dadurch zu steigern, daß man möglichst viel verbraucht, sondern im Gegenteil, die Tendenz der Welt geht dahin, sich möglichst ein⸗ zuschränken (sehr richtig!) und endlich die furchtbaren Lasten, die der Krieg über die ganze Welt gebracht hat, durch Sparsamkeit wieder abzubürden. Wie will man da nun glauben, daß Deutschland von allen Ländern der Welt das einzige sein würde, das eine so exorbitante Steigerung seiner Entwicklung nehmen werde, um eine Leistung von sechs Milliarden Goldmark jährlich zuzüglich einer Abgabe von zwölf Prozent der Ausfuhr, einer Abgabe. die von der Gegenseite wieder auf jährlich ein bis zwei Milliarden Goldmark geschätzt wird, zur Ver⸗ fügung zu stellen? In der Zusammenarbeit dieser beiden Leistungen, die uns Paris auferlegen will, liegt nichts weiter, als die völlige Zer⸗ rüttung der deutschen Wirtschaft, die angeblich zugunsten der Wirtschaft der andern Beteiligten des Friedensvertrages von Versailles geschehen soll, die in Wirklichkeit aber auch diesen anderen Beteiligten ihre Wirtschaft zerrütten würde. Ich halte es für eine durchaus falsche Maßnahme, von der man nicht früh genug wieder abkommen kann. Die Fronarbeit, unter die man für 42 Jahre die deutsche Wirtschaft stellen will, um diese großen Summen für die anderen zu erpressen, würde sich herausstellen als eine schwere Beeinträchtigung des ehrlichen Handels und der ehrlichen Arbeit in der ganzen Welt. (Sehr richtig!) Deshalb handeln die gegen ihr eigenes Interesse, die das deutsche Volk m dieser Fronarbeit verurteilen wollen.
ich eben aus seinem Antrag sehe, darauf hingewiesen, daß eine derartige Verurteilung des deutschen Volkes zur Fronarbeit gegen feierlich unter⸗ schriebene Verpflichtungen unserer Gegner selber verstößt. richtig!) Es ist nämlich gar nicht anders denkbar, als daß diese Arbeit nur geleistet werden kann unter größtmöglicher Herabsetzung des Lebens⸗ standards unserer Bevölkerung, der arbeitenden Bevölkerung in erster Linie, unter größtmöglicher Anspannung der Leistungsfähigkeit dieser Bevölkerung weit über das Maß der Stundenleistung hinaus, das sich die Arbeiterschaft in den letzten Jahrzehnten errungen hat. Und nun heißt es im Friedensvertrag, Art. 23, daß die Vertragsstaaten sich verpflichtet haben, und sich bemühen werden, angemessene und menschliche Arbeitsbedingungen für Mann, Frau und Kind zu schaffen und aufrechtzuerhalten, sowohl in ihren eigenen Gebieten wie in allen Ländern, auf die sich ihre Handels⸗ und Gewerbebeziehungen erstrecken. (Hört, bört!) Das ist von ihnen allen unterschrieben und von uns mit.
die Arbeit nicht lediglich als eine Ware und als ein Handelsartikel angesehen werden darf, auch nicht für Reparationszwecke, und in Nr. 3 des Artikels heißt es, daß für die Bezahlung der Arbeiter ein Lohn vorgesehen werden muß, der ihnen eine nach Auffassung ihrer Zeit und ihres Lande angemessene Lebensführung ermöglicht. In Nr. 4 wird dann auch noch der Achtstundentag gefordert. Mit diesen Grund⸗
Reparationsbestimmungen von möchten.
deutschen Reise ein einstimmiges Echo in den nahe der Grenze gelegenen Teilen unseres Landes gefunden habe, diese negative Kritik genügt nicht, wenn wir nach London kommen.
geheuer schwere Aufgabe zu lösen, hier mit praktischen Gegenvorschlägen zu kommen. Wir müssen bei diesen Gegenvorschlägen die Bedürfnisse
unserer Gegner ebenso wie unsere Leistungsfähigkeit prüfen und beiden genuqzutun suchen.
bedürfnis Frankreichs — ein Finanzbedürfnis,
gewendet hat, und dann in dem schweren Defizit, mit dem der französische Etat auf Grund der Finanzwirtschaft während des Krieges belastet ist.
herumgeplagt hat, daß man gleichzeitig die deutsche Wirtschafts⸗
Es ist nicht etwa die allgemeine Tendenz der Welt, den Verkehr 8
Aber, meine Herren, schon Ihr wirtschaftlicher Ausschuß hat, wie
(Sehr
In Art. 427 ist als leitender Grundsatz aufgestellt worden, daß
ätzen kann man aber die Verpflichtungen nicht durchführen, die die Paris über Deutschland verhängen
Aber, meine Herren, ich gebe vollkommen zu: diese Kritik, die ja aut genug erschallt ist und für die ich namentlich auch bei meiner füd⸗
Die Reichsregierung hat ereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Pariser Beschlüsse be⸗ chlossen, daß wir Gegenvorschläge machen wollen, und wir haben uns i den inzwischen verflossenen Wochen große Mühe gegeben, die un
Es handelt sich da zunächst um das gewaltige Finanz⸗ das sich aus⸗ pricht einmal in den außerordentlich hohen Summen, die Frank⸗ eich bis jetzt aus eigenen Mitteln für Reparationszwecke auf⸗
Dazu kommt aber als zweites eine große Sorge, die fast lle unsere ehemaligen Gegner erfüllt, die aber vielleicht am Uermeisten England betrifft: die große Sorge vor der deutschen Konkurrenz. Es liegt hier die alte Quadratur des Zirkels vor, mit der sich schon die Pariser Friedenskonferenz 1918 und 1919
kraft als Konkurrenz ausschalten und als leistende Arbeits⸗ maschine ankurbeln will. Wir müssen naturgemäß darauf halten, daß wir lebendig bleiben als arbeitendes Glied des allgemeinen menschlichen Wirtschaftskörpers und daß wir nicht mehr für andere leisten, als mit unserem eigenen Bestehen in Einklang zu bringen ist. (Sehr richtig!) Dafür, meine Herren, haben ir eine gute, vertragsmäßige Basis, denn auch der Friedens⸗ vertrag von Versailles und die Zusicherungen im Schriftwechsel mit der Entente bestätigen, daß uns die Erfüllung des Friedens⸗ hertrages nicht so weit wirtschaftlich ruinieren darf, daß wir darüber das Leben und die Leistungsfähigkeit verlieren. (Sehr ichtig!) Ueber diese Quadratur des Zirkels waren die Meinungen er Sachverständigen, die wir in größerer Zahl gehört haben, is zuletzt geteilt. Ich habe vor kurzem die abschließende Sitzung ver Ausschüsse der Sachverständigen geleitet und dabei feststellen müssen, daß eine Einstimmigkeit über die Gegenvorschläge nicht zu erzielen war. Inzwischen haben wir aber die Anregungen, ie die Sachverständigenausschüsse uns gegeben haben, in einem ngeren Kreise noch weiter verfolgt und glauben nunmehr, der Reichsregierung in sich klare, in sich haltbare und für die deutsche Wirtschaft erträgliche Vorschläge machen zu können, die trotzdem en Beschlüssen der Gegner in weiterem Maße entgegenkommen als die Pariser Beschlüsse selbst, nämlich in dem Maße, daß sie raktisch ausführbar sind, während die Pariser Beschlüsse Phantasmagorien sind.
Darüber, meine Herren, wird sich das Kabinett wahrschein⸗ lich heute und morgen schlüssig machen, und wir werden dann noch einmal eine letzte Sitzung mit sämtlichen Sachverständigen haben, die auf Freitag zusammenberufen ist. Selbstverstäündlich erden wir unsere Gegenvorschläge nicht früher der Oeffentlich⸗ eit unterbreiten können, als wir sie den Gegnern vorlegen. Es t eine alte Sitte und ein altes Gesetz diplomatischen Verkehrs,
eigenen Oeffentlichkeit zugänglich macht, bevor der Gegner Ge⸗
-deutschnationalen Partei, in der stand: Der Minister Simons
* K9A
ihnen Stellung zu nehmen. Daran müssen wir uns halten, und daran sind wir gebunden.
Es wird aber auch materiell nicht gut anders gehen, denn naturgemäß haben sich die Arbeiten in den letzten Tagen so ge⸗ drängt, daß, selbst wenn wir wollten, wir die abgeschlossene Form der Gegenvorschläge der deutschen Oeffentlichkeit nicht übergeben könnten. Wir werden allerdings denjenigen Vertretern des deutschen Volkes, die darauf ein Recht haben, Mitteilungen über die Gesamtheit unserer Vorschläge machen müssen. und am nächsten Sonnabend sollen daher sowohl der Aus.chuß des Reichs⸗ rats, wie die Vertreter der Parteien in den Gedankengang einge⸗ führt werden, der durch das Kabinett festgestellt sein wird.
Meine Herren, heute morgen bringt die „Rote Fahne“ einen Artikel, der etwa sagt: Der Herr Reichsaußenminister Simons erklärt, er würde die Gegenvorschläge nicht mitteilen; das ist ein Beweis, daß er entschlossen ist, die deutsche Arbeiterschaft in das Sklavenjoch der Entente zu verkaufen (hört! hört!); die Bourgeoisie hat sich wieder international gefunden, und die deutschen Arbeiter werden die Zeche bezahlen; es gibt für den deutschen Arbeiter infolgedessen kein anderes Mittel als eine Verbrüderung mit Sowjetrußland, um gemeinsam mit Sowjet⸗ rußland gegen den internationalen Kapitalismus vorzugehen. (Heiterkeit.) Das erinnert mich sehr lebhaft an den Empfang, den ich in Stuttgart fand, wo mir am Morgen eine württem⸗ bergische Zeitung ins Zimmer gebracht wurde, eine Zeitung der
hat durch die Presse erklärt, die deutsche Regierung würde die Einladung nach London annehmen; damit ist klargestellt, daß man schon umgefallen ist und die Bedingungen der Gegner be⸗ reits angenommen sind. (Hört, hört!) Meine Herren, diese beiden extremen Auffassungen sind beide gleich falsch, sie sind aber beide gleich geeignet, die Stellung der deutschen Delegation in London zu schwächen. (Lebhafte Zustimmung.) Worauf es der deutschen Regierung ankommen muß, ist nicht, daß ihr das deutsche Volk das Zeugnis ausstellt: wir halten dich für schlapp, du fällst doch um, — denn dann glauben das die Gegner auch, und ihre zweifellos einsetzenden Bemühungen, uns mürbe zu machen, werden mit doppeltem Feuereifer durchgeführt. Worauf es der deutschen Regierung ankommen muß, worauf sie Wert legt, das ist, daß das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrzahl ihr zuruft: Bleibt fest, und wir vertrauen euch, daß ihr festbleiben werdet. Wenn wir das wissen, dann werden wir festbleiben; davon dürfen Sie überzeugt sein. (Lebhaftes Bravo!) Meine Herren, ich bin mir der ungeheuer schweren Verant⸗ wortung wohl bewußt, die ich als Mitglied der deutschen Delegation in London zu tragen habe. Ich bin mir ihrer mehr als je bewußt geworden seit meiner Reise in den deutschen Südwesten. Da habe ich Tag für Tag, Stunde für Stunde mit Männern verhandelt, die vor sich die Folgen eines Nein sahen und die entschlossen waren, diese Folgen nicht nur durchzudenken, sondern auch auf sich zu nehmen. (Bravo!) Ich habe ihnen das Durchdenken nach Möglichkeit er⸗ leichtert. Ich habe mir Mühe gegeben, die Konsequenzen zu ziehen, die die uns noch nicht offiziell angedrohten, aber durch die Oeffent⸗ lichkeit bereits bekanntgegebenen Sanktionen der Gegner mit sich bringen würden. Sie sind durchgedacht, und die Folgen sind erwogen. Meine Herren, ich benutze diese letzte Gelegenheit, vor der deutschen Oeffentlichkeit nochmals meiner festen Ueberzeugung Aus⸗ druck zu geben, daß es gegen Vertrag und Recht wäre, wenn die Ab⸗
gäbe. (Sehr richtig!) Vorschläge sind dafür da, um entweder an⸗ genommen oder abgelehnt zu werden, und wenn sie abgelehnt werden, so tritt das Rechtsverhältnis wieder ein, das vor Ankündigung der Vorschläge bestand. Dieses Rechtverhältnis war der Vertrag von Versailles, und dieser sieht Sanktionen in der Reparationsfrage erst dann vor, wenn die Reparationskommission festgestellt hat, daß wir unsere Verpflichtungen nicht erfüllt haben. Einstweilen sind uns aber diese unsere Verpflichtungen noch nicht einmal mitgeteilt worden, wenigstens noch nicht in einer Form, daß sie uns als Beschluß ent⸗ gegentreten; mitgeteilt worden sind uns nur die ungeheuerlichen Schadensrechnungen, die aus allen Enden der Welt zusammengekratzt worden sind. Ob wir die Zeit haben, sie vor dem 1. Mai 1921 zu kontrollleren, das werden wir mit aller Pflichttreue, aber auch mit aller Unerschrockenheit prüfen. Es ist nicht so, daß die Herren da drüben sich jahrelang Zeit nehmen können, die Rechnungen zusammen⸗ zustellen, und uns dann nur ein paar Tage lassen, um Stellung dazu zu nehmen (sehr richtig!), sondern wir weunden uns die Zeit nehmen, die dazu nötig ist. 1
Also, meine Herren, ich erkläre meine Ueberzeugung dahin, daß Sanktionen noch nicht zu erwarten sind, wenn es nach Recht und Billigkeit hergeht. Ich erkläre aber auf der anderen Seite, daß ich manches Anzeichen wahrnehme, daß auf der anderen Seite die Ab⸗ lehnung der Vorschläge von Paris, wenn sie in einer Form erfolgen sollte, die als eine Widerspenstigkeit Deutschlands aufgefaßt werden könnte, zu Sanktionen führen würde.
Sie alle kennen diese Zwangsmaßnahmen; es sind zwei Sanktionen für die Zukunft: die Verlängerung der Besatzungsfristen und die Nichtaufnahme in den Völkerbund, und zwei Sanktionen für die Gegenwart: die Errichtung eines eigenen Zollgebiets in den be⸗ setzten Rheinlanden und die Besetzung weiteren deutschen Gebiets. (Hört, hört!) Ich habe die wirtschaftlichen Folgen dieser beiden Sanktionen mit den Ministerien der Länder, die ich besucht habe, ausführlich durchgesprochen, und ich nehme an, daß sie auch vom Reichswirtschaftsrat und seinem wirtschaftlichen Ausschuß wohl er⸗ wogen sind. Sie sind schwer, meine Herren, sehr schwer für das deutsche Volk, sei es durch die Zerreißung nahe miteinander ver⸗ bundener Wirtschaftsgebiete, sei es durch die Unterstellung von deutschen Gebieten, die bisher frei waren, unter fremdes Gebot. Ich möchte deswegen die Verantwortung nicht kleiner machen, die uns obliegt; ich möchte im Gegenteil betonen, daß es die Aufgabe der deutschen Delegierten sein wird, in London den Eindruck bei unseren Gegnern zu erwecken und zu vertiefen, daß wir wirklich nicht mit leichtfertigem Nein hinübergehen, sondern mit dem guten Willen, mitzuarbeiten an einem gemeinsamen Plane des Wiederaufbaues. (Bravo!)
Aber, meine Herren, darauf müssen wir doch hinweifen, daß der Wiederaufbau nicht so erzielt werden kann, wie man sich das damals in Versailles gedacht hat. Es ist nicht menschen⸗ möglich, daß ein Vollk den ganzen Schaden wieder gutmacht, der 27 anderen Völkern durch einen solchen Weltkrieg geschehen
lehnung der Vorschläge von Paris überhaupt zu Sanktionen Anlaß
g!) Man hat auch das Ungeheuerliche dieser Forderung ein⸗
gesehen, und man hat deshalb dem Friedensoertrag eine Form gegeben, die diese Ungeheuerlichkeit begründen sollte: es ist die Form des Strafurteils. Wir wissen, daß wir ein Strafurteil unterschrieben haben. Wir hoffen aber, daß eine Zeit kommen wird, wo das Strafverfahren gegen uns wieder ausgenommen wird. wo unsere Feinde selbst einehen werden, daß die Voraus. setzungen, auf denen jenes Strafurteil aufgebaut ist, unrichtig sind (Bravo), und daß die Folgerungen, die daraus gezogen wurden, unrichtig und für sie selber schädlich sind. (Sehr richeig!) Die Deutsche Regierung hat, wie Sie wissen, das Programm, trotz⸗ dem den Friedensvertrag in den Grenzen des Möglichen loyal auszuführen. Wie weit diese Grenzen gehen, das haben wir in den letzten Wochen gründlich zu prüfen Gelegenheit gehabt. Sie gehen nicht annähernd so weit, wie die Gegner glauben. Die Herren werden mit uns einsehen müssen, daß die Wiederaufhau⸗ nufgabe eine gemeinschaftliche Aufgabe der ganzen Kulturmensch⸗ heit ist (sehr richtig), und daß alle, die am Krieg beteiligt waren, ja selbst alle, die nur Zuschauer und Mitleidende des Kriegs, nicht Mithandelnde gewesen sind, daß auch alle Neutralen an dieser Aufgabe mitarbeiten müssen, (Sehr richtig!) Und die es Projekt des gemeinschaftlichen Wiederaufbaus aufzustellen, ist die große Aufgabe, die sich eigentlich London stellen sollte. Die Reparation, meine Herren, ist nicht nur eine wirtschaftliche Auf⸗ gabe, sie ist auch eine geistige Aufgabe, es ist die neue Auffassung der Verhältnisse zwischen den Völkern. Die neue Auffassung der Solidarität läßt sich nicht halten, wenn man in einer Sinnes⸗ art verharrt, wie sie sich aus der Androhung von Sanktionen der in Paris beliebten Art ausspricht. Das ist nicht die Methode, mit der wir die Welt von den Folgen des Krieges werden be⸗ freien können. 1
Meine Herren, ich möchte nicht schließen, ohne neben der Ge⸗ meinsamkeit, der Internationalität der Reparationsaufgabe unsere besondere Aufgabe gegenüber der Konferenz von London zu be⸗ tonen. Das deutsche Volk schickt jetzt seine Vertreter vor den Feind. Solange sie vor dem Feind stehen, ist es dringendes Bedürfnis der deutschen Politik, daß die deutsche Heimat ge⸗ schlossen bleibt. (Sehr richtig! und Bravol!) Wir müssen uns in dieser Zeit hüten, auch wohlberechtigte gegenseitige Anklagen bis zum Streit und bis zum Hader auszufechten. (Sehr wahr!) Wir müssen uns politisch und wirtschaftlich eine Art von Schonzeit auferlegen, damit wir nicht mitten in die Londoner Verhand⸗ lungen hinein durch unerwartete und unüberlegte Streitigkeiten geschwächt und in unserer Aktionskraft gegenüber dem Gegner gefährdet werden. (Sehr richtig!) Ich warne daher, in dieser Zeit der Londoner Verhandlungen die Arbeitskämpfe auf die Spitze zu treiben. Ich warne auch davor, die politischen Kämpfe auf die Spitze zu treiben. Ich warne vor allem — und da unter⸗ streiche ich, was ich heute in der deutschen Presse gelesen habe — ich warne vor allem vor unbedachten politischen Abenteuern (sehr richtig!), wie sie leider hier in Deutschland noch von man⸗ cher Seite geplant werden. Diese politischen Abenteuer darf sich keine ihrer Verantwortung und ihrer Pflicht bewußte Regierung gefallen lassen, und ich würde wenigstens das Meinige tun, um jeden Versuch zu einem solchen, jetzt mehr als je, unnachsichtig niederschlagen zu lassen. (Bravol)
Was wir jetzt brauchen, ist eine Zeit des Aufatmens für unsere Wirtschaft, der Sicherheit für die Gesundung unserer Wirt⸗ schaft, der Sicherheit dafür, daß uns die Gegner nicht selbst die Fähigkeit zu Schanden schlagen, ihnen in den Grenzen des Mög⸗ lichen in ihren eigenen Nöten behilflich zu sein. Wenn der Rcichswirtschaftsrat heute nach dieser Richtung hin die Reichs⸗ regierung noch mit Anregungen und mit Unterstützungen versieht, so wird die Regierung und so werde ich persönlich dem Reichswirt⸗ schaftsrat von Herzen dankbar sein. (Langanhaltendes lebhaftes
Bravo und Händeklatschen.) Herr von Siemens:
Der Rausch der Milliarden, der während des Krieges schon die ganze Welt hefallen und jeden Blick für wirtschaftliche Möglichkeiten getrübt hat, hat in den Pariser Be⸗ schlüssen seinen Gipfel erreicht. Wer dem Rausch nicht absolut verfallen ist und in eine sachliche Prüfung der Forderungen eintritt, muß sie
für undurchführbar halten. Die Feinde verlangen von uns Gold. Goldbergwerke haben wir nicht. Man überläßt es uns, Gold zu schaffen. Was wir als Gold ansprechen konnten, unsere Kalibergwerke, die uns ein Monopol in Kali sicherten, hat uns der Feind vernichtet. Unser Gold ist jetzt in erster Linie unsere Arbeitskraft. Aber dieses Gold ist nur gemünzt brauchbar. Wir müssen unterscheiden zwischen mobilem und immobilem Golde in diesem Sinne. Von dem mobilen Golde hat uns der Feind nichts gelassen. unsere Schiffe sind uns ge⸗ nommen. Mit Ausnahme gan weniger Dinge haben wir nur no immobiles 9 Zur Begleichung seiner Rechnung muß der Fen auf unsere Arbeitskraft zurückgreifen. Von unserer Produktion önnen wir aber nur den Ueberschuß abgeben über das, was wir selbst hineinstecken. In der Vorkriegszeit haben wir mehr Waren eingeführt, als wir ausführten. Einen Warenüberschuß haben wir alse nicht besessen. Die Werte, die trotzdem einen großen Goldstrom nach Deutschland geleitet haben, durch den wir unsere Lebens⸗ haltung steigern und die Ausgestaltung unserer großen Werke durch⸗ führen konnten, haben die Gegner uns genommen. Sie haben diesen Goldstrom in eigenstem Interesse in ihre eigenen Hände abgelenkt. Zur Erzielung eines Ueberschusses bleiben uns heute nur un. zwei Mittel: Ersparnisse in Verbrauches und Herabdrückung unserer Lebenshaltung und erhö oduktion. Unsere Lebenshaltung hat bereits ein so tieses Niveau 78 daß wir uns nicht noch weiter einschränken können. Cs ist unerhört, daß uns vom Auslande gesagt wird, wir sollen unsere Luxusausgaben beschränken. Wie follen wir das tun. wenn Frankreie uns gleichzeitig zwingt, Hunderte von Millionen auszugeben für ftanjesisce Seife, Parfüms und Jouvons? Frankreich will uns sogar zur zo
kann nur erreicht werden, wenn wir Absatzmöglichkeiten haben, Aber jetzt schon ruft man in allen Ländern bei unserer jetzt noc ganz geringen Ausfuhr zum Schutz der nationalen Arbeit auf gegen die deutsche Konkurrenz. Wean man logisch sein wollte, müßte üns, e Gegenseite zur Erreichung ihres Zieles ein Vorzugsrecht auf die Ab⸗ satzgebiete einräumen. (Lebhafte d..eg9. Wir können unsere Produktion sehr steigern, weil unsere Arbeitskraft durch die hg. blockade gelähmt worden ist; wenn wir die Forderungen der Entente durchführen wollten, müßten unsere Arbeiter, die jetzt schon ein Drittel ihrer Arbeitskraft für die Bestreitung der Schulden des Staats aufwenden müssen und nur zwei Drittel ihres Arbeitsertragg für ihren Lebensunterhalt’ verwenden fönnen, 42 Jahre bindur
drei Stunden länger arbeiten. Das ist nach physischen und Natur⸗ gesetzen unmöglich. Nur durch die Förderung der Ausfuhr fönnten wir zudem die von der Entente verlangten Goldsummen aufbringen. Man erschwert uns aber gleichzeitig unsere Ausfuhr durch die Be⸗ lastung mit zwölfeinhalb Prozent. Diese letzte Forderung hebt die erste Forderung auf. Wir besinden uns in unlösbaren Widersprüchen. Deshalb müssen wir fagen, daß die Parter
ist (lebhafte Zustimmung), und wer sich in dem Glauben wiegt,
egenheit gehabt hat, von ihnen Kenntnis zu nehmen und zu
der täuscht sich selbst und täuscht sein eigenes Voll. (Sehr rig⸗
Beschlüsse vom Dolus diktiert sind. Man will uns unmögli Forderungen stellen, um uns den Beweis unseres guten Willent
folgen zu tragen
durch Beschränkung unseres eigenen
freien Einfuhr dieser Luxusdinge zwingen. Die Erhöhung der Produktion.
stehende Arbeiterschicht. Diese Arbeiterschicht muß sich
mmmöͤglich zu machen. (Lebhafte Zustimmung.) Anch unter und Gegnern find genügend Personen, die versga üac EFsete gencn beurteilen können. Aber wir hören nur wenige Stimmen der Ver⸗ nunft. Es ist der Fluch der bösen Tat. daß sie fortzeugend Böses muß gebären. Die böse Tat ist die Lüge, die die feindlichen Führer jabraus jahrein gebraucht haben: Deutschland kann alles jahlen⸗ (Lebhafter Beifall.) Jetzt hat man nicht mehr den Mut zur Wahrheit! (Erneute Zustimmung.) Wir wissen, daß wir den Krieg verloren haben und daß e sag. selange die Welt bestezt, die Kriegs⸗ at. xs muß uns aber eine Mäglichkeit elassen werden, durch Arbeit und Enthehrungen Mer 68 auferlegten Lasten abzutragen, damit wenigstens unsere Kinder unter glücklicheren Verhältnissen leben können. (Anhaltender lebhafter Beifall.) Wir haben zu unseren Vertretern für London das Ver⸗ trauen und hoffen, daß sie der Wahrheit zum Siege verhelfen werden. Wenn sich die Lüge aber doch als zu stark erweist, sollen sie wissen, daß die deutsche Wirschaft hinter ihnen steht und bereit ist, alle Folgen aus ihrer Haltung zu tragen, in der Ueberzeugung, daß in kurzer Zeit allen Völkern doch die Wahrheit aufgehen wird. Mit besonderem Nachdruck rufen wir ihnen aher zu (der Redner wendet sich an den Minister Simons): Sie haben nicht das Recht, in London Wechsel auszustellen, durch die Sie unsere Kinder und Fetelrme⸗⸗ der Sklaverei überliefern. (Stürmischer, langanhaltender eifall.
Herr Wissel] (Arbeitnehmervertreter): Es scheint, als ob der Geist der Feindschaft im Kreise unserer Gegner aes immer nicht inmal dem Gefühl der Ueberlegung Platz gemacht hat, es hat viel⸗
ehr den Anschein, als ob mit dem Quadrat der Jahre, die seit cendigung des Krieges verflossen sind, die Ansprüche der Gegner ich steigern. Und es scheint weiter, als ob die Sorgen und öte wirtschaftlicher Art, unter denen namentlich Frankreich u leiden hat, ihnen den Blick für die realen Tatsachen etrübt haben. Utopistisch ist die Hoffnung, daß ein einziges and die Welt wieder ins Gleichgewicht bringen, die Schäden re⸗ grieren könnte, die ein Krieg von solchem Ausmaß den beteiligten ändern zugefügt hat. Was die Pariser Beschlüsse von uns fordern, tte nicht einmal das Deutschland der Vorkriegszeit erfüllen können. er Redner gibt eine gedrängte Uebersicht über die günstige wirtschaftliche ge Deutschlands vor dem Kriege und fährt dann fort: Jetzt sind wir etielarm, fast vier Jahre hindurch haben wir die gesamten Produktions⸗ äfte in das unproduktive Unternehmen des Kriegs gesteckt. Von usern Vorräten besaßen wir am Ende des Krieges nie ts als einen Haufen Kehricht. Was wir an Rehstoffen hatten, ist zum Teil noch icht bezahlt. Wie angesichts unserer außerordentlich geschwächten Fätynzsceh gleit das gefordert werden kann, was gefordert wird, ist nverständlichZ. Die deutsche Arbeiterschaft hat stets anerkannt, daß eutschland nach besten Kräften wieder gut machen muß, was Deutsch⸗ and verschuldet hat, und diesen Willen hat sie noch heute. Sie ist ge⸗ illt, bis an die äußerste Grenze der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der erpflichtungen den e . zu gehen. Aber sie ist auch enso fest entschlossen, sich nicht für ein Menschenleben und länger ein Sklavenleben hineintreiben zu lassen. Mehr als ihre Arbeits⸗ oft können die deutschen Arbeiter nicht bergeben. Und um dies tun können, muß die Arbeiterschaft die Möglichkeit haben, ihre rbeitskraft erhalten zu können. Es kann den Verfaffern der ariser Beschlüsse nicht unbekannt sein, daß die Erfüllung orderungen nur möglich ist durch gröbliche Verletzung eiles 13 des Friedenspertiages. Die deutsche Arbeiter⸗ shaft aber gibt ihre Errungenschaften, name tlich den Achtstunden⸗ ae nicht preis und sie läßt sich auch das Streben nach weiteren erbesserungen selbst durch die Entente nicht verkümmern. Wenn n die Erfüllung der Forderungen durch Mittel der brutalen Fwalt sollte erzwingen wollen, dann erscheint es uns sehr zweifel⸗ t, ob wir noch weiter an dem internationalen Arbeitsamt ilnehmen sollen. Wir möchten der Arbeiterschaft der deren Länder die Bedeutung dieser Forderungen gerade i Hinblick auf ihre eigene Lage vor Augen führen. Wenn die Leistungen erfüllen sollen, abgesehen davon, daß wir die kasse der Auslandegüter gar nicht absetzen können, welche Folgf urde eine Verlängerung der Arbeitszeit auch für die Arbeiterschaft r anderen Länder haben? Die dadurch ermöglichte Verbilligung r. Produktion würde verlangen, daß in diesen Ländern die rbeiter genau so lange arbeiten, wie die Deutschen. Die ganze zelt muß bereit sein, die Schäden des Krieges wieder gut u machen, wobei Deutschland, darüber sind wir uns klar, inen schweren Teil zu tragen hätte. Aber bisher ist noch icht einmat der Versuch gemacht worden, die ganze Welt gfür einzuspannen. Der Völkerbundsrat will demnächst eme Welt⸗ virtschaft⸗ und Finanzkonferenz einberufen. Die Höhe der Wieder⸗ utmachungsverpflichtung Deutschlands ist so eng verflochten mit den znteressen unserer bistsrices. Fe de. daß eine solche Konferenz nter Beteiligung aller Länder am ehesten in der Lage ein würde, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Ich age aber, daß dies vor der Festsetzung der Wiedergut⸗ machungsschuld geschehen müßte. Und auch die Arbeiterschaft aller aänder müßte beteiligt sein. Wir wollen positive Mitarbeit eisten. Wir haben uns wiederholt erboten, unsere bher assshen (tbeitskräfte für den Wiederaufbau Frankreichs zur Verfügung zu stellen lber alle diese Angebote sind bisher nicht angenommen worden. Man nuß annehmen, 90 bei den Pariser Forderungen der Geist der Ge⸗ echtigkeit völlig gefehlt hat. Die erhobenen Forderungen zerschlagen lle pfpchologischen Voraussetzungen zur Leistung einer gerechten Biedergutmachung. Wenn man dem ganzen deutschen Volke die offnung nimmt, wieder hochzukommen, wenn man es viel mehr als m Menschenalter zur Sklapenarbeit verurteilt, dann kann eine Fiedergutmachung nicht geleistet werden. Die deutsche Arbeiterschaft sill für die Wiedergutmachung arbeiten, aber sie will die Hoffnung üben, daß es ihren Kindern wieder besser geht. Diese Hoffnung zird aber durch die Forderungen vernichtet. Wenn unter iesem Geist die Arbeit in Deutschland geschehen soll, dann eird und kfann auch für die Eegner nichts herauskommen. Die deutsche Arbeiterschaft will mit aller Kraft sich am Wiederaufbau der Welt beteiligen, und zwar, wie es am 81. der Resolution schon heißt: bis zur äußersten Grenze der Leistungsfähigkeit. Aber die Arbeiterschaft verlangt auch Luft und Licht zum Leben. Das ist nur nöhlich, wenn der Geist der Menschlichkeit und Vernunft siegt. Ich will hoffen, daß er sich bis zum Beginn der Londoner Verhandlungen noch durchringt. Wenn nicht, wenn der Geist der Unduldsamkeit sich noch weiterhin geltend macht, dann müssen wir die uns aufgezwungenen Beschlüsse in dem Bewußtsein tragen, alles angeboten zu haben, was wir nur irgendwie anbieten können, dann können wir nur hoffen, daß Fhah * Zeit kommt, in der wieder Recht Recht ist! (Lebhafter Beifall.
Staatssekretär a. D. Dr. August Müller: Von welchem Stand⸗ dunkt man auch immer die Reparationsforderungen der Entente prüfen mag, das Resultat ist immer: die Forderungen sind unlogisch, weil sie den eigenartigen Charakter der deutschen Polkswirtschaft nicht gebührend berücksichtigen. Man kann Deutschland nicht in der Weise ausbeuten, wie ein Kolonialland, das nur Rohstoffe liefert. In einem solchen Lande kommt es auf die Geschicklichkeit der Arbeiter nicht an. Anders steht es mit der deutschen Volkswirtschaft! Wenn vwir von Kohle und Kali absehen, so verfügt Deutschland über leine uatürlichen Reichtümer, es ist ein Veredlungsland. Die Voraussetzungen für das Gedeihen der deutschen Volkswirtschaft bildet der Import von Rohstoffen und eine technisch wie vfegegthen 868. aber aus⸗ keichend ernähren fönnen, wenn sie die an sie gerichteten Forderungen erfüllen soll. Die ungeheuren Ententeforderungen können aber nur krfüllt werden, wenn das Ernährungsbedürfnis des deutschen Volkes efriedigt wird. Höher als alle Schadentersatzverpflichtungen aber steht das Gebot der Humanität, daß Millionen Deutscher vor dem Hungertode bewahrt bleiben müssen. Erst wenn diese
oraussetzung erfüllt ist, kann man an eine vernünftige Prüfung der eparationsfrage herantreten. Ich möchte der nüchternen Sprache der Tatsachen Gehör verschaffen, um zu zeigen, wie unausführbar die eparationsforderungen sind, wenn man sie an dem Stand der ährungsfrage mißt. Vor dem Kriege waren 2,7 Milliarden
ernährung zu bestreiten. Im Jahre 1913 war wiü Summe bereits über drei Milliarden ge iegen: 88r % 8— Ernährungsbedarfs nur wurden auf heimischer Scholle erzeugt. 11,5 Millionen unserer Bevölterung waren bereits damals auf die Lebensmikteleinfuhr angewiesen. Dazu tam die notwendige Einfuhr von Futtermitteln, die die Grundlage unserer Milchwirtschaft bildeten, nicht zu vergessen vor allem die Einfuhr künstlicher Düngemittel. Schließlich wurde eine halbe Million fremder Arbeiter in der deutschen Landwirtschaft beschäftigt. Das Ergebnis dieser Tatsachen ist fol⸗ gendes gewesen: die deutsche Landwirtschaft führte vor dem Kriege einen hochintensiven Betricb durch, der Deutschland trotz des kärglichen Bodens und der klimatischen Nachteile instand⸗ setzte, Einteerträgnisse pro Flächeneinheit zu erzielen. die höher gewesen sind als die der meisten euroräischen Länder. Es ist einer der Ruhmestitel, deutscher Wissenschaft, deutscher Agrar⸗ technik und deutscher Landwirtschaft, durch ihr Zusammenwirken dieses erstaunliche Ergebnis erzielt zu haben. Der hochintensive Betrieh birgt aber auch Nachteile in sich, denn er ist gegen jede Erschütte⸗ rung ungemein empfindlich. Eine Erschütterung muß katastrophale Folgen, haben und das hat der Weltkrieg vollbracht. Ein Vergleich zwischen den Jahren 1913 und 1919 ergibt einen Rückgang des bestellten Bodens um 5 vH. Diese Zahl ist bedeutungsvoll, weil sie be⸗ gleitet ist von einer Verschiehung der Anbaumethoden. Die deutsche Landwirtschaft ist durch die Kriegsverhältnisse gezwungen worden, zu Frersesn Metboden überzugehen. Nur folgende Zahlen seien zum
achweis der erschreckenden Folgen gegeben: von 1913 bis 1920 ist für Roggen ein Rücgenß des Ernteerträgnisses von 60 vH, für Weizen von 50 pH. für Kartoffeln von 47 ½4 vH zu verzeichnen. Hand in Hand damit ist ein bedenklicher Rückgang der Viehbestände gegangen. So hat sich z. B. die Zahl der Schweine um 43 vH verringert. Die Vor⸗ aussetzung des intensiven Betriebs, zu dem wieder übergegangen werden muß, bleibt aber der Bezug von Dünge⸗ und Futtermitteln aus dem Ausland. Durch die Wegnahme der Ueberschußprovinzen
Goldmark erforderlich
Wum das Defizit unserer Volks⸗!
ist überdies eine Verkürzung der Ernährungsmittel um ein Sechstel verursacht worden. Obendrein ist die deutsche Bevölkerung dichter geworden. Wir bedürfen einer Einfuhr an Nahrungsmitteln für nicht weniger als 58 vH unserer Bevölkerung. Alles in allem kann man nicht damit rechnen, daß in längster Zeit der Na hrungsmittel⸗ bedarf, den Deutschland vor dem Kriege gehabt hat, auch nur an⸗ nähernd befriedigt werden kann. Wir Zuͤsen daher von einem Not⸗ bedarf ausgehen. Selbst dann aber bedürfen wir eine Fleischeinfuhr von 600 000 t, und zwar innerhalb des nächsten Jahres, um 25 kg
leisch pro Kopf der Bevölkerung liefern zu können. Wir brauchen erner 3 Millionen Tonnen Brotgetreide, erst dann sind wir imstande, die Feeeenese obendrein unzureichende Brotration geben zu können.
nsgesamt bedürfen wir einer Einfuhr von 11,8 Milliarden Gold⸗ mark, wenn wir den Stand vor dem Kriege zugrunde legen. Selbst der Notbedarf würde aber noch eine Einfuhr im Werte von 3,8 Milliarden Goldmark erfordern. Welche Forderungen ergeben sich daraus? Unsere Landwirtschaft muß instand gesetzt werden, durch die Einfuhr von Rohphosphaten und uttermitteln intensiver zu wirtschaften. Berücksichtigt man, daß die Aus⸗ fuhr des deutschen Volkes im vergangenen Jahre nur 4,8 Milliarden Goldmark beträgt, so ist klar, daß nach Be⸗ friedigung des Ernährungsbedürfnisses weitere Leistungen un⸗ möglich sind. Wir können ja nicht einmal die Devisen auf⸗ bringen, um den Notbedarf zu decken. Nun hat uns die Entente zur Sparsamkeit ermahnt, wir sind aber auch in dieser Hinsicht bereits bis zur äußersten Grenze gegangen. Will man die Forderungen an das deutsche Volk auf eine vernünftige Basis stellen, so darf man eben nicht nur die Produktionsverhältnisse berücksichtigen, sondern muß guch vor allem die Austauschverhältnisse in Betracht ziehen. Jedes Abkommen, das von uns unterzeichnet werden soll, muß uns zum mindesten das Existenzminimum gewähren. Deshalb ist kein Staats⸗ mann im Stande, das vorliegende Abkommen zu unterzeichnen. Die Verpflichtung zur Ausführung der Pariser Beschlüsse würde Millionen unserer Volkggenossen zum Siechtum und zum Hungertode verurteilen. Weil dem so ist, ist das Abkommen in der vorliegenden Form unannehmbar. (Lebhafter Beifall.) 8
Herr Witthöfft (Vertreter des Handels und der Banken): Die Erfüllung dieses Pariser Abkommens ist eine Unmsglichkeit. Nicht nur für uns, sondern auch für Kinder und Kindeskinder würde rdie Annahme der Paniser Beschlüsse eine Schuldverschreibung sein, die wir auch beim allerbesten Willen nicht würden einlösen können. (Sehr richtig). Ich will mich freihalten von jeder Wallung des Gefühls und nur zu Ihnen sprechen kurz und bündig als nüchtern denkender Kaufmann. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß wir vor dem Kriege eine passive Handelsbilanz hatten, die durch unsere großen Auslandsguthaben und die Einkünfte aus Frachten und Passage zu einer aktiven wurde dank der Tätigkeit unserer blühenden Reederei. Das ist uns genommen durch vn., is. ves va aen wir haben unsere Handelsflotte zum allergrößten Teil hingeben müssen. Wir büßten im ganzen etwa 1400 Schiffe im Gesamtbetrage von 15 Millionen Bruttoregistertonnen ein. Dadurch sind mindestens 50 000 Seeleute brotlos geworden. Hunderttausende von Auslandsdeutschen mußten Hie und Herd verlassen und ibrem engeren Vaterland zur Last allen. In dieser gn der Weltkrisis erscheint es mir vollkommen ausgeschlossen, daß. wir unsern Export in den nächsten Jahren beträchtlich heben können, um so wenictt, als wir heute in vielen Artikeln nicht mehr konkurrenzfähg sind, wo wir früher die erste Stellung über See einnahmen. Ich spreche aus persönlicher Erfahrung. Im fernen Osten ba 1 sich die Japaner und zum Teil auch die Engländer in jene Gesd. e hineingesetzt, die wir früher beherrschten, in Südamerifa machen uns namenllich die Vereinigten Staaten das Handelsgeschäft mit Erfolg streitig. Das ungeheure Rußland ist noch fast gänzlich für unseren Handel ver⸗ schlossen. Australien hat sich gegen unsere Einfuhr abgesperrt. In Afrika sind uns unsere Kolonien genommen. Ein größerer Teil der englischen Kolonien ist uns wenigstens für die direkte Ein⸗ fuhr nicht mehr zugänglich. Kanada erhebt Zuschlagszölle auf deutsche Waren. In allem, was wir im früher feindlichen Ausland tuen, sind wir nach dem riedensvertrag den Zugriffen des Feindes ausgesetzt. England und Belgien haben ja die e Bestimmungen des Friedensvertrages revidiert, aber in einer Form, die uns nicht genügen kann. Alle diese Länder sind ja auch in der Lage, jederzeit ihre Ge⸗. sinnungen uns gegenüber zu ändern. Wenn nun unsere Ausfuhr mit einer Extraabgabe von 12 ½ vH belegt werden soll, so sind wir nach meiner Ueberzeugung heute in einer Reihe von Alrtikeln anz außerhalb jeder Konkurrenz. Wir können gar nicht gran denken, die Ausfuhrziffer derart zu erweitern, wie früher. Eine große Erweiterung unseres Exports wäre nur möglich, wenn die anderen Völker keinerlei Zugriffe machten. Nun sehen wir aber überall Bestrebungen, die Einfuhrzölle zuungunsten Deutschlands zu erhöhen. Von allen Ländern, mit denen wir Handelsverträge machen, haben wir ungünstigere hreefitionen zu erwarten als früher. Als realdenkender Kaufmann komme ich su dem Schluß, daß wir die For⸗ derungen unserer Feinde nicht erfüllen können. Eine wirtschaftliche esatastrophe würde unsere Feinde mehr treffen, als uns selber. Die Furcht vor solcher Katastrophe sollte uns nicht in unserem Beschluß wankend machen. Wir wollen uns nicht die Chre dadurch nehmen lassen, daß wir einen Wechsel ausstellen, bei dessen Unterzeichnung wir überzeugt sind, daß wir am Zahlungetage ihn nicht einlösen können. Lieber in Ehren bestehen und weitere Schicksalsschläge und Ungemach auf sich nehmen, wenn die einfache Vernunft bei unseren Gegnern keinen Boden findet, als in Unehren bewußt den deutschen Namen schänden. (Lebhafter Beifall.)
8 Baltrusch (Christl. Gewerkschaften): Die 922262 der Alliijerten wären nur durchzuführen, wenn vorber die Gesetze des natürlichen wirtschaftlichen Geschehens eliminiert würden. Am meisten würden die Arbeiter aller Länder betroffen werden, und die beste Lösung wäre, wenn eine eiüen. Beratung von Vertretern der Arbeitnehmerschaft aus allen Ländern zustande käme. Uns sind die besten agrarischen Propvinzen genommen. Oberschlesiens Schicksal ist noch unentschieden, 2,2 Millionen Tonnen Kohlen müssen wir abliefern. b Erze haben wir verloren, ebenso alle unsere überseeischen
rbindungen. Unser Kalimonopol ist durchhrochen. Was will manda aus unserer Bevölkerung noch herauspressen? Will man dem Bolschewismus Lc Rüchese mfübser 7 Als Geschästsführer der 1 ristlichen Gewerk⸗
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Hre e heeehnmees irgu ekeee
schaften Deutschlands richte ich an die christliche Bepölkerung des Auslandes die Bitte und die Mahnung, nicht zuzulassen, w Kapitalismus ein 60⸗Millionenvolk zu 42 jähriger Fion⸗ arbeit zwingt, um Zinsen in schwindelnder Höhe zu erarbeiten, obwohl wir bereits Arbeits⸗ und Sachleistungen angeboten haben. Ein soscher Zwang ist unmenschlich, unsittlich, unchristlich und verdammenswert. (Beifall.) Wir wollen uns ja nicht auf die Negation be⸗ schränken, wir sind bereit, den Weg bis zum bitteren Ende zu gehen, und wir bieten dem schwerleidenden Frankreich Arbeite⸗ und Sachleistungen. Sollte man dies im französischen Volke nicht verstehen? Wir können nichts unterschreiben, was über unsere Kraft hinausgeht, es ist —— ungeborene Generationen vorweg zu belasten. Frankreichs Führer sollten endlich davon ablassen, dem Volk die Täuschung zu suggerierer: Der Boche bezahlt alles. Weil die Forderungen unserer Gegner unerträglich sind, darum ersuche ich die Regierung dringend, sestzubleiben. Unserm Volk aber in allen seinen Schichten möchte ich zurufen: Habt Vertrauen zu den deutschen Delegierten. Wir müssen jetzt alle fest zur Regierung stehen. Flau⸗ macherei darf nicht aufkommen. Im Lande muß der Ruf erklingen: „In Treue sest, zu sich selbst, zum deutschen Voark.“ (Beifall.)
Frau Kromer (Hausfrauenverband): Das Bild würde nicht 9.3. sein, wenn nicht eine Frau zum Ausdruck brächte, daß auch die deutschen Frauen einig sind in der Ablehnung der Forderung der Pariser Konferenz. Die deutschen Frauen und Mütter lehnen ein⸗ mütig diese Forderungen ab. (Lebhafter Beifoll.) In dieser Frage darf es keinen Unterschied zwischen Norden und Süden geben. Hier gäbt es nur einen Willen aller Männer und Frauen. Möge der
Keichsminister den Eindruck mit hinaus nehmen, daß wir alle ge⸗ schlossen binter ihm stehen. altender lebhafter Beifall und Händeklatschen.)
Präsident Edler von Braun verliest dana folgende Er⸗ ärung der Vertreter des Gewerkf aftsringes deutscher Arbeiter⸗, Angestellten⸗ und Beamten⸗ verbände: „Wir weisen mit zurück, deren Schärfe in krassem zielen, die vom Völkerbund ührung dieser deutschen Volkes, die beständige Bedrohun Sie würde die Arbeits lähmen und damit die nommenen Wiedergutmachungsverpflichtungen gänzlich machen. Namens der im Gewerkschaftsring vereinigten Arbeiter, An⸗ gestellten und Beamten erklären wir uns bereit, die Regierung bei ihrem Bestreben, eine dem deutschen Wirtschaftsleben gerecht werdend Lösung der Wiedergutmachungsfrage zu erreichen, mit allen Kräften zu unterstützen und die der deutschen Gegenvorschläge sich ergeben könnten.“
„Darauf wird die folgende Entschließung des wirtschafts⸗ politischen Ausschusses einstimmig angenommen.
„Die im Reichswirtschaftsrat verzeiees Vertreter der gesamten deutschen Wirtschaft, Unternehmer wie Arbeiter, stehen auf dem Standpunkt, daß die Deutsche Regierung die von ihr im Friedens⸗ vertrage übernommene Verpflichtung der Wiederherstellung in loyaler Weise und mit allen Kräften zu erfüllen suchen muß. Die Durch⸗ führung der Pariser Beschlüsse würde aber zur baldigen Zerstörung des deutschen Wirtschaftslebens führen und jede Wiederberstellung un⸗ möglich ma Schon vor dem Kriege mußte ein sehr erheb⸗ licher Teil der Nahrungsmittelmengen eingeführt werden. Die fast vollständige Absperrung vom Auslande Unterernährung der breiten Massen der Bevölkerun geführt, so daß die Regierung eine erbebliche Zufuhr von Nahrungs⸗ mitteln aus dem Auslande sicherstellen muß, um das staat⸗ liche und soziale Leben Deutschlands nur einigermaßen ge⸗ ordnet aufrechterhalten zu können. Der Ertrag der deutschen Aus⸗ fuhr gestattet jetzt nicht einmal die Bezahlung der geringen Mengen der bisher eingeführten Lehensmittel. die Notwendigkeit, den Bedarf an Rohstoffen aus den Erträgnissen der Ausfuhr zu bezahlen. Dringend notwendig ist auch die Aufnahme von Krediten im Auslande. Alles das wird durch die Pariser Beschlüsse unmöglich gemacht. Die Note scheint davon aus⸗
Gegensatz steht zu den moralischen
trüstung die Pariser Forderungen
*
Folgen zu tragen, die aus einer Ablehnung
Unser aller Wünsche begleiten ihn. (An⸗ *
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j stets betont worden sind. Die Durch⸗ Bestimmungen würde die dauernde Versklavung des lichen Verzicht auf kulturellen Aufstieg und
des inneren Friedens zur Folge haben. reudigkeit der Arbeitnehmerschaft dauernd Erfüllung der im Versailler Vertrag über⸗ unmöglich
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— 8
8
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— 22
t zu der dauernden
Dazu kommt noch
zugehen, daß die deutsche Ausfuhr noch erheblich gesteigert werden könne. Das wäre nur möglich unter Preisgabe wesentlicher sozialer
Errungenschaften, vor allem auf dem des Acritundentages
wird. Die Bestrebungen auf eine weitgehende Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen würden dadurch vereitelt werden. Der Reichswirtschaftsrat ist überzeugt, daß Deutschland durch die Lahmlegung der unbedingt erforderlichen Einfuhr Fütten der weiteren Verelendung zugeführt würde, wie seine östlichen Nachbarn. Pflicht, vor dem Lande und der Welt zu
— bezeugen, Pariser Beschlüsse für undurchführbar bält.
daß er die Der
eichswirtschafts⸗
1 b Gebiete des Arbeitsschutzes und der im Art. 427 des Friedensvertrages gefordert
mit Riesen⸗ Deshalb erachtet es der Reichswirtschaftsrat für seine
rat bittet deshalb die Regierung, in Erfüllung der Verpflichtung zur
Wiederherstellung, die
äußersten Grenzen der Leistungsfähigkeit
Deutschlands einzuhalten. Sollte auf dieser Grundlage keine Eini⸗
ung erzielt werden, so bittet der Reichswirtschaftsrat in poller Erkenntnis der Folgen die Reichsregierung dringend und einmütig bei
ihrer Ablehnung der gegnerischen Vorschläge zu beharren.“ (Lebhafter
Beifall.)
Nächste Sitzung: Existenzminimums, Reichsnotopfer, steuerliche Krieg betroffenen Gebiete, Einsetzung eines Ausschusses zur Behandlung der Fragen der unserer wirtschaft⸗ lichen Kräfte). — Schluß 2 Uhr.
Zusammentritt des Staatsgerichtshofs des Deutschen Reichs.
Am 21. Februar ist in Leipzig der neugebildete Staatsgerichtshof des Deutschen Reichs zu seiner ersten Fißung zusammengetreten. Der jetzt ins Leben gerufene Staatsgerichtshof ist nach Art. 172 der Reichsverfassung nur ein vorläufiger, dem der endgültige Staats⸗ gerichtshof gemäß Art. 108 der Reichsverfassung nachfolgen wird, aber zur Entscheidung über Nalle Angelegenheiten be⸗ rufen, die zur — des endgültigen Staatsgerichtshofs ge⸗ hören. Er besteht aus sieben Mitgliedern, von denen der Reichstag vier, das Reichsgericht aus seiner Mitte drei wählt. Der Reichstag hat aus den Regierungsvparteien gewählt: als ordentliche Mitglieder: Geheimen Hofrat, Universitätsprofessor Dr. C. Beverle in München (Zentrum), Ministerpräsidenten a. D. und Volksschullehrer a. D.
„Hoffmann in Kaiserslautern (Sozialdemokrat), Geheimen Justizrat. niversitätsprofessor D. Dr. W. Kahl in Berlin (Deutsche Volkspartei) und Senator Dr. Petersen in Hernbne (Demokrat), als deren Stell⸗ vertreter Zweiten Staatsanwalt E. Eminger in Augsburg (Zentr.), Ministerpräsidenten a. D. Dr. G. Gradnauer in Dresden (Sozial⸗ demokrat), Rechteanwalt A. Kempkes in Essen (Deutsche Volksp.) und Regierungspräsidenten A. Pohlmann in Magdeburg (Dem.). Das Reichsgericht hat aus seiner Mitte gewählt: den Senatsprä⸗ denten Koenige und die Reichsgerichtsräte Rosenberg II. und Dr. ietzcker als “ Mitglieder, den Reichsgerichtsrat Dr. Strecker als Stellvertreter. Nach Begrüßung den Reichsgerichtspräsi⸗ denten Delbrück eröffnete der von Regierung, Reichstag und Staatsgerichtshof zum Präsidenten gewählte Senatspräsident Koeni ge die x8,— mit folgender Ansprache: „Der Augenblick, in dem der erste Staatsgerichtshof des Deutschen Reichs in das Leben tritt, soll nicht “ ohne daß dem Ausdruck gegeben wird, was die Stunde gebietet. Nach Jahren beispiel⸗ losen Ringens ist unser tapferes Volk aus erträumten — so tief herab⸗ gestürzt, daß man im Buch der Weltgeschichte mehr als 2000 Jahre zurücklättern muß, um in Karthago ein ähnliches, zur Vergleichung bnsß netes Bild wiederzufinden. Damals hat sich ein mächtiges und lühendes Staatswesen infolge inneren Haders seinem Todseinde auf
Gnade und Ungnade ausgeliefert, damit aber sich sein Schicksal jelbst
Freitag, 11 Uhr (Steuerfreiheit des änderung des Einkommensteuergesetzes, Heranziehung der indirekt durch den