5'06 SteuervorlagenandenSteuer⸗ überwiesen.
Hierauf setzt das Haus die zweite Lesung des
aushalts des Reichsministeriums des Innern mit den dazu gestellten Anträgen und Ent⸗ schließungen fort.
Präsident Löbe: Ich mache darauf aufmerksam, daß in der Beratung die Redezeit für jeden Abgeordneten höchstens b inuten betragen soll, daß wir ferner versuchen wollen, noch heute den Haushalt des Reichsministeriums des Innern zu er⸗ ledigen und im Laufe dieser Woche die gesamte Etatsberatung für 1920 und 1921. Das wird nur möglich sein, wenn sich die Redner eine gewisse Beschränkung auferlegen und wenn die Frak⸗ tionen in beschlußfähiger Anzahl anwesend sind. Wir wollen diesen Versuch machen im Interesse des Reichstags selber, da⸗ mit wir nach den Osterferien ohne die bisherige Hetze unsere Arbeiten mit Ruhe und Gründlichkeit erledigen können. Es ist in Aussicht genommen, Plenarsitzungen täglich nur von 2 bis 6 Uhr abzuhalten, und außerdem alle 14 Tage einmal den Sonn⸗ abend und den Montag freigugeben. damit die Mitglieder des
auses auch ihre sonstigen schäfte erledigen können. Wir fen, daß der Wunsch, die Etatsberatung in dieser Woche zum schluß zu bringen, erfüllt werder wird, und daß deshalb auch die Herren von der Presse die Versündigung am Achtstundentage verzeihen werden. (Beifall und Heiterkeit.) 88 Abg. Hoffmann⸗Ludwigshafen (Zentr.): Die innere Aus⸗ staltung und Leitung des Schulwesens sollte Angelegenheit der änder bleiben, welche ihre besonderen Bedürfnisse dabei besser berücksichtigen können als eine Reichszentrale. In diesem Sinne sind wir auch gegen eine Umwandlung der früheren Kadetten⸗ anstalten in Waisenanstalten, die uns schwere Bedenken erregen würde. Wir bitten vielmehr, die früheren Kadettenanstalten den Ländern zu überlassen. Diese mögen sie dann ihren Bedürf⸗ nissen entsprechend umwandeln, und wir sind der Meinung, daß in diesen Anstalten auch Kinder Minderbemittelter, auch von Auslandsdeutschen, auch von solchen, die aus den besetzten Ge⸗ bieien verdrängt sind, von Kriegsgefallenen und Kriegsbeschä⸗ digten besondere Berücksichtigung finden. Ein entsprechender An⸗ trag von uns liegt vor, alle Entschließungen und Anträge, die Kadettenanstalten betreffen, dem neueingerichteten ständigen eedeieß buür ur näheren Prüfung zu überweisen. Den Gedanken der Reich shaten weisen wir ab. Wir fordern ferner die Schaffung einer Abteilung im Ministerium als päda⸗ gogische Reichsauskunftsstelle und verlangen dafür die Einsetzung von 200 000 Mark in den Etat. Es geht nicht an, daß Lehrer sich in Fragen des in⸗ und ausländischen Schulwesens, wie das geschehen ist, nach Washington wenden mußten, um Auskunft zu erhalten, weil eine solche Auskunftsstelle bei uns nicht existiert. Den Mangel an Rohstoffen müssen wir durch ein Höchstmaß von Qualitätsarbeit zu ersetzen suchen. Der baldigen Einführung des Arbeitsunterrichts als Lehrfach in den Schulen stehen wir aus pädagogischen Gründen günstig gegenüber und halten sie für zeitgemäß, aber nicht im Sinne jenes Leitsatzes der Reichsschulkonferenz, wonach Arbeit am sinnlichen Stoff die Grundlage der Erziehung sein soll. Der Gedonke des Arbeits⸗ unterrichts darf nicht durch Uebertreibung diskreditiert werden. Die Grundlage aller Erziehung liegt in der Frage nach Zweck und Ziel des Menschen und ist gegeben in der Religion. Religions⸗ üunterricht in der Schule ist erforderliches Lehrfach gemäß der Reichsverfassung. Die Stellungnahme des Ministers zur Frage der positiven Willenserklärung an der Teilnahme am Hieligong⸗ unterricht zeigt eine abbröckelnde Auffassung. Wir wünschen eine klare, eindeutige, sinngemäße Auslegung der Verfassung. Von ordentlichen Lehrfächern kann wohl etwa wegen körperlicher Ge⸗ brechen wie beim Turnunterricht dispensiert werden und nur das Wahlfach fordert positive Anwendung. Die Auslegung des Mi⸗ nisters degradiert den Religionsunterricht zu einem Wahlfach. Dagegen erheben wir Einspruch. Wir sprechen uns gegen den obligatorischen Schulkindergarten aus. Die gute deutsche Turnerei darf nicht an die Wand gedrückt werden zugunsten eingewan⸗ derten fremdländischen Sports. Turnen ist das beste Heilmittel gegen die Tuberkulose. Wir wünschen die Bestrebungen nach einer Einheitsstenographie wieder aufgenommen zu Shen Bei dieser Gelegenheit sei es mir erlaubt, den Stenographen des Hauses unsern Dank auszusprechen, welche der Welt alles Wichtige, was wir sprechen, und auch alles Unwichtige übermitteln. (Heiterkeit und Zustimmung.) Das deutsche Volk bedarf zu seinem Wiederaufbau ernster Stärke und moralischer Kraft. (Beifall im Zentrum.)
Abg. Beuermann (D. V.): Unsere Hoffnung, daß sich aus der Schulabteilung ein Kulturamt des Reiches oder gar das Reichs⸗ schulministerium entwickeln würde, hat sich nicht er üüt. Für das höhere Schulwesen ist noch nicht einmal ein eigener Dezernent vor⸗ handen Wenn wir notgedrungen für unsere Ernährung 15 Mil⸗
iarden ausgeben müssen, so müssen wir zur der geistigen Not wenigstens so viel Millionen übrig haben. as Schulamt muß ziel⸗ und richtunggebend sein und muß zu diesem Zwecke seine Gedanken durch Denkschriften verbreiten. Dem Schulamt muß auch die höchste Autorität innewohnen. Gerade auf dem Schulgebiete sollte man die Dinge nicht ohne zwingenden Grund parteipolitis behandeln. Die Vorrede zu der für die Verteilung in den Schulen bestimmten Reichsverfassung ist päda ogisch ungeeignet. Das Prinzip der Staatsbürgerkunde in den Schulen muß jetzt praktisch
durchgeführt werden, aber im Sinne der Volksversöhnung; erst über
die Volksversöhnung könnte man vielleicht zur Völkerversöhnung
elangen. Die Turnerei hat für die körperliche Gesundung unserer Fucend die allergrößte Bedeutung. ve vorschulpflichtigen Zwang
sehnen wir ab, ohne Not da m Kinde die elterliche Er⸗ iehung nicht genommen werden. Wir sind der Ansicht, daß der
eligionsunterricht im Schulbetrieb nicht anders behandelt werden darf, als wir es bisher gewohnt waren. Nicht die Anmeldung, ondern die Abmeldung vom Religionsunterricht muß vorge⸗ chrieben sein. Ein von meiner Fraktion eingebrachter Antrag ver⸗ langt, daß in den Abschtußclasen aller Schulen eine dem Ver⸗ tändnis der Schulen angepaßte Einführung in den Versailler Frie⸗ densvertrag erfolgt. Eine solche Emeshe zur Staats⸗ bürgerkunde. Unsere Schule muß getragen sein von einem einzigen Gedanken, nämlich von dem Gedanken: „Deutsch sein heißt (Beifall rechts.)
Staatssekretär Schulz: Die Verwaltung kann für die Be⸗ reitwilligkeit aller Parteien, ihr bei der Iisang der dem Reiche auf dem Schulgebiete zugefallenen Aufgaben ihre Unterstützung zu ge⸗ währen, nur dankbar sein. Auf eine Reihe von Anregungen kann der Minister leider nur mit der Frage antworten: Wächst mir ein Kornfeld auf der flachen Hand? Eine Anzahl anderer Ansprüche und Forderungen, die in der Debatte und in den Anträgen ihren Niederschlag fanden, ist insoweit vneitgerab, als die Schul⸗ abteilung erst anderthalb Jahre alt ist und sich die Entwicklung in
es.“
führung einer gewissen Einheitlichkeit hat schuß als eine sehr geeignete Instanz erwiesen. Dem gesetz hat die Reichsschulkonferenz immerhin erfolgreich vorgear⸗ eitet, das etwas unfreundliche Urteil des Vorredners über sie und auch über mich kann ich doch nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Die Rede des Schulvertreters auf der Konferenz hat zuleßt all⸗ bh⸗aes Beifall gefunden. (Widerspruch.) Eine Wiederholung er Konferenz ist nicht gepeant statt dessen werden nach Bedarf die Fachausschüsse berufen. Ein Reichskulturamt wird von unten her⸗ auf ent ehen müssen; über seine Notwendigkeit bestehen auch bei uns keine Zweifel. Der Durchführung des Grundschulgesetzes haben sich Schwierigkeiten in einigen Ländern entgegengestellt; für Preußen sind sie hehoben. Das Sese⸗ gilt ebenso für Knaben wie für Mädchen. Selbsiverständlich gilt auch der vierjährige Besuch einer einklassigen Landschule. Der Entwurf des Lehrerbirdungs⸗ Plebes ist längst fertig; auch bei ihm ist die Kostenfrage das zemmnis. Ebenso ist das Berufsschulgesetz längst fertig und unter⸗ liegt der Kritik der Länder; auch hier sind die enormen Kosten das Hindernis. Das Gesetz, betreffend den Religionsunterricht, wird
dieser Zeit sehr unruhig und stückweise vengen hat. gg Herbei⸗
der Rei aschalgus⸗ Reichsschul⸗
.
vielleicht in einer Woche dem Reichstag hagce n, no 5
b felhes das Ju ö Für die Vera ung beider Gesetze noch vor der Sommerpause würde die Verwaltung besonders dank⸗ bar 8 Auch ein Spielplatzgeset, ist vorbereitet und unterliegt jetzt der Prüfung des Finanzressorts. Ueber das Berechtigungswesen sind Vereinbarungen im Gange. Die Anregungen wegen Umwandlung der Kadettenanstalten werden in einem Ausschuß näher zu prüfen sein. Auch die Anregung der Erweiterung der Auskunftsstelle zu einem Reichskulturamt wird erwogen werden. Das ein nüce Reichsschuljahr mit Osterbeginn ist im Reichsschulausschusse gründ⸗ lich erörtert worden, die Gründe Bayerns für den Herbstbeginn haben dabei volle Würdigung erfahren. Die Agitation in München Fen aeie enesach, Preußens findet in den tatsächlichen erhältnissen jedenfalls keine Stütze. Auch eine Reichsschulstatistik ist in die Wege geleitet worden.
Abg. Dr. Löwenstein (U. Soz.): Es ist eine bittere Ironie, den Reichsminister des Innern als Kulturpolitiker zu bezeichnen. Uns scheint er mess Minister des Polizeiwesens im Sinne des alten Regimes zu sein. Die alte Demokratie ist etwas abgeblaßt und baßt nicht mehr für die neue Zeit. Heute gehen die Demokraten mit der Deutschen Volkspartei zusammen, und der Minister des Innern arbeitet nicht in demokratisch⸗fortschrittlichem Sinne. ÜUnsere materialistische Geschichtsauffassung ist durchaus mit deut⸗ chem Idealismus vereinbar, Marx und Engels sind aus diesem Idealismus heraus dazu gekommen. Der Minister des Innern operiert immer mit den Begriffen des Föderalismus und Unita⸗ rismus, aber diese Begriffe durch die wirtschaftlichen Faktoren -r; überwunden. Herr Stinnes ist heute die treibende Kraft und er kümmert sich nicht um die Fragen der Zentralisation oder De⸗ Der Macht eines Stinnes setzen wir die Macht des
roletariats gegenüber. Der Sozialismus hat Kulturbedeutung. Von diesem Gesichtspunkt aus sehen wir auch das Schulproblem an. Der Gesamtheit des Proletariats müssen ia. Ke echeis ae. en
8
8 “
chaffen werden, bis desr scheitert der Aufstieg an der ökonomi Ausnutzung seitens der herrschenden ee Die Massen wollen den -5 Kulturanteil haben wie die herrschenden Die Schule hat die große Aufgabe, eine Erziehungsstelle zu bieten; die Erziehung kann nicht allein durch eine liebende Mutter und einen sorgenden Vater Fbn werden, denn es kommt auf die Erziehung zu einer Weltanschauung an. Da wir von der Einzelproduktion zur
11X“X“ gelkommen sind, müssen wir auch in der Schule eine Gemeinschaftserziehung schaffen. Deshalb beantragen wir auch eine Entschließung zur Linfu rung des obli vüereschen Schulkindergartenbesuchs vom fünften bis siebenten Lebensjahre. Wir wollen eine einheitliche Basis für die Kindererziehung schuffen. Eltern, die Lust und Liebe dazu haben, können dabei mitwirken. Wir werden mit unserer Methode dem Schulproblem schneller und . 8n näher kommen als Sie (rechts) mit Ihren Methoden. Bei Ihnen scheitert der erste Versuch zur Abs seshang der Vorschule schon an der ökonomischen Lage des Staates. (Zwischenruf rechts.) Ihres Staates.
Abg. Sivkovich (Dem.): Der materialistischen Geschichts⸗ auffassung des Vorredners stelle ich den Idealismus eines Kant und Schi er E. Der Menschheitsgedanke ist auch uns etwas Hehs und Großes, aber höher steht uns das Volk, in das wir
ineingeboren sind. Unsere Schule muß das Kind hineinführen in die eigenartige deutsche Volksbildung. Der Vorredner verkennt, wie weit auch heute noch die Familie auf dem Lande und in der Kleinstadt Träger der deutschen Erziehung ist. Auch wir hätten gewünscht, daß die Gesetze und die kultur⸗ politischen Gesetze schneller an den eichstag gekommen wären, aber wir unterschätzen nicht die Hindernisse, die Reichsrat und Finanzministerium notwendig bieten müssen. Das Mrerbicdangegeses, durch Kapp⸗Putsch und finanzielle Bedenken
er gehindert, müßte endli
Fortbildungsschüler wirkt hemmend auf die Ausgestaltun dieses eeehgs der Bildung. Aber wenn wir dem Grundgedanken der
inheitsschule zustimmen, werden wir auch über alle finanziellen Bedenken wegkommen. Wir müssen uns kulturpolitisch durchsetzen trotz der schwierigen äußeren Lage. Die Länder hatten bisher finan⸗ zielle Bedenken, der Durchführung der Grundschule näher zu treten. Das Reich muß hier eingreifen. Der Abbau der Kadetten⸗ anstalten gibt eine günstige Gelegenheit seitens des Reiches, päda⸗ ogische Neuerungen zu erproben. Die entschiedenen Schulreformer schlezen in vielen Punkten weit über das Ziel hinaus. Wir stimmen der Entschließung der 19 Volkspartei zu, daß auch die Schulen eine Einführung in den Versailler Friedensvertrag bieten ollen. Die Bedenken der Frau Pfülf verstehe ich nicht. Die Ein⸗ ührung von Preuß in die Verfassung entspricht durchaus dem Beü er Verfassung. Der Entschließung der Zentrumspartei bezügli einer Denkschrift über die Leibesübungen stimmen wir ebenfalls zu. Wir bitten nochmals um größte Beschleunigung bei Einbringung der angekündigten wichtigen Schul⸗ und Kulturgesetze. Nur die Pflege der Volksbildung und Volksgesundheit kann uns stark machen für den wirtschaftlichen Kampf, dem wir entgegengehen.
v Müller⸗Franken (Soz.): In den polnischen Kreisen Oberschlesiens, namentlich bei den Beamten, die sich anläßlich der Abstimmun Polen eingesetzt haben, bestehen Befürchtungen, daß ihnen, falls die Abstimmung zugunsten Deutschlands ausfällt, Nachteile entstehen könnten. Der Wortlaut des C verbietet zwar eine Maßregelung in solchem Falle, aber es wäre zweckmäßig und würde zur Beruhigung beitragen, wenn die Re⸗ gierung eine entsprechende Erklärung abgäbe.
Reichsminister des Innern Koch: Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung weist es weit von sich, in Ober⸗ schlesien, wenn die Abstimmung in Oberschlesien erledigt und das Land deutsch sein wird, irgendeine Politik der Rache oder der Ver⸗ folgung zu treiben. (Bravo! bei den Deutschen Demokraten.) Die Reichsregierung unterscheidet sich in der Hinsicht durchaus in ihrer Haltung von der, die in Oberschlesien Herr Korfanty eingenommen hat, der heute bereits denjenigen, namentlich denjenigen Beamten, die in dieser Zeit führend für die deutsche Sache tätig sind, Strafe angedroht hat. (Hört, hört! bei den Regierungsparteien.)
Meine Damen und Herren! Zu ihrer Haltung ist die Reichs⸗ regierung nicht etwa allein durch die klaren Bestimmungen des Friedensvertrages, die eben der Herr Abg. Müller⸗Franken mit Recht hervorgehoben hat, veranlaßt, sie ist vielmehr dazu auch durch die innerste Ueberzeugung veranlaßt, daß dieses unglückliche Land nach einer langen Zeit der Verwirrung und der Unruhe, nach einer Zeit furchtbarer Pression, bei der auch Bessere schwankend werden konnten, wieder in die Verhältnisse des Friedens, der Versöhnung und der gegenseitigen Achtung zurück⸗ kehren muß. (Bravol bei den Regierungsparteien.) Dieses Land, das so heimgesucht worden ist, soll und muß wieder werden ein Land der Arbeit, ein Land des Friedens, ein Land, in dem der Deutsche und der Pole friedlich und versöhnlich zusammenwohnen. (Bravo! bei den Regierungsparteien.) Dahin zu wirken, wird die Aufgabe der Reichsregierung sein, und sie erklärt heute bereits feierlich, daß alles, was dieser Politik der Völkerversöhnung in Oberschlesien widerspricht, von ihr zurückgewiesen werden wird. Wir hoffen also, daß die Bevölkerung in Oberschlesten demnächst einträchtig auf dem Boden zusammenleben wirs, der erneut mit dem deutschen Vaterlande vereinigt sein wird. (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)
Meine Damen und Herren! Nun noch ein paar Bemerkungen zu meinem Etat. Es ist eigenartig und für mich erstaunlich, wie anders diejenigen Beschwerden, die hier im Reichstage erhoben werden, lauten als diejenigen, die sonst mir von anderen Stellen
entgegenschallen. Mir wird hier vielfach der Vorwurf gemacht, daß
kommen. Die wachsende Zahl der
8 8
es mir nicht gelinge, die nötigen Mittel für meinen Etat freizu⸗ machen. Namentlich wird mir hier auch der Vorwurf gemacht, daß ich nicht mit größerer Entschiedenheit mich den Landesregierungen widersetze, wenn sie nicht bereit sind, sich den Bestrebungen des Reiches zu fügen. Die Vorwürfe, die hier erhoben werden, wenn auch im ganzen in milder Form, bedeuten in letzter Linie für mich nichts als eine Rückenstärkung und einen Beweis dafür, daß ich auf dem rechten Wege bin, wenn ich auch wegen dieses Verfahreng von anderer Seite Anfeindungen und Widerstand erleiden muß. Daß der Herr Reichsfinanzminister trotz der finanziellen Nöte des Reiches im ganzen bestrebt ist, die Kulturaufgaben nicht leiden zu lassen, erkenne ich dankbar an. Ich hoffe aber, daß die Beratungen die wir hier gepflogen haben, diese Neigung des Reichsfinang. ministers noch stärken werden, und daß er mir in Zukunft bei der Ausgestaltung meines Etats noch weiter entgegenkommen wird.
Etwas anders liegt ja das Verhältnis zu den Ländern. Die Länder verfügen von altersher über eine gut ausgebaute Schul⸗ verwaltung, über eine Verwaltung, die gewohnt ist, selbständig zu arbeiten, die an den Eigentümlichkeiten des eigenen Landes fest⸗ hält und sie nicht zugunsten einer Einheitlichkeit opfern will. Daß sich da Reibungen und Schwierigkeiten ergeben, liegt auf der Hand, Gerade mir wird so häufig der Vorwurf gemacht, daß ich im In⸗ teresse der Einheitlichkeit des Schulwesens in den großen Grund⸗ fragen die Interessen der Länder nicht hinreichend berücksichtige. Ich sehe, daß ich in meinen Auffassungen längst nicht so weit gehe, als der Reichstag es wünscht, und ich möchte auch das feststellen.
Wenn dann z. B. der Herr Vertreter der Bayerischen Vollz⸗ partei, der doch sonst den Föderalismus auf seine Fahne geschrieben hat, mich hier mehrfach auf diesem Gebiete zu entschiedenerem Vor⸗ gehen zu veranlassen versucht hat, so fürchte ich doch, daß der Herr Vertreter der Bayerischen Volkspartei nachher, wenn ich tatsächlich seine Wünsche in die Praxis umzusetzen versuchen würde, vielleicht nicht in allen Teilen von der Fraktion der Bayerischen Volkspartei in Bayern unterstützt werden würde. Wenn z. B. gesagt wird, daß ich, um die sittlichen Zustände in Berlin zu bessern, einen sanften Druck auf Preußen ausüben möge, so kann ich sagen, daß nicht nur Bayern, sondern auch Preußen für einen sanften Druck im allge⸗ meinen ziemlich empfindlich zu sein pflegen (Heiterkeit), und daß es nicht ganz recht ist, hier gegenüber Preußen ein entschiedeneres Vorgehen zu predigen, wenn man ein derartiges Vorgehen Bayern gegenüber in der Regel mit Entrüstung ablehnt.
Wenn weiter in der Frage des Ferienanfangs von demselben Herrn gesagt worden ist, das bayerische Schuljahr, das im herbst beginne, sei viel richtiger, und wenn er auf meinen Einwand, da die anderen Länder sämtlich nicht bereit gewesen seien, den bayeri⸗ schen Schulanfang zu akzeptieren, mir geraten hat, einmal das durchzusetzen, was in Bayern beliebt würde, so glaube ich dem Herrn Abgeordneten Leicht darauf erwidern zu dürfen, daß ich viel zu sehr in föderalistischem Sinne arbeite und viel zu viel Rücksict auf den überwiegenden Willen der Länder nehme, als daß ich bereit wäre, das Gute, selbst wenn es von Bayern komnt, allen anderen deutschen Ländern meinerseits aufzudrängen.
Der Schulanfang im Herbst hat so manche Vorzüge: das er⸗ kenne ich rückhaltlos an. Aber die sämtlichen Landesregierungen halten an dem Osteranfang namentlich aus wirtschaftlichen Gründen entschieden fest. Ich muß betonen, daß ich Bayern gegen⸗ über nicht den geringsten Druck ausgeübt habe, daß es seinerseits den Schulanfang verlegen möge. Es ist bedauerlich, daß trotdem das Vorgehen des Reichs in Bayern so vielfach zu starker Auf⸗ regung und zu der Abwehr eines angeblichen Unitarismus des Reichs geführt hat. Ich habe ganz einfach Bayern vor die Tat⸗ sache gestellt, daß sämtliche übrigen Länder den Schulanfang an Ostern haben möchten, und habe es Bayern ganz frei überlassen, ob es seinerseits für richtig hält, einen gesonderten Schulanfang beizubehalten oder sich dem Schulanfang im übrigen Reich anzu⸗ schließen. Föberali tischer kann man nach meiner Ansicht nicht ver⸗ fahren. Und wenn trotzdem das Schwergewicht der Verhältnisse Bayern veranlaßt hat, sich dem Schulanfang im Frühjahr anzu⸗ schließen, so ist das ein Beweis dafür, daß der Unitarismus keine künstliche Konstruktion ist, sondern eine aus den wirtschaftlichen Verhältnissen heraus sich ergebende Notwendigkeit, die sich auch ohne Zwangsmaßnahmen des Reiches ganz von selbst auch Batern gegenüber durchsetzt. Ich aber bin an dieser Entwicklung un⸗ schuldig und freue mich, daß Bayern diese Entwicklung ganz von selbst anerkannt und mitgemacht hat.
Was die Frage der Vorschule angeht, so sind die neuesten preußischen Verordnungen, auf die ein Redner der sozialdemokra⸗ tischen Partei mich verwiesen hat, im einzelnen mir noch nicht be⸗ kannt. Sie sind erst vor einigen Tagen erlassen, da, wie Eie wissen, die Einigung des Reiches und Preußens über die Frage der Grundschule und die finanziellen Kosten der Grundschule erf vor wenigen Wochen abgeschlossen worden ist. Ich kenne die Aus⸗ führungsbestimmungen des Grundschulgesetzes, die der preußisce Herr Kultusminister erlassen hat, noch nicht, kann mich aber bei den fortgeschrittenen Anschauungen des preußischen Kultusministers schwer zu dem Glauben bekennen, daß er Ausführungsbestim⸗ mungen erlassen haben sollte, die, wie der sozialdemokratische Kedner gemeint hat, mit dem Geist und Sinn der Verfassung und des Grundschulgesetzes irgendwie in Widerspruch stehen könnten. Indes, diese Frage wird nachgeprüft werden und, wenn es doch der Fal sein sollte, werde ich selbstverständlich versuchen, den Gedanien des Grundschulgesetzes zur Durchsetzung zu bringen.
Nun noch ein Wort über die Frage der posttiven oder nego⸗ tiven Erklärung zum Religionsunterricht. Meine Damen und Herren! Ich habe mich eingehend über den Willen des Geset⸗ gebers, der diese Verfassungsbestimmung geschaffen hat, zu unter⸗ richten versucht. Es hat sich, wie so häufig, herausgestellt, daß, de wir heutzutage nicht einen, sondern viele Gesetzgeber haben, diese
„verschiedenen Gesetzgeber ganz verschiedenartige Absichten bei der
Abfassung dieses Artikels gehabt haben. Der eine Teil hat an di positive, der andere Teil an die negative Regelung gedacht. Und n der Wortlaut der Verfassung keinen bestimmten Anhalt dofli bietet, ob eine positive oder eine negative Regelung verlangt werder kann, so bin ich, wenn ich auch persönlich der Meinung bin, do es besser wäre, daß diejenigen Kinder, die nicht teilnehmen wollen eine Erklärung abzugeben hätten, doch verfassungsmäßig nicht i der Lage, gegen diejenigen Landesregierungen, die anders 8 fahren, wegen Verfassungsbruches einzuschreiten. Donn nur, b ein Verfassungsbruch vorläge, wäre ich berechtigt, dieses Vo
zu hindern. Deswegen kann der Antrag der Deutschnand f
Bolkspartei, der ein solches Einschretten non mir vexlang
nung erkangen. Ich würde mich mit einem solchen Ein⸗ tten mangels gesetzlicher Festlegung nicht durchsetzen. Wenn, ez, soviel ich weiß, ein Antrag der Deutschen Volkspartei vor⸗ t. ein entsprechendes Gesetz von mir verlangt wird und die . zcheit des Hauses hinter einem solchen Gesetze steht, so wird die icsregierung die Frage, ob ein solches Gesetz zu erlassen ist, einer zräfung zu unterziehen haben. Dadurch würde dann eine neue ichtslage geschaffen, die aber zurzeit noch nicht vorliegt.
Es ist hier der Wunsch nach einer Etatisierung der Dandes⸗ vmahme, des Landesvermessungswesens zum Ausdruck gebracht uurden. Ich kann den Herren Rednern mitteilen, daß eine
Beb
htifierung der Landesbermessung im Nachtragsetat 1921 ein⸗
teten wird und dann endlich die verdienten Beamten des endesvermessungswesens eine Sicherheit über ihre künftige twation erhalten werden.
Peniger günstig ist meine Auskunft über die Besetzung des gctens eines Ministerialdirektors, der die Beamtenfragen zu Lolgen haben wird. Die Stelle eines solchen Ministerial⸗ srektors ist zwar etatsmäßig bewilligt, aber, wie ich glaube, ereits ausgeführt zu haben, vor wenigen Wochen den Er⸗ gerungsrücksichten des Herrn Ersparungskommissars — vor⸗ zufig wenigstens — zum Opfer gefallen, und erst die Kom⸗ nission, die Sie heute, wie ich hoffe, zu wählen entschlossen , wird zu prüfen haben, ob die Stelle dauernd unbesetzt lleiben soll, was ich sehr bedauern würde. .
Es ist endlich hier grundsätzlich bemängelt worden, daß die zolizeikosten in meinem Etat höher wären als die Kulturpoften. guch ich hbedaure das. Ich bitte aber, darauf hinweisen zu
ärfen, daß die Polizeikosten keine Reichspolizeikosten sind,
usdeern Kosten für Zuschüsse, die das Reich den Ländern für ihre kicerheitspolizei erstattet (hört, hört! bei den Deutschen Demo⸗ anten), und weiter Kosten für Ersatz von Tumultschäden, die giegentlich von Unruhen und von Putschen entstanden sind, wie leider in unserm deutschen Vaterlande in dem letzten Jahre ch immer wieder vorgekommen sind. (Sehr richtig! bei den deutschen Demokraten.) Es liegt also gar keine Veranlassung woe, und es liegt namentlich von Seiten der äußersten Linken wcht die geringste Veranlassung vor, hier über die Höhe der zolizeikosten zu Felde zu ziehen. Im Gegenteil wäre sie sehr wohl in der Lage, ihrerseits dazu beizutvagen, daß wir mit ge⸗ ingeren Polizeikosten auskommen könnten. (Sehr gut! — Zuruf iden Vereinigten Kommunisten: Versteckter Militäretat!)
Ich betrachte es allerdings als meine ernsthafteste und wich⸗ iste Aufgabe, die Notlage der deutschen Wissenschaft und die zoilage der deutschen Kunst nach Kräften zu beseitigen und ihr igegenzuwirken. Was ich auf dem Gebiet der Gründung der kolgemeinschaft der deutschen Wissenschaft getan habe, hat dazu gführt, daß immerhin die notwendigsten Mittel der deutschen Bissenschaft wieder zugeführt werden können, und ich appelliere ncch von dieser Stelle aus an das ganze Volk, an alle Be⸗ eiligten, dafür zu sorgen, daß die Notgemeinschaft der deutschen Gissenscaft dauernd über die notwendigen Mittel verfügen möge. (Bravol)
Ich schließe damit, daß ich im Geogensatz zu Herrn Dr. Moses von der Unabhängigen Sozialdemokratie meiner Freude darüber Ausdruck gebe, daß die Beratung meines Etats im ganzen so apolitisch“, wie er sich ausgedrückt hat, verlaufen ist. Ich bin ullerdings der Ueberzeugung, daß man seine politische Ueber⸗ zeugung haben kann, daß aber in der Verwaltung eines Mi⸗ gisteums und auch in der Ebatsberatung des Reichstags über in Ministerium es erwünscht ist, wenn nicht nur politische, sondern wenn in erster Linie sachliche Fragen behandelt werden. (Sehr rccttig!) Mir scheint es im Gegensatz zu Herrn Moses höchste geit zu sein, sich vom politischen Phrasentum zu sachlicher Arbeit hu wenden. (Beifall.)
Staatssekretär Albert: Ich möchte der Legendenbildung ent⸗ gentreten, als ob der Reichsminister des Innern den Sparsam⸗ eitsbestrebungen nicht geneigt ist. Ich darf feststellen, daß in der Frage der Vereinfachung und Ver illigung der Reichaverwval⸗ ung zwischen dem Reichsminister des Innern und dem Kabinett kinerlei Meinungsverschiedenheiten 11. und daß der Reichs⸗ minister des Innern vielfach über die Vorschläge des Sparsam⸗ kits e hinausgegangen ist. Der Minister des Innern 9 mit dem Kabinett völtig einig in der Ueberzeugung, daß diese a neec mit allem Nachdruck in Angriff genommen werden nuß. Die Ansicht, daß die Einsetzung einer Kommission ein begrähnis erster Klasse sein würde, erscheint durch nichts be⸗ gründet, natürlich kann man von dieser⸗ Kommi sion nicht schon in Kürze überraschende Resultate verlangen. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß die Bestellung eines Sparsamkeitskommissars in Mißerfolg war, wobei ich es dahingestellt sein lasse, ob der Lommissar feine Aufgabe richtig aufgefaßt hat. Die Verein⸗ fe tn und Verbilligung der Reichsverwältunß kann zweifelben nicht durch die bloße Iesen sfe Seng ven inisterien erzielt verden. Der Gedanke der Vereinfachung und Verbilligung arf sch nicht bloß auf die Reichsverwaltung beziehen, sondern mu tuf die Verwaltung der Länder ausgedehnt werden. Frandsasi vird dabei aber vermieden werden müssen, in die Zuständigkeit der einzelnen Länder einzugreifen.
Abg. Fröhlich (Komm.): Die Erklärung des Ministers zur Kegtngn ag h eenn wird dort die gebührende Sir eit trwecken. Regierung von früher het die polnische evölke⸗ ung vergewaltigt und ausgeplündert. (Stürmischer Ausbruch der kntrüstung rechts; Rufe: Pesut Teufel!) Die jetzige Reichsregie⸗ dung ist gerade so hakatistisch wie die frühere. Ueber das heuchle⸗ tiche Gebaren hier muß einen physische Uebelkeit und Ekel über⸗ mmens (Andauernde stürmische Gegenrufe rechts; Runter mit dm Purschen! Schmeißt den Kerl 'raus! Polnischer Agitator:)
dr Lie Solim unendliche Millionen, für Kultur⸗
wete nur einen schäbigen Rest enthält, soll, ein Kulturetat seine ie reden von Kultur und lehnen das Existenzminimum ab. Bettug, nichts als Betrug! Ein angeblicher Demokrat erklärt hier, mokratie sei die Vewaffnun der Bourgeoisie, der Schieber und Ausbeuter gegen die Arheiterg aft. (Andauernder Lärm.) Und tensellt duh sest und wir danken ihm dafür, da es die So ial⸗ mokraten waren, die den Bürgerlichen die; affen in die; and haen vees damit hat er auf das Kainszeichen auf ihrer Stirn
ie
en. Diese Regierung bringt eine Vorlage gegen die
8 feüch ein und denecikrungitg daß ein gewisser Erhardt in ieen Tagen in Berlin für den Sturz dieser selben Regierung müce bir rufen die Arbeiterklasse zum Sturz dieser Regierung (Jronischer Beifall rechts. — Abg. Ledeb 971” (U. 8.) antwortet auf die gestrigen w.
des Abg. Levi bezüglich der sogenannten „Mörderzentra 8 slachenmaterial. Er sei schon im vorigen September nack von Pallenser Parteitag durch den Brief eines Parteigenossen 1 8 eens worden, seine Politik fortzusetzen; es könnte sonst — n0 heißen, Ledebour, Hilferding, Breitscheid usw. seien im Auf⸗ nge eines revolutionären Exekutivkomitees wegen serensun erschossen worden. (Lachen bei den Komm.). Die ange⸗ ien Ermittlungen hätten auf eine Geheimorganisation hin⸗
sen, die in „Zellen“ (Heite eit) nach Moskauer Muster ein⸗
die erste Zelle habe den Auftrag, Ledebour unschädlich
sind die na 1 18 100 Stück Briefe mit Todesurteilen bekommen; ich sammele
dahin verlangt, daß
zu machen. Nach dem gegebenen Rezept sei der Abg. Haase vor dem Reichstage erschossen worden von einem Mann, der einen geistigen Defekt auszuweisen hatte; die Staatsanwaltschaft habe damals unterlassen, necgagerscen. ob der Mörder Hintermänner hatte. Dieser Erfolg habe veranlaßt, daß auch nach anderen Männern mit einem solchen Defekt Umschau gehalten wurde. Diese Feststellungen habe er (Redner) veröffentlichen lassen. Die Entrü tung Levis und seiner Genossen richte sich eben gegen diese Veröffentlichung. Dem moralischen Verlumpungsprozeß, der durch das Eindringen dieser terroristischen Moskauer Lehren nach Deutsch⸗ land erzeugt sei, gelte es, das Wasser abzugraben. mann sei ein Meßer gezückt, in Hamburg sei Dittmann nieder⸗ geworfen, getreten und mit Fäusten geschlagen worden; so werde die kommunistische nrfsessang, Lrobagiert. Diese Methode set reaktionär und eine solche Partei ein Werkzeug der Reaktion. Auch in der kommunistischen Partei gebe es sehr anständige Leute, die sich — würden, sich so e benehmen, wie Herr Levi, wie die wischenrufer Düwell und Adolf Hoffmann (stürmische Heiter⸗ eit rechts) und der neue Herr Fröhlich. Ich kenne die Hinter⸗ männer nicht, die sich damit befaßt haben, unbequeme Leute um die Ecke zu bringen, aber tatsächlich kann ich von einer Mörder⸗ hasctate sprechen. Leute vom Schlage Hoffmann (große Heiterkeit) aben auch nicht bestritten, daß eine solche Organisation bestand. h Widerspruch der großer bärm. — Präsident Löbe fordert die gedrängt um die ednertribüne Stehenden dringend auf, ihre Plätze einzunehmen.) Natürlich sind solche Mörderzentralen, wie eine auch bei der Er⸗ mordung von Liebknecht und Rosa Luxemburg tätig war, nicht eingetragene Genossenschaften oder im Handelsregister eingetragene Gesellschaften (Heiterkeit), aber als Organisation bestehen sie, auch die kommunistische Mörderzentrale. (Sturm bei den Kommunisten. — Abg. Crispien (u. Soz.) macht einen Zwischenruf. — Abg. Adolf Hoffmann ruft diesem zu: Pfui, Du Lump Du! — Große Erregung.) Ich fordere die Kommunisten auf, die terroristischen Gewalttaten zu verwerfen. Seitdem ich gegen die Unterstellung unserer Partei unter die Moskauer aufgetreten bin, bin ich bei den Kommunisten der bestgehaßte und bestverleumdete Mann. Ich boft; aber daß der gesunde Sinn der Arbeiter die Terroristen abschütteln wird und wir doch noch zu einer großen einheitlichen revolutionären Arbeiterpartei kommen werden. (Beifall bei den
U. Soz.)
2189 Dr. Levi (Komm.): Ausgerechnet den ersten Brief hat der Abg. Ledebour nicht in den Papierkorb befördert, sondern be⸗ wußt als Material gegen uns aufbewahrt. Seine Pflicht wäre es gewesen, uns solche Kommunisten, gegen die er sich richtet, namhaft zu machen, damit wir die Sache nachprüfen können. (Abg. Adolf Hoffmann: Raus mit die Beweise!) Wenn Abg. Ledebour behauptet, hinter dem Verrückten, der Haase ermordete, hätten Leute gestanden, die auf diese Tat hingearbeitet hätten, so nenne ich ihn einen schamlosen Verleumder. (Erregte Zwischenrufe des 88 Ledebour. — Fortgesetzte Unruhe.) Herr Ledebour ist nicht in der Lage, die Folgen seiner Handlungen zu übersehen. Ledebour gibt dem Fürsten Bismarck, der Nobiling und Hödel der Sozial⸗ demokratie an die Rockschöße hängte, nichts nach. Herr Ledebour wird wohl den heutigen Tag nicht für sich als ein Ruhmesblatt in Anspruch nehmen. Wenn Fürst Bismarck den Schurkenstreich beging (stürmische Entrüstung rechts), die Sozialdemokratie zu besudeln, so kann man ihn gen daß er nicht wußte, was die Sozialdemokratie ist, aber Ledeböur muß wissen, was Sozialdemokratie und Kommunismus sind und wollen. Und daraus kann Abg. Ledebour ermessen, wie wir über ihn urteilen. Ich kann ihm nur eines sagen: Armer Teufel! (Heiterkeit.)
Abg. Adolph Hoffmann (Komm.): Ich kenne den Abge⸗ ordneten Ledebour schon länger. Was er auf der einen Seite auf⸗ gebaut hat, hat er auf der anderen Seite niedergerissen, auch in den internsten Sitzungen. Mit ihm will keiner gern im Vorstand sitzen; das weiß auch Crispien. Der Mörder des Haase ist, wie ich perfönlich erfahren habe, irrsinnig gewesen. Die Justiz hat ihn ruhig laufen lassen, trotzdem er 8 te, Dittmann und Hoffmann
ten, die vankommen. Ich habe in letzter Zeit minde⸗
(Stürmischer Kommunisten. — Andauernder
Sie bringen Ausdrücke, so hundsgemein, daß sie kein Pennbruder braucht. Wo ist der Beweis für die Mörder⸗ zentrale? „Leute vom Schlage Hoffmanns“ hat Herr Ledebour eühee aber seinerzeit war Hoffmann gut, als ich vor Gericht aus⸗
sie aus Kuriosität.
agte zugunsten Ledebours. (Heiterkeit.) Der Brief ist so einer, en man zu den anderen legt, und von dem man nicht sonen Sums macht. (Heiterkeit.) Wenn Ledebour den geringsten Beweis von Personen hat, so wäre es seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit gewesen, diese zu nennen, wenigstens den Kommunisten, die er noch für anständig hält. 1
bg. S chifß er (Dem.) (zur Geschäftsordnung) legt namens seiner Partei Verwahrung ein gegen den Mißbrauch, den in der letzten Stunde die Redner mit der Tribüne des Hauses getrieben haben. (Zuruf Hoffmanns: Das müssen Sie Levi sagen!) Wenn einer angefangen hat, hätten die anderen schweigen sollen.
ifall. Eeisan) Dr. Levi (Komm.) gibt dem Minister Koch die Schuld an dieser Debatte.
Nach weiteren Bemerkungen der a;gg Dittmann (u. Soz.) und Schiffer (Dem.) zur Geschäftsordnung fol⸗ gen persönliche Bemerkungen.
Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Ledebour wird abgestimmt und zunächst das Gehali des Mi⸗ nisters des Innern bewilligt. he. gn wird mit den Stimmen der drei sozialisti chen Par⸗ teien (die Rechte ist schwach besetzt) eine Entschließung der Unabhängigen, in der die Vorlage der zwischen der Reichsregierung und der baye⸗ rischen Regierung wegen der Entwaffnung der bayerischen Einwohnerwehren gewech⸗ selten Noten und die nwafnug und Auf⸗ lösung der bayerischen Einwo nerwehren verlangt wird. Das Ergebnis der Abstimmung wird von der Linken mit lebhaftem Beifall aufgenommen.
Die Entschließung der Sozialdemokraten, die die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Re⸗ gelung des Verfahrenss beim Volksentscheid und olksbegehren fordert, stimmung des ganzen Hauses.
Angenommen wird ein von Zentrum, Demo⸗ kraten und banerischer Volkspartei unterstützter Antrag der Welfen, den Beschluß der Nationalver⸗
ammlung vom 28. April vürchceehe und dem Reichstage skang t zu berichten. Dieser eschluß ging dahin, die an er verfassungswidrigen Fehüens der Abgeordneten Cols⸗ horn und Schiele Schuldigen der Bestrafung zuzuführen. Von den Demok 52* Fn ae eine Ents r8 ie . ng ie von der Reichsregierung Maßnahm Feessestt1 alle 8 CNCCn hauf⸗ ännischen Mittelstand betreffenden Kom⸗ 12ng srng28 gemäß Art. 164 der Reichs⸗ verfassung vleb 4des t (Dem.) begründet die Entschließung, wobei er 8 82 lail “ ungünstigen bighersten Erfah⸗ rungen mit der Kommunalisierung verweist.
Abg. Isemann (FZentr.) stimmt der Entschließung zu. Die Bestrebungen gehen dahin, den selbständigen gewerblichen Mittel⸗ tänd einfach c überlebt beiseite zu drücken. Gegen den Entwurf
r Sozialisierungskommission erheben wir den schärfsten Protest. Wir bitten den Reichsminister des Innern, alle an ihn herantre⸗ tenden Kommunalisierungsbestrebungen festen Willens zurückzu⸗
Gegen Diß⸗
findet die Zu⸗
weisen. Eine Kommunalisierung des gewerblichen Mittelstandes würde auch unsere und Technik und unsern Handel so schwer schädigen, daß wir auf dem Weltmarkt nicht mehr wett bewerbungsfähig werden. 8
Vizepräsident Bell teilt mit — es ist 6 ½ Uhr —, daß zur Einzelberatung, die heute noch beendet werden soll, nicht wenige als 33 Redner gemeldet sind. (Allgemeine Unruhe.) 1
Abg. Henke (U. So 8. Wir 82 bisher immer auf da Erscheinen des Kommunalisierungsgesetzes; jetzt haben wir es mit einem Antrag zu tun, der der Kommunalisierung den Krieg er⸗-⸗ klärt. Den kaufmännischen und gewerblichen Mittelstand wird man damit nicht vom Untergange retten; er ist dem Verhängnis durch die kapitalistische Entwicklung verfallen.
5 Hammer (D. Nat.): Wenn ein solcher Gesetzentwurf an den Reichstag kommen sollte, so wird sich hoffentlich eine bürger liche Mehrheit finden, die ihn dahin befördert, wohin er gehört, i den Orkus. Die Lebensmittel kann keine Kommune zweckmäßig ver⸗ treiben, das kann nur der freie Handel. Wohin die Kommunen damit kommen, das sieht man jetzt an den Riesenverlusten Berlins. Jedem Versuch, den Lebensmittelhandel zu kommunalisieren, werden wir eine geschlossene Phalanx entgegenstellen.
Abg. Havemann (D. V.) tritt ebenzalls ge een die Kommu⸗ --.. z zidee in die Schranken und bekämpft e den Ent⸗ wurf der Sozialisierungskommission.
Der Antrag Schiffer wird mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien angenommen. Im Etat ist unter den „Allgemeinen Bewilligungen“ ein Betrag von 500 000 Mark zur Förderung der en und gesundheitlichen Hebung de
eutschen Volkes ausgeworfen.
Abg. Wulle (D. Nat.): Um diese Hebung hat man sich bis⸗ her verteufelt wenig gekämmert. Im vorigen Jahre hat die Nationalversammlung einstimmig eine Hx in der gleichen Richtung angenommen und die Regierung aufgefordert, mit den Ländern zur Bekämpfung der Verrohung und Unsittlichkeit in Ver bindung zu treten. Geschehen ist aber nichts; die Verrohung u die Unsauberkeit haben, zumal auf den Berliner Bühnen, weite FEg Die Aufführung des „Reigens“ hat einen Sturm
er Entrüstung hervorgerufen, aber die über solche Schweinereie entrüsteten Demonstranten hat man ins Gefängnis abgeführt un fünf Frauen, die sich darunter befanden, wie Dirnen behandel Das ist nur ein Symptom für die Verluderung des Berline E“ (Zurufe der Kommunisten, die sich während de 5 genden Ausführungen ununterbrochen wiederholen.) Die Ber⸗ iner Theaterdirektoren gehören alle keag auserwählten Geschlech Ich berufe mich auf das Urteil von Bonnefon. Letzte ES hat es sich auf den Berliner Bühnen um eine reguläre Schändung des christlichen Weihnachtsfestes bee Unser armer deutscher Mittelstand besucht diese Theater nicht, weil er dazu kein Geld ha Ein “ vernichtendes Urteil über diese Schandzustände fällt der jüdische Rechtsanwalt Max Epstein. as ist dem Publikum in „Alwine und August“, in „Evchen Humbrecht“, in den Stücken vo Shaw eboten worden! Das Tollste waren die „Haremsnächte“ i Apollotheater, wo zwei nackte Frauen vor einem Schwarzen Kotau machen müssen. arum sind diese Berliner Sau⸗ und Schand⸗ zustände nicht unterbunden? 2.h berufe mich auf Erich Schlaikjer und seinen „Kampf gegen die Schande“. Es muß eine Partei der anständigen Leute gebildet werden. Was hat die Reichsregierung in Ausführung der vorjährigen Entschließungen getan?
Abg. Dr. Schreiber (Zentr.) begründet eine von seiner Partei beantragte Entschließung, die Regierung zu ersuchen, eine Denkschrift über den gegenwärtigen Stand der körperlichen Er⸗ ziehung und die zur Förderung planmäßiger Leibesübungen ge⸗ troffenen Maßnahmen vorzulegen. Er weist darauf hin, daß auch die Reichsschulkonferenz das Ziel gesteckt habe, den regelmäßigen Betrieb der Leibesübungen sür beide Geschlechter in Schule und Haus zu einer lieben Gewohnheit zu machen. Das Reich müsse diese Aufgabe stärker fördern durch Ferga von Spielplätzen. Die planmäßige Körperpflege mache Ersparnisse an Siechenhäusern, Krankenhäusern und auch an Gefängnissen möglich, denn die Jugendspiele wirkten erfahrungsgemäß günstig auf eine Verminde⸗ rung der Kriminalität der Jugend. Das Reich müsse in dieser Richtung auch auf die einzelnen Länder hinwirken.
Abg. Dr. Löwenstein (U. Soz.) tritt den Ausführungen des Abg. Wulle entgegen. Mit Polizeivorschriften lasse sich der Schund und Schmutz nicht bekämpfen. habe im „Kapital“ in drastischer Gestalt die Quelle der Unsittlichkeit in der kapitalisti⸗ schen “ aufgedeckt. Auch die Entsittlichung sei eine Folge des Krieges. Herr Wulle solle nur dahin wirken, daß der Schmutz in den antisemitischen Flugblättern beseitigt werde, und er möge daran denken, welche Gesellschaftskreise die Theater be⸗ suchen. In der Landwirtschaftlichen Woche hätten gerade Inserate in der „Deutschen Ta ner.sn zum Besuche solcher Veranstahtun⸗
en aufgefordert. Mittelstand und Arbeiterschaft besuchen die Vor⸗ tellungen der „Freien Volksbühne“ und die Bildungs⸗ und Kunst⸗ veranstaltungen der Arbeiterschaft. Wenn die hea ein objektiver Beurteiler wäre, könne man an gefeflich⸗ aßnahmen gegen Schund und Schmutz denken, aber das sei nicht der Fall. Man müsse positive Maßnahmen ergreifen, z. B. durch Kommu⸗ nalisierung der Kinos. Auch die Bibel müßte eigentlich wegen ihrer krassen Nacktheiten verboten werden. Man solle allen Menschen menschenwürdige Arbeit verschaffen, die Arbeit sei der beste Anker für eine sittliche Entwicklung. Unser ganzes Bildungswesen sei durch die wirtschaftlichen Hemmnisse bedrängt; wenn diese beseitigt würden, könne der Kulturzustand und das sittliche Niveau des Volkes gehoben werden. Die Lehrerbildung müsse von vornherein auf praktische Erziehungstätigkeit eingestellt werden. Die Kinder müßten in ethisch⸗pädagogischer Weise erzogen werden, damit auch die rechten Lehrer aus ihnen entstehen könnten. Das Schulwesen müsse wieder zur Grundlage der sittlichen Entwicklung des Volkes werden.
Reichsminister des Innern Koch: Ich habe keine Veran⸗ lassung, in dem engen Rahmen, der hier der Debatte gestellt ist, auf die Ausführungen des Herrn Vorredners näher einzugehen. Gewiß sind sie in manchen Dingen beachtenswert; — wieweit sie sich in der rauhen Wirklichkeit durchsetzen lassen (sehr wahr! im Zentrum), muß, glaube ich, in einem anderen Gremium als hier in dem Plenum des Reichstages erörtert werden. Jedenfalls liegt keine Veranlassung vor, diese Anregungen etwa sämtlich oder von vornherein ablehnend zu behandeln.
Was nun die Ausführungen angeht, die hier zunächst über die Unsittlichkeit in Berlin gemacht worden sind, so ist es gewiß lang⸗ weilig, aber unvermeidlich, wenn ich auch bei dieser Gelegenheit wiederhole, daß, solange das Reich ein Bundesstaat ist, solange die gesamte Polizei bei den Ländern liegt, es für den Reichsminister des Innern unmöglich ist, die Verantwortung für dasjenige zu übernehmen, was auf diesem Gebiete in den einzelnen Ländern ge⸗ schieht. Und gerade die Partei, der Herr Wulle angehört, legt ja immer ganz besonders Gewicht darauf, die Selbständigkeit Preußens zu erhalten. Ich halte es nicht für erwünscht, daß etwa das Reich versucht, in die preußische Verwaltung einzugreifen. Gesetze sind jedenfalls nicht erforderlich, um die Uebelstände, wie sie im hiesigen Theaterwesen eingerissen sind, zu bekämpfen (sehr richtig! links), sondern die Bekämpfung dieser Uebelstände ist ohne weiteres auf Grund der bestehenden Gesetze und durch die der Polizei gegebenen Befugnisse zu erreichen. Ich habe die Hoffnung, daß, wenn wir erst aus den Unruhen der gegenwärtigen Zeit heraus sind und erst wieder dazu kommen, stetig zu arbeiten, wenn auch der Beamten⸗ körper in den einzelnen Ländern sich erst wieder mehr in die
Verhältniste eingewöhnt hat, dann auch die Aufmerksamleit, die