillisten⸗Vereinigungen Deutschlands, Sitz Berlin, E. V., haben laut Meldung des „W. T. B.“ aus Berlin zwecks gemeinsamer Wahrung ihrer wirtschaftlrchen Fachinteressen die Bildung einer Zentralorganisation beschlossen. Die Leitung des neuen Verbandes ist einem vorbereitenden Ausschuß übertragen. Die vor⸗ läufige Geschäftsstelle befindet sich Berlin C. 19, Roßstraße 3. Als Verbandsorgan ist die Fachzeitschrift „Deutsche Konfektion“ bestimmt.

Der Deutsch⸗Russische Verein zur Förderung der gegenseitigen Handelsbeziehungen hält am 18. d. M. in Berlin Voll⸗ sitzung des Vorstands ab. Die Tagesordnung umfaßt u. a.: Die Geschäftspraxis der Sowietregierung im Außenhandel. Der Ver⸗ trag der Sowjetregierung mit einem schwedischen Konzern. Die Frage der Entsendung von Vertretern nach Moskau. Förderung der russischen Emigranten in Deutschla Die neue Verfügung über

1

Wareneinfuhr in Lettland.

Verichte von auswärtigen Wertpapiermärkten.

Köln, 15. Dezember. (W. T. B.) Englische Noten 256,50 biz 257,50, Französische Noten 434,00 436,00, Belgische Noten 457,0 bis 459,00, Holländische Noten 2282,50 2292,50, Rumänische Noten 98,00 100,00, Amerikanische Poten 73,25 74 00, Schweizerische Noten 1142,50, Italienische Noten 260,00, Stockholmer Noten —,—. Amerik. Kabelauszahlung 74,00.

Hamburg, 15. Dezember. (W. T. B.) Börsenschlußkurse. Deutsch⸗Australische Dampfschiff⸗Gesellschaft 294,00 G., 300,00 B,, Havpag 185,00 G., 190,00 B., Hamburg⸗Südamerika 410,00 G., 417,00 B., Norddeutscher Lloyd 182,75 G., 183,75 B., Vereinigte Elbeschiffahrt 324,00 G., 334,00 B., Schantungbahn 585,00 G., 595,00 B., Brasilianische Bank 685,00 G., 700,00 B., Commerz⸗ und Privat⸗Bank 211,75 G., 212,25 B., Vereinsbank 200,00 G., —,— B., Alsen⸗Portland⸗Zement 405,00 G., —,— B., Analo Continental 394,50 bis 398,50 bez., Asbest Calmon 300,00 G., —,— B., Dynamit Nobel 354,50 bis 356,00 bez., Gerbstoff Renner 494,50 bis 495,50 bez., Norddeutsche Jutespinnerei 309,50 bis 310,50 bez., Harburg⸗Wiener Gummi 410,00 G., —,— B., Caoko 200,00 G., 205,00 B., Sloman Salpeter 2450,00 G., —,— B,. Neuguinea —,— G., Otavi⸗Minen⸗Aktien —,— G., —,— B., do. Genuß z. B. Tendenz: Ruhbig.

Wien, 15. Dezember. 8 —.) Notierungen der Devisen⸗ zentrale: Berlin 903,50 G. Amsterdam 20550,00 G., Zürich 10400,00 G. Kopenhagen 9775,00 G., Stockholm —.— G., Christiania 9725,00 G, Marknoten 908,50 G., London 2315,00 G.

Prag, 15. Dezember. (W. T. B.) Notierungen der Devisg⸗ zentrale: Berlin 119,25 G., Marknoten 119,25 G., Wien 12,32 ½

London, 15. Dezember. (W. T. B.) Wechsel auf Pariz 59,22 , Wechsel auf Belgien 56,20, Wechsel auf Schweiz 22,58 ½, Wechsel auf Holland 11,22, Wechsel auf New York 348 ⅜, Wechsel auf Spanien 26,68 ½, Wechsel auf Italien 99,87 ½, Wechsel auf Deutsch⸗ land 258,00. Privatdiskont 6 %.

Paris, 15. Dezember. (W. T. B.) Devisenkurse. Deutsch⸗ land 23,00, Amerika 17,07, Belgien 105,50, England 59,25, Holland 527,00, Italien 59,00, Schweiz 262,75, Spanien 221,50.

Amsterdam, 15. Dezember. (W. T. B.) Wechsel auf London 11,20, Wechsel auf Berlin 4,37 ½, Wechsel auf Paris 18,97 ½, Wechsel auf Schweiz 49,60, Wechsel auf Wien 0,82 ½, Wechsel auf Kopenhagen 48,60, Wechsel auf Stockholm 63,15, Wechsel auf Christiania 47,80, Wechsel auf New York 321,50, Wechsel auf Brüssel 20,00, Wechsel auf Madrid 42,37 ½, Wechsel auf Italien 11,15. 5 % Niederländische Staatsanleihe von 1915 81 ⅞, 3 % Niederländ. Staatsanleihe 51 ¼ Königlich Niederländ. Petroleum 557,50, Holland⸗Amerika⸗Linie 255 00, Atchison, Topeka u. Santa 101,75, Rock Island —,—, Southern Pacific 126,50, Southern Railway —,—, Union Pacific 149,50, Anaconda 94,00, United States Steel Corp. 103 ⅞. Fester.

Aeronautisches Observatoxrium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 15. Dezember 1920. Drachenaufstieg von 5 a bis 7 ¼.

Relatipe Wind Feuchtig⸗ vee e ekund.⸗ Richtung

Temperatur C0

Seehöhe Luftdruck

oben unten

m mm

122 762,4 800 697 930 685 750 616 1890 605 2580 552

Bedeckt.

NOzO ONO OzN

8,6 11,8 100 10,9 1 95 16,0 60 OzN 13,4 55 O

17,8 43 OzN Schnee. Schneedecke. Sicht: 5 km.

(JFortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Fhrheater.

Opernhaus. (Unter den Linden.) Freitag: 229. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Beethoven⸗Feier. 2. Abend: Festaufführung Fidelio. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Amoretten. Tanzszenen. Bajazzi. An⸗ fang 6 ½ Uhr. 8

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Freitag: 233. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Friedrich der Große. I. Teil: Der Kronprinz⸗ Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: König Richard der Dritte. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. General der Infanterie a. D. Curt Frhr. von Medem (Bennigsen, Hannover). Hr. Generalmajor a. Gustav Wasa von Buddenbrock (Berlin). Hr. Marine⸗ Generaloberarzt Dr. Paul Koch (Charlottenburg)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol,. Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle

Rechnungsrat engering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengerincg) in Berlin

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt 1 Berlin. Wilhelmstr. 32

Acht Beilagen

(einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 102 A und B)

mäßig zu führen, weil sich die Unmöglichkeit strikter Inne⸗

7 die Fehlziff von 4470 auf 2968 im Durchschnitt K. 8 1

d Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage

2

uumn Deutschen Reichsa

Erst

Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember

nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

5 8 „à 9 1“

1920

Nr. 286.

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Deutscher Reichstag 46. Sitzung vom 14. Dezember 19220. Nachtrag. 1

Die Ausführungen, die bei Fortsetzung der Beratung gber den Haushalt des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Er⸗ widerung auf Bemerkungen des Abg. Dr. Böhme (Dem.) der preußische Ministerpräsident und Minister für Landwirtschaft, Damänen und Forsten Braun gemacht hat, hatten folgenden Wortlaut: 1

Meine sehr verehrten Herren! Wenn der Herr Vorredner kaͤne Ausführungen draußen vor einer Bauernversammlung gemacht hätte darauf waren sie ja wohl zugeschnitten (sehr gut! bei den

Soialdemokraten), so könnte er wohl auf einigen Erfolg rechaen. Wenn er aber vor Männern spricht, die die Verhältnisse doch etwas kiescher zu betrachten gewohnt sind, so muß ich offen gestehen: ich zinn dem Herrn Abgeordneten Böhme nicht recht folgen, wenn er glaubt, einer Versammlung von denkenden und urteilsfähigen Mäannern etwas derartiges zumuten zu können. (Hört! hört! bei den Sozial⸗ demokraten.) Herr Böhme hat von der Ansiedlungspolitik geredet bat jetzt in Nürnberg gleichfalls von der Ansiedlungspolitik geredet, die vom preußischen Landwirtschaftsministerium sabotiert wird. (Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten.) Er hat heute davon gesprochen, daß durch die Ausführungsanweisungen der Geist des Siedlungs⸗ gesetzes ertötet und gelähmt werde. Von den Schwierigkeiten, die der Siedlung auf allen Gebieten entgegenstehen, scheint Herr Böhme trotz seiner Sachkunde noch nichts gehört zu haben.

Er vuft hier aus, die Ausführungsbestimmungen seien zehn Wochen seit Erlaß des Gesetzes verschleypt worden. Ja, verehrtester Herr Dr. Böhme, können Sie denn mit dem Augenblick des Erlasses des Gesetzes die Ausführungsbestimmungen, die in fünf großen Ab⸗ schnitten erlassen sind und eingehend bearbeitet werden mußten, aus den Aermeln schütteln? Wie kann man verlangen, daß mit dem Moment, wo das Gesetz herauskommt, auch gleichzeitig die ein⸗ gehenden und ausführlichen Ausführungsbestimmungen erlassen werden! (Zuruf bei den Deutschen Demokraten.) Darüber vergehen einige Wochen, Herr Dr. Böhme, und trotz der Ueberlastung meines Ministeriums sind sie mit einer Beschleunigung herausgegeben worden, die schon befürchten ließ, daß darunter die Genauigkeit und die sach⸗ liche Richtigkeit leiden würde.

Herr Dr. Böhme hat sich hier hingestellt und erklärt, ich hätte

mit Stolz auf die 30 000 ha hingewiesen, die für Anliegersiedlungen beveitgestellt seien. Meine Herren, nicht mit Stolz! Sondern ich habe konstatiert, daß trotz der Schwierigkeiten, die der Siedelung ent⸗ gegenstehen gleichwohl in Preußen im Verlaufe eines Jahres diese erheblche Fläche für diese Zwecke der Anliegersiedlung bereitgestellt werden konnte, obwohl die Landlieferungsverbände des Siedelungs⸗ gesczes durch die Schuld der Parteigenossen des Herm Dr. Fähme (hört! hört! bei den Sozialdemokraten) noch nicht voll in Tätigkeit treten konnten. Gleichwohl ist es den Kulturbehörden und ihrer Initiative gelungen, so erhebliche Flächen der Siedelung bereits zur Verfügung zu stellen.

Herr Dr. Böhme meint: was ist denn das gegenüber den Mög⸗ lichkeiten des Gesetzes?! Dieses Gesetz bietet die Möglichkeit, 2 Millionen bis 3 Millionen Hektar für diese Zwecke bereitzustellen. Herr Dr. Böhme, sollte denn das in einem einzigen Jahre geschehen, oder ist Ihnen nicht auch bekannt, daß man bei der Durchführung dieses Problems mit einem Zeitraum von 25 bis 30 Jahren und noch länger rechnet? Glauben Sie denn, daß die ganze Struktur unserer Agrarverhältnisse, die sich in Jahrhunderten herausgebildet hat, jetzt in eigem Jahr lediglich auf Grund eines Gesetzes umgewälzt werden könne? Kein ernsidenkender Agrarpolitiker kann solch einen Gedanken überhaupt aussprechen. Das kann nur jemand tun ent⸗ schuldigen Sie den Ausdruck der gewohnt ist, diese Dinge vor Bauernversammlungen auf die Urteilsunfähigkeit gewisser Leute rechnend, zu behandeln. (Widerspruch und Unruhe rechts.)

Was heute auf dem Gebiete bisher geleistet worden ist, ist da⸗ durch möglich gewesen, daß eben die Kulturbehörden in Preußen im Wege der gütlichen Vereinbarung versucht haben, vom Großgrund⸗ besitz die erforderlichen Flächen herauszubekommen. Mit Ent⸗ eignungen hat noch wenig vorgegangen werden können, weil die Land⸗

lieferungsverbände bis heute noch nicht in Aktion getreten sind, und

zwar zufolge der Schuld mit der Parteigenossen des Herrn Dr. Böhme, die mir das Werkzeug nicht in die Hand gegeben haben (hört, hört! bei den Sozialdemokraten), um auf diesem Gebiete schnel vorzugehen, wie ich es durch die Ausführungsbestimmungen wünsche. Wäre ich ein Jahr früher vorgegangen, wäre ich nicht auf die Land⸗ lieferungsverbände, die aus Interessenten bestehen, die das Land her⸗ geben sollen und sich naturgemäß damit nicht beeilen, angewiesen gewesen, hätten Sie mir das Werkzeug nicht aus der Hand geschlagen. so hätten Sie vielleicht keine Gelegenheit gehabt, eine derartige Rede zu halten. Es ist doch aber politisch nicht besonders loyal, erst einmal ein solches Gesetz zu verschlechtern und dann, wenn die Folgen dieser Verschlechterung eintreten, sich hier als Ankläger gegen den Minister aufzustellen, dem man dieses schneidige Werkzeug aus der Hand geschlagen hat. (Zuruf von den Deutschen Demokraten: Ihre Leute haben dafür gestimmt!) Darauf komme ich. Die sozial⸗ demokratische Partei hat in der Endabstimmung für das ganze Aus⸗ führungsgesetz gestimmt, weil sie dieses Ausführungsgesetz für not⸗ wendig erachtete und weil es auch unerläßlich für die Ausführung des Reichssiedlungsgesetzes ist. Aber was das Entscheidende ist: gegen diese Bestimmung hat die soziademokratische Partei gestimmt, daß die Konstituierung der Landlieferungsverbände und die Einrichtung der Geschäftsführung den landlieferungspflichtigen Großgrundbesitzern überlassen wurde. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Dafür be i, Herr Dr. Böhme, gestimmt. Das ist der

Unterschied. Es ist ein politisches Taschenspielerkunststück, jetzt zu erklären, die Partei habe auch dafür gestimmt, weil sie in der End⸗ abstimmung schließlich für das ganze Gesetz gestimmt hat.

Herr Dr. Böhme hat nun immer auf den Geist der Ausführungs⸗ bestimmungen hingewiesen. Ich hätte doch gewünscht, er hätte wenigstens einen Teil dieser Ausführungsbestimmungen hier ver⸗ lesen. Ich glaube kaum einem der Herren hier zu nahe zu treten, wenn ich erkläre, daß wohl kaum jemand hier die sämtlichen Aus⸗ führungsbestimmungen durchgelesen haben wird, und demgemäß also auch gar nicht weiß, wogegen Herr Dr. Böhme eigentlich polemisiert Er hat auch nicht einen Teil von den Ausführungsbestimmungen hier zum besten gegeben Deswegen ficht er einfach in der Luft herum. Man weiß nicht recht, wogegen er sich eigentlich wendet. Der Geist, der diesen Ausführungsbestimmungen mnewohnt, ist der Geist, der dem Reichssiedlungsgesetz innewohnt. Die Ausführungsbestimmungen müssen dem Gesetz konform gehen; ich kann durch die Ausführungs⸗ bestimmungen nicht mehr anordnen, als was das Gesetz vorschreibt.

Herr Dr. Böhme hat sich insbesondere in der vorigen Sitzung, als er über die Angelegenhert sprach, dagegen gewendet, daß die Ansiedlung nicht in erster Reihe in den Ausführungsbestimmungen genannt worden ist, sondern die Neusiedlung. Meine Herren, das entspricht dem Gesetz Ich verweise auf die Verordnung der Volks⸗ beauftragten vom 29. Januar 1919. (Zuruf von den Deutschen Demokraten: Ist abgeändert worden!) Das waren, Herr Dr. Böhme, Sozialdemokraten, die diesen Weg der Siedlung betraten. Es war nicht das Verdienst Ihrer Partei, auf diesem Wege voran⸗ gegangen zu sein, wie Sie jetzt glauben machen wollen. Diese Ver⸗ ordnung kennt nur die Landbeschaffung für die Neusiedlung. Erst in der Nationalversammlung ist als weiteres noch die Land⸗ beschaffung zur Vergrößerung bestehender landwirtschaftlicher Be⸗ triebe hineingekommen. Das Primäre ist aber die Neusiedlung, das Sekundäre die Anliegersiedlung. Wenn in den Ausführungs⸗ bestimmungen darauf hingewiesen wird, so halten sie sich durchaus aus im Rahmen des Gesetzes und entsprechen den Absichten des Gesetzgebers. (Widerspruch bei den Deutschen Demokraten.)

Wenn es jetzt in der Praxis nicht nötig ist, für Neusiedlungen so viel Land zur Verfügung zu stellen, da nicht so viel Neusiedkungen ausgeführt werden können, so ergibt sich das aus den Schwierigkeiten, die auf dem Baumarkt, auf dem Gebiete der Inventarbeschaffung vorhanden gewesen sind. Aber es zeigt sich auch, daß aus diesem

Grunde auf dem Gebiete der Anliegersiedlung viel mehr geschafft

wird; ich habe Ihnen ja in der vorigen Sitzung die Zahlen verlesen, daß in Preußen 19 000 Hektar für Neusiedlungen zur Verfügung gestellt, während über 30 000 Hektar für Anliegersiedlungen bereit⸗ gestellt und verwendet worden sind. Daraus ergibt sich, daß eben die Praxis die Absichten des Gesetzgebers durchkreuzt und hemmt. Aber wenn letzten Endes diese Hemmungen, die in unseren wirt⸗ schaftlichen Verhältnissen bestehen, verschwunden sein werden, wird die Absicht des Gesetzgebers auch wieder voll zur Geltung kommen, die dahin geht, in der Hauptsache Neusiedlungen auf dem Lande zu

Zschaffen und daneben auch noch für die landhungrigen Anlieger die

erforderlichen Flächen zur Verfügung zu stellen.

Herr Dr. Böhme hat nun die Tätigkeit einzelner Kulturamts⸗ vorsteher kritisiert. Er hat sie in Bausch und Bogen verdammt. Ich muß doch bitten, mir ganz konkrete Fälle mit Namen der Kulturamts⸗ vorsteher zu nennen, damit ich in der Lage bin, einzugreifen. Herrn Abgeordneten hat er mir noch nicht einen genannt.

inen genannt! ze Zeit bei mir ö’ wir haben über die Dinge gesprochen, und ich habe ihn gebeten, wenn er derartige Fälle kennt, mir sie mitzuteilen, damit ich eingreifen kann. Bis heute das war vor mindestens einem Jahre, als Dr. Böhme bei mir war hat er mir keinen Fall genannt. Gleichwohl nimmt er Gelegenheit, auf der öffentlichen Parlamentstribüne und auf der Tribüne seines Parteitages gegen eine große Gruppe von Beamten meines Ressorts Beschuldigungen öffent⸗ lich auszustoßen, ohne auch nur jemals den Versuch zu machen, Material zur Beweisführung für seine Behauptung beizubringen.

Er hat erklärt und mit großer Emphase ausgerufen: Wie kommen steher dazu, die Leute über ihre wirtschaftlichen

einzelne Kulturamtsvors 1 Verhältnisse zu examinieren! Ja, dazu haben die Kulturamtsvor⸗ steher die Pflicht. Sie haben nicht einfach auf das Verlangen gawisser Leute nach Land ohne weiteres dafür Sorge zu tragen, daß den Leuten das Land zugeworfen wird (sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), sondern sie haben die Pflicht, erstens festzustellen: ist das v dieses Mannes auch in der Höhe seiner Forderungen berechtigt; 11“ richtig! bei den Sozialdemokraten.) Außerdem: sind die 1 lichen Verhältnisse des Mannes so, daß er die Fläche, die er 1. be⸗ kommt, intensiv bewirtschaften kann, sind seine Vermögensverk ält⸗ nisse, seine Familienverhältnisse so⸗ Dazu sd bie Sfcth . pflichtet, dazu habe ich sie allerdings durch meine Aassan . mungen angehalten. Wenn sie nicht so vorgehen würden, würden sie ihre Pflicht verletzen.

8 . jest alles an Land verlangt, und von welchen Leuten wird es verlangt! Ich habe oft und diese Wünsche gehen an die Kulturamtsvorsteher weiter Aufstellungen von einzelnen Gemeinden bekommem wo Leute, die 80 Morgen besitzen, Gastwirte, die 30 Morgen besitzen usw., noch 20 und 30 Morgen verlangen. Der kleine Kätner, der viellzicht 10 Morgen besitzt, ist bescheiden und verlangt nur drei, der andere, der 80 Morgen hat, verlangt 20. Wenn diese Leute eraminiert werden, ergibt es sich oft, daß kein wirtschaftliches Be⸗ dürfnis zur Vergrößerung ihres Betriebes besteht, 6 sie sehr viel schlechtes Papiergeld haben und dieses in gutes Land umsetzen möchten. Dazu ist aber das Siedlungsgesetz nicht geschaffen worden, um eine Veränderung der Vermögenssubstanz dieser landwirtschaftlichen Kreise, eine Umwandlung schlechten Papiergeldes in gutes Land, herbeizuführen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es ist Aufgabe der Kulturamtsvorsteher, in solchen Fällen das Land⸗ bedürfnis auf das richtige, wirtschaftlich berechtige Maß herabzudrücken. Das ist nicht ein Herumschnüffeln in wirtschaftliche Verhältnisse, son⸗ dern das ist eine ganz naturnotwendige Maßnahme. 1

8 1““

Ich habe Dr. Böhme schon mehrfach dazu aufgefordert; bisher (Abg. Dr. Böhme: Ich habe eben

Der Herr Abgeordnete Dr. Böhme ist vor langer

sondern daß

meint, daß auch der Domänenabgabe so offen

Wenn der Herr Abgeordnete Böhme „Vorwärts“ geschrieben hätte, daß die schlecht sei wie unter Schorlemers Zeiten, so muß ich gestehen, mir ist eine derartige Notiz nicht bekannt. Viel⸗ leicht gibt sie mir der Herr Abgeordnete Dr. Böhme. Aber ich muß ihm auch gleich das eine sagen: der Umstand, daß es im „Vorwärts“ gestanden hat, ist doch durchaus noch kein Beweis, daß es richtig ist. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten. Heiter⸗ keit rechts.) Denn, verehrter Herr Abgeordneter Böhme, ebenso wie Sie, gelinde gesagt, irren, irrt der „Vorwärts“ auch einmal. Wenn die Domänen jetzt nicht so abgegeben werden können wie früher früher sind sie überhaupt nicht für diese Zwecke abgegeben —, so richtet sich das auch nach dem Reichssiedlungsgesetz. Das Reichssiedlungsgesetz schreibt vor, daß die Domänen bei Ablauf des Pachtvertrages dem Siedlungsunternehmen anzubieten sind. Das geschieht, soweit sie etwa nicht für die Zwecke, die auch im Gesetz vorgesehen sind, zurück⸗ behalten werden müssen. Darüber hinaus geht das Gesetz nicht. Eine Domäne, die in fester Pacht ist, kann ich nicht aus der Pacht reißen. Nach der Richtung hin waren in der Kommission der Nationalversammlung Anträge gestellt. Meine Herren, ich habe diese Anträge befürwortet, für den Fall, daß das Gesetz gleichzeitig vorschreibt, daß der Domänenpächter keinen Ersatzanspruch hat. Den Antrag, Herr Dr. Böhme, hat Ihre Partei selbst mit abgelehnt, mit sämtlichen anderen bürgerlichen Parteien chört! hört! bei den Sozialdemokraten), und deswegen müssen Sie jetzt ruhig sein und warten, bis die Domänen pachtfrei werden. Erst dann können sie dem Gesetz gemäß den Siedlungsgesellschaften zur Verfügung gestellt werden.

Aber, meine Herren, bei den landhungrigen Anliegern liegt die Sache so: diese Herren wollen nicht Land irgendwo haben, um ihre Wirtschaft um so und so viel Morgen zu vergrößern, sondern sie wollen das Land da haben, wo sie ihr Grundstück haben. Und das ist ganz natürlich. Das können sie auch nur brauchen zur Ver⸗ größerung ihres Grundstückes. Wenn aber dort nicht Land vorhanden ist, wenn keine großen Betriebe da sind, kann ihnen das Land nicht geschaffen werden, und wenn eine Domäne angrenzt, die noch auf 10 bis 15 Jahre verpachtet ist, kann ich es auch nicht mit Gewalt schaffen. Dagegen kann kein Kulturamtsvorsteher und guch kein Landwirtschaftsminister etwas tun.

Wemn Herr Abgeordneter Böhme moniert, daß man in Hessen schon 5 Morgen als eine ausreichende Ackernahrung bezeichnet hat, so möchte ich darauf hinweisen, daß gerade in diesem Lande, diesem klassischen Lande des Zwergbetriebes, der Landhunger am aller⸗ größten ist. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dort sind eben die zahlreichen Söhne der kleinen Besitzer, die früher in die Industrie gingen oder im Baugewerbe ihre Tätigkeit fanden. Sie sind jetzt infolge des Daniederliegens der Industrie und des Bau⸗ gewerbes gezwungen, ihre Arbeitskraft auch in der kleinen Wirtschaft ihres Vaters anzuwenden. Natürlich ist die Landfläche, die sie haben, nun nicht groß genug. Da aber eben auch die Nachbarn solche Zwerg⸗ bauern sind, ist es meist nicht möglich, den Leuten eine größere Fläche zu schaffen. Wenn nun ein Kultuvamtsvorsteher dort, wo vielleicht noch etwas Land zur Verfügung steht und vielleicht 100 deraertige ladhungrige Leute sind, das so einteilt, daß auf den einzelnen nur 5 Morgen kommen, so tut er durchaus seine Pflicht. Denn, wenn nicht mehr Land vom Großgrundbesitz da ist, kann er es nicht heran⸗ holen, wenn die Leute das Land in der Nachbarschaft haben müssen.

Dann ist es ein illoyvale Beweisführung, wenn man sich hin⸗ stellt und sagt: Dort hat man sogar 5 Morgen als eine ausreichende Ackemahrung bezeichnet, jedenfalls ist da nicht mehr Laand in der Nachbarschaft aus größerem Besitz zur Verfügung. Darum mußte der Kulturamtsvorsteher das Landverlangen der Leute entsprechend abmessen nach dem vorhandenen Land und dementsprechend kleine Flächen zuteilen.

Der Herr Abgeordnete Böhme hat zum Schluß gemeint, er hätte nachgewiesen, daß die Durchführung des Siedlungsgesetzes von Preußen sabotiert wird. Herr Abgeordneter Böhme, Sie haben bisher nichts nachgewiesen, sondem Sie haben unbewiesene Behaup⸗ tungen aufgestellt, (sehr wahr! bei den Sozialdemokvaten), weiter nichts. Dem setze ich Tatsachen gegenüber und belege sie durch Zahlen und bitte Sie, mir auch nur einen Teil aus den Ausfüh⸗ rungsbestimmungen zu zeigen, der gegen den Geist des Siedlungs⸗ gesetzes spricht. Wenn Sie auf dem Gebiect der Siedlung etwas Positives leisten wollen, wenn Sie nicht nur demagogische Wahl⸗ reden halten wollen, dam bitte ich Sie, in Zukunft doch mit anderen Argumenten gegen meine Siedlungstätigkeit aufzutreten. (Beifoll bei den Sozialdemokraten.)

Auf weitere Bemerkungen des Abg. Dr. Böhme ent⸗ gegnete der preußische Ministerpräsident und Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Braun:

Ich weiß nicht, wie lange der Abgeordnete Herr Dr. Bohme noch wird warten müssen, bis ein anderer Geist in das preußische Landwirtschaftsministerium einzieht. (Rufe rechts: Nicht lange mehr!) Ich fürchte aber, Herr Dr. Böhme, wenn es Ihnen wirklich ernst um die Siedlung ist, daß Ihnen dann der Geist, der vielleicht später einkehrt, noch sehr viel weniger gefallen wird. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Denn ich glaube kaum, daß jemand unter den obwaltenden Verhältnissen in Ausführung des Reichssiedlungsgesetzes mehr leisten kann, als von mir im verflosse⸗ nen Jahre geleistet worden ist. (Sehr wahr! bei den Sozialdemo⸗ kraten.)

Herr Dr. Böhme hat sich auch erneut wieder vornehmlich auf Behauptungen beschränkt und erklärt, er halte diese Behauptungen aufrecht, solange es ihm paßt jedenfalls so lange es seinem Agita⸗ tionsbedürfnis entspricht. (Abg. Dr. Böhme: Sie schließen von sich auf andere!) Er hat erklärt, er hätte einen Brief an mich ge⸗ schrieben. Er ist vor Jahr und Tag bei mir gewesen und hat Klagen gehabt. Ich habe ihm gesagt: Herr Abgeordneter, kommen Sie doch des öfteren direkt zu mir, sagen Sie mir, ob meine Beamten draußen nicht in dem Sinne, wie Sie es wünschen, tätig sind, ich will sofort eingreifen. Herr Dr. Böhme ist seitdem nicht bei mir gewes

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