„Abg. Geyer⸗Sachsen (Komm.]: Es handelt sich doch um Vorlagen, die im wesentlichen durchaus den Haus angehen. Eine derartige Behandlung könnte zu Differenzen zwischen den beiden Ausschüssen führen. 1 * . ent Löbe: Es liegt gewiß in unserem Interesse, solche Differenzen zu vermeiden. Diesmal aber geht die Anregung zur Einsetzung eines besonderen Ausschusses von dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses selbst aus. v. S2.
g. Schultz⸗Brom (D. Nat.): Man follte doch
wenigstens den Versuch machen, ob nicht der Haushaltsauss üß
doch mit den Vorlagen zu befassen wäre. Findet er keine Ge⸗ logenheit, sie rasch zu erledigen, 8 könnte ja nochmals eine Ent⸗ scheidung des Plenums herbeigeführt werden. 1182 Abg. Dr. Pachnicke: Der Haushaltsausschuß bekommt ja auch noch sämtliche Etats für 1921 überwiesen, die auch noch in aller Eile von uns beraten werden sollen. Es wäre also physisch veesgüch eine sachgemäße Behandlung der Vorlagen zu er⸗ Reichspostminister Gresberts: Jeder Monat, der uns verloren geht, kostet uns 50 Millionen. Möglichft schnelle Arbeit ist also geboten. Ist der Haushaltsausschuß überlastet, so wäre gegen eine besondere Kommission nichts einzuwenden. Abg. Bruhn (D. Nat.): Wir haben keine Veranlassung, u vor die Vorlagen der Regierung zu spannen, die so schwerwidgende
Erhöhungen der Gebühren vorschlagen. Die Gefahr von Kolli⸗
sionen besteht jedenfalls.
Abg. Schultz⸗Bromberg: Vorlagen von solcher, weittragen⸗
den Bedeutung bedürfen doch gründlichster Beratung. Schon jetzt arbeiten 26 Ausschüsse nebeneinander, an denen zfast alle esh. glieder des Reichstags beteiligt sind. Es dürfte sehr schwer haltén, noch einen neuen vneörte gr bilden. 1 Abg. Morath (D. 85. Wir haben das größte Interesse daran, die Vorlage möglichst schnel und gründlich zu, beraten. An dieser Vorlage sind auch weitere Kreise beteiligt und Mit⸗ edet des Hauses, die nicht im — 1 daher lers Beratung in einem befonderen Ausschuß. Abg. Adolf Hoffmann (Komm.): Es derartig vase Vorlagen im letzten Augenblick eingebracht werden. Der Reichstag ist doch kein Zirkus. Heiterkeit.) Diese vrlage ist nicht nur tief einschneidend für das Publikum, sondern auch für die 2as durs da selbst.
Es geht nicht, an, daß
1 Man kann sehr wohl der Meinung sein, daß durch diese Vorlage der ganze Je eimrieb auf den Hund Föbrs t wird. Eine Schnelligkeit nicht vereinbaren. im Hauptausschuß. Reichspostminister Giesberts: ffmann muß ich zurückweisen. Die Reichspostverwaltung war müht, die Vorlage nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf eine möglichst schnelle Verabschtedung lege ich größten Wert, da jeder verlorene Monat der Reichspostverwaltung einen sehr erheblichen
Abg. Marx (Zentr.): Die Ausführungen des Abg. Hoff⸗ mann sprechen gera Legen sein Verlangen. Diese Vorklage is von so einschneidender eutung, daß es wünschenswert ist, daß
möglichst weite Kreise, vor allem auch der Wirtschaft, sich damit be hoftigen. Es liegt nur im Sinne der Regierung, daß an der Beratung der Vorlage auch ge Mitglieder des Hauses teil⸗ nehmen, die nicht im Hauptausschuß sitzen. Aus diesem Grunde empfzehlt sich Beratung in einem besonderen Ausschuß.
Abg. Dr. Pachnicke (Dem.): Der Hauptausschuß, muß und will dahin streben, den Etat für 1921 so rechtzeitig fertig⸗ ustellen, daß er noch vor Beginn der Ferien hier zur Abstimmung elangen kann. Soll das aber möglich sein, dann erscheint es aus⸗
ir wünschen daher Beratung 11 8 2 ) 2, p „
oschlossen, den Haushaltsausschuß noch mit besonderen Vorlagen 1 Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) zieht hierauf namens
88
seiner ahl eine ausschusses zurück, dessen Einsetzung in Stärke von 21 gliedern beschlossen wird. “
raktion den Einspruch gegen die Wahl eines Sonder⸗ 8 IM; ½‿ Mit⸗
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzent⸗
wurfs zur Entlastung der Gerichte. Es lieger hierzu Abänderungsanträge der Unabhängig er drei sozialistischen Parteien und der bürger⸗ Parteien vor. 11““ Die sozialistischen Anträge 1-eeeSe“ Abg. Dr. Kosenfeld (IU. Soz.): Unser Antrag verlangte
ie Erneiterung der Zuständigkeit der Schöffengerichte. Die Er⸗
des Hauptverfahrens vor dem Schöffengericht sost nur antragt werden, wenn keine schwerere Strafe als Gefäng⸗ estungshaft von einem Jahre oder Geldstrafe allein oder
zffnund dann uis oder
neben Haft oder in Verbindung miteinander oder mit Nebenstraferrt,
und keine hen Buße als 10 000 Mark zu erwarten ist.. Für öffentliche Klagen seitens der Verwaltungsbehörden wegen Zu⸗ widerhandlungen gegen die Vorschriften über dis Eshehaaa öffent⸗ licher Abgaben foll die Verwaltungsbehörde berechtigt sein, in Wehen eise die Zuständigkeit des Schöffengerichts
gründen wie die Staatsanwaltschaft.
Fericht soll ermächtigt sein, für den GNalf. daß es nach der Ver⸗ 85 ung eine andere oder höhere Strafe für verwirkt erachtet, ie Sache durch Beschluß an die Strafkammer zu verweisen. Ferner verlangen wir Streichung der Bestimmungen des Gesetz⸗
zu
entwurfs, wonach Strafsachen an besondere Gerichte verwiesen
werden können. Es könnte leicht vorkommen, daß Anklagen. Hecen Angehörige bestimmter Parteien an als besonders „scharf“ de⸗ kannte Richter überwiesen werden. — satze festhalten, daß die Aburteilung vor dem Gericht des Wohn⸗ ortes zu erfolgen hat. Ein weiterer Antrag, der erfreulicherweise Hech ie Zustimmung der kommuniftischen Parteien und der dzlaldemokraten gefunden hat, bezweckt die Abschaffung der Ord⸗ nungsstrafen gegen Rechtsanwälte. Kommt man gegen Richter und Staatsanwälte ohne derartige Strafen aus, so sollte dies auch insichtlich der Anwälte mglich sein, denen man eine gxrößere freiheit als bisher “ muß, zumal der Angeklagte sich in
der Verteidigung beeinflutt fühlen kann, wenn er anzunehmen in Verteidiger nicht mit voller Offenheit
Veränlassung hat, daß se echen darf. Zentrum, Demokratie und Deutsche Volkspartei ollten sich entsinnen, daß die Abgeordneten Junk, Ablaß und 3 Iüorn einen dahingehenden Antrag bereits vor Jahren gestellt Präsident Löbe: Es ist ein weiterer Antra⸗ 2 mann und Genossen (Komm.) eingegangen, den 8 31 bes Gerichts⸗ verfassungsgesetzes dahin zu ändern: „Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt. deutscher Staatsangehörigkeit ausgeübt werden.“ Die bürgerlichen Parteienbeantragen noch einige Aenderungen, insbesondere dem § 266 der LVVFeue anzufügen: 1 „Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten innerhalb dreier Tage nach Verkündung des Urteils auf Rechtsmittel, so genügt die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in welchen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden und des zur Anwendung gebrachten Strafgesetzes; hierbei kann auf den Eröffnungsbeschluß Bezug genommen werden.“ Abg. Leutheußer (D. 3 Die Richtlinien des Entwurfs d⸗Vereinfachung und Verbilligung des Gerichtswesens. Die wtive des Entwurfs Forüen wir. Das Gesetz soll nur vor⸗ läufige Bedeutun ben. idersprechen müssen wir, daß nun bee bersuche wird, doch no FSee r Aendexungen in den Entwurf hineinzubringen, wie es durch die Anträge der Linken geschieht. Wir wollen eine Entlastung der Gerichte herbeiführen ümd alles das fördern, was damit zusammenhängt. Weitergehen⸗ d28 müssen wir aber abkehnen. Es darf nicht so weitergehen, wie es hbei den von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetzen vielfach geschehen ist, daß weit über das Ziel hinausgehende Neue⸗
rungen und Aenderungen in die Vorlagen hineingebracht werden. Nacg Naaies Gejes barf nint um Sammelbecen für alle wäalichen
1161“X“
uns
ündliche Arbeit läßt sich mit, Den Vorwurf des Abg.
Gesetz ist ja ohnehin kein technisches sauberes
unterschiedes von Takt un Staatsanwaltschaft
werden wir leider noch ziemlich lange warten müssen.
schließung durchaus nicht entgegen, denn sie
Das! Schöffen⸗
Wir wollen an dem Grund⸗
Dasselbe kann nur von Männern und Frauen
. werden. Zu diesen gehört auch das Verlangen 2 Beseitigung der Srdanss ssce für Anwälte, so sehr wir au gleichem Standpunkt mit den Antragstellern materiell stehen und meinen, daß auf die Dauer sich die alten Bestimmungen nicht werden aufrechterhalten lassen. Im Ausschuß hat Dr. Eö Standpunkt klar zum Ausdruck gebracht. Sichéerlich ist auch Ver⸗ hängung einer Ordnungsstrafe praktischer als eine stundenlange Auseinandersetzung zwischen Nichter und Rechtsanwalt, ob eine Un⸗ gebühr vorliegt oder nicht. Die Klage, daß die Lehrer ng den
usschluß vom Schöffenamt minderen Rechtes wären, it nicht be⸗ rechtigt, auch sonstigen Beamitenkategorien geht es ebenso. Die in der . dlag orgesehene Berufungsgrenze muß aufrechterhalten hleiben. Alles, was über die Zwecke der Entlastung der Gerichte hinausgeht, lehnen wir bei dieser Gelegenheit ab, hofsentlich kommt äaber bald die in Aussicht gestellte Justizreform. Den Entschlie⸗ Uürgen des Ausschusses, die einen Gesetzentwurf zur Regelung des Güteverfahrens verlangen und fordern, daß bei der kommenden
Reform des Strafprozesses eine Erweiterung des § 435 der Straf⸗
prozeßordnung in dem Sinne vorgenommen werde, daß auch Ver⸗ wandten des Verletzten das Recht zum Anschluß als Nebenkläger gegeben wird, stimmen wir zu. Möge diese Reform bald das Licht der Welt erblicen! —— 82 SE Abg. Dr. Radbruch (Soz.): Der Gesetzentwurf bedeutet freilich eine Entlastung der Gerichte, aber doch nur insofern, als die Last von den landgerichtlichen Schultern abgenommen und den amtsgerichtlichen Schultern auferlegt wird. Ein Mittel zu einer wesentlichen Entlastung der deutschen Gerichtsbarkeit wäre das Güteverfahren gewesen, wovon man nicht nur eine Entlastung der Gerichte, sondern auch eine Erneuerung unseres ganzen Rechts⸗ wasens sich versprechen darf. Durch das Güteverfahren wird das Volk wieder mit dem Recht in Verhindung Fige t und die verhängnisvolle Entfremdung von Recht und Volk überwunden werden. Das Göheeberscgen wäre eine Vorbedingung für ein neues Billigkeitsrecht. Die vom Ausschuß vorgeschlagene Ent⸗ schließung bedeufet nur eine lahme Empfehlung. Ich persönlich würde einer möglichst schnellen Einführung des Güwvessaren⸗ durch ein besonderes Gesetz außerhalh der Zivilprozeßordnung den Vorzug geben. Natürlich stimmen wir der Entschließung zu. Wir freuen uns auch, daß es uns gslungen 8 in das Gesetz die Be⸗ stimmung hineinzubringen, die auch den Volksschullehrern in Zu⸗ 2 den Zutritt, zum Schöffen⸗ und Geschworenenamt erlaubt. Es wird damit eine jahrzehntelange Erwartung des Volksschul⸗ lehrerstandes erfüllt und eine beschämende Farüchjegeng endlich be⸗ seitigt, auch ein Stück Reichsverfassung damit lebendig gemacht. Mit Unrecht wird gegen unsern Antrag auf Beseitigung des § 180 des Gerichtsverfassungsgesetzes und die Aufhebung der Ungebühr⸗ strofen gegen Rechtsanwalte geltend gemacht, daß eine solche Be⸗ schlußfassung in dieses Entlastungsgesetz nicht ntsengehört. Das — 8 ein 1 unstwerk, sondern bips ein Sammelbecken für alle möglichen Notstandsbestimmungen. Sein Zustandekommen wird durch die Annahme unseres Antrages auch nicht im geringsten verzögert. Die Voraussetzung eines Wert⸗ Anstand beim Rücerrhan und der anwal einerseits und bei der Rechtsanwaltschaft anderseits ist innerlich Iselas unberechtigt und muß verschwinden. Auch dem Antrag der Kummunisten, der den Frauen den Zugang zum Schöffen⸗ und Geschworenenamt eröffnen will, werden wir “ ohne Rücksicht darauf, daß auch er nicht in den Ent⸗ astüngsgedanken hineingehört; denn auf die große Justizresorm
Abg. Marx (Zentr.): Der Abg. Dr. Radbruch hat gewiß Recht, wenn er das Güteversahren möglichst bald gesetzlich ge⸗ regelt wissen will. Dem steht aber auch die Fassung der Ent⸗
du 1. 1 lüß es durchaus effen, ob diese Regelung bei Gelegenheit der großen Justizreform oder durch besonderes Gesetz ersolgen soll. Auch ich halte die Ein⸗ richtung für durchaus wünschenswert. Im übxigen haadelt es s hier um ein Notgesetz, in das Vorschristen grundsätzlicher Natur nur unter ganz besonderen Umständen und in Ausnahme⸗ fällen dringendster Natur Anfnahme finden sollten. Von diesem Gesichtspunkt aus sind auch für mich die von den U. Soz. bean⸗ tragten Abänderungen unannehmbar. Dahin gehört insbesondere der Antrag auf Abänderung der §8 27 und 29 des Gerichtsver⸗ fassungsgesetzes. Die im § 27 bei Diebstahlsverbrechen gezogene Wertgrenze von 3000 ℳ ist ja auch mißlich; aber eine solce Be⸗ stimmung war nicht zu umgehen, wenn hier eine Entlastung er⸗
eicht werden sollie. Wenn ferner der Staatsanwalt die Er⸗
öffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffengericht für Ver⸗ gehen, die zur Zuständigkeit der Strafkammer gehören, nur dann zu beantragen befugt sein soll, wenn keine schrösie, Freihzitssernfe als ein Jahr und keine höhere Buße als 10 000 ℳ zu erwarjen
ist, so stnd as, Nengerängen, grundsätzlicher Natur, die unmöglich
bei dieser Gelegenheit in unser Strafverfahren eingeführt werden können. Die Verhängung von Ordnungssirafen wegen Ungebühr e en Rechtsanwälte ist, ja für jedes Gericht ine äußerst pein⸗ 85 und unangenehme Sache und hat schon oft zu Auseinander⸗ setzungen geführt, die im üteres des Ansehens der Gerxichte besser unterblieben wären, aber dieser Gegenstand kann aus der Strafprozeßordmung nicht einfeitig herausgenommen werden; hier kommen “ liche Erwägungen in Frage. Ich kann nur wünschen, daß § 180 möglichst wenig zur Anwendung kommt, aber ganz verschwinden darf er nicht. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn die berufene Vertretung des Anwaltstandes, wenn der Deutsche Anwoltverein sich in einem Gutachten über die Frage äußern wollte. Für den Wegfall des Ausschlusses der Volksschul⸗ lehrer vom Amte des Schöffen und Geschworenen stehen solche grundsätzlichen Bedenken nicht im Wege; es werden sich daraus
inerlei Ungelegenheiten ergeben. 1 Abg. Gräf (D. Nat.): Eine durchgreifende Entlastung der Gerichte im Sinne des Abg. Dr. Radbruch hätte auch ich ge⸗ wünscht; ein Güte⸗ und Sühneverfahren wäre bedeutend wirkungs⸗ voller als diese Summe von halben Maßnahmen., Auch Dr. Rad⸗ bruch sollte wissen, daß gerade die Rechte schon 1915 dem Sühne⸗ verfahren das Wort hier geredet hat. Aber auch das Sühne⸗ und Güteverfahren muß vor die ordentlichen Richter kommen, onst würde aus der Krone des Richters der boftbarste Edelstein aus⸗ “ werden, denn richten und schlichten gehört zusammen. Mit dem Abbau der Kollegialgerichte geschieht in der Vorlage der erste Schritt. Nach unserer Auffassung gehört die Zukunft bei der großen Justizreform dem Einzelrichter. Bei dieser Vorlage muß alles abgelehnt werden, was nicht direkt der Entlastung der Ge⸗ richte dient. So ist der Antrag auf Abschaffung der Ungebühr⸗ 8. heute wirklich nicht zeitgemöß. Die Kriminalprozesse nament⸗ ich der letzten drei Za re in der Reichshauptstadt Berlin haben gezeigt, daß eine unglaubliche Verwilderung der Sitten eingetreten ist, es geht in manchen Heticeglälen Berlins nicht anders zu wie im Reichstagssitzungssaal. (Großer Lärm links; Rufe: Helfferich!) Dr. Rosenfeld hat ja einen gax nicht üblen Witz gemacht, wenn er auch die Beseitigung des §.180 für eine Sn hh der Gerichte erklärte. Mit demselben Rechte könnte er die Abschaffung der Strafen überhaupt verlangen, denn das wäre die wirksamste Ent⸗ lastung. Fällt diese letzte eh so würden die Zustände noch viel schlimmer werden; sie muß als Vorbeugungsmittel erhalten bleiben. Aus demselben Grund widersetzen wir uns dem Antrag Hoffmann. Wir lassen mit uns durchaus darüber reden, ob Frauen auch Schöffen oder Geschworene sein dürfen; aber die Frage muß gründic überlegt und darf nicht so en passant hier erledigt werden. Dagegen sind wir damit einverstanden, daß man Volks⸗ schullehrer a s Schöffen und Geschworene zuläßt. Die neuen Auf⸗ gaben der Schöffengerichte auf dem Gebiet der Verbrechen erfordern eine große Anzahl Personen, die diesen Aufgaben achsen sein müssen, und da sehen wir in der Lehrerschaft besonders geeignete Krafte. Auch die Anträge der Unabhängigen lehnen wir ab; es eht vor allen Dingen nicht an, daß ein Staatsanwalt nach so 9 jektiven Erwägungen, wie er sie anstellen müßte, wenn § 29 Sinne des Antrags geändert wird, entscheiden soll. 1 Abg. Brodauf (Dem.): Wir stimmen der Entschließung des Ausschusses zu, sind cher hinsichtlich der Wirkungen des Sühneverfahrens nicht optimistisch. Grundsätzlich sind wir natür⸗
im
lich für die Zulassung der Frauen zum Schöffenamt. Aber di Frage ist für dieses Jahr ja bereits geregelt. Wir erwarten daß die kommende Stvafprozeßordnungsreform, die hoffentlich im Herbst uns vorgelegt wird, diesem Wunsche, der der Ve fassung entspricht, Rechnung trägt. Dem unabhängigen Antvag können wir nicht zustimmen. Er bedeutet in seinem ersten Te⸗ eine Verschlechterung gegenüber der Regierungsvorlage. Wem auch die in der Vorlage gezogene Grenze für die Schöffengerich gewisse Härten mit sich bringt, so muß doch nun einmal eine b stimmte Grenze bestehen. Die Beseitigung der Ordnungsstrafen für die Anwälte wird seit langem von den Anwälten gefordern Der überwiegende Teil der Rechtsanwälte empfindet die prechende Gesetzesbestimmrung! als eine Durchbrechung de Grundsatzes, noch welchem in der Rechtsprechung die Anwält den Richtern und Staatsanwälten gleichberechtigt sein soll Eine Verwilderung der Sitten befürchten wir von der Aufhebung der Ordnungsstrafen nicht. Die Nichtzubassung zum Schöffer und Geschworenenamt empfinden die Volksschullehrer als ein Zurücksetzung, Wir freuen uns daher, daß die Regierungsvorlag mit dieser Zurücksetzung ein Ende macht. Wir werden für de Vorlage in der Ausschußfassung und gegen alle Abänderungs anträge stimmen. 1 Abg. Dr. Herzfeld (Komm.): be. be rungsparteien will die Ueberarbeit der Gerichte — 8 sollen aber nach der Vorlage nur die Strafgerichte entlaste werden, obwohl in der Begründung der Novelle zugegeben wirt daß guch die Zivilgerichte mit Arbeit überlastet sind, bei dene die Zahl der anhängigen Prozeßsachen wieder den Stand vof 1918 erreicht hat. Man benutzt aber das Entlastungsgesetz al Mittel dazu, um die Grundlage des Schutzes der dncssest gegenüber dem jetzigen Zustande einzuschränken; während bish das einzige Schutzmittel darin bestand, daß der Angaklagte de Umfang der Beweisaufnahme bestimmen konnte, sollen in Zu zunft die Schöffengerichte Ausdehnung der Beweisaufnahme un den Umfang der Berücksichtigung der angebotenen Beweismitte bestimmen. Von größter Bedeutung ist, daß die Bestimmung de Vorlage, wonach innerhalb eines Bezirks ein bestimmtes Gerith für die Erledigung einer Strafsache ausersehen wird, fällt. Dwe Ordnungsstrafe für die Anwälte muß fallen. Es sind gerah die untüchtigsten Richter, die die meisten Ordnungsstrafen ve hängen. Es muß ausdrücklich bestimmt werden, daß in Zukunf auch die Frauen und besonders die Dienstboten Schöffen werde können. Selbstverständlich treten wir auch für die Zulassung de Volksschullehrer als Schöffen und Geschworene ein. Vizepräsident im Reichsministerium und Reichsjustizministe Dr. Heinze: Ich bin den Herren Vorrednern dankbar dafür, de sie den Charakter der Vorlage als einer solchen, die die Entlastun der Gerichte anstrebt, richtig erkannt und auch in ihren Reden diese Charakter im wesentlichen Rechnung getragen haben. —
Es sind allerdings gewisse Anregungen gegeben worden, d „Materien betreffen, welche noch in den Gesetzentwurf hätten herein gezogen werden sollen. Es ist bemängelt worden, daß der Entwuf zu wenig bietet. Meine Herren, wenn wir Ihnen nur wenig bietz können, so bedauert das niemand mehr als die Reichsjustizverwaltun selbst, die gern viel energischer durchgegriffen hätte. Aber wenn un schnell die Gerichte entlasten will, so muß man sich eben auf gewis Maßmahmen beschränken, die an der Oberfläche liegen.
Der Herr Abg. Graef hat darauf hingewiesen, man hätte de Güteverfahren zu einer Entlastung der Kollegialgerichte und eim sstärkeren Hebung des Einzelrichterstandes ausgestalten können. Wen man diese Fraͤgen in die Novelle hätte hereinnehmen wollen, so wir man mehr oder weniger zu einer neuen Prozeßordnung gekomme Das Güteverfahren, die Frage der Entlastung der Kollegialgerich und der Hebung des Einzelrichterstandes sind Dinge, die in das Syste des gesamten Zivilprozesses aufs tiefste eingreifen. Ich will nur mit eing Wort auf das Güteverfahren eingehen, weil der Herr Abg. Radbruch st über dieses näher ausgelassen hat. Wenn jemand die große 2 deutung des Güteverfahrens anerkennt, so bin ich es. Ich habe ner
gehend darüber gesprochen; wir sind dabei überein gekommen, daß! der künftigen Reform der Zivilprozeßordnnung gerade auf die A gestaltung des Güteverfahrens ganz wesentliches Gewicht zu lg sein wird. Aber so klar, daß jetzt schon bei der Entlastungsnobel das Güteverfahren hätte eingeführt werden können, liegt die Sac nicht. Die heutige Debatte liefert den Beweis dafür. Die Hern Abgg. Radbruch und Graef und ich selbst erwarten außerordentlich de von der Ausgestaltung des Güteverfahrens. Dem steht die Ah fassung des Herrn Abgeordneten Brodauf entgegen, der dem Git verfahren mit einem gewissen Rechte fkeptisch gegenübersteht. handelt sich hier um Fragen, die weiter geklärt werden müssen. Am die Anhänger des Gütegedankens, die Herren Abgeordneten Radbr und Graef, sind bezüglich der Ausgestaltung des Verfahrens durchet verschiedener Ansicht. Der eine hat gemeint, man solle das Ha
gewicht auf die privaten Korporationen legen und ihnen das Git verfahren übertragen. Der Herr Abgeordnete Graef ist dagegen Ansicht gewesen, man solle den Schwerpunkt auf die Gerichte leg Wir im Reichsiustizministerium sind überzeugt, daß, wenn das Gi verfahren mit Wirksamkeit ausgestattet werden soll, jedenfalls! Anlehnung an die ordentlichen Gerichte in weitem Umfang nicht! umgehen ist. Damit wird natürlich die Frage der Organisation
Gerichte und die der Gestaltung des gesamten Prozeßverfahn aufgerollt.
Wir erkennen also sehr wohl an, daß die jetzige Novelle nit allzuviel bietet; aber, wie die Dinge liegen, ist jede weitergeben Reform mit tiefgehenden Eingriffen in die Gerichtsverfassung und; das Prozeßverfahren verbunden. Wir sind dabei, an dieser we
Gesetze in dieser Richtung vorlegen. Im Augenblick handelt es um einen Notbau, und ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie diesen M bau mit mir zu zimmern sich bemühen.
Ganz so schlecht, wie der Herr Abg. Herzfeld die Novelle ne stellt, ist sie nun doch nicht. Einer der Haupteinwürfe des Herrn Abgeet neten ging dahin, daß die Angeklagten bezüglich des Beweises ind Novelle viel schlechter gestellt würden als im jetzigen Verfahne er wies darauf hin, daß nach § 244 Abs. 2 der Strafprozeßordnun die Schöffengerichte den Umfang des Beweises zu bestimmen hätt und daß infolgedessen der Angeklagte in der Führung des Bewel beschränkt werde. Das ist bezüglich der Schöffengerichte richtig. 9 Herr Abg. Herzfeld hat aber vergessen hinzufügen, daß bei allen dies schöffengerichtlichen Verfahren die Berufungsinstanz darüberstt (sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartel) und daß bei der 9.
dessen Absatz 2 (sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei), se letzten Endes die Angeklagten in ihren Beweisen durch die Rort nicht verkürzt werden.
Wenn ich mich nun zu den einzelnen Anträgen wende, so . ich den Antrag Aderhold Ziffer 1 und 2 nicht eingehend behande
88
(cortfebung in der Zweiten Beilage.)
Die Rovelle der Regis
vor kurzer Zeit mit dem Referenten im Neichsjustizministerium en
gehenden Reform zu arbeiten, und werden Ihnen neue weitgehen
rufungsinstanz der § 244 Abs. 1 der Strafprozeßordnung gilt und uls
zum Deutschen Nr. 52.
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Wenn ich den Unterschied zwischen der Novelle und dem Antrag Aderhold eingehend darlegen wollte, würde ich sehr intrikate juristische Ausführungen hier vor dem Hause machen müssen. Die Herren Vor⸗ redner haben mich aber dessen überhoben. Ich stimme den Herren, die gegen die Anträge I 1 und 2 gesprochen haben, durchaus zu und beschränke mich darauf, das hohe Haus zu bitten, diese Anträge abzu⸗ lehnen.
Auch bezüglich des Antrags I Ziffer 3, der eine Bestimmung aus der Novelle streichen will, nach welcher durch Anordnung der Landes⸗ zustizverwaltung die Bezirke mehrerer Amtsgerichte in Strafsachen zusammengelegt werden können, kann ich mich im wesentlichen auf die Ausführungen derjenigen Herren beziehen, die für die Ablehnung dieses Antrags gesprochen haben. Der Herr Abg. Herzfeld hat ganz besonders diese in den Entwurf eingefügte Bestimmung be⸗ mängelt. Er meint, dadurch würde der Landesjustizverwaltung Gelegenheit gegeben, nunmehr die Strafsachen bestimmten Richtern zuzuweisen und dadurch einen Einfluß auf die Strafjustiz auszuüben. Ich möchte den Herrn Abg. Herzfeld darauf hinweisen, daß weitaus die Mehrzahl der schöffengerichtlichen Strafsachen auf die großen Amtsgerichte entfällt und daß bezüglich dieser Gerichte doch die
Landesjustizverwaltung auch schon jetzt den Amtsrichter zu bestimmen
hat, der die Strafsachen aburteilt. Da sonach in weitgehendem Umfang schon jetzt die Person des Strafrichters, und zwar ganz konkret, durch die Landeszustizverwaltung bestimmt wird, scheint mir die in der Novelle vorgesehene Bestimmung nicht gefährlich zu sein. Ich bitte also auch den Antrag auf Streichung der Ziffer 6 ab⸗ zulehnen.
Weiter liegt ein Antrag vor, den § 180 des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzes zu streichen, nach welchem die Richter befugt sind, Ordnungs⸗ strafen gegen Anwälte zu verhängen. Die Frage ist außerordentlich bestritten. Die Reichsjustizverwaltung ist der Ansicht, daß bei dem kommenden Gesetzgebungswerk auf diese Bestimmung verzichtet werden kann. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Aber, meine Herren, zunächst müssen wir uns mit den Landesjustiz⸗ verwaltungen in Verbindung setzen, die sich bisher zu dieser Frage noch nicht geäußert haben. Auch die Anwaltskreise müssen noch ein⸗ gebender gehört werden, als das bisher der Fall gewesen ist. Augen⸗ blicklich scheint mir die Frage noch nicht spruchreif. Sie gehört auch
nicht in den Rahmen dieses Gesetzes hinein. (Sehr richtig! bei der
Deutschen Volkspartei.) Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen. Schließlich liegt noch ein Antrag vor, der dahin geht, durch diese Novelle die Frauen zum Schöffen⸗ und Geschworenendienst zuzulassen. Auch dieser Antrag überschreitet den der Novelle gezogenen Rahmen ganz erheblich. Im übrigen würde sich dadurch, daß diese
rage in der Form der hier vorliegenden Anträge im Rahmen 2.
der Novelle gelöst würde, im einzelnen eine Menge von Schwierigkeiten ergeben. Die Vorschriften über die Aus⸗ wahl der Schöffen und Geschworenen sind so verwickelt, daß die Frage nicht einfach durch Einfügung der wenigen Worte gelöst werden kann. Im übrigen kann die Frage doch auch nicht schematisch behandelt werden. Ich weise beispielsweise auf den Entwurf zum Gerichtsverfassungsgesetze hin, den mein Vorgänger im
Reichsjustizministerium, der Herr Abg. Schiffer, dem Reichsrat vor⸗
gelegt hat und ⸗in dem die Frage in außerordentlich komplizierter Weise behandelt worden ist, aber in einer Weise, die den Einzelfällen und auch der Stellung der Frauen gerecht wird. Ich glaube also, daß die Stellung der Frau nicht richtig gewürdigt wird, wenn jetzt einfach diese Anträge angenommen werden. Ich bitte Sie daher, auch diese abzulehnen. (Beifall rechts).
Abg. Rosenfeld (IHI. Soz.): Die ersten beiden Teile unseres Antrages (Zuständigkeitserweiterung der Schöffengerichte und Hauptverfahren vor dem Schöffengericht) ziehen wir zurück, nicht aber denjenigen, der sich mit der Ueberweisung von Strafsachen an bestimmte Gerichte befaßt. Wenn auch an einzelnen Gerichten mehrere Richter tätig sind, so kommt es in der Praxis doch darauf hinaus, daß einem bestimmten Richter diese Fälle zugewiesen werden. ewisse Schwierigkeiten, die natürlich vorhanden sind, ind zu überwinden. Ich würde es begrüßen, wenn endlich die
Irne Schullehrer und Dienstboten, die noch nicht zum Amt eines Schöffen und Geschworenen zugelassen werden, fallen würde. Den Antrag, Frauen zu diesen Aemtern zuzulassen, hitte ich dringend, anzunehmen. Der Antrag Brodauf will uns auf das nächste Jahr vertrösten, weil jetzt die Listen bereits auf⸗ gestellt seien und im nächsten Jahre die große Justizreform komme. Da beneide ich ihn um seinen Glauben an die Schnelligkeit der Justizreform.
Vizcepräsident Dr. Bell: Es ist eine Entschließung Brodauf eingegangen, die Regierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf ein⸗ zubringen, durch den es ermöglicht wird, daß für das Jahr 1922 noch Fünen als Schöffen und Geschoran zugelassen werden.
Abg. Marx (Zentr.) wendet sich entschieden gegen diesen Antrag, der nicht einmal im 8 vorberaten sei. Es ent⸗ spreche nicht der Gepflogenheit des Hauses, in zweiter Lesung so weittragende Anträge einzubringen. 1
Abg. Brodauf (Dem.): Ich habe als erster im Ausschuß einen nach dieser Richtung gehenden Antrag eingebracht. Die Annahme des Antrages Hoffmann⸗Rosenfeld, auch für dieses Jahr schon die Frauen für das Amt als Schöffen und Geschworene zuzulassen, würde eine weitgehende Umänderung der Strasprozeß⸗ ordnung bedeuten. 1
Vizepräsident im Reichsministerrum und Reichsjustizminister Dr. Heinze: Ich möchte Sie im Namen der Reichsjustizverwaltung bitten, die Resolution des Herrn Abg. Brodauf nicht anzunehmen und die Reichsregierung nicht auf bestimmte Termine festzulegen. (Abg. Dr. Rosenfeld: Sie sind also für meinen Antrag?) — Nein, für Ihren Antrag spreche ich ganz gewiß nicht. 1
Meine Herren! Es wird in den nächsten Zeiten dem Hause das Jugendgerichtsgesetz zugehen. wieweit die Frauen Schöffen in Jugendgerichtssachen sein können, geregelt. Auch in dem dem Reichsrat vorliegenden Entwurf zum Gerichtsverfassungsgesetz ist die Angelegenheit geregelt. Wann wir
zu einer dauernden Regelung der Frage kommen können. läßt sich noch
nicht absehen. Die Frage wird aber auf das eingehendste erwogen. Darum bitte ich, die Reichsregierung nicht auf bestimmte Termine sestzulegen, die unter Umständen mit den großen Justisreformen ““ b 8 ’ 1“
In diesem wird bereits die Frage, in⸗
“
Zweite Be
8 . 8 9
anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
Berlin, Donnerstag, den 3. März
kollidieren können. (Abg. Hoffmann (Berlin): Bis dahin wird
unsere Jugend in die Altersrentenklasse versetzt sein!)
8 Frau Zietz (U. Soz.): Ich kann nicht verstehen, wie man sich gegen den Antrag wenden kann, auch Frauen zu Schöffen und Geschworenen zu machen. (Zuruf rechts: Sie sollens ja werden!) Mit dem alten Unrecht den Frauen gegenüber muß auf⸗ geräumt werden. Es entspricht nicht der Verfaffung. Vor wenigen Wochen ist auch beschlossen worden, die Frauen zum Richteramt süalasen. Da wäre die Ablehnung dieses Antrages unver⸗ ständlich.
Abg. Frau Pfülf (Soz.): Die Rechtsprechung ist nicht mehr Geheimwissenschaft der Männer. Sie werden den Siegeslauf der Frauenbewegung doch nicht aufhalten. Wir werden endlich unser Recht beanspruchen. Einzelheiten können noch bis zur drit⸗ ten Lesung geregelt werden.
Abg. 15 ransfeld (Zentr.): Grundsätzlich stehen wir auf dem Boden, daß die Frauen zum Laienrichtertum zuzulassen sind. Ich möchte mich aber hinter die Erklärung des offiziellen Zentrumsredners stellen, daß wir aus formalen Gründen diesem Antrag nicht zustimmen können. (Hört, hört! links.) Vor allen Dingen möchten wir auch dafür eintreten, daß dieser Antrag erst im Ausschuß noch nach jeder Richtung durchberaten werde, denn durch ihn würde eine große Umwälzung in unsere Rechtspflege hineingetragen werden. Von der Mitarbeit der Frau im Laien⸗ vö verspreche ich mir eine wesentliche Hebung unserer
ustiz. . . Abg. Frau Baum (Dem.): Wir Frauen werden für den An⸗ trag stimmen, hoffentlich tun es auch recht viele demokratische Männer. (Heiterkeit rechts.) Ich halte es für richtig, den Antrag anzunehmen.
Die Abgg. Frau Wackwitz (Komm.) und Wurm (U. Soz.) treten gleichfalls für die Zulassung der Frauen als Schöffen ein, die letztere bemängelt nur, daß der Antrag Brodauf zu bescheiden ist, da er erst von 1922 ab gelten soll.
Vizepräsident des Reichsministeriums und Reichsjustiz⸗ minister Dr. Heinze: Derartige Anträge müssen eingehend be⸗ arbeitet werden, es ist ganz unmöglich, in letzter Minute ein solches Gesetz zu machen, wo man die zahlreichen Gegengründe nicht her⸗ vorheben kann. Solche Anträge führen zu einer ganz mechanischen Gleichmachung von Mann und Frau. Im Reichsrat liegt ja ein e h.; zum Gerichtsverfassungsgesetz vor, wo auch diese Frage behandelt ist, z. B. bei den Jugendgerichten sollen Frauen hinzugezogen werden. Den Interessen der Frauen wird man aber durch Annahme eines solchen Antrages nicht gerecht.
Mit einigen Ausführungen des Abgeordneten Rosen⸗ eld, die bei dem außerordentlich unruhigen Hause unver⸗ tändlich bleiben, schließt die Aussprache.
Die Anträge der Unabhängigen zu §8 27 und 29 des Gerichtsverfassungsgesetzessind zurück⸗ gezogen.
Art. 1 wird in seinen 8 Nummern nach den Ausschußvor⸗ schlägen angenommen. Als Ziffer 9 liegt der Antrag der Kommunisten und Unabhängigen Sozial⸗
demokraten auf Zulassung der Frauen zum Amte des Schöffen und Geschworenen vor.
In namentlicher Abstimmung wird dicser Antrag mit 170 gegen 126 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen ange⸗ nommen. (Lebhafter Beifall der Mehrheit.)
Als Ziffer 10 soll nach dem Antrag Radbru ch (Soz.) die Aufhebungdes § 180 des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzes (Ungebührstafen gegen Rechtsanwälte) dem Artikel 1 angefügt werden. Da die Abstimmung zweifelhaft bleibt, erfalg Auszählung; diese ergibt die Annahme des Antrages mit 141 gegen 137 Stimmen. In der so er⸗ gänzten Fassung gelangt Art. 1 zur Annahme.
Die Bekanntmachung zur Entlastung der Amts⸗ gerichte in der Fassung vom 18. Mai 1916 hat für die Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile eine Wert⸗
renze von 50 8 festgesetzt. Nach Artikel 2 der vrege sollte Fiese Wertgrenze auf 500 ℳ erhöht werden; der Auss uß hat eine Erhöhung auf 300 ℳ vorgeschlagen.
Von den Unabhängigen Sozialdemokraten ist die völlige Beseitigung der Wertgrenze, also die Wieder⸗ einführung der unbeschränkten Berufung
egen die Amtsgerichtsurteile beantragt. Ein ngss Brodauf, unterstützt von den Regierungs⸗ arteien und den Deutschnationalen, geht dahin boß ein Urteil, gegen welches die Berufung nicht zulässig ist, nur verkündet werden darf, wenn es in vollständiger Form abgefaßt ist. Abg. Dr. Rosenfeld protestiert gegen die Benachteiligung der Arbeiterschaft und der minder “ Bevölkerung, wie sie durch den Ausschußvorschlag eintreten werde. . 888 ch de Se use (Dem.) empfiehlt kurz mit Billigkeits⸗ gründen den von ihm beantragten Zusatz.
Abg. Dr. Radbruch spricht sich Fsfcic ür eine Be⸗ rufungsgrenze aus. Man habe sich auch in seiner Partei über⸗ zeugt, boef es wünschenswert sei, zu verhindern, daß eine un⸗ gcheure Menge von Geld, von Arbeits⸗ und Richterkraft unnütz an ganz geringe Bagatellen verschwendet werde. Zurzeit könnten sie aber sür die Erhöhung nicht stimmen.
Abg. Marx (Zentr.) tritt dem Abg. Dr. Rosenfeld entgegen. Der Ausschußvorschlag sei völlig unparteiisch gefaßt worden ohne Rücksicht darauf, ob die Partei zu den begüterten oder nicht⸗ begüterten gehöre. G EE“
Vizepräsident des Reichsministeriums und Reichsjustizminister Dr. 8gn ze: Ich möchte dringend bitten, den Löcöignücsnrecgseg anzunehmen. Hier liegt eine der wesentlichen Bestimmungen des
Entwurfs vor. Stets wird von uns eine vereinfachte beschleunigte Rechtsprechung gefordert, bringen wir aber praktische Vorschläge, dann treten immer wieder Widerstände auf. Die Gewerbe⸗ und Kaufmannsgerichte arbeiten auch deswegen besser als die ordent⸗ lichen Gerichte, weil sie eine erhebliche Beschränkung der Be⸗ rufung haben. Gegen die Heraufsetzung der Grenze auf 300 ℳ besteht gar kein Bedenken; 300 ℳ sind ja heute lange nicht mehr dasselbe wie noch vor einem Jahre. Geben Sie den Gerichten die Möglichkeit, mit einer Instanz auszukommen, so bewahren Sie die Gerichte und auch die Parteien vor einer Unmenge von
Weiterungen. ö (Komm.): Das Verfahren vor den
Amtsgerichten bleibt doch dasselbe und wird nicht beschleunigt,
Pro ge viel länger dauern a ves ie
wohl aber werden die ven überlastet werden und die 8 bisher. Den Schaden haben un⸗
nbemittelten, besonders wenn ihnen auch noch erfung abgeschnitten wird. Die Findung des Rechts stehr höher als die Bequemlichkeit der Richter. Die große Mehrzahl der Prozesse bleibt unter 300 ℳ zurück. Wir lehnen diese Ver⸗ bterung des Entwurfs ab und verlangen die Beseitigung
1 Wertgrenze überhaupte
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— 4
Der Antrag der Unabhängigen Sozialdemo⸗ kraten wird abgelehnt, Art. 2 mit dem Zusat Brodauf angenommen.
Art. 3 enthält die zur Entlastung der Gerichte vorgeschla⸗ genen Aenderungen der Strafprozeßordnung. Er wird nach den Ausschußvorschlägen mit einigen Emendements Brodauf unter Ablehnung der weitergehenden Anträge der Unab⸗ hängigen Sozialdemokraten angenommen, xbenso Art. IV.
bis VI und Art. VII, wonach das Gesetz am 1. April 1921
in Kraft treten soll.
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzent⸗ wurfs über eine erhöhte Anrechnung der während des Krieges zurückgelegten Dienst⸗
eit. Die Regierungsvorlage wollte den im Heimatsdienst beschäftigten Beamten und Heeresangehörigen die Kriegs⸗ dienstzeit zum anderthalbfachen Betrage anrechnen. — Der Ausschuß für soziale Angelegenheiten hat die Vorlage selbst abgelehnt und schlägt eine Resolution vor, die die Reichs⸗ regierung ersucht, bei der bevorstehenden Neuregelung der Invaliden⸗ und Ange⸗ stelltenversicherung eine ähnliche Berück⸗ sichtigung der in Front⸗ und Heimatdienst verbrachten Kriegszeit der Angestellten und Arbeiter, wie sie für die Beamten gesetzlich festgelegt ist, vorzusehen und zusammen mit dem Entwurf eines derartigen Gesetzes für die Beamten dem Reichstag vorzulegen.
Auf Vorschlag des Vizepräsidenten Dr. Bell wird nun⸗ mehr der Gegenstand dem Hauptausschuß zur nochmaligen Be⸗ ratung überwiesen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Mächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr (Gesetzentwurf über vorläufige Zahlungen auf die Körperschaftssteuer; Rechnungs⸗ sachen; zweite Lesung des Gesetzentwurfs über Kontrolle der Kriegsrechnungen; Berichte des Ausschusses für soziale An⸗
„gelegenheiten über das Wahlrecht der Frauen zu den Kauf⸗ manns⸗ und Gewerbegerichten; Berichte des Ausschusses für Bevölkerungspolitik, u. a. über gesetzliche Bekämpfung de Trunksucht). Schluß 534 Uhr. 8 6 2
Handel und Gewerbe.
Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 23. Februar 1921 betrugen (in Klammern + und — im Vergleich mit der Vorwoche) 1921
die Aktiva: ℳ Metallbestand*) 1 099 109 000 252 000)
darunter Gold 1 091 620 000 1 090 995 000 889 1 8 000) (+ 142 000) Reichs⸗ u. Darlehns⸗
kassenscheine 21 815 132 000 12 325 976 000 (s— 1484575000) (+ 245 804 000) Noten and. Banken
Wechsel, Schecks n. diskontierte Reichs⸗
schatzanweisungen.
1920
ℳ 1 114 596 000 (+ 1 999 000)
50 999 874 000 (+ 245 042 000) (+ 24 105 000) 27 004 000% 10 812 000 (+ 14 326 000 (— 3 217 000) . 184 276 000 251 948 000 (+ 9 506 000) (+ 56 876 000) (— 6 383 000) 9 030 117 000 3 309 781 000 2 448 935 000
37 912 438 000 24 999 3 — 175920: 9 225 009
Lombardforderungen 2 52
Effekten 1. sonstige Aktiven.
die Passiva: Grundkapital..
Reservefonds.
180 000 000 (unverändert) 94 828 000
180 000 000 (unverändert) 99 496 000
180 000 000 (unverändert)
104 258 000 (unverändert) (unverändert) (unverändert) 65 519 877 000 39 520 197 000 23 747 102 000 (s— 413 927 000) (+ 741 534 000) (— 13 594 000)
13 729 893 000 11 840 001 000 9 893 828 000
(ß— 1112647000, (— 115 622 000) (s— 2100854000)
. 3 623 544 000 3 290 062 000 1 663 484 000 (+ 379 000) (+. 414 456 000) (— 37 020 000
*) Bestand an kursfähigem deutschen Gelde und an Gold in Varren oder ausländischen Münzen, das Kilogramm fein zu 2784 ℳ berechnet.
umlaufende Noten.
sonstige tägl. fällige Veebindlichkelten. .
sonstige Passiva.
— Zur Verkehrslage im Rubrrevier teilt „W. T. B.“
aus Essen mit: Der Eisenbahnbetrieb hat sich im Ruhrkohlenbezirk
in der vergangenen Woche im allgemeinen gut abgewickelt, so daß die Verhältnisse am Schlusse der Woche als normal bezeichnet werden konnten. Die hohe Umlaufszeit der Wagen, mit denen die vom Rhein auf die Eisenbahn übergegangenen Frachten befördert werden, hat aber eine geringe Wagenknappheit erzeugt, sodaß zur gleich mäßigen Verteilung der vorhandenen offenen Wagen Teil⸗ deckung angeordnet werden mußte. Die durchschnittliche Wagen⸗
gestellung war jedoch um etwa 1000 Wagen täglich besser als in der Vorwoche. Fr eschleunigte Heranführung weiterer Wagen ist gesorgt. Für Kohlen, Koks und Briketts wurden in der ver⸗ gangenen Woche im arbeitstäglichen Durchschnitt 26 326 Wagen ge⸗ rechnet zu je 10 Tonnen) angefordert. Gestellt wurden aber durch⸗ schnittlich 22 501 Wagen (Höchstgestellung am 22. Februar 23 823).
In dem gleichen Zeitraum des Vorjahres betrug die durchschnittliche
Wagengestellung 17 287. Die Brennstofflagerbestände haben keine wesentliche Aenderung erfahren. Sie betrugen am 26. Februar 972 800 Tonuen. Der Wasserstand des Rheins geht anhaltend weiter
zurück. Der Wasserspiegel des Bodensees ist im Februar sogar um
0,20 Meter gefallen. Wann eine Besserung in diesen Ver⸗ hältnissen eintreten wird, ist noch nicht abzusehen. Infolgedessen sind weitere erhebliche Einschränkungen in der Abladung erforderlich.
Die Anzahl der Kähne, welche auf der Fahrt nach dem Obarrhein zur Leichterung gezwungen sind, hat erheblich zugenommen. srsaß 8 Kahnraum und Schleppkähne täglich knapper werden. Die Rück⸗ wirkung dieser Verhältnisse zeig. sich auch in der Umschlagsleistung in den Duisburg⸗Rubhrorter Häfen, die von 33 131 Tonnen auf 28 573 Tonnen arbeitstäglich zurückging. Die Kohlenknappheit macht
sich neuerdings auch im Kanalverkehr bemerkbar, da ein Teil der Kähne im Rheinverkebr mitverwendet werden mußte. Der Umschlag in den Zechenhäfen der Kanäle bezifferte sich auf 30 558 Tonnen
(32 270 b 7 — Zur letzten Herbstmesse waren laut Meldung des
„W. T. B.“ xund 15 85 Ausländer als Einkzufer in Lei 1ng er⸗
schienen. Nach denMeldungen der ehrenamtlichen Vertreter bcn Meß⸗-
1“ h
(àC—311 142 000).713 745 000)1361 860 000o)]