1920 / 289 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Sie, Herr v. Graefe, in das Finanzministerium gekommen sind und irgendeinen Wunsch gehabt haben, sind Sie niemals mit einer Be⸗ merkung beehrt worden, wie Sie sie sich jetzt gestatten. Ich verstehe nicht, wie Sie einen solchen Zwischenruf machen konnten. Die Herren sollten ihre Zwischenrufe erst erwägen, ehe sie das Unglück angerichtet haben. (Abg. Dr. v. Graefe: Das überlassen Sie mir!) b Es ist vorhin bemängelt worden, daß die Ausführungs⸗ bestimmungen, die hinausgegangen sind, nämlich die Grundlagen für die Wertermittlung für das Reichsnotopfer, ungeeignet sind, in Geltung zu bleiben und umgearbeitet werden müssen, ehe dieser § 1 verabschiedet werden kann. Das war wohl der Sinn der Ausführungen des Herrn Dr. Helfferich. Er bestätigt mir das durch Zunicken. Ich darf noch feststellen, daß diese Ausführungsbestimmungen unterzeichnet sind vom besten Kenner der Materie im Reichsfinanzministerium,

amlich vom Herrn Staatssekretär Moesle. Ich will aber ein weiteres sagen: mir ist es nicht unerwünscht gewesen, daß die Herren in eine Besprechung dieser Bestimmungen eingetreten sind und noch

intreten werden. Ich habe das geradezu provoziert, Herr Dr. Helfferich, aber nicht durch den Anlaß, den Sie hervorgehoben haben, sondern durch einen ganz anderen Anlaß. Ich weiß nicht, wenn Sie sich einmal die Taktik überlegen, die Sie jetzt anwenden, diese Angelegenheit auch hier im Plenum zu erörtern, ob Sie damit den bäuerlichen Interessen dienen. Ich behaupte das Gegenteil. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Der Vorwurf, der

egen die Grundlagen der Leitsätze erhoben worden ist, kam nämlich

n Ausschuß nicht von rechts, sondern von links. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Wenn ich mich recht erinnere, war es der Herr Abgeordnete Simon, der recht temperamentvolle Aus⸗ führungen des Inhalts machte, als ob die Bauernschaft Deutschlands bei diesem Notopfer nicht genügend herangezogen werde. Das war der Sinn seiner Ausführungen, die sehr scharf vorgetragen waren. Darauf habe ich erklärt, daß ich, nachdem von der linken Seite des Hauses in der Kommission dieser Vorwurf erhoben war, und nachdem andrerseits außerhalb des Hauses insbesondere der Herr Abgeordnete Dr. Heim in seinem bekannten Artikel im „Fränkischen Bauer“ die Politik der Wertermittlung, der Wertbemessung, die Frage des Er⸗ tragswertes als eine Mördewolitik bezeichnet hat, als Finanzminister den dringenden Wunsch habe, eine Nachprüfung dieser Grundsätze ein⸗ treten zu lassen. Aber nicht in dem Sinne, wie der Herr Vorredner es ausgeführt hat, daß nun alle Vorbesprechungen zunichte gemacht seien. Davon ist gar nicht die Rede, Herr Dr. Helfferich. Ich gebe zu, es waren bäuerliche Vertreter aus den Kreisen der Deutsch⸗ nationalen, der Deutschen Volkspartei, des Zentrums, der Demo⸗ kraten und auch der Bayerischen Volkspartei bei mir, und wir haben in Besprechungen im Finanzministerium mit den Herren erwogen, wie wir in eine Neuordnung dieser Grundsätze eintreten wollen. Ich habe nichts aufgehoben, nur das habe ich betont, und das wiederhole ich hier, daß keinerlei Bindungen aus jenen Besprechungen heraus von mir anerkannt werden können, wenn sie erfolgt sein sollten, ehe nicht diese Materien in Gegenwart aller Parteien im Ausschuß erörtert werden seien. Dieser Standpunkt ist ein ganz loyaler. Der hebt nichts auf, was erfolgt ist, er legt vielmehr die Möglichkeit fest, die Erörterungen über diese Wertbemessung im Ausschuß unter Mit⸗ wirkung des Herrn Abgeordneten Dr. Helfferich einer sachgemäßen Nachprüfung zu unterziehen. Ich weiß nur nicht, ob die Herren nicht besser getan hätten, davon zu schweigen und nicht hier auch noch zum Gegenstand von Besprechungen im Plenum zu machen. Es ist ganz selbstverständlich, daß diese Nachprüfung eine sorgfältige sein muß. Ich habe bereits von bäuerlichen Vertretern gehört, daß sie dringend ge⸗ wünscht hätten, die Angelegenheit hätte im Plenum nicht erörtert werden sollen. (Hört! Hört! Zurufe bei den Deutschnationalen.) Ich weiß gar nicht, warum die Herren so unruhig sind; es soll ge⸗ schehen, genau wie ich Ihnen zugesagt habe. Das hat aber mit der Verabschiedung des § 1 zunächst nichts zu tun.

Es ist nun von dem Herrn Abgeordneten Dr. Helfferich ge⸗ wünscht worden, daß ich zu seinen Anträgen im einzelnen Stellung nehme. Ich will zum letzten Punkt Stellung nehmen, zum Punkt 4 will vorher mich aber noch dem Antrag Dr. Becker, Dr. Rießer und Genossen zuwenden, die den Antrag gestellt haben, in § 1 Abfsatz 3 hinter dem Wort „Fortführung“ einzufügen: „oder die notwendige Weiterentwicklung; und zweitens am Schluß hinzuzufügen: „Der Steuerpflichtige kam diese Vergünstigung auch schon im Veran⸗ lagungsverfahren in Anspruch nehmen.“ Der zweite Punkt gehört nach der Auffassung unseres Amtes nicht in das Gesetz. Dem kann shn weiteres entsprochen werden, aber nicht im Rahmen des Ge⸗

Was aber den ersten Punkt anbetrifft, auf den Herr Dr. Becker roßen Wert zu legen scheint, daß nämlich eingefügt werden soll: „die notwendige Weiterentwicklung des Betriebes soll garantiert werden“, so muß ich sagen: Herr Abg. Dr. Becker, wenn das in das Gesetz jommt und dem Rechtsmittelverfahren ausgesetzt ist, so bin ich über⸗ zeugt, daß die betreffenden Betriebe daraus zunächst keinen Gewinn haben werden. Diese Frage ist nicht eine Rechtsfrage, sondern ist schließlich eine Ermessensfrage, bei der aus wirtschaftlichen Grund⸗ sätzen heraus eine Beurteilung erfolgen soll. Wenn Sie das in das Gesetz hineinbringen, müssen Sie selbstverständlich zunächst bei den Veranlagungsbehörden doch vorher wieder Richtlinien ausgeben, wie wir diese „Weiterentwicklung“ uns begrifflich und sachlich vorstellen. Ich glaube, der Begriff „Entwicklung“ ist viel zu dehnungsfähig, als daß er in das Gesetz hineinkommen könnte. Ich warne Sie dringend und bitte Sie herzlich, diese Schwierigkeit in das Gesetz nicht hinein⸗ zulegen und den Antrag Dr. Becker, Dr. Rießer und Genessen ab⸗ zulehnen, sachlich sind wir, glaube ich, in diesen Dingen einig. Das kann auch auf dem anderen Wege geschehen, nicht auf dem Wege des Gesetzes, sondern auf dem Wege der Anweisung an die Finanz⸗ ämter. Wir wollen hier nicht generalisieren, wir wollen indi⸗ vidualisieren. Wir wollen für jeden Betrieb die Möglichkeit schaffen, bei der Veranlagungsbehörde durch Mitwirkung des Landesfinanz⸗ amts grundsätzlich auf jedes wirtschaftliche Individuum entsprechende Rücksicht zu nehmen. (Sehr richtig!)

Der Herr Abgeordnete Dr. Helfferich hat dann insbesondere ge⸗ wünscht, daß zu seinem Antrage Stellung genommen wird. Ich ver⸗ kenne die Lage der Kleinrentner in Deutschland nicht. Aber der Abs. 4 des Antrages umfaßt ja zweifellos nicht die Kleinrentner allein. (Zurufe rechts.) Die Kleinrentner können hier sub⸗ summiert werden, sie sind subsummiert. (Erneute Zurufe rechts.) Ja, ich weiß nicht, was Sie meinen. Sie beziehen sich doch auf den Antrag auf Nr. 1232 Ziff. 4, nicht wahr? (Zustimmung rechts) Da heißt es: 5

Die beschleunigte Einzahlung (Abs. 1) darf nicht verlangt werden von Abgabepflichtigen, deren abgabepflichtiges Vermögen nicht über 200 000 und deren Jahreseinkommen nicht über 10 000 beträgt.

Ich stelle fest, daß darunter nicht nur die Kleinrentner fallen, daß Sie unter dem Begriff der Kleinrentner hier eben allgemein eine Zusage verlangen, die heute in diesem Umfange nicht gegeben werden kann. Ich will gern meine Hand dazu bieten das kann ich hier erklären —, daß wir die von Ihnen besonders gewünschte Schonung der Kapitalkleinrentner berücksichtigen. Ich habe bereits an anderer Stelle ich glaube, die Herren, die die Beratungen der letzten Wochen mitgemacht haben, werden mir das nicht abstreiten können wiederholt auf die Fürsorge für diese wahren Opfer des Krieges als eine notwendige Staatsaktion hingewiesen, die wir vielleicht nicht mehr lange hinausschieben können. Die Frage ist nur: wo ist der Weg zu finden? Der Weg ist gewiß zunächst auf steuerlichem Gebiete zu finden, um den Kleinrentnern Erleichterungen zu verschaffen. Wir sind bereit, im weiteren Verfolg des Gesetzes diesem Gedanken des Schutzes der Kleinrentner nachzugehen. (Bravo!) In diesem Sinne glaube ich, können wir den § 1 in der Regierungs⸗ vorlage verabschieden, ohne damit der ‚Ziff. 4 in dem Antrag des Herrn Dr. Helfferich entsprechen zu müssen. So wie die Sache hier vorliegt, ist nicht nur an die Kleinrentner gedacht, sondern es ist weit darüber hinaus ein Kreis geschaffen, über den wir uns zuerst in der Kommission unterhalten müssen. Ich glaube, die Verab⸗ schiedung des § 1 schafft nicht eine Beunruhigung im deutschen Volke, sondern sie wird im Gegenteil eine Tat sein (sehr richtig!), bei der die Reichsregierung und die Parteien Ernst damit machen, nun den Besitz tatsächlich bei der Not des Reiches heranzuziehen. (Sehr wahr!) Meine Damen und Herren! Daß dieser Weg betreten wird, halten wir für eine politische Notwendigkeit allerersten Ranges. (Lebhafter Beifall bei den Deutschdemokraten und im Zentrum.)

Dr. Becker⸗Hessen (D. V.): Wenn die Besitz⸗ steuern noch nicht vhfchelle eingezogen sind, so liegt das nicht an den Besitzenden, sondern an der Ueberlastung der Finanzämter. Die Veranlagung der Besitzsteuern und des Notopfers ist bereits erfolgt. Die Einkommensteuer wird nicht nur bei den Arbeitern, sondern auch von allen Angestellten mit festen Bezügen bis zum höchsten Beamten des Reiches und bis zum mächtigsten Generaldirektor durch Abzug erhoben. Die Vermögenssteuern sind nicht nur veranlagt, sondern zum Teil auch schon eingegangen, aber noch nicht vollständig, weil im Gesetz die Stundung vorgesehen ist. Gegen das vorliegende Gesetz haben nicht nur wir, sondern auch die Demokraten wie Dernburg, und auch Blunck, Bedenken gehabt, und auch das Zentrum hat es nicht als die einzige Möglichkeit zur Ab⸗ hilfe der Finanznot angesehen. Niemand darf also sagen, daß die⸗ jenigen, die aus dem Gesetz etwas Brauchbares machen wollten, sich im Interesse der Besitzenden gemüht haben. Unsere Haltung gegen⸗ über dem Gesetz war von vornherein gegeben. Wir haben seinerzeit mit guten sachlichen Gründen das Notopfergesetz bekämpft, müssen uns heute aber auf den Boden des Gesetzes stellen. Die Vorlage bringt eine Verschärfung des Notopfergesetzes; daß wir ihr zustimmen, wird niemand von uns erwarten. Rücksicht auf die Koalition nehmen wir gern, soweit es mit unseren Grundsätzen verein⸗ bar ist. Wir verlangen bindende Vorschriften, daß der land⸗ wirtschaftliche und gewerbliche Besitz nur bis zur Hälfte heran⸗ dezogen wird, wir haben jetzt wenigstens erreicht, daß die wirt chaftliche Existenz und der Familienunterhalt geschont wird. Die Inanspruchnahme der Vergünstigung schon bei der Veran⸗ la ung gehört sehr wohl in das Gesetz selbst, ebenso die Bestimmung, daß die notwendige Weiterentwicklung des Betriebes geschont wee Unsere Betriebe müssen sich ganz anders entwickeln als bisher. Wir haben große Wünsche zurückgestellt aber nicht für alle Zeit. Man wird kaum ohne die Zwangsanleihe auskommen. Unsere Bedenken würden dadurch gemindert, daß Sie unseren Anträgen zustimmen. Unsere sachlichen Bedenken gegen den Entwurf sind keineswegs rest⸗ los erledigt. Wenn wir sie aber zurückstellen, so leitet uns die Rück⸗ 8 neufeenpotschen. um nicht der Regierung die Schwierigkeiten zu machen, die gestern angekündigt sind. (Beifall.) 8 8 3

Abg. Dr. Blunck (Dem.): Wir haben seinerzeit als verant⸗ wortliche Regierungspartei das Reichsnotopfer mit beschlossen. Der Widerstand der Deutschnationalen war zu erwarten, denn sie haben damals gegen das Reichsnotopfer gestimmt. Aber sie haben damals selbst beantragt, den Ertvag zu einem Drittel durch eine einmalige Vermögensabgabe und zu zwei Dritteln durch eine Zwangsaaleihe aufzubringen (hört, hört!), sie gingen also damit noch weit über die jetzige Vorlage hinaus. Unser Wirtschaftsleben hätte eine solche Ent⸗

ziehung des Kapitals nicht ertragen. Wir konnten damals nicht über⸗ sehen daß die Steuereinziehung sich so lange verzögern und das Reich in solche Bedrängnis kommen würde. Wir verschließen uns daher nicht der Eiasicht, trotz grundsätzlichen Bedenken, daß Geld in die Reichskasse zu S1

en

etwas geschehen muß, um mehr Zur Erhaltung unserer Finanzwirtschaft müssen wir uns auf Boden der Vorlage stellen. Der Antrag Becker enthält nicht nur einen dehnbaren Begriff, sondern gibt auch der Willkür Raum. Von erheblicher Bedeutung, namentlich auch für kinderreiche Familien, ist die Steuerfreiheit des Betrages von 5000 Mark. Im Ausschuß haben wir durchaus anerkannt, daß entsprechend der Entwertung des Geldes und der um mindestens 100 Prozent gestiegenen Kosten der Lebens⸗ haltung auch beim Reichsnotopfer entsprechende Aenderungen gemacht werden, dessen gesetzliche Einführung zu einer früheren Zeit erfolgt ist. Eine der wichtigsten Aenderungen ist, daß wir die Bestimmungen über die zinslose Stundung ändern, indem wir das Doppelte der Sätze hineinschreiben und damit noch über den Antrag Helfferich hinausgehen. Der Selee, hat einmütig den Wunsch aus⸗ gesprochen, schon vor dem Wiederzusammentritt des Pleaums zu⸗ sammenzutreten, und ich kann namens meiner Freunde nur die Er⸗ wartung aussprechen, daß es uns dann gelingen wird eine be⸗ 85 Vereinbarung über alle notwendigen Aenderungen zu inden. 2

Abg. Dr. Braun⸗Franken (Soz.): Wir wundera uns außerordentlich, daß ein so guter Kenner der Finanzverhält⸗ nisse des Reichs,) wie Herr Helfserich, diese ganze Frage rein vom Standpunkt des kagpitalistischen Interesses behandelt und darüber versäumt, die ganzen Zusammenhänge der inneren und äußeren Politik zu erötern. Seine Ausführungen müssen den Ein⸗ druck erwecken, daß wir keinea Zahlungswillen haben. Zwangs⸗ anleihe bedeutet eine Bankerottansage, und es handelt sich doch vor allem darum, die Leistungsfähigkeit Deutschlands in Erscheinung treten zu lassen, damit es nicht unter fremde Zwangskontrolle kommt. s wäre gut gewesen, daß vielleicht mal der Minister des Aus⸗ wärtigen uns im Steuerausschuß gesagt hätte, welchen Eindruck im Ausland die Steuertaktik des Herrn Helfferich macht. Auch der Arbeitsminister hätte sich in die Kommission bemühen können und uns die Wirkungen auf die Millionen von Arbeitern darlegen, die die Nichterhebung des vtenfens nicht verstehen würden. Einkommen und Vermögen der Landwirtschaft richtig zu erfassen, ist das schwie⸗ rigste Problem für jeden Steuerpolitiker. Nach meiner Ansicht ge⸗ nügte es zu bestimmen in einem Gesetz, daß kein Gut höher verkauft werden darf, als es zur Steuer veranlagt ist. Den Antrag Becker lehnen wir ab. Wir werden für die Vorlage der Regierungsparteien stimmen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Henke (II. Soz.): Die Bourgeoisie hat es stets ver tanden, sich ihren Steuerverpflichtuagen zu entziehen. 8. Helf⸗ ferich kann ich hezeugen, daß er das Muster eines oppositionellen Politikers ist. Er hat als Finanzminister während des Krie

unsere traurige Finanzlage verschuldet, und heute stellt sich Herr

dieser Vorlage zuzustimmen, aber wir müssen den Kapitalisten aus den und Klauen ziehen, was in der größten Not des Volkes nur herauszuziehen ist. Herr Helfferich will auch jetzt wieder die darin unterstutzen, sich ihren Verpflichmwongen zu ent⸗ ziehen.

Vizepräsident Dietrich: Der Abg. von Graefe hat der Rede des Herrn Fimazminifters einen Zwischenruf gemacht, . andeutete, daß den Beamten des Reichsfinanzministeriums eine verhältnismäßig geringe Sachkunde zukommt. Die Verkehrs⸗ formen der rren Mitglieder des Reichstages mit Regierung haben in den 22 Jahren, die ich die Eh dem Hause anzugehören, keine Verbesserung erfahren. Darüber will ich jetzt nicht reden. (Lachen und Zwischenrufe links.) Mir ist mitgeteilt worden, daß diese Bemerkung Kreise trifft, die außerhald der Mitglieder dieses Hauses und der dem Hause verantwortlichen Minister stehen, daß Beamte des Reichsfinanzministeriums es als schwere Kränkung empfinden müssen, wenn ihnen geringfügige Sach⸗ kunde auf ihrem eigensten Gebiet nachgesagt wird. Ich bin über⸗ zeugt, daß der Abg. v. Graefe eine solche Absicht nicht gehabt hat und sich dessen bei seiner Aeußerung nicht bewußt gewesen ist. (Stürmische Heiterkeit links.) Ich hielt es aber nicht für überflüssig, das hier zu konstatieren.

Abg. Dr. Helfferich (D. Nat.) wird bei seinem Wieder⸗ erscheinen auf der Rednertribüne auf der äußersten Linken mit stür⸗ mischen Zurufen begrüßt. Unter anderem ertönt der Ruf: Der Angeklagte hat das Wort! Abg. Helfferich führt aut. Herr Henke hat wieder die alten Diage gegen mich vorgebrach nur daß sein Geist etwas massiver zu sein scheint als der dees Herrn Dr. Breitscheid. (Großer Lärm auf der äußersten Linken, Fine Unwahrheit wird durch häufige Wiederholungen mih richtig. (Großer Lärm auf der außersten Linken und sir⸗ mische Zurufe. Glocke des Präsidenten.) Ich habe keine ⸗. anlassung, auf alle diese Dinge wieder zurückzukommen, bloß weirs Herr⸗ Henke gefällt, derartige unqualifizierbare Angriffe loszulase. Ich überlasse es dem Urteil des Hauses und der weitesten Oeffentlih feit, ob die Rede Henkes, die zur Unterstützung der Regieruag⸗ vorlage gehalten wurde, sachlich war, oder ob meine Rede gegen de Vorlage sachlicher war. (Beifall rechts.)

Abg. Dr. Roesicke 8 Nat.): Die Landwirtschaft will um gerecht behandelt werden, sie hat aber keine besonderen Wünsche außerhalb des Rahmens dieses Gesetzes.

Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Ich bin dem Herrn Abge⸗ ordneten Dr. Roesicke dankbar, daß er anerkannt hat, daß heute diese Grundsätze nicht besprochen werden sollten, möchte aber einige Herren auch vor einem verhängnisvollen Irrtum bewahren, daß sie ehrva annehmen, daß die von dem Herrn Abgeordneten Dr. Helfferich be⸗ mängelten Grundsätze der Wertbemessung allgemein verurteilt würden. So ist es nicht. Ich kann den Herren mitteilen, daß an uns aus landwirtschaftlichen Kreisen Zuschriften gekommen sind ich werde den Herren im Ausschuß später aus den Akten das vorlesen —, die dringend bitten, an den Grundsätzen der Bewertung auch fernerhin festzuhalten. Gerade aus Schlesien sind diese Stimmen zu uns gekommen. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Es kann also nicht so unerhört schlecht sein, was in diesen Grundsätzen steht.

Aber, wie gesagt, wir sind bereit, im Ausschuß in Gegenwart aller Parteien diese Grundsätze zu erörtern und sie, soweit möglich, durch Vereinbarung mit allen Parteien festzulegen.

Abg. Dr. Rießer (D. V.): Es ist durchaus nicht selbstver⸗ ständlich, daß die betreffende Vergünstigung auch schon im Wran⸗ lagungsverfahren in Anspruch genommen werden kann. Wir müssen

das im deutlich zum Ausdruck bringen. Ich nehme ferner m, Wiederzusammentreten auch die Be⸗

daß der Ausschuß bei seinem stimmungen über Hinterlegung der Kriegsanleihe im Sinne der Be⸗ schlüsse des Unterausschusses verbessem wird. Für die Zwangs⸗ anleihe traten wir zuerst in dem Gedanken ein, sie organisch mit dem Notopfer zu derart, daß eine Zahlung auf Zwangs⸗ anleihe auf das Notopfer angerechnet werde. Ob dann, wenn man dieses Notopfer mit seinen ungeheuren Sätzen eingeführt hat, noch eine Zwangsanleihe möglich sein wird, halte ich für sehr gweifelhaft. Sie können das versuchen, namentlich der Chor der Nichtsachverstän⸗ digen kann das vorschlagen, aber herauskriegen werden Sie dabe nichts als die Reste einer darniederliegenden Wirtschaft. (Beifal bei der Deutschen Volkspartei.)

Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth: Meine Damer und Herren! Ich bin dem Herrn Abgeordneten Dr. Rießer für seine Ausführungen außerordentlich dankbar. Ich anerkenne mit ihm gern, daß die Parteien, die der Vorlage Bedenken em⸗ gegengebracht haben, ein großes Opfer bringen, indem sie keute diesem Antrag zustimmen. Für dieses Opfer bin ich nanens der Reichsregierung besonders dankbar.

Dann hat der Herr Abgeordnete Dr. Rießer gewünscht, daß ich noch einmal Stellung nehme zu den zwei Anträgen, die er und sein Fraktionsgenosse Dr. Becker (Hessen) gestellt haben. Ich darf sagen, daß ich dem Antrag unter Ziffer 2 zustimme. Ich darf aber noch einmal wiederholen: wir hätten auch diese Ziffer 2 zur Ausführung gebracht außerhalb des Rahmens des Gesetzes. Wenn aber die Herren Wert darauf legen, daß diese Ziffer 2 in das Gesetz hineinkommt, so darf ich die Parteien bitten, diesem An⸗ trag zuzustimmen.

Was nun den Antvag unter Ziffer 1 angeht, nämlich das Verlangen, hinter den Worten „die Fortführung“ einzufügen „oder die notwendige Weiterentwickelung“, so habe ich vorhin schon betont, daß es unser Bestreben sein wird, durch Anweisungen für die Landesfinanzämter, dem wirtschaftlichen Individium durch⸗ aus entgegenzukommen, und daß ich gern bereit bin zu erklären, daß dieser Begriff für die Fortführung des Betriebes sehr wohl eine notwendige Weiterentwickelung, die die wirtschaftliche Existens ermöglicht, umfassen soll. In diesem Sinne bin ich bereit, auch nach außen eine schriftliche Erklärung an die Finanzämter zu geben. 1.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, es uns nachzufühlen, daß es nicht im Sinne des Gesetzes liegen kann, durch eine solche Novelle einen wirtschaftlichen Betrieb zum Er⸗ liegen zu bringen. Das wäre doch steuerlich gerade das törichtste. was wir machen könnten. Daß große Opfer verlangt werden und verlangt werden müssen, und daß die größte wirtschaftliche Energie in allen diesen Betrieben aufgewandt werden muß, um die Opfer zu tragen, die jetzt verlangt werden, ist ganz selbstverständlich. Aber der Herr Abgeordnete Dr. Becker (Hessen) selbst hat ja gesagt, in der äußersten Not des Reiches sei auch er bereit, für den Besitz diese Opfer zu fordern, und er sei mit seiner Fraktion gewillt, dieser großen Notlage durch ein politisches Opfer noch besonders Rechnung zu tragen.

Mit einigen weiteren Bemerkungen des Abg. 28— Roesicke, der sich nochmals gegen die Bewertungsgrund⸗ sätze für Grund und Boden wendet, schließt die erste Beratung. 1

Helfferich als Kommis der Bourgeoisie hin. Es fällt uns nicht leicht,

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Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger n

Nr. 289.

EFortsetzung aus der Ersten Beilage.) 84——88

In der zweiten Beratung bemerk

Abg. Dr. Oberfohren (D. Nat.): Die runge

Finanzministers können die kleinen Rentner nicht beruhigen. Finanzminister hätte vielmehr erklären müssen, daß die ganze Steuer⸗ gesetzgebung im sozialen Sinne einer Nachprüfung unterzogen werden nüsse. Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! der Herr Vorredner hat, wie sich jetzt ergibt, vom Reichsfinanz⸗ minister, von dem armen Sünder, nicht nur eine Erklärung zugunsten der Kleinrentner verlangt; er hat viel mehr verlangt: daß ich mich binstelle und so gleichsam als eine Weihnachtsgabe für das deutsche Volk eine Art Verdammungsurteil über die gesamte Steuergesetz⸗ gebung ausspreche. Dazu werden Sie mich doch nicht veranlassen wollen! So töricht kann man einen Politiker doch nicht einschätzen, daß er einen derartigen dummen Streich hier machen wird.

Ich berufe mich auf Herrn Abgeordneten Dr. Rießer. Er hat nene Worte richtig verstanden, er hat meine Erklärung, daß ich be⸗ nit bin, im Steuerausschuß zugunsten der Kleinrentner zu wirken, chaus begrüßt. Mehr als diese allgemeine Erklärung abzugeben, var ich auch gar nicht ermächtigt, und gerade was die Frage angeht, wie weit wir nun materiell vorgehen müssen, so hat die Reichs⸗ regierung bis zur Stunde natürlich Beschlüsse noch nicht gefaßt. Wir müssen erst im Ausschuß abwarten, bis die Gesamtzahl der kommenden Vorträge vorliegt. Ich kann den Herren versichern, daß auch von der Partei, die mir nahesteht, Anträge angekündigt worden sind, wenigstens mir persönlich, und Sie können nicht erwarten, daß ich nach einer Seite hin schon jetzt materiell Stellung nehme.

Was ich gesagt habe, war von Wohlwollen für die Kleinrentner diktiert; ich habe ihre Not anerkannt und habe deswegen keinen Vor⸗ wurf verdient, sondern Anerkennung. (Bravo! n 6

Abg. sel (U. Soz. rechts) spricht sich gegen die Bevor⸗ Nenmner 8 weil ees eine ganze Anzahl von Steuerpflichtigen, namentlich ein großer Teil der Landwirte, voll⸗ kommen von der Abgabe befreit würde.

Abg. „Becker⸗ en (D. V.) zieht nach der bestimmten Ernlech 1 E1“ Ankrag wegen Schonung der „weiteren Entwicklung des Betriebes“ zurück.

Bei der Abstimmung werden die Anträge der Deutschnationalen gegen die Stimmen dieser Partei und, soweit sie sich auf die Bevorzugung des Grund⸗ und Betriebsvermögens beziehen, auch gegen die Stimmen der Deutschen Volkspartei abgelehnt.

Der Antrag Becker wegen Inanspruchnahme der vor⸗ esehenen Vergüͤnstigungen auch schon im Veranlagungsver⸗ ren wird angenommen und mit dieser Veränderung der gesamte Kompromißentwurf.

In der sofort sich anschließenden dritten Beratung wird dieser Entwurf ohne weitere Erörterung ebenfalls an⸗ genommen. 8 p 1 8 3 8 8 8

2 Lei ayer. V.) beantra arauf, die noch a der 1“ (oerzen Gegenstände, Lden Antrag der Unab⸗ züngigen auf Aufhebung des Belagerungszustandes in Bayern und die

Interpell ation derselben Partei wegen Aufnahme der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu

Rußland, von der Tages⸗ ordnung abzusetzen.

Die A. üller⸗Franken (Soz.) und Ledebour erheben Fe.Hang 92 Letztere verweist darauf, daß seine Partei wiederholt mit der Zurückstellung dieser. Gegenstände zugunsten der Gesetzesvorlagen einverstanden gewesen sei, aber erwartet hätte, daß sie noch vor Weihnachten herankommen würde.

Abg. Leicht bemerkt, da Sdies auch möglich gewesen wäre, wenn die i. ihre Redelust gezügelt hätte. Er bezweifelt die Beschluß⸗ fähigkeit des Hauses. (Rufe links: Wir revanchieren uns! Unerhört!)

Abg. Ledebour beantragt die. namentliche Ab⸗ stimmung über den Vertaguncaantrog, ese entfällt aber, da das Bureau sich dem Zweifel an Beschlußfähigkeit anschließt und der

Namensaufruf zur Feststellung vollzogen wird.

D zaufruf ergibt die Anwesenheit von 177 Mit⸗ Dee ehSe; fePiat eh nicht beschlußfähig. Sitzung an auf

gliedern. Das Haus ist Präsident Löbe beraumt die nächste Fi ehe ch, den 19. Januar, mittags 2 Uhr, mit der Tagesordnung: Gesetzentwürfe über Kriegsschadenersatz für, Auslandsdeutsche und Kolonialdeutsche, Antrag der Unab⸗ hängigen betreffend Außerkraftsetzung des Ausnahmezustandes in Bayern, Interpellationen, darunter die Interpellation über die Beziehungen mit Rußland und die Interpellation über das Streikrecht der Beamten. Schluß 434 Uhr.

Preußische Landesversammlung. Nachtrag. 198. Sitzung vom 15. Dezember 1920. Bei der Fortsetzung der dritten Beratung des Gesetzent⸗

wurfs treff die Einführung einer Altersgrenze purfs, betreffenb, Eiaalsbeamte und Volksschullehrer, hat zu dem Antrage des Abg. Meyer⸗Herford (D. Volksp.) auf Einfügung einer Bestimmung des Inhalts, daß die auf Grund dieses Gesetzes in den Ruhestand versetzten Beamten und Lehrer für 1921 bis 1923 die Versorgungszuschläge in der Höhe der Ausgleichszuschläge erhalten, welche sie erhalten haben würden, wenn sie sich noch im Dienste befänden, der Finanzminister Lüdemann folgende Ausführungen gemacht: 1“

Meine Herren und Damen, der Antrag Nr. 3669 der Abgeord⸗ neten Meyer (Herford) und Genossen entspricht einem alten Ge⸗ danken, der schon früher von den Vertretern der Deutschen Volks⸗ vartei zur Geltung gebracht worden ist, als dieser Gesetzentwurf noch nicht vorlag. Die Deutsche Volkspartei hat bereits im Jahre 1919

Anträge an die Regierung gestellt, die darauf hinausliefen, es möchten Maßnahmen getroffen werden, Stellen freizumachen, es möchte, um eine Verjüngung der Beamtenschaft herbeizuführen, ein Anreiz für die alten Beamten geschaffen werden, sich früher peasionieren zu lassen. Ein solcher Antrag war der Antrag Nr. 851 der Deutschen Volkspartei, der im vorigen Jahre hier verhandelt worden ist ond

u. a. cs ist mir sehr interessant, das feststellen zu können Herr Abgeordneten Dr. von Kries Veranlassung gegeben hat, zu erklären, daß auch seine Freunde „ein Gesetz im Interesse der Verjüngung der Bcamtenschaft durchaus für notwendig“ halten. (Höort! Hért!) Ich möchte das hier in Erinnerung bringen.

Ich möchte aber nun meinen: für die Durchführung des Ge⸗ dankens die Ueberalterung zu beseitigen, gab es zwei Wege: man konnte entweder den Beamten einen materiellen Anreiz geben, sich früher pensionieren zu lassen, oder man mußte ein Gesetz machen, durch das bestimmte Regeln für die Pensionierung bei eirem be⸗ stimmten Alter geschaffen wurden. Die Regierung hat der lettteren Weg ür den richtigeren gehalten und beschritten. Dieser Grund⸗ gedanke ist auch vom Hause gebilligt worden. Es scheint mir daher, dieser Grundgedanke darf nicht im letzten Augenblick wieder verlassen werden. Das Haus muß sich nun auch bemühen, diesen Gedanken konsequent durchzuführen, und es deshalb ablehnen, nun nebenher denjenigen Beamten, die auf Grund dieses Gesetzes in einem be⸗ stimmten Alter in den Ruhestand versetzt werden, noch besondere Vorteile zuzuwenden.

Hierzu scheim mir aber auch ein besonderer zwingender Anlaß gar nicht vorzulicgen. Herr Abgeordneter Freymuth hat bererts darauf hingewiesen, daß im § 19 des Beamtenbesoldungsgesetzes ausdrücklich vorgesehen ist, daß beim Vorliegen besonderer Verhältnisse der Aus⸗ gleichszuschlag über vie Hälfte seines Betrages hinaus bis zur vollen Höhe bewilligt werden kann. Davon wird ja selbstverständlich auch hier Gebrauch gemacht werden. Meine Herren und Damen, ich darf darauf aufmerliem machen, daß bei den Beratungen im Besotoungs⸗ ausschuß, die gegenwärtig noch schweben, die Mitglieder dieses Aus⸗ schusses sich aͤber eine noch günstigere Gestaltung des Ausgleichs⸗ zuschlags zugunsten der Pensionäre einig geworden sind, und zwar soll denjenigen Beamten die eine hohe Pension sich erdient haben, ohne weiteres auch ein beherer Ausgleichszuschlag gewährt werden Nun handelt es sich bier aber doch durchweg um Beamte, die ich infolge ihres hohen Lebens⸗ und Dienstalters eine hohe Pension erdient haben, und die insolgedessen nach den neuen Beschlüssen des Ausscheisses, denen die Regierung ihre Zustimmung zu geben sich bereit erklärt bat, ohne weiteres einen erhöhten Ausgleichszuschlag bereits erhalten, und danach sind die Wunsche die Anlaß gegeben haben, diesen Antrog einzureichen, nach meinem Dafürhalten schon im hohen Umfange be⸗ rücksihtigt worden. Darüber jetzt noch hinaus zu gehen, gerade dei diesen ältesten Beamten, meine Damen und Herren, könnte sehr leicht zu einem Unrecht werden, wenn man berücksichtigt, daß auf der anderen Seite doch Fälle vorkommen, wo Beamte aus Gründen der Dienstunfähigkeit, der Invalidität sich bereits im frühen Lebensalter pensionieren lassen müssen, aber infolge ihres kargen Pensions⸗ anspruches, den sie bis dahin erworben haben, nur eine geringe Pension mit dem Mindestausgleichszuschlag erhalten. In diesen Fällen ist die Not zweifellos viel größer, als in den Fällen, die hier vorliegen, wo es sich um Beamte handelt, die sich dank ihrer lang⸗ jährigen Tätigkeit im Dienste des Staates einen sehr hohen Pensions⸗ anspruch erworben haben. Wir würden also hier, wenn wir dem Antrag Meyer (Kerford) und Genossen stattgeben würden, eine Ge⸗ legenheitsregelung zugunsten einer Kategorie von Pensionären schaffen, bei denen zweifellos eine besonders große Not nicht vorliegt.

Was die besondere Veranlassung anlangt, so glaube ich, darauf auf cerksam machen zu müssen, daß von den Beamten, die durch diescs Gesetz getroffen werden, zweifellos ein sehr großer Teil sowieso um ihre Pensionierung eingekommen wäre, denn in den Lebensjahren von 65, 66, 67 Jahren wächst erfahrungsgemãß in sehr ansteigender Relation das Bedürfnis der Bamten, sich zur Ruhe zu setzen, und niemand von Ihnen würde in der Lage sein, bei den Beamten, die auf Grund dieses Gesetzes in den Ruhestand versetzt werden, zwischen denen zu unterscheiden, die noch 2, 3 oder 5 Jahre dem Staat zu dienen bereit gewesen wären, und denen, die sich sowieso hätten in den Ruhestand versetzen lassen wollen. Ich glaube, hier gibt es nur einen Maßstab: das ist die Prüfung der individuellen Not. Das ist dr billigste Maßstab und dafür ist bereits durch § 19 des Beamten⸗ diensteinkommensgesetzes die nötige Bewegungsfreiheit der Regierung geschaffen worden.

Ich moͤchte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß sich die Konsequenzen einer solchen Beschlußfassung, namentlich die materiellen Auswirkungen, sehr schwer übersehen lassen, weil ich es, ich möchte sagen, für vollkommen selbstverständlich halte, daß, wenn eine solche Beschlußfassung zustandekommt, das wieder dazu führen wird, daß andere Pensionäre mit mehr oder minder großem Recht ähnliche An⸗ sprüche an die Staatsregierung und die Gesetzgebung stellen werden. Ich bitte Sie dringend: lassen Sie es bei der vorliegenden, wie ich Ihnen geschildert habe, durch die Ausschußbeschlüsse sehr wesentlich günstiger gestalteten allgemeinen Regelung, und haben Sie das Ver⸗ trauen, daß, namentlich bei Inkrafttreten des Gesetzes, von der Er⸗ mächtigung, den Ausgleichszuschlag individuell zu erhöhen, weitgehend Eebrauch gemacht wird.

Ich würde es begrüßen, wenn die vorliegende Entschließung der Herren Abgeordneten Meyer und Freymuth, wenn ich recht ver⸗ standen habe, des Herm Freymuth, Annahme finden würde, be⸗ sonders wenn dabei noch eine kleine Aenderung angebracht werden konnte, wenn nämlich in der Einleitung nicht gesagt wurde, bei den „auf Grund des Gesetzes, betreffend Einführung einer Alters⸗ grenze, in den Ruhestand versetzten Beamten“, sondern „bei In⸗ krafttreten des Gesetzes“, damit das lag auch im Sinne des Antrages Meyer (Hersord) besonders bei den Beamten von dieser Ermächtigung ein erhöhter Gebrauch gemacht wird, die jetzt unmittel⸗ bar nach Inkrafttreten des Gesetzes auf Grund seiner Bestimmungen in den Ruhestand versetzt werden.

Die erste Beratung des Gesetzentw urfs, betreffend die Erhebung einer vorläufigen Steuer vom Grund⸗ besitz, leitete der Finanzminister Lüdemann mit einer Rede ein, die, wie folgt, gelautet hat:

Meine Herren und Damen, der erste große Versuch, in Preußen

zur Aufbringung der dem Staate erforderlichen Mittel heranzuziehen, ist erst 1861 nach einer Vorbereitung von mehr als 50 Jahren ge⸗ lungen, nachdem zuletzt noch die Revolution von 1848 einen neuen Anstoß dazu gegeben hatte. Seine Durchführung hat ganz besondere Schwierigkeiten bereitet. Jahr für Jahr sind damals von der Re⸗ gierung Vorschläge und Entwürfe eingebracht worden. 1859 wurden allein vier Entwürfe vorgelegt. Erst im Jahre 1861 nahm das Abgeordnetenhaus einen Entwurf an, der nach Vornahme eines Pairsschubes im Herrenhause auch die Zustimmung dieses Hauses fand. Dieses Gesetz von 1861 gilt auch heute noch. Jedoch

Grundsteuer für den Staat außer Hebung gesetzt worden, nachdem durch die Einführung der allgemeinen Einkommensteuer durch den Staat eine bessere, ertragreichere Steuer gesichert war.

Nun haben sich inzwischen die Verhältnisse grundlegend ge⸗ ändert. der Nationalversammlung festgelegt worden, daß dem Reiche künftig die Einkommenbesteuerung und die Vermögensbesteuerung ausschließ⸗ lich vorbehalten bleiben, während den Ländern im wesentlichen nur die Besteuerung des Grundbesitzes und des Gewerbes überlassen worden ist. Diese weitgehende Einschränkung der Steuerhoheit der Länder nötigt die Lander nun, ihre Finanzen auf einer ganz neuen Grundlage

überlassen gebliebenen Steuern auf Grundbesitz und Gewerbe so aus⸗

weil dieses Gesetz vollkommen veraltet ist. Dasselbe gilt für das alte Gewerbesteuergesetz von 1891, das ebenfalls in dieser alten Form nicht wieder verwendet werden kann. ist daher notwendig. Diese neuen Gesetze müssen aufgestellt werden

betriebe eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Nach den Ab⸗

von mir erwähnten Quellen ebenfalls mit schöpfen muß.

Uebernahme verschiedener neuer Lasten, Umgestaltung des Polizeiwesens. sich in Anspruch nimmt.

bringung der vom Staat benötigten Mißtel heranzuziehen.

begegnet zweifellos außerordentlichen Schwierigkeiten. versammlung geht ihrem Ende entgegen; es besteht der Wunsch, mög

bringen. Es würde infolgedessen die Einbringung und Beratung eines endgültigen Grundsteuergesetzes sehr erheblichen Schwierigkeiten be⸗ gegnet sein. Ich habe mich daher damit begnügt, dem Hause nur einen

vorläufige Charakter dieses Grundsteuergesetzes besteht darin, daß die

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gänzungssteuer.

zu bringen.

nächsten Jahres ab dem Staate Einnahmen aus der Grundsteuer zu⸗ zuführen. Der Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, sieht eine Differenzierun

besitzern vor. Zu den ersteren gehört der landwirtschaftliche Besitz Denn daß die Belastung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen über der des städtischen Grundbesitzes wohl von keiner Seite bestritten werden können.

und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Boden vier Mal so stark zur Steuer heranzuziehen, wie den städtischen Grundbesitz. (Hört,

ihres Landes im eigenen Haushalt verbrauchen und von diesen fast nicht verkaufen können, ebenfalls nur mit dem halben Steuersatz herangezogen werden.

werden kann.

schlägen können. Der feste Steuersatz soll 1 Prozent, für die kleinen Siedler stellen und die Mietwohnungen (mit Ausnahme der Luxuswohnungen) aber nur ‧½ Prozent betragen. Daneben sind nach § 14 für die Zeit vom 1. Januar 1921 bis 31. März 1922 staatliche Zuschläge von

den Grundbesitz zur Beseitigung der weitreichenden Privilegien der

Standesherrschaften und Rittergüter durch einheitliche Besteuerung

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zent bzw. 1 Prozent des Wertes betragen würde.

Im Jahre

ist durch Gesetz von 1893 zugunsten der Kommunalverbände die

Durch die neue Reichsverfassung ist im vorigen Jahre von

auszubauen. Sie müssen infolgedessen den Versuch machen, die ihnen

zubauen, daß dadurch der gewachsene Geldbedarf des Staates und der Gemeinden befriedigt werden kann. Zu diesem Zweck das alte Grund⸗ steuergesetz von 1861 wieder in Kraft zu setzen, würde verfehlt sein,

Die Schaffung neuer Gesetze

unter angemessener Rücksichtnahme auf den ebenfalls gestiegenen Geldbedarf der Gemeinden und Kommunalverbände, in deren Haus⸗ halt bisher die Steuern auf Grund und Boden und auf die Gewerbe⸗

sichten der Regierung sollen den Gemeinden ihre bisherige Einnahmen und Einnahmemöglichkeiten im vollen Umfange erhalten werden, aber es läßt sich nicht vermeiden, daß daneben auch der Staat an den auch sachlich gerechtfertigt, denn der hohe Fehlbetrag in unserem preußischen Staatshaushalt ist außer durch die gestiegenen Ausgaben für die Besoldungen in erster Linie hervorgerufen worden durch die die bisher die Gemeinden zu tragen hatten, in erster Reihe durch die Uebernahme von drei Vierteln der persönlichen Volksschullasten und außerdem durch die Es ist deshalb, vollkommen ab⸗ gesehen von den neuen Vorschriften des Landessteuergesetzes, auch sachlich durchaus gerechtfertigt, daß der Staat die Ertragssteuern für

Ich habe in Aussicht genommen, die Gewerbesteuer zunächst den Gemeinden vollständig zu belassen und nur die Grundsteuer zur Auf⸗

Ein Grundsteuergesetz in der gegenwärtigen Zeit durchzubringen, Die Landes⸗

lichst schnell die Arbeiten der Landesversammlung zum Abschluß zu

Gesetzentwurf über ein vorläufiges Grundsteuergesetz vorzulegen. Der

große Streitfrage, ob der gemeine Wert oder der Ertragswert der Besteuerung zugrunde zu legen sei, ausgeschaltet wird, und daß zur Einschätzung herangezogen werden die in den Steuerrollen des Landes bereits vorhandenen Ergebnisse zur Veranlagung der alten Er⸗ Diese Werte aus der Ergänzungssteuerveranlagung von 1917/10 die im Winter 1916/17 durchgeführt worden ist, geben die Möglichkeit, in wenigen Wochen diese Steuer bereits zum Fließen Es wird also die Möglichkeit gegeben, und das ist auch im Staatsinteresse außerordentlich erwünscht, bereits vom 1. Januar

zwischen den leistungsfähigen und den minderleistungsfähigen Grund⸗

weit zurückgeblieben ist, wird (Sehr richtig! links.) Ich darf nur erwähnen, daß man im Freistaat Hessen bei der Erneuerung der Grundsteuer soweit gegangen ist, den landwirschaftlich

hört! links.) Der vorliegende Gesetzentwurf sieht bei dem städtischen Hausbesitz im allgemeinen nur den halben Steuersatz vor. Außerdem sollen auch die städtischen und ländlichen Kleinsiedlerstellen sowie solche landwirtschaftlichen Grundstücke, deren Eigentümer die Früchte

Dem liegt der zweifellos gesunde soziale Ge⸗ danke zugrunde, diejenigen weniger zur Steuer heranzuziehen, die minder leistungsfähig sind, und dafür diejenigen stärker zu belasten, bei denen eine höbere Leistungsfähigkeit unbedingt vorausgesetzt

Die Grundsteuer setzt sich aus einem festen Betrage und aus Zu⸗ zusammen, die neben dem festen Betrage erhoben werden

100 Prozent vorgesehen, so daß also die gesamte Besteuerung 2 Pro.

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