1920 / 289 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

zur Voraussetzung habe. Er sei der guten Zubversicht, daß Deutsch⸗ land schon auf dem rechten Wege sei in bezug auf die innere Ordnung und die Arbeitsfreudigkeit. Die Hauptschwierigkeit aber bestehe darin, daß Deutschland trotz allen guten Willens nicht genügend Geld habe, um die notwendigsten Nahrungsmittel einzuführen, und der Wert der deutschen Währung im Auslande habe so abgenommen, daß er in keiner

Weise mehr mit der Kaufkraft des Geldes in Deutschland übereinstimme. Staatssekretär Bergmann gab dann die Versicherung ab, daß Deutschland die Entschädigung in Geld beginnen würde, sobald es wieder Gleich⸗ gewicht in sein Budget gebracht und eine vernünftige Verbesserung und Stabilisierung des deutschen Geldwertes erreicht habe, aber er erklärte, es würde nicht ehrlich und offen gesprochen sein, wenn er nicht auch auf die Hindernisse hinweisen würde, die sich ihm entgegenstellen. Zunächst die Frage der Besatzungskosten. Viereinhalb Milliarden seien bereits dafür bezahlt, und man glaubt, daß im laufenden Geschäftsfahr die gesamten Kosten sich his auf 15 Milliarden Mark belaufen würden. Diese Be⸗ träge umfaßten allein die Papiermark, die für die Besatzungs⸗ armee bereitgestellt wäre, und den Wert der für sie gelieferten Sachleistungen. Er fürchte, daß der Gesamtbetrag dieser Kosten den größten Teil der Summe aufzehren würde, die Deutschland zahlen könne. Er müsse sogar befürchten, daß diese Kosten an sich schon jede mögliche Jahreszahlung übersteigen. Seiner Meinung nach sei es durchaus notwendig, den Betrag der Besatzungskosten soweit zu er⸗ mäßigen, daß er nicht die Entschädigungsleistung unmöglich mache, weil nach seiner Ansicht ein allgemeines und gemeinsames Interesse nicht nur für Deutschland, sondern auch für alle alliierten Länder, welche Entschädigungsansprüche hätten, vorliege. Die Frage könne vielleicht hier nicht geprüft werden, sondern durch eine besondere Kommission. Er erkenne an, daß sie große politische Bedeutung habe und offensichtlich sehr delikater Natur sei.

Als zweiten Punkt führte Bergmann die oberschlesische

Frage an. Mit dem Verlust von Oberschlesien würde Deutsch⸗ land nicht nur Kohlen, sondern auch bedeutende Industrien einbüßen. Und in finanzieller Beziehung wären die von Oberschlesien ein⸗ gehenden Steuern wesentlich für die Balancierung des Budgets. Er wandte sich zu der Frage des Privateigentums in den alliierten Ländern und meinte, daß in dieser Beziehung der Vertrag von Ver⸗ sailles sehr ungünstig für Deutschland sei. Wenn Deutschland alle seine Interessen im Auslande verlieren würde, so würde es außer⸗ ordentlich schwer sein, das Gleichgewicht im deutschen Handel wieder⸗ herustellen. Dieser Punkt sei nach seiner Meinung von entscheidender Bedeutung. Die nächste Frage sei das Erfordernis der wirtschaft⸗ lichen Gleichberechtigung. Die deutschen wirtschaftlichen Sachver⸗ ständigen würden diese Frage näher erläutern. Schließlich kam Berg⸗ mann noch auf die Frage der Handelsverträge zu sprechen.

Nach dem amtlichen Bericht über die vorgestrige Sitzung der Konferenz hörte sie die Darlegungen an, die namens der deutschen Delegation gemacht wurden

1. von Direktor Le Suire über die Folgen der Anwen⸗ dung der wirtschaftlichen Klauseln des Vertrags auf den Wiederaufbau Deutschlands,

M2. Darlegungen von Dr. Melchior über das deutsche Eigentum im Auslande und über die Anwendung des § 18 des Annexes 2 des Teils 3 des Friedensvertrags,

3. Darlegungen des Generaldirektors Cuno über die Folgen Verlustes der Handelsmarine für Deutschland,

4. Erklärungen des Bankdirektors von Stauß über die Rückwirkung der Anwendung der Verpflichtungen des Ver⸗ sailler Vertrags über die Ausgleichsämter auf den deutschen Wechselkurs. 3

Nachdem die deutsche Delegation sich zurückgezogen hatte, beauftragten die Vertreter der Alliierten bestimmte Persönlich⸗ keiten aus ihrer Mitte damit, von den Vertretern Deutschlands nähere Einzelheiten über einige der Punkte zu beschaffen, die im Verlaufe der Sitzung zur Sttache gekommen sind. Die konserenz vertagte sich sodann auf Montagnachmi

Schweiz.

In der vorgestrigen Vormittagssitzung der Völkerbunds⸗ versammlung, der auch die Delegierten der neu aufge⸗ nommenen Staaten beiwohnten, erstattete Nansen (Norwegen) Bericht über die von der Unterkommission in der Mandats⸗ frage gefaßten Beschlüsse. Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ ist aus ihnen im wesentlichen hervorzuheben, daß die Kommission auf die Frage der Zuständigkeit nicht ein⸗ gegangen ist. Im Interesse einer roschen Erledigung schlägt die Kommission vor, auf diese Frage nicht einzugehen, sie bedauert aber, daß der Nat in den verschiedenen, die Mandate berührenden Fragen sich nicht an die Versammlung gewandt hat, obwohl diese in Genf anwesend gewesen ist. Ebenso bemängelt die Kommission, daß kein Mitglied der Mandatskommission beim Völkerbund von der Versammlung ernannt worden ist. Zum Gegenstand selbst wünscht die Kommission, daß z. B. die Mandate nicht eine Stärkung der militärischen Kräfte ermög⸗ lichen, ferner daß kein Mandatar seine Kraft für sich und seine Freunde ausnütze, daß weiter keine Ausbeutung der Boden⸗ schätze zum Vorteil des Mandatars und zum Nachteil des Mandatsstaates vorgenommen werden dürfe, usw.

Lord Robert Cecil referierte über alle diese Fragen in sehr ein⸗ ehender Weise und betonte die Notwendigkeit, daß jetzt etwas Pofitipes geschaffen werden müsse, nachdem der organische Aufbau er⸗ folgt sei. In der Aussprache warnte Balfour davor, die Frage der Zuständigkeit aufzuwerfen, da solche Kompetenzstreitigkeiten auf die Dauer die Zukunft des Bundes gefährden könnten. Er als Vertreter seiner Regierung im Völkerbundsrat müsse erklären, daß er die Kom⸗ missionsvorschläge als Empfehlungen nur unter Vorbehalt annehmen könne. Die Aufnahme einer Frau in die Mandatskommission könne vielleicht erwogen werden, aber ebensowenig wie der Rat sich die Auf⸗ nahme eines Arbeiters aufzwingen lassen werde, würde er sich die Auf⸗ nahme einer Frau vorschreiben lassen. Man solle nicht vergessen, daß mit der Uebernahme des Mandats große Opfer verbunden seien und daß die Handlungsfreiheit nicht beeinträchtigt werden dürfe. Lord Ceecil erwiderte, daß es sich bei den Kommissionsvorschlägen nur um An⸗ regungen für den Völkerbundsrat gehandelt habe, worauf Bourgeois⸗ Frankreich, der die Ausführungen Balfours unterstützte, auf die Notwendigkeit hinwies, daß ein einstimmiges Votum erforderlich sei; hoffentlich werde dieses trotz der Meinungsverschiedenheiten zustande⸗ kommen. Es sei doch nicht zu leugnen, daß der Geist der Ver⸗ ständigung vorherrschend sei. Ein Konstikt zwischen dem Rat und der Versammlung dürfe nicht konstruiert werden. Nachdem der australische Delegierte Millen erklärt hatte, er werde gegen die Kommissionsvorschläge stimmen, da sich die Gesamtkommission nicht eingehend mit den Vorschlägen der Unterkommission habe befassen können, wurden die Kommissionsanträge im Sinne einer Erwägung und Prüfung durch den Rat ohne Widerspruch angenowmen. .

Die Versammlung behandelte sodann noch einmal die a rmenische Frage im Zusammenhang mit dem Bericht von Jonescu (Numänien), betreffend Entsendung eines inter⸗ nationalen Expeditionskorps nach Armenien. Das Haus be⸗ schloß, daß der Antrag dem Völkerbundsrat zur weiteren Be⸗ handlung überwiesen werden soll.

Die letzte Sitzung der Völkerbundsversammlung am Nach⸗ mittag beschäftigte sich mit dem Bericht der von der Ver⸗ sammlung eingesetzten v sion über die Maßnahmen zur Bekämpfung des Typhus und beschloß, unverzüglich einen Appell an sämtliche Länder für die finanzielle Unterstützung des Kampfes gegen den Typhus in Osteuropa zu erlassen. Lafontaine⸗Belgien berichtete über die von dem Haager

des

ttag.

Komitee ausgearbeiteten Wünsche, betr. die Kodi⸗ fikation des Völkerrechtes, die „nach Ansicht der Kommission entgegen dem Antrage des Haager Komitees erfolgen könnte ohne Schaffung einer besonderen neuen Organisation. Auf Antrag Lord Rohert Cecils wurden jedoch die Vorschläge der Kommission verschoben. Bezüglich des schweize⸗ rischen Antrags auf Ernennung eines Oberkommissars durch den Völkerbundsrat für die Unterstützung der Kinder⸗ hilfsaktion in den verarmten Ländern empfahl die Kommission, den Rat einzuladen, für eine schnelle Aktion energisch einzutreten, verzichtete aber im Einverständnis mit der schweizerischen Delegation, dem Nate einen besonderen Ober⸗ kommissar vorzuschlagen. In diesem Sinne beschloß die Versamm⸗ lung. Zum Schluß wurden noch der Bericht und die Anträge der Kommission, betreffend die Organisation der geistigen Arbeit, an⸗ genommen, worüber berichtet worden war. Damit war die Tages⸗ ordnung erledigt. Der Präsident Hymans teilte mit, daß der Rat beschlossen habe, alle Völkerbundsmitglieder aufzufordern, zu Händen der besonderen vom Völkerbundsrat einzusetzenden Kommission bis zum 31. März 1921 ihre Abänderungsanträge einzureichen. Hierauf dankte er der Schweiz und der Stadt Genf für ihre Gastlichkeit sowie allen Beamten des Völker⸗ bundes für ihre Dienste und rühmte den Grundsatz der Gleich⸗ heit zwischen allen Staaten. Der Präsident Motta gedachte der Zukunftsaufgaben des Völkerbundes und schloß mit einem Hinweis auf das kommende Weihnachtsfest, dessen Verheißung sich erfüllen möge: Friede auf Erden und allen Menschen ein Wohlgefallen.

„— Der Völkerbundsrat veröffentlicht folgende Mit⸗ teilung: Der Rat besprach die polnisch⸗litauische Frage und beschloß, die Durchführung der Volksbefragung im Wilnaer Gebiet und die notwendigen Ausführungsmaß⸗ nahmen zu studieren. Den Vorsitz über die Kommission, die der Rat mit der Volksabstimmung hetraut hat, führt Oberst Char⸗ digny. Ihr gehören an: Burt⸗England, Saura⸗Spanien, Naze Belgien und Brichamteau⸗Italien. Sie wird zunächst in Warschau zusammentreten. Ihre erste Aufgabe besteht darin, den Ver⸗ handlungen zwischen Polen und Litauen beizuwohnen. Diese Verhandlungen betreffen die einzelnen Modalitäten der Volks⸗ befragung und die Grenzen des Abstimmungsgebiets. Der Rat beauftragte das Sekretariat, die Frage zu prüfen, so daß er sich mit ihr in der nächsten Februarsession befassen kann.

Die chilenische Delegation hat dem Generalsekretär zu Händen des Völkerbundsrats, obiger Quelle zufolge, nach⸗ stehendes Schreiben überreicht:

„Die Regierung von Chile, in Anerkennung der hohen Ideen, die die argentinische Regierung in der Völkerbundsversammlung in Genf leiteten, wünscht bei dieser Gelegenheit ihre unerschütterliche Sympathie für die südameri kanische Schwester auszudrücken und zum Erfolg der wichtigen Grundsätze beizutragen, die die argentinische Delegation in den von ihr vorgelegten Abänderungsanträgen zum Völkerbundsvertrag vorschlägt. 8 . 18.

Tschecho⸗Slowakei.

geordnetenhause sollte im Laufe der Sitzung m 5 über die Verstaatlichung der Privatbahnen auf die Tagesordnung gelangen. Da die Deutschen verlangten, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werde, wurde die Sitzung unterbrochen, und es fanden Beratungen statt. Als nach Wiederaufnahme der Sitzung der Antrag Dr. Lodgemann, die Verhandlung der Vorlage zu vertagen, abgelehnt wurde, begannen die Deutschen, dem „Tschecho⸗slowakischen Pressebüro“ zufolge, zu lärmen, so daß der Präsident die Sitzung unterbrach. Im weiteren Verlauf mußte

Im A

am Freitag die Vorlage

Anschluß daran

die Sitzung infolge des Verhaltens der deutschbürgerlichen Abgeordneten noch mehrmals unterbrochen werden. Auch der Berichterstatter über den Gesetzentwurf konnte nur unter an⸗ dauernden Lärmszenen sein Referat erstatten. Vor der Ab⸗ stimmung verließen die Abgeordneten der deutschbürgerlichen Parteien unter Lärm den Sitzungssaal. Auf Antrag c Präsidenten wurden die deutschen Abgeordneten Jung, Dr. Kalina, Schollich, Knirsch und Patzel für fünf bis zehn Sitzungen ausgeschlossen. Griechenland.

Der König Konstantin ist gestern vormittag in Athen eingetroffen. Er. begab sich unter unbeschreiblichem Jubel der Bevölkerung zunächst zur Kathedrale und dann in den könig⸗ lichen Palast.

Amerika.

Wie der „Chicago Tribune“ aus Washington gemeldet wird, erklärte der Marinesekretär Daniels vor dem Marine⸗ ausschuß des Repräsentantenhauses, wenn die Ver⸗ einigten Staaten nicht Mitglied des Völkerbundes werden sollten, werde der neugewählte Präsident Harding eine inter⸗ nationale Konferenz für die Entwaffnungsfrage einberufen. Bevor ein allgemeines Abkommen getroffen sei, würden die Vereinigten Staaten sich nicht dazu verstehen können, ihr Marinebauprogramm einzuschränken.

Kunst und Wissenschaft.

Am Sonnabend fand im großen Festsaal der Akademie der Wissenschaften der dritte öffentliche Vortrag in diesem Winter statt. An Stelle des erkrankten Herrn Haber, der einen Vortrag über den Stickstoff angesagt hatte, sprach Herr Penck über,„das Alter des Menschengeschlechts auf deutschem Boden“. Er führte in der Hauptsache etwa folgendes aus: In anderen Ländern läßt der geschichtliche Mensch sich mehrere Jahrtausende weiter zurückverfolgen als auf deutschem Boden. In Aegypten baute man die Pyramiden, als bei uns der Mensch auf der primitiven Stufe der Steinzeit stand. Aber auch in Aegypten, z. B. in den Grabkammern bei Theben, läßt sich ein stein⸗ zeitlicher Mensch nachweisen, wie in England, Frankreich und Italien. Als Objekte bieten sich hier der Forschung dar: von Menschenhand zu Werkzeugen bearbeitete Steine und Tierknochen, Reste einer aus⸗ gestorbenen Fauna, die mit jenen Werkzeugen in einer geologischen Schicht lagern, sowie endlich Steinzeichnungen und Reste menschlicher Skelette. „Das Vorhandensein des Menschen auf deutschem Boden ist heute durch die ganze Eiszeit hindurch, unter der man eine lange Periode von Zeiten milderen Klimas unterbrochener wiederholter Ver⸗ gletscherungen zu verstehen hat, nachgewiesen. Der Vortragende besprach nun, von der letzten Vergletscherung ausgehend und bis zur ältesten fortschreitend, die wichtigsten Funde, die von einem Vorhandensein des Menschen Kunde geben, und führte im die Funde und die Fundstellen im Lichtbild vor. Aus der letzten, also jüngsten Eiszeit stammen die in den Ablagerungen bei Schaffhausen (im Casseler Loch) aufgedeckten paläolithischen Reste die Zeugnis für eine Kultur der damaligen Bewohner ablegen die etwa auf der Stufe der heutigen Eskimokultur gestanden zu haben scheint. Aus der Zeit, die unmittelbar auf die letzte Vergletschung folgte, sind in Deutschland und Oesterreich überaus zahlreiche Gegen⸗ stände in den Lößablagerungen erbalten, in der hohen Staubschicht,

die der Wind über das überschwemmte Land vor der letzten Ver⸗

und Krems lieferten eine reiche Ausbeute an Messern, Schabern, Schmucgk⸗ gegenständen, vorgeschichtlichen Tieren, von Mammut und Rhino 8 1 Unter den Funden, die in Willendorf (bei Krems) gemacht wurden, befinde⸗ sich auch eine kleine weibliche Steinfigur, die an altassyrische Figu 8 erinnert und einen Typus darstellt, der in der überstarken Entwicke 2n der Schenkel den Hottentotten ähnelt. Auch im Rheintal Löß Reste gefunden, die eine Besiedlung durch Menschen am Aus 8 der Eiszeit beweisen. Ueberaus wichtig sind die aus der gleichen gan stammenden Funde aus der Weimarer Gegend. Die Spuren des Menschen aus der alten Eiszeit finden sich im Kalktuff, noch ältere in zwischen den Moränen der verschiedenen Vergletscherungsperiod 8 deren Alter aus dem Grad der Verwitterung bestimmt werden So fand man bei Leipzig im Flußschotter alte Steinwerkzeuge, n. von einer älteren Moränenschicht überdeckt waren. Der Mensch hatte hier also schon vor der letzten Vergletscherung gelebt. Eine weitere interessante Fundstätte bietet eine Höhle nahe dem Waldkirchli Säntis, in der zahlreiche Werkzeuge neben Resten des Höhlenbären gefunden sind. Die Menschen, die dort einst als erste nachweisbane Alpinisten hausten, waren Zeitgenossen der im Ilmtal bei Weimar Nachgewiesenen. Noch ältere Funde machte man bei Heidelberg 1 denen man das Vorhandensein der Menschen in der drittletzten Zwischeneiszeit folgern muß. Die Geschichte des Menschen in Deutschland ist also bis an den Anfang des Eiszeitalters zurückver⸗ folgbar, und da die Fundstellen genau horizontiert werden können, is in Deutschland die schärfste Chronologie der palüolithischen e möglich. Ein in Kent gefundener Kiefer scheint das Vorkommen does Menschen in Europa sogar noch vor der Eiszeit zu erweisen. Das Eiszeitalter mit seinen wiederholten Klimaschwankungen und mehr, fachen Vergletscherungen machte sich in ganz Europa geltend. Man muß in ihm eine Folgeerscheinung astronomischer Vorgänge sehen, dern Ursachen und Zusammenhänge vielleicht später einmal der Forschurn aufzuhellen gelingt. In der Gegenwart sind nur rohe Schätzurg⸗ möglich mit denen man das Alter der einzelnen Vergletscherungsget zu bestimmen versucht. Eine relativ genaue Methode b- man in Schweden zur Festlegung der seit der letzten Vo⸗ gletscherung verflossenen Zeit anzuwenden vermocht. Am Boden nach dem Abschmelzen des Eispanzers dieser Periode zurückgebliebenen Binnenseen hat sich eine dicke Sand⸗ und Schlammschicht abgelagen deren einzelne Sommer⸗ und Winterablagerungen sich deutlich unter scheiden lassen, wie etwa die Jahresringe eines Baums. Mit ihrer Hilfe hat man errechnet, daß vor etwa 12 000 Jahren der Süden Schwedens von dem Eis der letzten Glacialzeit frei wurde. In Deutschland dürften die letzten Vergletscherungen der Eiszeit vor etve 20 000 bis 30 000 Jahren geschwunden sein; in der Schweiz hat man diesen Zeitvunkt auf etwa 24 000 Jahre berechnet. Wie lange die letzte Eiszeit in Europa gedauert hat, weiß man nicht. Die letzte Zwischeneiszeit scheint aber längere Zeit gedauert zu haben als das Abschmelzen des letzten Eises in Anspruch nahm, man bat ihre Dauer auf mindestens 90 000 Jahre berechnet. Die Grundlage für derartige Berechnungen, die Verwitterung der Moränen, lüft freilich eine zwar nicht willkürliche, aber doch nur rohe Berechnung zu Jedenfalls kann man annehmen, daß im Gegensatz zu der kurzen Spanne von etwa 7000 Jahren, in der der geschichtliche Mensch in Europa lebt, die Zeit des paläontolitischen sich nur durch eine fünf⸗ stellige Zahl ausdrücken läßt, und daß das Alter der Menschen auf deutschem Boden sich auf mehrere Hunderttausend Jahre beziffert. Hier hat er es bereits miterlebt, daß der Odenwald sich hob und den Neckar zwang, sich ein neues Bett zu suchen und das Tal auszuwaschen, an dessen Ausgang heute das liebliche Heidel⸗ berg gelegen ist. Das sind gewaltige Rückblicke, denen gegenüber sich die Frage aufdrängt, ob die Zukunft des Menschen auf der Erde nicht weit kürzer sein dürfte als seine Vergangenheit. Und doch hat der Mensch im Unterschied zu vielen Tierarten die großen Katastropßen des Eiszeitalters überdauert. Er ist begabt mit einem außerodentlichen Anpassungsvermögen und mit den Geisteswaffen des Willens und der gläubigen Hoffnung. Er glaubt an seine Zukunft, und wir wolen, wie an die Zukunft des Menschengeschlechts, so auch an die unseres Volkes glauben. 1 b

Die Beethoven⸗Ausstellung der Preußischen S taa tsbibliothek wird auf vielseitigen Wunsch noch bis zum 15. Januar werktäglich von 12—2 Uhr unentgeltlich geöffnet bleiben.

leronauntisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. . Dezember 1920. Ballonaufstieg von 10 a bis

Luftdruck

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Schneedecke. Sicht: 1,5

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten,

Zweiten und Dritten Beilage.)

Theater. 22 nhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: 233.4 bezugsvorstellung. Madame Butterfly. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Ritter Blaubart. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Di bezugsvorstellung. Coriolan. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Kreuzweg. Anfang 7 Uhr.

7. Dauer⸗ 8 1“

Familiennachrichten. 6“6“ Geboren: Ein Sohn: Frhrn. Erich Varnbüler (Rietheim, O.⸗A. Tuttlingen). Hrn. Lan erichtsrat Busse (Breslau). Verlobt: Frl. Margarete Sorof mit Hrn. Landgerichtsrat Hans Flloegel (Leipzig). 1 Gestorben: Hr. Landschaftsdirektor von Hertzberg⸗Lottin (Lottin). Hr. Bergwerksdirektor a. D. Otto Lück (Schwientochlowitz).

.

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat Mengering in Berlin. 8 Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. Berlin, Wilhelmstr. 32. Sieben Beilagen (einschließlich Börsenbeilage) und Erste, Zweite, Dritte, Vierte und Fünfte

gletschung wehte. Derartige Fundstellen bei Bonn, Heidelberg, Wien

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entral⸗Handelsregister⸗Beilage.

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Mieene Herren!

Erste Beitage zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußi

Berlin, Montag, den 20. Dezember

schen Staatsanzeiger

1920

——

Nr. 289.

Richtamliches.

Deutscher Reichstag. 9. Sitzung vom 17. Dezember 1920. Nachtrag. 1 Die Rede, die bei der zweiten Beratung des Gesetz⸗ entwurfs über Verschärfung der Strafen gegen Schleichhandel, Preistreiberei und verbotene Aus⸗ fuhr lebenswichtiger Gegenstände der Vizepräsident des Reichsministeriums und Reichsjustizminister Dr. Heinze gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut: Der Absatz 3 zu § 2 lautet: wenn es der Täter untemimmt, Vieh, Lebensmittel, Futter⸗ mittel oder Düngemittel ins Ausland zu verschieben. Es liegt der Antrag vor, hinzuzusetzen: Kohle oder Maschinen aus Ztrieben. Die Regierung hat sich bereits im Ausschuß gegen diesen Anrag ausgesprochen, und ich wiederhole hier die Ausführungen, die z* Regierung dort gemacht hat.

Der § 2 enthält nur Beispiele für besonders schwere Fälle, Neben dem § 2 können auch andere Fälle als besonders schwer aner⸗ kannt werden. Obgleich Kohle und Maschinen in § 2 nicht auf⸗ geführt sind, kann die Verschiebung solcher Gegenstände in besonders schweren Fällen nach § 1 bestraft werden. Der ganze Sinn der Novelle ist aber zunächst auf Lebensmittel gerichtet und auf das, was unmittelbar mit Lebensmitteln in Verbindung steht. Deshalb haben wir Kohle nicht ausdrücklich in „§ 2 mit angeführt. Es liegen aber bei Kohle die Verhältnisse noch ganz besonders, insofern als die Ausfuhr von Kohle in weitem Umfange ja gestattet ist. Es bedarf allerdings dafür der Ausfuhrbewilligung. Verfrachtet aber jemand Kohle ins Ausland, ohne daß die Ausfuhrbewilligung schon da ist, aber in der Gewißheit, daß die Ausfuhrbewilligung eintreten wird, dann liegt eigentlich nur ein Formaldelikt vor. Die Ausfuhr⸗ bewilligung kommt nach, und die Sache ist in Ordnung. Trotzdem würde in solchen Fällen die schwere Strafe eintreten müssen, wenn die Kohle in § 2 erwähnt würde. Das ist unerwünscht.

Aehnlich liegt es bei Maschinen aus Betrieben. Meine Herren! Nicht alle Maschinen aus Betrieben sind als lebenswichtige Gegen⸗ stände anzusehen. Es besteht eine besondere Verordnung darüber, was als lebenswichtige Gegenstände im Sinne der Wucherverordnung an⸗ zusehen ist. Es ist da nur in Punkt 6 angeführt: „Betriebs⸗ maschinen für Fischereifahrzeuge“ und dann „Lokomotiven“. Es würden also durchaus nicht alle Maschinen aus Betrieben als lebens⸗ wichtige Gegenstände anzusehen sein und unter diese verschärfte Waoerverordnung fallen. Infolgedessen würde eine Ungewißheit in

der Auslegung herbeigeführt werden. Außerdem haben wir die Still⸗ ggungsverordnung, worin festgelegt ist, daß jeder Abbruch von Naschinen aus Betrieben bekannt gemacht werden muß. Wird das ncchgeführt, so hat die Regierung bereits durch die Bekanntmachung

zer Stillegung das Mittel, hier einzugreifen und eine Verschiebung von Maschinen ins Ausland zu verhindern. Das sind die Gründe, derentwegen wir bitten, den Zusatzantrag, der sich auf Kohle und Maschinen aus Betrieben bezieht, abzulehnen. Es sind das rein juristische Gründe. Ich wiederhole: Die Verschiebung ins Ausland

kann, obgleich die namentliche Ausführung in § 2 wegbleibt, doch 8 Straf⸗

besonders schweren Fällen noch unter die verschärften bestimmungen des Wuchers fallen.

Ich möchte dann noch mit einigen Worten auf den Antrag Herz⸗

feld eingehen, der die Aufhebung der bayerischen Verordnung be⸗

trifft. Ich schließe mich da den Vertreters an. (Bravo! bei der Bayerischen Volkspartei und rechts. Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) dann allerdings ein Vakuum entstehen, wenn jetzt die bayerische Ver⸗ ordnung aufgehoben würde und dann am 1. Januar die Wucherver⸗ ordnung, das verschärfte Gesetz, in Kraft tritt. (Ageordneter Dr. Herz⸗ feld: Wir haben doch ein Wuchergesetz mit erhöhten Strafen!) Gewiß, aber die erhöhten Strafen der bayerischen des vorliegenden Entwurfs würden doch nicht Platz greifen. Die er⸗ höhten Strafen gelten jetzt in Bayern auf Grund der Wucherver⸗ ordnung. Wenn die Wucherverordnung aufgehoben wird, würden sie wegfallen, und würden dann am 1. Januar wieder eintreten. n derartigen Zustand kann die Reichsjustizverwaltung nicht als wün⸗ schenswert ansehen. Infolgedessen bitte ich auch hier, juristischen Gründen das Vakuum nicht eintreten d ie K. tinuität fortzusetzen. Die bayerische Regierung hat erklärt, die Ver⸗ ordnung würde aufgehoben werden; in die Loyalität Zweifel zu setzen. (Lachen links. Bravo! bei der Bayerischen Volkspartei und rechts.)

Nun hat der Herr Abgeordnete

schlußfassung dieses Gesetzes. Meine Herren! Darüber würde sich reden lassen, wenn nicht überhaupt durch die Lage der Dinge der Wunsch ent⸗ standen wäre, von der Bestimmung, Gesetze sofort in Kraft treten zu lassen, künftig Abstand zu nehmen, und zwar mit Rücksicht auf die besetzten Gebiete. Wir müssen die Gesetze der Rheinlandkommission vorlegen, und das Inkrafttreten der Gesetze in den Rheinlanden hängt von dem Verhalten der Rheinlandkommission ab. Würden wir hier das Gesetz sofort in Kraft treten lassen, so würde ein Schwebezustand im Rheinland eintreten und dadurch wieder eine Rechtsunsicherheit entstehen, die wir nach wohlüberlegtem Entschluß in Zukunft nicht mehr eintreten lassen wollen. Infolgedessen bitte ich Sie auch hier, dem Antrage Herzfeld nicht stattzugeben und den

Antrag auf sofortige Aufhebung der bayerischen Verfügung abzu⸗

lehnen. (Bravo! rechts.)

Bei der ersten Beratung des Entwurfs zum Schutze der Kriegsteilnehmer gegen Zwan 8⸗ vollstreckungen und der dazu gestellten Anträge führte der Vizepräsident des Reichsministeriums und Dr. Heinze aus:

Ausführungen des Herrn bayerischen

Es würde

Verordnung und

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, die An⸗ träge, die zu dem vorkegenden Gesetzentwurf gestellt sind, abzu⸗ lehnen, und zwar aus folgenden Gründen. Der erste Herr An⸗ tragstelter hat ia den Sinn des Gesetzes dargelegt. Er hat guch bereits dargelegt, welche Schwierigkeiten sich aus einer Verlänge⸗ rung der bisherigen Verordnung ergeben. Ein weiterer Schutz der Kriegsteilnehmer gegen Zwangsvollstreckung greift doch sehr tief in unser Wirtschaftsleben ein und der Herr Vorredner hat schon ganz richtig darauf hingewiesen, daß eine große Anzahl von Kriegsteilnehmern selbst Gläubiger sind und selbst Interesse daran haben, ihre Angelegenheit möglichst bald in Ordnung zu bringen. Also das Gesetz schlägt einesteils für die Kriegsteilnehmer aus, andernteils aber auch in gewissem Sinne gegen die Kriegs⸗ teilnehmer.

Wir haben nun das Bestreben, alle diese Bestimmungen, die aus der Kriegsteilnahme erwachsen, nach Möglichkeit schnell abzu⸗ bauen. Infolgedessen haben wir Ihnen in dem Gesetzentwurf vor⸗ geschlagen, dieses Gesetz bis zum 1. Juli 1921 gelten zu lassen. Der Antrag des Herrn Abg. Meier geht dahin, die Frist bis zum 1. Januar 1922, also ein halbes Jahr länger, zu erstrecken. Dadurch würde der allmähliche Abbau der Kriegsgesetzgebung verzögert werden; es würden dadurch die Verhältnisse, die wir durchaus als Uebergangsverhältnisse betrachten müssen, noch weiter verlängert werden. Sollte sich schließlich das Bedürfnis ergeben, doch noch eine Verlängerung dieses schon verschiedentlich verlängerten Ge⸗ setzes eintreten zu lassen, so ließe sich das ja immer erreichen, und Härten, die sich dann herausstellen, könnten immer noch ausge⸗ glichen werden. Aber, wie gesagt, wir alle müssen das Bestreben haben, diese Ausnahmezustände nach Möglichkeit zu beseitigen.

Auch den zweiten Antrag, den die Vorrednerin soeben be⸗ gründete, können wir nicht zur Annahme empfehlen. Der Antrag geht dahin, das Gesetz nicht nur auf die Kriegsteilnehmer, sondern auch auf die Witwen der im Felde verstorbenen Kriegsteilnehmer zu erstrecken. (Abg. Zietz: Das sind die Aermsten der Armen!) Dadurch wird aber ein Gedanke in das Gesetz hineingetragen, der dem Gesetz fernliegt. (Widerspruch bei der U. S. P.) Das Gesetz, wie wir es vorlegen, ist nur eine Verlängerung des bisher be⸗ stehenden Rechtszustandes, und dieser Rechtszustand geht auf die Verordnung der Volksbeauftragten vom 14. Dezember 1918 zurück. Dieser Rechtszustand ist dann durch verschiedene Verordnungen verlängert worden, zuletzt durch die Verordnung vom 15. Juli 1920. Der Gedanke, der diesem Gesetz und den vorhergehenden Verordnungen, auch der Verordnung der Volksbeauftragten, zu⸗ grunde liegt, ist, daß die Kriegsteilnehmer infolge ihrer Abwesen⸗ heit nicht in der Lage gewesen sind, ihre Verhältnisse zu ordnen,

daß man ihnen eine gewisse Zeit lassen muß, wenn sie aus dem Kriege zurückgekommen sind, um zunächst einmal ihre Verhältnisse zu rangieren. Jetzt liegt ganz besonders ein Grund vor, das Gesetz noch weiter zu erstrecken, weil ja ein Teil der Kriegsgefangenen erst vor kurzer Zeit zurückgekommen ist und weil auch ihnen die Wohltat des Gesetzes gegeben werden muß. Die Gedanken, die die Vorrednerin vorgetragen hat, liegen auf einem ganz anderen Gebiete. Sie gehen von einer allgemeinen Schutzbedürftigkeit der Kriegerwitwen aus. Ein derartiges Schutzbedürfnis besteht aber nicht nur für die Kriegerwitwen, sondern auch für zahlreiche andere Kreise. Dieses Gesetz geht aber ganz speziell davon aus, daß der Krieger nicht in der Lage gewesen ist, in seiner Abwesen⸗ heit seine Geschäfte zu ordnen. Kriegerwitwen muß man auf andere Weise entgegenkommen. Man muß ihnen durch die Hinter⸗ bliebenenfürsorge entgegenkommen. Kriegerwitwen, die aus Schulden ihrer Ehemänner in Anspruch genommen werden, haben die Vorbehalte aus den Erbrechten. Ich verkenne durch⸗ aus nicht, daß die Verhältnisse der Kriegerwitwen bedrückte sind. Aber da muß mit anderen Mitteln abgeholfen werden, als durch die Mittel dieses Gesetzes. Es würden dadurch vollständig fremde Gedanken in dieses Gesetz hineingetragen werden. Daher bitte ich Sie, den soeben begründeten Antrag abzulehnen. 1

Nachdem in zweiter Lesung Abg. Frau Zietz (U. Soz.) den Antrag auf Einbeziehung der Kriegerwitwen wiederholt hatte, erklärte der Reichsjustizminister Dr. Heinze:

Meine Herren, auf das, was soeben gesagt worden ist, ist

Die

Einen

aus rein zu lassen, die Kon⸗-

ist gar kein

Waldstein gesagt, man könne ja das verschärfte Wuchergesetz sofort in Kraft setzen mit einer Be⸗

eines Gesetzes

Reichsjustizminister

folgendes zu erwidern. Das Gesetz kann sich doch nicht ohne weiteres auf alle Kriegerwitwern beziehen. Der ganze Gedanke des Gesetzes ist der, daß der Krieger während des Krieges seine Geschäfte nicht hat wahrnehmen können. Dieser geßanke trifft auf die Kriegerwitwen nicht zu. Die Kriegerwitwe konnte während des Krieges ihre Geschäfte wahrnehmen. Es kann sich also nur um die Forderungen handeln, die aus der Erbschaft des Kriegs⸗ teilnehmers erwachsen sind, und da helfen eben die Rechtsbehelfe aus dem Erbrechte. Der ganze Gedanke des Gesetzes ist der, daß der Krieger, wenn er zurückkommt, eine gewisse Zeit haben soll, um sich wieder einzuarbeiten, um seine Geschãfte zu rangieren und dann seine Schulden zu bezahlen. Den Krieger⸗ witwen muß, wie ich schon sagte, auf andere Weise als mit den Mitteln dieses Gesetzes geholfen werden. den gestellten Antrag abzulehnen.

Bei der Fortsetzung der Ausspra w 1 he 8 8 iitgliedern der Deutschnationalen Volkspartei betreffs der Zustände in den russischen Internierungslagern in Deutschland führte in Er⸗ Ziderung auf Bemertungen des Abg. Dr Philipp. (D. Nat.) der Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth aus: 6

Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat mir hier einige Liebenswürdigkeiten gewidmet; ich will ihm auf diesem Gebiet zu später Stunde nicht folgen. Er hat in Zeitungspolemik eingehend gemacht. Ich glaube, man kann nicht ohne weiteres aus einer Darlegung der „Deutschen Allgemeinen Zeitung nun etwa dem Reichsminister aus dem hier vorliegenden Bericht Vorwürfe machen. Es sind hier verschiedene grobe Irrtümer darin. (Hört! Horth

Erstens habe ich, was die Zahl der deutschen Kriegsgefangenen angeht, überhaupt keine Zahl genannt. Die hier im Bericht der

Darum bitte ich Sie,

che über die Inter⸗

Kriegsgefangenen ist also ein Irrtum des Berichterstatters. Sie können das in meinem Stenogramm nachlesen. Ich habe überhaupt keine Zahl genannt.

Und dam ein Zweites. Es ist mir gar nicht eingefallen, zu be⸗ haupten, daß es sich bei der Interpellation um eine Lappalie handle. Auch hier liegt ein grober Irrtum des Berichterstatters vor. Was ich als Lappalie bezeichnet habe, war das, was man beim Verlangen, daß eine Anzahl von Beamten des Reichsabwicklungsamtes ihren Platz verlassen müßten denn dieses Ansimnen ist gestellt warden —, auf eine Zecherei eingegangen ist, und daß man dieses Trinkgelage, so will ich es nennen, besonders hervorgehoben hat bei der Forderung nach Entfernung des Beamten. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß etwa wir von der Regierung aus die Sache leicht genommen haben. Da hat der Herr Vorredner entschieden daneben gegriffen.

Aber, meine Damen und Herren, wenn man lediglich in Zeitungs⸗ polemik machen wollte, dann darf ich die Herren von rechts einmal bitten, die gestrigen Stimmungsbilder, die in der „Deutschen Zeitung“ erschienen sind, einer Nachprüfung zu unterziehen. Meine Damen und Herren, es steht da unter anderem:

Kaum spricht Herr Dr. Wirth, so beruhigen sich die Gemüter unserer deutschen Bolschewisten, denn er verteidigt ihre Leute. Ich verteidige die Leute der Bolschewisten, den Herrn Schlesinger! Meine Damen und Herren, der Herr Schlesinger hat mit einer kom⸗ munistischen Partei gar nichts zu tun. (Abg. Koenen⸗ Glücklicher⸗ weise. Heiterkeit.) Der Herr Schlesinger ist eingeschriebenes Mit⸗ glied der Mehrheitssozialdemokratie. (Zuruf rechts: Das sagt durch⸗ aus nichts!) Ich stelle ja nur fest, wie hier in ganz ungeheuerlicher Weise irgendwie Leute sich Dinge aus den Fingern saugen, ohne sich vorher zu verläßlichen.

Es kommt aber noch viel mehr. Es heißt:

Zur Sache selbst spricht Herr Dr. Wirth nicht. iner seiner Staatssekretäre, ein Jude, besorgen.

Das ist der Herr Grzesinski. Der Herr Staatssekretär Grzesinski ist aber gar kein Jude. (Hört! Hört! und Heiterkeit.) Es gist also hier wieder ein Angriff, der durchaus daneben gegriffen hat.

Und nun ist der Herr Vorredner noch auf das eingegangen, was in der letzten Sitzung von meiner Seite aus geschehen ist.

Meine Damen und Herren, ich stelle nur fest: es ist gestarn von mir der formelle Vorbehalt im Namen der Reichsregierund erfolgt auf Vorhaltung und Antrag der Deutschen Volkspartei, Aner Re⸗ gierungspartei. Ich war verpflichtet, diesen Vorbehalt zu machen. Ich habe die Nede des Herrn Staatssekretärs Grzesiski noch einmal daraufhin gewürbigt. Ich habe aus dem Stenogramm festgestellt ich habe die entsprechenden Stellen hier —, daß von einem Angriff des Herrn Staatssekretärs gegen die Deutsche Volkspartei überhaupt nicht die Rede war. Es ist also der Protest der Deutschen Volks⸗ partei, sofern er erhoben worden ist und auch erhoben werden sollte, hinfällig. Der Angriff hat sich gegen die Rechte, gegen die Deutsch⸗ nationalen gerichtet, und da darf ich feststellen, daß nach dem vor⸗ liegenden Aktenmaterial die Beiziehung dieses Russen Lunewieff heißt er als eine unbedingte Inkorrektheit vom Standpunkt des Beamten aus zu bezeichnen ist. Der Bericht, der dem preußischen Ministerium zugegangen ist, stellt fest, daß dieser Russe beigezogen worden ist von einer Ihnen (nach rechts) nahestehenden Seite, ohne daß die zuständige Behörde in die Lage versetzt worden ist, dazu Stellung zu nehmen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, wenn das früher vorgekommen wäre, dann hätte man von einer Nebenregierung gesprochen. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten.) Nachdem ich das festgestellt habe, habe ich gar keinen Anlaß, den gestrigen formalen Vorbehalt zu der Rede des Herrn Staatssekretärs materiell irgenwie aufrechtzuerhalten. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Auf Bemerkungen der Abgg. Henning (D. Nat.) und Levi (Komm.) entgegnete der Reichsminister der Finanzen Wirth: 8 Meine Damen und Herren! Es steht nach den Aussagen es Herrn Abg. Henning für mich nun fest, daß er persönlich diesen Russen nicht hierher zitiert hat in dem Sinne, daß er ohne Erlaubnis kommen solle. Aber darauf kommt es in diesem Falle nicht an. Ich darf Ihnen aus dem Bericht des Herrn Grenzpolizeidirektors, der dem preußischen Ministerium unter⸗ steht ich habe den Bericht hier in Händen —, solgendes vorlesen:

Am 2. Dezember begleitete Lunewieff ohne mein Wissen auf Bitten eines den Deutschnationalen nahestehenden russischen Bekannten den Vertrauensmann der deutschnationalen Partei Major Henning nach dem Gefangenenlager Salzwedel. hört! bei den Sozialdemokraten.) .

Es steht also fest, daß von einer den Deutschnationalen nahe⸗ stehenden Seite dieser Russe ohne Wissen seines Vorgesetzten seinen Posten verlassen hat, und es war deshalb durchaus begreiflich, daß der Herr Staatssekretär Grzesinski in diesem Zusammenhang eine Bemerkung der Abwehr machen mußte. Ich habe keinen Anlaß, persönlich dem Herrn Abg. Henning Vorwürfe zu machen. Nur das muß eine Regierung für sich in Anspruch nehmen, daß Leute, die im Dienste des Reichs stehen, ohne Wissen der Vor⸗ gesetzten ihren Posten nicht zu verlassen haben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Die in Nr. 288 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ (erste Beilage) aus⸗ ugsweise wiedergegebenen Ausführungen, mit denen der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Dr. Hermes die Interpellation der Abgg. Trimborn und Genossen be⸗ antwortete, hatten folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren! Die in der IJaterpellation er⸗ wähnte Besprechung vom 29. Oktober 1920 hatte das Oberpräsidium in Koblenz anberaumt, um eine Klärung darüber herbeizuführen, in⸗ wieweit den von den Vertretungen der rheinischen Müller, Bauern und Bäcker erhobenen Forderungen auf weitgehende Lockerung der Zwangswirtschaft für Getreide innerhalb des laufenden Wirtschafts⸗ jahres entsprochen werden könnte. Das Oberpräsidium hatte zu dieser Sitzung auch die Reichsgetreidestelle eingeladen, die ihren Ge⸗

Das soll

8 3 * (Hort,

„Deutschen Allgemeinen Zeitung“ genannte Zahl von 50 000 deutschen

schäftsführer von Falkenhayn als Vertreter entsandte.