8 Dem früheren Geschäftsführer Alfred Schumann in
Charlottenburg, Lutherstraße 29, habe ich die Wiederauf⸗ nahme des durch Verfügung vom 26. Oktober 1919 Amts⸗ blatt Stück 45 untersagten Handels m it Gegenständen des täglichen Bedarfs auf Grund des § 2 Absatz 2 der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915 (-GBl. S. 603) durch Verfügung vom heutigen Tage gestattet.
Berlin, den 2. Juli 1921.
Deutsches Reich.
Der tschecho⸗slowakische Gesandte Tusar hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der erste Legationsrat Machaty die Geschäfte der Gesandtschaft.
Der bisherige inoffizielle Vertreter der chinesischen Re⸗ gierung in Berlin, Dr. Chang Yün Kai, ist zum Geschäfts⸗ träger ernannt worden. Gleichzeitig hat die deutsche Re⸗
gierung ihren bisherigen inoffiziellen Vertreter in Peking, Ge⸗ sandtschaftsrat D n Borch, zum Geschäftsträger bestellt.
Der Reichskanzler Dr. Wirth und der preußische Minister des Innern Dominicus haben sich gestern zu mehrtägigem Aufenthalt nach Breslau begeben, um mit den dortigen ober⸗ schlesischen und schlesischen Stellen persönlich Fühlung zu
nehmen.
Am 28. Juni hat der Reichstag ein Gesetz verabschiedet, welches die Geltungsdauer des Kapitalfluchtgesetzes bis 1. Januar 1922 erstreckt. Im Artikel II des Gesetzes ist be⸗ stimmt, daß es mit Wirkung vom 1. Juli 1921 in Kraft tritt. Die Vorschriften des Kapitalfluchtgesetzes bleiben dadurch weiterhin in Geltung. Eine Unterbrechung in den Rechts⸗ wirkungen der Vorschriften über die Kapitalflucht ist dadurch nicht eingetreten. 1
Die deutsch⸗polnische Kommission aus Posen ist S von ihrem Besuch im Niederlausitzer Braun⸗ ohlenrevier zurückgekehrt und hat dort laut Meldung des Wolffschen Telegraphenbüros“ festgestellt, daß seitens der Be⸗ hörden oder Arbeitgeber keinerlei Zwang zur Erzielung der Abwanderung der Polen ausgeübt worden ist. Soweit polnische Arbeiter unter dem Zwange wirtschaftlicher oder nationaler Spannung zur Auswanderung veranlaßt worden sind, haben sie diese mit Hab und Gut ungehindert durch⸗ führen können. Die Kommission hat sich am 7. Juli wieder nach Posen zurückbegeben. Es muß erwartet werden, daß nun⸗ mehr dort auch den hetzerischen falschen Darstellungen über die Lage der Polen in Deutschland ein Ende bereitet wird. 11“
““ 8 11““ 8 1
Um in der gtgergen en Zeit größter wirtschaftlicher e
Not die wissenschaftliche Forschungsarbeit stärker, als dies bis⸗ her geschehen, an der praktischen Lösung des Problems der Volksernährung zu beteiligen, hat der Reichsminister Dr. Hermes seinem Ministerium einen Beirat zur Förderung ernährungswissenschaftlicher Forschungstätigkeit an⸗ gegliedert und in k8b Beirat laut Mitteilung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgende Herren berufen: Für allgemeine Chemie die Professoren Beckmann (Kaiser Wilhelm⸗Institut für Chemie in Berlin⸗Dahlem), Hofmann (Technische. Hochschule Charlottenburg) und Willstätter rmthfrfütt München); für Ernährungs⸗ physiologie die Professoren Abderhalden (Universität Sen) und Rubner (Universität Berlin); für Pflanzenphysiologie un Vererbungslehre die Professoren Baur (Landwirtschaftliche Nehsce Berlin) und Haberlandt (Universität Seelech, für ahrungsmittelchemie die Prü. shah Heiduschka (Technische Hochschule Dresden), 82 enack (Technische Hochschule Char⸗ lottenburg) und Paul (Universität München); für Agrikultur⸗ chemie Pensesar Lemmermann (andwirtschaftliche Hoch⸗ schule Berlin); für Bakteriologie und Ernährungshygiene Professor Neumann (Universität Bonn); für klinische Fragen Professor von Müller (Universität München); für Er⸗ nährungsstatistibk Dr. Kuczynski (Statistisches Amt Berlin⸗ Schöneberg). „In der ersten, am 4. Juli im Reichsministerium für Er⸗ nährung und Landwirtschaft abgehaltenen Sitzung des Beirats begrüßte der Ministerialdirektor Dr. Hoffmann im Namen des
Ministers, der verhindert war, an der Sitzung teilzunehmen,
8
die Erschienenen und sagte:
Die augedenerch schwierigen Verhältnisse, in denen Deutsch⸗ land auf viele Jahre hinaus 8. befinde, machten die Begehung neuer Wege auch auf dem Gebiete der Volksernährung notwendig. Der Reichsminister Dr. Hermes hoffe, daß es der Mitarbeit so hervor⸗
rSee. wie sie dem Beirat angehören, gelingen werde, Mittel und Wege zu finden, um neue NEFestahfun len den Menschen zu erschließen, die jetzt zur Verfügung stehenden Roh⸗ stoffe vorteilhafter als bisher auszunützen, die Ver⸗ fahren zur Verarbeitung der Rohstoffe auf Lebensmittel zweckmäßiger zu gestalten und die Lebensmittel so zubereiten zu lassen, daß sie soweit als nur möglich und so zweck⸗ mäßig als nur möglich vom Körper ausgenutzt werden.
„Sämtliche Forscher begrüßten die Absicht des Reichs⸗ ernährungsministers auf das lebhafteste und stellten sich zur Mitarbeit zur Verfügung. Nach eingehender Beratung be⸗ schloß der Beirat, sich zunächst folgenden Aufgaben zuzuwenden:
Die Brotfrage soll erforscht werden einmal nach der Richtung der Verbesserung der Herstellung des Brotes zur Erzielung weitest⸗ gehender Ausnutzung durch den menschlichen Körper sowie andererseits durch Hebung des Ertrages an Getreide und anderen Feldfrüchten mittels rationeller Züchtung auf wissenschaftlicher Grundlage (systema⸗ tische Erbanalyse). Im S damit soll eine Hebung des Ertrages des Bodens dadurch erzielt werden, daß, nachdem die Stick⸗ stofffrage gelöst ist, die Phosphorfrage und insbesondere die Bedeutung des Phosphors im Zesaweenent eng mit dem Stickstoff erforscht wird.
Der Frage der Deckung des Fettbedarfs der Bevölkerung
sollen dienen wissenschaftliche Untersuchungen über die Möglichkeit der
Verwendung von Fettsäuren, die auf chemischem Wege aus Kohlen⸗ wasserstoffen gewonnen werden, sowie Forschungen über die Kultur der Scsazohne und der Erdnuß bezw. ihr Akklimatisationsvermögen in
Der Frage der Ersparnismöglichkeit bisher unrationell verteilter Kohstoffe sollen sich Untersuchungen zuwenden über die Aufschließung von Stroh, über den chemischen Abbau horn⸗ und holzartiger Stoffe, über die Einwirkung der Darmbakterien der Wiederkäuer auf die Zellulose und anderes mehr. Auf ernährungs⸗ physiologischem Gebiete sollen besonders gefördert werden die Studien über die Vitamine, über gewisse Mineralstoffe (Nährsalze) über die Enzvmfrage sowie über die Möglichkeit der Vermeidung von Ver⸗ lusten an Nährstoffen bei Zubereitung von Lebensmitteln. Im Auftrage des Reichsministers Dr. Hermes konnte der Ministerialdirektor Dr. Hoffmann den einzelnen Gelehrten, die ch zur Erforschung der aufgeführten Fragen bereit erklärten, nanzielle Beihilfen, wenn auch nur in bescheidener Höhe, aus einem dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirt⸗ schaft zur Verfügung stehenden Fonds überweisen. Der Lösung mit Hilfe der Wissenschaft harren außerordentlich umfangreiche und wirtschaftlich wichtige Fragen der Volksernährung. Daß sich die Wissenschaft mit größter Bereitwilligkeit in den Dienst dieser Aufgaben der Volksernährung stellt, bedarf dankbarer Anerkennung.
86 ö“ 8 8 8 Preußen. 8
Die deutsche Bevölkerung des Kreises Fönten⸗ burg hat an die Interalliierte Kommission 8 ch einen gerichtet, in dem es, dem „Wolffschen Telegraphen⸗
üro“ zufolge, heißt, daß heute, nachdem die Räumung längst
hätte 8 en en müssen, die Zustände sich noch in keiner Weise ge eßert hätten. Die Landorte seien noch voll von Insur sen ten, die sich überall die Polizeigewalt angemaßt hätten, so sei in der Gemeinde Biskupitz mit Genehmigung des französischen Kreiskontrolleurs eine aus Insurgenten bestehende Gemeinde⸗ wache gebildet worden. Selbst in Hindenburg seien Ver⸗ schleppungen und Mißhandlungen von Einwohnern an der Tagesordnung. Der Transport großer Waffen⸗ mengen nach dem Kreise üvenburg dauere an. Der Hilferuf verlangt die sofortige Abberufung des französischen Kreis⸗ kontrolleurs und den Einmarsch interalliierter Truppen, und zwar lediglich Engländer oder Italiener.
Auch aus der Umgebung der Stadt Ratibor wird das Auf⸗ treten neuer bewaffneter Banden gemeldet, die in der alten Weise die deutschgesinnte Bevölkerung terrorisieren, miß⸗ handeln und verschleppen.
In Beuthen ist an Stelle des bisherigen Stadtkomman⸗ danten Generals Lecomte Denis der englische Oberst⸗Komman⸗ dant Vauchope, der Führer der südlichen Brigade in Ober⸗ schlesien, zum Stadtkommandanten ernannt worden. Größere Verbände englischer Truppen sind vorgestern dort ein⸗ getroffen.
Seit dem 6. Juli besteht für die Ein⸗ und Ausreise von und nach Oberschlesien wieder der Paßzwang, wie er vor dem oberschlesischen Aufstande 99 . war. Die Pässe müssen also wieder das französische Visum tragen.
Ungarn.
Die kroatische Bevölkerung des Komitats Mosony hat gestern in Lajtakata eine Protestversammlung gegen die tschechischen und I811 Korridoransprüche abgehalten und dem „Ungarischen Telegraphen⸗Korrespondenz⸗ büro“ zufolge erklärt, gegen tschechische und serbische Eindring⸗ linge, die nationale Minderheiten unterdrücken, nötigenfalls alles aufbieten zu wollen. 3
Großbritannien und Irland.
Auf der vorgestrigen Vormittagssitzung der Reichs⸗ konferenz kam die Frage der deutschen Reparationen und die Verteilung des britischen Anteils an der Entschädigung unter Großbritannien, Indien, die Dominions und die Kron⸗ kolonien zur Sprache. Nach zweistündiger Beratung wurde die Besprechung vorläufig vertagt. Am Nachmittag stand die ägyptische Frage auf der Tagesordnung.
.— Der Premierminister Lloyd George erklärte gestern im Unterhause, er hoffe, bald, vielleicht schon Montag, in der Lage zu sein, über den englisch⸗japanischen Vertrag eine Erklärung abzugeben. Der Zeitpunkt dieser Erklärung hänge von den Antworten ab, die von den Vereinigten Staaten und China erwartet würden. Im gegenwärtigen Augenblick würde eine öffentliche Erklärung möglicherweise dem Erfolg der Verhandlungen nachteilig sien.
Frankreich.
Die Budgetkommission der Kammer hat vorgestern mit 12 gegen 10 Stimmen grundsätzlich festgelegt, daß für den Schutz von Syrien nur die unbedingt notwendige Truppen⸗ zahl erhalten wird und daß die Truppen aus Cilicien zurück⸗ gezogen werden sollen.
—— In der vorgestrigen Sitzung der vereinigten Aus⸗ schüsse für Finanzen und auswärtige Angelegen⸗ heiten erklärte der Ministerpräsident Briand, die Fian. 11187G Truppen in Konstantinopel würden an keinem ffensivkampf teilnehmen. Die Machtbefugnisse des englischen Generals seien einfache Polizeibefugnisse. ö1
Rußland. 11““
Nach einer Exchangemeldung hat Tschitscherin an den griechischen Premierminister die Frage gerichtet, ob die Nachricht von einer griechischen Kriegserklärung an Rußland auf Wahrheit beruhe. Der Ministerpräsident Gunaris habe in seiner Antwort die Meldung für voll⸗ kommen unrichtig erklärt. Griechenland befinde sich nur mit den Kemalisten im Kriegszustande.
8 88 1 BIuu Italien. ““ BEV“ 8 8 Nach einer Stefanimeldung ist der Marquis della Toretta zum Minister des Auswärtigen ernannt worden und hat die Leitung des Ministeriums bereits übernommen. 89
1““
Litauen.
Der litauische Vertreter beim Völkerbund, der Handels⸗ minister Ga lvanauskas, erstattete vorgestern im Sejm einen Bericht über die Verhandlungen in Genf. Als er die Vor⸗ schläge des Völkerbundsrats zur Verlesung brachte, erhob sich von allen Parteien lebhafter Protest. Auch die ge⸗ samte Presse ist gegen diese Vorschläge. Gestern fand ein Ministerrat statt, der sich mit der Antwort an den Völkerbund befaßte.
— Litauisch
1 eitungen melden auf Grund zuverlässiger Nachrichten aus 8 — sth
e Wilna, daß die Polen in Erwartung des “ ““
Rücktritts Zeligowskis ein neues Abenteuer vorbereiten, an dessen Spitze sich der Adjutant eligowskis, Hauptmann Pristor, ein Vertrauensmann Pilsudskis, stellen soll. Nach Litauen werden Agenten entsandt, um die polnischen Einwohner zu einem Aufstande aufzustacheln und auf diese Weise einen Grund zum Appell an die polnische Hilfe zu schaffen. Wilna werden Gerüchte über bevorstehende neue terroristische Akte gegen litauische Minister verbreitet. Die polnische Fraktion im Kownoer Sejm, die aus drei Mitgliedern besteht, hat an die Kontrollkommission eine Denkschrift gerichtet, in der über angebliche Verfolgungen seitens der litauischen 1n ge⸗ klagt wird. Die Denkschrift verlangt Uhescenton und erklärt, daß dies der letzte Versuch von po nischer Seite sei. Die litauische Regierung hat angesichts der polnischen Umtriebe eine Untersuchung eingeleitet. 1 — Wie Reuter meldet, sind die Mitglieder des Zentral⸗ komitees der kommunistischen Partei in Litauen ver⸗ haftet und wichtige Dokumente bes lagnahmt worden.
Schweden. in der vorgestrigen Sitzung Arb2eis dero wurde über die Vorbereitungen für die internationale Arbeitskonferenz in Genf am 25. Oktober sowie über die Bearbeitung und Prüfung der Antworten, die von den Regierungen und von den manggatonen der Arbeitgeber und der Arbeiter eingegangen sind, verhandelt. Die polnische Regierung schlug dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zu⸗ folge vor, für die Regelung der Ueberführung er Versicherungsfonds in den Gebieten, die Deutschland an Polen abgetreten hat, einen ähn⸗ lichen Ausschuß einzusetzen, wie den, der für s Lothringen in der gleichen Frage erfolgreich tätig gewesen ist Diesem Vorschlage wurde zugestimmt. Zu Mitgliedern dieses Ausschusses wurden der Professor der Finanzwirtschaft an der Universität Bern, Moser, der Vorsitzende des Versicherungsrates in Stockholm, Lindstedt, und der italienische Senator, ehemalige Minister, Abbiave, ausersehen, die schon für die Ueberführung der Versicherungsfonds in Elsaß⸗Lothringen gewählt waren.
Bulgarien. Die bulgarische Regierung hat, wie Sralce . graphenbüro“ meldet, um einen dreijährigen Aufschub ihrer Reparationszahlungen ersucht.
Amerika.
Präsident Harding vorgestern bei der Beits vag der Resolution Borah, er beabsichtige eine Zusammenkunft von Senatoren im Weißen Hause demnächst einzuberufen, um mit ihnen die nächsten Schritte zu besprechen, die zur Aus⸗ führung des in der Resolution orah vorgezeichneten Ab⸗ rüstungsprogramms zu unternehmen seien.
— Der amerikanische Senat hat vorgestern obiger Quelle zufolge die Abänderungsanträge des Repräsentantenhauses zum Flottenbudget abgelehnt und an die gemeinsame Konferenz des Kongresses zurückverwiesen. Der Senat ver⸗ langt in einer Reihe von Punklen höhere Ausgaben als das Repräsentantenhaus.
Das Flottendepartement Eichenwald zum Verkauf stellen, die es 1847 zum Bau von hölzernen 1 angekauft hatte. Zu gleicher Zeit sollen 166 der Flotte angehörige Schiffe verkauft werden.
wird in Kürze 1000 Acres
Nach einer amtlichen Meldung ist es in Aligarh (Pro⸗ vinz Indiens) anläßlich eines politischen Prozesses zu Unruhen gekommen. Das Polizeiamt und andere Gebäude wurden niedergebrannt. Mehrere Personen wurden getötet.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem preußischen Landtag ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ermächtigung des Staats⸗ ministeriums zur Feststellung der Beendigung des Kriegszustandes, nebst Begründung zur Beschlußfassung zugegangen.
Zur Auslegung der Begriffe „Friedensschluß“ und „Kriegsende“ hat die Reichsregierung die Verordnung vom 14. Februar 1920 er⸗ lassen; diese beschränkt sich jedoch auf rechtsgeschäftliche Erklärungen und findet nach der ausdrücklichen in der Begründung des Verordnungsentwurfs nur auf Verträge und ihnen gleichgestellte Bestimmungen von Einigungsämtern, Schiedsgerichten, Schiede⸗ stellen und dergleichen sowie auf einseitige Wisengerämsg. Anwendung. Darüber hinaus ergibt sich das Bedürfnis, den Begriff des Kriegsendes auch da festzustellen, wo an seinen Eintritt in landesrechtlichen Vorschriften unmittelbar rechtliche Folgen — beispielsweise die Beendigung eines Amtes, die Ver⸗ längerung der Amtsdauer — geknüpft sind. Diese Feststellung kann, weil es sich hierbei um authentische Interpretationen handelt, die Wahrheit Rechtsnormen darstellen, nicht im Verwaltungswege, sondern nur auf Grund eines Gesetzes in jedem einzelnen Falle oder im Wege allgemeiner gesetzlicher Ermächtigung erfolgen. Der letztere — empfiehlt sich sowohl seiner größeren Ein achheit halber als au deshalb, weil er dem Reichsrechtszustande entspricht. Der vorliegende Gesetzentwurf lehnt sich daher auch in seinem Wortlaut an den § 1gs. des Ausführungsgesetzes zum Friedensvertrage vom 31. August
an.
„— Ferner ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die vorläufige Regelung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1921, nebst Begründung dem Landtag zugegangen.
Ebenso wie im Vorfahre ist es, wie in der Begründung bemerkt wird, auch in diesem Jahre nicht möglich gewesen, von Haushaltsplan 89 das laufende Rechnungsjahr bis zum Schluß des vorhergegangenen
kechnungsjahres durch Gesetz festzustellen. Zwar ist das Staats⸗ ministerium nach Artikel 64 der preußischen Verfassung vom 30. No⸗ vember 1920 bis zum Inkrafttreten des neuen Haushaltsplans er⸗ mächtigt, innerhalb des dort unter Ziffer I näher bezeichneten Rahmens gewisse unaufschiebbare Ausgaben zu leisten. Daneben müssen aber noch Mittel für solche Maßnahmen bereitgestellt werden, die nicht in jenen Rahmen hineinfallen, im Haushaltsentwurf für 1921 zum ersten Male erscheinen und so dringlich sind, daß sie auch nicht um einige Wochen oder Monate hinausgeschoben werden können. Die hierfur in Betracht kommenden Ausgaben sind im § 1 des Entwurfs einzeln aufgeführt. Zur Aufrechterhaltung der Finanzwirtschaft ist für das eetgungehab; 1921 ein neuer Schatzanweisungskredit von 5 Milliarden Mark erforderlich. Dieser wird im § 2 des Entwurfs — ebenso wie in § 3 des Entwurfs zum Haushaltsgesetz für 1921 — angefordert. Artikel 64 Ziff. 2 der preußischen Verfassung ermächtigt zwar das Staatsministerium zur Ausgahbe von Schatzanweisungen innerhalb ge⸗ wisser Grenzen. Es erscheint jedoch zweckmäßig, scsoß jetzt den Finanz⸗ minister zu ermächtigen. die zur vorübergehenden Verstärkung der Be⸗
triebsmittel der Genctalstaatskasse erforderlichen Mittel in voller Höhe durch Ausgabe von Schatzanweisungen bereitzustellen. 18 v“ ö1“
des Internationalen
Nach einer Meldung der „Chicago Tribune“ erklärte der
Feacmach
Weiter sind der Entwurf eines Gesetzes, be⸗ wffend Abänderung des Kommunalabgabengesetzes zwie des Kreis⸗ und Provinzialabgabengesetzes und
sonstiger Vorschriften des kommunalen Ab⸗ rechts, nebst Begründung und eine gutachtliche Aeuße⸗ des Staatsrats zu diesem Entwurf dem Landtag zur geschlußfassung zugegangen. Das Staatsministerium hat den m Staatsrat vorgeschlagenen Abweichungen zugestimmt.
Eine Neuregelung. des Kommunalabgabenrechts ist, wie in der gaaründung betont wird, eine unbedingte Notwendigkeit. Immerhin Uid eine Erfüllung dieses berechtigten Wunsches sich erst Feneesn nesen, wenn ein systematischer Aufbau unter verständnisvoller Würdi⸗
der Bedürfnisse von Reich, Ländern und Gemeinden (Gemeinde⸗ 4 inden) durch eine Umgestaltung der Reichssteuergesetze, insbesondere 8 dandessteuetgeseben vorgenommen wird. Bis dahin wird man
ider mi 2 üa e des Vorübergehenden tragen. Immerhin sind zahlreiche Ferschläge in der vorliegenden Novelle zum Kommunal⸗ sowie Kreis⸗ nd hrevinzialabgabengesetz von großer Bedeutung für die beteiligten gemeinden und Gemeindeverbände. Dabei konnten naturgemäß für vorläufiges Gesetz nur Verhältnisse in Rücksicht gezogen werden, ie diingend einer baldigen Regelung bedürfen.
— Dem Landtag ist ferner der Entwurf eines Ge⸗ tzes über Aenderung a) der Verordnung, betreffend in vereinfachtes Enteignungsverfahren, vom il. September 1914, b) des Gesetzes, betreffend die Bekannt⸗ rchung landesherrlicher Erlasse durch die Amtsblätter, vom 0.April 1872 nebst Begründung zugegangen. Nach § 1 des Gesetzentwurfs 89 die mit dem 30. Juni d. J. außer Kraft geretene Verordnung, betreffend ein vereinfachtes Enteignungs⸗ gerfahren, vom 11. September 1914 in der Fassung der Ver⸗ onungen vom 27. März 1915, 25. September 1915, 10. April rd 15. August 1918 sowie des Gesetzes vom 21. September 90 mit einigen Abänderungen wieder in Kraft gesetzt werden.
der Begründung wird hierzu bemerkt:
Nach Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung vom 25. September 1915 izer weitere Verlängerung der Gültigkeit der Verordnung vom „September 1914, betreffend ein vereinfachtes Enteignungsverfahren uir Beschaffnng von Arbeitsgelegenheit und zur Beschästigung von Friegsgefangenen, sollte die Verordnung vom 11. September 1914 chs Monate nach dem Tage der Beendigung des Kriegs⸗ ustnds außer Kraft treten. Durch das Gesetz vom 21. September 970 ist die Geltungsdauer der Verordnung sodann bis zum 0, Juni 1921 verlängert worden. Durch Artikel 1 der Verordnung iber Abänderung der Verordnung, betreffend ein vereinfachtes Ent⸗ imungsverfahren, vom 15. August 1918 ist die Anwendbarkeit dieses Pafahrens auf alle Unternehmungen ausgedehnt worden, die für Brece der Kriegführung oder der Volksversorgung Bedeutung haben, nd bei denen das Enteignungsverfahren aus Gründen des öffent⸗ icen Wohles einer besonderen Beschleunigung bedarf. Der Weg⸗ all des vereinfachten Enteignungsver ahrens auf Grund dieser Be⸗ inmungen würde unerwünscht sein, denn die Verhältnisse, die für e Erweiterung des Anwendungsgebietes des vereinfachten Ent⸗ gnungsverfahrens maßgebend gewesen sind, bestehen, soweit es sich im Unternehmungen für Zwecke der Volksversorgung handelt, auch gegewärtig noch unverändert fort; die Enteignungen zugunsten von ünternehmungen der in der Verordnung gedachten Art werden im Hinblick euf die bestehende und möglicherweise noch zunehmende Arbeitslosigkeit egar noch an Bedeutung gewinnen. Die in der Verordnung der preußi⸗ shen Regierung, betreffend ein vereinfachtes Enteignungsverfahren zur
geschafng von Arbeitsgelegenheit, vom 11. Dezember 1918 den
Demobilmachungskommissaren ohne Festsetzung einer zeitlichen Be⸗ brinkung gegebene Befugnis zur Einleitung der Enteignung unter lnweidung des vereinfachten Verfahrens reicht nicht aus, da diese Gefugnis auf Fälle beschränkt ist, in denen Grundeigentum von sorporationen des öffentlichen Rechts in Anspruch genommen virc, während jetzt und in Zukunft in zahlreichen Fällen private anternehmungen in Frage kommen. Es erscheint daher angezeigt, se Geltungdauer der Verordnung vom 11. September 1914 n berlängern, und zwar bis zum 30. Juni 1922, da nach Lage ier Verhältnisse noch für längere Zeit auf die Möglichkeit be⸗ bleunigten Eingreifens nicht wird verzichtet werden können. Bei gseser Gelegenheit werden auch die Zuständigkeiten zur Verleihung Enteignungsrechts und zur Anordnung des vereinfachten Ent⸗ mnungsverfahrens sowie die Vorschriften über die Veröffentlichung der (ê anderweitig zu regeln sein. Die frühere Befugnis der srone zur Verleihnng des Enteignungsrechts ist gemäß § 6 der Grundsätze für die Zuständigkeit der preußischen Regierung und der Fe ssortminister vom 31. Januar 1919 vom Staatsministerium auf die nstindigen Minister übergegangen, die sie im Namen des preußischen Staatsministeriums ausüben. Dagegen ist die Befugnis zur lnordnung des vereinfachten Enteignungsverfahrens, die zunächst durch „1 der Verordnung vom 11. September 1914 dem Staatsministerium serwiesen, dann durch die Bekanntmachung vom 14. November 1918 zuf die preußische übergegangen war, durch Artikel 1 des pesetes vom 21. September 1920 den zuständigen Ministern ibertragen. Die gegenwärtige Rechtslage ist demnach so, ch die Erlasse über die Verleihung des Enteignungsrechts ben den zuständigen Ministern im Namen des preußischen Etaatsministeriums, diejenigen über die Anordnung des vereinfachten ünteignungsverfahrens dagegen allein von den zuständigen Ministern holzogen werden. Die Seeneeeg der ersteren Erlasse — Werleihung des Enteignungsrechts — erfolgt gemäß § 1 des Gesetzes im 10. April 1872 durch die Amtsblätter, die der letzterwähnten llase — Anordnung des vereinfachten Enteignungsverfahrens — ügegen gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung vom 11. September 4 durch die Gesetzsammlung. Im Interesse der Vereinfachung ies Geschäftsbetriebes liegt es, wenn die Erlasse über die Ver⸗ leihung des Enteignungsrechts und über die Zulassung des verein⸗ ichten Enteignungsverfahrens in einer Urkunde vereinigt werden, sie lediglich in dem in Betracht kommenden Regierungsamtsblatt hekannt zu machen ist. Zu dem Zwecke ist es geboten, daß die An⸗ erdnung des vereinfachten Enteignungsverfahrens wieder dem Staats⸗ ninisterium übertragen und die Bekanntmachung der ben eeec — im übrigen in Uebereinstimmung mit der Vorschrift in § 2, Abs. 2 des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 — durch das Regierungs⸗ amtzblatt vorgeschrieben wird.
— Endlich sind dem Landtag der Entwurf eines Ge⸗ ebes, betreffend die Staatsverträge higen Thüringen n; Preußen über das gemeinschaftliche Landgericht 1 Meiningen (vom 28. Mai/18. Juni 1921) und über den nschluß thüringischer Gebietsteile an den Land⸗ gerichtsbezirk Erfurt und den Oberlandesgerichts⸗ bezirk Naumburg a. S. (vom 15,/20. Juni 1921), und der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erweiterung des kadtkreises Witten (Abtrennung der 636 ha großen, rund
)Einwohner zählenden Landgemeinde Heven vom Kreise Haltingen, Regierungsbezirk Arnsberg, und Vereinigung mit 1 bei einem Flächenraum von 879 ha rund 40 000 Ein⸗ dacfhtt zählenden Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Witten),
st Begründungen zugegangen.
1“ 8
Der Reparationsausschuß des Reichswirt⸗ haftsrats nahm in seiner Sitzung am 7. d. M. zu dem Ent⸗ f eines Rennwettgesetzes Stellung. Der Entwurf gt, die sich bei Pferderennen betätigende Wettleidenschaft in te Bahnen zu leiten und steuerlich nutzbar zu machen. Zu Zweck sieht der § 2 eine Konzessionierung der er und die Besteuerung ihrer Umsätze vor des Wetteinsatzes). Der Entwurf geht
diesem
Maßnahmen begnügen müssen, die von vornherein den
es nicht gelingen wird, das 2 durch polizeiliche aßnahmen ein⸗ zuschränken oder auszurotten, und daß es daher besser ist, die Buchmacherwetten zuzulassen und zur Steuer heranzuziehen. Der Vertreter der Rennvereine hatte sich bei seiner Vernehmung als Se chverständiger s die eingesetzte Unterkommission gegen die Konzessionierung der Buchmacher ausgesprochen, weil er von ihr ein erhebliches Zurückgehen der Totalisatorumsätze und damit der den Rennvereinen zur Verfgung stehenden ittel zur Pflege der Pferdezucht befürchtete. Andere Sachverständige haben sich für die Konzessionierung ausgesprochen. Im Zusammenhange hier⸗ mit wurde die Frage aufgeworfen, ob das Glücksspiel über⸗ haupt konzessioniert und zur Steuer herangezogen werden solle. Nach längerer Erörterung entschied der Ausschuß grundsätzlich daß an eine allgemeine Konzessionierung des Glücksspiels nicht gedacht ewerden könne. Der Konzessionierung der Buchmacher und ihrer Heranziehung zur Besteuerung wurde mit großer Mehrheit zugestimmt und auch die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen dem Steuersatz für den Totalisator und dem für den Buchmacher an⸗ erkannt. Entgegen der Regierungsvorlage (16 ¾ % vom Totalisator, 10 % vom Buchmacher) wurden jedoch 20 % vom Totalisator und 14 % vom . vorgeschlagen. Den Wünschen der Renn⸗ vereine wurde dadurch Rechnung getragen, daß von den Abgaben der Buchmacher nach dem gleichen Schlüssel wie von den Abgaben des Totalisators die Länder ein fünftel für Zwecke der Pferdezucht erhalten (§ 13). Da das Gesetz in § 3 vorsieht, daß Totalisatorunternehmen auch aus anderen Anlässen als öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde vom Reichsminister der Finanzen mit di wknn des Reichsrats imgelassen werden dürfen, erklärte der Ausschuß hierzu grundsätzlich, daß solche Unternehmen nur zugelassen werden sollen, wenn sie „nicht ausschließlich der Wettleidenschaft dienen, sondern ein überwiegend öffentliches Interesse vorliegt“. Nach den so fästsezegt⸗n Grundfätzen wird ein ausführliches Gutachten über das Gesetz erstattet werden.
hierbei davon
aus, daß Wetten beim Buchmacher
Der Ausschuß setzte dann zur Fre der Umsatz⸗ und der Besitzsteuern je eine zwölfgliedrige Arbeitskommission ein.
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Statistik und Volkswirtschaft. “
Am 5. Juli nahmen in Würzburg die Tagungen der Fs fehgeree. mit einem Begrüßungsabend ihren Anfang. Aus allen Teilen Deutschlands waren die Vertreter der Raiffeisen⸗Genossenschaften zusammengeströmt, um Berichte über die Entwicklung der Organisation in den verschiedenen deutschen Ländern und Provinzen entgegenzunehmen und daheim wieder die ländliche Bevölkerung dazu anzueifern, durch Ausbau des ländlichen Kreditwesens, der ländlichen Wohlfahrtsbestrebungen und Förderung der Produktion den Wieder⸗ aufbau des unglücklichen, vergewaltigten Vaterlandes zu beschleunigen. Auch aus dem besetzten Gebiete waren zahlreiche Vertreter der Organisation erschienen, was besonders angenehm berührte und er⸗ kennen ließ, daß auch die Raiffeisen⸗Organisation der Verkettung der deutschen Provinzen mächtig in die Hand arbeitet.
Am Mittwochvormittag fand die Tagung des General⸗ verbandes der deutschen Raiffeisen⸗Genossen⸗ schaften . die der Generaldirektor des Verbandes, Geheimer Justizrat Dletrich, leitete. Oberregierungsrat Graf von Soden begrüßte die Versammlung im Namen des egierungspräsidenten von Unterfranken, im Namen des Sozialministeriums und des Land⸗ wirtschaftsministeriums und bat, die deutsche Landwirtschaft möge auch in Zukunft der Regierung ein treuer Bundesgenosse im schweren Kampfe für die Gesundung des deutschen Volkes sein. Auch der Präsident des deutschen Landwirtschaftsrats und des Verbandes der preußischen Landwirtschaftskammern, Staatsminister Freiherr von Schorlemer, ließ durch Oekonomierat Dr. von Altrock einen guten Verlauf wünschen. Direktor Stahl überbrachte die Grüße des deutschen Genossenschaftsverbandes und Direktor Zimmer diejenigen des Reichs⸗ verbandes deutscher Konsumvereine. Mit besonderer Freue wurden die herzlichen Worte des Vertreters der schweizerischen Raiffeisen⸗ vereine aufgenom men. Oberregierungsrat Dern vertrat die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft und wies auf die Zukunft der Winzer⸗ genossenschaften hin mit dem Wunsche, daß auch dieser Zweig der Landwirtschaft immer mehr an den Segnungen des Genossenschafts⸗ wesens gewinne. Die Stadt Würzburg entsandte als Vertreter Stadtrat Franz. Alle diese Vertreter, ferner Staatsminister a. D. von Dand! und Geheimer Rat Ritter als Vertreter des Landes⸗ finanzamtes Würzburg wurden von dem Vorsitzenden mit Worten des Dankes für ihr Erscheinen und Interesse begrü t. Darauf er⸗ stattete das Vorstandsmitglied, Rechtsanwalt Dr. Seelmann den Jahresbericht, aus dem hervorgeht, daß die Or anisation 7192 Ge⸗ nossenschaften mit rund 650000 *2 “ um⸗ faßt. Der Umsatz betrug im Jahre 1919 5 ½ Milliarden, der Be⸗ stand an Spareinlagen belief sich auf 1,6 Milliarde Mark. Der Umsatz des Zentralgeldinstituts beziffert sich auf 22 ½ Milliarden Mark, jener der Zentralwarenan stalten auf 24 Millionen Zentner im Werte von 813 Millionen Mark.
Mit lebhaftem Interesse und großer Begeisterung wurde ein vom Pfarrer Meyenschein gehaltener Vortrag über „Raiffeisen und die Jugend“ entgegengenommen. Zum Schluß sprach noch Direktor Rippelbeck⸗Koblenz über die schwierige Lage des deutschen Winzer⸗ standes und bat um Unterstützung durch weitgehende Aufklärung. Am anderen Tage schloß sich die Tagung der landwirtschaftlichen Zentraldarlehnskasse für Deutschland an.
Die Einwanderung in den Fen aus dem Auslande und den Abtretungsgebieten.
Es ist eine auf den ersten Blick überraschende Tatsache, daß die Bevölkerung des gegenwärtigen preußischen Staatsgebiets trotz der gewaltigen Kriegsverluste in den Jahren 1914 bis 1919 nur einen verhältnismäßig geringen Rückgan aufzuweisen hatte. Diese Tat⸗ sache erklärt sich zum Teil durch die umfangreiche Einwanderung, die aus den Abtretungsgebieten sowie aus dem Osten Europas stattgefunden hat. Es war bisher nicht möglich, diese Einwanderung soweit sie vor dem 8. Oktober 1919 erfolgt ist — und das dürfte der größere Teil sein —, statistisch zu erfassen. Erst von diesem Tage an war auf Grund der Verordnung über die Fortschreibung der Zivilbevölkerung zum Zwecke der Lebensmittelversorgung, die am 1. September 1919 in Kraft getreten ist, eine Zählung der Einwanderer durchführbar. Diese Verordnung schreibt vor, daß die Gemeinden für alle Zivilpersonen, die aus dem Auslande dauernd zuziehen, eine Zählkarte ausstellen müssen. An der Hand dieser Zählkarten, auf denen auch der bisherige Wohnort werden foll, lassen sich für die Einwanderer Zahl, Herkunft und erster Wohnsitz im Inlande ermitten. Leider wird die Verordnung vom 24. Oktober 1918 immer noch unvollkommen ausgeführt, vor allem soweit es sich um Zuzug auf das platte Land zu Selbstversorgern handelt. Aus diesem Grunde sind wahrscheinlich nicht alle deutschen Flüchtlinge aus Posen und Westpreußen e Zaßt. Auch ein nicht unbeträchtlicher Teil der fremdstoämmssen Einwanderer aus Polen und den übrigen östlichen Gebieten kommt ohne polizeiliche An⸗ meldung und Ausstellung von Zählkarten in das reußische Staats⸗ gebiet hinein. Die ermittelten Zahlen sind daher Mindestzahlen.
Danach betrug die Gesamtzahl der Einwanderer aus dem Ausland und den Abtretungsgebieten in den 14 Monaten vom 8. Oktober 1919 bis 30. November 1920 383 822 Personen. Mehr als die Hälfte von ihnen, nämlich 216 532 Personen, sind aus Polen zugewandert, und hiervon entfallen mehr als 145 auf die früher deutschen Gebiete; doch dürfte mindestens die Hälfte der Personen, bei denen Polen „ohne nähere Angabe“ als Herkunfsland genannt war, gleichfalls aus Posen und Westpreußen stammen, so daß sich die Zahl der deutschen Flüchtlinge aus diesen Gebieten auf rund 163 000 erhöhen würde. Ueber ein Viertel der Cinwan⸗ derer aus Polen ging nach Berlin und der E Brandenburg einschließlich der Berliner Vororte (17907 + 44718
= 62 625), d. h. der Hauptsache nach wohl nach Gxoß Berlin. 1 Im übrigen richtete sich die Einwanderung aus Polen, abgesehen
vom Ruhrrevier, im wesentlichen nach den unmittelhar emn
Grenzmark
Pebingen Niederschlesien, Pommern, Sachsen, der ierbei bleibt
osen⸗Westpreußen, Oberschlesien und Ostpreußen. es allerdings unklar, wieweit der erste Wohnsitz in Preußen auch dauernd beibehalten wird, und ob nicht später doch eine nderung in entferntere Gebiete des Staates erfolgt. Aus der Statistik er⸗ ibt sch daß die Einwanderer aus Kongreß⸗Polen und Galizien uptsächlich nach den Großstädten, die aus Posen und West⸗ preußen dagegen zu einem erheblichen Teile nach den ländlichen Gemeinden gehen; ferner war in der Berichtszeit die Ein⸗ wanderung aus Russisch Polen und Galizien nach Oberschlesien nicht unbeträchtlich. Die Erscheinung, daß die Einwanderer meist in den Provinzen bleiben, die sie zuerst berühren, zeigt sich auch bei den Elsaß⸗Lothringern, die nächst Polen die zweitgrößte Fahl an Einwanderern aufweisen. Die Zahl der Personen, die aus diesem Lande nach Fre geflüchtet sind, ist verhältnismäßig Pring (18 995 Personen), weil der Hauptstrom schon vor dem 8. Oktober 1919 nach Deutschland gekommen ist, und weil vermutlich der größere Teil in Süddeutschland nieLer⸗ gelassen hat. Ueber 80 % der in Preußen einwandernden Elsaß⸗Loth⸗ ringer wandten sich nach der Rheinprovinz, 22 58 und West⸗ falen. An dritter Stelle nach der Zahl der Einwanderer steht die Tschecho⸗Slowakei (17 113 Personen); etwa drei Viertel hiervon gin en nach Niederschlesien, Oberschlesien, Brandenburg und Berlin.
ict unerheblich ist auch die Einwanderung aus Holland (16 428 Personen), für die allerdings wahrscheinlich Holland nur e Durchgangsland ist und die sich meist nach dem Rheinland und Westfalen richtet sowie die aus Deutschösterreich (13 116 Personen), die sich außer diesen beiden Gebieten hauptsächlich Brandenburg und Berlin zum Ziele nimmt. Mit nennenswerten
ahlen sind ferner der Freistaat Danzig (8836 Personen), die 6 w4 7640 Personen), Rußland (7161 Personen), Lett⸗ land (4085 Personen) und Ungarn (3615 Personen) vertreten. Bei 17 491 Personen war die Herkunft unbekannt.
Betrachtet man, welche preußischen Landesteile an der Einwanderung von 383 822 Personen am stärksten beteiligt waren, so ergibt sich, daß mehr als ein Viertel der Einwanderer auf Berlin und die Provinz Branden⸗ burg entfielen (102 652 Personen); es folgten dann der Größe der Einwandererzahl nach die R einprovinz (50 791 Personen), Niederschlesien (39 379), Westfalen (34 486), Pommern (25 029), Sachsen (24 758),) Ostpreußen (23 695), Ober⸗ schlesien (22 604), die Grenzmark Posen⸗Westpreußen (17 030) und Hannover (16 768). Am schwächsten war die Einwanderung in Schleswig⸗Holstein (13 657), Hessen⸗Nassau (12816) und Hohenzollern (157). CCb “““
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Arbeitsstreitigkeiten.
Zur Verhütung eines allgemeinen Ausstands der Arbeiter in den städtischen Betrieben Berlins, für den vorgestern 24 875 von insgesamt 30 750 Stimmen abgegeben worden sind, fanden am Donnerstagnachmittag im Rathaus längere Be⸗ sprechungen von Vertretern der drei sozialistischen Parteien mit Mit⸗ gliedern des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung und im Anschluß daran eine Konferenz von Vertretern der Gewerkschaften und des Magistrats statt, wobei man sich bemühte, eine Einigung herbei⸗ zuführen, mit dem Erfolg, daß weitere Verhandlungen gepflogen werden sollen. Die zum Demonstrationsstreik aufgerufene städtische Arbeiter⸗ schaft ist anscheinend über die tatsächlichen Bezüge der streikenden städtischen Güterarbeiter schwer getäuscht worden. Es ist verbreitet worden, daß der Güterarbeiter nur 1,50 ℳ Stundenlohn und sonst nichts erhalte; das ist, wie die Blätter berichten, falsch, Vielmehr erhalten die Güterarbeiter 3,40 ℳ bezw. 4,20 Stundenlohn. Einen Stundenlohn von 1,50 ℳ erhalten nur solche, die das vollständige Deputat beziehen oder vollständige Kost und Verpflegung erhalten. Die jugendlichen Arbeiter bekommen doppelt so viel. Stundenlohn, wie in dem Landarbeiter⸗ üüt vorgesehen ist. Die Notstandsarbeiten, insbesondere auf den Rie hedemn, sind zum Teil schon wieder voll aufgenommen. Außer⸗ dem ist auf den Aufruf des Magistrats hin wieder eine Reihe von Arbeitern zur Arbeit erschienen. Wo die Notstandsarbeiten nicht ge⸗ leistet wurden, ist Vorsorge dafür getroffen, daß der Betrieb ohne Schaden weitergeführt wird. Da eine Gefahr bezüglich der Ernte noch nicht besteht, wird die gee; von .“ eitern nach Bedarf vorgenommen. Noch immer ist eine große Menge von Arbeitswilligen vorhanden, die sich teils mündlich, teils schriftlich er⸗ boten haben, die Arbeiten zu übernehmen.
Der Magistrat der Stadt Potsdam hat beschlossen, den Straßenbahnbetrieb bis zum April 1922 stillzulegen, wenn die Straßenbahner bis Freitag früh die Arbeit nicht aufnehmen.
Wie der „Temps“ aus Lille meldet, befinden sich seit gestemn morgen von der 4260 Mann starken Arbeiterschaft von 14 Spinne⸗ reien 4205 Mann im Ausstand. Die Ursache des Streiks sind Lohnstreitigkeiten.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. Gang der gemeingefährlichen Krankheiten.
ach den „Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamts“, Us Nr. 26 dc.. Juni 1921.)
Pest. Mesopotamien. Vom 1. bis 28. Februar 1 Erkrankung
und 2 Todesfälle in Bagdad.
Vom 6. bis 20. März 1 Erkrankung und
on.
Indochina. 1 Todesfall in Sai A shr e E
den Bezirken Hoopstad 2 und Kroonstad 5 Erkrankungen.
Porto Rico. 2 Erkrankungen und 1 Todesfall.
eru. Vom 7. bis 9. Mai in Trujillo⸗Salaverry
2 Erkrankungen. “ Ecuador. Vom 1. bis 31. März in Guayaquil 37 Er⸗
krankungen und 13 Todesfälle. Cholera. 8 Philippinen. Vom 13. März bis 2. April 4 Erkrankungen in Manila. Pocken.
Deutsches Reich. In der Woche vom 19. bis 25. Juni wurde 1 Erkrankung in Lübeck gemeldet. ür die Zeit vom 12. bis 18. Juni rkrankungen mitgeteilt, und zwar Roßberg 2, Deuts owitz (reis osdzin (Kreis
de Janeiro. Fiie Am 5. Februar in szetetffs 1 Erkrankung.
wurden nachträglich in Beuthen 2, in „Piekar (Kreis indenburg) 2, in attowitz, Reg.⸗Bez.
14 Miechowitz 3, R. Beuthen) 1, in Biels Nikischschacht 1 und in Oppeln) 3.
Schweiz. Vom 5. bis 11. Juni 10 Erkrankungen, und zwar im Kanton Zuͤrich 9 — davon in der Stadt Zürich 3 — und in
t 1. S Fleckfieber.
1 Erkrankung in Dublin. Rumänien. Vom 1. bis 28. Februar 13 Erkrankungen im
Bezirke Cahul. Bulgarien. 1 Todesfall in Sofia.
Griechenland. 14. 3. n,nee d 99 Pehege Goeelae,
om 11. bis 20. März 2 Erkrankungen und Südafrikanischer Bund. Vom 20. bis 26. März in Vom 17. bis 30. April in Carolina Brasilien. Vom 15. bis 21. Februar 1 Erkrankung in Rio
Großbritannien und Irland. Vom 3. bis 9. April
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Vom 14. bis 20. März 4 Erkrankungen und