1921 / 144 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jun 1921 18:00:01 GMT) scan diff

8 Umfangreicher Ausführungen dazu wird es keines denn der Entwurf hat ja eine sehr lange Ge⸗ Erörterungen Wider dieses Entwurfs, seines Grundgedankens und aller zur Lösung der Wohnungsfrage in Betracht kommenden Möglichkeiten Schließlich war das Ergebnis, daß die Ueber⸗ zeugung von der Notwendigkeit eines Gesetzes, wie wir es jetzt vorliegen haben, Gemeingut geworden ist, soweit überhaupt hier von Gemeingut der Ueberzeugung gegenüber Steuer gesprochen werden kann. Maßgabe wie die zur Debatte stehende Wohnungsabgabe an sich immer und von jedem als ein schweres Uebel empfunden werden. Auch die Reichsregierung beurteilt sie keineswegs anders. haben hier aber nur die Wahl zwischen mehreren Uebeln, und wir glauben, indem wir diesen Gesetzentwurf dem Reichstag unter⸗ breiten, das kleinere Uebel gewählt zu haben.

Wir glauben sogar, daß wir diesem Gesetz auch noch eine Reihe guter Seiten werden abgewinnen können. Ja, mehr als das. Ich glaube, wir folgen eigentlich nur dem Zwange der Ver⸗ hältnisse, wenn wir die vor dem 1. Juli 1918 fertiggestellten Gebäude und Wohnungen mit einer Abgabe belegen. Das ergibt sich ganz klar m. E. schon aus der Geschichte dieses Gesetzes.

Schon im Dezember 1919 traf die Reichsregierung mit dem Haushaltsausschuß der Nationalversammlung eine Vereinbarung, die dahin ging, daß 500 Millionen Mark für Wohnungsbau zur Berfügung gestellt werden sollten, sofern durch eine Ab⸗ vom bebauten schaffen würde.

jahrelangen

beraten worden.

irgendwelcher Art Selbstverständlich

Grundbesitz Deckung ge⸗ Daraufhin machte die damalige Regierung den ersten Entwurf einer Wohnungsabgabe, und zwar mit wesent⸗ lich höheren Sätzen und mit dem Zweck der unmittelbaren Deckung der Baukostenzuschüsse durch die Abgabe. damals den Grundgedanken der Vorlage bereits anerkannt. war nur mit dem eingeschlagenen Wege nicht zufrieden, und so kamen damals zwei unterschiedliche Vorlagen, eine des Reichsrats und eine der Reichsregierung, an die Nationalversammlung. Die Nationalversammlung hat dann diese beiden Vorlagen nicht mehr behandelt, wenigstens nicht im Plenum. recht erinnere, nur zu kurzen Debatten in dem Ausschuß über diese Vorlagen gekommen.

Dem Reichsrat wurde dann im Juli 1920 ein dritter Entwurf unterbreitet, der nach erneuten Beratungen mit den Ländern aus⸗ Dieser Entwurf ist dann auch im Reichswirt⸗

Auch der Reichsrat hat

Es ist, wenn ich mich

gearbeitet war. schaftsrat begutachtet worden.

Seitdem ist ein ganzes Jahr hingegangen. Unausgesetzt ist über diese Materie während dieses Jahres verhandelt worden; innerhalb der Regierung, innerhalb des Reichswirtschaftsrats, im Ausschuß sowohl wie im Plenum, dann wiederum innerhalb des Reichsrats, auch wiederum im Ausschuß und im Plenum, dann im Wohnungsausschuß des Reichstags, dann in einem Unteraus⸗ schuß dieses Ausschusses, dann in Zusammenkünften mit Sachver⸗ ständigen. Kurzum, es gibt sicherlich nur wenige Gesetzesvorlagen, die so eingehend nach allen Seiten durchgeprüft worden sind wie gerade die vorliegende Gesetzesvorlage.

Und nun das Ergebnis aller dieser Beratungen? Als im Frühjahr 1921 die Wohnungsnot auf das höchste gestiegen war, als die wachsende Arbeitslosigkeit uns dazu zwang, die Bautätig⸗ keit zu fördern, und als für diesen Zweck doch keine Mittel zur Verfügung standen, sahen sich damals Reichsrat und Reichstag mit Zweidrittelmajorität das bekannte vom 12. Februar 1921 zu erlassen.

Mit diesem Notgesetz, betreffend vorläufige Förderung des Wohnungsbaues, war die Wohnungsabgabe im Prinzip und tatsächlich gegeben. Es blieb uns nur noch eine gewisse Wahl hinsichtlich der Mittel und Wege ihrer Durchführung. wir heute das vorliegende Gesetz nicht beschließen, dann würde eben dieses Notgesetz doch weiter bestehen. jetzt vorliegende Entwurf ist lediglich die Folgerung aus dem Not⸗ gesetz vom 12. Februar, und ich darf das wohl sagen er er⸗ scheint uns als eine wesentliche Verbesserung dieses Notgesetzes, und gerade darum legen wir Wert auf seine Verabschiedung.

Meine Damen und Herren! Ich darf also aus dem Gesagten schließen, daß schon diese ußeren Gründe für die Berechtigung und Notwendigkeit der geplanten Wohnungsabgabe sprechen. Dazu kommen aber sehr wichtige innere Gründe. seitigung der Wohnungsnot wie zur Behebung der Bautätigkeit bedürfen wir wenigstens für die absehbaren nächsten Jahre noch sehr großer Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln. Steuererleichterungen genügen für sich allein keineswegs, um den rein privaten Wohnungsbau in Gang zu bringen. geht das auf dem Wege der völligen Freigabe des Woh⸗ Auf diesem Wege, der ja vielfach vor⸗ geschlagen wird, würden die Mieten stark steigende Tendenz zeigen. Da die Baukosten heute auf das Zehn⸗ bis Zwölffache des Friedensstandes gestiegen sind, würden die Mieten einem Betrage zustreben, der diese Summe angemessen berenten würde. dings würden bei unserer wirtschaftlichen Gesamtlage wohl wenig Leute in der Lage sein, solch hohe Mieten, wie sie durch eine Steigerung auf das Zehn⸗ bis Zwölffache entstehen würden, zu Infolgedessen würde auch das nicht eintreten, was die Befürworter der freien Wirtschaft wollen, nämlich, daß die private Bautätigkeit wieder rentabel würde. Wir würden also Mietsteigerungen weit über die gestiegenen Selbstkosten des alten Hausbesitzes hinaus haben, damit steigende Grundstückspreise, wachsende Hypothekenverschuldungen, aber keine (Sehr richtig! im Zentrum.) Das Privatkapital würde, wie jetzt, nur ausnahmsweise bauen können, nämlich dann, wenn es nicht auf Rentabilität sehen müßte. Risiko des Bauens von Mietswohnungen würde dadurch nicht beseitigt sein. Mit Rücksicht auf das mögliche spätere Sinken der Rentabilität würden auch die nötigen Hypotheken gar nicht zu er⸗ Wir hätten also dann hohe Mieten, aber verhältnis⸗ mäßig wenig Neubauten; die Neubautätigkeit würde sich vornehm⸗ lich dem Bau sogenannter vornehmerer Bauten, die zur Eigen⸗ benutzung dienen würden, zuwenden, eine Erscheinung, die sozial gewiß wenig wünschenswert wäre. lichen Folgen der angedeuteten gewaltigen Mietserhöhung für Löhne und Gehälter sowie für unser gesamtes Wirtschaftsleben will ich gar nicht weiter reden.

Notgesetz

Der dem Reichstag

Sowohl zur Be⸗

Irgendwelche

Noch weniger

nungsmarktes.

(Sehr richtig! im Zentrum.)

Neubautätigkeit größeren Stils.

halten sein.

Von den übrigen miß⸗

rartige Folgen einer Freigabe ohnungsmarktes und des Baumarktes liegen ja allzu

Demnach sind die Ueberteuerungszuschüsse aus öffentlichen Mitteln nicht zu umgehen. Daß diese aber auf die Dauer ohne jedwede Deckung geleistet werden könnten, ist ebenfalls völlig ausgeschlossen.

Nun hat man hin und her überlegt, wie diese Deckung auf einem anderen Wege als dem der vorgeschlagenen Wohnungsabgabe zu gewinnen sei. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß man trotz dieses jahrelangen Suchens nach anderen Wegen keinen gang⸗ baren Weg entdeckt hat. Sie finden alle die Bemühungen, um einen solchen Weg zu finden, genau dargelegt im Bericht des 13. Ausschusses unter Nr. 1930 der Drucksachen. Ich kann mich in diesem Zusammenhang darauf beziehen. Ich will lediglich eins hinzufügen: daß nämlich jede Art der Sozialisierung des Wohnungswesens, sofern man dabei die Kosten der Neubauten aufbringen will und das muß man doch dabei ins Auge fassen, selbstredend auch an einer Steigerung der Mieten für diesen Zweck nicht vorbeikommen würde. Kurzum, ohne Steigerung der alten Mieten erweist sich ein Wohnungsneuban als praktisch unmöglich. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.)

Ich halte eine Steigerung der Mieten aber auch aus anderen Gründen für unvermeidlich. Das tägliche Brot und die Woh⸗ nung haben wir aus guten Gründen durch die Zwangswirtschaft künstlich im Preise niedrig gehalten. Wir sind uns auf Grund jahrelanger Erfahrungen darüber klar, daß diese Politik ihre natürlichen Grenzen hat. Mit einer Steigerung des Wertes der alten Wohnungen muß demnach auf die Dauer ohnehin gerechnet werden als einer infolge des gesunkenen Geldwertes unvermeid⸗ lichen Tatsache.

Daß der durch die Geldentwertung entstehende höhere Miets⸗ preis grundsätzlich nur den Hauseigentümern zuzuführen wäre, hat eigentlich niemand ernstlich zu vertreten gewagt. Im Gegenteil, uns zwingt der Art. 155 der Reichsverfassung, den un⸗ verdienten Mehrwert tunlichst der Allgemeinheit dienstbar zu machen. Meine Damen und Herren! Niemand wird behaupten wollen und können, daß der Teil, den wir durch die vorgeschlagene Wohnungsabgabe den Interessen der Allgemeinheit dienstbar machen wollen, zum Schaden der Hauseigentümer und ihrer be⸗ rechtigten Forderungen zu hoch gegriffen wäre. -

Aber auch die Mieter haben angesichts der wirtschaftlichen Gesamtlage keinen Grund zu berechtigten Klagen. So wünschens⸗ wert es an sich auch wäre, ohne Steigerung der Mieten fertig zu werden, darf man doch nicht übersehen, daß der für Wohnzwecke zu verwendende Prozentsatz des Einkommens heute meist viel geringer ist, als er vor dem Kriege war. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Mancher, der früher vielleicht den 5. Teil seines Einkommens für Wohnzwecke verwandte, braucht heute den 12. oder 15. Teil seines Einkommens. (Zurufe: Mehrl) Wenn demnach die Vorlage eine Gebäudenutzungsabgabe für Bauzwecke vorsieht von 5 Prozent für die Länder, 5 Prozent für die Gemeinden, also im ganzen 10 Prozent des Nutzungswertes des Jahres 1914, so folgt sie damit nur in ganz bescheidenem Maße der Geldentwertung und dadurch unvermeidlich gewordenen Umwertung aller Werte. Soweit aus diesem Vorgehen Folgen für Löhne und Gehälter unvermeidlich werden, gehört auch dies zur notwendigen Sanierung unseres Wirtschaftslebens.

Die Regierung hat sich nun während der Vorbereitung des Gesetzes unausgesetzt bemüht, die leistungsschwachen Schichten der Bevölkerung von der Abgabepflicht aus⸗ zunehmen. Das wäre gesetzestechnisch einfach gewesen, solange die Abgabe beim Nutznießer des betreffenden Gebäudes erhoben worden wäre. So wollte es ja auch die erste Regierungsvorlage. Nachträglich ist auf Wunsch der Länder auch die Erhebung auf dem Wege über die Grundsteuer beim Grundbesitzer vorgesehen worden. Diese Lösung erschwerte die Berücksichtigung der leistungsschwachen Wohnungsinhaber natürlich beträchtlich. Da aber allen beteiligten Faktoren der ernste Wille der Verständigung eigen war, ist schließlich doch ein Weg gefunden worden, um den sozialen Belangen möglichst Rechnung zu tragen. Es soll näm⸗ lich für gewisse Fälle ein Erstattungsanspruch gegeben werden. Als Vorbild hat dabei der § 44 des Einkommensteuergesetzes ge⸗ dient, welcher eine Berücksichtigung wirtschaftlich schwacher Kreise bei der Kapitalertragssteuer vorsieht. Außerdem soll die Gr⸗ stattung erfolgen, wenn die Erhebung der Abgabe wegen Krank⸗ heit oder Erwerbslosigkeit des Abgabeschuldners eine besondere Härte bedeuten würde. Der entsprechende Antrag der Parteien, wie er dem hohen Hause vorliegt, findet die volle Zustimmung der Reichsregierung.

Ich darf mich dann aus diesem Anlaß auch noch zu einer Reihe anderer Anträge äußern, die vorliegen. Ich komme zu⸗ nächst auf den Antrag unter 1945 Müller (Franken) und Genossen, der eine Abänderung des § 1 bezweckt. Dem Antrag kann sich die Regierung vollinhaltlich anschließen, weil er durchaus der Tendenz des Gesetzgebers entspricht. Auch wir wollen nicht, daß öffentliche Mittel zur Befriedigung privater Gewinnsucht gebraucht werden.

Hinsichtlich der Anträge Aderhold und Genossen auf 1959 glauben wir, die Fassung der Regierungsvorlage vorziehen zu müssen. Insbesondere ist es uns wichtig festzustellen, daß wir, so sehr wir auch den Grundsatz betonen müssen, daß die öffent⸗ lichen Mittel nicht zu privaten Gewinnzwecken gebraucht werden sollen, doch glauben, hervorheben zu müssen, daß unter allen Umständen das private Eigentum an solchen Bauten nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Selbstverständlich muß in diesen Ausnahmefällen dafür gesorgt werden, daß hierbei private Ge⸗ winnsucht kein Feld findet. Das habe ich ja eben ausgeführt. Und das tut auch unsere Vorlage. Wir können aber nicht so weit gehen in diesem Punkte, wie es der Antrag Aderhold in Ziffer 1 tut.

Die Resolution Dr. Maretzky, Dr. Most auf Drucksache 1976 bittet die Regierung, nicht anzunehmen. Was diese Entschließung wünscht, ist eigentlich bereits durch den Wortlaut der Gesetzes⸗ vorlage vorgesehen. Es heißt ja in der Gesetzesvorlage, daß die Abgabe erhoben werden soll zur Förderung der Wohnungs⸗ beschaffung. Da ist also gar keine Grenze gesetzt. Wo es sich bei Umbauten, Erweiterungsbauten und Notbauten um Wohnungen handelt, die wirklich dauernd Wohnzwecken dienstbar gemacht werden können, geht das bereits auf dem Wege der Vorlage. Würden wir aber so weit, wie es der Wortlaut der Entschließung hier tut, gehen, bestände die Gefahr, daß das Bauprogramm, für das wir jetzt die Mittel aufbringen wollen, auf dem Wege dieser Gesetzgebung gefährdet werden könnte.

*

2 2.

8 N Meine Damen und Herren! Wir halten es ferner ftr b. denlich, die Wirtschaftsgebäude, sei es in der Landwirts haft, sei es; Gewerbe oder im Handel, von der Abgabe vollständig 18 schließen, wie es die Anträge auf 1974 und 1980 bezwecken. Aufkommen aus den Steuern würde äußerst gering wer 8 oder wir würden, wenn wir nach der Annahme solcher Antrig⸗ dasselbe Aufkommen erhalten wollen, natürlich die eigentliche Wohnräume um so mehr belasten müssen, und das wäre eine 8 denkliche Abänderung unseres Gesetzes, die das Gesetz 8 außerordentlich gefährden würde. Ich möchte bitten, auch 8 diesen Anträgen nicht zu bestehen. Die Steuer ist ja verhältnis mäßig so gering, daß diese Sätze auch für die Wirtschaftsgebände immerhin noch erträglich sind.

Ich komme zum Schluß. Nachdem so in langwierigen Ver⸗ handlungen zwischen Reichsregierung, Reichswirtschafts 88 Reichsrat und der großen Majorität des Reichstags schließlich eine Uebereinstimmung hinsichtlich dieser Vorlage erzielt worden ist, bittet die Reichsregierung auch das Plenum des Reichstages dem vorliegenden Gesetzentwurf seine Zustimmung zu geben Wir richten diese Bitte recht eindringlich an Sie, damit de Finanzierung der Bautätigkeit endgültg gesichert ist, und damit wir auch auf diesem Wege der Arbeitslosigkeit, soweit wie mög⸗ lich, steuern. (Beifall.) 8 8

120. Sitzung vom 22. Juni 1921, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“))

Auf der Tagesordnung steht als erster Punkt die gestern eingebrachte IJnterpellation des Zentrums, be⸗ treffend das Grubenunglück auf Mont Ceniz bei Herne.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Meine Damen und Herren! An der Beantwortung der Interpellation wird das preußische Handelsministerium, dem die Bergwerksinspektion untersteht, natur⸗ gemäß beteiligt werden müssen. Die Untersuchungen des preußischen Ministeriums in der Angelegenheit sind in vollem Gange. Wir hoffen, daß sie noch in dieser Woche ihren Abschluß finden werden und daß dann die Beantwortung der Interpellation in den ersten Tagen der nächsten Woche, also am Montag oder Dienstag vor⸗ genommen werden kann. 1

Die Regierung möchte aber schon diesen Anlaß benutzen, um von dieser Stelle aus den hartgeprüften Opfern dieser Katastrophe ihr herzlichstes Beileid auszudrücken, und ist der Ueberzeugung, daß das hohe Haus sich dieser Beileidskundgebung anschließen wird. (Zu⸗ stimmung.)

Präsident Löbe teilt mit, daß auch von der Uncöhhmgen Sozialdemokratie eine Interpellation in der gleichen Angelegenheit eingegangen ist, ferner ein Antrag dieser Partei auf Einsetzung einer Uünberfachnstomm sion. Der Präsident regt an, alle drei Gegen⸗ stände Anfang nächster Woche gemeinsam zu beraten.

Abg. Ledebour (U. Soz.) wünscht, daß die Untersuchungs⸗ vormiffion sofort eingesetzt werde, das könne ohne Aussprache ge⸗

chehen. . b

Abg. Hue (Soz.) schließt sich dem Wunsche des Abgeordneten Ledebour an, im übrigen möge die Reichsregierung dafür Sorge tragen, 80 zu der Untersuchung durch das heec ae Ministerium

auch die Arbeitervertreter herangezogen werden.

Präsident: Das Wort hat der Herr Reichsarbeitsminister.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Ich werde den zuletzt ausgesprochenen Wunsch dem preußischen Handelsministerium sofort übermitteln. In erster Linie ist natürlich das preußische Handels⸗ ministerium für diese Untersuchung zuständig und hat sie auch schon eingeleitet. Ich werde also Ihren Wunsch sofort übermitteln. (Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Drücken Sie ein bißchen darauf!)

Der Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungs⸗ kommission wird nach Drucklegung gegebenenfalls noch heute erledigt werden.

Eine Novelle zur Reichsversicherungs⸗ ordnung wird ohne Aussprache dem 6. (sozialen) Ausschuß überwiesen.

Ein Gesetz über die Abwicklung von Kriegsgesellschaften und Kriegsorgani⸗ sationen geht an den volkswirtschaftlichen Ausschuß.

Eine Novelle zum Gesetz, betreffend die Ein⸗ und Ausfuhr von Kriegsgerät, wird ohne Aussprache in allen drei Lesungen verabschiedet.

Der Entwurf eines Fernsprechgebühren⸗ gesetzes geht an den 27. Ausschuß (den Ausschuß zur Be⸗ ratung der Postgebühren).

Sodann folgt die dritte Lesung des Gesetz⸗ entwurfs über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaues iets⸗ steuergese tz). V

Eine allgemeine Aussprache findet nicht statt. .

Das Gesetz wird unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen. Die wiederholt eingebrachten Antrüge der Deutschnationalen, die landwirtschaftlichen Grundstücke auszunehmen, und der gleichfalls erneut eingebrachte Antrag der Unabhängigen, wonach der Privatbesitz bei den mit Hilfe dieses Gesetzes errichteten Gebäuden überhaupt ausgeschaltet werden sollte, wurden abgelehnt.

Die Gesamtabstimmung wird noch vertagt, da das Haus noch nicht genügend besetzt ist. Es ist nämlich eine Fwe⸗ drittelmehrheit erforderlich, weil es sich um eine Verfassungs⸗ änderung handelt. üb

Es folgt die zweite Lesung des Gesetzes üͦ er den Volksentscheid. 9

u § 27 befürwortet

Brodauf (Dem.) einen Zusatzantrag, wonach bei 669 Volksinitiative es der ÜUnterschrift von hunderttausend Skänan berccheicesn bedarf, während nach der Vorlage nur die Unterschr von erforderlich ist. 1 füt

Ministerialdirektor Frhr. v. Welser erklärt Hü. Antrag be⸗ unnötig, wenn auch die Ziffer von als willkürlich zu trachten sei.

Nachdem Abg. Schmidt⸗Sachsen (Soz.) den Autug als undemokratisch bekämpft und Abg. Brodauf seinen ächt trag nochmals empfohlen hat, wird die Beratung zunse unterbrochen und, da das Haus inzwischen sich stark gefüll 5 die namentliche Abstimmung über das Müstrauemaht gegen den Reichskanzler vorgenommen, das gestern 1r 8. der Beamteninterpellation von den Deutschnationalen tragt worden ist.

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen nadet

n

der Herren Minifter, die im Wortlaute wiedergegeben snd

11414141416““

Phrch eines höchsten

das Mißkrauensbotum wird mit 210 gegen „ztimmen abgele hnt; 45 Mitglieder (Deutsche beks artei) enthalten sich der Abstimmung. Nach der Ab⸗ Lollsh gibt der Abg. Plettner (Komm.) die Er⸗

cneunn 8 Nramn,- raktion der Vereinigten Kommunistischen Parteien hat Behißtrauensvotum gestimmt, weil die Reichsregierung den gzbeschluß vom 11. Mai mißachtet und dadurch gegen die rfaffung berstoßen hat, nicht aber, um damit die demagogische ion der utschnationalen (stürmische Heiterkeit) zu

n. erauf wird in der Gesamtabstimmung auch das n Erhebung einer Abgabe zur des Wohnungsbaues gegen die kinmen der Unabhängigen Sozialdemokraten und Kommu⸗ iien angenommen. .

Darauf fährt das Haus in der zweiten Beratung „Gesetzentwurfes über den Volksentscheid 27, Der Antrag Brodauf zu § 27 wird abgelehnt, ig. und der Rest des Gesetzes in der zweiten Lesung ohne zere Erörterung unverändert nach den Ausschußvorschlägen mnommen. In der sofort anschließenden dritten Be⸗ vang findet eine Einzelerörterung nicht mehr statt; das et im ganzen gelangt einstimmig bei einer Anwesenheit nünehr als ¾ der Mitglieder des Reichstages zur An⸗ es folgt die zweite Beratung des Gesetzent⸗ sorfes über Beschränkung des Luftfahr⸗ wqabaues.

der Entwurf wird nach den Vorschlägen des 9. Aus⸗ aises ohne Erörterung in zweiter und sofort auch in dritter aang endgültig mit folgender Entschließung angenommen: Aecchsregierung zu ersuchen, die Entschädigung möglichst dege des Vertrages mit dem Unternehmertum unter Zu⸗ ung von Vertretern der Arbeiter und Angestellten festzu⸗ egen. 2 Vorlage über den E“ des genzaussichtspersonals der Reichsfinanz⸗ waltung hat der Rechtsausschuß unverändert ange⸗ unen und folgende Entschließung vorgeschlagen: die sechsregierung zu ersuchen, den Waffengebrauch des Militärs n der Baamten baldigst einer zusammenfassenden gesetzlichen fegelung zuzuführen. 1 b

Ddie Unabhängigen Sozialdemokraten jen im § 1 der Vorlage die verschärfende Bestimmung über „Paffengebrauch gegen Flüchtende zu streichen beantragt. Sozialdemokraten beantragen für den Fall der iehnung dieses Antrags, folgenden Zusatz zu machen: Bei linnbar geringfügigen Verfehlungen darf von der Waffe iit Gebrauch gemacht werden.

gha. Ristau (U. Soz.) wendet sich gegen die im § 1 enthaltene föagfnng 8 hd. F91),n Vren en lberung. In den Grenz⸗ geim habe sich der kleine Schmuggel wesentlich verstärkt, die Grenz⸗ wojner seien darauf angewiesen, diesen kleinen Schmuggel vor jen mit Lebensmitteln zu betreiben. Je größer die Not, des Volkes ande, desto mehr nehme auch 5. Schmuggel zu. Die Verschär⸗ e würde diesen Teil der Bevölkerung und namentlich die Kinder Opfern der neuen Bestimmung machen.

Abg. Dr. Radbruch (Sos befürwortet die Annahme des An⸗ oder des Eventualantrags, um der Wiederholung so be⸗ gerewerter Fälle wie z. B. des Falles Sült vorzubeugen.

Nach Ablehnung beider Anträge wird die Vorlage unver⸗

dert mit der erwähnten angenommen. Der

forigen Vornahme der dritten Lesung widerspricht

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Nachdem die Mehrheit alle emühungen een hel dem SSoehcen auf der Flucht ein Ende nahen, nachdem sie so denen, die weiter morden wollen (Große arche rechts), freie Hand zu geben Miene gemacht hat, widersprechen der dritten esung, um den Versuch zu machen, wenjgsten noch eige Mitglieder der bürgerlichen Parteien für unser Bestreben zu

Es folgt die zweite Lesung des Gesetzent⸗

gurfs über den Staatsgerichtshof. Zu dem⸗ len liegen sechs Abänderungsanträge vor. Die Unabhängigen Sozialdemokraten be⸗ tagen hierzu, daß die Mitglieder des Staatsgerichtshofes n Gerichtshof gewählt werden sollen.

Der Antrag wird abgelehnt.

ur § 3 begründet 8

vbg. Radbruch (Ses. einen Antrag seiner tei, wonach Staatzgerichtshof zuständig sein soll, zu verhandeln und zu ent⸗

über Anklagen des Reichstages, die ein Staatsbeamter oder Mitglied der bewaffneten Macht durch Verh ung seiner Amts⸗ e Dienstpflicht die Sicherheit oder die Wohlfahrt des Reiches ge⸗ tigt oder schwer gefährdet habe. Redner führt aus: Damit haben edee Gerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofes über die Minister und Keichspräsidenten hinaus erstrecken wollen auf alle Rei und ntshehörden und Militärs, die in Schicksalsstunden des eiches in Geschicke tatsächlich, sei es auch ohne staatsrechtliche Vepant⸗ eiung, zu bestimmen in der Lage sind oder waren. Insbe⸗ ondere b sich diese Vorschrift erstrecken auf die sogenannten Kriegs⸗ lligen, die an dem Ausbruch oder der Verlängerung des Krieges tzuid getragen s Der Entwurf ist ursprünglich der v.

gen, nur die Kriegsschuldigen einem gerichtlichen Verfahren ksiehen, und wir sind nicht gewillt, diesen Gedanken sang⸗ und eaglos zu begraben. Die Kriegsschuld ist ein Giftstegt. der unsere osphäre gefährdet. Der Ertwurf sieht vor eine Mischung von ktern kraft Amtes und Richtern kraft Wahl. Wir wollen wie die ele lediglich 8 kraft di vre Shes zum Uater. von ihnen auch den Reichsrat wählen lassen, und zwar ster, die Fe hch. sind. icher wünschen auch, daß de Berufs⸗ ser in dieser ihrer neuen Funktion vereide werden. „Der Antrag der Sozialdemokraten wird abge⸗ iit und § 2 in der Fassung des Ausschusses angenommen.

Zu § 3 befürwortet „Log. Gräf⸗Chüringen (D. Nat.) einen Antrag, der besagt, daß Stsatzgerichtshof aus dem Präsidenten des Reichsgerichts als ienengen und je einem Mitgliede des Kammergerichts, des Preu⸗ 8 FrsFäneltagFger a, des Bayerischen P thn Landes⸗

its, des Hanseati Oberlandesgerichts und je fünf Rechts⸗ 8 8 und 1 Rechtslehrern niversitäten ain, München, Leipzig, Tübingen und Jena bestehen soll und der Frce der Stellvertretung und die Dauer der Wahl festlegt. dener erklärt: Wir wollen mit diesem Antrag verhindern daß ein tischer Gerichtshof geschaffen wird. Wir wissen nicht daß der dn erichtes irgendwie politisch ist. Das wäre deng in erregten Zeiten der politischen. Wahlen außerordentlich 81 8 ver Nhis en. egea e h Faber⸗ cdhl. e ich andererseits nicht auch gleichzeitig die 1

üe Artra geht auf eine cnoliterung des Staatsgerichtshofes 1e809. Dr Rosenfeld (U, Soz.): Die Mehrheitssoziglisten be⸗ 8 1. § 3, snn 8 8- iles wo es sich um Unklagen des iags gegen den Reichspräsidenten, den 5 und die ir wegen schuldhafter Verletzung der Reichsverfassun oder süchsgese es handelt, der Staatsgerichtshof aus dem Präsidenten 1. als Vorsitzenden und 14 Beisitern bestehen soll, die Stellvertretern je zur Hälfte vom Reichstag und vom Dieser Antrag genügt uns nicht.

Wir

beantragen, daß die Ernennun Außerdem verlangt ein anderer Antrag unserer Partei, daß der Staats⸗ gerichtshof unter aller Oeffentlichkeit tagen soll, und ferner soll der Staagtsgerichtshof nicht, wie es in der Vorlage heißt, „im Namen des Reiches entscheiden, sondern „im Namen des deutschen Volkes“, genau so wie am Giebel dieses Hauses das Volk als Träger der Souveränität bezeichnet ist, muß das auch der Fall beim Staatsgerichtshof sein.

Der Antrag Gräf sowie die Anträge der Unab⸗ hängigen Sozialdemokraten und der Sozialdemo⸗ kraten werden abgelehnt, § 3 bleibt unverändert. Weitere Paragraphen werden debattelos angenommen.

Zu § 16 (Zuständigkeit bei dem Verfahren in verfassungs⸗ rechtlichen Streitigkeiten) bemerkt

Abg. Bazille (D. Nat.): Im württembergischen Landtag 22 die demokratische Mehrheit die Geschäftsordnung und damit auch die Verfassung verletzt. Es handelte sich um die Reihenfolge der Ab⸗ stimmungen. (Der Präsident macht den Redner darauf auf⸗ merksam, daß dies mit der vorliegenden Sache nichts zu tun habe.) Es handelt sich doch um die Frage einer Verfassungsverletzung, und die Sache ist bereits seit einem Jahr beim Staatsgerichtshof an⸗ hängig. 8 möchte dem Hause anheimgeben, zur Fatten Lesung dafür zu sorgen, daß auch im demokratischen Staat, wenn Demo⸗ de und GCe in Frage kommt, Recht vor Gewalt geht.

§ 16 wird angenommen, ebenso debattelos eine Reihe weitever Paragraphen. Zu § 23 a wird ein Antrag Rad⸗ bruch (Soz.) abgelehnt, wonach den Mitgliedern des Ge⸗ richtshofs ein religionsloser Eid abgenommen werden sollte. Angenommen wurde dagegen ein Antrag Hergt (D. Nat.), wo⸗ nach die Mitglieder des Staatsgerichtshofes, soweit sie nicht

Berufsrichter sind, von dem Vorsitzenden bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung zu vereidigen sind. Auf

die Vereidigung finden die Vorschriften des Gerichtsver⸗ foslung gefehen über die Vereidigung der Schöffen ent⸗ prechende Anwendung.

Zu § 28, wonach der Staatsgerichtshof „im Namen des Reichs“ entscheidet, bekämpft Abg. Leutheusser die An⸗ träge der Sozialdemokraten und der Unabhängigen Sozialisten, dafür zu sagen „im Namen des Volkes“, unter Hinweis darauf, daß doch das Reich als Repräsentant des Volkswillens anzusehen sei.

Abg. Rosenfeld bemerkt dagegen, daß ein scharfer Strich zwischen der Kaiserzeit und der neuen Zeit gezogen werden müsse. Auch in der Verfassung stehe, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeübt werde, nicht vom Reiche.

§ 28 wird unter Ablehnung der Aenderung gegen die drei sozialistischen Parteien in der Kommissionsfassung ange⸗ nommen, desgleichen der Rest des Gesetzes.

58 zweiten Beratung steht der Gesetzentwurf, der bestimmt, daß bei der Berechnung der Offizier⸗ und Beamtenpensionen die während des Krieges zurückgelegte Dienst⸗ zeit, 128; sie mehr als sechs Monate be⸗ tragen

Abg. Kahmann (Soz.) erklärt, daß seine Partei diesen Ent⸗ wurf ablehne, da er ein Vorrecht für gewisse Kreise und damit ein Unrecht für die Allgemeinheit schaffe. Die Beamten ständen so⸗ wieso viel günstiger da als die Kriegsteilnehmer aus den Arbeiter⸗ und sonstigen Erwerbskreisen, die vielfach ganz erwerbslos ge⸗ worden seien.

Darauf wird der Gesetzentwurf mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien in zweiter und dritter Lesung an⸗ genommen. 1

Inzwischen ist der zu Beginn der Sitzung eingebrachte Antrag Agnes und Genossen (U. Soz.) im Hause verteilt worden, wonach sofort eine Kommission aus Mitgliedern des Reichstages zur Untersuchung des Unglückes auf Zeche Mont Cenis eingesetzt

werden soll. b 1 1

Abg. Rosemann (U. Soz.): Die Ursache dieses Unglücks muß schnell und restlos aufgeklärt werden. Wie auf Grube Kon⸗ stantin der Große scheint auch hier eine schwere Unterlassung der Berabehörden vorzuliegen. Deshalb bitten wir Sie, dem Wunsche der Bergarbeiter Rechnung zu tragen und durch einen Ausschuß für die Aufklärung des Unglücks beizutragen.

Abg. Hue (Soz.): Zurzeit ist es unmöglich, über die einzelnen Ursachen Darleaungen zu machen, es steht noch nicht fest, ob eine Unterlassung oder ob ein elementares Ereignis das Unglück ver⸗ schuldet hat. Es ist auch noch nicht einmal erwiesen, ob sämtliche Leichen geborgen sind. Fraglich ist es auch, ob die Beantwortung der Interpellation am Dienstag ein vollkommen klares Bild geben wird. Notwendig erscheint uns deshalb die Einsetzung einer Kom⸗ mission, zu der völlig ÜUnbeteiligte heranzuziehen sind. Unzulässig ist es, daß die Untersuchung nur von den Berabehörden vorgenommen wird, die einstweilen als Angeklagte zu betrachten sind. Wir wollen den Bergleuten Gewißheit schaffen, daß ihre Interessen voll gewahrt werden. 4 b“

Aba. Gothein (Dem.): Wir sind alle äußerst erschüttert durch das Unglück, und wir alle haben das dringende Bedürfnis und den Wunsch, Klarheit zu schaffen, damit derartige Unfälle in Zu⸗ kunft nach Möglichkeit vermieden werden. Die Berabehörde als Angeklagte hinzustellen, ist unberechtigt, dem muß ich entschieden widersprechen. Auch die Betriebsräte sind ietzt mitbeteiligt. Es ist sehr wohl möglich, daß sowohl die Behörden als auch die Be⸗ triebsräte durchaus ihre Pflicht getan haben, daß sich das Unglück aber trotzdem ereignet hat. Vielleicht erfahren wir bei Besprechung der Interpellation etwas Näheres. Einen solchen Antrag vom Hause anzunehmen, begeanet schweren Bedenken, zumal der Antrag nicht auf der Tagesordnung gestanden hat, die Regierung keine Kenntnis davon hat und nicht dazu Stellung nehmen kann. Deshalb bitte ich, den Antraa bis nach Erledigung der Interpellation zurück⸗ zustellen. DVonn kommen wir viel eher zur Klarheit. So sehr wir durch das Unalück erschüttert sind und Klarheit schaffen wollen, können wir den Antrag doch nicht annehmen. Desbhalb bitte ich, die Sache zu vertagen.

Abg. Hue (Soz.): Wir sollten eine parlamentarische Unter⸗ suchungskommission einsetzen, und gerade der Abaeordnete Gothein sollte sich angesichts der wachsenden Erregung der Bergarbeiterschaft über die sich häufenden Unfälle nicht sträuben, dem Antrag,. zuzu⸗ stimmen. Der Antrag ist etwas Neues, aber nicht etwas Schlimmes. Mit den Betriebsräten ist auf diesem Gebiete nichts Durchgreifendes zu erreichen, nach der Fassung des Betriebsrätegesetzes und der daraus sich ergebenden Praxis sind die Betriebsräte nichts als weiße Salbe, man beachtet sie kaum, man behandelt sie bereits wie unter dem alten Reaime. Wir haben alle Veranlassung, in einer solchen gründ⸗ lichen Unterfuchung nachzuweisen, daß man die Oeffentlichkeit seit Jahrzehnten über die Zustände im Berabau irreführt. Es ist die Forderung zu erheben, daß die Vertreter der Bergbehörde sofort von der Teilnahme an der Untersuchung suspendiert werden, sie haben kein Recht, sich daran zu beteiligen, sie sind die Schuldigen. (Große Unruhe rechts.) Es handelt sich hier um mehr als um Parteipolitik. as handelt sich um das Leben Tausender von Arbeitern.

Abg. Dr. Breitscheid (U. Soz.): Wir beantragen nun⸗ mehr ausdrücklich die Einsetzung eines parlamentarischen Unter⸗ suchungsausschusses nach Artikel 34 der Reichsverfassung. Dazu ist es nicht nötig, wie Herr Gothein meinte, zunächst die Regierung zu hören. Es handelt sich um einen Willensausdruck des Par⸗ laments, dem das Parlament beitreten muß, wenn ein Fünftel des Reichstags es verlangt. Das Unglück auf der Zeche Mont Cenis ist von einer Größe und Schwere, daß in die Verhältnisse so tief wie möglich eingedrungen werden muß, um die wahrhaft Schuldigen

zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Ein solcher Ausschuß

nur durch den Reichstag erfolgt.

at, anderthalbfach anzurechnen ist.

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hat das Recht, Zeugen und Sachverständige zu vernehmen, und er wird lange Zeit arbeiten müssen, um so nötiger aber ist es des⸗ wegen, einen dahingehenden Beschluß sofort zu fassen, damit die Volksvertretung zeigt, daß sie entschlossen ist, alles zu tun, was zur Aufklärung und zur Sühne erforderlich ist. Abg. Imbusch (Zentr.): Ich bin nicht gegen die Einsetzung einer solchen Kommission, die ich für außerordentlich zweckmäßia halte; ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß die Vorredner übersehen, daß eine Untersuchung, um Erfolg zu haben, in den ersten Stunden nach geschehenem Unglück erfolgen muß. Eine jetzt eingesetzte Kommission kann nur noch Zeugen vernehmen, die unten bei den Aufräumungs⸗ und Bergungsarbeiten zugegen waren, etwas weiteres nicht mehr. Es erscheint mir daher Eeedwabzie wenn wir für die Zukunft eine Kommission haben, welche sofort untersuchen kann, wenn ein Unglück passiert. Auch ich wünsche eine gründliche Untersuchung; aber diese Kommission, die jetzt beantragt ist, wird nicht bringen, was die Vorredner erwarten, weil sie an und Stelle doch nichts mehr feststellen kann. Wenn Herr Hue meint, die Betriebsräte hätten keine Rechte, sie würden schlecht behandelt, so stimmt das zum Teil; aber dann sind sie selbst daran schuld. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Ihre Rechte sind sehr 5 wenn die Leute also tüchtig ind, brauchen 5 sich nicht schlecht behandeln zu lassen. s ist falsch, es so darzustellen, als wenn ihre Rechte gar nichts bedeuteten. Man muß doch auch etwas an das Selbstgefühl der Arbeiter appellieren, die Arbeiter müssen nicht immer alles von der Behörde, von der Regieru verlangen, sie müssen auch selbst ihre mteess vertreten. (Unruhe links. In alter Zeit, als man noch keine Sicherheitsmänner und dergleichen hatte, habe ich versucht, meine Interessen trotz alledem gut zu vertreten, und ich habe die Erfahrung gemacht, daß man auch manches durchsetzen kann, wenn man energisch auftritt. Heute hat doch nun der iter einen ganz anderen Rückhalt. (Unterbrechungen links; Präsident Löbe rügt die srwiscenrufe unter Hinweis darauf daß hier doch em sehr schweres Unglück in Frage steht.) Ich wünschte dringend, daß aus diesem Unglück letzten Endes doch für die Bergleute eine Verbesserung herauskommt, und wenn das geschehen soll, dann sollten wir uns hier nicht herumstreiten und vor allem keine ngen gebrauchen, die geeignet sind, Differenzen heraufzubeschwören. Es ist doch besser r die Bergleute, wenn wir in dieser Frage einig um bitte ich, etwas i.n auch von der 8 zu sprechen. (Zurufe links.) die Schriften von Imbusch kennt, ist anderer Meinung. Ich nehme die Bergbehörden nicht in Schutz, aber man soll sie nicht verurteilen, ohne sie zu hören. B Bauer; Ich möchte die Gelegenheit nicht vorüber⸗ ehen assen, ohne im Namen der Reichsregierung den Hinter⸗ liebenen der Soefff des fürchterlichen Unglücks das herzlichste Beileid guszusprechen. Es ist die Aufgabe der Regierung fästzostenen, ob die Sicherheitsverhältnisse wirklich ausreichend gefestigt sind oder ob neue Maßregeln zur Sicherheit der Bergleute nokwendig sind. Dieserhalb wird die Regierung sich mit den zuständigen Regierungen, besonders mit der preußischen Regierung, in Verbindung setzen und auch dafür eintreten, da Arbeitervertreter bei der Prüfung dieser Frage zugezogen werden. Ueber die Frage, wo Schuld und Fehler liegt, im jetzigen Augenblick zu sprechen, wäre verfehlt. Fßhn richtig! rechtg und im Zentrum.) Wir müssen zunächst einmal Feststellungen darüber abwarten, und dann kann die Regierung Stellu nehmen. Es war bei der Kürze Zeit der Reichsregierung auch nicht möglich, zu dem Antrag, einen parlamentarischen Untersuchungs⸗ ausschuß ein csegen Stellung zu nehmen. (Zuruf links: Das ist doch Sache des Reichstages!) Die veqe.ehes. möchte bei der Er⸗ ledigung dieser Frage doch nicht ganz zusgeschaltet werden. Ich möchte also den Vorschlag machen, die Debatte über diesen Antrag abzubrechen und erst morgen fortzuseßen. ee bei den Un⸗ abhängigen und Zuruf: Seine Geschäs tsordnung bestimmt der Reichs⸗ tag!) Sie können doch in Ruhe mich aussprechen 18 Ich sage also, ich würde es im Interesse der Sache für zweckmäßig halten, die Beratung morgen forlzusetzen, damit morgen auch eine Stellung⸗ nahme der Regierung erfolgen kann. vG“ 1 Abg. Braß (Komm.): Auf dieser Seite ist vicht von einer Schuld oder Unschuld gesprochen worden, das blieb einem Vertreter der Bergbauunternehmer, dem sogenannten Arbeitervertreter Imbusch überlassen. Er hat von vornherein die Kommission in ein Licht zu tellen versucht, daß sie nicht imstande sein würde irgendwie aus dieser Affäre das Richtige herauszuholen. rum sträuben Sie sich legen die Untersuchungskommission? Doch nur aus dem Gefühl eeraus, weil Sie ganz genau wissen, daß, wenn die Untersuchung objektib geführt wird, wie immer in diesen Fällen festgestellt werden wird, daß die Bergbaubehörden und besonders das Bergkapital die Schuldigen sind. raktion ist der

(Große Unruhe rechts.) Meine Meinung, daß schon heute des Ausschusses beschlossen werden muß. 1b

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Abg. inne D. V.): Wenn eine parlamentarische Unter stattfin soll, so kamn das nur von achmännern eschehen, und unter jisen Umständen ist die U. 28 einer Frpkosion überhaupt nicht mehr festzustellen. Sie (links) kennen die Materie nicht. ß Betriebsraäte einmal an der Ausübung ihres Amtes gehindert worden sind, mag vorgekommen sein, aber ein

roßer Teil der Leute in den Betriebsausschüssen hat freiwillig arauf verzichtet, ihr Recht auszuüben, und in der neuen Berg⸗ arbeiterunion sihen Leute in den Betriebsausschüssen, die nicht in die Grube gefahren sind, die sich vielmehr am Tage hinse sich mit allen möglichen anderen Dingen beschäftigen. S

nichts gegen den Antrag Hue, würde es aber für praktisch halten, den Antrag mit der Besprechung der Interpellation zu verbinden. (Abg. Plettner [Komm.]: Hausknecht von Stinnes! Präsident Töbe ruft den Abg. Plettner wegen dieses Zurufes zur dnung.)

Die Abgg. Koch (Dem.) und Burlage (Gentr.) beantragen die Vertagung dieser Debatte bis zur Fe. Semag

Präsident Löbe bemerkt, daß noch sieben Redner gemeldet 8 8n Vertagungsantrag aber vorgehe. Strittig sei algerdengs die

rage, da ein Fünftel der ö nach der Verfassung die Ein⸗ etzung dieses Untersuchungsausschusses verlangen kann, ob ein Mehr⸗ heitsbeschluß auf Vertagung dies hinausschie 8 x.

Abg. Dittmann (U. Sez.): Der Präsident ediglich zu

agen, 8 ein Fünftel der Stimmen für 8 Einsetzung des Unter⸗ uchungsausschusses sind, es geht nicht an, daß durch einen Mehr⸗ itsbeschluß die Feea.; eines solchen Antrags behindert wird.

Präsident Löbe hält dagegen einen Antrag auf Vertagung der Debatte darüber für zulässig. 8 3

Abg. Burlage (Gentr.) unterstützt die Aufafssung s Es könne Liber einen Antrag auf Einsetzung eines Unter⸗ suchungsausschusses eine Debatte stattfinden und auf diese seien dann alle geschäftsordnungemäͤßigen Vorschriften anwendbar. Es solle je nur auf morgen oder übermorgen vertagt Fee9 Ee

Abg. Breitscheid (U. Soz.): Es ist absolu unverständlich, weshalb einige Parteien die Vertagung Sen⸗ Angelegenheit befür⸗ worten. Nachdem er überhaupt zur Tagesordnung venassen worden ist muß er auch heute erledigt werden. (Wehereench Ob die

fegierung etwas erklärt oder nicht, 88 vollständig gleichgültig. In diesem Falle handelt es sich lediglich um eine Angelegenheit des Parlaments, in die die Regierung nichts reinzureden hat.

Abg. Geyer (Komm.): Es ist nicht möglich, daß die geschäfts⸗ ordnungsmäßige Behandlung einer Angelegenheit die Reichsverfassung einfach sabotiert.

Präsident Löbe: Es handelt sich um eine einfache Rechtsfrage.

Selbstverständlich ist die Frage söschtsgrdnune mafhig u erledigen nachdem sie auf Grund der Geschäftsordnung, da ein Widerspru keines eordneten erfolgte, auf die Tagesordnung gese worden ist. Abg. Müller⸗Franken zwischen Verfassung un chäftsordnung vor. üürde der Antrag von oeinem Fahs der Abgeordneten unterschrieben eingebracht sein, so wäre alles übrige 82L

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Dr. Bell (8.)

und Gothein (Dem.), der sich gegen den Vorwurf ver⸗

* Hier liegt eine 2 .