1921 / 61 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Mar 1921 18:00:01 GMT) scan diff

sichten auf die Zukunft, aber keine festen Papiere über bestimmte Zahlungen, so daß sie ein Bankier lombardieren und diskontieren könnte. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Das wäre erst möglich gewesen, wenn wir uns über eine Anleihe ver⸗ ständigt hätten, für die Deutschland dann die Garantie über⸗ nommen hätte. Das wäre erst möglich gewesen, wenn Deutschland mit den Geldgebern selbst hätte verhandeln können, sei es nun, daß Deutschland diese Anleihe allein übernehme, oder daß die Welt zu der Ueberzeugng gelangte, daß das ungeheure Finanz⸗ problem der Reparation überhaupt nicht von einer einzigen Nation gelöst werden kann. (Erneute Zustimmung bei den Deut⸗ schen Demokraten.)

Nach dem Scheitern dieser verschiedenen Versuche kamen wir dann auf das Provisorium zurück. Die Vorgeschichte des Provi⸗ soriums ist Ihnen bekannt. Es war ein Gedanke der Brüsseler Sachverständigen, ein Gedanke, den die französische Regierung durch ihren hiesigen Vertreter offiziell aufnahm, und den die eng⸗ lische Regierung offiziell durch ihren hiesigen Geschäftsträger unterstützte. (Lebhafte Rufe: Hört, hört!) Wenn Herr Lloyd George jetzt sagt: Kein Staatsmann oder, wie es in dem endgültigen Protokoll heißt, keine Konferenz von Staatsmännern in irgend⸗ einem der alliierten Länder hätte das für möglich gehalten, so widerspricht das der offiziellen Haltung der französischen und der englischen Regierung gegenüber der deutschen Regierung. (Leb⸗ hafte Rufe: Hört, hört! rechts, im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und Sozialdemokraten.) Wir konnten infolgedessen nicht annehmen, daß das Provisorium mit den Gründen ab⸗ gelehut werden würde, mit denen Lloyd George es schließlich ver⸗ worfen hat.

Dieses Provisorium ist durch die Pariser Beschlüsse zerschlagen worden; ich habe sowohl im Reichstag wie auch später in Süd⸗ deutschland gesagt: Wir können nach den Pariser Forderungen nicht ohne weiteres zu dem Provisorium zurückkommen. Jetzt müssen zuerst einmal unsere Gegenvorschläge gemacht werden. Die sind gemacht worden. Die Voraussetzung ist eingetreten, und jetzt war die Möglichkeit für ein Kompromiß auf der Basis des Provisoriums, das die beiden Stellungnahmen miteinander zu vereinigen suchte, wieder gegeben. 1b

Wir haben den Gegenvorschlag eines Provisoriums zunächst auf unsere eigenen endgültigen Gegenvorschläge abgestimmt. Da waren ja die ersten fünf Jahre als Schonzeit ausgebildet, und wir hatten da im ganzen 8 Milliarden Gold im Wege der Anleihe direkt und 5 Milliarden Gold im Wege einjähriger Annuitäten von je 1 Milliarden zugesagt. Das war aber für die Gegner nicht genug. Wir haben denn auch die Brüsseler Vorschläge in Betracht gezogen. Die Brüsseler Vorschläge kommen im Grunde auf das⸗ selbe hinaus. Sie sagen, daß Deutschland 5 Jahre lang je 3 Mil⸗ liarden Goldmark zahlen soll. Das ist natürlich ganz ausge⸗ schlossen, daß Deutschland in den ersten 5 Jahren je 3 Milliarden Goldmark aus dem eigenen Vermögen zahlt. Wenn es überhaupt jemals in die Lage kommen sollte, 3 Milliarden Goldmark aus seinen Exportüberschüssen herauszuwirtschaften, wird das ganz sicher in keinem der ersten 5 Jahre sein. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) t

Also auch diesen Vorschlag konnten und durften wir nur in der Weise machen, daß wir ihn mit der Anleihe verbanden. Mit der Anleihe wären wir fast ganz auf denselben Boden ge⸗ kommen, wie mit unseren eigenen ersten Vorschlägen, wenn man sie nur für die ersten 5 Jahre betrachtet. Aber auch das war bei den Gegnern nicht durchzusetzen. Sie waren doch nicht dahin zu bringen, den variablen Faktor für die ersten 5 Jahre auszuschalten. Wir haben es deswegen zuletzt für unsere Pflicht gehalten, auch noch diesen letzten Versuch zu machen, uns mit den Gegnern auf einen Verständigungsboden zu begeben, und haben infolgedessen die Pariser Basis für die ersten 5 Jahre grundsätzlich akzeptiert. Das heißt folgendes: Die Pariser Basis ist geringer in den festen Annuitäten als die Brüsseler Vorschläge. Sie hat nicht fünfmal 3 Milliarden Goldmark, sondern zweimal 2 Milliarden und dreimal 3 Milliarden Goldmark, also an Stelle von 15 Milliarden nur 13 Milliarden. Daneben aber wollten die Gegner die 12 prozentige Ausfuhrabgabe, und auf diese konnten wir uns nicht einlassen. Wir haben aber angeboten, ein Aequivalent dafür zu finden. (Hört, hört!) Damit waren wir in eine Unsicherheit gekommen; denn das Aequivalent war nicht sicher abschätzbar, und darin lag eine Gefahr.

Es lag aber noch eine andere Gefahr vor, und das war die Gefahr der Anleihe. Die Anleihe war von uns ursprünglich so gedacht worden, daß sie ein „sine qua non“ unserer Gegenvor⸗ schläge war. Die Alliierten hatten aber keinen Zweifel darüber gelassen und das geht schon aus der ersten Rede von Lloyd George hervor —, daß sie unter keinen Umständen gewillt waren, das Risiko dieser Anleihe zu übernehmen. Infolgedessen fragte es sich für uns, ob wir dieses Risiko übernehmen konnten, d. h. ob wir für den Fall, daß nicht die vollen 8 Milliarden Goldmark zu er⸗ zielen sein würden, wir dann die Differenz noch innerhalb der ersten 5 Jahre abführen wollten; auch ein schweres Risiko, ein Rsiko, vor dem wohl Sorge, bange Sorge die Brust der Delegierten beschleichen konnte. Nach sehr reiflichen Erwägungen, bei denen unsere finanztechnischen Sachverständigen ausführlich gehört wurden und sich für die Gestaltung dieses letzten Gegenangebots aussprachen, haben wir uns zu diesem Gegenangebot entschlossen.

Es war aber inzwischen von der deutschen Regierung uns mit⸗ geteilt worden, daß die deutsche Regierung ganz neue Gegenvor⸗ schläge vorbereite und Vorbereitungen für nötig hielte. Wir hatten infolgedessen den Auftrag, für diese neuen Gegenvorschläge eine Vertagung auf der Konferenz zu beantragen und gleichzeitig in unseren letzten Gegenvorschlägen das Risiko der Anleihen nicht zu

übernehmen. Die Weisungen, die wir unmittelbar vor Abschluß

von Berlin bekamen, setzten eine Situation voraus, die nicht mehr bestand, nämlich die Situation, als vätten sich die Alliierten über die Uebernahme des Risikos noch nicht ablehnend geäußert. Wir haben infolgedessen die Weisung der Regierung in diesem Punkte

nicht einhalten können, und ich habe die schwere Verantwortung

auf mich genommen, über die Weisung der Regierung in diesem Punkte hinauszugehen. (Hört! Hört!) Ich gestehe das offen ein, ich habe das auch der Regierung gegenüber eingestanden, ich habe auseinandergesetzt, daß dieses Hinausgehen taktisch unbedingt ge⸗ boten war, wenn man überhaupt einen positiven Vorschlag und

nicht bloß die Bitte um Vertagung an die Gegner bringen wollte.

Ich habe außerdem auseinandergesetzt, daß die vermutlichen finan⸗ ziellen Unterschiede zwischen den beiden Weisunen zwar vorhanden,

aber nicht so stark waren, wie dies vielleicht erscheinen konnte,

wenn man die Wirkung der Anleihe nicht mit in Rechnung zog. Die Regierung hat mir für diese Ueberschreitung meiner Wei⸗ sungen ihre Zustimmung gegeben, und infolgedessen bin ich er⸗ mächtigt, vor dem Reichstag zu erklären, daß die Regierung dieses Verhalten der Delegation vor der Londoner Konferenz gebilligt hat.

Ich komme nun auf die Frage: wie hat sich die Gegenseite zu diesem unserem letzten, sehr schwer von unserem Herzen gerissenen Vorschlag gestellt? Der Vorschlag ist wiederum nur als ein Ver⸗ spotten und Hintergehen des Friedensvertrages erklärt worden. (Hört, hört! rechts, im Zentrum und bei den Deutschen Demo⸗ kraten.) Es ist mir vollkommen unverständlich, wie man das sagen konnte, nachdem uns im Januar von der Gegenseite solche Vorschläge selbst gemacht worden waren. (Sehr richtig!) Es ist uns vorgeworfen worden, daß wir bei diesem letzten Vorschlag keine Minimalverpflichtung auch für die übrigen 25 Jahre übernommen hatten. Ja, dann wäre es eben kein Provisorium gewesen. (Sehr richtig; im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Wir hatten festgestellt, daß man über das Minimum der letzten 25 Jahre noch nicht einig werden konnte, weil die Gegenseite zum mindesten unsere Leistungsfähigkeit nicht richtig einschätzte, wobei ich dahingestellt sein lasse, ob in Deutschland schon das Bedürfnis unserer Gegner richtig eingeschätzt ist. Denn das muß ich hier doch sagen: wenn man in London mit den Gegnern Auge in Auge verkehrt, wenn man hört, wie es bei ihnen aussieht, unter was

für Nöten und Sorgen sie selber leiden, dann wird einem doch

klar, daß ihre Forderungen nicht bloß vom Siegestaumel oder den

Machtgelüsten eingegeben sind, sondern im Gegenteil das Ergebnis

außerordentlich schwerwiegender Sorgen und Nöte in ihren eigenen Ländern sind. (Sehr wahr! links.) Es muß das erkannt werden, meine Damen und Herren, wir kommen sonst niemals aus den ewigen Sanktionen und aus den ewigen Mißverständnissen heraus. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Gegenüber dieser allgemeinen Anklage, daß wir unsere Ver⸗ antwortlichkeit nicht erkannten, daß wir keine Sicherheit für die Zukunft geben, hat nun aber Herr Aoyd George einen Einwand gemacht, der mich wirklich überrascht hat. Er hat gesagt: Dadurch, das wir dieses Provisorium mit der Anleihe versucht hätten, hätten wir ja unsere Zukunft bereits belastet. Ja, das ist gewiß eine Sorge, die wir uns wohl machen konnten, ob wir dann späterhin noch die Möglichkeit hatten, unsere Zinsen und unsere Amortifation für die Anleihe zu zahlen und doch den weiteren Forderungen der Entente entgegenzusehen. Daß aber Gegner, die von uns nach kurzer Schonzeit 31 Jahre lang 6 Milliarden Goldmark jährlich verlangen, darüber entsetzt sind, daß wir nun bloß die Zinsen von 8 Milliarden während der späteren Jahre zahlen müßten, das kann ich nicht verstehen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demo⸗ kraten, im Zentrum und rechts.) Das kann von ihrem Stand⸗ punkte aus keine so schwere Belastung unserer Zukunft sein.

Dann ist uns noch entgegengehalten worden, das wäre gar kein Vorschlag für fünf Jahre, sondern nur ein Vorschlag für fünf Wochen, weil wir nämlich auch hier Oberschlesien und sein Verbleiben beim Reich zur Voraussetzung für unsere Zusage ge⸗ macht haben. Ja, woran lag es denn, daß das nur eine Zusage für fünf Wochen war? Doch nicht an uns, die wir gezwungen wurden, diese Vorschläge voreilig zu machen, sondern an denen,

die nicht die Ruhe hatten, auch nur eine Woche Fhempagccer. b.

wir neue Gegenvorschläge machten lsehr richtig! bei den Deutschen Demokraten, im Zentrum und rechts), und nicht die Ruhe hatten,

erst abzuwarten, wie sich die Lage in Oberschlesien gestaltet, bevor

sie über unsere Gegenvorschläge mit uns einig wurden. Auch dies halte ich also für keinen berechtigten Vorwurf. 1 Das Letzte, was die Antwort Lloyd Georges enthielt, war die Ankündigung der Zwangsmaßnahmen, dieser Zwangsmaßnahmen, gegen die ich im voraus in meiner zweiten Rede alles an Gründen ins Feld geführt hatte, was nur zu Gebote stand, dieser Zwangs⸗ maßnahmen, die meines Erachtens auch nicht die Spur von Rechts⸗ begründung haben, nach keiner Richtung. (Lebhafte Zustimmung bei den Deutschen Demokraten, im Zentrum und rechts.) Meine Damen und Herren! Ich habe mir damals gleich, als sie angekündigt wurden, in London ein Rechtsgutachten erstatten lassen, das die sogenannten Sanktionen unter die Lupe nahm. Der wesentliche Inhalt dieses Rechtsgutachtens ist enthalten in den Ausführungen meiner zweiten Rede, die Sie in dem Weißbuch wiedergegeben finden. Darüber hinaus habe ich veranlaßt, daß ein erweitertes Rechtsgutachten von der Rechtsabteilung meines Amtes hergestellt wird, das teilweise unseren Missionen mitgeteilt werden soll, das aber nach seiner Vervollständigung auch dem Reichstag wird vorgelegt werden können. Die Hauptgrundgedanken, die uns geleitet haben, finden Sie aber, wie gesagt, bereits in dem Weiß⸗ buch. Ich kann sie ganz kurz wiederholen. Sanktionen, die sich auf eine Besetzung weiteren deutschen Gebietes beziehen, gibt es überhaupt nicht; solche sind im ganzen Friedensvertrag nicht enthalten. (Zustimmung bei den Deutschen Demokraten, im Zentrum und rechts.) Es gibt nur wirtschaftliche Repressalien, wirtschaftliche Sanktionen in der Reparationsfrage im § 18 des Annexes 2 zu Art. 232, und es gibt bestimmte Ver⸗ längerungen oder Erneuerungen der Okkupation der schon bisher besetzten Gebiete, wenn wir die Verpflichtungen nicht erfüllen, die

wir mit der Reparation auf uns genommen haben, oder wenn

wir die Gegner mit einem neuen Angriffskrieg bedrohen. Keine von diesen Voraussetzungen liegt vor. Für keine der Sanktionen, die uns angedroht werden, besteht deswegen eine rechtliche Unter⸗ lage. Ich wiederhole hier den Protest, den ich in London erhoben habe, vor der deutschen Oeffentlichkeit und vor der Welt und stelle fest, daß von den Juristen, die nach Zeitungsmitteilungen in Lon⸗

don die Konferenz unserer Gegner gehört haben soll, auch nicht

ein einziger eine Entkräftung unserer Darlegungen versucht zu haben scheint. (Lebhafte Rufe: Hört, hört!) Mich wundert das

um so mehr, als unter diesen Juristen, die den gegnerischen Dele⸗

gationen beigegeben worden waren, sich Männer befinden, deren Namen, wie mir als internationalem Juristen von früher her be⸗ kannt ist, guten Klang haben und die ich mit hoher Achtung zu nennen gewohnt war. (Hört, hört! bei den Deutschen Demokraten.)

Wie ist nun gegenüber diesen Sanktionen die Haltung, die die Regierung künftig einzunehmen hat? Darüber hat die Regierung in der letzten Kabinettssitzung eingehend verhandelt, und sie ist sich über das weitere Vorgehen einig geworden. Das Nächste liegt ja eigentlich darin, daß man dem Zorn, der einen bei so rechts⸗ widrigen Gewalttaten überkommen muß, freien Lauf läßt. Denn

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Staates und Volkes als die rechtswidrige Besetzung seines riums. (Lebhafte Zustimmung.) Man bönnte infolgedessen denken, die Beziehungen zu denen, die uns solches antun, chg brechen. Aber so ist die Lage nicht; denn noch berufen sich e auch ohne nähere Begründung, die Gegner auf den Vertrag, behaupten sie, mit Rechtsmaßregeln gegen uns vorzugehen, ven sie auch keine Spur von Grund dafür angeführt haben. g ist auch unsere Lage in der Welt nicht so, daß wir glauben lünnts sie durch einen Abbruch der Beziehungen irgendwie zu verbessn (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer sich in der umsieht und man kann sich jetzt von London aus in der Welt bes umsehen als von Berlin aus (sehr richtig! bei den eaja demokraten), der sieht, wie allgemein noch in der Welt die Mei vorhanden ist: Deutschland ist im Unrecht, und Deutschland 1 nicht genug getan, um das Unrecht gut zu machen, auch seine lee Angebote sind nicht groß genug. Wenn wir jetzt zu harten 8 scharfen Maßregeln übergehen würden, würde man darin nur eie Bestätigung dieser ungünstigen Meinung finden, und wir würde alles an günstiger Meinung verlieren, die wir so dringend brnuche um aus unserer schweren Not herauszukommen. (Lebhafte 8 stimmung links.)

Wir könnten ein anderes tun. Wir könnten sagen: die gegre haben den Friedensvertrag zerrissen, und er gilt auch für unz n) mehr. Nein, meine Damen und Herren, auch das wäre ein fel Schritt. (Sehr gut! links.) Es ist nicht recht, daß wir unz, ven unser Vertragsgegner den Vertrag nicht erfüllt, von dem Pe losreißen. Man soll nicht immer Böses mit Bösem verg (Lachen rechts. Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten) Ne im Vertragsverhältnis soll man das nicht. Im Vertragsverhälbeg soll man den Gegner dazu anhalten, daß er seine Pflichten eril und soll seine Pflichten weiter erfüllen. Für die deutsche Regiermg gilt nach wie vor das Programm: Erfüllung des Friedensvertege von Versailles in den Grenzen des Möglichen, aber nicht mag⸗ (Lebhafte Zustimmung.)

Können wir nun auf Grund der gegenwärtigen Sachloge i weitere Verhandlungen mit den Gegnern eintreten? In Lorvn hat die Presse berichtet, ich hätte zu ihren Vertretern gesagt ih wäre überzeugt, bald zu diesem Zwecke nach London Furütäe⸗ kommen. Das ist nicht wahr; ich habe derartiges nicht gsagt Was ich gesagt habe, steht in dem Wortlaut meiner letzten Rede vor der Konferenz von London. In dieser Rede habe ich herten⸗ gehoben, in welchen Punkten wir bereits mit Lloyd George zu de Möglichkeit einer Verständigung gekommen waren. Igh hebe

Verhandlung sich hätte anbahnen lassen, daß aber leider durch de Sanktionen, wenn solche Verhandlungen künftig stattfinden sollen die Atmosphäre sehr wenig günstig geworden wäre. (Sehr richti bei den Deutschen Demokraten.) Das ist die Haltung, die ih en⸗ nehmen mußte, wenn ich nicht der deutschen Regierung und den deutschen Volke den Weg zu einer späteren Verständigung verbaue wollte. Das habe ich nicht getan. Ich habe aber keineswegs dant das deutsche Volk und die deutsche Regierung nunmehr daraufftn festgelegt, daß sie jetzt unmittelbar in Verhandlungen einnere müssen. Nach der Ueberzeugung der Regierung müssen wir freilt alles tun, was wir tun können, um neue Mittel und Kege ge finden, die einen Gegenvorschlag auf anderer Basis ermöglihg.

Da sind Beratungen, da sind Erwägungen nötig, die wir albbed

mit Sachverständigen anstellen können. Aber, meine Damen ungh Herren, in dem Moment, wo man uns eine solche Ohrfeige git gleich die Hand hinzustrecken und zu sagen: wir wollen witder Freunde sein, das ist mehr, als man jetzt von uns verlanga kann. (Lebhafte Zustimmung.) Das geht auch aus einem andern Grunde nicht. Wenn Lloyd George gesagt hat, daß jede neue Ler⸗ handlung nur eine Verhandlung für fünf Wochen wäre, solange se auf Oberschlesien abgestellt wird, dann können wir nicht weiter ber⸗ handeln, ehe die oberschlesische Frage geklärt ist; erst nach dies Klärung kann eine neue Verhandlung eintreten. Wenn wir in diese neuen Verhandlungen eintreten, dann möchte ich doch dartuj hinweisen, daß die Basis für eine Verhandlung durch die San⸗ tionen selbst ganz außerordentlich verändert worden ist. Sest richtig! bei den Regierungsparteien und rechts.) Sie ist psychobvgst verändert, und sie ist ökonomisch verändert. (Erneute Zustimmung

Psychologisch ist sie verändert! Meine Damen und Herral Wir sind nach London gekommen, wahrlich mit dem besten Pille zu einer Verständigung zu gelangen, und mit dem besten Willen uns für das hohe Gut der Verständigung außerordentliche Cyse aufzuerlegen. (Bravol links und bei den Deutschen Demoltaten Aber ein Volk, dem man das antut, was uns jetzt die Gegner nit den Sanktionen antun, findet nicht gleich die Stimmung wieͤr mit der wir nach London gegangen sind. (Lebhafte Rufe: Eet richtig! und Bravo!) 1G

Und nun die ökonomische Lage! der Sanktionen nicht unterschätzen. (Zustimmung.) Das wird bald merken, wie schwer es unter ihnen zu leiden hat set richtig! bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum), und darlbe hinaus wird auch ganz Deutschland merken, wie es darunter nn leiden hat. Was geschieht denn? Es wird in dem groen niha rheinischen Industriebezirk Werk von Werk, Erzeugungsstätte da Erzeugungsstätte auseinandergerissen, und darüber hinaus we der Warenverkehr zwischen einem so regsamen Industrie, 1 Wirtschaftsgebiet wie dem Rheinlande und dem ganzen itrnh Deutschland unter die allerschwersten Hemmnisse gestellt 9 Einfuhr⸗ wie Ausfuhrkontxrolle, durch Einfuhr⸗ wie naenke gabe. Daß das für die Gesamtheit unserer Wirtschaft und 1 sonders für den wirtschaftlichen Wert unserer rheinischen ge tion von den verhängnisvollsten Wirkungen sein muß das 1

Dazu kommt dann die eigentümliche Idee von Aoyd 82 über die wir an sich wohl hätten verhandeln können, um 92 eine Sanktion zu vermeiden, die uns jetzt aber als Sanktion 5 gesetzt wird, die Idee, als ob die Alliterten sich große Schäte 6 durch sammeln könnten, daß sie von dem Kaufpreise deuf Ausfuhrgüter einen erheblichen Teil beschlagnahmen 8 eigenen Staatsschatz auf Kosten des Reparationstontos absi 7 (Rufe rechts: Unerhört!), wobei dann Deutschland xcöes. bleibt, aus seinen eigenen Papierdruckmaschinen den 12gg herauszuholen, der dem Verkäufer gezahlt werden soll. G

Rufe: Hört! hört!)

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es gibt kaum eine schwerere Attacke auf die Hoheitsrechte eines

davon gesprochen, daß auf Grund dieser Möglichkeiten eine mie⸗

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Nr. 61. —x erlin. Montag, den 14. März

(Sorisetzung aus der Ersten Beilag.)

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Meine Damen und Herren! Dieses Vorgehen der Alliierten balte ich für einen der schwersten und verhängnisvollsten Fehler, den man im Interesse des Wiederaufbaues der europäischen Wirt⸗ shaft überhaupt begehen konnte (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten), einen großen Fehler auch für die Alliierten; denn sie werden den ganzen Warenhandel, den sie doch einmal mit Deutsch⸗ land haben müssen, auf die Schieberwege stoßen, sie werden überall wieder Spionage einführen müssen, und alles, was wir tun müßten, um die Wirtschaft zu beleben, nämlich Befreiung von den bemmnissen, Befreiung von Spionage und Schieberei, das wird ins Gegenteil umgedreht. (Lebhafte Zustimmung.) Sie werden die große Aufgabe der Retablierung der internationalen valuta⸗ nischen Verhältnisse, die nicht ohne Stabilisierung der deutschen Valuta gelöst werden kann, hoffungslos dadurch erschweren, daß sie uns eine ganz unübersehbare neue Inflation unserer Papier⸗ valuta zumuten. Man kann im voraus niemals wissen, wie sich

der Export nach den alliierten Ländern in den nächsten Jahren gestalten wird. Kein Finanzmann kann in das nächste Budget

mit irgendwelcher Sicherheit den Bedarf hineinstellen, der für die Entschädigung der deutschen Verkäufer nötig wäre. Also bei solchen scweren Folgen werden wir unsere Angebote für London nicht wiederholen können (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten), sondern wir werden nach neuen suchen müssen, wenn sie von uns erwartet werden (erneute Zustimmung und Zurufe), selbstver⸗ ständlich auf Grund der verschlechterten Basis!

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen Vergleich! Mir lommt es vor, als wenn die Alliierten die deutsche Wirtschaft wie eine Uhr behandeln, die ihnen nicht schnell genug geht. Sie wollen, daß sie schneller gehen soll. Statt daß sie sie von den Hindernissen befreien, die sich in das Gehwerk eingeschlichen haben, den Staub beseitigen, das Werk schmieren, damit es besser läuft, nehmen sie wichtige Räder heraus und wollen dann, daß die Uhr besser und schneller laufen soll. Das ist doch nicht die richtige Laktik. (Sehr richtig!) Sie wird sich meiner Ansicht nach sehr bald als das herausstellen, was sie ist: als eine finanzpolitische Utopie und als ein wirtschaftlicher Widersinn. (Lebhafte Zustimmung.) Nun, meine Damen und Herren, ist aber noch eine Frage, die ich nicht unbesprochen lassen kann, es ist die Frage, die Lloyd George in das Zentrum seiner ganzen Ausführungen gestellt hat: die Frage der Verantwortlichkeit, die Schuldfrage. Wer von uns Unerfüll⸗ bares fordert und sagt: ich tue das deswegen, weil du ganz allein sirr alles das verantwortlich bist, was wir erleiden, und weil du deshalb allein dich plagen mußt, damit diese Leiden aus der Welt

geschafft werden, der zwingt uns geradezu dazu, nachzuweisen, daß

diese Voraussetzung falsch ist. (Lebhafte Zustimmung.)

Wir haben zwar in Versailles unterschrieben, daß Deutschland die einzige Ursache am Kriege ist. Aber es ist nicht so, und es sitzt kein Mann und keine Frau in diesem Saale, die glauben, daß Deutschland die einzige Ursache dieses Krieges ist. (Sehr richtig!) Ueber die Beteiligung Deutschlands läßt sich streiten. Ich bin weit

davon entfernt, zu behaupten, wir wären schuldlos, wir hätten

keine Ursache gegeben. Aber daß es unrichtig ist, Deutschland alein schuldig zu machen, allein verantwortlich zu machen, als einzige Ursache hinzustellen, das muß die Welt allmählich einmal lernen, und es ist unsere Pflicht, alles zu tun, damit diese Frage gellärt wird. (Lebhafte Zustimmung.) Das werden wir alle zu⸗ semmen tun müssen, und zwar leidenschaftslos und mit voller Liebe zur Wahrheit. Wenn wir dabei verschiedene Wege gehen, so schadet das nicht. Mag jeder dazu sein Teil beitragen! Die end⸗ güllige Wahrheit muß sich doch finden. Und wenn Lloyd George

on mich die Pilatus⸗Frage gerichtet hat: Wann beginnt die Ge⸗

schichte? so ist die Geschichte immer am Arbeiten, und ich ver⸗ traue ihr, daß sie die Wahrheit endlich zum Siege bringen wird. (eebhafte Zustimmung und Beifall.) b 1 Meine Damen und Herren! Als Führer der deutschen Dele⸗ bation erwarte ich nicht von Ihnen und verlange ich nicht von Ihnen, daß Sie jeden Schritt der Delegation, der in London ge⸗ schehen ist, billigen werden. Ganz im Gegenteil: darüber wird jeder von Ihnen seine eigene Meinung haben. Aber für eins bedarf ich selbst und bedarf ich auch im Namen der Regierung, die sich an meine Seite gestellt hat, einer ausdrücklichen und klaren Erllärung dieses hohen Hauses, daß Sie den endgültigen Ent⸗ schluß der deutschen Delegation, nämlich die Ablehnung unserer Lorschläge durch die Alliierten, die Ablehnung der alliierten For⸗ ervungen durch uns eher hinzunehmen, als uns unter unerfüll⸗ bare gegnerische Forderungen zu beugen, durch Ihre Billigung und Ihre Zustimmung decken. (Bravo!) Sonst ist es allerdings schtiger, daß Sie sich jemand anders suchen, der künftig Ihre verhandlungen mit der Gegenseite führt. Zu solchen Verhand⸗ lungen wird es ja einmal kommen müssen, und dann dürfen diese verhandlungen nur von einer Regierung und nur von einem luzenminister geführt werden, der nach dieser Richtung hin Ihr bertranen hat. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen im Hause und auf den Trihünen.) ehr Präsident Löbe: Die Tribünen dürfen sich an Kund⸗ zebungen des Hauses nicht beteiligen.

Abg. Trimborn (Zentr.): m Namen der Fraktionen atistentrums, der Deutschen Den rte⸗, der Deutschen Demo⸗ 8 een Partei und der Bayerischen Volkspartei sowie des iherische Bauernbundes und der Deutschhannoveraner habe ich g- Erklärung abzugeben: Die von unseren Gegnern nne müPgris aufgestellten Forderungen sind für uns 11 rfülber und daher unannehmbar. Das deutsche Volk ma entschlossen, seine ganze Kraft anzuwenden, um vertrags⸗ hig übernommene Forderungen innerhalb des Rahmens seiner ende nesähe keit zu erfüllen; weder die heutige, noch irgendeine velce gäthe Regierung kann aber Verpflichtungen übernehmen, ür kaütese istungsfähigkeit übersteigen. Sie muß dies ablehnen üchscht egenwart und sie muß es ablehnen mit icht anf die Sorge für künftige Geschlechter. Wir stellen

holt b

st daß die deutsche Regierung schon seit Herbst 1919 sich wierer⸗

verantwortlichen Regierung sein muß.

ereit erklärt hat, durch praktische Mitwirkung den Wieder⸗ ben der Weltkriege verwüsteten Provinzen 8

1 8

rdfrankreichs] Geist.

8

sicherzustellen. Diese wiederholten Anerbi sind is heute unbeachtet geblieben. Frerbeeanpen n an das Mitgefühl der Welt für die Lage der Bewohner dieser rovinzen appellieren, wenn es die deutsche Bereitwihiigkeit erneit sumücweisen ollte. Wie die Leiden des Krieges in einem durch en Krieg erstörten Gebiet geheilt werden können, hat Deutschland bei dem iederaufbau zerstörter Ortschaften in Heesn be⸗ Miüeße und würde es in Nordfrankreich esa önnen, wenn B5 Haltung Frankreichs dies nicht bisher unmöglich gemacht hätte. ie Forderung maßloser Entschädigungssummen hindert die Feüb⸗ ührung eines endgültigen Friedenszustandes, den nicht nur eeutschland, sondern die ganze Welt braucht, wenn nicht Welt⸗ wirtschaft und Welt inanzen völliger Ferfthpin anheimfallen sollen. Wenn Fheastessch glaubt, daß deutsche Pchul bersshcer bungen ihm die Möglichkeit Sgen würden, seine eigenen Finanzen u 1 so vergißt es dabei, daß eine deutsche Schuldverschrei⸗ ung sich nur stützen kann auf das Weltvertrauen in die deutsche Wirtschaftskraft, und daß man nicht gleichzeitig die deutsche Reiscüngsfähigteit erdrosseln und trotzdem unerhörte Verpflich⸗ tungen aus vSgL herauspressen kann. Wir billigen deshalb V durchaus, daß die deutsche Delegation unter Führung des Außen⸗ ministers Dr. Simans bei den Herhendlungen in London eine ustimmunsh zu den Pariser Beschlüssen abgelehnt und den Ab⸗ bruch der Verhandlungen hingenommen hat. Wir stellen gleich⸗ eeitig fest, daß durch den Abbruch der seitens der

Gegner die bisherigen Angebote Deutschlands hinfällig geworden nd. Die Gegner haben die Ablehnung des versuchten Diktats mit Strafmaßnahmen gegen Deuts land beantwortet, welche die Hesetung deutscher Städte, die Errichtung einer neuen Zollgrenze innerhalb des deutschen Gebiets und die Einbeziehung eines An⸗ teils des Wertes deutscher Ausfuhr in sich begreifen. Das Vor⸗ gehen der Gegner ist eine Verletzung des Versailler Friedens⸗ vertrages, eine Verletzung des Völkerechts und eine Verletzung der Völkerbundakte. Vor der ganzen Welt erheben wir feierlich Ein⸗ pruch gegen einen derartigen Rechtsbruch. Wir kennen die chweren Wirkungen dieser neuen Gewalttat gegen Deutschland, ie bringen neue seelische und materielle ot über die Zewohnr des besetzten Gebiets. Wenn die Gegner aber Wenn die Gegner aber glauben, mit diesen Maßnahmen den ent⸗ schlossenen Sinn der Bevölkerung der deutschen Rheinlande zer⸗ mürben zu können, so wird diese Hoffnung scheitern an der gerade in Zeiten der Not bewährten Treue zum deutschen Vaterlande.

sind.

Wir danken der Bevölkerung von ganzem Herzen für die Beweise

der Liebe, Treue und Anhänglichkeit, die uns die Sicherheit ge⸗ socen haben, daß sie sich in ihrem Gefühl für die deutsche Schick⸗ alsgemeinschaft durch diese Maßnahmen nicht beirren lassen werden. Schulter an Schulter wird Deutschland mit den deutschen Rheinlanden auch weiterhin alle Prüfungen bestehen, die diese schwere Zeit uns erneut auferlegen wird. Das ganze deutsche Volk wird einstehen für die Not und für die Verluste, die nsegen deutschen Brüdern und Schwestern durch die neuen Gewalttaten ugefügt werden sollten. Die in den Zeiten des Glückes ein ein⸗ hestliches Volk waren und zusammenhielten, werden sich in der Zeit der Not durch Feindesgewalt niemals von einander trennen lassen. Von dieser Ueberzeugung durchdrungen, grüßen wir in ES Stunde unsere deutschen Volksgenossen, welche die Opfer ieses Rechtsbruches der Gegner geworden sind. Wir sind über⸗ zeugt, daß die Strafmaßnahmen an ihrer Undurchführbarkeit scheitern werden. Unsere Gegner vergessen, daß die Weltwirtschaft ein Ganzes ist, und das die Weltkrisis, die im Gefolge einer vier⸗ einhalbjährigen Störung der Friedensarbeit eintrat, nur durch einen verständigen Ausgleich zwischen den großen Wirtschafts⸗ gebieten gelöst werden kann. Die Welt leidet unter der Ver⸗ nichtung der Kaufkraft großer Völker und braucht daher zu ihrer Gesundung die Stärkung der im Kriege verlorengegangenen wirt⸗ Föeelicen Kraft dieser Völker, namentlich Deutschlands, dessen Ruin alle Staaten in Mitleidenschaft ziehen würde. Nicht Deutsch⸗ in seiner ökonomischen Entwicklung ermöglicht die Erfüllung ver⸗ ständiger Entschädigungsforderungen und die Teilnahme anderer Nationen, insbesondere Frankreichs, an den Ergebnissen des deut⸗ schen Wiederaufstiegs. Dieser Gedanke ist auch von dem englischen

inisterpräsidenten Lloyd George wiederholt ausgesprochen worden. Die Forderungen der Gegner stehen aber in schroffem genla zu dieser Erkenntnis. Wir müssen im Interesse des Wiederaufbaues und des Friedens wünschen, daß eine endgültige Entscheidung über die deutsche Entschädigung gefunden wird. Für eine solche end⸗ gültige Entscheidung, wie für ein, für uns nur als allerletztes Mittel in Betracht kommendes Provisorium gilt dieselbe Voraus⸗ setzung deutscher Leistungsfähigkeit, die der Ausgangspunkt jeder Die Pariser Beschlüsse können weder für eine endgültige noch für eine vorläufige Regelung als Grundlage in Betracht kommen. Den wiederholten Versuch des englischen Ministerpräsidenten Lloyd George, das deutsche Volk mit der alleinigen Verantwortlichkeit für den Krieg zu belasten, lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab. Wir würden unser Ge⸗ wissen mit einer feigen Lüge belasten, wenn wir jemals eine der⸗ artige Beschuldigung des deutschen Volkes hinnehmen oder un⸗ widersprochen lassen würden. Der englische Ministerpräsident Lloyd George, der selbst in seiner Rede vom 22. Dezember 1920 erklärt hat, daß kein europäischer Staatsmann diesen Krieg gewollt habe, der selbst erklärt hat, daß alle Regierungen in diesen Krieg hineingeschlittert seien, setzt sich in Widerspruch zu seinen Er⸗ klärungen, wenn er versucht die moralische Verantwortung für die leidende Krisis dem deutschen Volke, als dem Urheber des Krieges, Wir wissen, daß weder das deutsche Volk noch die einen Krieg planmäßig vorbereitet oder gewollt hat, wir wissen, daß die deutsche Politik stets die Erhaltung des Weltfriedens als erstes Gebot angesehen hat. (Ruf links: Schwindel!) Wenn mangelnde Staatskunst in allen Ländern den Ausbruch einer Weltkatastrophe nicht verhindern konnte, so wird die intellektuelle Urheberschaft dieser Weltkatastrophe von einer objektiven Geschichtsschreibung nie bei einem Volke gesucht werden können, das wie kein anderes durch friedliche Arbeit den Grund⸗ senn seines Glücks und seines Wohlstandes gelegt hat und das im rieden alles, im Kriege nichts gewinnen konnte. Wenn es den Regierungen der Gegner darum zu tun ist, ein Urteil der Ge⸗ ieh über die Entstehung des Weltkrieges zu haben, so mögen sie hre Archive der ffentlichkeit zur Verfügung stellen, wie es Deutschland getan hat, und einem unparteiischen Schiedsgericht sich fügen, dessen Urteil das deutsche Volk sich getrost jederzeit unterwerfen könnte. Das deutsche Volk wird, dessen sind wir gewiß, die Kraft und Geduld aufbringen, auch die Zeiten zu überstehen, vor die uns Gewalt und Rechtsbruch erneut gestellt haben. Zu jeder ehrlichen Verständigung bereit, der Ge⸗ walt und dem Rechtsbruch aber trotzend im Bewußtsein unseres guten Gewissens, werden wir die Regierung unterstützen, von der wir nach ihrer Erklärung überzeugt sind, daß sie im Sinne der vorstehenden Gedanken die Rechte des deutschen Volkes wahren wir. (Diese Erklärung wird vom Hause sowohl am Schluß wie an vielen einzelnen Stellen mit lebhaftem Beifall begleitet, namentlich an den Stellen, die der rheinischen Bevölkerung ge⸗ widmet sind, nur einige Stellen rufen einen schwachen Widerspruch

der Linken hervor.)

Abg. Wels (Soz.): Ich muß über einige Sätze dieser Er⸗ klärung doch Bewunderung aussprechen, sie atmet unpolitischen (Sehr

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die man in England verstan

Schuld?

lands Verelendung, sondern allein die Unterstützung Deutschlands

wahr! bei den Sozialdemokraten.) Verhandlungen! d Einflüssen der Reaktionäre freimachen wir

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müssen wieder aufgenommen werden. Wir erkennen, wie unge⸗ heuer schwer es ist für die Herren der demokratischen und der Zentrumspartei, gemeinsam mit der Deutschen Volkspartei zu arbeiten. (Lachen rechts, Zustimmung links. Unruhe.) Die Art, wie der Reichskanzler über die Schuld am Kriege gesprochen hat, findet nicht unseren Beifall. Die deutsche Politik der Vorkriegs⸗ zeit, die uns diesen herrlichen Zeiten entgegengeführt hat, muß in rem ganzen ees betrachtet werden. Hätte der eichskanzler in zug auf die Schuld am Kriege Lloyd George, der erklärt hat, daß kein Staatsmann den Krieg gewollt habe, mit dessen eigenen Worten EE so wäte er der Psychologie, in 60 en hätte, nähergekommen. Bei dem nternationalen Kongreß in Genf (Ah! rechts) wurde von den rbeitern Frankreichs, Englands, Belgiens und Deutschlands ge⸗ meinsam betont, daß der tiefste Ursprung des Krieges das kapita⸗ listische System ist. (Lachen rechts.) Heute stehen wir aber nicht vor einem historischen Problem, sondern vor einer Lebensfrage Europas. Das Verderben Deutschlands zieht Europa unentrinnbar in den Abgrund hinein. (Sehr wahr!) Deutschland und Europa würden in neues Elend 1.Se werden. Wen trifft diesmal die Mit ruhigem Gewissen können wir sagen: uns nicht. (Lebhafter Beifall links; Hört, hört! rechts.) Die anderen haben

die Verhandlungen aufgehoben, ohne unsere Vorschläge zu beachten. (Es ist nicht wahr, daß das deutsche Volk sich seinen Verpflichtungen

entziehen will. Wir wollen bis zur Grenze unserer Leistungsfähig⸗ keit gehen; weshalb fällt man mit Gewalt über vnggf Wir können uns nicht wehren. Die Verantwortung für die Vernichtung des wirtschaftlichen Lebens und der Kultur, vielleicht auch unseres jungen demokratischen Staatswesens, und für die Folgen für die ganse Menschheit tragen diejenigen, die Gewalt anwenden, die egierungen der alliierten Staaten. Ich stelle fest, daß man uns eeessn gestellt hat, die nicht nur vollkommen unerfüllbar, ondern auch vollkommen unberechenbar sind, denn die 12 prozentige Fiszr auf unsere Ausfuhr für 42 Jahre ist eine vollkommen unbestimmte Größe. Ich stelle fest, daß die Gegner auf Grund des Versailler nicht berechtigt sind, uns andere Forderungen zu stellen, als solche, die wir in 31 Jahren erfüllen können, und man verpflichtet ist, uns feste Zahlen zu nennen. Wir haben die weitergehenden Forherun en der Alliierten nicht zurückgewiesen, sondern nur versucht, sie au das Maß unserer Leistungsfähigkeit 1See. Was ist die 12prozentige Abgabe? Wieviel be⸗ ägt sie und wie wird sie kapitalisiert? Auf diese Frage ist man uns eine Antwort schuldig geblieben und hat die Ver⸗ handlungen abgebrochen. Aber erst, wenn wir wissen, was diese bgabe bedeutet, können wir uns darüber klar werden, ob wir das leisten können. Im Jahre 1913 hat die Ge⸗ Gesamtsumme aller in Deutschland gegen Feuersgefahr versicherten Mobilien und Immobilien 228 Millionen Goldmark ausmacht. Da die Feuerversicherung bei uns gewissermaßen obligatorisch ist, so wäre also der genannte Betrag ersetzt worden, wenn in Deutsch⸗ land alle alle Fabriken, alle Scheunen mit dem wertvollen Inhalt verbrannt wären. Und diese Summe entspricht den von der Entente von uns geforderten festen Zahlungen, die die Entente aber noch nicht einmal für ausreichend ansieht, sondern noch durch variable Forderungen erhöht hat. Uns trifft keine Schuld am Abbruch, der unter Umständen erfolgt ist, die den ganz bestimmten Verdacht erwecken, daß es von vornherein auf den Abbruch abgesehen war. Für meine Fraktion erkläre ich: unter solchen Umständen hat die deutsche nichts erreichen können. Bedauern muß ich aber, daß die Delegation ihre Vorschläge nicht klar und bestimmt genug gemacht hat. Unser Vorschlag war ewiß von gutem Willen diktiert, aber er hat in der Welt den indruck erweckt, daß Deutschland entschlossen sei, keinen Pfennig mehr als 30 Milliarden zu zahlen und über keinen Pfennig mehr mit sich reden zu lassen. Jetzt haben wir weder Geld noch Kredit ge⸗ nug, um die Forderung der Entente befriedigen zu können. Nur die Anspannung aller wirtschaftlichen Kräfte im Dienst des Wieder⸗ Seggcc kann die Möglichkeit zur Befriedigung der Gläubiger geben. Davon hat die Delegation wohl gesprochen, sie hat wohl Arbeit und Sachleistungen angeboten, Ihe n hat keinen Plan vor⸗ gelegt, wie diese geschehen sollen. Wir haben immer Fesorden daß der Wiederaufbau Nordfrankreichs zum Kernstück er Wiedergutmachung vee werden muß, und wir sind er⸗ freut darüber, daß sowohl der Außenminister wie auch die bürger⸗ lichen Parteien sich heute auf diesen Standpunkt gestellt haben Aber von bürgerlicher Seite ist diese unsere Forderung niemals unterstützt worden, und auf eine direkte Frage in dieser Ange⸗ legenheit bei früherer Gelegenheit an den Außenminister ist eine Antwort nicht erfolgt. Die Londoner Konferenz ist nur der vor⸗ läufige Abschluß einer Politik, bei der ich weiß nicht unter welchen Einflüssen die Wiedergutmachungsfrage als eine reine Sre Frage behandelt wurde. Wir erheben keinerlei vorwürfe gegen die Delegation wegen des Angebots eines Pr visoriums, wir sind aber der Meinung, daß durch die rein finan⸗ zielle Behandlung in der Frage des Wiederaufbaus dieses Pro⸗ blem in der öffentlichen Diskussion über die Reparationen ganz in den seintergrunn gedrängt worden ist. Es genügt nicht, daß man dieses Problem nur durch propagandistische Mittel behandelt sondern es muß ein sofort in Angriff zu nehmender Wiederaufba vorgeschlagen werden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ein solcher Plan hätte nicht apgelehnt werden können, wäre vor allem von den französischen Arbeitern nicht abgelehnt worden und hätte in erster Linie den Bewohnern der zerstörten Gebiete den besten Beweis für unseren immer angezweifelten guten Willen zur Wiedergutmachung gezeigt. Statt dessen ist der Gedanke des Wiederaufbaus immer nebensächlich behandelt worden. Auf der⸗ selben Schuldseite steht die Frage der Behandlung der Entwaff⸗ nung. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der fortgesetzte Notenwechsel bei uns in dieser Frage hat nur zur Folge gehabt, daß namentlich Frankreich immer neue Nahrung für Hetzereien gegen uns erhielt. (Zuruf rechts: Na also!) Ich weiß, daß der weitaus größte Teil des deutschen Volkes von einer Revanche nichts wissen will. Ich weiß aber auch, 8 es Kreise gibt, die ver⸗ brecherisch genug sind, daran zu denken. (Widerspruch rechts.) In Frankreich besteht infolge dieses Treibens reaktionärer Kreise ei uns eine ehrliche Angst vor diesem Revanchegedanken. Nur deshalb gelingt es Frankreich innerhalb der Entente einen solchen Einfluß auszuüben. (Widerspruch rechts.) Beständen zwischen Frankreich und Deutschland nur wirtschaftliche Gegensätze, dann könnte man überzeugt sein, daß keine allzu großen Dummheiten geschehen, da England, das nicht selbst geschädigt werden will, sich Frankreich werseton würde. Auch auf dem Gebiete der Ent⸗ waffnung ist die außenpolitische Lage durch die allzu große Nach⸗ sh Fie der Reichsregierung gegen gewisse Kreise für uns ver⸗ chlechtert worden. (Sehr wahr! links.) Genau so liegt es mit dem Verhalten des Reichsgerichts hinsichtlich der Verfolgung der Kriegsverbrecher. Vielleicht ist mit mir der Außenminister der Meinung, daß ein Anlaß zu seinem jubelnden Empfang auf dem Potsdamer Bahnhof nicht gegeben war. Dieser Empfang zeigt nur, wie unglaublich unpolitisch das deutsche Volk ist. Cgastm⸗ mung links, Widerspruch rechts.) Die Presse der Rechten verlangt die Abberufung unserer Diplomaten in den alliierten Staaten. Die Konsequenz wäre, daß wir den hiesigen alliierten Vertretern ihre Pässe zustellen müßten. Wir dürfen uns nicht neue Wege zur Lösung der Streitfragen verbauen. Es liegt im Interesse des deutschen Volkes. Ich hoffe, daß die Reichsregierung sich von den der Kreise, die das