““ ““ tümer und Angriffe in der Oeffentlichkeit vorgekommen sind, die sonst wohl unterblieben wären.
Ich werde deshalb dieser Anregung Folge leisten, kann aber auch mitteilen, daß ich nach dieser Richtung bereits selbst mit den Bundes⸗ staaten, insbesondere Preußen, in Verbindung getreten bin, weil natur⸗ gemäß die Oeffentlichkeit nicht bloß an der Rechtsprechung der wenig zahlreichen Gerichte, die mir unterstellt sind, ein Interesse hat, sondern an der Nechtsprechung der Gerichte, die im wesentlichen Land⸗ gerichte sind.
Zu zweit hat der Herr Abg. Radbruch darauf hingewiesen, daß zweierlei notwendig sei: ein durchaus scharfes Eingreifen da, wo Unrecht vorliegt, aber ein sorgfältiges Nachprüfen, ob nicht dabei auch Uebergriffe vorkämen, die im Wege der Gnade gesühnt würden, insbesondere bei den Ausnahmegerichten, bei denen ja ordentliche Rechtsmittel nicht gegeben sind, allerdings durch die Ausdehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens ein gewisser Erfatz geschaffen worden
t. (Abg. Höllein: Haben Sie schon ein einziges Wiederaufnahme⸗ verfahren?) — Doch, ja, es sind welche da. — Auch hier teile ch den vorgetragenen Standpunkt durchaus. Ich bin der Meinung, daß es hier eine gesteigerte Pflicht ist, all dem nach⸗ zugehen, was uns auffällt, und ich habe das vorige Mal betont und möchte es hier noch einmal hervorheben: es ist nicht loß der Weg zu den sogenanuten Gnadenbeauftragten, der zu dieser stachprüfung führt, wobei ich bemerke, daß diese Gnadenbeauftragten aus drei Schichten genommen werden; es ist bei ihnen ein Richter, an Staatsanwalt und ein Rechtsanwalt tätig, also ein Mann, der den freien Berufen angehört und von dem die Herren an nehmen werden, daß er jedenfalls durchaus unbeeinflußt vom Standp unkt der Verteidigung aus handeln wird. (Abg. Höllein: Das haben wir in Halle gesehen, wozu die Rechtsanwälte fähig sind!) — Herr Höllein, ich kann nicht für jeden Rechtsanwalt einstehen, aber Sie werden mir zugeben, daß bei dieser Zusammersetzung eine ewisse Gewähr dafür vorhanden ist, daß auch der Gesichtspunkt der Verteidigung zum Recht kommt. Dabei gibt es keine Abstimmung⸗ soesern wenn auch nur einer von den dreien der Meinung ist, daß eine Begnadisung eintreten muß, geht die Sache an den Minister. Neben diesem Wege aber steht — und ich bitte ausdrücklich alle, die an diesen Dingen Interesse haben, aufzuachten — der Weg unmittelbaer an mich offen. Ich gehe jeder an mich ge⸗ langenden Anzeige nach und prüfe dann im Ministerium den Fall, der mir vorgetragen wird. Zu dritt endlich gehe ich den Dingen auch da nach, wo mir durch die Oeffentlichkeit, insbesondere durch die Zeitung Urteile zu Gesicht kommen, von denen ich die Empfindung habe, daß sie über das Maß des Zulässigen hinaus⸗ gehen. Es geschieht also, wenn man nun einmal nicht — und der Reichstag hat das ja selbst nicht gewollt — den Weg der allgemeinen Amnestie beschreitet, wirklich alles, was geschehen kann, um im Wege der individuellen Nachprüfung diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Ich glaube, daß insofern auch dem Abg. Radbruch durchaus nach⸗ gekommen wird. (Abg. Höllein: Worte, nichts als Worte!) Wenn Sie wüßten, Herr Abg. Höllein, in welcher Weise mein Ministerium mit der Prüfung von Gnadensachen befaßt ist, in wie viel Fällen wir die Begnadigung haben eintreten lassen, würden Sie nicht bloß von Worten sprechen, sondern würden sehen, daß wir ernstlich bemüht sind, auch Taten hervorzubringen in der Milderung von Gerichts⸗ urteilen, die in Wahrheit zu hart sind. (Abg. Höllein: Heraus mit dem Flederwisch!) Endlich und drittens die, ich möchte sagen, große Gewissensfrage: die Kritik der Urteile durch den Minister. Auch der Abg. Radbruch hat anerkannt, daß es sich hier um eine Frage handelt, die formell gar nicht zu lösen ist, um eine Taktfrage, den Mittelweg zu finden zwischen der Gefahr, von seiten der Verwaltung in die Rechtsprechung der Gerichte einzugreifen, was unzulässig ist, und andererseits mit verschränkten Armen dazustehen gegenüber einer Rochtsprechung, deren Geist nicht den Anforderungen der Zeit genügt. Ieh bin mir durchaus dieser doppelseitigen Aufgabe bewußt, und ich kann nur sagen, daß ich, so sorgfältig ich die Unabhängigkeit der Gerichte zu wahren entschlossen bin, allerdings des Glaubens bin, daß auch der Justizminister sich einer Kritik im allgemeinen nicht zu enthalten braucht und nicht enthalten darf. Ich erkenne auch ohne weiteres an, daß, wenn eine Diskrepanz zwischen der allgemeinen Volksüberzeugung und der Rechtsprechung unserer Gerichte besteht, die Schuld sicherlich zum Teil auch an dieser Rechtsprechung und ihren Organen liegt, an der Rechtsprechung, die übrigens keineswegs, und zwar gerade bei den markantesten Fällen nur in den Händen der Berufsrichter liegt sondern auch in der Hand der Geschworenen. Aber Sie wollen dabei berücksichtigen, daß unsere Zeit mit ihrer ngeheuren Umwälzung den Begriff dessen, was Recht ist, zu einem ußerordentlich zweifelhaften macht, daß im Volke selbst über den Begriff des Rechts und der Gerechtigkeit überaus verschiedene Mei⸗ nungen sind, und daß es deshalb nicht wunderbar ist, wenn auch im Richtertum die Gedanken des Rechts noch im Flusse sind und manchmal noch nicht das Ziel erreichen, das erreicht werden muß. (Lachen und Zurufe auf der äußersten Linken.) — Ja, Sie würden das auch finden, wenn Sie, was ja auch mein Streben ist, Arbeiter in größerer Anzahl bei den Laiengerichten haben; auch dann werden Sie finden, daß auch in der Arbeiterschaft sehr verschtedene Anschauungen über das, was Recht ist, bestehen. (Sehr richtig!) Deshalb, glaube ich, soll man nicht ungerecht urteilen, wenn Rechtssprüche, wenn Urteile der Gerichte nicht der allgemeinen Anschauung entsprechen. Ich werde, was an mir liegt, azu tun, daß der Geist unserer Gerichte sich dahin ausbildet, in enger Fühlung mit dem Rechtsempfinden des Volkes zu bleiben. (Zurufe von der äußersten Linken.) Abg. Dr. Moses (U. Soz.): Man kann von einer Jagowschen
Krankheit sprechen, die nur in Deutschland vorkommt und nur be⸗
stimmte Klassen und Schichten der Bepölkerung ergreift, insbesondere die monarchisch Gesinnten, von der aber andere Fehichten nicht be⸗ fallen werden können, insbesondere Anhänger der sozialistischen Partei, von ganz gemeinen Kommunisten und ähnlichem Gelichter ganz abgesehen. Was Ferr von Jagow im Herzen über seine Affäre denkt, entspricht wohl ungefähr dem, was Goethe im Götz von Berlichingen einem Vertreter der Staatsautorität gegenüber sagen läßt. Wir leben in der Feit der schlimmsten Klassenjustiz, die von der Klassenmedizin unter tützt wird. Reichliche tägliche Bewegung und reichliche körperliche Abreibungen wären noch manchem anderen zu empfehlen, vielleicht auch dem Herrn Minister selbst.
Die Abstimmung ühber den Mißtrauensantrag wird auf Mittwock verschoben.
Nächste Sitzung Mittwoch, 11 Uhr (kleinere Vorlagen und deute Lesung des Nachtragsetats). Sschluß 71 ¼ Uhr.
v“ Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstag sind der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der ehemaligen elsaß⸗ lothringischen Beamten, und der Entwurf einer Be⸗ soldungsordnung für die elsaß⸗lothringischen Landesbeamten nebst Begründungen, ferner der Entwurf eines Gesetzes, betreffend das kauf Grund des Artikels 312 des Friedensvertrags mit Belgien ge⸗ schlossene Abkommen über Sozialversicherung aus Anlaß der Abtretung der preußischen Kreise Eupen und Mal⸗ medy an Belgien, und der Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffkend das am 6. Mai d. J. unterzeichnete deutsch⸗ russische Ergänzungsabkommen über die Heim⸗ schaffung der beiderseitigen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten, nebst Begründungen und Denkschriften zugegangen. 16
Der wirtschaftspolitische Ausschuß des Reichs⸗ wirtschaftsrats hielt am 5. d. M. eine gemeinsame Sitzung mit dem sozialpolitischen Ausschuß ab, um über die Vorschläge des gemeinsamen Unterausschusses zur Erwer bslosen⸗ fürsorge zu beraten. Die Vorschläge des Unterausschusses wurden einstimmig gutgeheißen, eine allgemeine Peprbndan⸗ wurde mit Mehr⸗ heit angenommen. Der gefaßte Beschluß besagt folgendes:
Die gegenwärtige Form der Erwerbslosenfürsorge krankt un⸗ verkennbar an verschiedenen Mängeln. Bis zur gesetzlichen Neu⸗ regelung ist zu fordern: 1. der beschleunigte Erlaß der Gesetze über den Arbeitsnachweis und die Arbeitslosenversicherung. 2. Bis dahin hat in Fällen dringen den Bedürfnisses eine Erhöhung der Erwerbslosenunterstützungssätze nach folgender Richtung hin zu er⸗ folgen: a) bei andauernder Erwerbslosigkeit von über 4 Wochen durch Erhöhung der Unterstützungssätze, b) bei einer Fortdauer der Erwerbslosigkeit über 3 Monate hinaus außerdem durch Natural⸗ zuweisungen, c) im Rahmen der bestehenden Erwerbslosenunterstützungen durch eine Erhöhung der Unterstützungssätze für weibliche und jugend⸗ liche Personen. Durch diese Erhöhung darf allerdings die notwendige Spannung zwischen den Unterstützungssätzen und den normalen Arbeitslöhnen der einzelnen Personengruppen nicht gefährdet werden. 3. In Gemeinden mit großer Erwerbslosigkeit hat eine anderweitige Verteilung der Erwerbslosenlasten zugunsten der Gemeinden zu erfolgen. In der Frage der produktiven Erwerbslosen⸗ fürsorge ist der Unterausschuß zu der Ansicht gekommen, daß der Ausbau der Arbeitsvermittlung und daneben die Schaffung von Arbeit eine dringende Notwendigkeit ist. Demgemäß ist zu fordern: a) daß die Basis der Auftragsvergebung möglichst verbreitert wird und innerhalb des beteiligten Industriezweiges möglichst alle Betriebe mit hinreichender Leistungsfähigkeit bedacht werden; b) daß Gebiete mit übermäßig hoher oder lang andauernder Erwerbs⸗ losigkeit bevorzugt beteiligt werden, wobei auch die Umstellung bisher auf andere Erzeugnisse gerichteter Betriebe ins Auge zu fassen und eventuell aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge zu fördern wäre; c) daß auch innerhalb des einzelnen Betriebes die arbeit⸗ schaffenden Wirkungen der Reichsaufträge dadurch verbreitert und ver⸗ vielfältigt werden, daß sie möglichst vielen Arbeitnehmern zugute kommen. Inwieweit die sogenannte Kurzarbeit, d. h. Arbeit mit Schichtwechsel, mag sie in Stunden⸗, Tag⸗ oder Wochenschichten erfolgen, weiter eingeführt werden soll, hängt von dem maß⸗ geblichen Gesichtspunkt ab, daß keine Erschütterung der Produktion dadurch eintritt. Die Prüfung der Durchführbarkeit innerhalb der einzelnen großen Gewerbezweige wäre am besten paritätisch durch die Reichsarbeitsgemeinschaften oder neuzubildende paritätische Instanzen mit größter Beschleunigung vorzunehmen. In ähnlicher Weise wie die Aufträge, die das Reich für seine Eigenzwecke vergibt, können und müssen auch die Lieferungen, die dem Reich für die sogenannte Reparation auferlegt werden, möglichst unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und des Arbeitsmarktes der einzelnen Reichsgebiete vergeben werden. Diese sogenannte Sachwiedergutmachung kann, richtig verteilt, eine erträgliche Last und zugleich ein Antrieb für das deutsche Wirtschaftsleben werden.
Nach der gemeinsamen Sitzung trat der wirtschafts⸗ politische Ausschuß allein in die Beratung des Gesetz⸗ entwurfs ein, nach dem das Verbot des Börsenbesuchs für Frauen in Ausführung einer Entschließung des Reichstags vom 19. März d. J. beseitigt werden soll. Der Ausschuß stimmte dem Entwurfe zu.
Unter ausdrücklichem Hinweis auf die Dringlichkeit hat der Reichs⸗ wirtschaftsminister dem Ausschuß ferner den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Metallreserven der Privat⸗ notenbanken, vorgelegt. Der Entwurf verbietet in § 1, daß die Privatnotenbanken über das in ihrem Eigentum befindliche Gold frei verfügen, und knüpft jede Verfügung darüber an die Genehmigung der Reichsregierung. Zum Ausgleich hierfür wird den Banken in § 2 bedingt eine Erhöhung ihres bisherigen steuerfreien Noten⸗ kontingents auf etwa das 3 ½ fache zugestanden. Der Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums begründete die Not⸗ wendigkeit des Gesetzes damit, daß zurzeit für die Notenbanken kein klar umschriebener Rechtszwang mehr besteht, ihre Goldbestände⸗zu er⸗ halten, da gemäß § 17 des Bankgesetzes die Dritteldeckung in ganzer Höhe aus Reichskassenscheinen und seit dem 4. August 1914 auch aus Darlehnskassenscheinen bestehen kann. So haben die Badische und die Sächsische Bank bereits Goldverkäufe (an die Pforzheimer Industrie) vorgenommen, den daraus herrührenden Gewinn allerdings nicht ausgeschüttet, sondern zur Verstärkung der Betriebsmittel, die bei den heutigen Verhältnissen dringend notwendig erschien, fast ungeschmälert in eine Spezialreserve übernommen. Andere Banken haben die Gold⸗ reserve bisher unangetastet gylassen doch ist die Begehrlichkeit der privaten Spekulation durch diese Bestände, deren Wert heute sehr hoch ist, wachgerufen, und sie hat bereits zu Aktienaufkäufen geführt. Eine volkswirtschaftliche Verwendung des Goldbestandes muß aber vermieden werden. Der wirtschaftspolitische Ausschuß gab nach längerer Erörterung einstimmig folgendes Gutachten ab: „Der wirtschaftspolitische Ausschuß des Reichswirtschaftsrats stimmt dem vom Reichswirtschaftsminister mit Schreiben vom 4. Juni vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Metallreserven der Privatnoten⸗ banken, mit folgender Erklärung zu: Der wirtschaftspolitische Aus⸗ schuß erhebt keine prinzipiellen Einwendungen gegen § 1, stimmt auch § 2 zu, ohne seine erheblichen Bedenken gegen die weitgehende Erhöhung des Notenkontingents aufzugeben. Die Erhöhung des Notenkontingents scheint nach Auffassung des wirtschaftspolitischen Ausschusses in den Bestimmungen des § 1 keine hinreichende Begrün⸗ dung zu finden. Dem vom Vertreter der Reichsregierung aus einem Schreiben der Badischen Bank an das Reichswirtschaftsministerium vorgetragenen noch weitergehenden Wunsche der Badischen Bank hin⸗ sichtlich des Diskontsatzes vermag der wirtschaftspolitische Ausschuß nicht zuzustimmen, weil keine Veranlassung dazu vorliegt, außer der Grhehung des Kontingents auch noch dessen volle Ausnutzung sicher⸗ zustellen.“
Ausschreibung in Bulgarien.
Die Handelskammer in Berlin weist darauf hin, daß am 21. Juli d. J. bei der Kreisfinanzbehörde in Sofia eige Aus⸗ schreibung von verschiedenen Kanzlei⸗ und Fapier⸗ materialien für die bulgarische Direktion der Post, Telegraphen und Telephonestattfindet. Die Uebernahmebedingungen liegen im Eildienst, Abteilung „G“, Bunsen⸗ straße 2, Wochentags von 9—5 Uhr und Sonnabends von 9 bis 1 UF aus.
stützungsberechtigte.
gebracht sei.
Darstellunß des Weltkrieges 1914—1918. In i
Volkswirtschaft. 1b
Die Arbeitsmarktlage in der Provinz Brander, burg zeigte nach einem sich auf die Woche vom 19. bis 25. Im beziehenden Bericht des Brandenburgischen Landesarbeitsamts (Ber SW. 11, Königgrätzer Straße 28) in einzelnen Teilen der Provin⸗ eine weitere Besserung, in anderen hingegen infolge von Betriete einschränkungen bezw. einstellungen eine leichte Steigerung d Erwerbslosenzahlen. Die Landwirtschaft forderte nach wie vor ledige Arbeitskräfte, insbesondere junge Burschen an; ferner war steigente Nachfrage nach Schnittern zu verzeichnen. Das Ueberangebot an lan⸗ wirtschaftlichen Gutsbeamten nahm weiter zu. Deputatfamilien konnten nur vereinzelt vermittelt werden. Im Bergbau und in da Brikettindustrie konnten in geringem Umfange von einzelne Arbeitsnachweisen abgerufene Arbeitskräfte untergebracht werden Eine Gewerkschaft (Braunkohlen⸗ und Brikettfabriken) kündigte de Entlassung von 30 vH der Belegschaft wegen Absatzmangels an. De Ziegel⸗ und Torfindustrie litt unter der regnerische Witterung. Der in den Ziegeleien in Belzig und Niemegk auesge⸗ brochene Ftreir dauerte fort. In der Glasindustrie war ie Lage fast unverändert, die Nachfrage nach Fensterglas noch imme gering. Mit Stillegung weiterer Werke ist zu rechnen. Die Gla⸗ arbeiter in Neupetershain waren infolge von Tarifstreitigkeiten aus⸗ gesperrt. Das Metallgewerbe erfreute sich gesteigerter Tätigket vor allem inder Niederlausitz; infolgedessen konnten Arbeitskräfte, die wege Betriebseinschränkungen hatten aussetzen müssen, wieder eingestelt werden. Die Belegschaft der Märkischen Industriewerke in Geln arbeitet noch immer mit verkürzter Arbeitszeit. In Reppen ist en Emaillierwerk eröffnet. In der Eisenindustrie herrscht Mangat an Aufträgen. Vorübergehende Betriebseinstellung erfolgte in einn Fabrik in Prenzlau. Gelernte Kesselschmiede werden ma wie vor in Cottbus dringend verlangt. In der Optik wa keine wesentliche Veränderung zu verzeichnen. Schleifer med Polierer konnten vom Arbeitsnachweis Rathenow geftllt werden. Der Beschäftigungsgrad in der chemischen In⸗ dustrie ist gut. In der Textilindustrie war Rit gang der Erwerbslosigkeit, im Holzgewerbe keine Besserumg des Arbeitsmarktes zu verzeichnen. Die Tischlerstreiks in Peil⸗ berg, Sorau und Brandenburg a. H. waren noch nicht erloschen Die Nachfrage nach Facharbeitskräften im Bekleidungs⸗ gewerbe wurde örtlich gedeckt. Im Hande lsgewerbe tonnte eine geringe Abnahme der Zahl der Beschäftigungslosen festgestelt werden. Maurer, Maler und Zimmerer werden allerwaͤnt dringend benötigt, ebenso Hausangestellte und Land mädchen. — Bei den Arbeitsnachweisen in der Provinz ware gemeldet: 4661 männliche Arbeitsuchende, davon 2286 Unterstützung⸗ berechtiate, und 2035 weibliche Arbeitsuchende, davon 645 Unte⸗
—.-—
Arbeitsstreitigkeiten.
Nach einer von „W. T. B.“ verbreiteten Havasmeldung aus Lille haben die ausständigen Baumwollspinnereiarbeiter den Ge⸗ neralstreik in der Baumwollspinnerei verkündet. Die Kommission der Textilindustrie wird sich mit der Frage beschäftige, ob ein Generalstreik auch in der Flachsspinnerei und Weberei an
Kunst und Wissenschaft.
DashReichsarch iv bearbeitet gegenwärtig eine ö deutsche r werden zum ersten Male planmäßig die gesamten hier vorhandenen amtlicher Aktenbestände sowie die zahlreichen, dem Reichsarchiv von priate⸗ Seite zugegangenen Nachrichten verwendet. Das Werk, das nicht nn die militärische, sondern auch die politische und wirtschaftliche G⸗ schichte des Krieges sowie die kulturelle und soziale Entwicklung 1 Deutschland während dieser Jahre schildern wird, wird voraussichtlch zehn Bände umfassen, deren erster Band bereits im Herbst 1922 g⸗ scheinen soll. Auf streng wissenschaftlicher Grundlage aufgebaut, sel es den weitesten Kreisen unseres Volkes eine sachliche Erkenntni dieses weltgeschichtlichen Geschehens vermitteln. 81
Land⸗ und Forstwirtschaft.
a des paritätischen landwirtschaftlichen
usses des Brandenburgischen Landes⸗ arbeitsamtes fand am 8. Juni unter dem Vorsitz des Direktors des Landesarbeitsamts Dr. Dermietzel statt. Die Ve handlungen betrafen hauptsächlich die Frage der Beschäftigung ausländischer Arbeiter in der Landwirtschaft Hierüber sei folgendes mitgeteilt: In der Zeit vom 1. Januar bis 1. Na. 1921 sind aus der Provinz Brandenburg 7600 russische Kriegsgefangenenach Rußland abtransportiert worden, so daß nur noch etwa 300 zumest verheiratete russische Gefangene in der Landwirtschaft der Provinz ber⸗ blieben. Ledige russische Gefangene sollen im wirtschaftlichen un nationalen Interesse vorläufig nicht mehr beschäftigt werden. Von den für das Jahr 1921 genehmigten ausländischen polnischen Wanden arbeitern sind aus verschiedenen Gründen nur etwa % der genehmigten Zahl in die Provinz gekommen, so daß teilweise ein Mangel a- Schnittern besteht, deren auch nur annähernd vollständige Er⸗ setzung aus der Reihe der deutschen Erwerbslosen fast ausge⸗ schlossen erscheint. Um für 1922 eine möglichst gründliche, aber auc rechtzeitige Bearbeitung der Anträge auf Verrtet ausländischer Arbeiter zu ermöglichen, wurde als Termin für die Anmeldung de Bedarfs an ausländischen Schnittern für das Jahr 1922 de 15. Oktober 1921 festgesetzt. Eingehend wurde sodann über die Miß⸗ stände, die seit langem in der Beschaffung und Vermittlung bar Landsberger Schnittern bestehen, gesprochen und zu ihrer Behebung einstimmig die Errichtung eines Schnitterarbeitsnachweises im Lands⸗ berger Bezirk für nötig gehalten. Das Landesarbeitsamt wurde er⸗ sucht, das Weitere in dieser Frage unverzüglich im Benehmen mit den zuständigen Interessentenverbänden und Behörden in die Weg⸗ zu leiten. 8 8 Bauwesen. Eine vergessene Bauweise. In Nr. 15 der „Süd⸗ deutschen Bauzeitung“ wird auf eine alte Bauweise hingewiesen, ii gesundheitlich und künstlerisch angeblich besser ist als Lehmbau, dae Kalkgußmauerwerk, das in Syprien, Aegypten usw. in Bauten Jahr⸗ tausende überdauert hat. Gelöschter Kalk, grober Sand und Wasee bilden die Grundmasse im Verhältnis 1:10 mit so viel Wasser, da ein dicker Brei entsteht. Dieser wird wie Beton in Schalungen ge⸗ stampft, und zwar auf eine 8ch⸗ Mörtel immer eine Lage grobe Schotters, der völlig in die Mörtelschicht eingedrückt werden muß worauf wieder Mörtel und Schotter folgt uff. In dieser Techni können sogar Gewölbe von erheblicher Spannweite hergestellt werden. Die unbedingt erforderliche Isolierung gegen Bodenfeuchtigkeit win erzielt, indem man 30 cm über dem Voden eine doppelte 8 g Asphaltpappe oder eine 5 cm starke Schicht von Asphaltguß einfügt
—
Fachauss
Nr. 29 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“ herausgegeben im Reichsministerium des Innern, vom 1. Juli 1921, hat folgenden Inhalt: Allgemeine Verwaltungssachen: Verordnung, betreffend die Ausschüsse zur Feststellung von Kriegsschäden in Elsaß⸗ Lothringen. — Medizinal⸗ und Veterinärwesen: Erscheinen eines Nachtrags zur zweiten Auzgabe der Deutschen Arzneitare 1921.— Bankwesen: Status der deuͤtschen Notenbanken Ende Mai 1921.— Konsulatwesen: Ernennungen. Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandshandlungen. Exequaturerteilung. — Steuer⸗ und Zol⸗ wesen: Bekanntmachung, betreffend Aenderung der Zölle für Gerd stoffe, Gerbstoffauszüge und Weinhefe, vom 24. Juni 1921. oly⸗ transitlager in Flensburg. — Versicherungswesen: Bekanntmachung, betreffend die Beaussichtigung privater Versicherungsunternehmungen durch die Landesbehörden. S
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Zweite Beilage
Berlin, Mittwoch, den 6. Juli
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FPreußischer Landtiag. 33. Sitzung vom 5. Juli 1921, Nachmittags 1 Uhr ericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)
Präsident Leinert gibt dem Hause Kenntnis von einem
Schreiben des Ministerpräsidenten, worin dieser erklärt, auf Grund des Sperrgesetzes nur einige Teile des Gesetzes über das Diensteinkommen der Lehrer an gewerblichen, kauf⸗ männischen und hauswirtschaftlichen Schulen in Kraft setzen zu können. 6 Das Schreiben wird dem Verfassungsausschuß über⸗ wiesen. Der Antrag v. Plehwe (D. Nat.) auf Annahme eines Gesetzentwurfs über das Stimmrecht der Provinziallandtagsabgeordneten west⸗ preußischer Kreise im Provinziallandtag von Ostpreußen wird ohne Aussprache in dritter Lesung angenommen.
Darauf wird die zweite Beratung des Haus⸗ haltsplans für die Domänenverwaltung fortgesetzt.
Die zunächst auf der Rednerliste stehenden Abgeordneten Dr. Wendorff (Dem.) und Jürgensen (U. Soz.) sind nicht anwesend.
Abg. Stengel (D. Vp.): Es wäre nichts verkehrter, als die Domänen aus der Bewirtschaftung einzelner Pächter herauszunehmen und sie vom Staate bewirtschaften zu lassen Sparsam wirtschaften kann nur der zunächst Interessierte, wobei selbstverständlich vereinzelte Inspektoren und Administratoren die Regel bestätigen. Gibt man diesen neben dem Gehalt auch noch Anteile an dem Gewinn, so kommt eine unerträgliche Höhe dieser Einkünfte zusammen. Den Antrag der Sozialdemokraten guf Selbstbewirtschaftung der Domänen lehnen wir also ab. Hinsichtlich des Siedlungswesens haben wir volles Ver⸗ trauen für den Landwirtschaftsminister. Viele Domänen aber sind dazu nicht geeignet. Nach dem Wortlaut der Reichssiedlungsordnung sollen in erster Linie für Siedlungszwecke die Domänen herangezogen werden. Im Interesse des Gemeinwohles müssen selbständige Bauern⸗ wirtschaften hergestellt werden, dazu mußt auch der Großgrundbesitz herhalten, in allererster Linie aber der Besitz des Staates selbst. Wir stehen durchaus auf dem Standpunkt, daß auf den Domänen Arbeiter⸗ wohnungen errichtet werden, die unseren Arbeitern ein wohnliches Be bieten. Man kann aber nicht willkürliche Summen für Ar⸗ eiterwohnungen in den Etat einstellen, selbst eventnelle Ueberschüsse dürfen dazu nicht einseitig verwendet werden. Wo sollen die zehn Millionen Mehreinnahmen herkommen, die der Ausschuß aus den Domänen gewinnen will? Den Weg, nochmals die Domänenpacht zu erhöhen, wird doch der Minister jedenfalls nicht gehen. Viele Domänen, besonders in Ostpreußen, haben so schlechten Grund und Boden, daß auf diesem Wege nicht vorwärts za kommen ist. Als noch Herr Braun und Herr Lüdemann Minister waren, haben sich die Sozialdemokraten bemüht, solche Vorschläge zu machen, jetzt, wo ihre Verantwortung aufhört, tellt sich das Bedenken ein, nach außen⸗ hin durch solche agitatorischen Anträge Süehefsnmg se machen. (Leb⸗ hafte ironische Zustimmung links.) In derselben ichtung liegt das Verlangen, daß zur Forderung, der Anlegung von Viehweiden 20 Millionen bewilligt werden sollen. Wenn wir beantragen, in den nächsten Etat für die Förderung der Wohnungsbauten auf den Domänen zehn Millionen einzustellen, so dokumentieren wir damit das gleiche Interesse für die Arbeiterschaft auf den Domänen, aber wir verfahren gleichzeitig ungleich vernünftiger. Wir befinden uns doch auch erst in der zweiten Lesung des Etats; die dritte Beratung wird nicht vor September, ja wenn es nach den Sozialdemokraten geht, vielleicht nicht vor Weihnachten stattfinden. Wie sollen da diese
hn Millionen, um die man die Einnahmen des Domänenetats er⸗ öhen will, noch Verwendung finden? Unser Antrag schafft denselben Effekt, den Sie wollen. Das Verlangen, daß die Löhne der staat⸗ lichen Arbeiter auf dem Lande mit den Sätzen der Kreistarife in Uebereinstimmung gebracht werden sollen, ist durchaus berechtigt; es müssen ja unhaltbare Verhältnisse eintreten, wenn der Staat höhere Löhne zahlt als die Landwirtschaft im großen ganzen. Auch bei den Staatsbergwerken wird ja analog verfahren. Die Ver⸗ pachtung der Domänen muß öffentlich erfolgen und im allgemeinen wird auch an der langfristigen Verpachtung festzuhalten sein. Wir erwarten, daß die Verwaltung jede mögliche Rücksicht auf die alten Pächter nehmen wird, damit diese auf ihren Pachtungen verbleiben können. Die Landgewinnungsarbeiten müssen möglichst gefördert werden. Bei unseren Küstenverhältnissen ist dazu unendlich viel zähe, jielbewußte Arbeit erforderlich. Nun haben wir es mit einem An⸗ trage der Sozialdemokraten zu tun, welcher über die Vorschläge des Etats hinaus an einmaligen Ausgaben eine Million als Beihilfe zur Eindeichung des sogenannten Neufelderkoog, eine Million als Bei⸗ hilfe zur Eindeichuna des Wattenlandes zwischen Ockholm und den Reussenkögen und 200 000 ℳ als Beihilfe zur Eindeichung der Insel Trieschen bewilligt wissen will. In diesem Umfange können diese An⸗ landungsarbeiten im laufenden Jahre nicht vorgenommen werden, dazu ist es schon im August zu spät. Auch sind diese Arbeiten absolut un⸗ rentabel, und wir können uns umsoweniger zur Zustimmung ent⸗ schließen, als diese einzelnen Millionen mehrere Dutzende von Millionen nach sich ziehen müssen. (Zuruf des Abg. Peters⸗Hochdonn.) Meiner Wähler bin ich sicher; auch die Erwerbslosenfürsorge wird in anderer Form durchzuführen sein. Den Wünschen der Gemeinde Borkum auf Erwerbung des dortigen Anwachsgeländes wird die Re⸗ gierung hoffentlich entgegenkommen und den Preis nicht unngtürlich hochschrauben. Auch die Hochmoorkultur darf nicht vernachlässigt werden. Aber, wenn der Staat diese Kultur vornimmt, darf er es nicht bloß, um Arbeitslose zu beschäftigen, sondern er muß auch seine Rechnung dabei finden. Andererseits ist es ein Unrecht, wenn der Staat Verträge über kultivierte Hochmoorflächen, die er vor zwei Jahren mit kleinen Leuten abgeschlossen hat, setzt plötzlich einseitig abändern will, so daß mit den neugeforderten Kaufpreisen die Söhne unserer Kolonisten nicht konkurrieren können. Im großen lassen sich ie Torfmoore nicht verwerten, hier hilft nur der Kleinbetrieb; auch die Kommunalbetriebe sind unrentabel geworden und beginnen zu liquidieren. Endlich habe ich Ihnen noch ein altes Schmerzenskind von neuem zu empfehlen. Ich beantrage, das Staatsministerium zu ersuchen, den Einwohnern der Gemeinde Georgsfeld im Kreise Aurich von der zum Teil in der Gemarkung Georgsfeld liegenden kultivierten Fläche des Abelitzmoores eine Fläche von 50 Hektar zu dem Preise zu überlassen, der im Jahre 1919 angemessen war, und eantrage weiter, daß das Staatsministerium prüft, ob nicht alsbale oder in absehbarer Zeit andere kultivierte Flächen des Abelitzmoores und der übrigen kultivierten Hochmoore den Bewohnern der anliegen⸗ den Gemeinden zu angemessenem Preise käuflich überlassen werden können. Kein Dorf im ganzen Regierungsbezirk Aurich ist so arm und traurig daran, wie Georgsfeld, es sind lauter kleine Bauern mit zwei bis drei Hektar. Nachdem der Staatssekretär Ramm mit seiner Großkultur dazwischengetreten ist, haben die Leute keine Viehweiden und keine Wiesen mehr. Das domänenfiskalische Moor hot 150 Hektar
tiviert, davon wollen die Georgsfelder 50 Hektar aber die Re⸗
des gesamten Grund und Bodens den Domänen.
gierung in Aurich lehnt ab. Es handelt sich hier um die Aermsten der Armen, die es zu unterstützen gilt.
Abg. Wendorff (Dem.): Die Einnahmen aus den Domänen sind zu gering. Der gegenwärtige Etat bringt einen tatsächlichen Pachtpreis von 20 Mark für einen Morgen. Man wird zugeben müssen, daß dieses Ergebnis in keinem Verhältnis zu der heutigen Geldentwertung steht, dieser Preis entspricht auch keineswegs dem sonstigen Werte von Grund und Boden. Mindestens das Dreifache könnte herausgewirtschaftet werden. Im Jahre 1920 sind 29 Do⸗ mänen neu verpachtet worden, die einen Durchschnittspreis von 60,9 Mark je Hektar ergeben haben. Das bedeutet eine teigerung
des Pachtergebnisses um nur ein Drittel, gegenüber dem Ergebnis
der vorletzten Pachtperiode ist das sogar noch ein Rückgang. Auf⸗ fallend ist es auch, daß 9 Prozent der Lepagtengen im letzten Jahre freihändig erfolgten, anstatt an den Meistbietenden. jie Pacht⸗ schutzordnung existiert nun einmal und der ehemalige Landwirt⸗ schaftsminister hat seine Machtbefugnisse nicht überschritten, als er sie in Anwendung brachte. Da eine Steigerung der Pachterträgnisse Domänen notwendig ist, sollte man diese Gewinne auch in Form von Naturalien nehmen. Hinsichtlich der Selbstbewirtschaftung meinen wir, daß sie in einzelnen Fällen das Gegebene ist. Ist eine Domäne in sehr schlechtem Kulturzustand, so daß sie auf volle Er⸗ tragsfähigkeit nicht wieder zu heben ist, so muß die Selbstbewirt⸗ chaftung durch den Staat eintreten. Dann ist die Selbstbewirt⸗ chaftung auch noch geboten, wenn kein angemessenes Pachtgebot gemacht worden ist. ist sehr gut, wenn dieses Damoklesschwert über dem Domänenpächter schweht, um ihn zu veranlassen, ein an⸗ gemessenes Gebot abzugeben. Zu Siedlungszwecken ist bisher in ausreichendem Maße Domänengelände nicht hergegeben worden. Deshalb erneuern wir unseren Antrag, die pachtfrei werdenden Do⸗ mänen, namentlich in den Landesteilen mit stärkerem Großgrund⸗ besitz entsprechend dem § 2 des Reichssiedlungsgesetzes den gemein⸗ nützigen Siedlungsgesellschaften zur Innensiedlung anzubieten, sofern nicht durchschlagende Gründe der Aufteilung entgegenstehen. Der Privatgroßgrundbesitz soll keineswegs geschont werden, solange er aber nicht diese seine „nationale Pflicht“ tut, solange muß der Staat mit den Domänen die Siedlung fördern. Die Bestimmung, daß Gelände, das zu Unterrichts⸗, Versuchs⸗ und gemeinnützigen Zwecken notwendig ist, nicht zur Siedlung aufgeteilt werden darf, wird vielfach zu weit ausgelegt. Damit kann man schließlich jede Domäne von der Siedlung fernhalten. Im Kreise Franzburg gehören 24 Prozent 1 Bei der Neuver⸗ pachtug im vorigen Jahre ist nicht eine Domäne davon der Siedlung erschlossen worden. Alle wurden neu verpachtet. Den Antrag, zehn Millionen für Arbeiterwohnungen einzusetzen, begrüßen wir auf das lebhafteste. Aus eigener Anschauung weiß ich, welch menschen⸗ unwürdige Zustände hinsichtlich der Arbeiterwohnungen auf den preußischen Staatsdomänen bestehen. Ueber die zehn Millionen hinauszugehen, ist praktisch und finanziell nicht möglich.
Hierauf nimmt der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Warmbold das Wort, dessen Rede wegen ver⸗ späteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaut wiedergegeben werden wird.
Abg. Jürgensen (U. Soz.): Es bleibt trotz alledem eine Tatsache, haß die Preispolitik der Domänenverwaltung unhaltbar ist, daß die Pachten viel zu niedrig sind. Aus den Domänen muß viel mehr herausgeholt werden, als selbst der Ausschuß vorschlägt. Nur Redensarten hat der Minister gemacht über den Zustand der Ar⸗ beiterwohnungen; man kann die Behauptungen des Abg. Dr. Wen⸗ dorff, daß sie menschenunwürdig, ja direkt unbewohnbar sind, nur unterstreichen. Die Landgewinnungsarbeiten sind nicht im entfern⸗ testen so unrentabel wie die Zahlung von Erwerbslosenunterstützung, denn sie schaffen neue Werte. Den Anträgen Peters⸗Hochdann werden wir zustimmen. Bei diesen Arbeiten muß ebenso wie bei der Moor⸗ kultur der Achtstundentag strikte innegehalten werden. Ueberall unter den Landarbeitern herrscht die größte Unzufriedenheit mit den Ver⸗ hältnissen, wie sie sich bei der Afterverpachtung herausgebildet haben; die Domänenpächter treiben die Preise geradezu unverschämt herauf. Nicht selten nehmen sie 100 ja 120 Mark für den Morgen, der ihnen selbst 6 Mark Pacht kostet. (Hört, hört!) Den Antrag Wendorff lehnen wir ab; er würde bloß der Verschleierung des Fiaskos der bis⸗
herigen Siedlungspolitik Vorschub leisten. Dem Landarbeiter müssen
wir durchaus abraten, sich an dieser Siedlungspolitik zu beteiligen; Erbpacht und genossenschaftliche Bewirtschaftung bieten ihm Aus⸗ wege. Wenn der bayerische Bauernbündler Heim von den gesunden ländlichen Arbeiterwohnungen spricht, so müssen wir darauf hinweisen, daß es Schwindsuchtshöhlen nicht nur in Großstädten, sondern auch auf dem Lande gibt und schleunigst beseitigt werden müssen. Die Arbeitsgemeinschaft, die von der Rechten immer empfohlen wird, wird keinerlei Erfolge zeitigen. Sitzt dem Landarbeiter die Not an der Kehle, so fragt er nicht nach Schlichtungsordnung, in seinem Existenz⸗ kampf setzt er sich über alle Bestimmungen der Regierungen und Parlamente hinweg. Gibt der Arbeitgeber dem Arbeiter nicht das, was er zum Lebensunterhalt braucht, gibt er ihm nicht menschen⸗ würdige Wohnungen, so ist es gleichgültig, ob sie Schlichtungsord⸗ nungen haben oder nicht. Die Rede Dr. Kaufholds erinnerte lebhaft an eine Wahlversammlung. Er sagte der K. P. D. bis zur S. 898 Kampf an, vergessen hat er nur, daß es 1918 eine Revolution ge⸗ geben hat, und er hat vergessen, daß es auch Wilhelm II. nicht ge⸗ lungen ist, die sozialistische Idee zu töten. Wo wird da Dr. Kauf⸗ hold bleiben. Vielleicht wird dieser Drachentöter von dem Drachen⸗ schwanz selber erschlagen. Herr Stendel sprach sich in bedingter Weise für Sozialisierung aus. Wir müssen vollkommene Soziali⸗ sierung haben, sonst nützen uns keine Siedlungspläne. Die Do⸗ mänen müssen in Selbstbewirtschaftung genommen werden. Auf Experimente lassen wir uns nicht ein nach dem Muster der Demo⸗ kraten. (Zuruse des Abg. Wendorff.) Ihr Vorschlag geht nur darauf hinaus, die Selbstbewirtschaftung in den Augen den Oeffent⸗ keit herabzusetzen. Das machen wir nicht mit. Es ist bedauerlich, daß die Mehrheitssozialisten sich damit abfinden, langsam, schritt⸗ weise vorwärtszugehen. Inzwischen stecken die Domänenpächter die ungeheuren Ueberschüsse ein. Die unabhängige sozialdemokratische Fraktion wird für alle Anträge eintreten, die auf Uebernahme der Selbstbewirtschaftung durch den Staat hinausgehen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Warm⸗ bold: Der Haushaltsplan der Domänenverwaltung ist vorsichtig und unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse aufgestellt. Werden über den Anschlag hinausgehende Summen hineingesetzt, so haben wir kkine Garantie, daß sie auch wirklich vorhanden sind.
Staatssekretr Ramm: Mit Genugtuung ist festzustellen, daß sich die Arbeiten in Moorkulturen und bei der Landgewinnung gut entwickeln. Die Materialien sind besser zu beschaffen als bisher. Die Landarbeiter können sich aber nicht auf den Achtstundentag fest⸗ legen. In einzelnen Monaten ist mehr, in anderen weniger zu arbeiten. Diese günstige Entwicklung ist um so mehr zu begrüßen, als sie der Ernährung unseres Volkes zugute kommt.
Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.): Selbst ein Vertreter der Rechten hat die Landarbeiterwohnungen als Skandal bezeichnet. Der Minister hat vollkommen daneben gehauen, als er sagte, daß die vom Abg. Dr. Wendorff angezogenen Domänen in den östlichen Provinzen lägen, wo infolge unsicherer politischer Verhältnisse gerinaere Pachten angebracht seien. Dabei hat Dr. Wendorff Domänen genannt, die in Hannover und im Regierungsbezirk Cassel liegen. Da liegt also kein Grund vor, so außerordentlich niedrige Pacht zu nehmen. Bei Weiterverpachtung treiben die Domänen⸗
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pächter den allergrößten Wucher.
a) Reichs⸗ u. Staats⸗
— Ein Domänenpächter, der 20 000 Mark Pacht zahlt, zieht allein aus seiner Kirschen⸗ und Obstplantage 80 000 ℳ jährlich. Da ist eine scharfe Kontrolle der Domänen durchaus angebracht. Die bürgerlichen Parteien mit Einschluß der Mehrheitssozialdemokratie haben sich von Jahr zu Jahr vertrösten lassen, dat es mit den Arbeiterwohnungen besser werden sollte. Nichts ist geschehen. Der eigentliche Verantwortliche dafür ist der
bisherige Landwirtschaftsminister Braun. Auf den Domänen ist das
Vieh weit besser untergebracht als die Arbeiter. Wenn man denkt, g. man mit der Unterbringung von 120 Arbeitern bei den Moor⸗ arbeiten und der Landgewinnung der Arbeitslosigkeit entgegenarbeiten kann, von denen Millionen betroffen sind, so ist das lächerlich. Dr. Kaufhold hätte seine Attacke gegen das Ministerium richten sollen. Die Verhältnisse bei der Siedlung auf dem Lockstedter Lager sind recht bemerkenswert. Plötzlich sind 50 Mann und vier Offiziere auf und davongegangen. Diese Räuber und Räuberhaupt⸗ leute sind nach S gegangen. Solche Räuberbanden (leb⸗ hafte Pfuirufe auf der Rechten) kommen auch aus anderen Lagern. Sie n angeblich ihrem Herzensgefühl. (Zuruf des Abg. Held [D. V.]; So etwas kennen Sie nicht!) Nein, wir haben nicht den Drang im Herzen, als Räuberbanden loszugehen. (Zuruf rechts: Aber als Mörder!). Diese freiwilligen Banditen (großer Lärm rechts) machen in Oberschlesien Deutsche zu Gefangenen und mißhandeln sie, einen rechtssogialistischen Stadtrat haben sie zu Tode geprügelt und geschossen. Das merkwürdigste ist, daß diese Leute aus dem Lockstedter Lager bewaffnet gewesen sind. Wo mögen sie die Waffen her haben, die Entwaffnung ist doch vollständig durchgeführt? (Zuruf rechts: Haben sie bei den Kommunisten gepumpt!) Wir verlangen, daß diesen Banditen in den Siedlungslagern die Möglich⸗ keit genommen wird, mit Waffen auszuziehen und Verwicklungen in Oberschlesien hervorzurufen und dort in den nichtaufständischen Gebieten Leben, Gesundheit und Gut der arbeitenden Bevölkerung bedrohen. Die Pachtsummen sind geradezu empörend gering, wie Herr Braun als Minister selbst zugab; und heute dasselbe Bild! Dem jetzigen Minister muß das doch alles bekannt sein. Aber es ist bei der alten Wirtschaft geblieben. Wo Auswucherung der After⸗ pächter konstatiert ist, muß die Verwaltung sofort die Domänen⸗ pachtverträge aufheben. Die ganz schlauen Großgrundbesitzer treiben den unverschämtesten Bodenwucher, indem sie die Pacht in Naturalien verlangen; diese Bodenwucherer müßte man enteignen. Aber Sie (nach rechts) fühlen sich mit ihnen solidarisch und Sie haben sie in ihren eigenen Reihen. Sie sind es ja, die jetzt die Möglichkeit der Auswucherung noch steigern, indem sie den Roggenpreis von 1400 ℳ auf 2100 ℳ, den Weizenpreis von 1500 ℳ auf 2300 ℳ pro Tonne heraufsetzen. Können die Herrschaften die Güter nicht mehr bewirt⸗ schaften, so mögen sie abziehen. Die Landarbeiter und Kleinbauern werden mit Vergnügen die Wirtschaft übernehmen. (Lachen rechts.) Ins Zuchthaus gehören diese Großgrundbesitzwucherer, auch die, die Tausende von Morgen brachliegen lassen. Der Getreideablieferungs pflicht sind weder die Großgrundbesitzer noch die Domänenpächter nachgekommen. (Vizepräsident Dr. Porsch ersucht den Redner, nicht vom Thema abzuweichen.) Da kann nur eine sehr scharfe Kon trolle helfen. Redner ergeht sich dann in einer Polemik gegen die Mehrheitssozialisten, die, wie sie im allgemeinen in der Frage der Sozialisierung vor lauter Feigheit nicht ernst machten, auch der Ueberführung der Domänen in die Selbstbewirtschaftung wider⸗ strebten. Die organisierte Landarbeiterschaft rücke von dieser Partei jetzt entschieden ab und wende sich ihren wahren, ihren einzigen Freunden, den Kommunisten zu, die sie von ihrem Sklavenjoch be⸗ freien würden. (Widerspruch und Gelächter bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Die Landarbeiter sollten ihre Macht erkennen, dann würden sie die Günstlinge des Kapitals auf dem Lande sehr bald niedergerungen haben.
Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen.
Persönlich tritt Abg. Weber (Soz.) den Angriffen des Abg. Dr. Kaufhold entgegen. Die Abstimmung und die Sitzung werden hierauf auf Mittwoch, 12 Uhr, vertagt. (Außerdem morgen Haushalt des Ministeriums des Innern, kleinere Vorlagen.)
Schluß ½7 Uhr.
Handel und Gewerbe.
Bei den Abrechnungsstellen der Reichsbank wurden im Monat Juni 1921 abgerechnet: ℳ 68 763 521 500.
Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom
30. Funi 1921 betrugen (in Klammern + und — im Vergleich mit der Vorwoche):
die Aktiva: 1921 1920 1919 1 ct ℳ Mt
1 102 768 000 1 094 984 000 1 136 346 000
(+ 605 000) (— 190 000) (— 1 151 000)
. 1 091 563 000 1 091 717 000 1 116 405 (90
— 1 000) (◻‿ 3 000) (— 1 395 000)
311 208 000 17251 609 000 9 058 409 000 (s— 2165798000) (+ 758 960 000) (+ 299 590 000) 1 738 000 2 007 000 3 239 000 (s— 2 987 000) (—+— 887 000) (+ 118 000) 1 565 406 000
(— 96 948 000) 60 954 107 000 33 292 875 000 79607 790 000 G£ B 81r on) (†4494785000)
(+ 15 103 359 000) 6 079 000 8 073 000
(s-— 121 564 000) 8 4 454 000) (— 42 000) 282 716 000 343 479 000 125 027 000 (+ 24 162 000) (— 17 518 000) (— 14 355 000) . 6 050 233 000 11700 124 000 2 627 046 090 (s— 113 754 000) (— 395 150 000) (+. 116 481 000)
Metallbestand*). darunter Gold
Reichs⸗ u. Darlehns⸗ kassenscheine ..
Noten and. Banken Wechsel u. Schecks
diskontierte Reichs⸗ schatzanweisungen
Lombardforderungen 6 268 000 Effekten
sonstige Aktiven.
die Passiva: Grundkapital.
Reservefonds...
180 000 000 (unverändert) 104 258 000
180 000 000 (unverändert) 99 496 000 (unverändert) 29 968 388 000 (+ 860 524 000)
180 000 000 (unverändert)
121 413 000 (unverändert) (unverändert)
75 321 095 000 53 975 118 000 (+ 3334382000) ( 2318602000)
sonstige tägl. fällige ’
Verbindlichkeiten:
) 5647 805 000 23 413 955 000 13729 641 000
(†2116590000),-¹ 1000 b) Privatguthaben .14744 903 000 + 1 B4 185 000) ( 4108369000)
(+ :7163635000) sonstige Passiva. 912 722 000 3 681 052 000) 2 271 741 0090
(+ 82 468 000), (s— 13 909 000) (— 73 467 000)
*) Bestand an kursfähigem deutschen Gelde und an Gold in Barren oder ausländischen Münzen, das Kilogramm fein zu 2784 ℳ berechnet.
umlaufende Noten
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