Brüssel das würdelose Verhalten unserer Sachverständigen gezeigt haben? Ich habe vorhin mit Absicht zu Eingang meiner Rede gefagt: die Herren waren als Sachverständige dort, und es war einem Sachverständigen — das war ja das Ziel der Brüsseler Ver⸗ handlung — nicht zu verwehren, auch gewisse Ueberzeugungen steuer⸗ licher Art zum Ausdruck zu bringen Das kenn ich einem Seach⸗ verständigen unter keinen Umständen verwehren. Ich bin gewiß der Auffassung, daß Herr Staatssekretär Schroeder und auch die mit ihm gegangenen Beamien nicht nur als reine Sechverständige wie die übrigen Herren anzusehen sind, sondern daß sie in gewissem Sinne nuch die Auffassung der deutschen Regierung in etwa zum Ausdruck bringen mußken. Ich darf aber dem Herrn Abgeerdneten Keil vei⸗ sichern, daß die Fragen, die gestellt worden sind, wie die Beant⸗ woskung der Fragen in Einzelheiten selbstverständlich sehr wohl einer kritischen Betrachtung unterzogen werden können, und daß von mir weder verlangt wurde, noch daß ich irgendwie den Sachverständigen gesagt habe, daß sie die Beantwortung jedet Einzelheit nur etwa im Benehmen mit der Reichsfinanzverwaltung vornehmen könnten. So üst es nicht. Es mußte den Beamten, die in Brüssel als Sach⸗ verständige tätig gewesen sind, ein gewisser Spiekraum, ihre Ansichten ftei zu äußern, gegeben werden. Wir werden aber dem Drängen des Herrn Abgeordneten Keil gern folgen und im Ausschuß die von ihm berührten und bemängelten Punkte im einzelnen nachpruüfen.. Nun hat der Herr Abgeordnete Keil im Anschluß daran gesagt, ich solle mich hüten, nur in prominenten Kreisen über Steuerfragen zu sprechen (Abg. Keil: Ganz so habe ich nicht gesagt!), — ja, ich habe es mir wörtlich notiert! — und ich solle auch in Arbeiter⸗ kwisen über diese Steuerfragen sprechen. Ich sage: gern — denn, meine Herren, die Erörterung der Steuerfragen wird uns, wie immer London aussieht, in den nächsten Monaten mehr als irgendeine andere politische Frage beschäftigen —: damit hat der Herr Abgeordneie Keil recht getan, wenn er auf den Etat 1920 zu sprechen gekommen ist und ebenso Auskunft über die Gestaltung des Etats 1921 verlangt hat. Er hat gesagt: ist denn das richtig, daß der Reichsfinanzminister von den Alliierten insbesondere wegen einer Bemerkung angegriffen wird? — nämlich wegen jener, die ich seinerzeit in diesem hohen Hause ge⸗ macht habe, als ich nämlich sagte, wir wollten den Haushalt des Ftiedensvertrages als besonderes Propagangamittel ausnutzen. Ja⸗ wohl, das habe ich gesagt! Es gibt nach meiner Auffassung kein besseres Propagandamittel, als den Haushalt des Friedensvertrages, den wir für das Jahr 1920 verabschieden müssen, der Oeffentlichkeit bekanntzugeben. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Die Alliierten haben aber aus meinen Worten etwas anderes gemacht. Sie haben gemeint, wir hätten etwa unsern gesamten Haushalt so aufgemacht, daß er als „frisiert“ bezeichnet werden müsse, wie der Abgeordnete Keil sich ausdrückte. So ist es nicht, meine Herren! Wir
haben im Frühjahr letzten Jahres geglaubt, wir werden das Jaht
1920 bis zum 1. April 1921 mit einem Fehlbettag von etwa 40 Milliarden abschließen können. Jetzt sind die Zahlen folgender⸗ maßen: Der außerordentliche Haushalt hat zunächst einen Fehlbetrag, söweit wir es bis heute übersehen, von 62,3 Milliarden. Da
kommt der Fehlbetrag der Eisenbahnen mit 16,4 Milliarden, der Post vüt 2,9 Milliarden, so daß der außerordentliche Haushalt in diesem
Jahre mit einem Fehlbetrag von 81,6 Milliarden Mark belastet ist. im letzten Sommer durch den tatsächlichen Gang der Dinge — und unsere Rechnungen können ja jeden Tag eingesehen werden unsere schwebende Schuld wird jetzt immer bekanntgegeben — zeigt, daß unsere Etatszahlen nicht frisiert sind, sondern daß sie der tatsächlichen
Lage entsprechen. Ich glaube, wenn die Alliierten nur einen Augen⸗
blick unseren Haushalt übersehen, müßten sie sich leicht überzeugen —
wenn sie guten Willens sind! —, daß unsere Etatszahlen, wie wir sie geben, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. n
Nun hat der Herr Abgeordnete Keil mit Recht gefragt, was die MMlijerten für ein Recht hätten, zu behaupten, daß in Sachen der Besatzungskosten die Ansätze, wie sie tatsächlich vorliegen, weit unter dem liegen, was wir in unser Budget eingestellt haben. Meine Herren, Sie haben wohl aus den Zeitungen Kenntnis davon, daß die Sachverständigen der Alliierten an den Hohen Rat in Paris einen Bericht erstattet haben. Dieser Bericht ist in französischen Blättern veröffentlicht worden. Ich hoffe, daß Ihnen dieser Bericht bald amtlich zugänglich gemacht werden kann. Wir haben im Reichs⸗ finanzministerium Bemerkungen zur Denkschrift der Sachverständigen ver Alliierten über den Haushalt des Deutschen Reichs aüsarbeiten
lassen, und in dieser Denkschrift, die wir da Überreicht haben, haben
wir auf alle die Fragen Antwort gegeben, die der Herr Abgeordnete Keik heuts angeschnitten hat. Ich hoffe, daß in wenigen Tagen — heute wird auch in London dieser Bericht überreicht werden — das hohe Haus in die Lage kommt, die Denkschrift der Alliierten und ansere Kritik nachzuprüfen. Dort wird der Herr Abgeordnete Keil auch finden, daß wir sagen: w 18 Es wird in dem Bericht der Alliierten beanstandet, daß Deutschland die Summe von rund 15,5 Milliarden Papiermark für die Kosten der Besatzung für 1920 eingestellt habe, während bis 12. Dezember 1920 in den Jahren 1919 und 1920 für diesen Zweck erst 46 Milliarden oder 28 % der im Jahre 1919 und 1920 ¹ecöffneten Kredite ausgegeben worden seien. Der Ansatz von 15,5 Milliarden Mark wird darum als zu hoch bezeichnet. Darauf antworten wir: SCos braucht nicht betont zu werden, daß es für das deutsche Budget nur wünschenswert sein könnte, wenn dieser Ansatz mög⸗ lichst niedrig wäre. Deutschland hat bisher aber keine hinreichenden Unterlagen erhalten, wie hoch die Besatzungskosten tatsächlich sich belaufen. Darum war es für seine Etatsaufstellungen auf Schätzungen angewiesen. 1. Ich wäre den Herren dankbar, wenn sie die nächsten Zeilen mit be⸗ jonderer Aufmerksamkeit anhörten. — Es wurde bei der Einsetzung von 15,5 Milliarden Besatzungskosten betont, daß dieser Betrag noch zu niedrig gegenüber den tatsächlichen Kosten der Besatzung sei. Wenn nun auch die bisherigen Ausgaben des Jahres 1920 die 15,5 Milliarden noch nicht erreicht haben, so geben doch die alliierten Sachverständigen die über die deutsche Bar⸗ und Naturalleistung hinausgehenden eigenen Aufwendungen auf und 3,7 Milliarden Goldmark in der Denkschrift an. Das wären bei dem von den allijerten Sachverständigen angenommenen inneren Wert der deutschen Papiermark von 0,10 Goldmark allein shört, hört!) 1
wichtigsten Teil — über das hinaus, was
Fört, hörth Ich meine, schon das Ueberholen unserer Schätzungen
deutschen Mark würde die Summe noch viel größer sein.
Sie sehen also deutlich, daß es hier nicht schwer wäre, den Alliierten zu geigen, daß, wenn ihre tatsächlichen Angaben richtig sind. unsere Budgetanfätze nicht einmal eusreichen. (Seht gut! und hört, hört! bei den Deutschen Demokraten.) Die Frage ist nur, wieviel sie bereits bei uns gefordert haben und — nun komme ich auf den die befetzten Gebiete schon geleistet haben und womit wir mit den besetzten Gebieten abrechnen müssen. Jedermann weiß, wie unendlich schwer und langwierig es ist, die Requisitionen rasch zu bezahlen, und daß selbstverständlich bis zum heutigen Tage eine endaültige Abrechnung mit den zuständigen Stellen über die Requisitionsunkosten nicht möalich war. 8
Nun wende ich mich noch mit wenigen Worten zum Etat 1921. Er wird zurzeit im Reichsrat beraten. Ich glaube aber, Ihnen folgende kurze Bemerkungen nicht vorenthalten zu dürfen. ;
Im Haushalt für 1921 sind die laufenden Ausgaben des vrdent⸗ lichen Haushalts einstweilen wieder mit 43 Milliarden eingestellt. Die einmaligen Ausgaben für 1921 sind mit 1,2 Milliarden eingestellt, so daß sich im ganzen im ordenklichen Haushalt ein Bedarf von rund 44,3 Milliarden ergibt. Sie sehen, daß der ordentliche Haus⸗ halt für das Jahr 1921 eine sehr namhafte Höhe aufweist. Sie werden sich mit dieser Frage bei der Entscheidung über steuerliche Maßnahmen eingehend zu befassen haben, und ich glenbe, wenn der Herr Abgeordnete Keil den Haushalt für 1921 bekommt, dann wird er mit mir in größter Sorge sein, wie wir es machen sollen, diesen Bedarf im ordentlichen Haushalt durch Steuern zu decken.
Nun komme ich aber zu einer politischen Bemerkung. Der Herr Abgeordnete Keil irrt, wenn er meint, daß die Frage der indirekten Steuern bei den Alliierten in Fluß gekommen ist etwa durch die Beratungen in Brüssel. Ich bitte alle, die wissen wollen, wie unsere Lage beurteilt wird, nur die Rede Lloyd Georges in Birmingham und an anderen Orten nachzulesen. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Das war spätery) — Gewiß, es war später. Ich kann mit aber nicht denken, daß die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Schröder, die im übrigen hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben, wobei aber eine schriftliche Beantwortung der Fragen erfolgt ist, derartig die Welt in Bewegung gesetzt hätten, daß damit die ge⸗ samten Alliierten erst auf das Problem der indirekten Steuern ge⸗ stoßen worden wären. So liegt es nicht. (Zuruf von den Sozial⸗
demokraten: Die deutschnationale Presse!) Es ist schon vorher von seiten der Alliierten verlangt worden, daß wir uns aufs neue mit dem
Problem der indirekten Steuern befassen müssen.
Unsere Lage wird aber weiter verschärft durch die Frage des außerordenklichen Haushalts in seiner Gestaltung für das Jahr 1921. Der außerordentliche Haushalt für 1921 hat heute schon einen Bedarf von 28 Milliarden. Darin ist ein Betrag zur Verbilligung von Lebensmitteln einstweilen nicht enthalten. Zur Ausführung des Friedensvertrags sind 26 Milliarden vorläufig für 1921 bestimmt. (Hört, hört!) Hierbei sind die Kosten der Besatzungstruppen und die Ausgaben für Leistungen aus dem Friedensvertrag nach den bis⸗ herigen Erfahrungen bemessen. Ein Posten für die Verzinsung der 40 Milliarden Mark Schatzanweisungen — Art. 235 und Annex 2 § 12 des Friedensvertrags — ist noch nicht vorgesehen. Und nun
bitte ich Sie, vielleicht einen Augenblick nur mir Geduld⸗ zu schenken. b Es ist merkwürdig: sowie man in das Mrer der Zahlen steigt, dann
ist das Interesse etwas verflogen. (Zuruf von den Deutschnationalen: Nur bei den Deutschnationalen ist es vorhanden!) — Allgemein! (Zuruf rechts: Doch nicht!) “ 1
Von den Betriebeverwaltungen bedarf die Postverwaltung für das Jahr 1921 nach einem vorläufigen Haushalt einen Zuschuß von 2,9 Milliarden, trotz der Erhöhung der Tarife, die Sie bald verab⸗ schieden sollen. Der vom Neichsrat beschlossene Etat der Reichs⸗ eisenbahn weist einen Fehlbetrag von 6.7 Milliarden Mark auf, zu dem voraussichtlich noch weitere Beträge von 5 Milliarden hinzu⸗ treten werden. Es ergibt sich hiernach für die Eisenbahnverwaltung ein Zuschußbedarf von 11,7 Milliarden Mark für das Jahr 1921, und zwar obwohl aus der Erhöhung der Personen⸗ und Gütertarife bereits mit einer Einnahme von 10 Milliarden Mark gerechnet ist. Ich glaube, ich habe allen Anlaß gehabt, einen Augenblick an Ihre Aufmerksamkeit zu appellieren. Im ganzen ist hiernach für das Jahr 1921 im außerordenilichen Haushalt ein Bedarf von 42,6 Mil⸗ liarden Mark schon heute vorhanden.
Nun ist natürlich die Frage der Deckung aufzuwerfen. Ich will es mir für heute versagen, dieses Problem im ganzen zu erörtern. Wir kommen selbstverständlich um die Erörterung der Frage nicht herum, sobald wir sehen, daß wir in etwa mit unsern Gegnern zu einer Verständigung kommen können. Vorerst ist nur die Hoffnung vorhanden. Aber darüber müssen sich in Deutschland alle klar sein, daß, wenn wir den außerordentlichen Haushalt überschauen, wenn wir sehen, welche Beträge wir dieses Jahr als Fehlbetrag genommen haben, die wir nur durch Schatzanweisungen zu decken vermochten, wodurch wir unsere schwebende Schuld vermehrt haben, wir schon in diesem Jahre um einen definitiven Versuch der Ordnung nicht herum⸗ kommen können. Ich glaube, das ist um so notwendiger, als wir jetzt kurz vor oder in London wohl daran tun, uns durch eine Zahl zu vergegenwärtigen, wie hoch z. Zt. die gesamte Schuldverpflichtung des deutschen Volkes sich bereits beläuft. h
Ich habe mir heute eine Zusammenstellung darüber geben lassen, und darf Ihnen die Zahlen mit wenigen knappen Sätzen vorlegen. Die fundierte Schuld ist anzusetzen mit 85,8 Milliarden, die schwe⸗ bende Schuld mit 161,54 Milliarden. Dazu kommen Zahlungsver⸗ pflichtungen des Reiches mit 11 Milliarden, Sicherheitsleistungen mit 7 Milliarden, dazu kommen drittens die fundierten Eisenbahnschulden und das Restkaufgeld mit 23 Milliarden, die wir verzinsen müssen, dazu kommen ferner die Kriegsaufwendungen der Länder nach dem § 59 des Landessteuergesetzes mit 15 Milliarden, so daß wir jetzt das Jubiläum haben, daß wir die Summe von 300 Milliarden überschritten haben. 1
Ich meine, meine Herren, mit den wenigen Zahlen, die ich mir erlaubt habe, Ihnen heute zu geben, bis ich Ihnen einen Gesamt⸗ überblick anläßlich der Vorlegung des Etats für 1921 gebe, Ihnen nachgewiesen zu haben, daß die Frage der steuerlichen Belastung des deutschen Volkes zu den größten Problemen gehört, die die politische Welt in Deutschland beschäftigen werden. Da kommt man mit einem Schlagwort um die Lösung des Problems nicht herum. Es kann sich nicht darum handeln, die Besitzsteuer abzubauen. Davon kann gar keine Rede sein. Ich möchte den Finanzminister sehen, der die Hand dazu bieten wird. Kann es sich etwa darum handeln, die Einkommen⸗ steuer umzubauen, so habe ich von Anfang an — wir hahen uns nicht
drängen lassen, sondern wir haben die Führung ubernommen — bie Hand dazu geboten. Sie sehen das selbst. Sie dürfen nur die ein⸗ fache Frage aufwerfen, ob es etwa möglich ist, die rückständigen Steuerbeträge für Arbeiter und Beamte, die sie noch zahlen müssen über den Lohn⸗ oder Gehaltsabzug hinaus nach dem bekannten Tarif, nach § 21 des Steuergesetzes einzuziehen, schon die Frage auf⸗ werfen, heißt die Antwort nahelegen: das wird nicht möglich sein. daß wir in wenigen Tagen zu einer Lösung kommen müssen, die etwa dahin zu umschreiben ist, daß mit einem noch zu bestimmenden Lohne und „Gehaltsabzug die steuerliche Leistung der von mir genannten Steuerpflichtigen als ab. geschlossen anzusehen ist, wenn wir nicht uferlos in endlose Schwierig⸗ keiten hineinsteuern wollen. Diese Beratungen sind im Gange, und ich hoffe, daß es mindestens gelingen wird, im Schoße der Regierungs⸗ parteien diese Frage in kurzem zum Abschluß zu⸗ bringen.
Nun hat der Herr Abg. Keil, soweit ich mich erinnere, gefragt, ob etwa dabei auch daran gedacht ist, die oberen Einkommenstufen ab⸗ zubauen. Ich erkläre ihm, daß ich dazu nicht in der Lage wäre, folchen Anträgen die Zustimmung zu geben. Ich glaube, daß damit der all⸗ gemeine Kampfruf gegen neue Verbrauchssteuern mindestens verfrüht war. Selbstverständlich bin ich heute nicht berufen, im ganzen ein Steuerprogramm zu entwickeln. Das ist möglich, vielleicht politisch geboten, bei der Vorleaung des neuen Haushalts. Wer aber auch in
treten haben wird, — darüber bin ich mir ganz klar, daß keine Finanz⸗ führung möglich ist, die das Problem der indirekten Steuern nicht aufs neue in Angriff nimmt. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Allerdinas lassen wir uns dabei nicht don den Argumenten leiten, die die Sachberständigen der Alliierten in ihren Rechnungen und Bemerkunaen aufgestellt haben. Es hat sich doch, glaube ich, auch in der Frage der Beurteilung der direkten und indirekten Steuern eine gewisse Umwälzung angebahnt. Wie wollen wir denn ein Volk, das mit direkter Besteuerung überlastet ist — daß eine Ueberlastung da ist, geht ja daraus hervor, daß wir insbesondere die unteren Stufen bei der Einkommensteuer entlasten müssen — noch mit zu hohen indirekten. Steuern weiter belasten?! Es hat sich ein Umschwung in der Auffassung angebahnt, daß eine starke direkte steuerliche Belastung die Konsumkraft der Bevölkerung so weit redu⸗ ziert daß eine übermäßige Belastung mit indirekten Steuern ein Ding der Unmöalichkeit ist. Wir werden unsere fämtlichen indirekten Steuern, unsere Zölle und Verbrauchssteuern einer Nachprüfung unterziehen müssen. — Erlauben Sie mir dabei ein ganz aufrichtiges Wort. Der Herr Abg. Keil sprach mit Recht von dem Selbstbestimmungsrecht des deulschen Volkes. Ich bin ganz seiner Auffassung, halte es aber für politisch klüger, in all diesen Fragen selbst die Initiative zu ergreifen und freiwillig bis an die Grenze des Möglichen voranzugehen, ehe ein von außen kommender Druck uns etwa dazu nötigen sollte. (Sehr richtigk bei den Deutschen Demokraten.) Deshalb haben wir in diesen Fragen die Initiative ergriffen. Wer wissen will, wieviel Uhr es geschlagen hat, der lese die Reden der alliierten Ministet, und er wird uns darin zustimmen, daß der Weg, den wir beschritten haben, der politisch richlige gewesen ist. Wir werden also in kurzem um eine Erörterung dieser Fragen nicht herumkommen. Ich möchte nux das eine hoffen, daß die Er⸗ ledigung der kommenden Steuervorlagen einen sachlichen und, öpfer⸗ bereiten Reichstag finden möge. (Beifall bei den Deutschen Demo⸗ kraten und im Zentrum.) . Ss 888 8— 8 Auf“ die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Hert (u. Soz.) entgegnete der Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Vorredner soeben einen lebhaften Appell an das Haus gerichtet hat, vor allem dagegen
indirekten Abgaben erhöht werden, so kann ich ihm in diefem Vor⸗ wurf nicht folgen. Ich glaube, der Herr Vorredner wird, wenn er in Zukunft sich sehr lebhaft an den Ausschußberatungen beteiligen wird, mir nicht den Vorwurf machen, daß ich die Hand geboten habe, die Besitzstenern abzubauen. Ich habe das Gegenteil vor Weihnachten getan. Ich habe vor Weihnachten sehr lebhaft dafür
Wir haben gewiß damals schwere Widerstände zu überwinden gehabt, aber, Herr Abg. Hertz, schließlich ist jenes Werk gelungen. Wenn ich heute zurückschaue und die Politik noch einmal überdenke, die damalz dazu geführt hat, so kann ich nur glauben, auch Ihre Zustimmung u finden, wenn ich bemerke: wir waren damals auf dem richtigen Weg, und wir hätten eine Pflicht versäumt, wenn wir nicht dafür gesorgt hätten, daß wenigstens ein Teil des Notopfers möglichst rasch einge⸗ zogen würde.
— Nun ist der Herr Abg. Dr. Hertz aber falsch unterrichtet, wenn er meint, daß mich die kritischen Ausstellungen, die von außen an der Veranlagung der Besitzsteuer erfolgen, nicht etwa berühren. Ich habe den von ihm genannten Herrn Professor Bühler — aus Münster ist er wohl — hierher kommen lassen und habe mit ihm die Angelegenheit der Wertbemessung insbesondere landwirtschaftlicher Grundstücke durchge⸗ sprochen. Er hat auch Gelegenheit gehabt, in meinem Amt diese Dinge mit meinen Herren Referenten durchzusprechen. Die Angelegenheit der
gültig zum Abschluß gekommen. Wir haben mit den verschiedensten Richtungen bereits darüber Fühlung genommen. Sie wissen ja, daß das ein großes Streitobjekt geworden ist, und heute werden vielleicht die Herren von rechts, die damals die Angelegenheit hier auf die
erörterten. (Zuruf von den Soz.: Sie haben doch einen Erfolg erzielt)) Sie haben den Erfolg, der zwei Jahre erzielt. Ich glaube⸗ aber, jener Erfolg darf nicht als Erfolg schlechthin angesehen werden. Nachdem die Richtlinien vom 4. September hinausgegangen sind habe ich, soweit es sachlich gerechtfertigt war, diese zwei Jahre auf Verlangen sämtlicher Regierungsparteien hinzugefügt. Ich habe aber jeder weiteren Ausdehnung den schärfsten Widerstand entgegen⸗ gesetzt. 8
Fgg meine Zeit so bemessen wäre, daß ich alle die anbören könute, die kritische Ausstellungen an Beamten wie an den Ver aulagungsgeschäften machen, so würde ich die Herren gern hierher kommen lassen. In einigen Fällen habe ich solchen Anregungen gem entsprochen. Vor einiger Zeit hat eine Partei des Hauses, die Mehr⸗ heitssozialdemokratie, sich an mich gewandt und mir mitgeteilt, daß ein Herr aus dem Westen in der Lage sei, mir in steuerlichen Streitigkeiten weitergehende Mittellungen zu machen, daß ich diesen
Herrn hierher kommen lassen möge. Ich habe das getan Und da 8
Zukunft das Amt des Finanzministers vor dem Reichstage zu ver⸗
Front zu machen, daß etwa die Besitzsteuern abgebaut und dafür die
plädiert, daß ein Teil des Reichsnotopfers rasch eingehoben wird f
Stiaatsbeamten
Wertbemessung landwirtschaftlicher Grundstücke ist noch nicht ende
Tribüne gebracht haben, einsehen, daß sie den Interessenten einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben, als sie die Angelegenheit hier weitgehend
3 2 2 8 5 ö vünnun.* .“ 11““ 111313““
bei mit. Ich bin also bereit, auch in diesen Fragen, die der Aba. Dr. Hertz wieder angerührt hat, weitergehende Aufklärung ffen, und ich werde vor niemandem Halt machen. 2
r Herr Abg. Keil — um noch einmal auf seine Ausführungen kommen — darf überzeugt sein, daß das Reichsfinanz⸗ rium vor niemandem, vor gar niemandem Halt machen wird,
s sich darum handelt, steuerliche Angelegenheiten aufzuklären.
ird mir doch niemand zumuten, daß, wenn irgendeine Nach⸗ vor sich geht, ich sofort der großen Oeffentlichkeit gegenüber welche Mitteilung machen werde. Da würde ich bei den von rechts und auch anderswo bös ankommen, wenn jede steuer⸗ achprüfung und jede Erkundigung sofort in die Zeitung kommen Sch lasse mir die Zeitungsausschnitte genau vorlegen. Der 1bg. Keil darf überzeugt sein, daß auch die Frage Stinnes in elen Erörterungen, die die Zeitungen gebracht haben, beim nanzministeriüm sehr wohl beachtet worden ist. (Abg. Keil: ollen wir hoffen!) —. Gewiß. Man würde mir den zen Vorwurf machen, wenn ich vor irgendwelcher Tür machen wollte, um weitgehende Ausstellungen nicht nachzuprüfen. Aber wir müssen allmählich aus einer zsen Atmosphäre herauskommen, nämlich aus der Atmosphäre „ daß jede steuerliche Nachprüfung irgendwie zu politischen Aktion gemacht werden kann. (Lebhafte Zustimmung und im Zentrum.) lich. (Abg. Keil: Bei Erzberger hat es begonnen!) — Das ichtig. Darüber ist gar kein Zweifel, daß immer wieder in ten Zeitabschnitten die Steuerangelegenheit Erzberger aufs den rechtsstehenden Zeitungen erörtert wird. Ich habe ja
tin Beispiel davon gegeben, in welch abscheulicher Weise ohne
nateriellen Inhalt Angriffe erhoben werden, wie das auch heute
geschehen ist, zu meinem Bedauern auch in der „Täglichen hau“, die das unbesehen wiedergegeben hat gegen mich, b ich hier irgendwie unberechtigt eingeschritten wäre. abe schon gesagt: so töricht bin ich nicht, um in erartige Falle hineinzugehen. Ich bin bereit, diese An⸗ heit im Ausschuß, ganz wie Sie es wünschen, eingehend ellen. Ich enthalte mich nur eines eigenen Urteils, die Aussicht vorhanden ist, daß das hohe Haus wünscht, die ität des Abgeordneten aufzuheben. Die Tatsachen an sich eerde ich Ihnen mitteilen.
h darf also zusammenfassen. Wir müssen heraus aus der chen Erörterung einzelner Fälle, solange sie nicht steuerlich on der Gerichtsbehörde abgeschlossen sind. Ich habe mich auch gestern gehütet, den Fall Gruser in allen Einzelheiten tern. Ich bin dazu auch nicht berufen, weil diese Sache bei aatsanwaltschaft liegt. i hat mich der Herr Abg. Keil heute gefragt — ich glaube, r Herr Abg. Dr. Hertz hat es getan, kann mich aber da viel⸗ äuschen —, woher es kommt, daß hier Strafbescheide ergangen Abg. Keil: Hier ergangen und dort nicht!) Bei Erzberger ist rafbescheid nie ergangen; das stelle ich nur fest. Die Straf⸗ aber, die in der Angelegenheit Gruser ergangen sind, cht unter meiner Kompetenz gestanden. Strafbeschelden, wie ich gestern hier ausführte, Kenntnis ich habe auch Kenntnis davon gegeben, in wie weitem bereits Millionen zugunsten des Reichs verfallen sind. sche mich also in die Angelegenheit Gruser nicht ein. Ich rreits sämtliche zuständigen Finanzämter beauftragt, jeden Ul des Hauses Gruser, der festgestellt ist, steuerlich nach⸗ Dabei haben sich, wie ich bereits festgestellt habe, in den Uen weitgehende Folgerungen ergeben. Es ist nicht durchaus er Kompetenz gelegen, der Staatsanwaltschaft Anweisung zu wie sie nun in den Einzelfällen des Hauses Gruser vorgehen ch habe aber gestern ebenso betont, daß 70 Fälle noch der ing harren. Es ist also ein großes Nest ausgehoben worden, damals zugegriffen haben. Wir haben es vom Reichsfinanz⸗ um aus getan, weil es eine Pflichtverletzung gewesen wäre, ückzuhalten. Der Herr Abg. Dr. Hertz darf deshalb über⸗ in, daß wir es nicht nur bei platonischen Aufrufen gegen die interziehung werden bewenden lassen. Mögen Sie mir irgend⸗ seamten nennen, von dem Sie zeigen können, daß er sich etwa essenten habe beeinflussen lassen, oder daß er, wie das vorhin orden ist, geradezu in Interessenvertretungen hinein abschwenkt ichzeitig sein Amt führt, so will ich diesen Beamten sehr ines Amtes entsetzen und ihn der Disziplinaruntersuchung Aber das darf nicht verwechselt werden, wie es Herr tz getan hat, mit der Frage, inwieweit Staatsbeamte über⸗ een Staatsdienst verlassen und sich der Privatindustrie zu⸗ Das ist allerdings, soweit ich unterrichtet bin, in der Zeit in beträchtlichem Maße geschehen. Aber sehen Sie rin in allen Fällen ein Unglück? Ich glaube, es kann verwehrt werden, sein Glück da zu Wund zu machen, wo er es schließlich finden konn. von den Soz.: Deshalb sprechen wir von einem Problem.) es ist ein Problem, und ich darf Ihnen sagen, daß ich als finister durchaus nicht entzückt darüber bin. Nein, ich war sehr peinlich überrascht, wenn hervorragende Vertreter, auch üns dem Finanzministerium heraus, sich, ustriellen Unternehmen in wügendeiner Form gewidmet haben. achten Sie auch eines. Vergleichen Sie einmal die heutigen der höheren Beamten mit Bezügen, die die Privatindustrie r mit Bezügen, die die höheren Beamten früher gehabt Sie können doch, wenn ein Mann, der früher 10⸗ bis oldmark bekoemmen hat und heute, in Papiermark ausgedrückt, aufgeblähtes Einkommen hat, das aber, in Goldmark um⸗ gegen früher lächerlich niedrig genannt werden kann — ben wir auch im allgemeinen die ewigen Kämpfe der Beamten e Bezüge —, nicht von vornherein ein Unrecht darin sehen, er oder jener Beamte den öffentlichen Dienst verläßt und deinem Privatunteruehmen zuwendet. Dieses Problem be⸗ mich außerordentlich. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, nen oder anderen Beamten zu halten, so näre i bereit gewesen, es zu tun. Das geht aber nicht, rordentliche Mittel für solche Fälle im Rahmen des gsgesetzes selbstverständlich nicht zur Verfügung stehen.
cen also diesem Problem unsere volle Aufmerksamkeit zu⸗
Es ist mir bisher namhaftes Material, daß Beamte sich von eressenten ausnutzen lassen, nicht zugegangen. Herr Abg.
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Darunter leidet jede Nachprüfung außer⸗
Ich habe von
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das alles wahr wäre, was in den Zeitungen über derartige Dinge steht, dann wäten wir im vergangenen Jahre keinen Schritt vorwärts gekommmen. Wir sind aber tatsäch⸗ lich vorwärts gekommen. Ich weiß, daß ein lebhafter Kampf geführt werden muß, bis es uns glückt, die Besitzsteuern, die wir ver⸗ abschiedet haben, wirklich zur Erhebung zu bringen. Das Werk ist im Gange. Die einstweilige Notopferveranlagung für ein Drittel ist im ganzen Deutschen Reiche, soweit ich unterrichtet bin, im Gange⸗ und ich hoffe, daß wir bald in die Lage kommen werden, Ihnen das Ergebnis, und zwar ein sehr namhaftes Ergebnis, vor Augen zu führen. Wenn der Hrrr Abg. Dr. Hertz meint, wir hätten im letzten Jahre den Arbeitern gegenüber Schneid gezeigt beim Lohnabzug, während wir jetzt versagten, so muß ich für die gesamte Finanzverwaltung diesen Vorwurf als unbegründet zurückweisen.
Nun hat der Herr Abgeordnete Keil über den Staatssekretär Schroeder Ausführungen gemacht, die ich vorhin bereits zurückgewiesen habe. Ich konnte in dem Augenblick, als ich die Ausführungen machte, nicht genau übersehen, auf welcher Grundlage der Herr Abgeordnete Keil diese Vorwürfe schwerer Art erhoben hat. Herr Keil war so freundlich, mir nun zu zeigen, auf Grund welchen
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der Würdelosigkeit um die erste Sitzung der Konferenz der Sach⸗ verständigen der Alliierten mit unseren Sachverständigen in Brüssel am Donnerstag, den 16. Dezember 1920. Da sind nun in einem allerdings bösen Frage⸗ und Antwortspiel — ich fage das in dem Sinne, daß das Ausfragen unserer Herren nicht angenehm ist, und zwar für keinen von uns, der für den Gedanken der Freiheit und Selbständigkeit ein Gefühl hat — dem Staatssekretär Schroeder eine ganze Anzahl Fragen vorgelegt worden. Unter anderem fragt Delacroixv: „Könnte man nicht durch Ein⸗ schränkung der Zirkulation die schwebende Schuld verringern?“ — Darauf antwortet der Staatssekretär Schroeder: „Ich glaube nicht⸗ daß man durch direkte Steuern noch etwas machen kann.“ — Ich füge hinzu: da hat er Recht. — „Eine andere Frage ist“ — sagt Herr Schroeder — „ob nicht die Umsatzsteuer erhöht werden könnte.“ (Abg. Keil: Hört, hört!) Diesen Punkt scheinen Sie ihm zum Vorwurf zu machen. (Zustimmung von den Sozialdemokraten.)
weitere Frage des Herrn Delacroik: „Ich ziehe nuy aus der Tatsache der immer erhöhten Zirkulation den Schluß, daß es ein Mittel geben müßte, diese ständige Erhöhung zu beseitigen.“ Darauf sagt der Herr Reicchsbankpräsident Havenstein: „Wir haben kein Mittel.“ Auf die nochmalige Frage des Herrn Delacroixv: „Wir haben uns schon sehr den Kopf zer⸗ brochen, aber wir haben kein Mittel gefunden“, sagt der Herr Staats⸗ sekretär Schroeder: „Bei den indirekten Steuern besteht schon eher die Möglichkeit, größere Einnahmen zu erzielen. Allerdings ist die Kohlensteuer schon reichlich hoch, es wird aber zu prüfen sein, ob sie nicht noch erhöht werden kann. Aehnlich liegt es bei Zucker und Branntwein.“ (Häört! hört! bei den Soz.) Das hat der Staats⸗ sekretär Schroeder in aufrichtiger Weise geantwortrt in bezug auf das ganze Thema der steuerlichen Belastung Deutschlands. Es wäre nur die Frage zu stellen, ob der Herr Staatssekretär Schroeder vielleicht voreilig geantwortet hat, Aber da muß man diese Frage in Zu⸗ sammenhang setzen mit dem ganzen Friedensvertrag von Versailles, der Deutschland die Verpflichtung auferlegt, seine Steuern so aus⸗
schwersten belasteten Lande der Alliierten.
Das ist der Ausgangspunkt der ganzen Erörterungen in Brüssel. Herr Kollege Keil, ich kann selbstverständlich jedem das Schwere der Situation nachfühlen, der zu einer solchen Konferenz gehen muß und gezwungen ist, über solche Einzelheiten des deutschen Budgets wie der ganzen deutschen Steuerpolitik Auskunft zu geben, das ist sehr schwer mit der Würde des freien Menschen in Einklang zu bringen. Man het es uns tausendmal gesagt, erst vor wenigen Tagen wieder hat Briand gesagt: Wir wollen dem deutschen Volk die Taschen öffnen und nachsehen, was darin ist. Diese Prozedur ist in Brüssel bereits vorgenommen worden, und in diesem Zusammenhang hat der Herr Staatssekretär Schroeder Auskunft gegeben. Er hat die Möglichkeiten erörtert, wie etwa aus dem deutschen Steuersystem noch weitergehende Mittel herausgeholt werden können. Aber da berühren Sie den politischen Nerv. Ich verstehe die Erregung von links, meine Herren; aber es kommt niemand in diesem hohen Hause um die lapidare Notwendigkeit herum, jede Steuer in Deutschland, die Besitz⸗ steuer, die Einkommensteuer und auch die indirekten Steuern, so aus⸗ zugestalten, als es überhaupt der Leistungsfähigkeit der Besitzenden, wie dem Einkommen und der Konsumkraft der Bevölkerung ent⸗ spricht. Um diese Frage kommt niemand herum, möge jemand die Regierung übernehmen, wer da will. Die Frage der steuerlichen Be⸗ lastung Deutschlands wird von der ganzen Welt erörtert werden, und da ist es besser, wir gehen voraus, als daß wir unter Zwang hinter⸗ her marschieren. (Sehr richtig!)
Ich kann aber dem Herrn Abg. Keil eine indirekte Steuer nennen, die dauernd in Anwendung ist und die ich zu den schlimmsten und ungerechtesten rechne, die es überhaupt auf der Welt geben kann. Gegen diese Steuer sind bereits manche Proteste erhoben worden, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch wegen ihrer Wirkung. Ich erinnere Sie an die Notrufe der Kleinrentner. Was kommen da für himmelschreiende Briefe an uns, und warum wird geschrieben? Weil das Einkommen der Kleinrentner, ausgedrückt in Mark — früher Goldmark, heute Pariermark —, bei weitem nicht mehr dem ent⸗ spricht, was sie zum Unterhalt brauchen. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Und woher kommt die Entwertung? Weil wir Schatz⸗ wechsel auf Schatzwechsel hinausgeben und, wenn wir keine Bar⸗ mittel dafür zur Verfügung haben in den Banken, wir die Noten⸗ presse dafür in Anspruch nehmen. Meine Herren, das Weiterarbeiten mit der Notenpresse, die ungeheure Papierflut ist das größte Un⸗ glück und die ungerechteste Besteuerung, die es überhaupt auf der Welt geben kann. (Sehr wahr! im Zentrum und rechts.) Infolge⸗ dessen ist das Problem für jeden Finanzminister, der seine Aufgabe ernst nimmt, das: wie beschaffe ich neue Einnahmen und wie be⸗ schränke ich die Ausgaben?
1 Meine Herren, der Kampf um die Ausgabenbeschränkung ist einer der schwersten Kämpfe, die ein Diener des Staates überbaupt auf sich nehmen kann. Jeder Versuch, die Verwaltung einzuschränken⸗ Aufgaben vom Reich zurückzudrängen, begegnet selbstverständlich den größten Schwierigkeiten. Wir werden ja bei der Vorlage des neuen Etats, insbesondere des Haushaltsgesetzs. — und ich bitte, auch das jetzige Haushaltsgesetz, das Sie noch verabschieden
wollen, einmal baraufhin durchzugehen —, sehen, wie weit unsere
Materials er das gemacht hat. Es handelt sich bei diesem Vorwurf
Der Herr Abgeordnete Keil bestätigt mir das. — Dann kommt eine
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Vorschläge gehen, die Ausgabenseite zu beschränken. Aber, meine Herren, Sie haben es ja selbst im Dezember und im Januar erlebt. als wir hier schwerwiegende Kämpfe durchgefochten haben in der Frage 883 der Beamtenbesoldungserhöhung. Was hilft es, wenn wir durch Ein-. schränkung in Verwaltungsaufgaben oder in der Beamtenzahl einmal — 100 oder 200 Millionen Mark herauswirtschaften könnten, wenn Sie durch die steigende Lebensmittelnot genötigt werden, in wenigen Tagen Milliarden neuer Bezüge zu bewilligen, für die Sie doch gar keine Deckung haben, für die nichts vorhanden ist als die Vermehrung der 8 schwebenden Schulden, wenn flüssige Mittel da sind, dann eine ein-⸗ fache Vermehrung, wenn sie nicht da sind, eine neue ungemessene Inflation? 8. Meine Herren, die Erhöhung der Einnahmenseite des Reichs, die Schaffung neuer Einnahmen auch auf indirektem Gebiete ist eine unbedingte Notwendigkeit, auch von seiten des Proletariats aus betrachtet; denn, meine Herren, mit neuen Noten schaffen sie kein besseres und kein billigeres Brot. Ich war deshalb vorhin überrascht — nehmen Sie mir das nicht übel —, als ich einige wichtige Mit-⸗ teilungen über die Gestaltung des Etats des Jahres 1921 machte — 8 es ist immer eine trockene Sache, derartige Zahlen zu nennen — und im hohen Haus eine allgemeine Flucht hinaus einsetzte, um diesen Zahlen zu entgehen. Meine Herren, ich konnte Ihnen diese Zahlen nicht ersparen, will sie aber jetzt nicht wiederholen. Ich will nur das eine noch einmal betonen, daß nur durch Erhöhung sämtlicher Steuermöglichkeiten, durch wirkliche Einhebung der verabschiedeten Besitzsteuern bei einer neuen Regelung der Einkommensteuer, wie ich es vorhin angedeutet habe, ohne Abschwächung der Sätze für 88. oberen Einkommen, und bei einer Anspannung der indirekten Steuern eine Sanierung der deutschen Finanzen überhaupt möglich ist. (Hört! hört!) ““ Und dabei ist das Problem der Reparation noch nicht einnal berührt. Da komme ich noch einmal zurück auf die Ausführungen in Brüssel. Ich habe vor einigen Tagen in einer großen Versammlung in Osnabrück gesprochen, und da war es für mich ein besonderes Er-. lebnis, daß eine ganze Reihe von Zetteln gerade von Arbeitern mir . vor Beginn der Rede auf das Rednerpult heraufgereicht worden sind. Auf diesen Zetteln stand unter anderem: „Herr Finanzminister! Ist es möglich, daß durch die Forderungen der Alliierten der 8⸗Stunden- tag berührt werden kann?“ „Ja, meine Herren, das ist doch ganz selbstverständlich“, habe ich dann erwidert. Will das deutsche Volk Reparation leisten, so wird sich diese nicht darauf gründen können, daß wir Vermögensteile hinüberschicken, sondern, was wir Deutsche an Reparation leisten werden, wird aus der Arbeit des deutschen 3 Volkes fließen. Nur aus dieser Qnelle heraus können Summen auf⸗ gebracht werden, wenn auch niemals in der phantastischen Höhe, wie sie die Gegner aufgemacht haben. 88— Wenn Sie die Denkschrift, die wir in wenigen Tagen Ihnen zu überreichen hoffen, und die Bemerkungen enthält zu den Ansführungen der alliierten Sachverständigen, die der Abg. Keil hervorgehoben hat, so werden Sie sehen, daß wir scharf und bestimmt alle diese Punkte hervorgehoben haben. Die Arbeit ist die Quelle der Reparation, wie die Arbeit auch die einzige Quelle ist, aus der ein Wiederaufstieg des deutschen Volkes möglich ist. — Die Frage, meine Herren, wie lange hernach zu arbeiten ist, ist eine sekundäre Frage. Ich habe dort in der Versammlung gesagte Wenn das deutsche Volk die Freiheit verliert, werden auch die Er⸗ rungenschaften der Revolution, die in etwa auch mit dem 8⸗Stundentag umschrieben werden, in Gefahr kommen. Der Verlust der Freiheit des deutschen Volks ist auch der Verlust der Freiheit der deutschen Arbeiterwelt. Wenn also der Staatssekretär Schröder in diesem Zusammenhang den 8⸗Stundentag genannt hat, so hat er es — ich darf das feststellen — in folgender Antwort auf eine Frage Lord d'Abernons getan.
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8 Lord d'Abernon sagt: 18 Meines Wissens handelt es sich bei der Eisenbahn um etva
hunderttausend Köpfe und in den übrigen Verwaltungszweigen um 25 000 Köpfe, die mehr als früher beschäftigt werden. * Darauf erwiderte der Staatssekretär Schröder: 8 Gewiß spielt diese Frage bei Eisenbahn und Post eine größere Rolle. Zum Teil ist die Personalvermehrung auch auf den achtstündigen Arbeitstag zurückzuführen. Nun, meine Herren, ich meine, auf diese von mir angeführten Antworten des Herrn Staatssekretär Schröder auf die schweren Fragen ist es unmöglich, den Vorwurf der Würdelosigkeit aufzubauen. Ich war deshalb wohl im Recht, als ich diefen Vorwurf scharf zurück. gewiesen habe. * Das fühle ich allerdings, daß man sich durch Anschneiden all dieser Fragen nicht gerade populär und beliebt macht, weder draußen bei den Arbeitern, noch auch fonst. Ich habe das vor einigen Tagen erfahren. Als ich in einer großen Versammlung auftrat, war eine ganze Anzahl Leute da, die bei meinem Erscheinen mit Kinderpfeifen pfiffen. Da habe ich folgendes geantwortet: Als die Juden vor Jerichow zogen, hatten sie wenigstens Posaunen bei sich; da stürzten die Mauern um. Wenn man mit Pfeifen ein Finanzministeriumm umwerfen könnte, gäbe es keines mehr auf der Welt. (Beifall und Heiterkeit) R. 8
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773. Sitzung vom 2. März 1921, Nachmitkags 1 Uhr. 8— 8 (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung kurz nach 1 ½ Uhr mit folgender Ansprache: “ 8 Geehrte Damen und Herren, in einer anderen Hauptstadt Europas fallen srn und morgen Entscheidungen, die von unab⸗ sehbarer olge für unser Land und unsern Erdteil sein können. Der Reichstag ist im gegenwärtigen Augenblick noch nicht in der Lage, * tellung zu nehmen. Die Regierung kann in dieser Stunde Mitteilungen über die Ihnen bekannten hinaus noch nicht geben, aber unter dem Druck der ganzen Ereignisse, die auf uns lasten, treten wir vorläufig in die Erledigung der festgesetten 8 Tagesordnung ein, immer in der Hoffnung, daß die kommenden Ereignisse unsere Arbeit nicht zunichte 8 S f Auf der Tagesordnung stehen zunächst die Vorlagen, betreffend Aenderung der Post⸗, Fernsprech⸗ und Telegraphengebühren sowie Aenderung des Postscheckgesetzes. “ Abg. Dr. Pachnicke (Dem.) bittet, die Vorlage ni⸗ bereits überlasteten Haushaltsausschuß, der oöhnehse mücen as 1 mit dem Etat Fecheflche sei und keine Zeit zur Durcharbeitun . euch dieser Vorlagen habe, särrn einem besonderen Ausschu
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n überweisen. Auch einige Herren von anderen Parteien hätten
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Wortlaute wiedergegeben werden.
2 Mü Ausnahme der Reden der Herren Mimister, die im .
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