Gefahr näher. Aus der tödlichen Umarmung des Bolschewismus sich arholend, sei Ungarn zu einem der konsolidiertesten Staaten Mittel⸗ europas geworden, der revolutionäre Bestrebungen nicht; unter⸗ stützen könne. Im Verhältnis zu Oesterreich boffe er auf ein gedeihliches Zusammenwirken, zumal wenn die westungarische Frage eine befriedigende Lösung finde. Gegen⸗ über dem österreichischen Standpunkte der „res judicata“ könne sich Ungarn auf den von der Entente authentisch interpretierten Friedensvertrag berufen, wonach eine Beseitigung ethnischer und wirt⸗ schaftlicher Ungerechtigkeiten möglich sei. Diese könnten im Falle Westungarns unzweifelhaft festgestellt werden. Es könnte von ver⸗ hängnisvollen Folgen für beide Staaten sein, wenn die Uebergabe Westungarns erzwungen würde. Oesterreich dürfe aber das Suchen nach einer Verständigung nicht Ungarn allein überlassen. Deutsch⸗ lands innere Konsolidierung und wirtschaftliche Erstarkung begleite er mit aufrichtigster Sympathie, zumal sie die wichtigste Vor⸗ bedingung für die wirtschaftliche Wiedergeburt und die soziale Beruhigung ganz Europas sei. Dies werde jetzt größten⸗ teils auch von jenen Staaten anerkannt, die mit Deutschland Jahre hindurch im schweren Kampfe gestanden hätten. Ungarn, das in den schwersten Tagen auf Grund der Interessengemeinschaft treu und fest an der Seite Deutschlands ausgehalten, habe heute keinen Anlaß, die unter geänderten Verhältnissen his zum Zusammenbruche vorhanden gewesenen engen Beziehungen zu Deutschland abzuleugnen, und werde die in gemeinsamen Kämpfen entstandenen Sympathien auch dann für wertvoll halten, wenn sie unter den herrschenden politischen Verhältnissen nicht verwertet werden koͤnnten. Was die neuen Staaten betrifft, so legte der Minister größtes Gewicht auf ein herzliches Verhältnis zu Polen. Mit den Entente⸗
Großmächten werde Ungarn in ein aufrichtiges vertrauensvolles
Verhältnis zu gelangen trachten.
Frankreich. Gestern vormittag fand beim Präsidenten der Re⸗ publik eine Sitzung statt, der u. a. Briand, Loucheur und Doumer sowie 8 Vorsitzende des Reparationsausschusses Louis Dubois, Berthelot und die beiden Delegierten der Sachverständigenkonsferenz in Brüssel Seydoux und Cheysson beiwohnten. Der „Agence Havas“ zufolge wurde in der Konferenz über die Haltung der französischen Abordnung in der Reparationsfrage bei den kommenden Beratungen ge⸗ sprochen. — Die Botschafterkonferenz hat vorgestern eine Sitzung abgehalten, in der der Vertreter der französischen Re⸗ gierung bei den deutsch⸗polnischen Verhandlungen über den Transitverkehr zwischen Deutschland und Lö durch den Weichselkorridor obiger Quelle zufolge mitteilte, daß ein provisorisches Abkommen paraphiert worden sei, das aber noch die IFeimmusng der interessierten Staaten finden müsse. Der Botschafterrat legte den Entwurf einer Ant⸗ wort der Interalliierten Maritimen Kommission auf ge⸗
wisse Fragen vor, die seitens der Interalliierten Maritimen
Kontrollkommission in Berlin gestellt wurden, nahm
den Bericht des Marschalls Foch über die Frage der dem⸗ nächstigen Auflösung der Interalliierten Kontroll⸗ kommission in Wien entgegen und traf dahingehende An⸗ ordnungen.
— Die Reparationskommission veröffentlicht laut Meldung der „Agence Havas“ folgenden Bericht über die E““ Deutschlands bis zum 31. Dezember
Lieferungen
auf das Revparationskonto betrugen: (Koks
und Braunkohlen inbegriffen und gleich⸗ berechnet) 17 818 840 Tonnen; Ammonigksulfat
9 Tonnen; Dampfer, Segler, Fischerboote
2 034 729 Bruttotonnen, Flußschiffe nebst Material dazu 88 730 Tonnen, Tiere 360 000 Stück; Sämereien 6 802 558 Kilogramm; rollendes Material: Lokomotiven 4571, Waggons 129 555, Lastwagen 5000; festes Eisenbahn⸗ material 140 000 Tonnen; landwirtschaftliches Ma⸗ terial 131 505 Tonnen (Maschinen und Geräte); Farbstoffe
8 10 787 827 Kilogramm, pharmazeutische Produkte 57 823 Kilogramm; Unterseekabel: Emden —Vigo, Emden — Brest, Emden — Teneriffa, Emden —Azoren (1 und 2), Azoren — New York (1 und 2), Teneriffa — Monrovia, Monrovia — Lome, Lome — Duala, Monrovia — Pernambuco, Konstantinopel— Konstanza, Jap— Schanghai, Jap —Guam, Jap — Menado. In dem vorstehenden Ver⸗ zeichnis sind verschiedene Lieferungen und Ablieferungen verschiedener Art nicht enthalten, die Deutichland gutgeschrieben werden müssen, wofür aber Zahlen nict Cheg a werden können, z. B. für Privat⸗ ee güezti 11““ in ken Gebieten 8 im v7zg ebiet, nach dem 1n im Stich gelassenes Material usw. Endlick amfaßt die dülte N vehe; oder Abtretungen, die im Friedensvertrag wwit wndeern Mächten als Deutschland vorgesehen sind.
Bis he te dat oie Reparationskommission folgende Verteilung der deutschen Lieferungen auf das Reparationskonto vorgenommen: Kohlen: Frankreich 14 210 582 Tonnen, Italien 1 618 534 Tonnen, Belgien 1 401 626 Tonnen, Luxemburg 588 098 Tonnen; Ammoniak⸗ Sulfat: Frankreich 19 000 Tonnen; Schiffe (in Bruttotonnen), Großbritannien 1 477 839, Frankreich 166 924, Italien 124 901, Belgien 15 831, Japan 28 678; Flußschiffmaterial: Frankreich 36 730: Belgien 2000; Tiere: Frankreich 208 943, Belgien 152 233 Stück;
Sämereien: Frankreich 6 501 310, Italien 200, Belgien 301 078 Kilogramm; Farbstoffe: Vereinigte Staaten 1 300 143, Groß⸗ britannien 3 113 802, Frankreich 3 172 632, Italien 1 760 810, Belgien 1 190 375, Japan 250 062 Kilogramm; pharmazeutische Produkte: Italien 30 581, Belgien 12 385, Japan 585 Kilogramm; rollendes Material; Lokomotiven: Frankreich 2633, Belgien 1918; Eisenbahn⸗ wagen: Frankreich 63 658, Belgien 65 897; Lastkraftwagen und Antomobile: Vereinigte Staaten 1314, Großbritannien 1242, Frank⸗ reich 2200, Belgien 224; landwirtschaftliches Material und Maschinen: . 9 932, Belgien 21 573; festes Eisenbahnmaterial: Frank⸗ reich 90 000, Belgien 50 000 Tonnen. Die Aufteilung der Untersee⸗ kabel, die von den alliierten Mächten einer Konferenz von Sach⸗ verständigen in Washington anvertraut worden war, hat noch nicht ausgeführt werden können.
Für den größten Teil der oben angeführten Lieferungen wurden Schätzungen vorgenommen. Da einige Hauptfragen noch nicht gelöst sind, mußten hier und da an Hand ver⸗ schiedener Unterlagen Zahlen aufgestellt werden, zwischen denen
später gewählt werden wird. Die Kommission legt jedoch Wert
darauf zu erklären, daß die Zahl, die Deutschland kürzlich bezüglich der Anzahlung auf die 20 Milliarden Goldmark, die es laut Artikel 235 des Friedensvertrags zu zahlen hat, ver⸗ öffentlichte, die wirkliche Zahl ansehnlich überschreitet. (2) Die hauptsächlichsten Werte, bei denen eine Unsicherheit oder Abweichung vorliegt, find die öffentlichen Besitztümer in den abgetretenen Gebieten, die Schiffe, das Saargebiet, das von
den Deutschen nach dem 11. November 1918 aufgegebene Material, ein Teil der Kohlen.
Alußer den Deutschland gutzuschreibenden Lieferungen be⸗ stimmt Artikel 238 des Friedensvertrages, daß Deutschland verpflichtet ist, zurückzuerstatten Gegenstände jeder Art, Wert⸗ papiere und Gelder, die weggenommen, beschlagnahmt oder chueste worden sind, falls es möglich ist, diese zu identi⸗ fizieren, sei es auf deutschem Gebiet oder im Gebiet der Alliierten. Diese Rückerstattung identifizierter Gegenstände ist durchaus zu unterscheiden von den oben gerig ien; Liefe⸗ rungen; Artikel 253 des Vertrages setzt fest, daß deren Wert nicht auf das Reparationskonto Deutschlands gebucht werden
.“ 8— bis zum 31. Dezember 1920 für Frankreich und
S
darf. Die Kommission stellte folgende Rückerstattungen Belgien fest:
An landwirtschaftlichen Maschinen: Frankreich 13 546, Belgten 14, zusammen 13 560; Material für die Industrie: Frankreich 184 161, Belgien 87 046, zusammen 271 207; rollendes Material: Lokomo⸗ tiven: Frankreich 273, Belgien 134, zusammen 407; Waggons: Frankreich 6031, Belgien 12 897, zusammen 18 928. Andere Güter sind gleichfalls zurückerstattet worden, wie Wertpapiere, eine gewisse Menge Mobiliar und Kunstgegenstände.
— Die englischen Minister Llond George und Lord Curzon und der italienische Botschafter de Martino sind gestern in Paris angekommen. LC“ 2
r
Eine amtliche Auslassung 5 die englischen und französischen Funksprüche, wonach Banden von Aufständischen in der Ukraine erfolgreich nach Kiew vordrängen und im Be⸗ griff wären, die Stadt zu umzingeln und einzunehmen, als jeder tatsächlichen Grundlage entbehrend. Im ganzen Abschnitt “ vollkommene Ruhe.
— Die georgische Regierung macht amtlich bekannt, daß die russische Sowjetregierung den am 14. November 1920 mit Georgien abgeschlossenen Handels⸗ und Transit⸗ vertrag systematisch und in gröblichster Weise verletzt. Durch diesen Vertrag hat sich die Sowjetregierung verpflichtet, dem Georgischen Staat monatlich eine Million Pud Naphtha zu Ues im Umtausch gegen Steinkohle, Lehmziegel, Holz und anderes Baumaterial aus Georgien. Bloß drei Wochen hat die Sowjetregierung die Vereinbarung eingehalten. Am 5. Dezember wurde die Lieferung von Naphtha eingestellt und am gleichen Tage beschlagnahmten die Sowjetbehörden in Baku die aus Tiflis dorthin gesandten georgischen Eisenbahn⸗ züge mit 240 Naphthazisternen und 12 Lokomotiven und ver⸗ hafteten auch das Personal dieser Züge — 24 Lokomotiven⸗ brigaden und 12 Konduktorbrigaden. Von der Aserbeidschaner Sowjetregierung wurde das Personal zwangsweise in den Dienst der Aserbeidschaner Eisenbahnen gestellt. Das georgische Ministerium des Auswärtigen erhebt energischen Protest gegen diese Rechtsverletzungen der Sowjetregierung, die einen Sturm der Entrüstung in allen Schichten des georgischen Volkes, ganz besonders bei der Arbeiterschaft, hervorgerufen haben.
1“
88
Der Ministerrat hat laut Meldung des „Wolffschen
Telegraphenbüros“ die Einführung der Altersversicherung
für Arbeiter beschlossen.
— Der Ministerpräsident Dato erklärte, daß er angesichts der fortdauernden syndikalistischen Attentate den Cortes sofort nach ihrer endgültigen Konstituierung Maßnahmen zur Beratschlagung unterbreiten werde, um den Terror wirksam bekämpfen zu können.
— Wie die Blätter melden, hat die Regierung ein neues
Flottenbauprogramm festgelegt, das vier Panzerkreuzer von je 28 000, sechs kleine Kreuzer von je 6000 Tonnen, ver⸗ schiedene Zerstörer und drei bis vier Unterseebootsflottillen vorsieht. Sämtliche Bauten sollen in Spanien mit spanischem Material ausgeführt werden. v“
1“
8 Amerika.
Die „Agence Havas“ meldet aus Washington, der Senator Root habe an den Vorsitzenden der Kommission des Reprä⸗ sentantenhauses einen Brief gerichtet, in dem er die Meinung ausspricht, die Vereinigten Staaten dürften in diesem Augen⸗ blick mit anderen Nationen die Frage der vollständigen oder teilweisen Abrüstung nicht verhandeln. Man müsse ab⸗ warten, bis Präsident Harding sein Amt angetreten habe, und ihm Zeit lassen, die Frage zu studieren.
— Nach einer Havasmeldung ist das chilenische Mi⸗ nisterium zurückgetreten.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Reichstagsausschuß für auswärtige An⸗ gelegenheiten trat am Sonnabend zu einer längeren Sitzung zusammen. Gegenstand der Tagesordnung waren, wie „W. T. B.“ berichtet, Fragen des Auswärtigen Amts. Die Verhandlungen wurden für vertraulich erklärt.
8
88 Woohlrfahrtspflege.
Am 21. Januar hat in Berlin eine Sitzung des Ständigen Ausschusses des Verbandes deutscher Landesversicherungsanstalten stattgefunden, an der Ver⸗ treter des Reichsarbeitsministeriums, des Reichspostministeriums und des Reichsversicherungsamtes teilnahmen. Von den Vertretern des Reichsversicherungsamtes wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, erklärt, daß der von dem „Berliner Lokalanzeiger“ und anderen Blättern am 14. d. M. veröffentlichten Nachricht über die Verdoppelung des Preises der Invalidenversicherungsmarken nicht eine sachliche Entscheidung des Reichepersicherungsamtes zugrunde liegt; vielmehr hat das Reichsversicherungsamt nur den formellen prozessualen Weg gewiesen, auf dem eine derartige Beitragsstreitigkeit zum Austrag gebracht werden könnte. Die sachliche Entscheidung des Reichsversicherungsamts mosse vor⸗ behalten bleiben. Mit dieser Maßnahme einigte man sich dahin, daß die Beitragsmarken (drucklicher Wert 90, 100, 110, 120 und 140 ₰ vom 20. Dezember 1920 ab nur zum doppelten Geldwert zu be⸗ schaffen und zu verwenden sind, auch soweit es sich um zurückliegende Zeiten handel 8
Nach einer von „W. T. B.“ übermittelten „Havas“⸗Meldung aus New York hat der Sohn von Rockefeller eine Million Dollar für den Hilfsfonds zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit in Europa eestiftet.
Kunst und Wissenschaft.
In der am 13. Januar abgehaltenen Sitzung der physikalisch⸗ mathematischen Klasse der is “ der Wissenschaften sprach Herr Liebisch über die homogenen Deformationen der Kristalle, die durch einfache Schiebungen nach Gleitflöchen hervorgerufen werden. Die einfachen Schiebungen nach Gleitflächen, durch welche die physikalischen Eigenschaften der Kristalle nicht geändert werden, sind einem einfachen geometrischen Gesetz unterworfen, solange die Homogenität der Kristalle als eine kontinuierliche aufgefaßt werden kann. Eine vollständigere Einsicht in diese Vorgänge wird vermittelt durch die Kenntnis der auf röntgenometrischem Wege aufgefundenen homogenen diskontinuier⸗ lichen Strukturen der Kristalle. An dem Beispiel des Kalkspats wurde erläutert, daß die Zentren der Jonen Ca und 00 3 schiebungs⸗ fähige Gitter bilden, deren Punkte geradlinige Strecken in 8. Schiebungsrichtung zurücklegen. Dagegen ist die Bewegung der außer⸗
halb dieser Zentren liegenden Punkte, Zentren der 0-Atome, eine zykloidische. . In der Sitzung der philosoph isch⸗historischen Klafse am selben Tage stattfand, las Herr Heymann über die formen der deutschen militärischen Kriegswi schaft und ihre Bedeutung für die Entwicklart unseres Gewerberechts. Die Rechtsgedanken licher und absolutistischer Bindung des Gewerbes sind im Kri recht zu einer bis dahin unbekannten date gesteigert, und die b zugsweise protektionistische Bindung früherer Zeiten ist einer 8 herrschung im Ae — nicht nur unter tatsächlie Beseitigung der Gewerbefreiheit, sondern auch drängung von Lebensinteressen der einzelnen — gewichen. Die dabei verwendeten Formen der Beschla nahme, Enteignung, Auskunftspflicht, Zwangssyndizierung ufs lassen sich auf längst vorhandene Rechtsgedanken zurüd
unter Zurück
führen; sie empfangen aber ihren befonderen Charakter durch den
verbindenden besonderen Kriegszweck. Unter diesem Gesichts bedarf ihre Verwendung im Friedensrecht sorgfältiger Prüfung Herr Erman legte vor eine Mitteilung von Professor 8 ltnn in Berlin „Die Zeichen für Westen“ 5 en“ Das Zeichen für Westen’ wird gedeutet Land der Federträger’, d.; Libyen; das Zeichen für Osten’“ meint Kupferberg’, d. i. Sinai halbinsel. Diese Schriftzeichen müssen also aus geo Gründen in Unterägypten entstanden sein; das Delta muß zur ihrer Entstehung das Land der höheren Kultur gewesen sein.
Aeronautisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 8 22. Januar 1921. — Drachenaufstieg von 5 ⁸ a bis 6 ¼
Relative Wind Feucht is⸗ Rich ü8n tung 8 WSW
10—14 WSW 18
Temperatur 00
Seehöhe Luftdruck
mm
751,7 86 738 87 715 80 WzN 26 679 .“ 80 WzN 30
.“ 70 WzN 30 ewöhnliche Sicht.
23. Januar 1921. — Drachenaufstieg von 9 ½ a bis 10 ½ a. Relatipe Wind Seehöhe euchug; Ges keit Richtun vind m mm unten % 1 Cee 122 W 14 300 G WzS 18
WzN 19 1000 W 20
Luftdruck Temperatur Co
g des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.
Theater.
Opernhaus. (Unter den Linden.) Dienstag: bezugsvorstellung. Die Gezeichneten. Anfang 6 Uhr. Mittwoch: Ritter Blaubart. Anfang 7 Uhr. 8
Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Dienstag: 20. Daue bezugsvorstellung. Die Journalisten. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Torquato Tasso. Anfang 7 Uhr.
Die Ausgabe der Dauerbezugskarten für den Mona Februar 1921 zu je 25 Vorstellungen im Opernhause umf im Schauspielhause erfolgt am 27., 28. und 29. d. M wischen 9 ½ und 1 Uhr in der Theaterhauptkasse, Schauspielhaus
ingang Jägerstraße, gegen Vorzeigung des Dauerbezugsvertrage und zwar: am 27. d. M. für den 1. Rang und das Parkah des Opernhauses, am 28. d. M. für den 2. und 3. Rang des Ope⸗ hauses und am 29. d. M. für alle Platzgattungen des Schauspiel haufes. Der Dauerbezugspreis berechnet sich entsprechend Ziffer; der Bedingungen und nach dem seit 4. Januar d. J. geltenden reg mäßigen Tageskassenprese. 8
8“ Gestorben: Hr. Generalmajor a. D. Robert von Haberuna (Stuttgart).
ruf! 51— Am 18. Januar d. J. wurde durch einen unerwarteten Tod der Kammerherr 8 1
Georg Sahrer von Sahr auf Prietitz aus seinem verantwortungs⸗ und böen vollen Amt des Stiftsverwesers des weltadeligen Fräuleinstifts Joachimstein abberufen⸗
In tiefem Schmerz stehen wir vor der Bahre dieses durch unermüdliche Arbeitskraft, Pflichttreue und Umsicht aus⸗ ezeichneten Mannes. Er gab dem Stift das Gep ve eine außergewöhnliche Persönlichkeit und hat das Stift zu einer Blüte gebracht wie nie zuvor. Unser dankbares Andenken folgt ihm über das Grab hinaus.
Stift Ioachimstein O. L., den 21. Januar 1921.
Die Größere Landständische Stiftsdeputation.
Freiherr von Vietinghoff⸗Niesch. von Wiedebach⸗Nostitz.
9*
RNach
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelg Rechnungsrat Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32. 8
Fünf Beilagen (eiinschließlich Börsenbeilage) .“ Zweite, Dritte und Vierte Lentral⸗Handelsreaister⸗Meale⸗
insbesondere die Bahn 1t .
mittelaln 1G
Unternehm er
in der ägyptischen Hieroglyphenschrift⸗
„Deut r. 19.
eichsa
Erste Beilage
nzeiger und Preußischen Staatsanze
ger
u ““
Nichtamtliches.
Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Deutscher Reichstag. ℳ. Sitzung vom 22. Januar 1921, Nachmittags 1 Uhr. gaiht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)
Dr Gesetzentwurf über die Betriebsbilanz und die Betriebsgewinn⸗ und Verlustrech⸗ ung wird ohne Erörterung an den sozialpoli⸗ schen Ausschuß überwiesen.
Es folgt die erste Beratung des Gesetz⸗ twurfs zur Aenderung des Einkommen⸗ zuergesetzes vom 29. März 1920.
gbg. Keil (Soz.): Daß diese umfangreiche und schwer⸗
geende Vorlage in den Steuerausschuß gehen muß, bedarf keiner
eren Begründung. Man war geneigt, diese Ueberweisung ge Erörterung vorzunehmen, meine Fraktion hat jedoch auf eine wweraldebatte nicht verzichten zu können geglaubt. Die schwierigen ggen der Steuertechnik eignen sich ja FFrscht für eine General⸗ bute und können nur in einem Ausschuß eingehend gründlich h gewissenhaft geprüft werden, aber einige Fragen allgemeiner bur verdienen doch wegen ihrer großen materiellen und finan⸗ ggen Bedeutun zunachs eine Würdigung im Plenum. Dazu iamen andere Fragen, die die Vorlage nicht berührt, obgleich sie berühren sollte. Und schließlich allgemeine Fragen der deut⸗ in Steuerpolitik, die dringend der Vesprechung in voller ffenllichkeit bedürfen. Das alte Gesetz befindet sich kaum Konate in Kraft, und schon wird uns diese dritte Novelle vor⸗ ggt. Die Gegner des nenen deutschen Steuersystems höhnen spotten über diese Reformbedürftigkeit nach Herzenslust, es
d dieselben Leute, die es verschulden, daß auf dem Gebiete der zergesetzgebung in den Jahren 1919 und 1920 mit überstürzter at gearbeitet werden mußte. Es mußte ja ein pollständig neues euergebäude errichtet werden, und es stand dafür nur eine Zeit mebensoviel Monaten zux Verfügung wie früher an Jahren für ge soiche große Steuerresorm gebraucht wurde. Es mußte ein tz neuer Behördenapparat geschaffen werden, und dieser mußte Herst einarbeiten können, und das alles hatte zu geschehen in ter Zeit größter Nervosität und steter Umwälzungen, wo es icht; Beständiges als den Wechsel gibt, wo in wenigen Monaten eKaufkraft des Geldes die katastrophalsten Erschütterungen er⸗ det. Die Vorlage enthält an erster Stelle eine prinzipielle eenertechnische Aenderung, die den Zweck hat, die mit der Doppel⸗ senerung des Steuerjahres 1020 verbundenen Härten zu idern. Mit dem Uebergang von der Vorausbesteuerung des e eee zur nachträglichen Besteuerung des aiächlich erz; ten Einkommens find natürlich große steuertech⸗ iice Schwierigkeiten verknüpft. Die Vorlage will an der nach⸗ tiglichen Veranlagung und Besteuerung des tatsächlich erzielten kinkommens festhalten, aber jeweils für das folgende Jahr die kruer nach dem Maßstabe der letzwvorangegangenen Veranlagung istweilen forterheben, mit gewissen Anpassungen, die darin be⸗ jchen, daß die Steuerschuldigkeit enisprechend ermäßigt wird, wenn e Culkommen um ein Fünftel, mindestens um bastguse Mark h verringert hat, bezw. entsprechend erhöht. Auch der Laie er⸗ eint sosort, daß dieses Verfahren zu ernormen Belastungen isren wird. Darum hat der Reichstag im vorigen Jahre mit tücsicht auf die sheseen dagegen sprechenden kechnischen Be⸗ enken diesen Vor chlag abgelehnt. unmehr will man unge⸗ ictet dieser Bedenken zu ihm zurückkehren. Sind denn die deut⸗ chen Eteuerbehörden schon so weit vorgeschritten, daß heute von erbisherigen Regelung abgegangen werden darf? Ein Blick auf ia Stand der Veranlagung und Erhebung der großen Besitz⸗ huern belehrt uns, daß wir uns den Luxus neuer steuertech⸗ ischr Schwierigkeiten nicht erlauben dürfen. Im Ausschuß wird ter diese äußerst schwerwiegende Frage weiter zu reden 8 Im eafammenhang damit steht die Frage, ob die Steuer, welche nach Kalenderjahr 1920 bemessen und für 1921 erhoben wird, für ale 12 Monate oder nur für 9 Monate erhoben werden soll. sach der Vorlage soll sie nur für 9 Monate erhoben werden. Aus eeer Regelung werden sich neue Schwierigkeiten im Hinblick auf e Lage der Länder und der Gemeinden ergeben. In Preußen 18. hat man den Gemeinden 8. auf Kosten des Staats weit⸗ cende Zugeständnisse gemacht, indem man ihnen für die sihsten Jahre statt des im Landessteuergesetz vorgesehenen Zu⸗ klags von 35 Prozent zum Aufkommen aus dem Jahre 1919 Prozent gewährt. Wird jetzt die Steuer nur für 9 Monate hoben, so macht das sowohl durch die Rechnung der Finanz⸗ ervaltung wie auch durch die b für die Gemeinden inen fr een Strich. Die bisherige Steuerbefreiung für Beiträge kulturfördernde gemeinnützige Zwecke und an politische Ver⸗ ine will die Regierung aufheben. Meine Partei steht trotz des inttlcch enffesselten Eingabensturmes unbedingt in diesem Punkte iif der Seite der Regierung. Wir erblicken 8e der Finanz⸗ ige des Reiches in dieser im vorigen Jahre beschlossenen Regelung en gesetzgeberischen Unfug. Die Förderung dieser Zwecke in ilen Ehren, aber sie kann und darf nicht erfolgen auf Kosten des butschen Reiches. (Zuruse rechts.) Eine gemeinnützigere, eine lturförderndere Aufgabe als die Erhaltung des feiche gibt es nicht. (Andauernde Zurufe und Unruhe rechts.) Feradezu grotesk sind die Gründe, die von manchen 8 senten für die Aufrechterhaltung beigebracht werden. Wenn emand 18 unvorsichtig war, sich auf lange Jahre hinaus zu einem iorßen Beitrag für seine Parteizwecke zu verpflichten, so möge er is cus eigenen Mitteln, nicht aber aus Reichsmitteln tun. Das seich hat gar kein Interesse daran, solchen Steuerpflichtigen die Uimentierung der Deutschen Volkspartei oder der Deutsch⸗ ionalen Volkspartei zu erleichtern. Je stärker diejenigen Par⸗ tien werden, die aus dieser Bestimmung des öS1” Gesetzes in größten Vorteil ziehen, um so größer wird die Gefahr für in Bestand des Deutschen Reiches. (Lebhafte Zustimmung bei sen Sozialdemokraten.) In der Milderung der Steuerlast für die leinen Rentner müssen wir wohl noch weiter gehen als die Re⸗ serungsvorlage. Vollkommen unzulänglich scheinen uns die Be⸗ üimmungen zu sein, die zur Schonung der kleinen Einkommen hlcemeinen getroffen sind. (Sehr richtig! rechts.) Es freut nich, Ihre Zustimmung zu haben. Nach der Vorlage soll es itbei hleiben, daß für den einzelnen Steuerpflichtigen nur fünf⸗ unhundert Mark steuerfrei bleiben, dagegen wird für jeden zum haushalt Zählenden die steuerfreie Summe von fünfhundert auf usend Mark erhöht, und das wird noch dazu auf die Jahre 1920 und 1921 befristet. Die Regierung scheint zu meinen, da damit iie fortschreitende Entwertung des Geldes und die fortschreitende euerung aller Lebensbedn fnisse ausgeglichen wird; uns feügt das aber nicht. unächst teigt das alle Ein⸗ bmmen, a die größten, und nach unserer Mei⸗ nung befecar die hoßen Einkommen kein Hedürfnis dazu. mvererfeits ist unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze
* Mit Ausnohme der Reden der Hecren Minister, die im aute wiedergegeben werden.
Berlin, Montag, den 24. Fannar
1922
das Bedürfnis nach Schonung der Steuerpflichtigen ein viel größeres als die Vorlage vorsieht. Unsere Anträge zur Milderung des Steuertarifs namentlich 35 die unteren Klassen sind seiner⸗ zeit von allen bürgerlichen Parteien abgelehnt worden mit Hin⸗ weis auf die Lohnerhöhungen. Nun hat aber eine Erhöhun des wirklichen Reallohns der Arbeiter nicht stattgefunden, während gleichzeitig eine große Erhöhung der Steuerlast erfolgte, die mit der Steigerung des Nominallohns begründet wurde. Daraus erklärt sich auch der starke Widerstand der deutschen Arbeiterschaft gegen den automatischen Steuerabzug vom Lohn. Es wäre po⸗ litisch richtiger gewesen, den Hauptsturm nicht zu richten gegen das technische Verfahren des Abzuges, sondern gegen die Höhe der der dentschen Arbeiterschaft zugemuteten Steuerlast. Der abgezogene Betrag hat nun aber die volle Steuerschuldigkeit nicht edeckt, es werden sich also bei der endgültigen Veranlagung Schuldreste der Steuerpflichtigen ansammeln, die sich 8 Hun⸗ derte ja auf Tausende von Mark belaufen. Die Vorlage schweigt sich darüber aus, was damit werden soll. Sollen diese Reste im ege der Pfaändung eingetrieben werden? Das ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Es wird nichts anderes übrig bleiben, aus sozialen wie aus technischen Erwägungen, als einfach bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze, die nicht zu niedrig bemessen sein darf, vielleicht bis zu 30 000 ℳ, sämtliche Steuerreste aus dem Jahre 1920 zu streichen. (Beifall.) In Zukunft müßte der Lohn⸗ abzug in Einklang gebracht werden mit der Steuerpflicht. Wir sehen nicht ein, daß die ungeheuren Fehlbeträge des Etats un⸗ bedingt aus den Schwächsten des deutschen Volkes herausgepreßt werden müßten und daß diese bis zum Zusammenbrechen bluten sollen, wenn dagegen täͤglich zu beobachten ist, daß einflußreiche Kräfte am Werk sind um den Besitz zu schonen. (Widerspruch rechts.) Die Durchführung der Besitzsteuer ist r ungeheuer weit im Rückstand. Die Steuerpflichtigen haben nicht nus reich⸗ lich Zeit und Gelegenheit gehabt, um ihren Kriegsgewinn und ihr Vermögen dem Zugriff der Steuerbehörde zu entziehen, nein, es hat auch bereits ein planmäßiger Abbau dieser Besitzsteuern be⸗ gonnen, womit bei den Steuerpflichtigen, die ihre Pflicht noch nicht erfüllt haben, die größten Hoffnungen erweckt werden. Mit der Ueberlastung der Behörden ist dies nur teilweise zu entschuldigen. Ich bin sehr im Zweifel, ob bei allen Behörden mit dem nötigen Eifer an der Durchführung der Steuergesetze gearbeitet wird. Mit dem Abbau der Besitzsteuern ist bereits begonnen worden. Der Abgeordnete Helfferich und seine Freunde haben ihn zu erzwingen gesucht durch ihren Ansturm gegen das Notopfer. Was damals nicht gelungen ist, soll jetzt nachzuholen versucht werden. Dieses Bestreben ist bereits so weit gediehen, daß auf dem Umweg über die Steuern die deutschnationale Volkspartei zur stillen Teil⸗ haberin der Regierungskoalition geworden ist. Die Fehler, die der Abgeordnete Helfferich an der Erzbergerschen Steuergesetz⸗ gebung entdeckt hat, sind für die Deutschnationalen ein unschätz⸗ bares Gut. Dem Abgeordneten Helfferich ist es gelungen, die Führung in der Steuergesetzgebung, die im vorigen Jahre in den ea Erzbergers lag, wieder an sich zu reißen. Der Reichs⸗ inanzminister, der die ihm gestellten Zumutungen ablehnen mußte, sieht sich jetzt vereinsamt und selbst von seinen eigenen Parteifreunden verlassen. Die einzige Partei, die hinter dem Finanzminister im Steuerausschuß steht, ist die Sozialdemokratie. Das Zentrum hat den Reichsfinanzminister im Stich gelassen, weil es im Steuerausschuß nur durch seine agrarische und großin⸗ dustrielle Richtung vertreten ist. Arbeiter⸗ und Mittelstandsin⸗ teressen gibt es im Zentrum heute nicht mehr. (Lebhafter Wider⸗ spruch im Zentrum.) Der erste Versuch Helfferichs zur Aus⸗ höhlung des Notopfers bestand in dem Antrage, daß Kriegsan⸗ leihe zum Nennwerte bis zu einem Monat nach der Zustellung des Steuerentscheides in Zahlung genommen werden mußte. Man begründete diesen Antrag mit einem gegebenen Versprechen. Ich erinnere mich, daß der Abgeordnete Helfferich als Reichsminister noch andere Versprechen gegeben hat. So das Versprechen, daß er die Kriegsrechnungen den Feinden präsentieren wollte. Wie steht es mit diesem Versprechen? Wie steht es mit dem Versprechen, daß man für eine ausreichende Entschädigung der Kriegsbe⸗ schädigten sorgen würde, und wie mit dem Versprechen, daß man das deutsche Volk goldenen Zeiten würde? Der Reichsbankpräͤfident hat seinerzeit eindringlich vor Augen geführt, daß vor allem die Verminderung der schwebenden Schuld und die Eindämmung des Papierumlaufs notwendig sei. Der Steuer⸗ ausschuß unter dem Einfluß des Abgeordneten Helfferich hat sich darum aber nicht gekümmert. Wenn die Anträge, die auf eine weitere Schonung des Großgrundbesitzes hinzielen, angenommen werden, dann muß das ganze Reichsnotopfergebäude zusammen⸗ brechen. Die Rechte macht sich hier zum Beschützer der landwirt⸗ schaftlichen Kriegsgewinnler. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Ob⸗ wohl schon das geltende Gesetz durch weitgehende Rücksichtnahme auf den Großgrundbesitz den Ertrag des Notopfers erheblich herabdrückt, laufen die Herren von der Rechten gegen dieses Gesetz Sturm. Ebermaliger lebhafter Widerspruch rechts.) Die Herren von der Rechten wollten doch sogar den Reichssinanzminister, der sich noch gar nicht ausgesprochen hat, zwingen, ohne die Ent⸗ scheidung des Plenums auf dem Verordnungswege ihren Wünschen zu entsprechen. (Zurufe rechts: Das stimmt nicht!) Dann muß ich das wohl geträumt haben. (Zuruf rechts: Sie werden schon noch erwachen!) Die Rechte verkangt eine weitere Bevorzugung der Landwirtschaft, die Industrie wird dann folgen, und so sin neue große Schwierigkeiten für die Veranlagung böö. Und diese Art Finanzpolitik des Abbaus der Besitzsteuern wird an⸗ gestrebt angesichts der geradezu verzweifelten Finanzlage Deutsch⸗ lands. Wenn die finanzpolitische Führung in Zukunft wiederum in den Händen liegt, die in den Kriegsjahren durch eine plan⸗ mäßige Schonung des Besitzes, durch Förderung der Kriegsge⸗ winnler, durch eine maßlose Schuldenwirtschaft Deutschland ins Verderben geführt hat, so wird der Untergang Deutschlands nicht aufzuhalten sein. (Sehr richtig links.) Die Hand, die diese Politik getrieben hat, ist die Hand des Abgeordneten Ferife e (Sehr richtig! links.) Kein Wunder, daß die Rechfe absolute Schweig⸗ samkeit über ihre kommenden Steuernpläne beobachtet, hat sie doch eine große Mengr neuer indirekter Steuern in Vorbereitung unter gleichzeitigem Abbau der Besitzsteuer. Vor den preußischen Wahlen kommen die Herren mit ihren Plänen nicht heraus, wir werden sie aber entschleiern. Die Besitzsteuer bleibt schlieflich weiter nichts als eine blendende Kulisse und ist nichts als vollendeter Humbug. Darum richte ich an die gesamte deutsche Arbeiterschaft die drin⸗ gende Mahnung, auf der Hut zu sein (Ruf rechts: hlrede!),
damit ihr nicht das Fell über die Ohren gezogen wird. Wenn das
Fedeihen des deutschen Wirtschaftslebens, wenn die menschliche
Arbeitskraft in Deutschland ruiniert wird, dann ist es auch nicht
nur mit der Steuerpolitik, sondern auch mit der aegen. der deutschen Wirtschaft vorbei. Deshalb 8 es nicht heißen: der Vermögenssubstanz der Millionäre, sondern der Arbeitskraft des deutschen Volkes. (Beifall links.) 8 Abg. Dr. Helfferich (D. Nat.): Meine Freunde hätten darauf verzichtet, bei der ersten 1r. in eine Debatte einzu⸗ ehen. Der Inhalt der Vorlage ist d hre Vorberatung in der Kommission das Gegebene gewesen wäre. Wir haben auch nicht das Bedürfnis, den Reichstag zu benutzen, um Wahlreden loszulassen. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts.) Wir werden noch genug Wahlreden halten, aber draußen, die Arbeits⸗ kraft dieses hohen Hauses ist uns zu kostbar. Es ist eine eigen⸗ tümliche Erscheinung, daß, nachdem das Einkommen⸗Steuergesetz noch kein Jahr alt ist, es dennoch 12 eine Reihe von Kindern
hat, das erste bekam es schon zwei Tage nach der eigenen Geburt.
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ehr technischer Natur, daß 12- 8 8 88 sein als die Arbeitsleistung. Jedenfalls bestehen wir darauf,
da
(Heiterkeit.) Das Wort „Abbau“, das mir so zum Vorwurf ge⸗ macht wird, ist vom Reichsfinanzminister gefallen. Die Vorlage will nur unausführbare “ ausräumen. — unseres Widerspruches hat das Plenum der Nationalversammlung das Gesetz beschlossen, und jetzt erkennt die Regierung seine Undurch⸗ führbarkeit infolge seiner Kompliziertheit. Dieses neue deutsche Gesetz leidet besonders am Mangel an Einfachheit, 55 000 Beamte der Reichsfinanzverwaltung müssen immer wieder die gleiche Arbeit leisten, die das Parlament leisten muß. Sie haben zu⸗ nächst eine vorläufige --e.. des Steuerzahlers festzulegen, dann die endgültige Veranlagung, schließlich muß festgestellt werden, ob der Betreffende zuviel oder zu wenig bezahlt hat. An sich halte ich die Besteuerung des Einkommens an der Quelle für einen vernüftigen Gedanken, sie muß aber so eingerichtet werden daß sie eine endgültige ist, dann sparen wir uns viele tausend Beamte, viel Aerger und Unzufriedenheit. Nicht mit uns reden lassen wir über die Beseitigung der Abzugsfähigkeit von Beiträgen für kulturfördernde, mildtätige und politische Ver⸗ einigungen. Die Erhaltung des Deutschen Reiches ohne Aufrecht⸗ erhaltung der deutschen Kultur ist nicht möglich. (Sehr richtig! rechts.) Für, mich ist die deutsche Kultur bestimmend. (Zwischen⸗ ruf links.) Ich gehe auf eine Erzbergerdebatte nicht ein, ich lasse mich nicht auf das Glatteis der Geschmacklosigkeiten führen. Die deutsche Kultur kennt keine Parteien, nur gibt es manche, die die Kultur zerstören wollen. Der Bestand der Kultur ist unver⸗ äußerlich. Gerade bei der finanziellen Not darf man die nicht belasten, die noch Zuwendungen für die Kulturförderung machen. Schließlich würden dann gerade die Kreise getroffen werden, die Herr Keil schützen will. (Zwischenruf links: Granaten sind Ihre Kultur!) Ich lasse mich auch auf solche Geschmacklosigkeit nicht ein. Daß die Beiträge für die Gewerkschaften abzugsfähig sind, dafür bin ich selbst. (Ruf links: Landwirtschaftskammern), gewiß, auch für die Landwirtschaftskammern. Wenn beantragt würde, die Steuerfreiheit der gewerkschaftlichen Beiträge aufzuheben, würde ich dagegen stimmen, aber die Gewerkschaften sind heute nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Organisationen. Wir werden gegen alle Versuche, die Abzugsfähigkeit zu be⸗ schränken, stimmen. Der Abg. Keil hat sich sehr darüber auf⸗ geregt, daß im Steuecrausschuß unter meiner Führung Versuche zu einem Abbau der Besitzsteuergesetzgebung gemacht sind. Ich verstecke mich nicht und bekenne mich ausdrücklich zu einer Re⸗ vision der Steuergesetzgebung. Nur müssen wir die Dinge nicht agitatorisch, sondern mit klaren Augen und klarem Willen be⸗ trachten. Womit hat Herr Keil seine furchtbaren Vorwürfe gegen uns begründet? Zunächst war es die Behandlung der Kriegs⸗ anleihen. Den Zeichnern wurde versprochen, daß die Anleihen aus Anlaß von Kriegssteuern zum Nennwert angerechnet werden sollen. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Den Millionären!) Ich habe keinen Antrag gestellt, daß diese Vergünstigung auf Millionaͤre Anwendung finden soll, das überlasse ich Ihnen. Ich habe ganz allgemein nur beantragt, daß dieses Versprechen honoriert wird. Ich sagte, daß im früheren kaiserlichen Staat ein Versprechen auch erfüllt worden wäre, und daß man an einem Wort der staatlichen Obrigkeit nicht rütteln und deuteln solle. Als man in der Nationalversammlung die Präklusivfrist bis zum 21. Dezember 1920 festlegte, da waren im Ausschuß wie im Plenum sämtliche Parteien der Ueberzeugung, daß längstens ein halbes Jahr vorher die Veranlagung durchgeführt wäre. Sie ist aber heute noch nicht durchgeführt. Das ist nicht die Schuld der Steuerpflichtigen und auch nicht Schuld der Finanz⸗ verwaltung, 88 Sie lieber, es liegt an der Macht der Verhält⸗ nisse. Der illionär hat seine Vermögensverwaltung, er hat seine Rechesberater und Bankiers, er ist geschult und hat auch Bee en, die er liest. Schlecht weggekommen sind die armen eute, die sich nicht mal eine Zeitung kaufen können. Wir wollen diejenigen Leute schützen, die auf Grund ihrer sozialen Stellung nicht in der Lage waren, sich über die Bestimmungen Rechen⸗ schaft zu geben, und die ihrer Natur nach erst dann zahlen, wenn sie die Veranlagung von der Behörde in der Hand haben. Das sind die kleinen und mittleren Leute. Wir werden dafür sorgen, daß das Nüic diesen sein Versprechen hält. Dann ist wieder mein angeblicher Ausspruch erwähnt worden, der Feind werde alles bezahlen, es ist mindestens das dritte Mal, das ich hier da⸗ gegen Stellung nehme. Wenn ich gehofft habe, namentlich nach einem kurzen Kriege, der damals doch nicht für unmöglich ge⸗ halten wurde, daß wir von den Feinden eine Entschädigung be⸗ kommen würden, so teilte ich diese Hoffnung mit vielen anderen. n einer Denkschrift über die Kriegsentschädigungen wird ver⸗ ngt: Voller Ersatz der Kriegskosten, der Kriegsschäden, Til⸗ gung aller Reichsschulden, Schaffung eines großen Reichsinva⸗ lidenfonds aus der Kriegsentschädigung, Reservierung eines Be⸗ trages zur Anlegung deutscher Kabel⸗ und Funkenstationen, Schaffung eines Dispositionsfonds für den Kaiser zu Ehren⸗ gaben für olgreiche Feldherrn und Staatsmänner, schließlich ein Betrag für die ö“ der Altersgrenze in der Sozial⸗ gesetzgebung. (Zurufe b. d. Soz.) Der Verfasser ist ein Mann, dessen Namen sch Herrn Keil nicht zu nennen brauche, der ihm aber nahe Ich habe nicht nux wenige Wochen nach Ueber⸗ nahme bes eichsschatzamts die Finanzminister der Bundes⸗ taaten darauf aufmerksam gemacht, daß erhebliche Steuern nöt sta würden, einerlei wie der Krieg ausgehen würde, sondern i habe auch im Dezember 1915 hier erklärt: „Der Krieg wird unter allen Umständen, einerlei wie groß die Kriegsentschädigung ist, auf die wir natürlich rechnen, uns vor ganz gewaltige steuerliche Belastungen stellen.L“ (Lärm und Zurufe b. d. Soz.) Ich habe meine Finanzpolitik auch als Mittel für Erlangung des Sieges betrachtet. (Larm b. d. Soz.) Ich habe für den Sieg gearbeitet und gekämpft, ich rechne mir das zur Ehre an, und ich begreife nicht, wie man mir daraus einen Vorwurf machen kann. (Großer Lärm b. d. Soz.) Ebenso aufgebauscht wie die Sache mit den Kriegsanleihen ist die Angelegenheit mit den Bewertungsgrund⸗ sätzen für landwirtschaftliche rundstücke. Auch hier habe ich ver⸗ lang t, daß ein bei ““ des Notopfergesetzes gegebenes Versprechen erfüllt wird und daß die Regierung korrekt und loyal ihrer Zusage nachkommt. Es sollten für die Berechnung des Ertragswertes derjenige Wert zugrunde gelegt werden, der bei nachhaltiger, gemeinüblicher, normaler Bewirtschaftung zu er⸗ ielen ist. In der Diskussion in der Kommission wurde verlangt, 5 dies nicht nur fun die Kriegsjahre, sondern auch für die Friedensiahre gelten sollte, und der Regierungsvertreter stimmte zu. Wenn nun aber ausschließlich die Jahre 1914 bis 1919 zu⸗ grunde gelegt werden sollen, so sind das für uns Kriegsjahre, denn es ist doch nur eine Spitzfindigkeit, zu sagen, daß 1919 kein Kriegsjast mehr war. Wir verlangen, und zwar im Einklang mit anderen daß ein gehebenes Versprechen erfüllt werden soll. (Zuruf b. d. Soz.: Kartoffeln!) Ueber die Kartoffel⸗ preise ließe sich streiten. Sie . jetzt aber schon ein Sinken des Preises der Lebensmittel. Soviel ist gewiß, in keinem Lande unter keiner Staatsverfassung kann der Reallohn auf die Dauer
auch bezüglich der A““ die gegebene Zu⸗ sage aufrechterhalten wird. Her Keil warf uns vor, wir ver⸗ steckten uns hinter allem möglichen, hinter anderen Parteien, inter dem Finanzministerium. Wir haben kein Bedürfnis, uns zu verstecken, und wir wollen auch nichts verschleiern. Es wurde darauf hingedeutet, daß wir den Wunsch hätten, daß über die kommenden indirekten Steuern nicht gesprochen wird. Das hat