1921 / 157 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Jul 1921 18:00:01 GMT) scan diff

vornehmen muß und unter Beachtung dieses Grundsatzes bei Auf⸗

stellung des Etats mit einer höheren als der eingesetzten Mehr⸗

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Auffassung von den Wirkungen der Pachtschutzordnung zu

einnahme nicht glaubte rechnen zu können, zumal auch die damalige einer

weiteren Erhöhung keinen Anlaß gab.

Dann noch einige Bemerkungen zu den Anträgen, betr. Land⸗

gewinnungs⸗ und Eindeichungsarbeiten. Es handelt sich da in dem Antrage auf Drucksache Nr. 573 um Neueinstellungen

stehen, nicht mehr fortgesetzt werden können.

ür Eindeichungen des Neufelderkoog, des Wattenlandes zwischen Ockholm und den Reußenkögen sowie der Insel Trieschen. In diesem Jahre werden diese Mittel nicht mehr verwandt werden können, weil die Arbeiten zu dem Zeitpunkt, wo die Mittel bereit⸗ Ich wäre deshalb

dankbar, wenn vielleicht in Erwägung gezogen werden könnte, an

Stelle dieser Anträge auf Bereitstellung dieser Mittel eine Ent⸗

schließung anzunehmen, daß im nächsten Jahre die Mittel für diese

von der Verwaltung schon an und für sich in Aussicht genommenen

Arbeiten im Einverständnis mit der Finanzverwaltung bereitgestellt

werden mögen. Dann noch ein Wort zu dem Antrage 622 der Abgeordneten

Dr. Wendorff, Hoff und Genossen, Tit. 10 der außerordentlichen Einnahmen von 4 auf 10 Millionen Mark zu erhöhen. Diese Ein⸗ nahmen gehen ein durch die Abverkäufe von domänenfiskalischem Land zur Siedlung und anderen Zwecken. Die Verwaltung hat auf

den Umfang des abverkauften Landes bei ordnungsmäßiger Durch⸗ führung des Verfahrens einen sehr eng begrenzten Einfluß. Es ist

infolgedessen gar nicht vorauszusehen, wie hoch dieser Einnahme⸗ posten ausfallen wird. Die Summe von 4 Millionen ist eingestellt, weil sie den bisherigen Erfahrungen entspricht. Wenn hier also 10 Millionen Mark eingestellt werden, so kann auch hier eine Ge⸗ währ dafür, daß diese Summe eingeht, in keiner Weise über⸗ nommen werden. Es muß aber auch weiter darauf hingewiesen

werden, daß diese Mittel für andere Ausgaben nicht verwandt werden können, weil bestimmungsmäßig nach einem früheren Be⸗ schluß, der heute noch gilt, die für die Abverkäufe von domänen⸗ fiskalischem Lande eingehenden Mittel nicht für allgemeine Staats⸗ ansgaben zur Verfügung stehen, sondern mit Ausnahme eines früher

8 sonderen Zwecken vorbehalten ist.

bestimmten Betrages in den Domänenankaufsfonds fließen, der be⸗

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338. Sitzung vom 7. Juli 1921, Mittags 12 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).) Vizepräsident Dr. v. Kries eröffnet die Sitzung nach

12 ¼4 Uhr mit der Mitteilung, daß gestern bei der Abstimmung

über deren Ergebnis Zweifel entstanden seien, wozu der Ab⸗

Dr. Weyl eine Erklärung habe abgeben wollen.

uf Grund der Geschäftsordnung hat der Präsident dem Abg. Dr. Weyl das Wort zu dieser Erklärung gestern verweigert, er schlägt aber heute dem Hause vor, die streitige Frage durch den Geschäftsordnungsausschuß im Rahmen der Beratung der neuen Geschäftsordnung auch noch prüfen zu lassen. Das Haus stimmt zu. Zur ersten Lesung steht der Gesetzent⸗ wurf über die vorläufige Regelung des

Staatshaushaltsplans für 1921.

Finanzminister Saemisch: Meine Damen und Herren! Nur

1 wenige, kurze Worte zur Einführung des Ihnen vorliegenden Ent⸗

wurfs eines Gesetzes, betreffend die vorläufige Regelung es Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1921. Nach dem Artikel 63 der Verfassung soll der Haushaltsplan alljähr⸗

lich vor Beginn des Etatsjahrs fertiggestellt werden. Das ist leider

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in diesem Jahre, ebenso wie im vorigen Jahre, nicht möglich ge⸗ wesen. Die Verfassung sieht in dem Artikel 64 diesen Fall der nicht echtzeitigen Fertigstellung des Haushaltsplans vor und gibt dem Staatsministerium Unterlagen, um auch für diesen Fall die Fort⸗ führung der Staatsverwaltung in die Hand nehmen zu können.

Diese Bestimmung der Verfassung ist aber nur ein Aushilfsmittel,

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als auch im Arbeiten alsbald beginnen zu können. Der dritte Punkt, der eine

mit dem das ist der Grundgedanke gewesen nur kürzere Zeit die Verwaltung fortgeführt werden kann. Nun liegen die Verhält⸗ nisse aber so, daß sich der Zeitpunkt, bis zu dem die endgültige

Verabschiedung des Haushaltsplans für 1921 zu erwarten ist,

voraussichtlich noch um Wochen oder, richtiger gesagt, um Monate verzögern wird. Auch bei weitestgehender Auslegung des Artikels 64 der Verfassung ist das Staatsministerium nicht in der Lage, alle diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Fort⸗ führung und Weiterentwicklung der geordneten Staatsverwaltung notwendig sind. Deshalb hat es sich leider nicht umgehen lassen, dem Landtage einen Gesetzentwurf wie im vorigen Jahre vorzu⸗ legen, der wenigstens eine vorläufige Regelung trifft bis zur end⸗ gültigen Verabschiedung des Haushaltsplans.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor, und ich brauche auf die Einzelheiten nicht näher einzugehen. Ich darf aber zusammenfassend sagen: es handelt sich in erster Linie um die Bereitstellung von Mitteln, um die Betriebsverwaltungen in Gang zu halten; zweitens handelt es sich um die Bereitstellung von Mitteln und das ist wohl das Allerwichtigste —, Bauten, ie geplant sind, nun noch vor dem Ende der Bauperiode wirklich n Angriff nehmen zu können. Wenn wir die Bewilligung der Bauten im endgültigen Haushaltsplan abwarten wollten, würde s nicht mehr möglich sein, die jetzt noch vor uns liegende günstige

auperiode dazu zu benutzen, um diese sowohl im Staatsinteresse Interesse der Allgemeinwirtschaft notwendigen

Erledigung in dem Entwurf finden soll, ist die beantragte Be⸗ willigung einer Anzahl von neuen Beamtenstellen, die ebenfalls im endgültigen Haushaltsplan vorgesehen sind.

Mieine Damen und Herren, ich habe ja schon bei der Vor⸗

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legung des Haupthaushaltsplans ausgeführt: es hat sich trotz aller

Sparsamkeit nicht umgehen lassen, Ihnen wenigstens eine Reihe

vor neuen Beamtenstellen vorzuschlagen. Ich glaube, daß sich das

hole Haus dem Bedürfnis in dem engen Rahmen, den sich die Startsregierung gezogen hat, nicht wird verschließen können.

Wem es das aber tut und dies letzten Endes nachher durch den endgiltigen Haushaltsplan feststellt, dann ist das Ersuchen der

Staasregierung durchaus berechtigt, diese Entschließungen schon

alsbad treffen zu wollen. Denn ein Teil dieser Beamtenstellen ist

* Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Heren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

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so notwendig, daß ihre Verwaltung bereits kommissarisch durch Beamte wahrgenommen werden muß, und es entspricht einem Gefühl der Pflicht des Staates diesen Beamten gegenüber, die nun kommissarisch die neuen Stellen wahrnehmen, daß sie alsbald in die Möglichkeit gesetzt werden, auch die planmäßigen Bezüge dieser Stellen zu bekommen. (Zurufe.) Es wird mir zugerufen: Bei⸗ spiele! Ich glaube, wenn die Herren den Voranschlag durch⸗ blättern, werden sie eine ganze Reihe solcher Beispiele finden. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Ich glaube, meine Damen und Herren, daß sich die Beratung dieses Entwurfs verhältnismäßig einfach gestalten kann, wenn nur der Wille vorhanden ist, ihn bald zur Erledigung zu bringen. Denn, meine Damen und Herren, der größte Teil der Voranschläge, die nunmehr hier zu einem Notetat zusammengefaßt sind, ist be⸗ reits in dem Hauptausschuß beraten worden, und bezüglich der⸗ jenigen Punkte, über die ein Einverständnis des Hauptausschusses mit der Staatsregierung vorhanden ist, wird es ja einer längeren Debatte überhaupt nicht mehr bedürfen. Insoweit es sich um Ausgabepositionen handelt, die einer Beratung im Hauptausschuß bisher noch nicht unterzogen sind, glaube ich, daß auch eine ver⸗ einfachte Beratung und Beschlußfassung Platz greifen kann. Ich bin der Meinung, daß vielleicht aber das ist nur ein Vorschlag, den ich wohl an dieser Stelle verfrüht mache, doch darf ich ihn jetzt vielleicht schon aussprechen das Gesetz bald zu verabschieden möglich sein wird, da man sich von vornherein über diejenigen Punkte wird verständigen können, hinsichtlich deren keine Mei⸗ nungsverschiedenheiten bestehen, und ich glaube, das wird die Mehrzahl der Positionen sein. Bezüglich der dann noch zurück⸗ gestellten Punkte würde vielleicht in Kürze eine Aufklärung durch die Vertreter der einzelnen Ressorts im Ausschuß gegeben werden können, so daß ich der Meinung bin, daß, wenn der Wille zur Arbeit vorhanden ist, wir uns leicht über das Ergebnis ver⸗ ständigen können.

Ich habe noch eine Bemerkung in bezug auf das Anschreiben zu machen, mit dem der Entwurf an das hohe Haus gegangen ist, Es ist da gesagt, daß der Staatsrat, dem Gelegenheit gegeben ist, sich gutachtlich zu äußern, zum Entwurf keine Einwendungen er⸗ hoben hat. Das ist durchaus richtig und zutreffend. Aber ich muß eine Ergänzung machen. Der Staatsrat hat den Beschluß gefaßt, der dahin geht: das Staatsministerium zu ersuchen, in diesem vorliegenden Gesetzentwurf auf einer bestimmten Seite es handelt sich um den Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung noch eine Position mit aufzunehmen. Das ist die Position zur Förderung genossenschaftlicher und kom⸗ munaler Flußregulierungen und Anlagen zum Einlassen von Flußwasser in bedeichte Fluß⸗ niederungen. Damit verhält es sich so. Ich kann offen sagen, daß diese Position vom Fachressort bei der Anmeldung zum Notetat wohl übersehen worden ist. Das Finanzministerium würde bei der Anmeldung dieser Position, die an sich durchaus als dringlich anerkannt werden kann, keinen Widerspruch erhoben haben. Ich kann erklären, daß die Staatsregierung mit der Ein⸗ fügung dieser Position in den Entwurf durchaus einverstanden sein wird. Wir haben nur davon abgesehen, selbst eine ent⸗ sprechende Aenderung vorzunehmen, weil das unnötige Kosten gemacht haben würde, und eine neue Druckvorlage oder eine Einschiebung notwendig gewesen wäre, die sich erübrigen wird, wenn ein entsprechender Antrag im Hause gestellt und angenom⸗ men werden wird.

Das war das, was ich mir erlauben wollte auszuführen. Ich möchte nunmehr bitten, den Gesetzentwurf so rasch wie möglich zu erledigen, damit das Staatsministerium die Mittel in die Hand bekommt, die es zur Fortführung der Verwaltung benötigt.

Abg. Dr. Meyer⸗Ostpreußen (Komm.): Man mutet uns zu, einen Notetat in aller Eile zu erledigen, während das Haus eine große Anzahl weit wichtigerer Dinge immer wieder auf die lange Bank schieben muß. Schon eine oberflächliche Durchsicht des Notetats genügt, um festzustellen, daß auch hier wieder die Interessen der Begüterten und Priveligierten bevorzugt, die der Unbemittelten auf das schlimmste benachteiligt werden. In Ober⸗ schlesien hat man angeblich die Orgesch und die verwandten Kor⸗ aufgelöst, aber in Wirklichkeit treiben diese Organi⸗ ationen weiter ihr Unwesen unter der Maske von Schützen⸗ vereinen und ähnlichen scheinbar neutralen Vereinigungen. Die Waffen sind zum großen Teil nicht abgeliefert worden; soweit sie abgeliefert wurden, hat man sie gestohlen. Es werden ja jetzt ganze Batterien gestohlen, wobei die Einwohnerwehren ihre Hände im Spiel haben. General Höfer hat in Oberschlesien eine ganze Armee aufgestellt, die jetzt sich teilweise hat zurückziehen müssen, aber keineswegs aufgelöst worden ist, sondern sich noch immer im chlesischen Gebiete aufhält und dort nicht nur eine außenpolitische, ondern auch eine innerpolitische⸗Gefahr bilde. Was es heißt, wenn diese Elemente „die Ordnung wiederherstellen“, das kennen wir ja zur Genüge aus Ungarn. (Große Unruhe rechts.) Ueber die Vorgänge in Miütreldentechland ist es immer noch nicht mög⸗ lich gewesen, hier im Hause Klarheit zu verbreiten. Es sind außer⸗ ordentlich viel Tötungen und Ermordungen vorgekommen. Die Selbstschutzveröände, die Schupo und Sipo haben in der unmenschlichsten Weise gegen die Arbeiter gewütet. Keiner der Schuldigen ist bis jetzt verhaftet worden, während die Arbeiter zu Tausenden die Gefängnisse füllen und schon über 2000 Jahre Zuchthaus verhängt worden sind. Unter dem Kurse Stegerwald macht sich eine absichtliche barbarische Ausnahmebehandlung der Arbeiterschaft breit. Ein Erlaß des neuen Innenministers Dominicus untersagt die Einstellung von Kommunisten in die Verwaltung. Die Kommunisten werden also auch von diesem Demokraten unter ein Ausnahmerecht 1g ür die „Schupo“, für das Spitzeltum und Lockspitzelwesen fordert der Notetat nicht weniger als neun Millionen. Wie die Reaktion gegen die Arbeiter kämpft, ergibt das Buch von Dr. Gumbel „Zwei Jahre Mord“, wo gestützt auf absolut einwandfreies Material dargetan ist, daß die Reaktion über 200 Morde an Arbeitern und Arbeiterführern auf ihrem Gewissen hat, während den Kommunisten oder der Arbeiterschaft nur 15 zur Last fallen. Die Zahl der von der Reak⸗ tion veranlaßten Ermordungen ließe sich noch um Hunderte ver⸗ mehren.

Abg. Leid (U. Soz.): Bei der gegenwärtigen Geschäftslage treten wir in eine Erörterung des Notetats nicht ein. Wir be⸗ halten uns vor, alles Notwendige dazu zu sagen, sobald er in die zweite Beratung kommen wird. 8

Der Notetat wird darauf an den Hauptausschuß über⸗ wiesen.

Es folgt der Gesetzentwurf, betreffend die Ermächtigung des Staatsministeriums zur Feststellung der Beendigung des Kriegs⸗ zustandes.

Der einzige Paragraph der Vorlage lautet:

Das Staatsministerium wird ermächtigt festzustellen, wann

im Sinne bestehender landesrechtlicher Vorschriften der Kriegs⸗

Lültan als beendet anzusehen ist. Diese Bestimmung ist von

ichtigkeit für Entscheidungen der Einigungsämter, Schieds⸗ Schiedsstellen und für Willenserklärungen.

Apg. Obuch (n. Sop): Viel wesentlicher als diese sornel⸗

ebim des Kriegszustandes wäre die Beseitigung der win estr

lichen Bestrebungen auf kommende Kriege. Der Militarismus lebt nach wie Deutschland und in Preußen. Die Beendiguns des Kriegszustandes ist eine leere Phrase, wenn nicht mit der Friedenspolitik endlich angefangen wird.

Ohne weitere Aussprache wird die Vorlage in allen dre Lesungen angenommen.

Ein Gesetzentwurf, betr. Erweiterun

des Stadtkreises Witten, wird an den Gemeindeaus⸗

überwiesen.

5 heee Beratung des GesetzentwurfsN, betr, die Staatsverträge zwischen Thüringen und Preußen über das gemeinschaftliche Land⸗ gericht in Meiningen und über den Anschlu

thüringischer Gebietsteile an den Land⸗ gerichtsbezirk Erfurt und an den Oberlandez⸗ gerichtsbezirk Naumburg.

Die Vorlage geht an den Hauptausschuß.

Ein Antrag des Abg. Dr. v. Krause (D. V.) über be⸗ schleunigte Inangriffnahme des geplanten Büsumer Hafer⸗ baues, durch den zahlreichen Fischereifahrzeugen jederzeit die Einfahrt in den sicheren Schutzhafen ermöglicht werden sel wird angenommen.

Es folgt die Beratung des Antrages des Abg. L. udwig⸗ Hagen (U. Soz.) über die Instandsetzung der verschlickten Hafenanlage in Friedrichskoog. b

Abg. Dr. von Richter (D. V.) empfiehlt namens des Hamt⸗ ausschuffes den Antrag in folgender Fassung anzunehmen. Drt Staatsministerium zu ersuchen, zu prüfen, wie die Hafenanlage in

riedrichskoog im Dithmarschen unter Beteiligung der Interessenee Friehst bald wieder instand gesetzt werden kann, um die Be⸗ völkerung des Kreises Süderdithmarschen und der anliegenden biete vor weiteren schweren wirtschastlichen Nachteilen zu k

wahren. 1 Das Haus beschließt entsprechend dem Ausschußantragt Es folgt die erste Beratung des Geset⸗ entwurfs zur Abänderung des Kommunal⸗ abgabengesetzes vom 11. Juli 1893 sowie des Kreis⸗ und Kommunalabgabengesetzes von 23. April 1906 und einiger sonstiger Vorschriften des kommunalen Abgabengesetzes. Abg. Dr. Negenborn (D. Nat.): Ich erkenne an, dh diese Novelle gegenüber der am Schlusse der Landesversammlung vorgelegten wesentliche Fortschritte bringt, insbesondere auch bin⸗ sichtlich der Verbesserung bezüglich der Vorschriften der Gewerbe⸗ steuer. Die Begründung dieser Novelle enthält aber doch eingg Merkwürdigkeiten. So heißt es darin: „Die einseitig fiskalisce Betrachtungsweise des Mittelalters hatte es verstanden, aus fgg⸗ licher behördlichen Tätigkeit eine Einnahmequelle für den Stact zu schaffen, so daß man früher in Preußen alle Eingaben, an eine obrigkeitliche Stelle auf Stempelpapier schreiben mußte. Dann heißt es: „Die Geldnot der Gegenwart zwingt jedoch dazu, in ge⸗ wissem Umfange auf die früheren Möglichkeiten zurückzugreifen. Dies bedeutet also eine Rückkehr zum Mittelalter! In der Lor⸗ lage dieser demokratischen Regiexung wird seltsamerweise nuch vom „gemeinen Mann“ 1. beenn indem gesagt wird. Ddas Vertrauensverhältnis der Bevölkerung zur Ortsbehörde, das dahin führt, daß der gemeine Mann sich an diese mit der Bitt um Rat und Auskunst wendet, verdient unbedingte Förderung, Eine allgemeine Belastung dieses Verkehrs mit Kosten würde nur unzuverlässigen Winkelratgebern kommen. Diese Bestim⸗ mung ist durchaus nicht klar. edner bespricht sodann die ein zelnen der Novelle und bekämpft dabei besonder die Bestimmung, die besagt, daß alle Arbeitgeber zum Klein⸗ wohnungsbau zur Unterbringung von Arbeitnehmern heran⸗ gezogen werden können. Derartig allgemein gehaltene Bestin mungen seien unmöglich. Notwendig sei zum mindesten die e semmsegefasse hg der Interessenten zu einer Steuergemeinscht t. Redner sagt die Beteiligung seiner Fraktion bei der Weite⸗ bearbeitung der Vorlage zu und beantragt Ueberweisung an den Gemeindeausschuß. 1 Abg. 8 sch üb. Weißenfels (Komm.): Wir lehnen den Ert⸗ wurf 83

Wir wollen die dringend notwendige Neuordnung de Kommunalabgabenwesens nicht dadurch verzögert, daß wir die

Flickwerk zustimmen. Seit zwei Jahren wird auf diese Rejvrra gewartet, aber nichts ist zustande gekommen, die alten Zöpfe smn nicht nur länger, sondern auch dicker geworden. Die Einführm von Verwaltungsgebühren wäre wiederum lediglich ein Vorzag für die besitzenden Klassen. Es gibt andere Wege, um die d. dürfnisse der Gemeinden zu decken. 1 Abg. Dr. Bredt (Wirtschaftl. Vereinigung): Auch wir iin mit dem Entwurf durchaus nicht zufrieden. Er ist tatsählih Flickwerk. Auch uns en die Bestimmung nicht, daß wierer g⸗ waltungsgebühren erhoben werden sollen. Aber das ist jo bn⸗ Kleinigkeit gegenüber viel wichtigeren Bestimmungen des Ent⸗ wurfs, die unsere Bedenken erregen ehess Die Hebung de Bautätigkeit kann unmöglich dadurch herbeigeführt werden, daß man ein Abgabengesetz revidiert. Die Kommunalabgaben musen mit den Kreis⸗ und Provinszalabgaben in eine organische ve⸗ bindung gebracht und auf dieser Basis diese Gesetzgebung rese miert werden. 8 1 t un Abg. Müller⸗Hameln (Soz.): Die Regierung hat f diese wichtige Vorlage erst jetzt vor Toresschluß vorgelegt, ln scheint also einer gründlichen Aussprache aus dem Wege ger⸗⸗ zu wollen. Wir haben es mit der schlimmsten Pfusch⸗ und Fin arbeit zu tun. Ganze Arbeit sollte geleistet werden, das ha 9 anze ans bei der Verhandlung der großen Anfrage über 8 elben Gegenstand verlangt. Die Vorlage sollte den Kommung⸗ verbänden die Wege weisen. Davon ist hier nicht die Rede. N. der Begründung heißt es, die Neuregelung des Kommunet. abgabenrechts sei eine unbedingte Notwendigkeit; warum ue dann die Regierung nicht an diese Aufgabe heran? Der 8 6 ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Die Kommunen wollen rnig vorübergehende Abhilfe. Der Entwurf bringt nur albe Selbstverständlichkeiten und läßt sonst alles beim üj der In einigen Punkten der Vorlage wird die Selb täͤndigkein e emeinden in bezug auf ihre Steuerhoheit einges ränkt. lirt die wichtigsten Seegn des bestehenden Gesetzes gler⸗ der Entwurf ohne weiteres hinweg. Im § 24 werden. voliher Kommunalsteuer auf Grundbesitz ausdrücklich die königliole Schlösser einschließlich der dazu gehörigen Gebäude, Hofräume 14 Gärten ausgenommen. Königliche Schlösser gibt es doch diet mehr; warum hat also die Regierung nicht vorgeschlagen, f Ausnahme zu streichen? Ist der Ministerpräsident etwa der Ansicht, daß wir in Preußen noch Königliche haben? Und wer ist darin König, dem sie gehören? Ob, wenn die Dienstwohnungen der Kirchendiener und Volksschullehorr g Zukunft noch steuerfrei bleiben dürfen, ist mir auch mehr i⸗ weifelhaft. Die Erhebung der Grund⸗ und Gebäudesteuer für an emeinden darf hinfort 8 keinen Fall mehr in Prozenten a taatlichen Veranlagung ersolgen, sondern sie muß nach die einertrag oder dem Nutzungswert erhoben werden, das 1— erste Voraussetzung einer gerechten Heranziehung der Realstenen für die Gemeinde. Die freien Berufe der Aerzte und Resde anwälte müssen zur Gewerbesteuer herangezogen werden; Gewerbesteuer ist in eine Berufssteuer umzuwandeln. Die za, geschlagene Neufassung des § 54, wonach die Erhebun 95

schlägen über 500 Prozent der stagatlich veranlagten 2 ealsteng ¹ der Genehmigung bedarf,

eht viel zu weit. Es geht auch mehr an, Grund⸗ Gebäude⸗ und Gewerbesteuer in der Za⸗ n den gleichen Sätzen heranzuziehen; wir können dem Han üher nicht das Unrecht zufügen, daß er ebenso wie der . besitzer herangezogen wird. Wir können dem Gesetz nur zustimmen

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Bielfeldt⸗Fedde, d) der am 18. September

wenn wirklich ganze Arbeit gemacht wird, wenn die Gemeinden die Möglichkeit erhalten, ihre Verwaltung in Zukunft ordentlich ühren.

fühn Regierungsvertreter bemerkt: Der Vorredner hat generell über diese Novelle den Stab gebrochen. Bei der großen Debatte gelegentlich der großen Anfrage wegen des Kommunalabgabenrechts habe ich unter dem Beifall des ganzen Hauses ausgeführt, daß eine Revision unsere Gesetze, so reform⸗ bedürftig sie sind, nicht viel bessern würde, da alle aussichtsreichen Reformen auf dem Gebiete der Reichssteuern liegen. Es ist damals weiter gesagt worden, daß eine grundlegende Reform in den nächsten Wochen nicht geboten werden könne, daß man mit dem Vorschlag einzelner Abänderungen kommen werde, wobei immerhin den Gemeinden auch sehr erhebliche Einnahmeguellen eröffnet werden würden. Aus diesen Momenten ist die Novelle entstanden, man kann von ihr nicht verlangen, daß sie das ganze große Gebiet regelt. Daß die Vorlage so spät gekommen ist, be⸗ dauern wir am allermeisten; die sachlichen Schwierigkeiten waren der alleinige Grund dafür. Ueber die Einzelheiten wird in aller Ausführlichkeit im Ausschuß zu sprechen sein, aber die Regierung bittet das Haus, auch den Umstand beachten zu wollen, daß sie das allergrößte Gewicht auf eine möglichst baldige Ver⸗ abschiedung legt.

Abg. Sprengel (Zentr.): Mit der umfassenden Regelung des Kommunalabgabenrechts muß noch gewartet werden, bis die Verwaltungsreform überhaupt zum Abschluß gebracht ist. Mit Rücksicht auf die Finanzlage der Gemeinden war ein Uebergangs⸗ gesetz notwendig und das kann man nun doch nicht als Pfusch⸗ und Flickwerk bezeichnen. Die Finanznot der Gemeinden rührt nicht bloß von dem Verlust der Steuerhoheit her, sondern auch aus dem Umstande, daß der Krieg und die Kriegsnot ihnen eine Menge von Aufgaben hat, die gleichzeitig große Aus⸗ gaben nach sich gezogen haben. Auch die Umstellung 2 städtischen Betriebe nach sozialen, wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die acht⸗ stündige Arbeitszeit usw., auch die ungerechte Verteilung aus den Erträgen der Reichseinkommensteuer, die nach den Grungsäͤtzen der alten preußischen Einkommensteuergesetzgebung erhoben wird, haben die Finanznot der Gemeinden weiter gesteigert. Die Steuer⸗ erhebung und ⸗veranlagung durch das Reich ist viel zu lange hinausgeschoben worden. Seit 1918 haben die Gemeinden keine neue Veranlagung mehr in Händen und das hat große Ausfälle für sie zur Folge gehabt, weil die Einkommen sich seitdem ganz erheblich vermehrt haben. Ich beantrage, die Vorlage dem zu verstärkenden Gemeindeausschuß zu überweisen.

Abg. Goll (Dem.): Wir würden der Vorlage am besten ge⸗ dient haben, wenn wir heute auf jede Debatte verzichtet hätten. Es ist wohl zu begrüßen, wenn den Gemeinden die Möglichkeit gegeben wird, Einnahmen zu erzielen, sobald durch Straßenbau oder durch Errichtung großer Gebäude für die Anlieger Grund und Boden an Wert gewonnen hat. Wir meinen, daß nicht jeder Schuster oder Schneider zum Bau von Arbeiterwohnungen heran⸗ gezogen werden soll, sondern daß es sich nur darum handelt, Indu⸗ strieanlagen zu derartigen Bauten zu veranlassen. Die Industrie zieht Arbeiterschaft heran, wodurch den Gemeinden erhebliche Schul⸗, Kranken⸗ und Armenlasten entstehen. Zu diesem mögen die Unternehmer ihr Teil beitragen. Wir unterstützen den Antrag der Vorlage an den verstärkten Gemeinde⸗ ausschuß.

Abg. v. Eynern (D. V.): Es ist gar nicht möglich, die Vor⸗ lage voll zu würdigen; sie liegt uns noch nicht 24 Stunden vor. Die Höhe der neuen Verwaltungsgebühren, die durch diese Vor⸗ lage festgelegt werden soll, ist noch nicht zu übersehen. Anderer⸗ seits bestehen Vorschriften der Regierung, durch die der Gebühren⸗ festsetung eine scharfe Grenze gezogen ist. Ich persönlich glaube auch, daß diese Grenze notwendig ist. Eine genane Prüfung müssen wir uns für den Ausschuß vorbehalten und werden da zur Be⸗ schleunigung beitragen. 1 .Abg. Leid (U. Soz.): Eine großzügige Reform wird durch diese Vorlage nicht geschaffen. Wenn man das gestrige Steuer⸗ programm des Reichskanzlers gelesen hat, so werden die meisten Gemeinden keineswegs fröhlich in die Zukunft schauen. Selbst die Kraftfahrzeugsteuer und die Wettrennsteuer sollen jetzt Sache des Reiches werden. Davon werden manche Gemeinden hart be⸗ troffen. Entgegen dem Abgeordneten König meine ich aber, daß es nicht gut getan ist, diese Vorlage von vornherein abzulehnen. Wir müssen versuchen, diese Novelle zu einem großzügigeren Werke auszubauen. Eine Ablehnung würde nur bestimmten Kreisen ugute kommen, denen wix diesen Gefallen nicht erweisen wollen.

ir wissen, daß es die Parteien der Rechten gewesen sind, die verhindert haben, daß die Gemeinden schon jetzt bestimmte Steuern erheben können. Diese kleine Reform will dazu dienen, z. B. die Wohnungsluxussteuer zu legalisieren. Würden wir diese Möglichkeit ablehnen, so dienen wir damit nur Herrn Negenborn und seiner Partei, die immer eine Partei der Steuerdrückebergerei ewesen ist. (Sehr richtig! links.) rrschaften nicht tun 1 Damit schließt die Besprechung, die Vorlage geht an den

Den Gefallen wollen wir den

Sodann wird die gestern abgebrochene Besprechung der großen Anfrage der vweee gaͤber die allgemeine Kündigung von Heuerlings⸗Pachtverträgen in Westfalen fortgesetzt.

Abg. v. Papen (Zentr.): Ich muß auf das schä urück⸗ weisen, daß die Heuerlinge, dieser ene- il Härfste mrüa⸗ Bauernstandes, adsbeuterisch behandelt wordgen sind. Den Inter⸗ pellanten liegt es lediglich daran, Agitation zu treiben. (Sehr richtig, im Zentrum.) Das Verhältnis zwischen Pächter und Ver⸗ Füschter war bis vor kurzer Zeit ein ausgezeichnetes, atriarcha⸗ lisches. Der Heuerling bekam für billiges Geld sein Land, seine Viehhaltung, alle Reparaturen vom Verpächter geliefert. Auch wurde ihm Gespann vom Verpächter gestellt. Dafür mußte er Handdienste leisten. Kennzeichnend für das gute Verhältnis war auch, daß der Verpächter, während der Heuerling zu Kriegsdiensten eingezogen war, dessen Arbeiten mitbesorgte. Die Sozialdemo⸗ kraten haben nun in diese rein wirtschaftlichen Verhältnisse die Falitit getragen; man hat von Sklavenhaltung gesprochen und schließlich dadurch erreicht, daß sich auch die Verpächter organisiert haben. Sie haben allgemeine Kündigungen vorgenommen; aber auch der neue Vertrag enthält nichts Unwürdiges, auch die Entlohnung für Kinder⸗ und Frauenarbeit ist angemessen. Alle Angriffe, die gegen die Fürstlich Bentheimsche Verwaltung erfolgt sind, sind unberechtigt; gerade da besteht ein glänzendes Verhältnis zu den Heuerhhcnaee. Wirt perwahren 89 Ce. dagegen, daß man

ie derartige politische Propaganda in die Kreise der Heuerli bringt. (Beifall im Zentrum.) eh

Abg. Dr. Kaufhold (D. Nat.): Kaum jemals hat eine große Anfrage so auf tönernden Füßen gestanden wie diese. Die Auskunft, die der Regierungsvertreter gegeben hat, hätten die Sozialdemokraten auch auf eine kleine Anfrage erhalten können. Die Bestrebungen der Verpächter, den Pachtzins zu erhöhen, werden von den Sozialdemokraten in Grund und Boden verdammt, aher Herr Braun, ihr Parteigenosse und vormaliger preußischer Ministerpräsident, hat oft preußischen Pächtern eine Herabsetzung der gegen den Friedensstand verzehnfachten Pachtpreise verweigert und ihnen in dem Bes heide gleichzeitig nahegelegt, ihre Viehwirt⸗ schaftsprodukte zum fünffachen Preise abzusetzen, dann würde er mit sich über eine Herabsetzung der Pachtpreise reden lassen. (Hört, hört! rechts. Unruhe links.) Wenn das am grünen Holze geschieht, was soll am dürren werden? Bloß im Kreise Tecklenburg hat sich eine Pächtervereinigung gebildet, und auch diese nur als Antwort auf den Heuerlingsverband. In den in Betracht kommenden Kreisen sind wir mit den bei den Reichs⸗ und Landtagswahlen er⸗ zielten Resultaten sehr zufrieden und fürchten die sozialdemokratische Agitation nicht. Die Interpellanten bezeichnen die Heuerlinge als Landarbeiter. Hier tritt ihre wahre Taktik zutage. Die Heuerlinge sind keine Landarbeiter, sie sind Pächter und gehören zur Land⸗ wirtschaft. Sie 1sen einen Teil der Pacht in Geld, einen anderen Teil in Lohn. Die Heuerlinge unterstehen auch nicht der Mieter⸗ schutzverordnung und dem Mieteinigungsamt, sondern der ordnung und dem Paͤchteinigungsamt. Die Intkerpellation 68 dazu dienen, die Heuerlinge für die Sozialdemokratie einzu⸗ angen. (Lärm auf der Linken, der während der ganzen Rede un⸗ unterbrochen andauert.) Zwischen den Verpächtern und den Heuer⸗ lingen besteht ein enges Freundschaftsverhältnis; erst durch das Auftreten des bäuerlichen Verbandes sind Verstimmungen einge⸗ treten. Die Verhältnisse waren durchaus ideal. Die Differenzen erklären sich zum Teil auch aus der Unklarheit des Reichssiedlungs⸗ gesetzes. Angefochten wird nur § 8 des neuen Pachtvertrages: es muß und wird aber zu einer Verständigung kommen, denn diese liegt im Interesse beider Teile. Den Sozialdemokraten wird ihre verhetzende Agitation nichts nützen, hier beißen sie auf Granit.

Abg. Stendel (D. V.): Das Verhältnis zwischen Bauers⸗ mann und Heuermann ist auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut. (Gelächter links.) Dieses gute, Jahrhunderte alte Verhältnis wird nur gestört, wenn man mit der rohen Faust des Gesetzgebers ein⸗ greift. Ein Teil der Heuerlinge ist im Laufe der Entwicklung mit der Industrie in Berührung gekommen, und hier hat die Sozial⸗ demokratie eingesetzt, um eine verhetzende Agitation zu entfalten. Nur wo auch Industrie in Frage kommt, hat der rote Heuerlings⸗ verband Erfolge. An seiner Spitze steht ein Mann, der früher Oberkellner war. Man hat den Heuerlingen die unglaublichsten Versprechungen gemacht, man hat ihnen in Aussicht gestellt, daß sie ihr Pachtland nach zehn Jahren zu Eigentum bekommen, man hat auf die niedrigsten Instinkte der Begehrlichkeit spekuliert. Dier Angriffe auf den Fürsten zu Bentheim sind absolut haltlos; wie kann sich Herr Bubert wundern, wenn sich demgegenüber auch die Besitzer zu einem Bunde zusammenschließen, um durch gemeinsame Kündigung eine neue einheitliche Ordnung auf dem Wege neuer Verträge zu schaffen? Auf den Besitzungen des Fürsten zu Bent⸗ heim sitzen noch heute Leute, die für hundert Morgen 1200 Pacht zahlen. Der Fürst setzt bei allen Besitzungen ganz erheblich zu. Gewiß gibt es einzelne Bauersleute, die das soziale Empfinden verleugnen, aber das ändert nichts an der Verwerflichkeit dieser 1S Agitation, die sich gegen die gesamte Institution richtet.

Billigung,

Abg. Jürgensen (u. Soz.): Die beiden Vorredner haben sich als Schulmeister aufgespielt und geglaubt, uns gute Nat⸗ schläge geben zu sollen. Die brauchen wir nicht, wir wissen schon, was wir hier zu sagen haben. Herr Dr. Kaufhold hat heute die Pachtschutzordnung ganz anders ausgelegt als neulich, wo es sich um die Domänenpächter handelte. Es 85 doch gerade die Deutschnationalen, die möglichst viele Leute besitzlos sehen wollen, deren politische Laktik immer größere Teile der Bevölkerung in das Proletariat hinabdrückt. Die Klagen, die aus Westfalen und Osnabrück hierher gedrungen sind, werden ebenso in Schleswig⸗ Holstein, Mecklenburg und Pommern laut. Gerade so wie man sich nicht durch die Betriebsräte in die Betriebe hineinreden lassen will, will man auch die Vertrauensleute des Landarbeiter⸗ verbandes durch Entlassung erwerbslos machen, um dadurch ein abschreckendes Beispiel zu geben. Die Heuerlinge gchören selbft⸗ verständlich nicht zu den Landwirten, sondern zu den Landarbeitern. Die Besitzer sehnen natürlich den alten Zustand wieder herbei, wo die Insten und Heuerlinge von 4 Uhr morgens bis Mitter⸗ nacht an der Arbeit waren, und können sich natürlich mit dem Achtstundentag nicht abfinden. Herr Stendel hat selbst zugegeben, daß es der Landwirtschaft gut geht, und wir verlongen, daß es auch den Insten und Heuerlingen wenigstens crträglich geht. Sie haben eingesehen, daß ihr Platz an der Seite der Arbeiterschaft isct. Die Antwort der Regierung war durchaus unzureichend. Tie Regierung ist ja nicht einmal unterrichtet, wie die Besitzer mit den Heuerlingen umspringen. Man hat Insten von der Scholle vertrieben, 8 der sie 10, ja 25 Jahre lang bei demselben Arbeitgeber ihre Pflicht getan haben, nur weil sie den Mut hatten, ihre Interessen wirtschaftlich und politisch wahrzunehmen. Während der Kriegszeit hat die Regierung der Landwirtschaft die Arbeits⸗ kräfte außerordentlich billig zur Verfügung gestellt. Das Ver⸗ hältnis kann ganz gut als ein Leibheigenschaftsverhältnis charakterisiert werden. Und diesen Zustand, den Dr. Kaufhold „ideal“ nennt, möchte man beibehalten, und ihn, wo er beseitigt ist, wieder einführen. Wir werden alles tun, um die Insten und Heuerlinge vor der Willkür der Großgrundbesitzer zu schützen. Abg. Barteld⸗Hannover (Dem.): Bei dieser Frage sind die politischen Leidenschaften reichlich stark zu ihrem Recht ge⸗ kommen. Dazu liegt aber keine Veranlassung vor. Im Bezirk Münster liegen allerdings offenbare Mißstände vor, in anderen Bezirken sind die Kündigungen nur vereinzelt ausgesprochen worden. In dem mir bekannten Bezirk Osnabrück besteht ein sehr gutes Verhältnis zwischen Heuerlingen und Verpächtern. Wo die Arbeitszeit übermäßig ausgedehnt wird, findet dies nicht unsere solche Ausnahmeerscheinungen soll man aber nicht ver⸗ allgemeinern. Ich kann bestätigen, daß im allgemeinen die Pacht⸗ preise recht niedrig gehalten sind. (Widerspruch links.) Ich persönlich habe noch vor kurzem mit einem Heuerling gesprochen, der es mir bestätigte, er zahlt für Wohn⸗ und Wirtschaftsräums, Stallungen, 3 Kühe, 2 bis 3 Schweine eine jährliche Pacht von 36 Mark. In der Pachtschutzordnung sind die Heuerlinge be⸗ sonders erwähnt, und auf Anfrage hat mir die Staatsregierun erklärt, daß auch nach ihrer Ansicht die Pachtschutzordnung auf Heuerlingsverträge volle Anwendung zu finden habe. Damit würde der Schutz für die Heuerlinge geschaffen sein, den wir wünschen. Die Pachtschutzordnung muß in erster Linie ein Schutz der Pächter und nicht der Verpächter sein. Bedenken haben wir gegen die Zusammensetzung der Einigungsämter, in denen zwar Verpächter und Pächter paritätisch vertreten sein sollen, zu denen aber die Organisationen wählen sollen. Nun bestehen solche Organisationen nicht überall. Kündigungen aus politischen Gründen sollen vorgekommen sein. Das verurteilen wir ent⸗ schieden. Der Grund für eine Verschärfung des Verhältnisses zwischen Verpächtern und Heuerlingen ist auf beiden Seiten, bei den Extremen, zu suchen. Auf der einen Seite macht sich ein ge⸗ wisser Standesdünkel bemerkbar, der Herrenstandpunkt wird her⸗ vorgehoben, auf der anderen Seite zeigt sich dann Mißgunst, die Folge ist eine gewisse Schärfe. Im Osnabrückschen besteht auch heute noch das gute Verhältnis zwischen Bauer und Pächter, ein altes, familiäres Verhältnis: der Bauer sitzt mit dem Heuerling an einem Tisch. Wo der Bauer aber sich zurückzieht, in abge⸗ schlossenem Raum sein Essen einnimmt, den Heuerling und die Dienstboten nebenan essen läßt, dort ist das Bindeglied zer⸗ Srtitefn⸗ und die Spaltung ist da. Da wünsche ich, daß wir im nteresse des Wirtschaftsfriedens, den wir gebrauchen, wieder ge⸗ sunde wirtschaftliche Verhältnisse bekommen. Der Arbeitgeber darf im Arbeiter nicht nur den Arbeiter, sondern auch den Menschen schätzen. (Abg. Klausner: Illusion!) Nein, es sind keine Illusionen. Die Leute sehen allmählich ein, daß sie von der linksradikalen Seite irregführt sind. Hoffentlich wird uns die Pachtschutzordnung wieder zum Wirtschaftsfrieden bringen und unsere ländliche Produktion wieder hochbringen lassen.

Darauf wird die Weiterberatung auf Freitag, 12 Uhr, vertagt. (Außerdem Anfragen, Wasserstraßen⸗Staatsvertrag, Reichsschulgeset. Antrag auf Entfernung des Religions⸗ unterrichts aus allen Schulen und kleine Vorlagen.)

Schluß ½ 6 Uhr. 1

verstärkten Gemeindeausschuß.

IexX

1. Unterzuchungssachen.

Aufgebote. Verlust⸗ u Fundsachen, Zustellungen u. dergl. 3. Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen ꝛc.

4 Verlosung ꝛc. von Wertpapieren.

5. Kommanditgesellschaften auf Aktien u. Aktiengesellschaften.

(Offentlicher Anzeig

Anzeigenpreis für den Raum einer 5 gespaltenen Einheitszeile 2 ℳ. Außer⸗ 10. dem wird auf den Anzeigenpreis ein Teuerungszuschlag von 80 v. H. erhoben.

er.

6. Erwerbs. und Wirtschaftsgenossen schaften. Niederlassung ꝛc. von Rechtsanwälten. Unfall⸗ und Invaliditäts⸗ ꝛc. Versicherung. Buankausweise.

Verschiedene Bekanntmachungen. 11. Prwvatanzeigen.

ve Befriftete Anzeigen müssen drei Tage

vor dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein. ☚2

1) lrrerfchunne

41314] 2 Der Schmied Josef-Schröteler, z. Zt. unbekannten Aufenfhalts, geboren am 24. Februar 1899 in Golzheim, Kreis Düren, der gls Kanonier bei der 3. Batterie Artillerig⸗Negts. 6 in Münster eingestellt 1d für fahnenflüchtig erklärt. ünster i. W., den 24. Juni 1921. Das Amtsgericht.

2) Aufgebote, Ver⸗ luft⸗und Fundsachen, Zuftellungen u. dergl.

[41316) Zwangsversteigerung. 1 Zum Zwecke der Aufhebüng der Gemein⸗ schaft, die in Ansehumg des in Berlin, Hollmannstraße 22/„elegenen, im Grund⸗ uche von der Luisenstadt Band 23 Blatt Nr. 1326 zurzock der Eintragung des Ver⸗ steigerungsvelmerks auf den Namen a) der

verw. Ertma Frölich, geb. Fröhmcke 2. die

idoellen Grundstückshälfte —, b) des (vorm. 4) anten Max Froelich, c) der am Lit. C tr. ktober 1880 geborenen Antonie Ida (S⸗. arie Frölich, jetzt verehel. Fabrikbesitzer d emge senior).

11 Uhr, durch das unterz

Grundstück beste haus mit linke unterkellertem⸗ Hof Klosett, b mit Lichthof,

udbuch eingetragen.

[6202] Aufgebot.

aufgeboten:

1. die Ferusisch⸗ kon Staatsanleihe von 1890 500 (Oberpostsekret Richter in Breslau, treten durch das

in Breslau, A reußische

527 437

1883 geborenen Charlotte Ida Frölich zu b—d zu je 1 Grundstücksanteil eingetragenen⸗ stücks besteht, soll dieses Grurbstück am 26. September 1921,

an der Gerichtsstelle Bexlin, richstraße 13/15, drittes Stockwerk, Zimmer Nr. 113/115, versteigert werden.

aus: a) Vorderwohn⸗ und rechtem Seitenflügel, und abgesondertem abrikgebäude links und quer emarkung Berlin, Nutzungs⸗

790 ℳ. Der Versteigerungsver⸗ ist am 9. Oktober 1920 in das

„Berlin, den 22. Juni 1921. Amtsgericht Berlin⸗Mitte. Abteilung 87.

Die nachstehend aufgeführten, angebjich abhanden gekommenen Urkunden w. auf Antrag der dabei vermerkten Pe

I. Preußische Staatsp

16 918 über a. D. Maximilian m Ohlauufer 8, ver⸗ ankhaus Robert Beil 54), onsolidierte 3 ½ % Staatsanleihe von 1884 (Salomon Goldberg zu Cassel, bei Levi

b. vr n II. ³) Die Preußische konsolidierte 3 ½8 VII. Die 4 % Hypothekenpfandbriefe der

(vorm. 4) % Staatsanleihe von 1885 Lit. C Nr. 639 119 über 1000 ℳ,

b) die Pfandbriefe der Preußischen Boden⸗Kredit⸗Aktien⸗B. in Berlin, Serie 25 Nrn. 793 und’ 800 über je 500 und Nrn. 477 und 478 über je 100 ℳ, Serie 18 Nrn. 4815 und 4819 der über je 1000 Fund Nrn. 789 und 790 über je 5000 (Witwe Emilie Dertz, geb. Prietz, in Berlin, Cuvrystr. 26, ver⸗ treten du Justizrat Salz in Berlin, Rosenthaler Fkraßf 34/35). .

III. a) Die Preußischen konsolidierten 4 % Staatsanleihen von 1910 Nr. 1 081 811 über 1000 ℳ, b) die 4 % Kommunal⸗ obligationen der Preußischen Pfandbrief⸗ bank in Berlin von 1913 Lit. B Em. XI. Nrn. 278 bis 280 über je 1000 (Firma Rüdiger & Hegermann in Neuruppin).

I1V. Hie 280% Berliner Stadtanleihe von 1886 Buchst. M Nr. 101,545 über 500 (Paul Donath in eburg bei Bernau (Mark), Rollber⸗

V. Die 4 % Kommu Berliner Hypothekenhalik von 1910 Lit. G. Nrn. 8887 und 09754 über je 100 (Rentenempfängey Albert Huhn in Jüter⸗ bog, Oberhag/3, vertreten durch den Rechtsagentey A. Schulze, daselbst,

Schillerstrafe 48). 1

Dje 3 ½ % landschaftlichen Central⸗ Pfandhylefe der Central⸗Landschaftsdirektion Nrn. 6 45 147 über 300 ℳ, 327 950 über (Kau 200 ‧ℳ, 336 070 über 500 und 85 508 Zei über 1000 (Bauernhofs⸗ und Mühlen⸗ besitzer Albert Ihlenfeldt in Hindenburg

vrmittags nete Gericht, Neue Fried⸗

Das

obligationen der

weig, R schsens D

. Kohlenwe

1000

Preußischen Pfandbrief⸗Bank Emission XXVIII Lit. E Nrn. 3528 und 3607, über je 300 (Frau Major Marta zu Landeck, vertreten durch P. Kahl in Berlin, Charlotte VIII. Der 4 ½ % Hyy

Berliner Hypoll⸗ gesellschaft in Beyllm, Lit. Nr. 07 340 üb

Böhm, in Biesenthal, Am

. Der Hypothekenbrief der Preußischen Boden⸗Kredit⸗Aktien⸗Bankin Berlin, Serie XIV Lit. F Nr. 13 035 über 300 (Witwe Albertine Dreßler, geb. Klätsch, und Fräulein Gertrud Dreßler in Neu⸗ kölln, Schinkestr. 6, vertreten durch Justiz⸗ rat Indig in Berlin, Charlottenstr. 58).

X. Die Zwischenscheine der Reichsbank i a) Nr. 262 214 über 1000 Deutsche 5 % Reichsanleihe IX (Ewald Woltersdorf b. Erkner), b) N und 249 831 über je 100 Reichsanleihe I (Pfarrer in Vilsheim b. Moosbuc).. 1

XI. Der Kommandekanteil an der Dis⸗ conto⸗Gesellschaft z

über 600 (Fcch Dittrich in Braun⸗

Aktien⸗Gesellschaft in Berlin und 6445 über je 1000 ann Emil Theuerkauf in Leipzig, Zeigkr Str. 11, vertreten durch Justizrat Lobe in Berlin, Am Kupfergraben 5). XIII. Der Wechsel vom 28. Februar 1918 über 37 500 ℳ, fällig am 31. August 1920, ausgestellt von Geschwister Rudens

Theaterkasse, gezogen auf und akzeptiert von dem Direktor Victor Barnowski in Berlin, Königsplatz 5 (Geschwister Rudens Theaterkasse in Berlin, Potzdamer Straße 4).

XIV. Die 4 % Hypothekenpfandbriefe der Preußischen Boden⸗Kredit Aktien⸗Bank in Berlin, Serie XXV Pk. 1023 über 1000 ℳ, Nrn. 727, 1799, über je 500 ℳ, Nrn. 1721, 1732 und 1750 über je 300 und Nrk. 1203 über 100 (Schuhmachermeistek Julius Renner in 5

Die unbek⸗

Thun tsanwalt raße 28). hekenpfandbrief Kkenbank, Aktien⸗ E Serie V 500 (Frau Emilie

ordert, spätestens in dem auf ktober 1921, Vormittags ,Neue Friedrichstraße 13, 3. Stock, ser 111, anberaumten Aufgebotstermin e Rechte anzumelden und die Urkunden orzulegen, widrigenfalls die Kraftloser⸗ dardt in klärung erfolgen wird. 83 Gen. III. 2. 20. 249 829 Berlin, den 15. März 1921. 7o Deutsche Amtsgericht Berlin⸗Mitte. Abteilung 83. dolf Heurung [41317] Aufgebot. Die Commerz⸗ und Privatbank, A.⸗G., Berlin, vertreten durch ihren Vorstand, hat das Aufgebot der unvperzinslichen Schatzanweisung des Deutschen Reichs über 100 000 ℳ, zahlbar a 2 1921 an den Inhaber, Nr. 3063 beantragt. Urkunde wird auf

Berlin Nr. 73 834

der Niederlausitzer

rdert, spätestens in dem auf den Febrnar 1922, Vormittags Uhr, vor dem unte zeichneten Gericht, Neue Friedrichstr. 13/1 1II. Stock, Zimmer 102,104, anberaumten Aufgebotstermine seine Rechte anzumelden

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