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besonders hier, geschieht es nicht, aber in der Presse in der aus⸗ giebigsten Weise. Ich habe bereits darauf hingewiesen, was auf dem Gebiet der Siedlung in Preußen geleistet ist. Ich möchte weiter bemerken, daß insbesondere die Angriffe, die in der letzten Zeit vom Deutschen Bauernbund gegen mein Ministerium ge⸗ richter worden sind, jeder berechtigten Grundlage entbehren. Wenn man es allerdings so macht, wie es der deutsche Bauern⸗ bündler Dr. Böhme macht, daß er seine Ausführungen im Reichs⸗ tag in seinem Verbandsorgan wörtlich mitteilt, und das, was ich entgegnet habe, vollständig verschweigt chört, hört!), und dann zum Schluß kommt: Ergo ist das ein Beweis für den siedlungsfeind⸗ lichen Geist des preuzischen Landwürtschaftsministeriums, dann lann man sachlich nicht mehr diskutieren.
Ich möchte mich noch gegen ein weiteres wenden. Es ist vor kurzem in der „Deutschen Tageszeitung“ eine Behauptung in bezug auf die Soldatensiedlung aufgestellt worden, die den Tat⸗ sachen nicht entspricht; sie lautet folgendermaßen:
Man braucht wiederum nur daran zu denken, daß die preußische Regierung zwar bei der Ansetzung früherer Soldaten pflichtgemäß mitgewirkt hat, keineswegs aber die eigentliche Initiative dafür in Anspruch nehmen kann.
Das entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlich geht die Initiative für die Soldatensiedlung, eine Aufgabe, die das Reich zu erledigen hat, die das Heer zu demobilisieren hat, von mir persönlich aus. Meiner Initiative ist es zu danken, daß es nach Uberwindung schwerer Widerstände, die zum Teil beim Reich lagen, möglich wurde, diese Siedlung im Lockstedter Lager usw. in die Wege zu leiten. Ich möchte darauf hinweisen, daß noch neuerdings dieses Werk gefährdet wird, daß wieder aus dem Lockstedter Lager ge⸗ meldet wird, die Artillerie von Itzehoe müsse Schießübungen dort machen, während ein großer Teil des Landes in Kultur ist und auf einem andern Teil gearbeitet wird. (Cebhaftes Hört, hört! links.)
Mir ist es immer ein Rätsel gewesen, wie angesichts dieser Tatsachen die Zeitungen der verschiedensten Parteien an der Be⸗ hauptung festhalten können, daß das preußische Landwirtschafts⸗ ministerium die Siedlung sabotiere, nicht die nötige Iuitiative auf diesem Gebiet entwickle. Heute ist mir die Abschrift eines Schrei⸗ bens zugegangen, das dazu angetan ist, das Rätsel, vor dem ich stand, etwas ziu lösen. Der Schriftsatz geht von einem höheren Beamten des Reichsarbeitsministeriums aus. (Hört, hört! links.) Ich will das Schreiben nicht vollständig verlesen, nur einige be⸗ sonders in Frage kommende Stellen daraus bekanntgeben. Es heißt nämlich in dem Schreiben:
Da wir kein Geld für Siedlungszwecke beim Reiche haben, spielen wir keine große Rolle. Wer sich durch die mangelhafte Durchführung der Siedlung getroffen fühlt, wer sich sonst für Siedlung interessiert, soll sich über das Landeskulturamt beim Landwirtschaftsminister beschweren. Wenn er auch dort nicht zu seinem Recht kommt, muß im Parlament gegen den Landwirt⸗ schaftsminister mobil gemacht werden. Nicht ganz ohne mein Zutun erhebt sich in den verschiedensten Zeitungen verschieden⸗ ster Parteirichtungen in neuerer Zeit scharf die Klage wegen der Untätigkeit der zuständigen preußischen Behörden. (Hört, hört! links.)
Meine Herren, nicht ganz ohne Zutun dieses Beamten erhebt sich in neuerer Zeit in den verschiedensten Zeitungen der ver⸗ schiedensten Parteirichtungen die Beschwerde über die nicht ge⸗ nügende Tätigkeit der preußischen Behörden. Der Herr gibt selbst zu, daß sie im Reiche kein Geld haben. Ja, meine Herren, wo soll denn Preußen, dem die Hauptsteuerquellen vom Reiche ge⸗ nommen sind, das Geld für die großen Siedlungsaufgaben her⸗ nehmen? ESehr wahr! links.) Bezeichnend ist aber doch, wie ein höherer Beamter des Reichsarbeitsministeriums, des Mini⸗ steriums, daß die Siedlung von Reichs wegen zu betreiben hat, es für seine Aufgabe erachtet, dieses Kesseltreiben gewissermaßen, das in der Presse gegen die preußische landwirtschaftliche Verwaltung in der letzten Zeit getrieben worden ist, anzuzetteln, zu unter⸗ stützen und sich letzten Endes in einem Schreiben an einen Sied⸗ lungsinteressenten noch damit zu brüsten. (Zuruf links: Un⸗ erhört!) Ich verstehe ja die persönliche Empfindung dieses Herrn, seitdem ich ihn nicht zum Landeskulturamtspräsidenten gemacht habe. (Ahal links.) Ich nehme nicht an, daß das sein Urteil ausschlaggebend beeinflußt, aber es ist doch eine merkwürdige Sache, daß dieser Herr, den ich für m. jugendlich hielt, vielleicht für geeignet, als guter Gesellschafter Witze zu machen, den ich aber immerhin nicht für geeignet hielt für den Posten eines Landes⸗ kulturamtspräsidenten besonders in einer Provinz, in der auf diesem Gebiete sehr viel zu tun ist, das schreibt. (Abg. Stendel: Nennen Sie nun doch auch noch den Namen!) Ich habe gar keine Veranlassung, den Namen zu verschweigen. Ich bedauere, daß ich diese Ausführungen hier machen mußte und daß dadurch gewisser⸗
maßen wiederum der Eindruck erweckt werden könnte, als ob zwischen der preußischen und der Reichsregierung ein Gegensatz von mir hervorgerufen wird. Meine Herren, wenn derartig in der Presse seit Wochen gegen mich gearbeitet wird, wenn ich derartig in der Presse seit Wochen wegen meiner Tätigkeit in wahrheitswidriger Weise heruntergerissen werde, dann habe ich allerdings das Recht und die Pflicht meinen Beamten gegenüber, die Flucht in die Offentlichkeit zu ergreifen. (Sehr richtig! links.) Der Herr, der dies geschrieben hat, ist im Neichsarbeitsministerium Referent für Siedlungssachen, Geheimrat Ponfick. Meine Herren, wenn der zuständige Referent des Reichsarbeitsministeriums auf dem Ge⸗ biete des Siedlungswesens etwas vorantreiben will, wenn er sich nicht darauf beschränken will, Konferenzen abzuhalten und schöne Reden zu halten, sondern wenn er wirklich materiell etwas leisten will, wie es vom preußischen Landwirtschaftsministerium ge⸗ schehen ist, dann möge er auf die zuständigen Reichsinstanzen ein⸗ wirken. Noch liegen viele Tausende Hektare guter Boden als Truppenübungsplätze vollständig nutzlos da; da mag der Herr ein⸗ greifen und einmal vor allen Dingen dafür Sorge tragen, daß die großen Materialmengen aus Heeresbeständen die Siedler nicht für teures Geld von Zwischenfirmen und Schiebern kaufen müssen, sondern ihnen zu billigen Preisen zur Verfügung gestellt werden. (Sehr gut! links.) Auf diesem Gebiete hat das Reichsarbeits⸗ ministerium und sein sehr geschäftiger Referent sehr viel Auf⸗ gaben zu erfüllen; wenn diese Aufgaben erfüllt würden, und wenn er nicht seine Kräfte in einer solchen unwahren Preßkampagne gegen meine Person erschöpfen würde, dann würde er für die Siedlung vielleicht etwas mehr erreichen, als bisher erreicht
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Es ist ferner behauptet worden, es geschehe vom Landwirtschafts⸗ ministerium nicht das Notwendige auf dem Gebiete der An⸗ liegersiedlung. Darüber möchte ich zur Klarstellung nur das eine sagen: es ist eine Irrführung, wenn man die Adjazenten⸗ parzellierung, die zur Stillung des Landhungers kleiner Leute ge⸗ trieben wird, als Siedlung bezeichnet. Es handelt sich dabei über⸗ haupt nicht um Siedlung; denn diese Leute sind bereits angesiedelt, sie wollen nur Land zukaufen. Was aber in dieser Beziehung in letzter Zeit von mir verlangt worden ist, das ist keine Siedlung mehr, auch keine Befriedigung des wirtschaftlich berechtigten Land⸗ bedürfnisses mehr, sondern gewissermaßen eine Güterschlächterei im großen. Wenn mir zum Beispiel groß Listen eingereicht werden, die in Bauernversammlungen darüber aufgestellt worden sind, was jeder an Land verlangt, und wenn in diesen Listen beispielsweise ein Besitzer von 200 Morgen noch weitere 50 Morgen zu kaufen wünscht (hört! hört! links), und wenn ein Schlächtermeister, der bereits 50 Morgen Land hat, noch weitere 30 Morgen von der Domäne zu kaufen wünscht (hört! hört! links), obwohl er doch im Hauptberuf nicht Landwirt, sondern Schlächter ist, — ja, meine Damen und Herren, wenn ich solche Wünsche befriedigen wollte — und wenn ich sie nicht befriedige, dann wird in der Presse ge⸗ schrien, ich förderte die Anliegersiedlung nicht —, wenn ich solche Wünsche befriedigen würde, dann würde ich in der Geschichte fort⸗ leben als der größte Güterschlächter, den die preußische Geschichte jemals aufzuweisen hatte. (Sehr wahr! links.) Den Ehrgeiz habe ich nicht. Die berechtigten Wünsche kleiner Besitzer nach Land werde ich immer, soweit es mir möglich ist, zu befriedigen suchen: aber was da von mir verlangt wird, geht über das berechtigte Maß weit hinaus.
Soviel zur Siedlung. Dann noch einige wenige Worte über die Landarbeiterverhältnisse.
Meine Damen und Herren! Ich habe hier schon oftmals betont, daß ich der Gestaltung der Landarbeiterverhältnisse die größte Auf⸗ merksamkeit zuwende, weil ich in ihnen den wichtigsten Produktions⸗ faktor erblicke. Ich habe es mir stets angelegen sein lassen, wirt⸗ schaftsfriedliche Bechältnisse zu schaffen. Wenn Sie die neuerdings veröffentlichte Statistik des Reiches daraufhin ansehen, in wie vielen Betrieben in der Industrie unter Beteiligung von wie vielen Arbeitern im letzten Jahre gestreikt worden ist, und dem die Zahlen in der Landwirtschaft entgegenhalten, so werden Sie sehen, daß es mir doch bis zu einem gewissen Grade gelungen ist, in Preußen wirtschaftsfriedliche Verhältnisse in der Landwirtschaft zu erhalten und im allgemeinen Streiks von der Landwirtschaft fernzuhalten.
Herr von der Osten meinte: wenn auf Grund der Tarifverträge wirtschaftsfriedliche Verhältnisse stabil bleiben sollten, wäre es notwendig, daß die Arbeitgeberorganisationen ausgebaut würden. Das ist auch meine Auffassung. Ich bin überall in den Provinzen bestrebt gewesen, einheitliche Arbeitgeberorganisationen zusammen⸗ zubringen, damit auf Arbeitgeberseite ein einheitlich handelnder Tarifkontrahent vorhanden ist, was in vielen Provinzen nicht der Fall war und zum Teil auch noch nicht ist. Wenn aber Herr von der Osten daraus weiter den Schluß zieht, daß es Pflicht der Staats⸗ regierung sei, mit den staatlichen Betriebenden Arbeit⸗ geberverbänden beizutreten, so kann ich ihm darin
Parteien fern zu halten, um letzten Endes bei Streitigkeiten als unparteiischer Schiedsrichter auftreten zu können. Herr von der Osten meinte, es sollten nur die einzelnen Betriebe durch ihre Be⸗ triebsführer den Arbeitgeberverbänden beitreten. Aber diese Be⸗ triebsführer haben doch auf Anweisung der Staatsregierung zu handeln, und die Staatsregierung würde, auch wenn sie nur durch ihre Betriebsführer den Verbänden beiträte, doch bei Streitigkeiten Partei sein. Dazu kommt, daß jetzt die meisten Staats⸗ und Reichsbetriebe für ihre Angestellten und Arbeiter besondere Tarifverträge abgeschlossen haben, die von den im Erwerbsleben äblichen Tarifverträgen abweichen und unter ganz anderen Voraus⸗ setzungen geschaffen sind. Aus allen diesen Gründen halte ich es nicht für zweckmäßig, generell den Arbeitgeberverbänden beizutreten. Es sind aber hier und da Ausnahmen gemacht worden: ich habe z. B. den Weinbergsdomänen im Westen aus örtlichen Gründen den Beitritt gestattet.
Wenn weiter behauptet worden ist, daß die Landarbeiter für den Organisationsgedanken noch nicht reif seien, was insbesondere der Umstand beweise, daß sie allmählich von der Mehrheitssozialdemokratie über die Unabhängigen zu den Kommunisten gegangen seien, so möchte ich darauf hinweisen, daß man sich von solchen kommunistischen Ruhmredereien, wie sie auch in dem von Herrn von der Osten verlesenen Zirkular enthalten sind, nicht gar zu sehr verführen lassen darf. So schlimm ist die Sache doch nicht. Für den größten Teil des Landes kann davon noch gar keine Rede sein. In einzelnen Teilen des Landes, bei⸗ spielsweise in Vorpommern, das Herr von der Osten ganz richtig genannt hat, ist es allerdings schon in nicht unerheblichem, jeden⸗ falls in unerfreulichem Maße der Fall, daß dort die Landarbeiter Neigung zeigen, kommunistischen Agitatoren Gefolgschaft zu leisten. Aber, meine Herren, das ist auch nicht zufällig! (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und U. Soz.) Es ist hier schon darauf hingewiesen: es ist kein Zufall, daß in diesem Wetterwinkel fortgesetzt gewisse Arbeitsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf dem Lande vorhanden sind. Es ist auch kein Zufall, daß dieser Umstand jetzt schließlich die Landarbeiter mehr radikalisiert, als das anderwärts der Fall ist, wo die Arbeitgeber das notwendige soziale Empfinden aufbringen und die Initiative, einen neuen Weg zu beschreiten auf dem Gebiete der Regelung der Arbeitsverhältnisse, der nun einmal durch die neuen Verhältnisse geboten erscheint. (Zuruf.) In Thüringen, Herr von der Osten, kommen eben die reinen Landarbeiter niemals so in den land⸗ wirtschaftlichen Bezirken vor. Es sind dort meist Arbeiter, die ab⸗ wechselnd in der Industrie und in der Landwirtschaft arbeiten, und dort, wo die Arbeiterschaft in der Industrie kommunistisch ver⸗ seucht ist, werden natürlich diese Arbeiter, die abwechselnd in der Industrie und in der Landwirtschaft beschäftigt sind, auch mitunter zu kommunistischen Ideen hinneigen.
Meine Herren! Wir können die Landarbeiterverhältnisse, ins⸗ besondere im Hinblick auf die notwendige Steigerung unserer Produktion, nur befriedigend regeln, wenn wir uns daran ge⸗ wöhnen, nicht alle Forderungen der Landarbeiter, wie es von gewisser Arbeitgeberseite geschieht, als unberechtigt hinzustellen, sondern wenn wir uns dazu bequemen, die wirklich berechtigten
Bei
nicht folgen. Ich habe bereits in einem ablehnenden Erlaß darauf hingewiesen, daß die Staatsregierung gut tue, sich von den einzelnen
Beurteilung der Forderungen der Landarbeiter — daß möchte ich nicht unterlassen hier noch auszusprechen — bitte ich dh zu berücksichtigen, daß die Landarbeiter in ihrer sozialen Lage set Jahrzehnten ungemein niedergehalten worden sind und daß jes auch ihre Löhne nur auf das Fünf⸗ bis Siebenfache der Friedens⸗ zeit gestiegen sind, wogegen die Preise der landwirtschaftlichen Produkte auf das Zehn⸗ bis Zwanzigfache gesteigert sind. Arn⸗ haltende große Unruhe. — Glocke des Präsidenten. — Prüfident Leinert: Ich bitte dringend um Ruhe und darum, daß die Privatgespräche außerhalb des Saales geführt werden. Ich 8 kaum imstande, den Ausführungen des Ministers zu folgen.) Wem man das berücksichtigt, wird man nicht, wie es jetzt schon wieder v von Arbeitgeberseite geschieht, die Forderungen der Landarbeite ohne weiteres als übermäßig und zu hoch bezeichnen, sondern man wird zu weitgehende Forderungen mit besserem Erfolge zurüz, weisen können, wenn man die berechtigten Forderungen erfüll, sie anerkennt und in den Tarifverträgen festlegt.
Meine Damen und Herren! Zum Schluß noch das etne: 6b
Recht ist von den Rednern aller Parteien als der wichtigste Teil der Erörterungen über den landwirtschaftlichen Etat die Steige⸗ rung der landwirtschaftlichen Produktion be⸗ zeichnet worden. Wie ernst ich gerade diese Aufgabe nehme, dürft
Ihnen aus dem Inhalt meiner Denkschrift vom 1. November be⸗ kannt geworden sein. Der Abgeordnete Kaulen hat ja diese Denk⸗ schrift hier auch eingehend erörtert. Ich möchte bei dem jetzigen Stadium der parlamentarischen Verhandlungen auf die Sache selbst nicht eingehen, besonders da die Angelegenheit im Reichstage umd auch sonst in der Oeffentlichkeit hinreichend materiell erörten worden ist. Der Abgeordnete Kaulen irrt, wenn er meint, daß ich die Wichtigkeit der Phosphate übersehe und mich nur für die Belieferung mit billigem Stick stoff einsetze. Aus meiner Denk⸗ schrift werden Sie ersehen, daß ich der billigen und ausreichenden Belieferung mit Phosphaten dieselbe Bedeutung beimesse, wie der billigen und ausreichenden Belieferung mit Stickstoff. Ich übersehe das durchaus nicht, sondern ich halte beides für notwendig. Aber beides ist nach meiner Auffassung nur auf dem Wege möglich, deß erhebliche Reichsmittel zur Verfügung gestellt werden. Denn sonst kommen wir auf diesem Wege nicht vorwärts. Der Abgeordner Kaulen meint, die Stickstoffabrikation genüge zurzeit. Nein, meim Herren, die Stickstoffabrikation mag zurzeit genügen für das Quantum, für das sich Käufer finden; aber für den Bedarf unsers Bodens, und zwar für den Bedarf, der erforderlich ist, um eine Vollernte zu erzielen, genügt die heutige Fabrikation noch nicht Deshalb halte ich es nach wie vor für das Allerverkehrteste, erheb⸗ liche Stickstoffmengen für die Ausfuhr freizugeben, den aus⸗ ländischen Boden zu düngen und dann die Produkte vom Auslande für das Drei⸗ bis Vierfache des Preises zurückzukaufen, zu dem wir sie hier bei uns, selbst wenn wir die ganzen Stickstoffdünge⸗ mittel aus Reichsmitteln gedeckt hätten, erzeugen können. (Zuruf) — Jawohl, Herr Abgeordneter Stendel, wir müssen jetzt etwas zu essen haben, und dazu müssen wir bereits 20 Milliarden aufwenden, um das notwendige Brotgetreide einzuführen. Aber wollen Sir auf diesem Wege weitergehen, wollen Sie nicht für das nächste Jahr eine bessere Inlandsernte vorbereiten, dann stehen wir im nächsten Jahre ohne Zweifel vor der Frage, daß wir zwar infolge
unzülänglicher Ernte sehr viel mehr brauchen als in diesem Fchre
aber nicht entfernt mehr das Geld haben, um nur das Allernot wendigste zu kaufen; dann steht das Bolk buchstäblich vor dem Hunger. Eine etwas weiter ausschauende Regierung darf nicht warten, bis dieser Zeitpunkt kommt, bis wir gewissermaßen vor der ganzen Welt als Bettler dastehen, die um das letzte Stück Brot betteln müssen, sondern wir müssen, was in unserer Kraft steht im Inlande daransetzen, um auf unserm Boden das zu erzeugen, was erforderlich ist, um unser Volk zu ernähren. (Sehr richtig.) Meine Herren, deswegen möchte ich damit schließen, daß ich den Wunsche Ausdruck gebe, daß sich auch bei der Reichsregierung als mählich die Ueberzeugung Bahn brechen und in zweckmäßige Tated umsetzen möchte, daß die Hebung unserer landwirtschaftlichen Er⸗
daniederliegenden Wirtschaftslebens ist. (Bravob
204. Sitzung vom 12. Januar 1921, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“h
räsident Leinert eröffnet die Sitzung um 11 vhr 40 Minuten.
Auf der Tagesordnung ö. zuerst die Wieder⸗ holung der namentlichen üͤber § 3 des Gesetzentwurfes, betreffend die Be⸗ reitstellung von 180 Millionen Mark aus Staatsmitteln zur Selbstbewirtschaftugg von Domänen. Nach § 3 erfolgt die Ausführung des 8 setzes durch die zuständigen Minister. Am Dienstag hatte sich bei der Abstimmung Beschlußunfähigkeit ergeben, da N
eiden Parteien der Rechten und des Zentrums sich nicht an der Abstimmung beteiligt hatten. Dies wiederholie sich seul⸗ Das Haus war wiederum nicht beschlußfähig, da nur⸗. 63 Nis glieder an der Abstimmung teilnahmen. (Pfui⸗Ruse bei Sozialdemokraten.)
Präsident Leinert beraumt die nächste Sitzung ci 11 Uhr 55 Minuten an. Schluß 11 Uhr 54 Minuten.
205. Sitzung vom 12. Januar 1921, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsveileger „Der Antrag aller Parteien auf Einsetzung des im Artikel 26 der Verfassung vorgesehenen ständigen; 1 wird ohne Debatte angenommen. Der Ausschuß wird a Beschluß des Aeltestenrats mit 29 Mitgliedern besetzt. üle Der Gesetzentwurf über das verein,achi Enteignungsverfahren bei Grundstüdenng Festungsbezirken wird in erster und zweiter Beratu aüngenommen, ebenso der Gesetzentwur Erweiterung des Stadtkreises Neisse. Dem Erlaß des Kultusministeriums über bührenerhöhung für Kreisärzte. Chemiker bei gerichtlichen und me⸗ polizeilichen Verrichtungen wird stimmt. vt Ge⸗ Der Antrag Siering (Soz.) und Genossen auf Or währung eines Uebergangsgeldes *1* v. Höchstdauer von einem Jahre tac
1888
worden is
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8 8 8
Forderungen auch als berechtigt anzuerkennen und zu befriedigen.
für S 8 Mit Ausnahme der Reden der Herr Minister, die n Wortlaute wiedergegeben werden.
lsich heute wesentlich anders geäußert
der unteren Oder wird dem Hauptausschuß überwiesen.
zeugung in der Tat der wichtigste Hebel für die Hebung unsetes
ninister ohne Anspruch auf Ruhegehalt wird dem Hauptausschuß überwiesen, nachdem Abg. Ludwig d Sa.) gegen den Antaß gefprochen hat. Forlage auf Bereitstellung von fünf⸗ 1 für Kleinbahnen geht an den eausschuß. lgt die erste Beratung des dritten Nach⸗ fragsetats, der über eine Milliarde füͤr die vpecke der Schutzpolizei vorsieht.
abg. gudwig (U. Soz.): Wir müssen vor dem Lande fest⸗ sellen, für welche Zwecke hier 1 hohe Summen ausgegeben werden. bi der sogenannten Schutzpolizei sind nicht nur die Mannschaften dz alten Heeres übernommen worden, sondern der alte Geist des ee und die alten Offiziere. Milliarden werden hier aus⸗ um den reaktionären Offizieren eine Futterkrippe zu Die Regierung wagt es, in der Begründung offen zu⸗ Ueben, daß die Schutzpolizei zu Straßzenkämpfen gegen die eigenen Paltsgenossen verwandt werden soll, und daß darum möglichst wiele Vorgesetzte eingestellt werden müssen, die zu solchen Kämpfen bereit ird Auf je 24 Mann kommt ein Vorgesetzter. Wenn ummer bestritten wird, 8 die sogenannte Schutzpolizei nur eine geichswehr in zweiter Auflage ist, so wird diese Tatsiche hier da⸗ vurch bestätigt, daß den Angehörigen der Schutzpolizei, die in den Närzkämpfen als Reichswehrsoldaten Fügen die eigenen Volks⸗ genossen und gegen die Republik gekämpft haben, die ihnen bvomals versprochene Mordzulage jetzt noch gezahlt werden sll. ört! hört. bei den U. Soz.). Wer nun ein wenig Scham⸗ geföh befitzt, muß solche Mordprämien ablehnen. Wie g- man es rechtfertigen, daß die Angehörigen dieser jeichswehr Nummer 2, die den ganzen Tag eigentlich nichts zu tun haben, die doppelte Brotration der übrigen Fevölterung bekommt? Die 8 mit Flugzeugen und Jahkampfmitteln beweist am besten, daß diese Schutzpolizei nichts anderes ist wie eine Neuauflage der antirepublikanischen Reichs⸗ vwehr. Geifall bei den U. Soz. — Unruhe rechts.)
Abg. Adolph Hoffmann (Kommunist): Ich hätte nicht ge⸗ glanbt, daß auf diese Anklagen die Regierung schweigen und daß auch die übrigen Parteien alles ruhig einstacen würden, was Lud'vig gesagt hat. Dadurch wird der Skandal noch vergrößert. Ez ist unglaublich, daß in derselben Zeit, wo unsere Kinder ver⸗ hungern und für Kulturzwecke kein Geld vorhanden ist, 2500 Mil⸗ lonen für eine solche Schutztruppe der Reaktion ausgegeben werden. Ddas Abkommen nach dem Kapp⸗Putsch ist gebrochen worden. Die Regierung hat die bg lablikaner verraten, die sie gerettet haben. Tatsächlich soll diese Schutztruppe ein neues Heer scaffen, nicht nur gegen das deutsche Volk, sondern auch nach anßen hin. (Rufe rechts; Denunziant! Hochverräter!) Sie (rechts) sollen doch vorsichtiger sein, Sie haben überhaupt nichts anderes getan, als das Volk verraten, verkauft und betrogen. Das Volk wird Ihnen bald die Quittung ausstellen. (Beifall 8 den Komm.)
Agg. Runge (Soz.): Wenn die beiden Vorredner den Ver⸗ handlungen des Hauptausschusses beigewohnt hätten, würden sie n 1 haben. Wir behalten uns die Antwort für den Zeitpunkt vor, wo die Vorlage aus dem Ausschuß an uns zurückgekommen sein wird.
Nachdem noch Abg. von der Osten (D. Nat.) erklärt hat, auf die Angriffe der beiden Vertreter der äußersten Linken morgen zurückkommen zu wollen, wird der Nachtrags⸗ iat an den Hauptausschuß überwiesen.
Der 8 wegen Bereitstellung weiterer Staatsmittel fͤr Wasserstraßen⸗ hauten geht an den Kanalausschuß, der Gesetzent⸗
urf wegen. SeenI weiterer Geld⸗ mittel für die Verbesserung der Vorflut in
Heere gegeben,
Eine weitere Vorlage betrifft den Bau lektrischer Anlagen zwischen Braunschweig nd Hannover.
Alg. Dr. v. Kries (D. Nat.) will diese Vorlage von der Tages⸗ ordnung absetzen, da sie verschiedene deutsche Staaten angehe, wentuell auch noch Verhandlungen mit Bremen erfordern werde und in dieser Tagung doch nicht mehr verabschiedet werden könne. Minister der öffentlichen Arbeiten Oeser: Ich darf das hohe Haus bitten, den Gegenstand nicht abzusetzen. Die Ver⸗ endlungen find im wesentlichen abgeschlossen, erfordern aber einen beschluß des hohen Hauses, damit mit dem Bau begonnen werden ann Ich würde also großen Wert darauf legen, daß der Aus⸗ chuß darüber verhandelt. Ich bin bereit, im Ausschuß jede ge⸗ nie Aufklärung zu geben. g. Dr. v. Kries zieht den Antrag auf Ahsetzung ꝛc2 Die Vorlage gehs an den Hauptausschuß, Aeane hebrrchung der Gesetzentwurf, der weitere 400 8 ionen Mark zur Abbürdung der Bau⸗ vegnbeftenekung zur Cenn stellen will. F gesetzentwurswegen Abänderung der * 4 über die Handelskammern wird dem ndelsausschuß überwiesen.
Fefrauf setzt das Haus die zweite Lesungdes Ge⸗ , betreffend das Hebammen⸗ dien fort. Die Fülle der dazu gestellten Abänderungs⸗
or “ noch weiter vermehrt. 88, erhält heute nach der Rednerliste zunächst Abg.
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berger (Ztr.) das Wort. Dieselbe ist nicht anwesend. h deg. Dr. Schloßmann (Dem.): Ich bin sehr erstaunt, daß ertin einem Gesetz dieses Inhalts derartige Stimmungen und 18 imungen geltend machen, wie sie gestern hier geherrscht esetn dat doch der Abg. Stendel sogar gemeint, daß bei dieser 1 89 der Tribünen eine sachliche Arbeit im Plenum unmöglich a drr⸗ unsererseits werden uns durch die Besetzung der Tribüne eich Ih Stimmung draußen nicht beeinflussen lassen, ganz der ha 8 Herrschaften auf der Tribüne Stinkbomben werfen tlärt sübfe Interessenten sind. Die Angst des 6 Stendel sere sich vielleicht daraus, daß manche dieser Frauen, die gestern atten Fhecnehn bevölkerten, eine größere Tasche in der Hand ö aber seine Angst war unbegründet, es waren arin. Güldige und sehr nützliche Instrumente und Apparate enzen u roße Heiterkeit.) Indessen Fedenere ich derartige Disse⸗ ronianch lebhafter, als es sich hier um Fragen handelt, wo imen Auße Streit aufhören muß, wo bloß an die großen gemein⸗ ie Vo⸗ luigahen gedacht werden sollte, die wir zu lösen haben. Pohls Fac haben wir nicht etwa bloß wegen des materiellen srobleme n ebammen gemacht, es gilt Hen ein sozialhygienisches eit h sen, de en Bedeutung über diese materiellen Fragen 1. vnsenntggeht⸗ Wir verlangen doch auch in der Außenpolitik, ger sänonie egner für unsere inneren Berhältnisse und Zustände hg hnde beweisen: wie können wir erwarten, daß bei ihnen dir sehbsten deutschen Kinder irgendwelche Beachtung sindet, wenn hll, nicht in der Frage, wie der Mutterschutz gewährleistet werden uf die 8 8 sind? Der Ausschuß für Bevölkerungspolttik hat niwag eimneugg nicht weniger wie 41 Sttzungen verwendet und nirwfen⸗ Einheitsfront eingenommen. Um so unerklaͤrlicher undschau⸗ unsere Ko egin Frau Garnich jetzt in der „Täglichen elt, dar, nachträglich Protest erhebt und behaupten kann, es 2 ialdemokratisch demokratischen Front geschlofsen sich Füt stellen. Frau Dr. Poehlmann ist allerdings in den npäütungen nicht allzu oft zugegen gewesen. it dieser pört, hörth hdat sie objektiv die Unrahcheit gesprochen. (Lebhaftes efaßt word Fast alle Beschlüsse des haih gasßes sind einstimmig bchluß een, und auch die Deutsche Volkspartei hat bei der
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einen wohlgeordneten Finanzen die Heban Damals hat man es verhindert, jetzt ist die Notwendiat öä 8 2 3 5 1 igkei dieses Geset =27 wo der Htenbische See,een ordentlicher Not ist. Noch in letzter Stunde hat man die Be⸗ hauptung ausgestreut, es handle sich um einen improvisierten un⸗ brauchharen Entwurs. Auch das ist nicht wahr. Schon im Juni 1919 sind von uns entsprechende Leitsätze angenommen und die langwierigen Vorarbeiten für die Einbringung eines Gesetz⸗ entwurfs begonnen worden, wofür sogar vorweg gewisse Aende⸗ rungen der Reichsgesetzgebung in die Wege geleitet werden mußten Sie haben jetzt zu entscheiden, ob sie die Arbeit des Ausschusses annehmen oder auf dem so beliebten Wege des Sabotierens zu⸗ nichte machen wollen. Der Ausschußvorschlag ist ja kein Ideal schon deswegen nicht, weil die Verhältnisse in Stadt und Land bei uns so außerordentlich verschieden liegen, und es mehr als schwiexig ist, sie auch nur annähernd in Uebereinstimmung zu bringen. Wir können uns aber doch der Tatsache nicht verschleßen, daß zahl⸗ reiche Hebammen sich in einer außerordentlich c. Notlage befinden. Viele von ihnen müssen schwere Arbeiten verrichten, um 8 die für den Lebensunterhalt notwendigen Mittel zu ver⸗ schaf en. Wir müssen unter allen Umständen das Maß von Hilfe ür die Hebammen aufbringen, das unter den heutigen Verhält⸗ nissen möglich üst. Der Gesetzentwurf bringt sogar für manche Hebammen Verschlechterungen. Anzuerkennen ist aber, daß die bessergestellten Hebammen sich zugunsten ihrer in schlechterer Lage besindlichen Kolleginnen mit dem Gesetzentwurf einverstanden er⸗ klärt haben. Wir wollen in Zukunft in der Hebamme etwas anderes sehen als bisher. Die Hebammen sollen zukünftig auch in hygienischer Beziehung wirken und manche Vorurteile aus⸗ rotten, besonders auf dem flachen Lande, wo die Hebamme einen großen Einfluß auszuüben in der Lage ist. Der Redner wendet sich dann gegen den Vorwurf, als ob insbesondere er mit dem Gesetz⸗ entwurfe die Sozialisierung des Hebammenwesens habe bezwecken wollen. öö ist, daß die Organisation der Hebammen hinter diesem Gesetze, hinter dem, was man als Sozialisierung des Hebammenwesens bezeichnen könnte, steht. (Zuruf der Abg. üen Garnich: 8 ist nicht wahr!) Während die übergroße kelhrfahl der deutschen Aerzte sich klar und deutlich gegen die Sozialisierung der Aerzte ausgesprochen hat, liegt der Hai hier umgekehrt. Wer hat denn aber die Sozialisierung des Hebammen⸗ wesens P. und diesen Gedanken in den Gesetzentwurf hinein⸗ gebracht? Der Sozialisierungsgedanke ist in das Gesetz hinein⸗ gebracht worden, einmal durch einstimmigen Beschluß dieses Hauses und zum anderen durch den Minister Stegerwald. Der Redner weise in diesem Zusammenhang auf die bedeutsamen Unterschiede 8 chen dem Regierungsentwurf und dem Entwurf des Ausschusses gin. Der Ausschuß hat die Bestrebungen der Regierung auf Schaffung eines Beamtenverhältnisses der Hehammen erheblich jemildert, indem er lediglich die Anstellung auf Dienstvertrag vor⸗ ieht. Dr. Schloßmann weist weiter darauf hin, daß über die leitenden Gedanken des a c. im Juni 1919 Einstimmigkeit unter allen Parteien des Hauses geherrscht habe. Der Unterschied zwischen uns und Ihnen (nach rechts) ist nur der, daß wir bei unserer ö Haltung verharren, während Sie jetzt gegen das Gesetz sind. Völlig unrichtig ist es, daß durch den Gesetzentwurf 8 freie Wahl unter den Hebammen unmöglich gemacht wird. Schon heute ist es aber doch Tatsache, daß auf dem flachen Lande die Möglichkeit einer Auswahl unter den Hebammen nicht besteht, da in den kleinen Orten doch in der Regel nur sehr wenige Heb⸗ ammen oder gar nur eine vorhanden ist. Allerdins sind die Herren Großgrundbesitzer und Großindustriellen oder sonstige wohlhabende Leute in der Lage, sich schon bei den ersten Anzeichen eine Hebamme aus der nächsten Stadt herbeizuschaffen. (Zuruf links: Auch der Herr Landrat!) Wir machen aber das Gesetz nicht für diejenigen, die Autos besitzen, sondern wir machen das Gesetz für die große Masse der Frauen unseres Volkes. Im Aus⸗ schuß haben wir die Bestimmung für das Lehe⸗ eingefügt, daß, wenn in einem Bezirk mehrere Hebammen vorhanden sind, den Frauen die Wahl zwischen thnen freisteht. Die Bezirke müssen möglichst groß gemacht werden, damit die Frauen zwischen einer möglichtt roßen Zahl von Hehammen ihre Auswahl treffen können. as Gesetz sieht für die Deckung der Kosten die Er⸗ hebung von Gebühren für die Geburten vor. Ich habe dagegen im Ausschuß andere Vorschläge für die Deckung der Kosten ge⸗ macht; sie könnten vom Staat durch Steuern aufgebracht werden, z. B. durch Luxussteuer, Vergnügungssteuer, Junggesellensteuer, aber alle die Vorschläge waren nicht durchzusetzen, und die Mehr⸗ heit des Ausschusses entschied sich für die Gebührenerhebung. Wenn wir das Gesetz annehmen, so geschieht es nur unter der Voraus⸗ — daß die Gebühren wieder gestrichen werden, sobald die inanzlage des Staates die Kostendeckung auf andere Weise er⸗ möglicht. Die Einrichtung der Hebammenstellen halte ich für ausgezeichnet. Es muß eine Instanz geben, die die Hebamme anrufen kann, wenn Beschwerden gegen 5 erhoben werden. Die Bezüge der Hebammen, die Herr Stendel gestern als ungenügend betrachtete, bedeuten einen Sesernsen Foörtichritt, denn zum ersten Male wird eine Pir Basis für die Entlohnung der Heb⸗ ammen und durch die Zulagen nach der Teuerung in den ver⸗ schiedenen Orten ein Ausgleich geschaffen. In den teueren Groß⸗ ädten können die Zuschläge bis zu 100 % betragen. Wir wollen ie Hebammen, die ihre Pflicht gewissenhaft erfüllen, in ihrem bce fördern. (Beifall bei den Demokraten.)
Ibg. Frau Heßberger (Bentr.): Namens meiner Fraktion habe ich zu erklären, daß wir immer den dringenden Wunsch ge⸗ gehegt haben, das Hebammengesetz zur Verabschledung zu bringen. Wir erwarteten, daß uns das möglich wäre, wenn in erneuter Ausschußberatung unsere Verbessernngen durchzuführen wären. Dann hörten wir aber, daß die Linke unseren Verbesserungs⸗ anträgen zustimmen wolle. Darum hatten wir kein Interesse mehr daran, 5 die Rückverweisung an den Ausschuß zu stimmen. Es handelt sich also um ein bedauerliches Mißverständnis. (Heiter⸗ keit.) Die Zentrumspartei hat vor allen anderen Parteien sich der Hebammen angenommen. (Rufe links: Wahlrede!) Der Zentrumsabgeordnete Rügenberg hat schon 1904 einen Antrag zu⸗ gunsten der Hebammen eingebracht. (Lebhafte Zurufe bei den Soz. — Präsident Leinert: Ich bitte doch, den Kolleginnen etwas höf⸗ licher entgegenzukommen.) Dr. Schloßmann gilt als der Bater der Vorlage, aber er selbst scheint sie für sohr verbeste vwungsbedürftig
halten. Ich habe von Hebammen gehört, die Regierungs⸗ vorlage sa schlecht, aber die Vorlage Schloßmann sai noch schlechter. (Hört! hört! im Zentrum.) Ich habe noch keine Kundgeherng Sese⸗ Feaenoeentetnen für das Gesetz gehört. (Abg. Frau Ege (Soz.): Ich habe sie doch verlesen!) Ein klassifchor Zeuge gegen die Vorlage ist Herr Dr. Weyl, denn er 9 . die Bedenken der Regierung gegen RUebertragung auf die Pro⸗ vinzen unterstützt. (Hört! hört!) Er 25 unseren Antrag unterstützen, der die Kreise an die Stelle der Provinzen av will. Vor allem wenden wir uns gegen die Bersetzbarkeit, die weder von den Hebammen selbst, noch von den Frauen gewünscht wird. Große Bedenken haben wir auch gegen den umständlichen Beamtenapparat, den das Gesetz arfordert. Allerschärfsten Protest aber erheben die Frauen gegen die . E. der freien Heb⸗ ammenwahl. Mir fehlen geradezu die Worte, um die Entrüstung der Frauen gegen diese Bestimmung zu kennzeichnen. Wenn eine werdende Mutter in ihrer schwersten Stunde eine Hebamme zur Hülfe ruft, so muß es ihr möglich sein, diejenige zu wählen, zu der sie Vertroauen hat, und die ihr schon bei er. Geburten Hilfe geleistet hat. (Sehr richtig! rechts.) ir haben nichts dagegen, daß den Hebammen bestimmte Wohnbezirke angewiesen werden, aber die Auswahl der Hebammen muß frei sein. Ohne die Konzession der freien Hehammenwahl können wir dem Gesetz nicht zustimmen, weil dieser Passus weder den Frauen noch den Hebammen dient. Wir hoffen, der Herr Minister Steger⸗ wald die Gebühren so niedrig wie möglich halten wird, und ich möchte den Herrn Finanzminister bitten, Ueber andere Steuer⸗ quellen zu suchen. (Zuruf Adolph Hoffmanns: Kirchenvermögen.) Ein weiterer wunder Punkt des Gesetzentwurfs ist die Bestimmung,
Husabstimmung für die Ausschußfassung gestimmt. (Hört, hört! 8 limm „hört!) wäre ja ein bähtes Ueeng hlassumg gestineng, SSuak mit
daß die Gebühr auch dann zu entrichten ist, wenn zu der Geburt eine Hebamme nicht hinz gezogen worden Das
wissermaßen die Erhebung einer Steuer und aus die timmun würden sich zweifellos zahlreiche Härten —25 ü — annehmbar füur meine politischen Freunde wäre es, wenn etwa in die Hebammengebühr die Verwaltungskosten eingerechnet werden ollten. Allerschwerste Bedenken haben wir vom Standpunkt der Frau gegen die Bestimmung, daß die Gebühr nur erhoben wird wenn ein lebendes Kind geboren ist, wenn also für die Hinzu⸗ hsne einer Hebamme zur Hilfeleistung bei Abtreibungen die
ebühr nicht F zahlen ist. (Hört, hört! rechts und im Zentrum.) Die augenblickliche Begeisterung der Hebammen für diesen Gesetz⸗ entwurf wird sich ganz merklich abkühlen, wenn die Hebammen erst einmal den Inhalt des s kennen werden. Die Rednerin geht dann auf die einzelnen Bestinmun des Entwurfs näher ein. Sie bemängelt, daß bei der Anstellung einer Hebamme zweimal vier Behörden Guthaben abzugeben haben, woraus ür die Hebamme, falls zwischen diesen Behörden Differenzen ich ergeben. große Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten ent⸗ ieben können. Auch wir wünschen, daß die Hebammen Neben⸗ veschäftigung nicht nötig hätten. Aber in den Fällen, wo es sich um eine Witwe mit mehreren Kindern handelt, die in einem kleinen Orte wohnt, wird man den Hebanzmen die Möglichkeit des Nebenverdienstes zubilligen müssen. Will eine Hebamme die Erlaubnis zur Nehenbeschäftigung haben, so werden nicht weniger als sechs Behörden in Anspruch genommen. Der § 34 des Entwurfs, der vorsieht, daß eine als Bezirkshebamme an⸗ estellte Hebamme ihr altes Zeugnis der Behörde abliefern muß, edeutet insofern eine Schädigung der Hebamme, als bei einer Nichtbereitschaft zur Versetzung das Einbehalten ihres Heugnisses für sie von schwerem Nachteil sein kann. Auch wir beklagen, daß die Hebammen nicht besser gestellt sind und beantragen eine bessere Regelung der Vergütungen. Feruer bean⸗ tragen wir, daß die Stadt⸗ und die Landkreise die Hebammen an⸗ en und nicht die Provinzialverbände, denn die Stadt⸗ und Land⸗
ise allein wissen die Bedürfnisfrage zu beurteilen. Den Frauen soll nach unserem Antrag unbedingt die freie Wahl unter den Heb⸗ ammen zustehen. Weiter verlangen wir Milderung der Uebergangs⸗ bestimmungen für die Hebammen, die bereits längere Zeit den Beruf ausgeübt haben. Wenn unsere Anträge angenommen werden, sind wir bereit, dem Gesetz zuzustimmen. Niemand würde sich mehr freuen als die Zentrumspartei, wenn das Gesetz mit diesen Ver⸗ besserungen zustände käme. (Beifall im Zentrum.) 1
Eingegangen ist ein Antrag der Unabhängige
— IE“ 60⁶ Mark zu erhöhen und die Paragraphen über Erhebung der Gebühren zu 8188 ½ 22 88
Abg. Dallmer (D. Nat.): Ich bedaure außerordentlich, d eine Abgeordnete hier gestern eine Frau becngeras zu 82₰
suchte, die seit 17 Jahren den Hebammenberuf ausgeübt hat,
nur weil sie sich gegen dieses Gesetz erklärt hat. An der vor⸗ liegenden Gestalt des Gesetzes haben sehr “ Ekemen edeihe Es ist bedauerlich, daß wir in letzter Stunde ein so edeutendes Gesetz erledigen sollen. Hätten wir es früher bekommen, so wäre es längst erledigt und hätte vielleicht schon am 1. Arpril d. J. in Kraft kreten können. Nach dem ersten Paragraphen wird die Hebammenhilfe jeder Frau garantiert, also auch den reichen Leuten, die gge gewohnt waren, sich die Hilfe auf eigene Kosten zu besorgen. ie machen hier den reichen Leuten ein Geschenk, und das nennen sie sozial! Wir legen das größte Gewicht darauf, daß nicht die Provinzen, sondern die Stadt⸗ und ddeea die Entscheidung über die Hebammen treffen. Nach diesem Gesetz wird den Provinzen eine überragende Stellung gegeben, was besonders auf dem Lande draußen sehr schlechte Wirkung haben wird. Den Landkreisen wird hier etwas entrissen durch die Pro⸗ vinzen, auf das sie ihrer Natur nach unbedingt Anspruch haben. Bei der Anstellung hat der Kreis gar nichts zu sagen. Die Aus⸗ wahl der Hebammen ohne . des Kreises ist aber eine Ungerechtigkeit. Nach § 29 der Ausschußbeschlüsse ist für jede Geburt an den Provinzialverband eine Gebühr zu zahlen. Das ist eine nackte Geburtsfteuer, die den Arbeiter und den Angestellten am härtesten treffen wird. (Zuruf kinks: Zu dumm!) Sie werden bald hören, wer der Dumme ist. Zahlen die Kassen nicht in voller Höhe, dann müssen die Väter zuzahlen; die Landkranken⸗ kassen haben bereits solche Erklärungen abgegeben. Der Arbeitor muß also zuzahlen, und das nennen Sie eine soziale Regelung! Statt wie in Frankreich für Vermehrung des Kinderreichtunts Prämien, Familienbeihilfen zu geben, führt man bei uns eine Geburtssteuer ein! Und nicht genug damit, es wird auch noch eine direkte Prämie auf die Abtreibung gesetzt. Wir sind bereit, das Sect. mitenmachen, wenn nach unseren Anträgen die Provinzialvorbände, die Bestimmungen über die Vexsetzung der Hebammen wieder bebihgt bezw. geändert werden und §8 29 eine Fassung erhält, die das Prinzid von Leistung gegen Gegenkeistung aufrechterhält. Hierauf nimmt der Mimister für Volkewohlfahrt Stegerwald das Wort, dessen Rede im Wortlaute wieder⸗ gegeben wird, sobald das Stenogramm derselben emingeht.
Abg. Frau Poehlmann (D. V. P.): Ich muß mir die An⸗ 88 des Abg. Dr. Schlozmann gegen meine Wahrhaftigkeit aufs entsechisdenste verbitten. Ich bdin in Worten und Taten w haftig und setze das auch bei anderen vorgus. In der Ausschuß⸗ sitzung am letzten Montag kounten unsere Vertreter wegen unseres Potsdamer Parteitages nicht anwesend sein; wenn unsere Ab⸗ wesenheit hervorgehoben wird, b will man doch nur den ee erwecken, als ob die Deut e Volzsportei nict gewissenheft ge⸗ Behen wäyne. Wir haben hie zuletzt mitgearbeitet, und 28 der Sc — im Ans haben unzere Bertreter zwar per⸗ sönlich zugestimmt, aber ausdrücklich erklärt, daß sie die Frakti nicht festlegten. Wir hahen immer die Auftastung vertreten, daß auf diesem Gebiet die Selbstverwaltung den isen ni genommen werden dürfe; abar Dr. mann hat uns stets ent⸗ gegnet, man könne keinen einzalnen Steiß aus dem Bau hexaus⸗ salle er zusammen. Jetzt plövlich soll es doch möglich
seinl Wäre diese Einsicht er gekommen, das Gesetz wäre längst unter und F ea 8 ich boshaft, so chde ich sagen, daß das Gesetz eine geworden jst, eine Folge
daen. 1925 , eM. e uny von den Aerzten ge t worden ist. bobennc stern ist hier von allen 1 und
Redneriunen nachdrücklich betont worden, daß sie den Mugetern helfen wollen. Ja, warum denn nicht auch wir disse Kilsfe gewähren wollen? Meinan Bie denn, daß nicht auch wir einstehtig —— sind, 2 erkennen, daß die Hefecbese Ausbildung der
bammen e sehr wichtiger Faktor dige 5ö25.öF unsers Volles ist? Gestern oiner der m itssagzialistischen Rednex erkl daß die Ablehnung daos Gesetzes die boste Wahl⸗ Mie für die Gogjaldemokra e wäre. Warum nimmt denn die
sialdemokratie nach den Erfahrungen, die sie am 6. Juni hat machen müssen, unsere Wahlhilfe nicht an? Erfreulich ist ja, daß jetzt Herr olph Hoffmann zu erkennen gegeben hat, daß er un⸗ . Abänderungsvorschlägen immen könne. (Abg. Adolpg Haff⸗ mann: Nrau Poehlmann, Sie in ja Gespenster! — Heitar 8 Ich wünschte, daß, wenn ich den Abg. Adolph Hoffmagnn erpfiche es immer nur sin Gespenst wäre. (Ernennte Heiterkeit.) Die Red⸗ nerin kommt dann auf die Aufnahme zu sprechen, die der Gesetz⸗ entwurf in der entlichkeit gosunden hat, und verliaft eine Reihe von Entschließungen en den Entwunf, die aus Heb⸗ ammenkreisen, aus der Aerzteschaft und aus den Kveisen der Mütter stammen. Auch die * 94 Gesellschaft Berlin habe sich erst gestern gegen das Gesetz in des vorkiegenden Fassung ausgesprochen. Diese sarke Gegnorschaft ist eben auf den Imhalt des Gesetzes zurückzuführen. Wir wenden uns vor allem dagegen, daß den Provinzen die Ausübung des Gesetzes übertragen wird, gegen die Hinderung der freien Berufsausübung und die Gin⸗ schraͤnkung der freien Hebammenwahl. Wir wünschen, daß auch den Bezirkshebammen Freiheit in ihrer Bern Sehes gewährt
wird. Weiter fordern wir, daß die Gebühr nicht für Entbindungen in Enthindungsanstalten zu zählen ist. Wir bestehen darauf, daß