1920 / 288 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

als Optimisten. Dem Antrag, den Amnestieparagraphen zu beseitigen, stimmen wir zu, ebenso dem Antrag auf Einbeziehung der Verschiebung von Kohlen und Maschinen.

Hierauf nimmt der Vizepräsident des Reichsministeriums und Reichsjustizminister Dr. Heinze das Wort, dessen Rede nach Eingang des Stenogramms im Wortlaut wiedergegeben werden wird.

Abg. Reich (U. Soz.), Da bisher die höchsten Strafen nicht angewendet sind, werden die Schieber auch vor diesem

Gesetz keine Bange haben. Was nützen die esehe, wenn sie die Exekutive nicht anwendet? Dagegen würde die Kor⸗ ruption gesteigert werden, denn es würden nur höhere Summen für die Vestechung der Beamten geboten werden. Der Wucher nimmt trotz aller Strafen zu. Statt verschärfter Gesetze müßten die Arbeiter die vollständige Kontrolle über den Verkehr erhalten.

Der § 1 wird gegen die Stimmen der Unabhängigen und Kommunisten angenommen. . 2 wird nach Ablehnung der Einfügung von „Kohle oder Maschinen“, für die nur die Un⸗

abhängigen und Kommunisten stimmen, unverändert ange⸗ nommen. Im § 3 wird die Zulassung der Ueberweisung an die Landespolizeibehörde durch eine Mehrheit aus der gesamten Linken und einiger Demokraten gestrichen, § 3 also ohne diese Bestimmung angenommen. Der § 6a mit der Straffreiheit für vergangene Vergehen wird angenommen, ebenso das übrige Gesetz nach den Ausschußvorschlägen.

Eine Entschließung wegen öffenklichen Anschlags des Gesetzes wird einmütig angenommen.

Zu dem Antrag Herzfeld auf Aufhebung der bayerischen Verordnung beantragt der Abg. Waldstein noch den Zusatz, daß diese Verordnung vom Inkrafttreten dieses Gesetzes ab aufzuheben ist. Dieser Zusatz, gegen den die Un⸗ abhängigen stimmen, wird abgelehnt, aber auch der Antrag Herzfeld wird abgelehnt.

In der sofort sich anschließenden dritten Lesung wird das Gesetz in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurss zum Schutze der Kriegsteilnehmer gegen Zwangsvollstreckungen, wonach bis zum 1. Juli 1921 die Zwangsvollstreckung auf Antrag von Kriegs⸗ teilnehmern einzustellen ist, wenn sie unbillig wäre.

Abg. Meier⸗Zwickau (Soz.) befürwortet einen Antrag seiner Partei, die Geltungsdauer 2⸗ Gesetzes bis zum 1. Januar 1922 zu erstrecken.

Die rechtsunabhängigen Sozialisten bean⸗ v die Anwendung des Gesetzes auch auf die Krieger⸗ witwen.

Abg. Frau Ziegler⸗Württemberg (UI. Soz.) begründet den Antrag ihrer 15 auf Einbeziehung der Kriegerwitwen. Tatsäch⸗ lich habe der Krieg vielen Kindern nicht allein den Vater genommen, fondern auch die Mutter, die aus dem Hause heraus zur Arbeit habe gehen müssen. Die Unterstützungssätze für Kriegerwitwen seien gänzlich unzureichend.

Vizepräsident des Reichsministeriums und Reichsjustizministe⸗ riums Dr. Heinze: Ich bitte Sie, die vorliegenden Anträge ab⸗ I Der Schutz der Kriegsteilnehmer gegen wangsvollstreckung greift tief in unser Wirtschaftsleben ein. Eine große Zahl Kriegs⸗ teilnehmer sind selbst Gläubiger und müssen ihre Angelegenheilen möglichst bald in Ordnung bringen. Darum würde eine weitere Verlängerung des Termins bis zum Januar 1922 nicht rätlich sein ir wollen möglichst den Abbau der Kriegsgesetzgebung. Sollte s ein Bedürfnis zur Verlängerung ergeben, so 8S sich das immerhin noch erreichen. Der andere Antrag über die Kriegerwitwen würde nen Gedanken in das Gesetz hineintragen, der ihm fern liegt. Der

rundgedanke des Gesetzes ist, daß die Kriegsteilnehmer durch ihre Abwesenheit nicht in der Lage gewesen sind, ihre Verhältnisse zu ord⸗ nen. Die Kriegerwitwen haben andere echiebebe 4½. B. bei Zwangsvollstreckungen in einer Erbschaft. Die Verhältnisse der Kriegerwitwen sind gewiß bedrückt, ihnen muß aber mit anderen Mitteln entgegengekommen werden.

Damit ist die erste Lesung erledigt. Nachdem in zweiter Lesung Abg. Frau Zietz (UI. Soz.) nochmals den Antrag auf Einbeziehung der Kriegerwitpen befürwortet und der Reichs⸗ justizminister Dr. Heinze ihn nochmals bekämpft hat, wird zunächst über den Antrag der Sozialdemokraten auf Ver⸗ längerung der Geltungsdauer bis zum Januar 1922 abge⸗ stimmt: Da das Ergebnis zweifelhaft bleibt, findet Auszählung statt. Der Antrag wird mit 187 gegen 142 Stimmen abgelehnt.

Der Antrag der Unabhängigen g Einbeziehung der Kriegerwitwen wird gegen die Stimmen der gesamten Linken abgelehnt.

Das Gesetz wird in zweiter Lesung und gleich darauf auch in dritter Lesung angenommen.

Es folgt die dritte Lesung des Sperrgesetzes (gleichmäßige Besoldung für Reichsbeamte Wund Beamte der Länder und Gemeinden), wozu keine Wortmeldung vorliegt.

Das Gesetz wird in seinen einzelnen Bestimmungen an⸗ genommen, auf Antrag der Unabhängigen Sozia⸗ listen ist die endgültige Gesamtabstimmung eine namentliche; dabei stimmen im ganzen 348 Abgeordnete, davon 209 mit la, 124 mit nein, der Stimme enthalten sich 15.

Präsident Löbe erklärt, daß bei einer Anwesenheit von mehr als zwei Dritteln der Reichstagsmitglieder das Haus mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden, also mit einer Stimme Gesamtmehrheit das Gesetz angenommen habe. (Heiterkeit.)

In zweiter und dritter Beratung wird der Gesetz⸗ entwurf über die Erstattung der von den

ändern und Gemeinden den Beamtien in den besetzten Gebieten gezahlten Wirt⸗ sch aftsbeihilfen mit einem Antrag des Abg. Dr. Kaas (Zentr.), wonach auch die Geistlichen unter dieses Gesetz fallen angenommen.

Eine Entschließung des Ausschusses wegen sofortiger Auszahlung rückständiger Be⸗ u“ 8 lagen wird gleichfalls angenommen.

g. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) zur Geschäftsord Bei dem Ergebnis der namentlichen dea neat) zu ’- 8 gekommen, zwei Drittel von 348 Stimmen stne 233, mit sa haben zber nur 209 gestimmt. Da es sich um ein verfa sung⸗ änderndes Gesetz handelt, st es also nicht an⸗ gengmen⸗ De B. 1.

raästdent Löbe: Die äng ist rickti sind g aus der Mindestzahfe Neneig 8* vne

rstellt, aber nicht aus der Zahl der Anwesenden Die Frage aber e.⸗ g9 eücst Veeegssurgsicseeing ist, kann hier nicht entschieden ¹ ourʒ ine Erk⸗ Abo (6 denere (Helherrent) ärung des Abgeordneten Schultz⸗

Darauf wird die Besprechung der Interpellation der Deutschnationalen vegen der Zustände in

den russischen Internie 1 Deutschland fortgesetzt. rungslagern in

pellation gesagt, daß der schweizerische Major als Vertreter des in nationalen Roten Kreuzes erkläart habe, daß die Nichtbolschewisten bei ihrer Rückkehr in Narwa erschossen würden. Herr Major Steiger er⸗ klärt darauf, daß er niemals eine derartige Aeußerung getan habe. (Hört, hort!) Das internationale Rote Kreuz hat sich im Kriege nur seinen humanitären Aufgaben gewidmet. Es ist bedauexrlich, daß eine solch schwere Beschuldigung erhoben ist. Bei dieser Gelegenheit will ich dem Internationalen Roten Kreuz, das seit Jahr und Tag für die Rückkehr der deutschen Gefangenen bemüht gewesen ist, den Hank der Mehrheit des Hauses aussprechen. (Abg. Schultz⸗Bromberg: Herr Henning hat nicht Herrn Steiger, sondern einen andern gemeint) (Lachen links.)

Abg. Dr. Fleischer (Zentr.): Wir waren alle erstaunt, daß der Reichsminister die Interpellation beantwortet hat. Nur durch die Not hat er ein solches Amt übernommen, zu dem er sich nicht gedrängt hat. Wir begrüßen die Zusicherung der Regierung, daß die Ueberwachung der Internierungslager dem Reichsamt des Innern oder dem Reichswehrministerium übertragen werden soll. Für uns kommt nur das Reichswehrmini⸗ sterium in Frage. (Sehr richtig!) Sympathisch berührte uns, daß der Finanzminister gröbliche Pflichtverletzungen zugab. Der Staats⸗ sekretär Grzesinski hat dies offenbar abzuschwächen gesucht, aber beide heen Untersuchung der strafwürdigen Fälle zugesichert. Der Staats⸗ ekretär hat sich die Sache zu leich gemacht; denn der Interpellant und die Presse haben bestimmte Dokumente vorgelegt, die sich nicht mit einer Handbewegung beiseite schieben lassen. Wir warten das Ergebnis der Untersuchung ab. dem Internierten, ob er Bol⸗ scewit ist oder nicht, muß das Bewußtsein innewohnen, daß Deutsch⸗ and ein Rechtsstaat ist. (Lachen bei den Komm.) Gegen eine Pro⸗ paganda der Sowjetregierung in den Interniertenlagern ist ebenso⸗ wenig einzuwenden, wie wenn ein monarchistisches Stoatswesen sein Heer in monarchischem Sinne beeinflußt. Nur darf die Propaganda nicht zu einer Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit und Ueber⸗ seugung führen. Auch wir wünschen, daß es gelingt, den letzten beiese. Kriegsgefangenen endlich der deutschen Heimat wiederzu⸗ geben. in Stücklen vermag ich nicht in der Auffassung zu folgen, daß die bolschewistische Gefahr nur in der Einbildung gewisser Angst⸗ meier bestände. Auch die deutschen Kommunisten sind doch nicht das Produkt von Anostmeiern ich unterschätze sie nicht, sondern sie sind wohl ziemlich die einzigen in Deutschland, die ganz genau wissen, was sie wollen. Die deutsche eüerren muß dafür sorgen, daß die internierten Russen nicht eine Kampftruppe bilden, die nach der Niederwerfung Polens den deutschen Kommunisten zu gemeinsamem Kampf die Hand reicht.

Abg. Beuermann (D. V.): In den Lagern der inter⸗ nierten Russen haben sich unglaubliche Zustände entwickelt. Nach⸗ dem Eyduk in Hameln eingetroffen war, hielt er eine Hetz⸗ rede gegen Deutschland. In anderen Lagern sind nicht bolsche⸗ wistisch gesinnten Internierten schmählich behandelt worden. Redner zeigt auf rotem Papier gedruckte Verordnungen der deutschen Regierung über den Gebrauch von Schußwaffen gegen⸗ über den Internierten usw. vor und erklärt: Diese Verordnungen viel zu spät erlassen worden. Das Natürlichste wäre, den

ehrminister zuständig zu machen. Die Herren Kommunisten in Berlin sind sehr rüstig in der Anknüpfung an ihre russischen

Brüder.

Abg. Dr. Rosenfeld (II. Soz. rechts): Die Deutsch⸗ nationalen haben eine schlimme Abfuhr von der Negierung er⸗ fahren. Herr Hennig hat nur beweisloses Zeug vorgetragen. (Lachen rechts.) Die Feee. hat mit einem Strich allen Gefangenen die Freiheit gegeben. (Abg. Henning: Sie denkt

nicht daran!) Wir verlangen die Befreiung der russischen Uhesshen Zu dem wirklichen Reichswehrminister könnten wir Vertrauen haben, dem Herrn Seeckt dürfen die Ge⸗ fangenen nicht in die Hände gegeben werden. Jeder Schwindel, der irgendwo über die Rote, Armee auftaucht, findet Verbreitung durch die Presse der Rechten, daß es dem leichtgläubigen Spießer kalt über den Rücken läuft. Diese Hetze hat den Zweck, die schwachen

Beziehungen, die sich allmählich zwischen uns und Rußland aus⸗ gebildet haben, wieder gänzlich zu zerstören. Sie (nach rechts) wollen in den Gefangenenlagern monarchistische Agitation treiben und aus Rotgardisten Weißgardisten machen.

Abg. Haas (Dem.): Wem die Internierten dem Wehr⸗

ministerium unterstellt werden, so gilt darum für sie nicht das Militärstrafrecht, sondern nach wie vot das bürgerliche Recht. Die ministerielle Zuständigkeit hat damit nichts zu tun. Daß man einen verdienten Beamten mit Mörderzentralen in Ver⸗ bindung bringt, das sollte man unterlassen; es hat keinen Sinn, mit soschen maßlosen und unsinnigen Uebertreibungen zu operieren. Wir dürfen uns nicht von Stimmungen und Gefühlen leiten lassen, ob ein Staatswesen uns gefällt oder nicht. Eine Außen⸗ politik nach Stimmungen und Neigungen war schon vor dem Kriege ein schwerer Fehler und ist jetzt geradezu verderblich. (Abg. Henning: Der Bolschewismus ist gegen uns gerichtet.) Wit ehnen es ab, offiziell oder offiziös deutsche Sympathien für die Kenterrevolutionäre in Erscheinung treten zu lassen. Anderseits verlangen wir, daß Rußland sich auch nicht in unsere inneren An⸗ elegenheiten einmischt. (Sehr wahr! rechts.) Die Frage der nterniertenlager müssen wir behandeln losgelöst von der politischen Leidenschaftlichkeit, die Herr Henning higeingetragen hat. Egentümlich ist, wie Herr Beuetmann als Vertreter einer Regierungspartei Herrn Schlesinger, einen Beamten der Regierung, angegriffen hal. 8 ist parlamentarisch ein unmöglicher Zustand. Wenn Herr Beuermann meint, daß er entfernt werden muß, so mag et sich an den Minister wenden. Die Selbstverwaltung der Lager kann nicht über die Grenzen gehen, die unsere Souveränität und unsere Interessen ziehen. Unsere Sicherbeit muß gewährleistet werden, des⸗ alb müssen die alten militärischen Verbände in den Lagern aufgelöst werden, deren Geschlossenheit eine erhebliche Gefahr ist. Minister der Auswärtigen Angelegenheiten Dr. Simons: Meine Damen und Herren! Es sind im Laufe der Debatte einige Fragen an das Auswärtige Amt gerichtet worden, und ich halte es mit der Achtung vor dem hohen Hause nicht für vereinbar, daß ich darauf schweige, obwohl ich weiß, daß Ihre Zeit beschränkt ist. Ich werde mich aber kurz fassen.

Ich kann nicht umhin, einige allgemeine Punkte voranzustellen, weil das Interesse des Auswärtigen Amts an der ganzen Dchatte viel größer ist, als seine Zuständigkeit für die Interniertenlager. Für das Auswärtige Amt kommt diese Zuständigkeit nicht weiter in Be⸗ tracht, als daß es dafür zu sorgen hat, daß bei der Behandlung der Internierten die Rechte Deutschlands gewahrt und die Pflichten Deutschlands erfüllt werden. Diese Rechte und Pflichten ergeben sich aus der deutschen Neutralitätserklärung und aus den allgemeinen Volkerrechtsgrundsätzen, die man gegenüber Internierten anzuwenden hat. Es ist in dieser Debatte wiederholt darauf hingewiesen worden, daß solche Grundsätze in genügender Klarheit und Sicherheit noch nicht bestehen. Aber soweit sie aus den früheten Vorgängen her⸗ darüber zu wachen, daß sie eingehalten werden.

Die Internierung der bolschewistischen Truppen, die über die deutsche Grenze getreten sind, wat deswegen mit ganz besonderen Schwierigkeiten verknüpft, weil die deutsche Heeresmacht in der Zeit, als das geschah, gerade in der Umformung auf Grund der Entwaff⸗ nungsverpflichtungen Deutschlands begriffen war. Wir haben uns damals und ich habe mir große Mühe gegeben, das zu begründen an die Entente gewandt, damit sie uns eine besonders ausgewählte Truppenmacht zur Verfügung stellte, die uns die schwierige Aufgabe

Reichskommissar Stücklen: Ich bin heauftragt, folgendes erklären: Der Abgeordnete Hennig 58 in der Heftagt 8- Inter⸗

der Entwaffnung der Internierten ermöglichen und erleichtern sollte.

die Sicherung und Bewachung der Lager ist, namentlich wem es sich um solche Truppenmassen handelt, wie hier in Frage standen, unzweifelhaft eine militärische Aufgabe und ist auch in den früheren Kriegen und im Weltkrieg ganz wesentlich durch militarische Kräfte durchgeführt worden. (Sehr richtig! rechts.) Leider hat die Entente diese unsere Notlage, diese unsere Ver⸗ pflichtung und die Natur der Sache nicht anerkannt, sondern uns die Zurückstellung einer entsprechenden Wehrmacht zur Erfüllung dieser Aufgaben abgeschlagen. Infolgedessen waren wir darauf angewiesen, einen Notbehelf eintreten zu lassen, wie es Ihnen der Herr Reichsfinanzminister in seiner Erwiderung auf die Begründung der Interpellation dargelegt hat.

Es ist nicht meines Amtes, ein Urteil darüber abzugeben, inwie⸗ fern dieser Notbehelf günstig oder ungünstig gewirkt hat. Das mögen diejenigen Herren tun, die sich vom Standpunkt der inneren Ressorts aus damit zu befassen haben. Aber eins möchte ich sagen. Soweit die Tatigkeit dieses Notbehelfs nach dem Auslande in Erscheinung getreten ist, soweit es sich gehandelt hat um die Durchführung des Gefangenen⸗ und Interniertenaustausches und die Wahrung der Rechte und Pflichten gegenüber dem Ausland in dieser Beziehung, kann ich denienigen Männern, die lich auf Grund des Notbehelfs mit der schweren Aufgabe haben be,⸗ fassen müssen, nur das allerbeste Zeugnis aus⸗ stellen; denn sie haben wirklich gut gewirkt, und ich bin ses zweifelhaft, ob wir, wenn es anders gemacht worden wäre, besg dastehen würden als jetzt. Trotzdem hin ich vom Standpunkt . Auswärtigen Amts nach wie vor der Meinung, daß wir so scha wie möglich die Entwicklung in einen normalen Zustand überfühm müssen; denn von unserem Standpunkt aus ist der bisherige Zustan unnormal. Es ist nicht ratsam, daß die Kontrolle über Truppen durch Nichtmilitärs ausgeübt wird Wir wissen das aus den Erfahrungen, die wir bei unseren eigenen deutschen Internierten gemacht haben, und auf die ich noch zurück⸗ kommen werde. Daher ist das Auswärtige Amt von Anfang an mit der Uebertragung der Lagerbewachung an das Reichswehr⸗ ministerium einverstanden gewesen unter der einen Voraus⸗ setzung, daß bei dieser Uebertragung die internierten Truppen nach wie vor als das behandelt werden, was sie sind, nämlich als Truppen der Sowjetregierung.

Da ergibt sich nun außer den rein technischen Schwierigkeiten eine weitere innere Schwierigkeit, und die besteht darin, deß wir zwar der Sowietregierung in strengster Neutralität gegenüberstehen, daß sich aber die Sowjetregierung in einem geistigen Kampfe mit uns befindet, der sich naturgemäß auch auf die Lager übertragen hat. Aus diesem geistigen Kampfe ist ja auch ein großer Teil der Mißstände herzuleiten, die die Interpellation zur Folge gehabt haben.

Ich möchte jetzt auf die Einzelfragen eingehen, die mit Rück⸗ sicht auf die so geschaffene Lage an das Auswärtige Amt gerichtet worden sind. Zunächst haben sowohl der Herr Begründer der Inter⸗ pellation, der Abg. Henning, wie der Herr Abg. Fleischer darauf hi⸗ gewiesen, daß vielfach Internierte, die sich in den Lagern ungrecht behandelt glaubten, sich, da sie von deutschen Behörden keine Hife erfahren hätten, sei es an neutrale Mächte, sei es an Ver⸗ treter von Ententeregierungen gewandt haͤtten. Von solchen Vorfällen, meine Damen und Herren, ist mir nichts be⸗ kannt, ich habe darüber nichts in Erfahrung bringen können, ich wäre aber dankbar, wenn Material, das darüber besteht, mir zur Kenntnis gegeben wird. Zweifellos ist ein derartiges Eintreten oder auch nur die Anregung des Eintretens von anderen Mächten auf dem Boden des Deutschen Reiches für Eimwohner solcher Internierten⸗ lager, die von deutscher Kontrolle bewacht werden, unzulässig und nicht zu billigen. Es ist unsere eigene Verpflich⸗ tung, die Interniertenlager so zu überwachen, daß die Hilferufenicht nötig sind. Ich möchte bei dieset Gelegenheit erwähnen, daß ich überhaupt dankbar wäre, wenn alles Material über die Lager, das unsere auswärtigen Beziehungen be⸗ rührt, dem Auswärtigen Amt mögäichst vollständig zur Verfügecg gestellt würde. Sie dürfen sicher sein, daß es einer sorgfälten Prüfung und einer möglichst baldigen Erledigung zugeführt wird. Es hat dann der Herr Abg. Fleischer die Frage an das Aus⸗ wärtige Amt gerichtet, wie es komme, daß diejenigen Letten und Ukrainer, die sich unter den internierten Truppen befinden, Licht der Kontrolle der lettischen und ukrainischen Gesandtschaft zu⸗ gewiesen, sondern nach wie vor unter der Kontrolle der Sowfet⸗ regieruag gelassen worden wären. Meine Damen und Herren, diese Frage, wie es sich mit den Angehörigen einer anderen Staatsgewalt innerhalb der internierten Sowjettruppen verhält, ist vom Auswär⸗ tigen Amt alsbald, nachdem solche Fälle bekannt wurden, einer sebt sorgsamen Prüfung durch die Rechtsabteilung unterzogen worden. Ich will hier dehingestellt sein lassen, seit wann und in welchem Umfange es eine anerkannte lettische und ukrainische Vertretung in Berlin gibt. Ich will nur ausfühvren, daß zweifellos derjenige An⸗ gehörige einer anderen Macht, der sich bei einer Sowjeltruppe be⸗ findet, soiange er sich bei ihr befindet als An⸗ gehöriger der Sowjetregierung zu betrachten ist. Das ist völkerrechtlich unzweifelhaft. Ist die Zuweisung dieser Leute an die Somjettruppen ein Akt, der völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen ist, so muß es der Regierung, dem der be⸗ treffende Soldat angehört, überlassen bleiben, mit det Regierung, der die Truppe angehört, sich darüber auseinanderzusetzen, nicht aber ist es Aufgabe derjenigen Regierung, die die Truppe interniert, ihrer⸗ seits ein Urteil in diesem Punkte zu fällen. Wir haben also Sol⸗ daten, die als Mitglieder der Sowjettruppen über die deutsche Gtenze gehen, als Mitglieder ihrer Truppe zu entwaffnen, zu inter⸗ nieren und ohne Rücksicht auf ihre eigene Staatsangehörigkeit zur Verfügung der Regierung zu halten, der das Heer angehört.

Der Herr Abg. Beuermann hat die Frage aufgeworfen, weshalb das Auswärtige Amt aicht dafüt sorge, daß die Internierten ebenso wie die Kriegsgefangenen rascher zurück und aus Deutschland hinaus befördert würden. Ja, meine Damen und Herren, nichts wollten wir lieber, als daß das rascher geschehe, zund wenn es nicht rascher ge⸗ schieht, liegt nicht mangelnder guter Hin. und mangelnder Eifer bei den deutschen Behörden vor, sondern die unendlichen Schwierigkeiten des Transports, die teilweise davon herrühren, daß uns der Landweg immer noch in hohem Maße versperrt ist, und teilweise daher, daß uns der Seeverkehr wegen der Knapp⸗ heit des Schiffsraums noch keineswegs so zur Verfügung steht, wie wir es wünschen. Müssen wir uns doch betreffs des Schiffsraums immer erst die Zustimmung der Entente verschaffen. Ich kann

Denn, meine Damen und Herren, die Entwaffnung der Internierten 5

nur wiederholen, daß gerade die Art und Weise, wie uns dieser

Hzu zweifeln. Aber etwas ganz anderes ist es, ob man innerhalb dieser

1ö“ ier

Schiffstnum verschafft wu ist, die sich bisher mit der Sache befaßt haben. Der Herr Abg. Rosenfeld hat an das Auswärtige Amt die Frage gerichtet, wie es das Auswärtige Amt mit seinen früheren Erklärungen vereinbaren könne, daß der Wrangelvertretung das Recht gegeben werde, Pässe für die Russen auszustellen. Meine Damen und Herren, eine Wrangelvertretung hat es meines Wissens hier nie gegeben;; ich lenne sie nicht. Vor allen Dingen hat das Auswärtige Amt ihr niemals das Recht zerkannt, Pässe auszustellen. Wenn hier in Deutschland russische Personalausweise ausgestellt werden von Stellen, die von der Sowjetregierung nicht anerkannt sind, so geschieht das aus einem rein praktischen Grunde. Wir können uns der Tatsache nicht ver⸗ schließen, daß es doch in Deutschland eine ganze Menge von Emi⸗ granten aus Rußland gibt, die in keiner Weise von der gegen⸗ wärtigen Vertretung Rußlands in Berlin einen Paß ausgestellt be⸗ kommen. Wir müssen aber dafür sorgen, daß in der ordentlichen Ausführung ihrer rechtmäßigen Geschäfte diese Leute Personal⸗ ausweise bekommen. Zu diesem Zwecke ist tatsächlich hier eine Einrichtung getroffen, durch die auch die Emigranten Ausweise erhalten können. Von dieser notwendigen Ein⸗ richtung können wir so lange nicht abgehen, als die Verhältnisse in Rußland nicht eine größere Klärung erfahren.

Ferner hat der Herr Abg. Rosenfeld darauf hingewiesen, daß unter Zustimmung der deutschen Regierung in Deutschland ein oder mnehrere Werbebureaus für gegenrevolutionäre Truppen errichtet worden sein sollen. Ich kann nur erklären: schald das Auswärtige Amt erfährt, daß Werbebureaus auf deutschem beven eingerichtet werden in irgendeiner Form, die geeignet ist, in e kriegerischen Verhältnisse im Osten einzugreifen, geschieht alles, un dies sofort zu unterdrücken. Ich habe, soweit mir zerartiges irgendwie zu Ohren gekommen ist, stets zugefaßt, denn es widerspricht den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auf Grund seiner Neutralität.

Ferner hat der Herr Abg. Haas zum Teil hat es auch schon der Herr Abg. Rosenfeld getan die Frage angeschnitten über das Recht und die Gerichtsbarkeit, die gegen die Internierten hier in Deutschland anzuwenden ist. Das ist auch eine völkerrechtliche Frage, für deren Erledigung das Auswärtige Amt mit verantwortlich ist. Ganz zweifellos, meine Damen und Herren, gilt für die Internierten auf deutschem Boden nur deutsches Recht und deutsches Gericht; daran ist meiner Ansicht nach gar nicht

Lager neben der deutschen Gerichtsbarkeit und dem deutschen Recht auch eine Lagerordnung einführt und Disziplinarbefugnisse einräumt, die unter Umständen nicht von deutscher Seite ausgeübt werden, sondern von Lagerordnern, die sich die Russen selbst geben oder die den Russen mit Zustimmung der Lagerkommandanten gegeben werden. In dieser Hinsicht bin ich etwas anderer Meinung wie der Herr Abg. Haas, dessen Ausführungen ich sonst vollständig unterschreiben kann. Die Disziplin im Lager der Internierten kann meiner Ansicht nach nicht ausschließlich von deutschen Kräften aufrechterhalten werden. Wir haben einen Vorgang in unserer eigenen Geschichte. Meine Damen und Herren, während des Weltkrieges sind wiederholt Besatzungen den scher Kriegsschiffe auf neutralem Bodea interniert worden, und die deutsche Regierung hat immer wieder diejenigen Regierungen, bei demm sie interniert waren, darum angegangen, daß' sie einen Fort⸗ biand der unteren Verbände und eine Disziplinarbefugnis der oprünglichen militärischen Vorgesetzten in diesen unteren Verbänden glassen sollten. Bedenken Sie doch, daß in den kleinen tägtichen Unordnungen, die da vorkommen können, ein Fremder, der die Art, die Sprache, die Gewohnheiten und das Reglement der Truppe nicht kennt, unmöglich so rasch und wirksam eingreifen kann wie die⸗ jenigen unteren Vorgesetzten, an die die Leute gewöhnt sind. Nach der Richtung möchte ich also annehmen, daß es beim alten wird bleiben müssen.

Der Herr Abgeordnete Haas hat weiter darauf hingewiesen, daß es nicht richtig erscheint, aus Anlaß dieser Interpellation mit so scharfen Worten über den Vertretert der russischen Sowjetregierung herzuziehen, der in Deutschland zur Be⸗ handkung der Kriegsgefangenenftage ausdrücklich zugelassen und auch als solcher anerkannt ist. Auch in der Beziehung kann ich nur unter⸗ schreiben, was der Herr Abgeordnete Haas gesagt hat. Zeigen Sie doch dem Auswärtigen Amt die Beweise für die Tatsachen, die Sie hier immer als ganz selbstverständlich behaupten, wie sie auch in einem Teile der deutschen Presse immer als Selbst⸗ verständlichkert behauptet worden sind. Ich habe ein einziges Mal eine positive Tatsache zugetragen bekommen über eine angeblich agitatorische Versammlung des Herrn Vigdor Kopp. Der Sache ist nachgegangen worden. Es hat sich gezeigt, daß die ganze Geschichte er⸗ funden war. Also geht das nicht. Wenn man vorgehen soll, muß man ganz positive und ins einzelne gehende Beweise haben. Sonst ist ein Vorgehen deswegen so gefährlich, weil, wie der Hert Abgeordnete Haas ganz mit Recht sagt, das zurückfällt auf die Behandlung, die unser entsprechender Vertreter in Moskau, Herr Hilger, zu er⸗ warten hat.

Zum Schluß, meine Damen und Herren, hat mich der Herr Ab⸗ geordnete Rosenfeld darüber interpelliert, was ich über die Folgen der Interpellation denke. Nun, in mancher Beziehung köͤnnen oie Folgen ungünstige sein, wenn nämlich aus dieser Interpellation, weil sie gerade von seiten der Deutschnationalen Volkspartei aus⸗ gegangen ist, gefolgert werden sollte, daß die Maßnahmen, die oie Regierung getroffen hat, nämlich die Ueberleitung vom Reichs⸗ finanzministerium zum Reichswehrministerium, nichts weiter wäre als eine Anerhonnung alles dessen, was von deutschnationaler Seite zut Begründung der Interpellation angeführt worden ist. Das ist aber keineswegs der Fall. Die Beschlußnahme des Kabinetts und der Reichsregierung datiert von einem früheren Zeit⸗ punkt; es ist schon geraume Zeit her, daß sie sich zu einer genauen Untersuchung der Lagerangelegenheit entschlossen hat, und ich betons, es ist absolut nicht die Absicht bei dieser Ueberleitung, etwas daran zu ändern, daß die internierten Truppen, die als Bestandteile der Sowjetarmee herüberkamen, nach wie vor als Bestandteile der Sowjet⸗ armee zu behandeln sind. Von einer Gegenagitation von deutscher Seite gegen ihren Bolschewismus kann keine Rede sein, während wir

andererseits diese ganze Umänderung gerade deswegen eintreten lassen, damit von einer Agitation in bolschewistischem Sinne in die Lager

meine Damen und Heren, die Folgen der Agitation wür⸗ den außerordentlich schwer das Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland belasten, das für die Zukunft günstig zu bewahren eine unbedingte Aufgabe der deutschen Regierung ist.

Ich würde auf diese Frage noch weiter eingehen, meine Damen und Herren, wenn ich nicht annähme, daß das große russische Prablem erst angeschnitten und behandelt werden soll bei der Beantwortung der Interpellation Aderhold und Genossen über den deutsch⸗russis hen Handelsverkehr. Deswegen beschränke ich mich heute auf die Ant⸗ worten, die ich eben gegeben habe.

Staatssekretär Frt e sins ki berichtigt zunächst einige Datums⸗

angaben aus seinen früheren Mitteilungen über die von der Regierung erlassenen Verordnungen. Zum Zustandekommen beider Verordnungen sind recht eingehende Verhandlungen nötig ge⸗ wesen, auch mit dem Auswärtigen Amt. Kommandant des Lagers von Salzwedel ist nicht entlassen worden, weil er ich direkt mit dem Abg. Henning in Verbindung gesetzt hat, senderk weil er es ablehnte, den Weisungen der Neicheregierung in ezug auf die Eingruppierung der Angestellten und des Bewachungs⸗ personals nach den Grundsätzen des abgeschlossenen Tarifvertraces nachzukommen. Bei der Rückbefördezung des Generals Geyer ist nz verfahren. Das Revolutionstribunal ist ereits aufgelost und angeblich eine Untersuchungskommission an die Stelle getreten. Ueber das letztere ist aber noch keine genaue Nachricht da. Es ist behauptet, daß eine Anzahl Bittgesuche von Offizieren und Mannschaften an das Heeresabwicklungsamt gekommen sei, daß sie in besonderen Lagern Untergebracht werden wollten. Diese Gesuche sollen zur Kenntnis des Herrn Wigdor Kopp gekommen sein. Vielleicht liegt da eine Personenverwechselung vor mit dem Herrn Viktor Kopp im Heeresabwicklungsamt. (Abg. Henning: Nein.) Die Versetzung von vier Offizieren aus Hame nach Salzwedel erfolgte im Einvernehmen mit dem Lagerdirektor, sie wurde erwogen auf Grund eines von den Offizieren eingegangenen Gesuches. Durch Zeugen ist bewiesen, daß Eyduk in seinen Reden in keiner Weise zur Verbindung mit den deutschen Kommunisten und zur Weltrevolution aufgefordert hat. (Abg. Henning: Exnduk hat persönlich große Versammlungen abgehalten.) Die Angriffe auf Schlesinger sind vollständig unzutreffend. Nach Berlin sind allerdings zwei Offiziere aus Hameln beurlaubt worden, und sie seien hieg im Reichstag gesehen worden, aber sie haben sich vorschriftswrig noch nicht gemeldet. Herrn Schlesinger werden Vorwürfs gemacht für Dinge, die gar nicht zu seiner Zu⸗ ftändickeit gehören. Die eigenen Verbände der Roten Armee be⸗ tehen in dem Interniertenlager nicht mehr, sie sind schon beim Ab⸗ transport zerschlagen worden, nur die Reste der Verbände sind noch vorhanden, und darin liegt keine grohe Gefahr. Die Verbindung der Russen mit den deutschen Kommunisten wird nicht auf die leichte Schulter genommen, und es wird dieser Verbindung vorgebeugt. Die BI11“ liegt in den V8n der Lagerkommandanten, und es besteht kein Hendernis, daß sie ausgeübt wird. Abg. Koenen (Komm.): Billigen die Rechtssoztalisten die Haltung des Finanzministers gegen ihren eigenen Staats⸗ sekretär Grzesinski? Die Reichsweht hat die russischen Ver⸗ bände bei ihrem Abtranspert bereits zerschlagen und dadurch eine Desorganisation hervorgerufen. Die Reichswehr hat auch zuerst den Unterschied zwischen der Roten und Weißen Armee gemacht und den Ententeverttetern Zutritt zu dem Lager in Arys gestattet; sie ist auch schuld daran, daß schon auf dem Seetransport wischen Pillau und Swinemünde Mißhandlnungen vorgekommen find. Herr Severing habe für die Ausweisung des Deutsch⸗Oester⸗ reichers Dr. Stern gesorgt, das sei auch ein Erfolg der Spitzel⸗ wirtschaft. Aber die Gegenaktion K. sofort durch den Generalstreik in Halle unternommen worden. n dieser Weise grabe sich die Reaktion selbst ihr Grab. (Beifall bei den Kommunisten.)

Die Rechtsunabhängigen Sozialisten be⸗ antragen folgendes Mißtrauensvotum:

In Erwägung der Ausführungen des Rieeichsfinanz⸗ ministers gegen den Staatssekretär tzesinski, in Erwägung, daß die Regierung es unterlassen hat, die Rechte der Internierten gegen die weißgardistische Propaganda zu schützen, in Erwägung der geplanten Unterstellung der Internierten unter das Reichswehr⸗ ministerium erklärt der Reichstag: Die Behandlung der Inter⸗ pellation durch die Regierung entspricht den Anschauungen des Reichs⸗ tags nicht.

Vizepräsident Dr. Bell hält diesen Antrag geschäftsordnungs⸗ mäßig nicht für zulässig, da er eine spezielle Motivierung enthalte.

Die Abgg. Dr. Levi (Komm.), Dr. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.), Ledebour (II. Sop. und Hoch (Soz.) hakten den An⸗ trag für zulässig, während Abg. Waldstein (Dem.) sich dem Prä⸗ sidenten anschließt. 1 8

Abg. Philipp (D. Nat.): Die Linke hat die Rechte heftig per⸗ ar. angegriffen, um das eigene Gewissen zum Schweigen zu ringen. Wir sind von den Erklärungen der Regierung nicht be⸗ friedigt. Der Finanzminister hat nur eine ausweichende Antwort gegeben, wir billigen ihm allerdings wegen der Ressortschwierigkeiten mildernde Umstände zu. Die „Deutsche Tageszeitung“ hat nicht die Worte von der kläglichen Haltung der Regierung geschrieben, wie Abgeordneter Rosenfeld hehauptet hat. In der Aufrechterhaltung der Disziplin in den Interniertenlagern ist die Regierung nicht auf dem Posten gewesen. Das Bestehen der Revolutionstribunale ist Beweis genug für die mangelnde Wachsamkeit der deutschen Regierung. Das Auftreten des Staatssekretärs Grzesinski war provokatorisch. Par⸗ lamentarisch war es auch nicht, daß der Finanzminister die Inter⸗ pellation einer großen Partei als Lavppalie bezeichnet hat, Der Finanz⸗ minister hat nicht ausreichende Informationen gehabt. Für das Mißtrauensvotum können wir wegen der Begründung nicht stimmen, denn sie verwirft gerade das, was⸗uns an der Haltung der Regierung noch am besten gefallen hat. Unsere Angriffe richteten sich nicht gegen den Minister, sondern genen den Staatssekretär. Der Staatssekretär meinte, wir hätten unser Material vorher der Reogierung geben sollen, aber dann wäre ja unsere Interpellation überflüssig gewesen. (Aha! sinks.) Redner widerspricht den eimelnen Ausführungen des Staats⸗ sekretärs und des Abgeordneten Stücklen: die Anoelegenheit des Majors Steiger bedürfe noch der Aufklärung. Die kommunistische Agitation in Deutsckland sei eine areße Gefahr, die Kommunisten säben schon die neue Morgentöte heraufkommen. Es sei kein Wunder, wenn die Entente mit uns machen zu können glaube, was siz wolle, wenn sie sebe, wie wit uns schon Sowietrußland füaten. Die vo⸗ litische Gesundung unseres Volkes könne nicht aus der Aufvfrovfung des bolschewistischen Reiches, sondern nur von innen beraus kommen. Deshalb müßten wir den bolschewistischen Bazillus vernichten, er entspreche nicht dem deutschen Charakter, (Widersvruch links.) Die Revolution sei noch nicht zu Ende, die Deutschnationalen hätten als konservative Vortei die Aufgabe, die Evtwicklung in gesunde Bahnen zu lenken. (Beifoll rechts Lachen links.) ües

Präsident Löbe tuft den Abeeordneten Dr. Philivp zur Ordnunag, 5 Ausdruck gebracht habe, der Staatssekretär habe

bier „hingepflegelt“. 1 3 sic Reschsfinanzminister Dr. Wirth erwidert, doß er nicht die Intervellation, sondern nur eine Einzelbeit in der Begründuna als Lapvalie bezeichnet bobe. Gegenüber der Polemik in der Rechts⸗ presse stellt der Minister fest, daß Herr Schlesinger mit der kom⸗ munistisceen Partei nichts tun habe und der Staatssekretär Greesinski kein Inde sei. Er boabe inmwischen aus dem Stenoaramm erseken, doß der Stootskekretär Greesinski nicht die Deutsche Volks⸗ vorte; alfo keine Rezierunosvartei, sondern die Deutschnationalen an⸗ geariffen bobe. Er habe also keinen Anlaß, seinen vorgestrigen for⸗ malen Narbehalt bei der Rede des Staatssekretärs materiell aufrecht zu erbolten. z 8

Mit einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Henning und Dr. Lovi und des Reichsfinanzministers Dr. Wirth schliest die Besprechung. 1 .

Das Haus erklärt in diesem einen Fasse ein motiviertes

binein und aus den Lagern heraus auch keine Rede mehr sein darf. Das kann unter keinen Umständen mehr zugelassen werden; denn,

Mißtrauensvotum für zulässig, behält jedoch die grundsätzliche

1“ Prüfung der

öa““ Frage, ob bei einem Mißtrauensvot m eine Motivierung zulässig sei, dem Geschäftsordnungsausschuß vor.

Das Mißtrauensvotum wird darauf ahn die Stimmen der Unabhängigen Sozialisten und Kommunisten mit großer Mehrheit abgelehnt. b8 Nunmehr begründet Abg. Neyses (Zentr.) die Inter⸗ pellation der Abgg. Trkam bory (Zentr.) und Gen., die sich auf Pressenachrichten über abfälli 1r.;nn des Direktors der Reichsgetreidestelle von Falken⸗ hayn über die Rheinländer bezieht. Er soll da⸗ nach in einer amtlichen Besprechung am 29. Oktober im Ober⸗ präsidium zu Coblenz von „hochverräͤterischen Besprechungen esprochen haben, indem er auf die rheinischen Vertreter Fündeuteie, und schon im Mai soll von Falkenhayn den rheinischen Revisoren gegenüber geäußert haben: „Die Rheinländer sind alle Franzosen, aus diesem Grunde müssen die Revisionen um so schärfer einsetzen, damit diese Franzosenbrut mürbe gemacht wird. Redner erklärt demgegenüber: „Wir sind keine Verräter, wir Rheinländer sind gute Deutsche. (Beifall im Zentrum.)

Zur Beantwortung der Interpellation führt der Reichsminister

ür Ernährung und Landwirtschaft Dr. Hermes aus: Von der öa Sitzung und ihrem Verlauf habe er erst durch die Presse erfahren. Herr von Falkenhayn habe bestimmt bestritten, solche Aeußerungen gemacht zu haben. Bei der Vernehmung von 15 Teil⸗ nehmern an der Sitzung sei keine restlose Klärung des Sachverhalts erzielt, die 5 ständen auch, soweit sie nicht günstig waren, für von Falkenhayn, nicht nur in Nebendingen, sondern gerade in der Haupisache miteinander in Widerspruch. An der Revisoren⸗ versammlung 22 laut Aussage der Beamten der Reichsgetrerde⸗ stelle von Falkenhayn gar nicht teilgenommen haben. Ter Mimister geht einzelne Aussagen durch und bemerkt: Die Vertreter der Bauern wollten tatsächlich etwas von „Hochverrat“ gehort haben, die Ver⸗ treter der Bäcker und Müller faßten es nicht so auf. Als widerlegt kann die Behauptung gelten, daß von Falkenhayn von ranzosen und Franzosenbrut“ gesprochen und den Vertretern insge amt den Vorwurf hochverräterischer Bestrebungen gemacht hat. Das Wort selbst aber hat er gebraucht und damit Anlaß zur Beunruhigung in anz Rheinland gegeben. von Falkenhayn ist kein Beamter des eichs, sondern auf Privatdienstvertrag angestellt. Ich habe seinen Aufsichtsrat beauftragt, ihn aufs ernstlichste zu derwarnen und ihn künftig im Rheinland nicht mehr zu verwenden. 8 Auf Antrag Trimborn (GSentr.) findet Besprechung der Interpellation statt. Abg. Sollmann (Soz.): Warum hat der Minister nicht ein Wort der Mißbilligung für die theinischen Landwirte und Müller gefunden, die sich über die Reichsgetreideordnung hinweggesetzt haben? Das war doch erst die Veranlassung für die ungeschickten Worte Falkenhayns.

Abg. Oertel (D. V.) verwahrt die Rheinländer Verdacht hochverräterischer Handlungen. Die Sühne nicht ausreichend. 1

Abg. Neuhaus⸗Düsseldorf (D. Nat.): Wir bedauern das offen⸗ bar scharfe Auftreten Falkenhayns. Wir wollen Preußen bleiben.

Abg. Frau Agnes (U. Soz.) führt aus, nur die Sozialisierung der Landwirtschaft könne Abhilfe schaffen. Leider habe man die Kontrolleure nicht aus Arbeiterkreisen genommen. Die Behörden sollten nicht vor sabotierenden Bauern und Müllern zurückschrecken.

Abg. Deermann (Barer. V.) weist die gegen die Bauern er⸗ hobenen Vorwürfe zurück. Man sollte doch nicht in dieser Zeit der Rot Mißtrauen säen und damit dem Ausland ein böses Bild zeigen.

Abg. Külz (Dem.): Die Errgeung der Rheinländer sei begreif⸗ lich, aber durch die Erklärungen des Ministers sei die Sache erledigt. Redner nimmt die Müller gegen die von der Linken erhobenen Vor⸗ würfe in Schutz. . 8 b

Abg. Lauscher (Zentr.) weist darauf hin, daß sich im Rhein⸗ land die Ablieferungsverhältnisse gebessert hätten, seit man das „Trierer System“ allgemein eingeführt habe, Persönlichketten wie v. Falkenhayn sollte man vom Rheinlande sernhalten.

Damit ist die Interpellation erledigt.

Nach elfstündiger Sitzung wird nunmehr Vertagung beschlossen. 8

Nächste Sitzung Sonnabend 9 Uhr (Gesetzentwurf über Verordnungsrecht der Regierung, Antrag zum Neichs⸗ notopfer, Antrag über Aufhebung des bayerischen Ausnahme⸗ zustandes usw.). EE1“

Schluß nach 10 Uhr.

hegen jeden scheint uns

Preußische Landesversammlung. 200. Sitzung vom 17. Dezember 1920, Nachmittags 1 Uh·r. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt Abge⸗ ordneter Kilian (Neukommunist), einen Protestantrag gegen die Ausweisung des Redakteurs Dr. Vittor Stern auf die Tagesordnung zu setzen.

Abg. Rippel (D. Nat.): Ich widerspreche dem Antrag Kilian.

Prasident Leinert: Nach der Geschäftsordnung genügt der Widerspruch eines einzigen Abgeordneten, um den Antrag abzulehnen.

Abg. Dr. Cohn d Soz.): Der Präsident hatte fehlerhafter⸗ weise schon mit der Abstimmung begonnen. Der Widerspruch des Abg. Rippel kam also zu spät. Wenn der Präasident jetzt diesem . pruch sich fügt, so wird wieder einmal der Wille des Hauses gefälscht.

Präsident Leinert: Ich muß diese Bemerkung zurückweisen. Der Prasident kann sich natürlich auch einmal irren, und ich habe meinen Irrtum sofort korrigiert. Die Angelegenheit ist erledigt.

Es folgen kleine Anfragen.

Auf eine vom Jum d. J. datierte Zentrumsanfrage nach dem Erlaß der Prüfungsordnung für Staatswissen⸗ 8.289. wird geantwortst, daß die Regierung einen Termin für as Erscheinen dieser Prüfungsordnung noch nicht angeben könne.

Dem Abg. Lukassowitz (D. Nat.) wird auf seine Anfrage erwidert, daß Vorschußzahlungen auf die neuen Bezüge der Ruhestandsbeamten nicht mehr in Frage kommen.

Auf Anfragen der Abgg. Dr. Struve (D. Dem.) und Iversen antwortet der Staatssekretär Göhre: Anregungen einer Angliederung von Teilen der Provinz Schleswig⸗Holstein an Hamburg zum Zwecke der Bildung eines großhamburgischen Staates sind wohl früher von hamburgischer Seite der preusa en Staatsregierung geäußert, in neuester Zeit jedoch amtlich nicht wiederholt worden. Sollte es erneut zu Verhandlungen hierüber kommen, wozu von preußischer Seite keinesfalls die Initiative verisßhn werden wird, so wird die Staatsregierung sich den Schutz der Provinz Schleswig⸗

olstein, die schon durch den Versailler Vertrag eine so schmerzliche

eerkkleinerung erfahren hat, in besonderem Maße angelegen sein lassen und die berechtigten Ien. der Provinzen zu wahren wissen, Die Staatsregierung ist sich der 2 Be⸗ deutung, die die Erhaltung der wirtschaftlichen Kraft des Hamburger Hafens für das ganze Reich hat, voll bewußt, sie ist aber der Ansicht, daß es zur Erreichung dieses Zweckes nicht nötig ist, der Provinz Schleswig⸗Holstein und den beteiligten preußischen Staatsbürgern wider ihren Willen Opfer zuzumuten.

Hierauf wendet sich das Haus zur zweiten und dritten Berakung des Entwurfs eines Beamtendienst⸗ einkommengesetzes.

*) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im

Wortlaute wiedergegeben werden.