1920 / 289 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Von der Sitzung und ihrem Verlauf hat das Reichsministerium für Ernährung uand Landwirtschaft erst durch die Presseerörterungen Kenntnis erhalten, die von dem in den „Trierer Bauernstimmen“ erschienenen Aufsatz „Berliner Gewaltpolitik gegen die Rhein⸗ länder“ ihren Ausgang genommen haben. Hierauf hat es sofort durch den Präsidenten der ihm unterstellten Reichsgetreidestelle Herrn von Falkenhayn zu einer Aeußerung veranlaßt, und, als dieser auf das entschiedenste bestritt, die ihm in den Mund gelegten Aeuße⸗ rungen getan zu haben, eine eingehende Untersuchung des Falles ver⸗ anlaßt.

Herr von Falkenhayn hat bis zur endgültigen Klärung der Aa⸗ gelegenheit keinen Dienst in der Reichsgetreidestelle versehen. Durch einen nach Köln und Trier entsandten Kommissar sind die 15 Teil⸗ nehmer an der Sitzung vom 29. Oktober 1920 mit Ausnahme des Vertreters des preußischen Landesgetreideamts, Dr. Hecacke, der sich auf dem Dienstwege schriftlich geäußert hat, vernommen worden. Eine restlose Aufklärung des Sachverhalts hat sich leider nicht er⸗ zielen lassen. Die Aussagen der veraommenen Persönlichkeiten stehen, auch soweit sie für von Falkenhayn nicht günstig sind, nicht nur in Nebensachen, sondern auch gerade in den Hauptpunkten mit⸗ einander in Widerspruch. Immerhin kann folgendes festgestellt werden:

Der gegen Herrn von Falkenhayn erhobene Vovwurf, er habe cheinischen Vertretern gegenüber geäußert „Die Rheinländer sind alle Franzosen; aus diesem Grunde müssen die Revisionen um so schärfer einsetzen, damit diese Franzosenbrut mürbe gemacht wird“, ist nach der Aussage einer führenden Persönlichkeit der linksrheini⸗ schen Müller darauf zurückzuführen, daß ihr ein Außenbeamter der Reichsgetreidestelle, der infolge der dort vorgenommenen Personalver⸗ minderung im Oktober dieses Jahres entlassen werden mußte, im Juli mitgeteilt haben soll, Herr von Falkenhayn habe diese Be⸗ merkung im Mai. 1920 auf einer Versammlung der vheinschen Revi⸗ soren in Koblenz gemacht. Die Richtigkeit dieser Mitteilung soll dann ein weiterer Außenbeamter der Reichsgetreidestelle den Teil⸗ nehmern einer Kreisversammlung der Müller in Wittlich bestätigt haben. Die beiden Angestellten der Reichsgetreidestelle, die hierüber vernommen worden sind, haben auf das entschiedenste in Abrede ge⸗ stellt, derartige Mitteilungen gemacht zu haben, und zwei weitere Oberbeamte der Reichsgetreidestelle, die an allen Versammlungen der rheinischen Revisoren teilgenommen haben, auf denen Herr von Falkenhayn anwesend gewesen ist, haben weiter übereinstimmend bekundet daß Herr von Falkenhayn im Mai 1920 überhaupt an keiner Versammlung der rheinschen Revisoren teilgenommen und auch späterhin diese oder ähnliche Aeußerungen überhaupt nicht getan habe. Im übrigen hat der eben erwähate Führer der linksrheinischen Müller selbst dem Kommissar des Reichsministeriums für Er⸗ nährung und Landwirtschaft gegenüber ausgesagt, daß der Ausdruck „Franzosenbrut“ von Herrn von Falkenhayn nicht gebraucht worden sei. .

Für die Beurteilung des Sitzungsverlaufes kommt in Betracht, daß diese angebliche Aeußerung von Falkenhayns außer der bereits er⸗ wähnten führenden Persönlichkeit der linksrheinischen Müller einem weiteren Vertreter der rheinischen Müller und einem Vertreter der rheinischen Bauern, die an der Sitzung vom 29. Oktober teil⸗ gnommen haben, vorher bekannt gewesen ist.

2. Der wirkliche Wortlaut der angeblichen Aeußerung von Falkenhayns „Diese Herren mit ihren hochverräterischen Bestre⸗ bungen werden wir mit allen Gewaltmitteln niederschlagen“, hat nicht festgestellt werden können. Herr von Falkenhayn bestreitet, den an⸗ wesenden rheinischen Vertretern oder der Bevölkerung des Rhein⸗ landes insgesamt in irgend einer Form den Vorwurf hochverräte⸗ rischer Gesinnung oder hochverräterischer Handlungen gemacht zu haben; er will vielmehr, veranlaßt durch vorangegangene allgemein gehaltene Hinweise eines Vertrceters der rheinischen Bauernschaft auf etwaige wirtschaftliche und politische Folgen, die die Ablehnung der vorge⸗ tragenen Wünsche mit sich bringen könnte, dem Sinne nach geäußert haben, er glaube nicht, daß die Durchführung der Reichsgetreide⸗ ordnung hochverräterische Bestrebungen fördern würde. Er will also gerade zum Ausdruck gebracht haben, daß er von der Reichstreue des weitaus größten Teiles der rheinischen Bevölkerung fest überzeugt sei. Während drei der vernommenen Vertreter, und zwar sämtlich Ver⸗ treter der rheinischen Müllerschaft, ausgesagt haben, daß die Aeuße⸗ rung des Herrn von Falkenhayn genau so gelautet habe, wie sie in der Presse wiedergegeben sei, und ein Vertreter der Bäcker bekundet hat, er habe zwar den Nachsatz der Aeußerung nicht verstanden, der Vordersatz habe aber den in den „Trierer Bauernstimmen“ veroffent⸗ lichten Wortlaut gehabt, haben acht weitere Teilnehmer an der Sitzung bekundet, daß die Aeußerung von Falkenhayns sicher nicht diesen Wortlaut gehabt habe. Der Direktor des Mittelrheinisch⸗ Nassauischen Bauernvereins hat sich sogar veranlaßt gesehen, in seiner Fachzeitung darzulegen, daß die Wiedergabe der Aeußerung von Falkenhayns in den „Trierer Bauernstimmen“ ungenau sei und die umrichtige Wiedergabe von ihm bedauert werde, weil sie auch in die Tagespresse übergegangen und dort mit entsprechenden Be⸗ merkungen versehen worden sei. Immerhin haben der Direktor des Mittelrheinisch⸗Nassauischen Bawermwereins und zwei weitere Ver⸗ treter der rheinischen Bauern die Aeußerung des Herm von Falken⸗ hayn so aufgefaßt, daß durch sie der rheinischen Bevölkerung ins⸗ gesamt der Vorwurf hochverräterischer Bestrebungen habe gemacht werden sollen, während ein Vertreter der Müller und ein Vertreter der Bäcker keine genauen Bekundungen machen können.

Die Vertreter des Oberpräsidiums, der Regierung in Koblenz und des preußischen Landesgetreideamts sowie die Angestellten der Reichsgetreidestelle haben dagegen übereinstimmend bekundet, daß Herr

von Falkenhayn der rheinischen Bevolkerung keineswegs den Vorwurf hochverräterischer Bestrebungen gemacht, sondern gesagt habe, daß vor⸗ angegangene Hinweise auf derartige Bestrebungen die verantwort⸗ lichen Stellen nicht von der Durchführung der reichsgesetzlichen Be⸗ stimmungen abhalten können

Infolge der Aeußerung von Falkenhayns bemächtigte sich der Versammlung große Erregung. Nachdem der Vorsitzende selbst eine Erklärung, die der Beruhigung dienen sollte, abgegeben hatte, ergriff Herr von Falkenhayn nochmals das Wort, um seine erste Aeußerung zu erläutern. Hierauf wurde wieder in die sachliche Erörterung der Tagesordnung eiagetreten und noch über anderthalb Stunden weiter verhandelt.

Nach vorstehendem kann als widerlegt betrachtet werden, daß Herr von Falkenhayn die Rheinländer als Franzosen oder als Fran⸗ zosenbrut bezeichnet hat. Ss ist fecner kein schlüssiger Beweis dafür erbracht, daß von Falkenhayn den anwesenden Vertretern der rhei⸗

nischen Bauern, Müller und Bäcker oder der rheinischen Bevölkerung

insgesamt den Vorwurf hochverrärerischer Bestrebungen gemacht habe.

Ist demnach auch nicht erwiesen, daß von Falkenhayn die rheinische Bevölkerung „in der ungeheuerlichsten Weise beschimpft hat“, wie dies aus den Pressenachrichten zu entnehmen war, so steht doch, auch wenn man der eigenen Darstellung von Falkenhayns folgt, fest, daß er die Worte „hochverräterische Bestrebungen“ gebraucht und dadurch ebenfalls Anlaß zu einer tiefgehenden Erregung der Teil⸗ nehmer an der Sitzung und dann daraufhin der gesamten Oeffentlich⸗ keit des Rheinlandes gegeben hat.

Die Aeußeruangen, die nach den Ausführungen des Herrn Vor⸗ redners Herr von Falkenhayn in bezug auf den Herrn Regierungs⸗ präsidenten in Trier gemacht haben soll, sind nicht Gegenstand der Interpellation; sie sind gleichwohl in die von mir angeordnete Unter⸗ suchung einbezogen worden. Ich kann daher schon jetzt sagen, daß auch hierüber die Aussagen sehr auseinandergehen. Die Unter⸗ suchung wird im Benehmen mit dem Herrn preußischen Minister des Innern beschleunigt zu Ende geführt.

Was die Würdigung des der Interpellation zugrunde liegenden Sachverhalts anlangt, so muß vor allem hervorgehoben werden, daß von Falkenhayn kein amtlicher Vertreter des Deutschen Reiches ist, wie er in zahlreichen Presseäußerungen und in der Interpellation genannt wird, sondern lediglich eia auf Privatdienstoertrag an⸗ gestellter Geschäftsführer der in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichteten Geschäftsabteilung der Reichs⸗ getreidestelle. von Falkenhayns Zuständigkeit und Auftrag konnte sich daher lediglich darauf erstrecken, die wirtschaftlichen und geschäfts⸗ technischen Fragen der Getreide⸗ und Mehlerfassung zu behandeln.

Er war nicht befugt, sich bei dieser Aufgabe auf irgendwelche politische Erörterungen einzulassen. Daß er es trotzdem getaa hat, und die Form, in der es geschah, muß ich auf das entschiedenste ver⸗ urteilen. Ich bedaure das Vorkommnis aufs tiefste, um so mehr. als die politischen Auslassungen von Falkenhayns bei der schwer leidenden rheinischen Bevölkerung, die trotz aller Schwierigkeiten ihrer Lage in alter Treue nach wie vor unverbrüchlich zum Reich steht, Unruhe und Erbitterung erzeugt haben.

Als einer der kaufmännischen Leiter der Reichsgetreidestelle untersteht von Falkenhayn dem Aufsichtsrat seiner Gesellschaft und nicht dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. Ich habe daher den Präsidenten der Reichsgetreidestelle, der zugleich Vor⸗ sitzender des Aufsichtsrats ihrer Geschäftsabteilung ist, beauftragt, Herrn von Falkenhayn auf das nachdrücklichste zu verwarnen und dafür Sorge zu tragen, daß Herr von Falkenhayn in Zukunft nicht mehr im Rheinlande verwendet wird. (Sehr gut! im Zentrum.)

50. Sitzung vom 18. Degember 1920, Vorm ittags 9 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Das Haus ist bei Beginn sehr schwach besetzt.

Zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen das Mitgled des Reichskags Dr. Levy (Komm.) wegen Aufkaufs von Arzneimitteln und angeblichen Verkaufs ins Ausland hat der Reichsminister des Innern die Genehmigung des Reichs⸗ tags nachgesucht.

Auf Antrag des Geschäftsordnungsausschusses wird die

Genehmigung nicht erteilt.

In erster, zweiter und dritter Beratung werden die Ge⸗ setzentwürfe, betreffend die Ein⸗ und Aus⸗ fuhr von Kriegsgerät (Aufführung aller Gegenstände, die im Sinne des Friedensvertrages als Kriegsgerät gelten), und der aus dem Hause beantragte Gesetzentwurf über die Verlängerung der in § 105 des Betriebsrätegesetzes vor⸗ gesehenen Frist angenommen. Bei dem letzteren handelt es sich, wie

Abg. Most (D. V.) erläuternd bemerkt, darum, daß die für den 31. Dezember 1920 vorgesehene Frist für den Erlaß des Bilanzgesetzes um einen Monat hinausgeschoben werden muß, weil das Bilanzgesetz erst vor wenigen Tagen dem Hause zugegangen ist.

In erster, zweiter und dritter Lesung wird auch der aus dem Hause beantragte Gesetzentwurf über die Verlänge⸗ rung der Verjährungsfristen des Seeversicherungsrechts ohne Erörterung angenommen.

668 folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Bezügen der Pensionäre und Hinterbliebenen (Pensions⸗Er⸗ gänzungsgesetz.)

Berichterstatter Abg. Dr. Külz (Dem.) berichtet, daß der Ausschuß, während die Vorlage nur 50 % der Differenz 1 den Bezügen der Alt⸗ und Neupensionäre gewähren wollte, 100 % beschlossen, also die Alt⸗ und Neupensionäre vollständig gleichgestellt hat. Zu der Differenzierung sei kein sozialer Anlaß vorhanden. Wenn auch gespart werden müßte so dürfe man damit bei den Pensionären nicht anfangen. Einige Härten werden allerdings nicht vermieden werden können. Einen neuen Gedanken habe der Ausschuß dadurch in die Vorlage hinein⸗ gebracht, daß das Arbeitseinkommen auf die Pension insoweit ange⸗ rechnet werde, daß bei einem Ruhegehalt von 18 000 an die Hälfte des Zuschusses v”HS Ein Teil des Ausschusses habe es allerdings für zweckmäßig gehalten, diesen wichtigen Gedanken einem besonderen Gesetz vorzubehalten. .

Geheimrat Siller: Die die Gleichstellung der Alt⸗ und Neupensionäre vollstem Maße „anzuerkennen und die Regierung hat sich selbst lange und ernst damit beschäftigt; sie hat die Differenzie⸗ rung nur aus finanziellen Erwägungen vorgeschlagen. Wir haben im Etat für 1920 eine Pensionslast von 4 ½8 Milliarden, sie wird sich im Laufe dieses Jahres auf 7 ¼ Milliarden steigern. Dazu kommen die Kosten Ueser Repierasbdävagkanhe mit etwa 900 Millionen. Die völlige Gleichstellung der Alt⸗ uad Neupensionäre würde eine weitere Be⸗ lastung von mindestens 500 Millionen ausmachen. Die Regierung hätte gleichwohl diese Last noch übernommen, wenn nicht die Pen⸗ sionen für die untersten Klassen von 9520 bis 14 000 absolut un⸗ zureichend wären. Wir bitten, die weitere Belastung mit 500 Mil⸗ lionen ernst in Betracht zu ziehen, solange wir nicht unsere Gesamt⸗ lage übersehen können.

Abg. Hoch (Soz.): Der Gegensatz ischen uns und der Regierung ist kein grundsätzlicher, vee. geht nur dahin, wie weit man in der Bewilligung trotz der schlechten

inanzlage gehen will. Wir haben von Anfang an er⸗ klärt, daß ein Unterschied zwischen den Bezügen der Alt⸗ und Neupensionäre unerträglich und ungerecht ist. Ein Antrag der Un⸗ abhängigen, für die Familien der Kriegsteilnehmer eine Milliarde be⸗ sonders einzustellen, ist gewiß der Sache nach berechtigt, er wäre aber nur zu erfüllen, wenn uasere Volkswirtschaft auf der Höhe wäre und der Reichtum des Volkes zunähme. Aber wir müssen den Folgen des Krieges Rechnung tragen, wir dürfen die Papierflut nicht weiter an⸗ steigen lassen und schädigen sonst auch weite Kreise des arbeitenden Volkes, insbesondere die Empfänger von Invalidenrenten. Wir sollen

lind in

menschlichen sercrernhch für

*) Mit Ausnahme der Rede Wortlaute wiedergegeben werden.

nur da eingreifen, wo wirkliche Not vorhanden ist. Wir beantvaaen, im § 1 die Grenze von 18 000 auf 12 000 herabzusetzen so daß bereits bei einem Ruhegehaltseinkommen von 12 000 der über⸗ schießende Betrag nur zur Hälfte angerechnet wird. Eine besondere Schwierigkeit bietet die Frage derjenigen Pensionäre, die ein hohes Einkommea aus Beschäftigung in Pande andel und Industrie beziehen. Wir beantragen, auch den § 8 vorläufig abzulehnen, bis ein besonderes Gesetz die Bezüge derjenigen Pensionäre regelt, die Kriegsteilnehmer gewesen üh. Hier sollte man nicht bloß auf die Beamten Rücksicht nehmen, die durch den Krieg geschädigt worden sind, sondern auch auf Arbeiter und Angestellte. 9 Abg. Guörard (Lentr.: Auch wir sind uns der finanziellen Verantwortung bewußt, wenn wir alle Pensionäre gleichstellen. Aber die Pensionäre leiden durch die Geld⸗ entwertung besonders, und die Regierungsvorlage bringt keine durchgreifende Besserung. Eine große Reihe von Beamten sind in den Ruhestand auf Wunsch der Regierung getreten, um Beamten aus den abgetretenen und besetzten Gebieten P würden besonders geschädigt, und noch schlimmer sind die Offiziere daran. ir stehen unerschütterlich auf dem Standpunkt. daß es durchaus unerträglich ist, daß denen, die große Fcalh in Industrie und Handel beziehen, auch noch Pension aus der eichskasse gegeben wird. Darum haben die Koalitionsparteien einen Antrag eingebracht, der die Regierung zwingen soll, diese Frage durch ein be onderes Ge⸗ etz zu regeln derart, daß bis zum 1. Juli des nächsten Jahres ein esetzentwurf wegen rücksichtigung des steuerpflichtigen Ein⸗ kommens bei Bemessung der Pensionsbezüge vorgelegt wird.

Abg. von Gallwitz (D. Nat.) befürwortet einen redaktionellen Antrag, der den Ausschußbeschluß über die An⸗ rechnung des Arbeitseinkommens ändert. Die Beratung im Ausschuß sei sehr eilig gewesen, weil man mit dem Gesetz unbeding vor Weihnachten fertig werden wollte. Es habe Monate gedauert, lis die im vorigen Jahre heschlofsesnen Fersionssuschäs ausgezalt wurden. So werde es auch bei diesem Gesetz gehen, und man häte sich lieber Zeit lassen und klare Arbeit machen sollen, man hätte je

em Gesesz rückwirkende Kraft geben können. Zugunsten der pensionierten Offiziere, die sich im Kriege freiwillig wieder zum Dienst gemeldet und alle Pflichten des höheren Dienstgrades er⸗ bn haben und nun über die ungerechte Behandlung in bezug auf die ension sehr erregt seien, befürwortet Redner einen Zusatzantrag, wonach die bisher an Kriegsteilnehmer gewährte Kampfzulage un⸗ widerruflich weitergewährt und als Erhöhung des Ruhegehalts gelten soll.

Geheimrat Siller empfiehlt den Antrag der Koalitions⸗ parteien, nach welchem der Grundgedanke der Anrechnung des Arbeits⸗ einkommens später in einem besonderen Gesetz näher entwickelt werden könnte.

Abg. Dr. Most (D. V.): In der Gleichstellung der Alt⸗ und e,1i. vag.- ind alle Parteien grundsätzlich einverstanden. Ein un⸗ geschriebenes Recht macht uns die Erhöhung der Bezüge der Alt⸗ pensionäre zu einer Ehrenflicht, um ihnen eine angemessene Lebens⸗ haltung zu gewähren. Deshalb haben wir auch schwere Bedenken gegen die Anrechnung des Arbeitseinkommens. Die Pension ist nicht anderes als der zurückbehaltene Teil der Besoldung, der später zur Aus⸗ zahlung kommt. Wie bei den im Amt befindlichen Beamten muß auch die Geldentwertung bei den ausgeglichen werden. Durch die Anrechnung des Arbeitseinkommens wird wiederum ein Gegensatz zwischen Alt⸗ und Neupensionären geschaffen. Redner empfiehlt den Antrag der Koalitionsparteien wie auch den Antrag Gallwitz auf Fortgewährung der Kampfzulage der Kriegsteilnehmer.

Abg. Soldmann 8. Soz.): Den Antrag der Sozialdemo⸗ kraten über die Festsetzung der Grenze von 12 000 nehmen wir an, ebenso den Antrag auf Streichung des § 8 (doppelte Anrechnung für Kriegsteilnehmer). Unser Antrag über Bereitstellung von einer Milliarde soll vorläufig der dringendsten Not der Familien von Kriegsteilnehmern steuern.

Abg. Külz (Dem.): Wir hätten gewünscht, nc die Vorlage etwas schneller gekommen wäre. Auch wir Gleichstellung der Alt⸗ und Neupensionäre. Zur Anrech⸗ nung des Einkommens auf die Pension enthalten die Be⸗ schlüsse des . eine Ungerechtigkeit und eine gesetzliche Un⸗ geheuerlichkeit, bei den Alwenstonären tritt eine Anrechnung von Nebenverdienst ein, aber nicht bei den Neupensionären. In der Sache stimmen wir dem Antrag Gallwitz über die Festlegung der Kampf⸗ zulage zu, ohne uns aber die Begründung des Antragsstellers zu eigen zu machen. Die Offiziere. die sich zur Verfügung gestellt haben, taten dies aus freier Wahl und haben für ihre Leistungen im Kriege auch mehr Einkommen bezogen.

Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete von Gallwitz hat einen Antrag gestellt:

im § 2 als zweiten Absatz einzuschalten: Die bisher an Kriegs⸗ teilnehmer gewährte Kampfzulage wird unwiderruflich weiter gewährt und gilt als Erhöhung des Ruhegehalts. Meine Herren, ich verstehe diesen Antrag und würdige ihn auch. Ich glaube aber, es ist unmöglich, diesen Antrag in das Gesetz aufzunehmen. Es hätte eine sorgfältige Vorprüfung dieses An⸗ trages in der Kommission stattfinden müssen.

Der Herr Vorredner, der Herr Abgeordnete Külz, hat sich für den Antrag von Gallwitz ausgesprochen. Ich glaube, wenn er sich noch eingehend über diesen Begriff „Kampfzulage“ informiert, daß er von der Zustimmung zu dem Antrag von Gallwitz ab⸗ kommen muß.

Der Gedanke der Kampfzulage ist früher öfter hier im hohen Hause erörtert worden. Der Begriff Kampfzulage entspricht aber heute nicht mehr ganz seinem Wortsinn. Leider nicht, darf ich hinzufügen. Diese Kampfzulage ist auf so weite Kreise ausge⸗ dehnt worden, daß von einer eigentlichen Kampfzulage gar nicst mehr die Rede sein kann. Der ursprüngliche Begriff ist umge⸗ deutet worden. Man hat auch bisher eigentlich gar nicht von Kannpfzulagen gesprochen, sondern man hat von einer Zuwendung aus Tit. 84a gesprochen. Es ist nun nicht ganz ungeschickt hier der Begriff „Kampfzulage“ in den Antrag eingefügt; aber er trifft unter keinen Umständen das Wesen der Sache, wenn man bedenkt, wie diese Zuwendung jetzt gegeben wird.

Dann beachten sie auch noch eines! Wenn Sie den § 2 in der von Herrn von Gallwitz vorgeschlagenen Form annehmen, so schaffen Sie schließlich zwei Kategorien von Hinterbliebenen; denn dann müssen Sie auch diese sogenannte Kampfzulage teilweise in die Hinterbliebenenbezüge einrechnen, und das ist meines Er⸗ achtens dann nicht richtig; denn es haben Leute Kampfzulagen bekommen vom Landheer und von der Marine und bekommen sie immer noch, die an einem Kampf niemals teilgenommen haben, die einmal irgendwie in einer Beziehung zu einer Kampftruppe gestanden haben. Es kann gar keine Rede davon sein, daß dieser Begriff Kampfzulage etwa denen zukommen sollte, die an den Kämpfen tatsächlich aktiv teilgenommen haben. (Sehr richtig! bei den Soz.) Dieser Sinn ist im Laufe der Zeit vollständig ver⸗ ändert worden. Ich glaube nicht, daß der Reichstag eine der⸗ artige Verantwortung übernehmen kann, in das Gesetz von einer wohlgemeinten Absicht aus hernach die größten Ungerechtigkeiten einzufügen. 1

Ich bitte Sie deshalb, den Antrag Gallwitz abzulehnen.

Ich will auch die Gelegenheit benutzen, noch eine weitere Be⸗ merkung zu wachen. Meine Damen und Herren, der Reichs⸗

latz zu machen. Diese

ind für die

zag hat nun, getragen von allen Parteien, eine bedeuten

weiterung dieses Pensionsgesetzes vorgenommen. Darüber wird Ihnen vielleicht bald nach Weihnachten die Rechnung präsentiert werden müssen. Die Regierungsvorlage belastet den Haushalt des Reiches mit 900 Millionen Mark, und die Anträge der Par⸗

eien es sind ja jetzt alle Parteien daran beteiligt bringen eine

weitere Belastung von 500 Millionen Mark. Ich habe bisher nicht gehört. daß irgendeine Partei des hohen Hauses sich darüber aus⸗ gesprochen hat, wie sie sich zu einer derartigen Mehrbelastung

stellt. Nachdem alle Parteien die Regierungsvorlage in einem

solchen Maße verändern, entnehme ich daraus die Bereitwilligkeit, nach Weihnachten auch der Rechnung zuzustimmen, die ich Ihnen hernach in Form einer neuen Steuervorlage unterbreiten werde. (Bravol und Heiterkeit.)

Abg. Eckardt (Komm.): Wir werden entschieden gegen die Be⸗

strebungen der Rechtsparteien auftreten, auch denjenigen Pension zu geben, die schon ein hohes Einkommen beziehen.

Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Es liegt mir völlig fern, irgendeinen der Herren, die diese Kampfzulage bezogen haben, um diese Zulage zu bringen. Ich habe dem Herrn Abgeordneten von Gallwitz schon persönlich erklärt, daß von einer Aufhebung dieser Zulage zurzeit über⸗ haupt nicht gesprochen werde. Das Bedenkliche seines Antrags ist, daß der Begriff Kampfzulage den ursprünglichen Sinn nicht wehr hat, und daß Sie jetzt eine Form des Gesetzes beschließen wollen, die zweifellos über das hinausgeht, was der Herr Ab⸗ geordnete von Gallwitz selbst will. Wenn er sagt, daß nicht ge⸗ mͤgend Zeit gewesen ist, um das im Ausschuß durchzusprechen, so bedaure ich das. Dann ist es aber unmöglich, diesen Antrag in Plenum zu verabschieden, ohne ihn einer sorgfältigen Kom⸗ nissionsprüfung zu unterziehen, und ich bitte Sie, schon aus sormalen Gründen diesem Antrag nicht zuzustimmen. Durch die Ablehnung dieses Antrags wird niemand gekränkt und niemand verkürzt. (Zustimmung.)

Bei der Abstimmung wird die Anrechnung des Arbeitseinkommensabgelehnt und dafür der An⸗ trag der Koalitionsparteien betreffs Erledigung dieser Frage in einem besonderen Gesetz angenommen. Der Antrag Gallwitz und die übrigen Abänderungs⸗ anträge werden abgelehnt, nur wird der § 8, der die doppelte Anrechnung der Kriegsdienstzeit vorsieht, ge⸗

strichen. . Im übrigen wird das Gesetz nach den Ausschußvorschlägen

angenommen, ebenso in der sofort sich anschließenden dritten Lesung.

Es folgt die erste Beratung eines von allen Parteien

mit Ausnahme der Unabhängigen und Kommunisten einge⸗ brachten v über eine außer⸗ ordentliche eihilfe für Empfänger von Renten aus der Invalidenversicherung.

Dazu beantragen dieselben Parteien eine Reihe von Entschließungen, wonach die ersucht wird, dem Reichstag Maßnahmen zur Linderung der Not unter den Kleinrentnern, insbe⸗ sondere auf steuexrechtlichem Gebiete, vorzulegen, auch den Knapp⸗ schaftsrentnern, Witwen und Waisen, die jetzt die außerordentliche Beihilfe nicht erhalten, eine entsprechende Beihilfe zu verschaffen, eine Beihilfe auch den Rentnern der Angestelltenversicherung zu gewähren un der Notlage der Landesversicherungsanstalten spätestens bis zum . Iali 1921 abzuhelfen.

Die rechtsunabhängige Fraktionbeantragt zu dem voriegenden Gesetz auch eine einmalige Wirtschaftsbeihilfe und vom 1 Januar 1921 ab eine laufende Beihilfe. Für die irtschafts⸗ beihilfe soll eine Milliarde zur Verfügung gestellt werden. Die lofende Beihilfe soll für Invaliden und Altersrentner 50 monat⸗ lcch, für Witwen⸗ und Wikwerrentner 40 und für Waisenrentner

2 betragen. 1 Abg. Puchta (Komm): Die gerühmte volle Kompottschüssel der Sozialrentner ist in Scherben gegangen. Die Landesversicherungsan⸗ stalten haben ein Defizit von 754 Millionen Mark. Sie sind durch die Kriegsanleihewirtschaft bankerott geworden. Wenn die Regierung nach dem Rezept arbeitet, n Deutschland erst 15 Millionen verrecken müssen, koͤnnen wir zur Regierung kein Vertrauen haben. Wir müssen ie zwingen, die Not der Rentner zu lindern, von denen viele schon der ot zum Hpfer gefallen sind. Die Regierung hat hierfür kein Geld, aber sie brauchte nur die Wucherdividenden dafür nehmen. Die Nationalversammlung hat die soziale Abgabe geschaffen, die eine Milliarde erbringen sollte, um die Sozialrentner aufzubessern und die Lebensmittel zu verbilligen. Aber sie ist im Etat einfach ver⸗ schwunden. Ein neues Kriegsschis wird gebaut, aber für die Sozial⸗ rentner hat die Regierung kein Geld. Wir wollen die für die Versicherung verdoppeln und aus dieser Verdoppelung die enten erhöhen. Die kapitalistische Gesellschaft steht vor ihrer Götter⸗ dämmerung, die Arbeiterschaft hat von ihr nichts zu erwarten und muß sie mit allen Mitteln bekämpfen. Abg. Dr. Moldenhauer (D. V.): Um das Gesetz für die oklage der Rentner schnell zu verabschieden, lasse ich mich auf eine Polemik mit dem Vorredner nicht ein. Wir müssen hier wenigstens den ersten Versuch zur Linderung der größten Not machen. Aber gleich nach dem Wiederzufammentreten des Reichstags muß weiteres geschehen. Die schnelle Hilfe, 8 im Januar bereits die Beihilfe ausgezahlt werden kann, ist eine Tat. (Sehr . 1e Abg. Bartz (U. Soz. rechts): Auch wir wollen schnell un geündlich helfen. Lrnn schon im April d. J. ein ähnlicher Antrag beschlossen ist, so ist es Schuld der Parteien und der Regierung, daß noch nichts geschehen ist. Die Regierung erklärte im Ausschuß ein⸗ fach, sie haͤtte nicht die geringsten Mittel zur Verfügung. Die Na⸗ u hat aber durch die sogenannte Abgabe Mittel für die Reniner bereitstellen wollen, aber diese Abgabe ist einfach im allgemeinen Reichssäckel untergegangen, aber nicht zu dem bestimmten Zweck verwendet worden. Auf die Gemeinden darf die Last nicht ab⸗ gewälzt werden Die Landesversicherungsanstalten arbeiten mit einem Defizit von mindestens 800 Millionen Mark, die Anstalt Bexlin allein mit einem Defizit von annähernd 20 Millionen Mark. Die falsche Finanzpolitik 28 hat die Abwirtschaftung der Per⸗ sicherungsanstalten veranlaßt. Die Versicherungsanstalten mußten 20 Milliarden Kriegsanleihe zeichnen und dazu sogar selbst Anleihen aufnehmen, die sie jetzt zurückzahlen müssen. Diese Politik haben

die Politiker des Hauses bis zu den Mehrheitssozialisten mitgemacht. Der Militäretat allein erfordert jetzt 5 Milliardben.

Damit schließt die erste Le un 8 w 8

In der gleich anschließenden zweiten Ber 8n die A n 7 ã 29. e. Unabhängigen gegen deren Stimmen abgelehnt und der Gesetzentwurf selbst angenommen mit der von den Regierungs⸗ parteien und den Sozialdemokraten eingebrachten Entschließung über Vorlegung von Gesetzen zur Verbesserung der Lage der Sozialrentner und der Landesversicherungsanstalten.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurjes über den 1g. von Verordnungen für Zwecke der Uebergangsvirtschaft.

Der Ausschuß hat die Vorlage derart gestaltet, daß

die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats und eines

vom Reichstag gewählten Ausschusses von 28 Mitgliedern die Maßnahmen anordnen kann, ch ausschließlich die Regelung

des Uebergangs von der Kriegswirtschaft in die Friedensvirt⸗

schaft betreffen und beim Erlaß der Verordnung als hierfür notwendig und dringend erachtet werden. Neu beschlossen hat der Ausschuß, daß im Reichstagsausschuß gemeint ist der Volkswirtschaftsausschuß es zur Beschlußfassung über solche Verordnungen der Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder bedarf. Die Ausschußver⸗ andlungen sind öffentlich, soweit nicht der Ausschuß den Aus⸗ chluß der Oeffentlichkeit beschließt. Das Gesetz soll nur

is zum 1. April 1921 gelten.

Ein Antrag der Abgg. Waldstein (Dem.), Dr. Radbruch

Ses I. (Zentr.), Leutheußer 2 V.) will den Geschluß des Ausschusses, wie folgt, ändern: „Für Beschlüsse auf Ein⸗ führung, Verlängerung, Verän erungen oder Aufhebung von Bewirt⸗ schaftungen bedarf es in dem Reichstagsausschuß der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder.“ Abg. Lipinski (U. Soz.); Wir werden gegen die Vorlage stimmen, deren Annahme unter Umständen zu einer Aufhebung der ö— führen könnte. Die Interessenten be⸗ ommen so spat Nachricht von den Verhandlungen des Ausschusses, daß die Oeffentlichkeit dadurch illusorisch gemacht wird. Das Gesetz kann nur angenommen werden, da es eine Verfassungsänderung ist, wenn zwei Drittel der gesetzlichen Zahl der Reichstagsmitglieder an⸗ wesend sind, von denen wiederum zwei Drittel für die Vorlage müssen. Im Volkswirtschaftsausschuß sind nach uaseren Erfahrungen die Interessenvertretungen immer in den Vordergrund gerückt worden.

Abg. Dr. Herzfeld (Komm.): Nach der Verfassung werden die Reichsgesetze vom Reichstag beschlossen dieses Gesetz ist also eine Verfassungsänderung. Die Entscheidung aber,

Verfassungsänderung vorliegt, hat die Reichsregierung. Nach diesem hang önnten auch wichtige politische Dinge ledig⸗ lich einem Ausschuß übertragen werden. Unsere schwerindustrielle Gesetzgebung, zum Beispiel die Eisemwirtschaft, stammt auch aus diesem Ausschuß. Wirtschaftspolitische Gesetze von grundlegender Bedeut sollen nach der Verfassung erst dem Reichswirtschafts⸗ rat vorgelegt werden, aber das geschieht hier einfach nicht.

Abg. Waldstein (Dem.): Diese Einwände sind verfehlt, die Zwangswirtschaft stammte ja auch aus diesem Ausschuß. Die Uebertragung der Gesetzgebung an einen Ausschuß ist an sich bedenk⸗ lich und darf daher nur bei dringendem Bedürfnis erfolgen. Wir sind alle einig, daß dieses ,92 nur in Form einer Verfassungs⸗ änderung verobschichet werden soll, deshalb bedurfte es dieser Aus⸗ einandersetzungen nicht. Die Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung der Kartoffelwirtschaft und der Fleischwirtschaft steht außer Zweifel, denn sie ist auf Grund eines Gesetzes erfolgt, das mit Zweidrittel⸗ mehrheit beschlossen ist.

Das Gesetz wird mit dem Antrag Waldstein, in dem jedoch die Worte „Verlängerung, Veränderungen gestrichen sind, angenommen. Gegen die sofortige Vor⸗ nahme der dritten Beratung ist Widerspruch erhoben worden.

Es folgt die Beratung eines vom Abg. M üller⸗ Franken (Soz.) mit Unterstützung aller übrigen Par⸗ teien mit Ausnahme der Kommunisten eingebrachten An⸗ trages über den Erlaß eines Gesetzes, betreffend die be⸗ schleunigte Veranlagun zum Reichsnot⸗ opfer; in Verbindung damit wird beraten der neu ein⸗

egangene Gesetzentwurfüber die beschleunigte Seaan. und Erhebung des Reichsnot⸗ opfers, der von den Abgg. Trimborn (Zentr.), Dr. Stresemann (D. V.), chiffer (Dem.) eingebracht worden ist.

Während der ersterwähnte Antrag Müller⸗Franken nur Be⸗ stimmungen über die beschleunigte Veranlagung enthält, u. a. über das Verfahren, nach dem gegen den einstweiligen Steuerbescheid Ein spruch eingelegt ist, enthält der Antrag Trimborn Abänderungen auch sonstiger Bestimmungen der ursprünglichen Regierungsvorlage. Nach dem Antrag Trimborn u. Gen. ist das Reichsnotopfer, bweit es 10 % des abgabepflichtigen Ver⸗ mögens nicht übersteigt, mindestens aber zu einem Drittel der Ab⸗ abe beschleunigt zu entrichten. Die Abgabe ist bis zur Höhe eines Heittels in zwei gleichen Teilbeträgen am 1. März und * No⸗ vember 1921 zu zahlen. Der überschießende Teil (bis zu 10 % des abgabepflichtigen Vermögens) ist bis zum 1. Mai 1922 zu

‚len. Ist ein E“ am 1. Februar 1921 noch nicht zuge⸗ tellt, so ist die erste Teilzahlung am Schluß des auf die Zustellung folgenden Monats Fällig, die zweite 6 Monate später, jedoch nicht vor dem 1. November 1921, und die dritte weitere 6 Monate nach der Fälligkeit der zweiten Rate. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, soweit der Abgabepflichtige Flanbhoft macht, da die beschleunigte Entrichtung der Abgabe die Gefä hrdung der wirtschaftlichen Existenz, die Entziehung des für die Fort⸗ führung des Betriebes erforderlichen Kapitals oder Kredits oder die Beeinträchtigung des angemessenen Unterhalts für ihn oder seine Familie zur Folge haben würde; in diesen Fällen kann auch die

ahlung in den im Gesetz über das Reichsnotopfer vor 25 Teil⸗ trägen bewilligt werden. Soweit Einspruch erhoben wird, ist auf Antrag die Einziehung der Abgabe bis zur Zustellung des Ein pruchsbescheides auszusetzen. Die Se ten über die zins⸗ 109 Stundung der Abgabe zum Ausgleich von Härten in § 27 des Gesetzes über das iben unberührt.

Reichsnotopfer bleil Weiter bestimmt der Antrag Trimborn, daß die in der Reichs⸗ abgabenordnung vorgesehenen Verhandlungen. mit den Ab⸗

abepflichtigen nur bei Veranlagungen gemäß §§ 56 und 57 bes Gesetzes über das Notopfer erforderli sind, ebenso die in der Reichsabgabenordnung vorgesehene Mitwirkung der Ausschüsse. Beim Einspruch gegen den einstweiligen Steuerbescheid ist die Einziehung des bestrittenen Teils der Abgabe bis zur Zustellung des Einspruchs⸗ bescheides auszusetzen. Weiter werden Bestimmungen getroffen über den Inhalt des einstweiligen Steuerbescheides, der u. a. eine 5 lehrung über die zulässigen Rechtsmittel und eine vee ent⸗ halten sen, wann, wo und wie die Abgabe zu⸗ entrichten F ber Schließlich bestimmt der Antrag Trimborn, daß in den 8. 88 Gesetzes über das Reichsnotopfer am Schluß des Absatzes 1. er S atz einzufügen ist, daß, wenn das der Abgabe unterliegende Vermögen den Betrag von 5000 Mark nicht übersteigt, es von der Abgabe frei bleibt.

Ein Antrag Dr. Helfferich (D. Nat.) will in Abs. 1 des § 1 des Antrages Trimborn folgende Worte⸗ streichen: „soweit es 10 % des abgabepflichtigen .e. Ir. nicht übersteigt, mindestens aber“, ferner „bis zur Höhe eines Drittels“ und „der überschießende Teil (bis zu 10 % des ees Fslisztigen Vermögeng) ist zu zahlen bis zum 1. Mai 1922“. In Absatz 2 sollen die Worte gestrichen werden „und die dritte weitere sechs Monate nach der Fälligkeit er weiten Rate“. Eingefügt werden soll als Absa 2,a: „Der. nach

bsatz 1 beschleunigt êa zahlende Teilbetrag der Abgabe wird, soweit das Vermögen des Abgabepflichtigen aus Grundvermögen und Be⸗ triebsvermögen besteht, auf die Hälste herabgesetzt.’/ Schließlich soll olgender Absatz hinzugefügt werden; „Die beschleunigte Einzahlung folg nicht verlangt werden von Abgabep lichtigen, deren abgabe⸗ pflichtiges Vermögen nicht über 2 000 2 ark und deren Jahreseinkommen nicht über 10 000 beträgt.

Ein Antrag der Abgg. Dr. Becker⸗Hessen, Dr. Rießer (D. V.) und Gen. will in 12 Abs. 3 hinter den Worten „die Fort⸗ führung“ einfügen: „oder die notwendige Weiterentwicklung „und am Schluß hinzufügen: „der Steuerpflichtige kann diese Vergünstigung auch schon im Veranlagungsverfahren in Anspruch nehmen.

Abg. Dr. Helfferich (D. Nat.): Es wäre besser ge⸗ u die Antra steller selbst zuerst das Wort ge⸗ nommen hätten. ätte e erwartet, daß auch der

1 inist 8 ü isen Kompromißantr äußert Finanzminister zunächst sich über diesen scaerhheaeh. a aeaat

hätte.

3 So sind wir auf Zeitungsberichte angewiesen und e⸗ hört, daß hier mündliche Erklärungen abgegeben werden sollen, die also in der Luft schweben und die wir noch nicht kennen. Der Frei⸗ stellung der Vermögen bis zu 5000 stimmen wir ohne weiteres zu, es bleibt aber der § 1, zu dem wir fol aßen stehen: ir können eine sachliche Notwendigkeit, den § 1 der Regierungsvorlage in der einen oder anderen Weise jetzt zu verabschieden, nach wie vor nicht anerkennen. Einer beschleunigten Veranlagung haben wir auch schon zugestimmt, obgleich wichtige Rechte der Steuerzahler außer Kraft gesetzt werden. Die einstweilige Veranlagung soll erfolgen ohne Zuziehung des Steuerpflichtigen und der Ausschüsse, die in der Reichsabgabenordmu ind. Gut, damit können wir uns abfinden. Unter unserer Mitwirkung ist auch die Bestimmung zu- stande gekommen, daß ein Einspruch des Steuerpflichtigen gegen seine vorläufige Veranlagung im Gegensatz zu den allgemeinen Bestim⸗ mungen der Reichsabgabenordnung aufschiebende Wirkung haben soll. Die Sozialdemokraten unterbrechen den Redner fortwährend mit Zurufen.) Ich frage, fällt darum die Regierung, weil Paragraph 1 jetzt oder in drei Wochen erledigt wird? Wozu ist es nötig, Unruhe ins ganze Volk hineinzutragen? (Zuruf b. d. Soz.: Sie sind der Verschlepper der Steuergesetze!) Ich verbitte mir solche Vorwürfe. Sie werden mir und meinen Freunden nicht bestreiten wollen und können, daß wir sachliche Mitarbeit leisten, wir können aber nicht die Notwendigkeit anerkennen, jetzt eine Entscheidung über das Knie zu brechen. Wir haben auch sehr positive Gründe, darüber erst nach Neujahr zu beraten. Der eine Weg ist die beschleunigte Einziehung des Notopfers und der andere die angsanleihe. Daß mit der Annahme des vorliegenden Entwurfes die Zwangsanleihe für lange Zeit erdrosselt ist, darüber müssen Sie sich klar sein. Auch der Reichsfinanzminister hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Erreichung des ihm vorschwebenden Zieles nur auf zwei ver⸗ schiedenen Wegen möglich sei, auf dem einen oder dem anderen, nicht auf dem einen und dem anderen, er sprach von einer Alter⸗ native. Schon diese Stellungnahme des Finanzministers sollte uns veranlassen, beide Wege einer sorgfältigen Prüfung zu unter⸗ ziehen und nicht nur den einen. Obwohl der Finanzminister selbst für die Zwangsanleihe gestimmt hat, aber im Kabinett damit unter⸗ legen ist, hat er sich xußs den formalen Standpunkt gestellt, daß er an den Kabinettsbeschluß gebunden sei und keine neue Vo loge ein⸗ bringen könne. Nach der Schätzung des Reichsbankpräsidenten würde die Zwangsanleihe mehr als das Doppelte so viel bringen als die Regierungsvorlage. (Hört! Hört! rechts.) Auf der anderen Seite ist die Zwangsanleihe für unsere Wirtschaft nicht so drückend, ich spreche nicht von dem einzelnen, der hat jetzt kein Recht, die Hauptsache ist das Schicksal des Volkes. (Lärmende Zurufe b. d. Soz.) Die Zwangsanleihe gibt auch, wie der Reichsbankpräsident ausführte, dem Inhaber ein Lombardpapier in die Hand, womit er sich bei den Darlehnskassen und anderwärts Geld verschaffen kann. Und darum, weil wir diesen noch nicht genügend erörterten Gedanken offen halten wollen, wehren wir uns dagegen, daß diese Entscheidung schon heute gefällt wird. Mir liegt insbesondere das Schicksal der kleinen Rentner am Herzen. Und dann bleibt folgendes in der Schwebe: Heute soll nach dem zufälligen Vermögensstand vom 31. Dezember 1919 30 Jahre lang eine bestimmte Rente gezahlt werden, in der Land⸗ wirischaft sogar 50 Jahre. Ich habe die Ueberzeugung, daß die Nationalversammlung sich gar nicht klar gemacht hat bei ihrem Be⸗ schluß, was das ist. Ein sehr großer Teil des Einkommens wird durch diese starre Last weggenommen, es wirkt automatisch wie eine Guillotine für kleine Existenzen. Weiter bleiben in der Schwebe die Bewertungsgrundsätze, wo wir völlig im Dunkeln tappen (sehr richtig! rechts), namentlich auch die Bewertungsgrund sätze für Grurbstücke Diese Angelegenheit hat in weiten Kreisen stärkste Beunruhigung hervorgerusen, insbesonderve bei der Landwirt⸗ schaft. Redner geht zum Schluß auf Einzelheiten seiner Anträge ein. (Beifall rechts.)

Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die politische Seite dieser Angelegenheit nicht ein⸗ gehen, weil es unnötig und weil eine Zuspitzung der politischen Lage nicht gegeben ist, sofern die Parteien dieses Hauses dem vorliegenden Kompromißantrag sämtlicher Regierungsparteien zustimmen. Ich habe keinen Anlaß, Oel ins Feuer zu gießen, und ich habe Sie nur im Namen der Reichsregierung zu ersuchen, der Vorlage, wie sie von den Regierungsparteien eingebracht ist, Ihre Zustimmung zu geben. Im übrigen möchte ich nur zwei Kleinigkeiten vorausschicken.

Es ist von dem Herrn Abg. Dr. Helfferich behauptet worden, daß die Zwangsanleihe erdrosselt worden sei. So war die Sache nicht. Der Herr Abg. Dr. Helfferich hat selbst hervorgehoben, daß ich persönlich den Herrn Reichsbankpräsidenten Havenstein gebeten habe, im Ausschuß in aller Freimütigkeit ohne jede taktische Er⸗ wägung seine Meinung zur gegenwärtigen Finanzlage und zur Finanz⸗ politik zu sagen. Diesem meinen Ersuchen ist der Herr Reichsbank⸗ präsident Havenstein in dankenswerter Weise nachgekommen, und er hat zweifellos auf die Kommission durch seine Ausführungen, wie ich glaube, auch auf die ganze deutsche Oeffentlichkeit, einen großen Eindruck gemacht. Ich bin ihm heute noch für diese Ausführungen dankbar. Es ist richtig, daß der Herr Reichsbankpräsident in dieser seiner Rede für die Zwangsanleihe plädiert hat. Ich habe ihm das nicht übelgenommen. Mir war die Sache sogar taktisch sehr erwünscht, wenn Sie auch meine Taktik vielleicht nicht anerkennen wollen. Allein, meine Damen und Herren, darauf kommt es nicht an und kam es auch für die Reichsregierung nicht an, etwa nun von seiten der Re⸗ gierung aus Stellung zu nehmen zu der Rede des Herrn Reichsbank⸗ präsidenten Havenstein. Es war Sache der politischen Parteien, aus dieser Rede etwaige Konsequenzen zu ziehen. Ich stelle aber fest, daß ich bei den Regierungsparteien, auch bei einer Partei der Linken, keine Geneigtheit gefunden habe, auch nur in etwa dem Gedanken einer Zwangsanleihe jetzt näherzutreten. Da habe ich doch von mir aus keinen Anlaß, etwa im Namen der Reichsregierung einen Ent⸗ wurf vorzulegen. Diese Frage, Herr Dr. Rießer, ist im Kabinett zur Entscheidung gekommen. Im Neichskabinett ist diese Frage ent⸗ schieden worden, daß es sich jetzt nur um die vorläufige teilweise Ein⸗ ziehung des Notopfers handeln kann. Das stelle ich fest. Das Er⸗ gebnis dieser Haltung der Reichsregierung ist jetzt der vorliegende Antrag der drei Regierungsparteien. Ich habe keinen Anlaß mehr, rückwärtsgehend hier noch einmal eine Erörterung, wie das Reichs⸗ notopfer hier zweckmäßig durch eine andere Vorlage zu ersetzen sei, aufzuziehen. Die Regierung ist den Weg gegangen, den ihr der

Kabinettsbeschluß vorgeschrieben hat.

Herr Dr. Helfferich hat auch heute wie im Ausschuß den Stand⸗ punkt des Herrn Staatssekretärs Moesle als nicht im Einklang stehend mit meinen Darlegungen hingestellt. Ich stelle fest, daß Herr Staatssekretär Moesle vor allen Regierungsparteien gestern die Er⸗ klärung wiederholt hat, daß er unbedingt auf der Verabschiedung des § 1 in der heutigen Form bestehen müsse. Dieser Standpunkt des Herrn Moesle deckt sich vollkommen mit dem Standpunkt des Finanz⸗ ministers. Ich bin Herrn Dr. Helfferich sehr dankbar, daß er in etwa diesem jetzt leider vielsach zu Unrecht angefeindeten Mann, wenn auch nur sachlich, eine kleine Genugtuung hat zuteil werden lassen, indem er ihn als den besten Kenner dieser Materie bezeichnet hat. (Dr. Helfferich: Im Reichsfinanzministerium!) Als den besten Kenner der Materie im Reichsfinanzministerium! (Abg. v. Graefe: Das braucht nicht viel zu besagen!) Herr v. Graefe, ich glaube,

daß Sie keinen Anlaß haben, einen derartigen ironischen Zwischenruf