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eingestellt, daß Deutschland nicht zugleich in den tödlichen Gegen⸗ satz zu Rußland und zu land geriet, der letzten Endes allein den Weitkrieg möglich gemacht hat und Schuld ist, daß Deutschland in ihm so elend abgeschnitten hat. Lassen Sie also Bismarck ge⸗ fälligst aus dem Spiel. Das ganze Gerede über die Schuldfrage, womit übrigens nicht irgendeine Partei, sondern womit die Re⸗ gierung angefangen hat, hat nicht den geringsten Zweck. Wir müssen. Und zwar sehr bald, in Europa wieder zur Zusammen⸗ arbeit kommen und dürfen nichts tun, was uns diese Zusammen⸗ arbeit erschwert. Die Zeit zur Wiederaufnahme des Verfahrens in der Schuldfrage ist noch nicht gekommen. (Beifall bei den
Sozialdemokraten.) 1 3 . Abg. Dittmann (U. Soz.): Wenn wir den Nationalismus
Militarismus und Imperialismus bekämpfen wollen, so können wir das nur, indem wir Erscheinungen im eigenen Lande wirksam bekämpfen. Wohin sollte es etwa führen, wenn wir in einer Front mit den Deutschnationalen Sturm liefen gegen Mili⸗ tarismus und Nationalismus bei der Entente? Das würde nur bei uns die nationalistischen Instinkte steigern. Im Auslande machen die Versuche, Deutschland von Schuld rein zu waschen, keinen Eindruck. Schließlich will man gar die Welt noch davon überzeugen, daß nicht wir Belgien überfallen haben, sondern um⸗ gekehrt die Belgier uns überfallen haben. Herrn Rießer gegen⸗ über betone ich nochmals, daß Kautsky absolut nichts von dem zrückgenommen hat, was er in seinem Buche über die Schuld
eutschlands geschrieben hat. Er hat höchstens die Wahl gelassen, ob es sich in Deutschland um dummköpfige Verbrecher oder ver⸗ brecherische Dummköpfe gehandelt habe.
Damit schließt die allgemeine Beratung.
Zunächst werden noch Abstimmungen zum Etat des Ministeriums des Innern vorgenommen. Die 15 Millionenim Ordinarium fürdie Tech⸗ nische Nothilfe werden gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der Unabhängigen und der Kommunisten bewilligt. — Einstimmig an⸗ genommen wird der Antrag, den Titel „Aus⸗ simückung des Reichstages“ aus dem Ministe⸗ rium des Innern auf den Etat des Reichstags zu übertragen. — Einstimmig angenommen wird ferner die Entschließung über Bereitstel⸗ lung von Mitteln für ein Denkmalfür die im Ausland gefallenen Deutschen.
Die Haushalte des Reichsministeriums, des Reichskanzlers und der Reichskanzlei werden bewilligt.
Im Etat des Auswärtigen Amtsist zur Er⸗ gã ung des Hauptetats ein Posten von
lionen Markenthalten zur Förderung utsch
uslande. 9
Abg. Dr. Deermann (Hosp. der Bayer. Vp.) begrüßt diesen Posten als besonders bedeutenswert für die deutsche Kultur. Privatschulen im Ausland müssen vom Reich unterstützt werden, insbesondere die Schulen, die von evangelischen und katholischen Missionen unterhalten werden. Wenn man auch fremde Studie⸗ rende bei uns nicht unbegrenzt zulassen soll, so sollte man sie doch auf unseren Hochschulen nicht schlechter behandeln, als unsere eigenen Studenten. 1
Die 9 Millionen Mark werden genehmigt, ebenso die übrigen Forderungen des Etats des Auswärtigen Amts und des Ergänzungsetats. — Angenommen werden Entschließungen des Ausschusses darüber, die Reichsregierung Öum Nachprüfung zu ersuchen, ob die finanz⸗ technischen Sachverständigen (Finanzbei⸗ räte) im Ausland mit dem 31. März 1921 abzu⸗ berufensind, und über die Beigabe einesparla⸗ mentarischen Beirats an die Zentrale für Heimatdienst. 1
Der Haushalt des Reichstags wird ohne Erörterung nach dem Bericht des Abg. Dr. Pach⸗ nicke (Dem.) genehmigt. 1“
Es folgt der Haushalt des Reichsverkehrs⸗ ministeriums (Verwaltung der Reichseisen⸗ bahnen).
Berichterstatter Abg. Deglerk (D. Nat.) gibt eine um⸗ fassende Uebersicht über die dieses Etats und über die Entwicklung des Eisenbahnwesens. Erwähnenswert ith daß im
Jahre 1919 die Betriebsausgaben 160,1 Prozent der Einnahmen ausmachten, während sie 1913 nur 70,2 Prozent der Einnahmen betrugen. Die Personalkosten hätten im Jahre 1920 41,5 Prozent der Ausgaben, 1913 39,1 Prozent ausgemacht. Im Jahre 1920 sei das Personal 1 044 379 Köpfe stark gewesen, für 1921 seien aber 997 721 Köpfe veranschlagt worden. Die erhebliche Zunahme der Kopf⸗
zahl in den S 1919/20, die eigentliche Ursache des Defizits, sei durch die ematische Anwendung des Achtstundentages und dadurch veranlaßt, daß bei der Mobilmachung sehr viele unge⸗ eignete Kräfte angenommen werden mußten, die die Leistungen der Werkstätten stark herabgedrückt hätten. Die Eisenbahnverwaltung sei bestrebt, das 85 durch Verminderung der Ausgaben und durch Erhöhung der Tarife zu beseitigen. Die Erhöhung der Per⸗ sonentarife, die durchschnittlich 75 Prozent betrage, werde nicht vor dem 1. Juni in Kraft treten können. Ueber die Notwendigkeit der Tariferhöhung habe im Ausschuß Uebereinstimmung geherrscht, es wurde jedoch geklagt, daß der richtige Zeitpunkt verpaßt sei, weil die Wirtschaft sich jetzt in sinkender Konjunktur befinde. Die Frage, ob für Tariferhöhungen ein Gesetz erforderlich sei, solle in dem angekündigten Eisenbahnfinanzgesetz grundsätzlich erledigt werden, in einer Entschließung sei aber die Mitwirkung des Reichs⸗ tags bei Tariferhöhungen gefordert worden. Reichsverkehrsminister Gröner: Meine Damen und Herren!
Der Herr Berichterstatter hat in ausführlicher Weise die Verhält⸗ nisse der Eisenbahnverwaltung dargelegt und dabei die Stellung⸗ nahme der Verwaltung zu den einzelnen Fragen bereits klar und deutlich präzisiert. Es bedarf meinerseits zunächst nur der pro⸗ grammatischen Erklärung über einige Punkte. Ich lege darauf besonderen Wert, damit auch die Oeffentlichkeit darüber unter⸗ richtet wird, wie die Reichsverkehrsverwaltung vorzugehen beab⸗ sichtigt. Die beiden Etats, die Ihnen vorliegen, meine Damen und Herren, sind in ihrer Wesensart grundverschieden. Der Etat vom Jahre 1920 bedeutet lediglich die Feststellung des Status, der Etat für das Jahr 1921 bedeutet ein Programm: das Programm der finanziellen Gesundung unserer Reichseisenbahnen. Wenn Sie über die äußere Form der Etats — über die in späterer Zeit noch mancherlei zu reden sein wird — hinwegsehen und nur das innere Wesen der Etats betrachten und erforschen wollen, so werden Sie auch finden, daß wir ehrlich bemüht sind, die Finanzen der Reichs⸗ eisenbahnen in möglichster Bälde wieder zu gesunden und in aller⸗ erster Linie die Kostendeckung zu erreichen.
1 Was die Finanzgebarung der Reichseisenbahnen und die äußere Form derselben, insbesondere die Aufstellung des Haus⸗ haltsentwurfs, anbelangt, so haben wir in dieser Beziehung auch die Absicht, diese Form neu zu bilden und die Finanzgebarung auf eine neue wirtschaftliche, mehr kaufmännische Basis zu stellen. Das Eisenbahnfinanzgesetz ist in Vorbereitung und wird, wie
im
und Unterrichtszwecke
ich hoffe, in möglichster Bälde dem Reichstag vorgelegt werden können. Der Zweck dieses Gesetzes wird sein, gemäß dem Artikel 92 „der Reichsverfassung die wirtschaftliche Selbständigkeit des Eisen⸗ bahnunternehmens durchzuführen. Wir wollen das Eisenbahn⸗ unternehmen nicht in der Art und Weise einer Staatsverwaltung, sondern als Großbetrieb nach wirtschaftlichen, technischen, kauf⸗ männischen Gesichtspunkten betreiben. Der wesentliche Inhalt des Eisenbahnfinanzgesetzes wird sein: die Abgrenzung des Eisenbahn⸗ haushalts von dem Reichshaushalt, die Regelung des Verhältnisses zu der Reichsfinanzverwaltung, die Gestaltung des Haushalts, die Festsetzung des Anlagekapitals unter Zugrundelegung des Erwerbs⸗ preises nach Absetzung der vom Reich zu erstattenden Betriebs⸗ schäden; der Wert der abgetretenen Strecken, der Kriegsverschleiß und die Fehlbeträge bis zum 1. April 1920 sind darunter zu ver⸗ stehen. Ferner sollen neue Grundsätze über die Scheidung zwischen ordentlichem und außerordentlichem Etat aufgestellt werden. Die Aufbringung der Mittel für den außerordentlichen Etat wird ein besonderes Kapitel des Eisenbahnfinanzgesetzes bilden, ebenso die Bildung eines Rücklagefonds, ferner die Bestimmungen über Ver⸗ zinsung und Tilgung der Eisenbahnschuld. Es werden auch, obwohl wir ja vorläufig noch nicht soweit sind, wenigstens in theoretischer Beziehung Bestimmungen über die Verwendung von Ueberschüssen sowie über die Gewinn⸗ und Verlustrechnung und die Bilanz zu treffen sein. Auch die Schuldenverwaltung wird in dem Gesetz berührt werden müssen. Dazu kommen noch die Bestimmungen, die notwendig sind, um in der Tarifgestaltung dem Einfluß des Reichstags die Tür zu öffnen; ich bin der Auffassung, daß dieser Einfluß des Reichstags unentbehrlich ist, andererseits wird er sich aber in Grenzen halten müssen, die die Beweglichkeit der Ver⸗ waltung nach Maßgabe der Entwicklung des Wirtschaftslebens noch gewährleisten. —
Die wichtigsten Aufgaben, die der Reichseisenbahnverwaltung zurzeit obliegen, sind einmal die finanzielle Gesundung der Reichs⸗ eisenbahnen, dann aber vor allem die Gesundung des ganzen technischen Apparates, die Wiederherstellung unserer Leistungs⸗ fähigkeit. Wir sind entschlossen, auf diesen beiden Wegen stramm vorwärts zu gehen, und hoffen, in Bälde Ihnen ein Ergebnis vorlegen zu können, bei dem wir wieder die alte Leistung des Jahres 1913 erreicht haben und wieder zur Selbstkostendeckung gekommen sind.
Es ist sehr viel über die Organisationsfrage gesprochen und geschrieben worden. Auch darüber möchte ich programmatisch einige Worte nicht versäumen. Die organisatorischen Maßnahmen waren meines Erachtens nicht absolut dringend, sie mußten zurück⸗ stehen gegenüber den beiden anderen Aufgaben, der Gesundung des Apparates und der Gesundung der Finanzer Unter der Vor⸗ aussetzung, daß wir in diesen beiden Beziehungen im Laufe des Jahres 1921 weitere und erhebliche Fortschritte machen werden, wie es den Anschein hat, habe ich die Absicht, auch in organisato⸗ rischer Beziehung ein beschleunigteres Tempo anzuschlagen.
Wir sind entschlossen, keine starre und straffe Zentralisation einzuführen, sondern wir sind durchaus willens, in dieser Be⸗ ziehung Wege einzuschlagen, die darauf abzielen, draußen bei unseren Provinzialbehörden möglichst in weitestem Umfange die Selbstverwaltung einzuführen. Wir werden dabei natürlich an der ganzen Entwicklung unseres Wirtschaftslebens nicht vorbei⸗ gehen können. Sie alle wissen, daß Bestrebungen im Gange sind, Wirtschaftsprovinzen zu bilden und in dieser Beziehung die Gliede⸗ rung des Reiches auf einen andern Boden als bisher zu stellen. Ich halte es nicht für die Aufgabe der Eisenbahnverwaltung, in dieser Entwicklung des wirtschaftlichen Prinzips etwa die Führung zu übernehmen. Wohl aber halten wir es für unsere Aufgabe, alles vorzubereiten, daß wir jederzeit bereit sind, den Anforde⸗ rungen und der Entwicklung des Wirtschaftslebens sofort zur Seite zu sein.
Wir werden mit den organisatorischen Maßnahmen nicht an der obersten Spitze anfangen, weil ich das für falsch halte, sondern wir werden draußen bei den untersten Dienststellen anfangen und werden in allererster Linie die Selbständigkeit der Dienststellen, die Selbständigkeit der Aemter und demnächst die der Direktion er⸗ höhen. Wir werden ihnen weitere Befugnisse übertragen. Auf diese Weise werden die Arbeiten von selbst von oben nach unten gezogen und werden vor allem die Direktionen und demnächst das Ministerium entlasten. Ich halte diesen Weg vor allem deshalb für nötig, weil dadurch am schnellsten die Schreibarbeit, unter der wir geradazu seufzen, vermindert wird.
In Verbindung mit dieser Dezentralisation der Verwaltung wird zu erwägen sein, welche Aufgaben für größere Wirtschafts⸗ gebiete delegiert werden können an führende Direktionen, Gruppen⸗ direktionen oder wie Sie sie nennen wollen. Ich will dabei vor⸗ läufig die in der Presse vielfach zutage getretene Stimmung für die Bildung von Generaldirektionen ganz unerörtert lassen. Wir sind noch nicht so weit, daß wir in dieser Beziehung absolute Klar⸗ heit besitzen und ein endgültiges Urteil haben können. Ueberall bei meinen Behörden stoße ich auf volles Verständnis für diese Art des Vorgehens der Dezentralisation. Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn auch in der breiten Oeffentlichkeit nicht in theoreti⸗ scher Weise erörtert würde, ob man so oder so organisiert, ob man dies so oder so einteilt, sondern wenn man an der praktischen Arbeit mitwirken würde, die von unten, bei den Dienststellen draußen, anfangen muß. Wenn ich aber tagtäglich Stöße von Briefen bekomme, die mich und das Ministerium in sehr intensiver Weise mit Arbeiten in Anspruch nehmen, und zwar mit Arbeiten, die eigentlich beim Ministerium gar nicht erledigt werden können, sondern lediglich bei den Dienststellen draußen ihre Erledigung finden müssen, so wäre ich außerordentlich dankbar, wenn diese Erschwernisse überwunden würden. Ich hoffe auch, daß wir bald schneller arbeiten werden, als es manches Mal noch bei unseren Dienststellen geschieht, weil eben noch eine gewisse bureaukratische Hemmung vorliegt, und daß auch das Publikum dabei auf seine Kosten kommen wird. Die bureaukratischen Formen, über die so vielfach geklagt wird, müssen natürlich in einem so großen Unter⸗ nehmen, wie es die Reichseisenbahnen sind, bis zu einem gewissen Grade erhalten bleiben, weil man sonst die Geschäfte nicht ord⸗ nungsmäßig führen kann, aber sie müssen auf ein Mindestmaß be⸗ schränkt werden. Ich lege ganz besonderen Wert darauf, auch hier auszusprechen, daß wir darauf abzielen, eine schnelle Erledigung der Geschäfte bei den Außenstellen sicherzustellen.
Die Personalpolitit, meine Damen und Herren, ist eine der schwierigsten Aufgaben der Reichseisenbahnverwaltung. Das liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, welch ungeheure Masse von
Beamten und Arbeitern der Eisenbahnverwaltung untersteht. kann es begreifen, wenn an manchen Stellen Bedenken laut den, ob eine solche Riesenunternehmung, die mit einem Personal zu rechnen hat, mit Hunderttausenden, fast mit 6 Million, zweckmäßig in einem Unternehmen zusammengeft werden kann. Dies ist selbstverständlich nur möglich, wene — Personal der Sinn für Autorität, der Sinn für Ordm 8. handen ist, das Verständnis dafür, daß in einem Staatsbetrieh 1 Staatsgedanke voranstehen muß. (Sehr richtig!) In dieser Fe ziehung kann ich nach pflichtmäßiger und ehrlicher Ueberzengnn sagen, daß in den deutschen Eisenbahnern bereits wieder der ₰ Sinn für Autorität und für Ordnung im Wachsen begriffen 5 (Bravol) Es war ganz selbstverständlich, meine Damen und §
ren, daß unter den Wirkungen der Revolntion, unter den poll schen Erscheinungen, die die Nachrevolutionszeit mit sich gebratt hat, das Vertrauen erschüttert wurde zwischen dem Personal 8 den verschiedenen Dienststellen bis hinauf zur Berwaltung.
Es war also eine meiner ersten Aufgaben, dieses Vertrauen wieder herzustellen, und ich bemühe mich, durch persönliche Reühe persönliche Fühlungnahme, persönliche Besichtigungen überall dah zu wirken, daß dieses Vertrauen wieder hergestellt wird. Den ich bin der Auffassung: der Sinn für Autorität kann nur gedeihe und wachsen und blühen auf dem Boden des Vertrauens, onh nicht. Die Arbeitswilligkeit bei unserem Personal ist dauernd d Zunehmen. Das wird wohl auch jeder feststellen können, der ein Reise macht. Zweifellos sind infolge der Teurungsverhältnis die Beunruhigungen in dem Personal noch nicht ganz geschwunde
Ich möchte aber annehmen, daß die Aktion, die Regierung mn Parlament im Januar getroffen hat, eine Beruhigung in ze Personal auf lange Zeit hineingetragen hat. Ich halte es fü meine besondere Pflicht, auf allen Gebieten der materiellen hü sorge für das Personal an der Spitze zu stehen. Ich würde es des halb auch durchaus begrüßen, wenn wir in der Lage wären, an dem Gebiete des Wohnungsbaues unserem Personal mögliche Vorteile zu verschaffen. Ich habe mich bei meinen vielen Reie bemüht, Einblick in die Wohnungsverhältnisse zu gewinnen, und bin sehr gern bereit, Anregungen, die auch aus diesem Haus kommen werden, zu folgen und erforderlichenfalls Mittel onzu fordern, solange ich noch nicht selbst in der Lage bin, sie aut meinen Einnahmen zu decken.
Die Verwaltung hat eine ungeheure Aufgabe auch auf den Gebiete der Befruchtung der Industrie. Wir sind wohl die größten Besteller der Industrie, und es wird meine ganz b sondere Sorge sein, daß in dieser Beziehung alles geschieht, um di Industrie frühzeitig und fortlaufend mit den erforderlichen Auf trägen zu versehen. Ich kann berichten, daß wir bereits über zre Drittel der Vergebungen an Wagen fest hinausgegeben habe Leider ist das bei den Lokomotiven noch nicht möglich gewesen weil über die Preisfrage noch geringe Differenzen bestehen. ge darf aber annehmen, daß diese Differenzen bald überwunden sei werden.
Der Gesamtzustand der Eisenbahnen läßt in mir die fest Ueberzeugung entstehen, daß die Uebernahme der Eisenbahnen 2 das Reich durchaus zweckmäßig war, daß sie nicht nur eine po litische und wirtschaftliche Notwendigkeit war, sondern auch eir Schritt, der sich in ferner Zukunft für unser gesamtes Wirtschafts leben, für unser Verkehrsleben und nicht zuletzt auch für die Ge sundung unserer Finanzen bezahlt machen wird. Etwas Gedul⸗ ist allerdings vonnöten. Ich habe bei der Kritik, die geübt wird so häufig den Eindruck, als ob wir etwas ungeduldig sind un glauben, die Wirkungen eines vierjährigen Kriegs und die Wit kungen der Revolution und der Nachrevolutionszeit im Hand umdrehen überwinden zu können. Wenn wir einige Geduld haben so werden wir die Fortschritte auf dem Gebiet des Eisenbah wesens zusehends erkennen.
Wir werden zum Sommerfahrplan wieder eine erhebli Vermehrung der Personen⸗ und Schnellzüge versuchen, imme unter der Voraussetzung, daß unsere Lokomotiv⸗ und unsen Kohlenlage sich weiter nicht ungünstig entwickelt. Auf dem Ge biete des Güterverkehrs haben wir zurzeit eine solche Entwicklung daß ich nur mit Vertrauen in die Zukunft sehen kann. Selhst verständlich liegt noch vieles im argen, insbesondere die Zuver lässigkeit in der Beförderung der Güter. Wir haben noch seh zu kämpfen mit dem Abhandenkommen von Gütern, mit de Diebstählen. Wir gehen in der schärfsten Weise vor, insbe sondere auch gegen Personal, das sich zu Unredlichkeiten hin reißen läßt. Ich habe aber doch zu melden, daß wir seit den Frühjahr vorigen Jahres in dieser Richtung eine langseme stetige Besserung bemerken.
Die Frage der Beamten liegt mir deshalb ganz besonden am Herzen, weil neuerdings Bestrebungen / im Gange sind, i die Beamtenschaft eine gewisse Uneinigkeit hineinzubringen, ein gewisse Scheidung zwischen unteren, mittleren und höheren 8 amten. Es ist die Aufgabe der Verwaltung, allen solchen d⸗ strebungen entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß wir eine einheitlichen Beamtenkörper haben und daß beim Ausstieg d diesem einheitlichen Beamtenkörper der Tüchtige vorankomme kann, und daß jeder, der sich eignet und vollbewährt, ohne Ric sicht auf seine frühere Schulbildung auch die Möglichkeit hat, in die höheren Stellen einzurücken. In meiner eigenen Umgebu⸗ sind ja eine ganze Reihe Persönlichkeiten in dieser Beziehun bereits tätig und ebenso draußen bei den Direktionen.
Die Aufgabe, die der Verwaltung im ganzen obliegt, wohl eine der schwierigsten auf wirtschaftlichem und verwaltungs⸗ technischem Gebiete. Die Persönlichkeiten, die wir zur Lesunl dieser Aufgabe bedürfen, müssen frei von allen Hemmunge irgendwelcher Art sein, sie müssen nur der Sache dienen un müssen in erster Linie Köpfe sein. Ich werde mich in dee Beziehung eifrig bemühen, solche Persönlichkeiten heranzubine und heranzuziehen, und hoffe, daß auch die Ernennung eines ac technischen Staatssekretärs, die nach Verabschiedung des Eie in die Wege geleitet werden wird, in dieser Beziehung 8 Blut und neuen Schwung in unsere Verwaltung hineinbrin
Ich möchte nicht schließen, ohne auch von dieser Stelle 8 nochmals der glänzenden Leistungen der deutschen Smasbbche verwaltungen einst und insbesondere auch im Kriege 18,0n haben, und, meine Herren, wenn wir an diese Leistungen bög so werden wir alle das Vertrauen haben, daß wir auf dem f des Verkehrs wieder vorwärtskommen. (Bravo! bei den schen Demokraten, im Zentrum und rechts.)
(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)
2
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solchen
5 widersetzen.
Verlin, Freitag, den 18. März
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Brunner (Soz.): 16,4 Milliarden müssen wir für zus vergangene Rechnungsjahr für das Verkehrswesen zuschiegen, um das bischen Eisenbahnbetrieb aufrecht zu erhalten. oweit ind wir durch den Krieg gekommen. (Zuruf rechts: Durch die evolution!) Die Reichsverfassung verlangt, daß die Eisenbahnen als selbständiger Betrieb zu gelten haben. Der eichstag hat die Aufgabe, 88g Defizit nach Möglichkeit zu beseitigen. Der Mi⸗ rilärt, er sei bereit, eine finanzielle Gesundung herbei⸗ mühren. Zehn Milliarden sollen durch erhöhte Einnahmen ein⸗ zenommen werden und fünf Milliarden sollen erspart werden. bir müssen 82 Ausgaben Free die Einnahmen erhöhen und sparen. Tariferhöhungen sind immer von außerordentlich einschneidender Bedeutung im Wirtschaftsleben. Es muß dabei Kücksicht werden auf soziale und wirtschaftliche Ver⸗ hältnisse, auf die Angestellten und Arbeiter. Diese nüssen mög ichst billig von ihrem Wohnort zur Arbeitsstelle ge⸗ bracht werden. Erleichterungen zu schaffen liegen im allseitigen nieresse. Auf die wirtschaftlich Schwachen muß besondere Rüuck⸗ cht genommen werden. Erleichterungen im eg sind zu ge⸗ schrkesten bei Schulausflügen und auch den Jugendorgani⸗ gtionen. Hoffentlich gelingt es, in diesem Sommer wieder Eonderzüge fahren zu lassen. Wir haben das Vertrauen zum Minister, daß er ernsthaft bestrebt ist, das Zugesagte durchzuführen, wenn er auch außerordentlich große wierigkeiten zu über⸗ winden hat. In seiner Umgebung herrscht noch großer Bureau⸗ batengeist aus der wilhelminischen Zeit, der nicht so leicht zu heseitigen ist. Als die Revolution ausbrach, war die Eisenbahn herabgewirtschaftet, das wäre nicht geschehen, wenn man die Ge⸗ hertshaften früher hätte zu Worte kommen lassen. (Zuruf rechts: Lächerlichtl) Es fft bedauerlich, daß man nicht schon ftüher die gewerkschaftlichen Organisationen anerkannt hat, um das Personal gewerkschaftlich zu schulen. Dann wäre zuch mehr Verständnis für die Not und das Elend des Personals bei der Verwaltung vorhanden gewesen. Damit hätte man auch zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit der kisenbahnen beigetragen, aber daran hapert es heute noch. Der bhgeaentsg kann auch im Eisenbahnbetriebe nie wieder be⸗ fetigt werden, dem werden sich die Arbeiter mit aller Entschieden⸗
(Zuruf rechts: Wenn das Vaterland es aber raucht?e) Sind Sie denn allein das Vaterland, die Arbeiter sind zuch ein Stück Vaterland. (Zuruf: Prinzipienreiterei!) Für uns st der Achtstundentag allerdings ein Prinzip. (Zuruf rechts: Und wenn auch das Vaterland darüber zugrunde geht!) Der Minister zat gesagt, die Leistungsfähigkeit des Personals sei wieder auf dos alte Maß gelangt. (Zuruf: Nicht wahr!) Das muß bekannt werden, um die Arbeitsfreudigkeit weiter zu heben. Der Acht⸗ stundentag ist auch notwendig, wenn wir wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen wollen. Wir kommen auf die Beine durch Verkürzung der Arbeitszeit und bessere Entlohnung der Arbeiter. be Gelächter.) Eine Ersparung ist nötig und möglich ei Einkauf von Material. Das organisierte Unternehmertum shtte heute mehr denn je den Staat als Ausbeutungsobjekt zu etrachten. Sie (nach rechts) wollen immer, daß nur der Arbeiter mehr arbeitet und der Unternehmer verdient. Eine strenge Kon⸗ tolle ist erforderlich, die heute leider fehlt. Von England kann man unter Umständen billiger kaufen als vom einheimischen r brikanten; man soll also auch den Handel nicht abschneiden. ie einheimischen Lieferanten und Unternehmer bewuchern zum Teil die hcttebh tash. die doch als der größte Abnehmer der n. eigentlich zu billigeren Preisen sollte einkaufen können. 1 Lerie npreise sind auf das 19fache, Schienen auf das Wfache, Stahlbleche auf das 40fache gestiegen. (Ruf rechts: beute nicht mehr wahr!) So war es also doch wahr, und Sie haben den Reibach in der Tasche! Diese Pwfitsucht des Profitkapitals muß eingedämmt werden. Das Verlangen der Eisenbahnarbeiter an einzelnen Stellen, in Mlordlöhnen zu arbeiten, hat die Verwaltung abgelehnt; sie hat die Arbeiten an die Privatunternehmer vergeben und muß nun noh teurer bezahlen. Ist es nicht ein Widersinn, die Arbeiter nach Möglichkeit im Lohne zu beschneiden, den Unternehmern aber den Profit geradezu in die Tasche zu schieben? Es sind Fälle vor⸗ gekommen, wo bei gleicher Zuverlässigkeit und öö der Zuschlag dem erteilt wird, der teurer, nicht dem, der billiger angeboten hat. Das System, nur einzelne Firmen heranzuziehen, muß verlassen und der Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden. Von alten, jahrzehntelang praktisch erfahrenen Leuten soll man nicht noch eine Prüfung fordern, wenn man ihnen Beamten⸗ harakter geben will. Das Reich darf nicht noch stärker in Ab⸗ hängigkeit von Lieseranten und Privatkapitalisten geraten, als es keider schon der Fall ist. Die geplante weitere Einschränkung des Fersonals ist ein sehr bedenkliches Vorhaben der Verwaltung; in der heutigen Zeit der zunehmenden Arbeitslosigkeit sollte man von Entlaffungen überhaupt absehen. An den 1en sind minde⸗ stens fünf Milliarden zu ersparen, da braucht man sich nicht an den Arbeitern und an den Arbeiterlöhnen zu vergreifen. Tatsächlich aber hören wir von der Möglichkeit noch höherer eee während von Erhöhung der Löhne und Teuerungszuschläge nirgends die Rede itt Die Steigerung der Löhne seit 1913 hat nicht entfernt der ungeheu⸗ ren Steigerung der Nahrungsmittel und Bedarfsgegenstände ent⸗ pprochen; es hat gar keinen Zweck, eine Vervingerung der Kopfzahl oder eine Verlängerung des Achtstundentages in Aussicht zu nehmen, sondern man soll den Unternehmern den Profit beschnei⸗ den, dann werden wir zurechtkommen. Was die Betriebsräte der Verwaltung kosten, darauf wird hingewiesen, nicht aber darauf, was sie der Verwaltung ersparen. Die Ausgaben für die Betriebs⸗ räte sind produktiv; je mehr man die Betriebsräte in die Ver⸗ waltung hineinreden läßt, desto besser wird die Verwaltung ihre Aufgabe erfüllen. - einer bloßen Bewilligungsmaschine darf der Keichstag sich nicht herabdrücken lassen.
Reichsverkehrsminister Gröner: Der Herr Vorredner hat cine Aeußerung von mir aus dem Hauptausschuß wiederholt be⸗ züglich der Leistungen auf den Kopf der Arbeiter. Ich darf dar⸗ cuf hinweisen, daß im Ausschuß lediglich von den Werk⸗ - arbeitern die Rede war, und darf das Stenogramm vor⸗ esen: Was die Leistungen in den Werkstätten anlangt, so ist die Qualität der alten Friedensleistung erreicht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß wir vor dem Kriege bei den Repara⸗ turen nur 25 vH Kesselreparaturen hatten, während wir heute mindestens 80 vH Kesselreparaturen haben. Die Leistungen auf den Kopf der Arbeiterschaft dürften zurdeit die frühere a alsol links.) ö“ Bas die Zahl der ausgehenden Lokomotiven anbangt, so bleibt diese durchschnittlich noch um elwa 10 vH hinter dem Ausgang des Jahres 1918 zurück. Das betrifft die Werkstättenarbeiter. Meine Damen und Herren! Dieses erfreuliche Ergebnis in den Werkstätten führen wir auf
8 Einführung des Gedingeverfahrens zurück. (Hört! hört! rechts.)
hängt.
Ich möchte wünschen, daß die Einführung des Gedingeverfahrens auch in den übrigen Zweigen der Eisenbahnverwaltung, wo es noch nicht gelungen ist, es durchzusetzen, möglichst bald dasselbe erfreuliche Resultat haben würde. Insbesondere würde es mir sehr am Herzen liegen, daß auf den Güterböden dieses Verfah⸗ ren recht bald wieder eingeführt wird, damit auch dort die alte Friedensleistung wieder erreicht wird. „
Abg. Klöckner (Zentr.): Dieser Etat hat für 1920 ein Defizit von 16 Milliarden, für 1921 wird es auf 6,3 Milliarden berechnet; die Bes 6 aus der Erhöhung der Güter⸗ und Personentarife. ie Gütertarife werden aber gerade während einer schweren wirtschaftlichen Krisis erhöht. Franaeeg und Belgien machen auf den bisherigen Absatzgebieten Deutschland ge⸗ waltige Konkurrenz, die Weltmarktpreise nähern sich nell den Inlandpreisen. Die E erschwert also unsere Kon⸗ kuxrenzfähigkeit, während Frankreich in seiner Wirtschaftsnot die Gütertarife für den Export ermäßigt. (Hört, hört!) Gegebenen⸗ alls muß unsere Eisenbahnverwaltung der Industrie mit Not⸗ tandsarbeiten unter die Arme greifen. Der Personenverkehr wird urch die Tariferhöhung vorübergehend zurückgehen und muß des⸗ halb in jeder Weise erleichtert werden, u. a. durch Vermehrung der Fahrkartenschalter. Die Ausgaben müssen verringert werden. Im Jahre 1920 sind 38 Prozent mehr Kohle verbraucht worden als 1913. (Hört, hört!) Frankreich erstickt in Kohle und expor⸗ tiert deutsche Kohle nach Holland, während unsere Eisenbahn zum Teil Koks verwenden muß. Der Wagenmangel ist nicht so ser Wagenmangel als Lokomotivmangel. Die Versuche der inter⸗ essierten Privatkreise mit den 50⸗Tonnen⸗Wagen müssen gefördert werden denn die ee des Verkehrs hängt von einer möglichst i. Wageneinheit ab. Die Bahnhofsanlagen müssen ausgebaut, Güter⸗ und Personenverkehr getrennt werden durch den vees eishe Ausbau und Einrichtung von Kützse dügse für
ehr.
den Ortsver Die Gebühren für Anschlußgleise dürfen die Selbstkosten nicht überschreiten. Die Anstellung eines technischen Staatssekretärs begrüßen wir mit Freude. Die Dezentralisation der Verwaltung muß nach den SS der einzelnen Wirt⸗ chaftsgebiete durchgeführt werden. Wir beantragen glesng zu⸗ ammen mit der bayerischen Volkspartei eine Ent Sans. ung, wonach das Verkehrsministerium bei Aufträgen auch das se Handwerk berücksichtigen soll. (Beisall im Zentrum.)
Abg. Dr. Reichert (D. Nat.): Die Eisenbahnverwaltung darf nicht eine reine Verwaltungsbehörde sein, auch kein Versuchs⸗ eld für Organisationsdilettanten, denn die Eisenbahnen sind nicht Selbstzweck, sie sind der größte Wirtschaftsbetrieb, aber zugleich auch ein Monopolbetrieb; sie sind wie die Adern im ö Körper und haben wichtige Funktionen für die Wohlfahrt des Ganzen zu erfüllen. Das Monopol darf nicht ausgenutzt werden, aber die Eisenbahnen müssen auch das erhalten, was sie brauchen; sie können nicht zwei Mark ausgeben und nur eine Mark dafür einnehmen. Bis zum eüaxme⸗ waren die Ausgaben der Eisen⸗ bahnverwaltung mit den Einnahmen im üaeva.; aber das erste Revolutionsjahr war auch das erste große „ ahr. Der Minister hat selbst das Wort von der Inflation mit Ar eitskräften in seiner Verwaltung branche wozu auch der Achtstundentag in einer “ rchführung mit beigetragen hat. Die bime an und Moral sind durch die Revolution stam erschüttert worden. Bei den Diebstählen sind wir statt der früheren durch⸗ schnittlichen fünf Millionen im ersten Revolutionsjahr auf die un⸗ eheure Summe eines Wertes von 336 Millionen gestiegen. Der
inister hat in einer Den 22 darauf hingewiesen, daß mindestens hunderttausend Menschen in seinem triebe zuviel sind. Allein durch den Achtstundentag mußte das Personal um 30 Prozent vermehrt werden. Aus den Ausführungen des Abg. Brunner ging hervor, daß 8 die Mehrheitssozialdemokratie nur noch im Prinzip auf dem Achtstundentag besteht, dagegen die allge⸗ meine schematische Durchführung nicht mehr will. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Bei der Eisenbahn gibt es schlagende Beweise dafür, daß der schematische Achtstundentag nicht überall eingeführt zu werden braucht, z. B. bei manchen Schranken⸗ wärtern. Auch in unserer arlamentarischen Arbeit können wir ja mit dem Achtstundentag nicht mehr auskommen. (Zuruf links: Sie wollen wohl acht Stunden reden ?) Nein, das beabsichtige ich nicht, aber einer der Ihrigen Gu den Sozialdemokraten) hat hier einmal neun Stunden V18 Ich möchte den Minister fragen, ob nicht einmal die Frage des Streikrechts bei den eamten und Ange⸗ stellten der Eisenbahn endgültig entschieden werden soll. Reichs⸗ dienst ist Dienst am ganzen Volk, und hier kann es unter keinen Umständen ein Streikrecht geben. Vielmehr müßte ein Streikver⸗ bot erlassen werden. (Große Unruhe auf der äußersten Linken.) Entscheidend für die Ergebnisse des Eisenbahnbetriebes ist die Lage des gesamten Wirtschaftslebens. Meine Freunde stimmen dem Etat zu und hoffen, daß wir im nächsten Jahr einen besseren Etat
inden werden. (Beifall rechts.)
Reichsverkehrsminister Groener: Mehrere der Herren Redner haben die verspätete Vorlage des Etats 1920 dem Finanz⸗ minister aufs Kerbholz geschrieben. Ich möchte doch ganz besonders hervorheben, daß wir beim Finanzministerium in der Fertig⸗ stellung unseres Etats die allergrößte Förderung gefunden haben. Wenn es nicht so schnell gegangen ist, wie das wohl erwünscht gewesen wäre, so ist das auf die lolossale Arbeitsüberlastung des Reichsfinanzministeriums zurückzuführen.
Was einzelne Punkte anbelangt, die die Herren Redner vor⸗ getragen haben, so darf ich folgendes bemerken: In der Frage der Schalteröffnung werde ich nachforschen, wie die Sache zusammen⸗ Die Bestimmungen der Verkehrsordnung sind ja da, daß bei verkehrsreichen Stationen mindestens eine Stunde, bei andern mindestens eine halbe Stunde vorher der Schalter geöffnet sein muß. Selbstverständlich hat jeder Bahnhofsvorsteher die Möglich⸗ keit, wenn er sieht, daß ein Andrang des Publikums zu den Schal⸗ tern stattfindet, sofort geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Der⸗ jenige Bahnhofsvorsteher, der nicht aus eigener Initiative dazu greift, sondern zuerst eine Verfügung erwartet, ist nach meiner Ueberzeugung nicht an seinem Platze. (Sehr richtig!)
Was den Andrang der Reisenden in den Vorhallen der Bahn⸗ höfe anbetrifft, so ist das natürlich eine sehr ůüble Erscheinung. Sie hängt aber meist mit den baulichen Verhältnissen zusammen, und wir sind leider zurzeit nicht 8 der Lage, bei den Personenbahn⸗
öfen große Umbauten vorzunehmen.
8 28 s. der Bahnanlagen in dem westlichen Industrie⸗ gebiet ist unsere ganz besondere Sorge. Ich werde bald nach Ostern mit den in Frage kommenden Direktionen im Ruhrgebiet persönlich zusammenkommen, um festzustellen, welche Maßnahmen wir treffen müssen, um die Bahnanlagen dieses Industriegebiets leistungsfähiger zu machen. Meines Erachtens ist da mancherlei
nachzuhbolen. (Sehr richtig!) Ich stimme mit dem Herrn Abg. Dr. Reichert durchaus über⸗
ein, daß wir unsern Etat erheblich durchsichtig
ständige
und daß wir ihm auch statistische Unterlagen beigeben müssen. Es ist sehr bedauerlich, daß infolge der Kriegszeit und Revolutions⸗ zeit die Statistik nicht mit der Genauigkeit geführt werden konnte, wie das in normalen Zeiten durchaus notwendig ist.
Es ist die Frage des Streikrechts der Beamten hier berührt worden. Die Reichsregierung hat in dieser Beziehung einen klaren und festen Standpunkt eingenommen und ausgesprochen. Ich als Ressort⸗ und Eisenbahnminister habe nicht den mindesten Anlaß, auch nur einen Strich von dieser Stellungnahme abzuweichen; ich habe auch in dieser Beziehung meine Stellungnahme dem Personal sehr nachdrücklich zur Kenntnis gebracht. (Bravo!)
Die Rückwirkungen der sogenannten Sanktionen auf den Eisen⸗ bahnverkehr lassen sich zurzeit noch nicht beurteilen. Ich bin also nicht in der Lage, darüber eine Meinung endgültig abzugeben. Ich beobachte aber persönlich die Verhältnisse sehr eingehend und stehe in dauernder Verbindung mit dem betreffenden Eisenbahnpräsi⸗ denten, lasse mir über jede Einzelbewegung genau Bericht er⸗ statten, so daß wir rechtzeitig eingreifen können.
Auf dem Gebiete des Ersparniswesens sind umfangreiche Maß⸗ nahmen seit Monaten auf allen Gebieten eingeleitet. Es gibt kein Gebiet, wo wir nicht sparen müssen, und wir müssen den Spar⸗ samkeitssinn, der im Kriege und in der Revolutionszeit durchaus verlorengegangen ist, wieder in unser ganzes Personal ein⸗ hämmern. Wir sind dabei, und ich verspreche mir davon ganz erhebliche Wirkungen. (Beifall.)
Abg. Dr. Quaatz (D. B.): Unsere gesamte Verkehrspolitik ist beeinflußt durch die Politik des Feindbundes. ee maßnahmen und die Errichtung einer Zollgrenze auf der rechten Rheinseite werden voraussichtlich besondere Eisenbahnanlagen not⸗ wendig machen. Unser Verkehrswesen leidet an der Blutleere aus dem Friedensvertrage, das beste Material ist uns verloren⸗ gegangen. Die Friedensleistungen der Eisenbahnen sind erst zu vier Fünftel wieder erreicht. Bedauerlich ist es, v 1 Erhöhung der Einnahmen erst jetzt eintreten soll, wo das Wirtschaftsleben darniederliegt. Die Leistung der einzelnen Beamten und An⸗ esstellten muß erhöht werden, dazu gehört ausreichende Bezahlung. Da wir infolge unserer unglücklichen Außenlage nicht dazu im⸗ venae. sind, muß der Nutzeffekt erhöht werden durch Verminderung es Personals, da dann auch eine bessere Entlohnung eintreten kann. Der Reparaturstand ist immer noch ungünstig, der Nutz⸗ effekt der Werkstättenarbeit muß hoben werden. Besonderes Interesse verdient die Hebung des Seeverkehrs.
Reichsverkehrsminister Groener: Die Reichsverkehrsver⸗ waltung sieht es als ihre ganz besondere und dringliche Aufgabe an, dafür zu sorgen, soweit ihr das möglich ist, daß unser Ueber⸗ seeverkehr wieder in Gang kommt. In dieser Beziehung habe ich ja auch mit den Vertretern der Hansestädte mich an Ort und
Stelle schon ausgesprochen, und wir tun alles, was geschehen
kann, um den Hansestädten zu helfen. Volkspartei.)
Was die Zentrale anlangt, so hat der Herr Abgeordnete Dr. Quaatz empfohlen, bei dem Abbau auch von oben anzufangen. Ich möchte meine Meinung augenblicklich dahin aussprechen: wenn ein Vergleich zwischen den verschiedenen Zentralen hier in Berlin und ihrem Anwachsen gezogen wird, so glaube ich, daß die Reichsverkehrsverwaltung dabei recht gut abschneiden wird. Wir haben uns bemüht, die Zahl der Beamten möglichst klein zu halten, und auch räumlich sind wir bis auf den heutigen Tag so bescheiden geblieben, wie früher das preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten und das Reichseisenbahnamt zusammen waren. Wir waren also bemüht, auch räumlich uns nicht auszu⸗ dehnen. Jetzt allerdings müssen wir uns auch in dieser Be⸗ ziehung etwas strecken. Sonst aber soll alles geschehen, um die Bildung eines Wasserkopfes an der Zentrale zu vermeiden. Ich selbst hasse diese Wucherungsbestrebungen an der obersten Spitze, weil ich der Auffassung bin, daß dadurch nicht bessere Arbeit ge⸗ leistet wird, sondern nur mehr Arbeit, die in der Regel an anderer Stelle sehr viel sachkundiger geleistet werden kann. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.)
Durchaus zustimmen kann ich dem Grundsatz, nicht in der Menge des Personals, sondern in hochqualifiziertem und gut be⸗ zahltem Personal den Kern der ganzen Personalpolitik zu er⸗ blicken. (Bravo! rechts.) Wir streben in der Richtung dasselbe an, was der Herr Vorredner empfohlen hat.
Auch den Weg des technischen Fortschritts lassen wir durchaus offen. Die Konstrukteure sollen nicht etwa hier in Berlin allein sitzen, sondern wir haben bei der Bildung der Fachausschüsse durchaus die früheren Eisenbahnverwaltungen, insbesondere die füddeutschen, berücksichtigt und legen großen Wert darauf, daß bei diesen technischen Maßnahmen die Entscheidung nicht hier in Berlin allein getroffen wird, sondern daß in erster Linie auch die Erfahrungen der Praxis draußen im Lande zur Geltung kommen.
Wir sind bezüglich der Ersparnisprämien derselben Meinung wie der Herr Abgeordnete Dr. Quaatz. Wir haben auf verschie⸗ denen Gebieten diese Prämien in die Wege geleitet, z. B. ein be⸗ sonderes System bei der Aussetzung von Prämien für die Lokomotivführer und Heizer. Vor allem aber legen wir den allergrößten Wert darauf, daß die Lokomotiven wieder mit ständigem Personal besetzt werden. Doppelte Besetzung jeder Lokomotive gewährleistet die beste Ausnügung der Kohle; in dieser Beziehung kommen wir von Woche zu Woche weiter. Ich hoffe, daß die Wirkung der Auregungen in dieser Beziehung sich auch wirklich in Bälde durch die Leistungen bemerkbar machen wird. (Sehr gut! rechts.)
Noch eins zu der Entschließung auf Drucksache Nr. 1678 unter Da Ziff. 4 unter a 2. Vom Haushaltsausschuß ist folgende Entschließung angenommen worden,
die Reichsregierung zu ersuchen, Fahrpreisermäßigungen für Fahrten zum Besuch der Volkshochschulen einzuführen. Ich möchte vor dieser Bestimmung doch warnen. Denn da für den Besuch der Volkshochschulen keinerlei Voraussetzung vorhanden ist, diese Schulen von jedermann ohne irgendwelchen Nachweis der Notwendigkeit oder der Befähigung oder in anderer Be⸗
(Bravo! bei der Deutschen
ziehung besucht werden eta so ist durch ine solche Bestimmung
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