1921 / 158 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Jul 1921 18:00:01 GMT) scan diff

das nmnur

Und nun fragen Sie: Wie steht es in Oberschlesien? Sie werden fragen: Hat die Berliner Regierung genug getan, um den Gedanken über Oberschlesien in der Welt zu verbreiten? (Zurufe: Nein!)

Glauben Sie, daß wir in den letzten Monaten nicht fieber⸗ haft gearbeitet haben? Glauben Sie, daß unsere Hände un⸗ tätig gewesen sind, um in Oberschlesien helfend einzugreifen? Glauben Sie nicht, daß in persönlichen Rücksprachen hundertfältiger Art, allen Vertretern der alliierten Mächte kein Zweifel darüber gelassen ist, daß das Schicksal Oberschlesiens mit dem des Deutschen Reichs auf Gedeih und Verderb verbunden ist? Unsere Botschafter in Rom, Paris und London, alle unsere Vertreter auf dem Erdenrund sind seit Monaten tätig, um den Ge⸗ danken des Rechts für Oberschlesien vor der ganzen Welt aufzurichten. (Beifall.) Nur eins müssen Sie nicht mehr denken: wir können das Schicksal Oberschlesiens im Herzen Europas nicht mit der Waffe in der Hand entscheiden. (Zustimmung.) Das ist unmöglich, aber, meire Damen und Herren, wenn ich diesen Satz ausspreche, so füge ich einen zweiten hinzu, und ich habe ihn in den letzten Tagen manch⸗ mal auch Fremden gegenüber mit Nachdruck betont: So wenig wir daran denken, auf neuen Schlachtfeldern mit Stab und Stecken kann man dort nicht auftreten Europa zu beunruhigen, ebenso wenig kann jemand in der Welt annehmen, daß unsere oberschlesischen Brüder und wir etwa dastehen sollen, wie es die anderen meinen, um uns ruhig den Hals abschneiden zu lassen. (Lebhafte Zustimmung.) Jedes Tier in der Natur und jeder freie Mensch ist berechtigt, sich um die Heimat, um Haus und Hof, Weib und Kind zu wehren. Jetzt handelt es sich aber um Oberschlesien, nicht um eine isolierte Frage, die, losgelöst von der ganzen Politik, einer Lösung entgegengeführt werden kann. Nein, das Schicksal Oberschlesiens ist das Schicksal unseres ganzen deutschen Vaterlands. (Sehr richtig.) Vor einigen Tagen, als noch er Aufruhr tobte, und darauf in Deutschland manche Faust sich krampfhaft ballte, habe ich in einem Ge⸗ spräch mit den französischen Botschafter in Berlin auf die großen Gefahren hingewiesen, und ich habe aus jenem Munde gehört, daß die Haltung Frankreichs bei einem Angriff der Reichswehr nicht mißzuverstehen sein werde. (Pfui⸗Rufe.) Keine Pfui⸗Rufe, meine Damen und Herren! Mit Pfui⸗Rufen lösen Sie die Probleme der Politik nicht (sehr richtig), sondern, meine Damen unnd Herren, diese großen Fragen europäischer Politik, sie werden nicht gelöst, indem wir sagen: Ihr in Berlin tut eure Pflicht nicht. Nein, wir müssen die großen Linien unserer Politik einhalten. Diese Linien waren allerdings in der Vergangenheit, wo wir eine Macht dar⸗

stellten, unbekannt im Reiche der Politik. 8 Jetzt ist es der Gedanke des Willens zur Gerechtigkeit, des Willens zur Freiheit, des Willens zum großen Gedanken der demokratischen Selbstbestimmung Europas, der unserem Volke noch die Freiheit retten kann. Ich weiß nicht, wie man sich beim Zustandekommen des Friedensvertrages von Versailles in den alliierten Kreisen den Gedanken des Rechtes vorgestellt hat. Ist leerer Schein gewesen, daß in Oberschlesien ab⸗ gestimmt werden sollte? Hat man nicht gerade polnischen Wünschen willig ein Ohr geliehen, als man gerade dieses Stück zur Abstimmung herausgeschnitten hat? Nein, meine Damen und Herren, solange in Schlesien im kommenden Jahrhundert noch der Gedanke der Freiheit einen Klang hat, und er wird ihn immer haben, werden die Alliierten niemals das Ergebnis der Abstimmung, das über⸗ 8 für Deutschland ausfiel, aus der elt schaffen (Bravo!) Niemals wird irgendein Volk der Welt über Plebiszit zur Tagesordnung übergehen können. Das ist

Ausdru des demokratischen Willens gewesen, und wer daran rührt, wer an diesem Selbstbestimmungsrecht Oberschlesiens rührt, der legt die neuen Keime eines neuen großen europäischen Brandes, der setzt den Todeskeim hinein in eine wiederaufblühende europäische Kultur und Zivilisation. Laßt die Finger davon! rufen wir heute den alliierten Machthabern zu, laßt die Finger von dem oberschlesischen Volk und von seiner Freiheit, sorgt für Ruhe und Ordnung, das ist die Pflicht der allijerten Mächte und der inter⸗ alliierten Kommission in Oberschlesien. Sie haben die große, die heilige Pflicht vor der ganzen Welt übernommen, Treuhänder dieses deutschen Landes zu sein. Man wird in den europäischen Geschichtsbüchern einstens fragen, ob die interalliierte

Kommission ihre Pflicht als Wahrerin und Behüterin des deutschen Keechtsgedankens erfüllt hat. Der Gedanke der Selbstbestimmung unn nicht aus der Welt geschafft werden. Das oberschlesische Volk at gesprochen. Dieser Ruf muß beachtet werden. Diesen Ruf

ollen wir heute, indem wir dem oberschlesischen Volk unsere Hände ichen, erweitern zu dem großen Chor der deutschen Volksgemeinschaft,

8 8 den schweren Schicksalsschlägen wohl gebeugt, aber nicht erzweifelt ist.

Lassen Sie, verehrte Damen und Herren und liebe Volks⸗ genossen, mich schließen mit dem Wunsche: Wir wollen mit der preußischen Staatsregierung besorgt sein, die Wunden rasch zu heilen. Wir wollen dankbar anerkennen, was in Oberschlesien Großes ge⸗ schehen ist an Heldenmut, an Ausdauer, an Gottvertrauen, an Ver⸗ trauen zu unserem lieben deutschen Vaterlande. Was ist denn das

Größte in all diesem unerträglichen Leid, das über uns gekommen ist? Schauen Sie nach dem Rheiu, schauen Sie nach Ostpreußen, und jetzt nach Oberschlesien: der Jammer des Bürgerkrieges, die Drang⸗ sale drüben am Rhein, alles wird schließlich doch übertönt und überwunden durch die große, mächtige Liebe unseres deutschen Voltes zur nationalen Einheit. Diese Liebe, die wir vielfach in den Stürmen der Umwälzung versunken glaubten, diese Liebe zum Volke, diese Liebe zur Freiheit ist mächtig wiederaufgelebt. Diese Liebe, und einzig sie, wird alles überwinden. Sie wird groß und mächtig sein und uns einst wieder der Freiheit, einem neuen Glück und neuer Wohlfahrt entgegenführen. Schlesisches Volk, Glückauf! Nicht verzweifeln, in Einigkeit zusammenstehen, die Stimme erschallen lassen über die Erdenrunde zu allen Völkern hin: Gerechtigkeit auch für das besiegte Volk! In Eintracht wollen wir dem Gedanken der Menschheit dienen. Glückauf! Ihr Oberschlesier, verzweifelt nicht, das deutsche Vaterland hofft auf Euch und reicht Euch die Hand, die Hand der Dankbarkeit und unverbrüchlicher Treue!

lach Meldungen des „Wolffschen Telegraphenbüros“ sind die aus Anlaß ber Vorgänge in Beuthen, in deren Verlauf der französische Major Montalègre zu Tode gekommen st, seit einigen Tagen in Haft gehaltenen Geiseln gestern von den Engländern aus der Haft entlassen worden, bis auf den Ersten Bürgermeister, Dr. Stephan, dem mitgeteilt wurde, daß er aus dem Abstimmungsgebiet ausge⸗ wiesen werde. Es ist bezeichnend, daß man von den Geiseln vor der Entlassung die Unterzeichnung einer Er⸗ klärung verlangt hat, daß sie während der Laft human be⸗ handelt worden seien. Ein Teil der Geiseln hat die Unter⸗ zeichnung dieser Erklärung grundsätzlich abgelehnt. Der Magistrat der Stadt Beuthen hat auf die Ergreifung des Täters, der den Major Montaldsgre erschossen hat oder auf die eibringung von Angaben, die geeignet sind, eine restlose Auf⸗ läörung des Vorfalls herbeizuführen, eine Belohnung von 15 000 ausgesetzt. Württemberg. Die Konferenz der Ernährungs⸗ und Landwirt⸗ schftsminister der Länder, die gestern in Stuttgart unter dem Vorsitz des Reichsministers Dr. Hermes zusammentrat, bchandelte den Stand der Kunstdüngerversorgung und die Maßnahmen, die zur Hebung der Probduktion zu er⸗ greifen sind. In sachlicher Aussprache wurde die erhöhte Ver⸗ vendung von Kunstdünger für landwirschaftliche Zwecke als us der ersten und wichtigsten Mittel zur Förderung der land⸗ wirtschaftlichen Erzeugnisse von allen Seiten anerkannt. Die ll ahme der Konferenz wurde laut Bericht des „Wolffschen

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alle Teilnehmer zustimmten: .

Die Konferenz ist übereinstimmend der Anschauung, daß die ver⸗ mehrte Kunstdüngerverwendung das wichtigste Mittel zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung ist. Es sollen deshalb in enger Zusammenarbeit von Reich und Ländern, von Landwirtschaft, Industrie und Handel alle Wege, die zu diesem Ziele führen, be⸗ schritten werden. In erster Linie ist der Weg fortdauernder Auf⸗ klärung zu beschreiten, wobei Veranstaltungen von landwirt⸗ schaftlichen Versuchen, die alle Kunstdüngerarten berücksichtigen, in möglichst weitem Umfange in Frage kommen. Ferner ist der Weg der Anlage von Beispielswirtschaften zu wählen, die neben der Anwendung von Kunstdünger die Vorteile einer rationellen Bewirtschaftung überhaupt (bessere Bodenbearbeitung, Anwendung von ausgewähltem Saatgut) vor Augen führen. Dazu sollen vom Reich im Benehmen mit den Ländern einheitliche Richtlinien aufgestellt werden, während die Aufklärungsarbeit selbst an Hand dieser Richtlinien von den einzelnen Ländern zu leisten und den verschiedenen Verhältnissen ihrer Landwirtschaft an⸗ zupassen wäre. Wegen der Ausführung der Versuche in den einzelnen Ländern scheint eine Regelung in dem Sinne zweckmäßig, daß den Hochschulen die Bearbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen vor⸗ behalten wird. Daneben sollen die etwa vorhandenen provinziellen Forschungsinstitute alle praktischen Wirkungen feststellen, vornehmlich jedoch die landwirtschaftlichen Schulen und landwirtschaftlichen Be⸗ rater die Durchführung der Maßnahmen übernehmen. Die dem Reich zur Verfügung stehenden Mittel sollen an die Länder nach einem Maßabe verteilt werden, der den Bedürfnissen der Aufklärung in den einzelnen Ländern eutspricht und möglichst allen den Erfolg sichert.

Die Konferenz hat weiter einen Beschluß angenommen, daß die zurzeit noch bestehende Regelung für den Verkehr mit Kaffeeersatzmitteln mit dem 1. August d. J. außer Kraft treten soll, und mit überwiegender Mehrheit den Vorschlägen des Reichswirtschaftsministeriums und des Reichsernährungs⸗ ministeriums über die Aufhebung der Verordnung über den Handel mit Lebens⸗ und Futtermitteln vom 24. Juni 1916, über den Handel mit Tabak vom 8. Juni 1917 und mit Wein vom 31. August 1917 zu⸗ gestimmt. Der Erlaß einer entsprechenden Verordnung wird demnächst erfolgen. Der Großhandel mit Lebens⸗ und Futtermitteln, mit Tabak und Wein wird damit von den Vorschriften befreit, die den Beginn des Groß⸗ handels von einer behördlichen Genehmigung ab⸗ hängig machen.

Auf Anregung der württembergischen Regierung gab der Präsident der Reichsgetreidestelle eine Uebersicht über die grundsätzlichen Aenderungen im Verkehr mit Getreide. Die Umlage von 2,5 Milllionen Tonnen, das heißt der achte Teil nach dem Durch⸗ schnitt der Ernteergebnisse der letzten fünfzehn Jahre, der sechste Teil der Ernte des Vorjahres und nur zwei Drittel der im vorigen Jahre von der Zwangswirtschaft erfaßten Getreidemengen bedeute eine Abkehr von der bisherigen Regelung. Für die Ablieferung hafte der Erzeuger, Kom⸗ munalverband und das Land. An der Reisebrotmarke müsse festgehalten werden. Die Brotversorgung für die Uebergangszeit sei durch Einfuhr sichergestellt. Eine Erhöhung der Kochmehlration könne augenblicklich nicht in Frage kommen.

Großbritannien und Irland.

Auf der vorgestrigen Sitzung der Reichskonferenz wurde Blättermeldungen zufolge die Höltuns des britischen Reiches gegenüber den europäischen Angelegenheiten erörtert. Besonders kam die Frage der französisch⸗englischen Beziehungen ausführlich zur Sprache. Der „Daily Telegraph“ teilt mit, daß die bisherigen Sitzungen der Reichskonferenz zu einem allgemeinen Einverständnis bezüglich der Reichspolitik ge⸗ führt hätten. Ueber die allgemeinen Richtlinien der im Stillen Ozean und im Fernen OÖsten zu befolgenden Politik sei eine Einigung erfolgt. Große Hoffnung werde bezüglich der offiziellen Erörterungen zwischen den Mächten des Stillen Ozeans ge⸗ hegt. Die Auffassung der Reichskonferenz sei, daß die be⸗ sondere Freundschaft mit Japan mit der freien Entwicklung Chinas und mit der engen Zusammenarbeit mit den Ver⸗ einigten Staaten in Einklang gebracht werden müsse. Zum englisch⸗japanischen Vertrage verlaute, daß er ent⸗ sprechend den Völkerbundssatzungen abgeändert werde. Ueber die Frage der Reichsverteidigung seien 1 wichtige Be⸗ sprechungen abgehalten worden. habe sich die Reichs⸗ konferenz mit der allgemeinen Politik der Regierung im nahen Osten hinsichtlich Mesopotamiens und Palästinas einver⸗ 15 erklärt. Die Premierminister würdigten vollauf

ie Schwierigkeiten der Regierung bezüglich Europas und

billigten den Geist, in dem diese Schwierigkeiten behandelt wurden. Bei der Erörterung der auswärtigen Politik wurden von seiten der englischen Regierung ausführliche Erklärungen über Oberschlesien, über die Frage der deutschen Garantien und des besetzten Gebietes sowie über den griechisch⸗türkischen Konflikt abgegeben. Wegen der Einwanderungsfrage und der Ausschlußgesetze in den Dominions seien Schwierigkeiten nicht entstanden, da sowohl Indien als auch Japan das Recht der Dominions anerkannt haben, über den Charakter ihrer eigenen Bevölkerung zu ent⸗ scheiden. Schließlich kam die Frage der Reichsverbin⸗ dungswege zur Sprache, die einem besonderen Ausschuß unter dem Vorsitz Churchills überwiesen wurde. Man erwartet, daß die Konferenz noch etwa zwei Wochen tagen wird.

Nach einem amtlichen Bericht hat die Reichskonferenz heute die Besprechung über den Völkerbund wieder auf⸗ genommen. Auch Lloyd George und Lord Curzon haben an den Besprechungen teilgenommen. Weiter heißt es in dem Bericht, sämtliche Redner hätten einstimmig den hohen Wert des Völkerbundes anerkannt und zugegeben, daß er berechtigt sei, die vollständige ärtte g des britischen Reichs zu genießen. Man sehe in dem Völkerbund einen wirklichen Fort⸗ schritt für die Regelung der internationalen Angelegenheiten.

Die Beratungen der irischen Konferenz wurden gestern vormittag fortgesetzt. Ueber die Verhandlungen wird strengstes Schweigen beobachtet. Nach einer amtlichen Reuter⸗ meldung ist vereinbart worden, daß die Feindseligkeiten in Irland am Montag eingestellt werden sollen.

Im Unterhause wurde gestern die Frage des Re⸗

ierungszuschusses von 10 Millionen Pfund Ster⸗ ing für die Bergleute erörtert. Hierbei kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Lloyd und Robert Cecil. Letzterer kritisierte die „heftige und unkluge Rede“, die der Premierminister Ende März gegen die Arbeiterpartei ge⸗ halten habe. Lloyd George erwiderte, er habe nur die Arbeiter⸗ partei, nicht aber die Arbeiterklasse angegriffen. In der Arbeiter⸗ partei hätten extreme Elemente, die sich im Hintergrunde auf⸗ hielten, die Vorherrschaf

Telegraphenbüros“ in folgenden Leitsätzen festgelegt, denen

Frankreich.

Die Reparationskommission hat gestern das letzte Protokoll der Restitutionsangelegenheit, das sich auf die Rück⸗ erstattung der Flußfahrzeuge bezieht, fertiggesteltt. liegen jetzt die Protokolle zur Restitution in nachstehender Nälhendo ge vor: 1. Allgemeines Protokoll über die Grundlage der Restitutionen. 2. Restitution von Tieren. 3. Restitution von Industrie⸗ und Eisenbahnmaterial. 4. Restitution von Möbeln und Gegenständen, Geld und Wertpapieren. 5. Resti⸗ tution von Flußfahrzeugen.

Gestern brachte der Finanzminister Doumer in der Kammer das Budget für 1922 ein. Laut Mitteilung des Wolff'schen Telegraphenbüros“ sind die außerordentlichen usgaben zum ersten Male seit dem Kriege unterdrückt. Es bleiben neben dem ordentlichen Budget nur noch die Ausgaben für den Wiederaufbau, die gedeckt werden sollen entweder dur kommunale Anleihen oder durch Vorschüsse des Credit⸗ National oder schließlich durch den Verkauf deutscher Obl—⸗ gationen in neutralen Ländern. Das üdget für 1922 schließt in den Ausgaben mit 25 426 000 000 Fres. ab. An Einnahmen weist der Entwurf 25 514 000 000 Frcs., also einen Ueberschuß auf. Die Einnahmen sollen bestritten werden aus direkten und indirekten Steuern in Höhe von 19 420 000 000 Francs. Fer Deckung des Restes von 6 Milliarden Francs bllen die Einnahmen aus den Verkäufen der Kriegsvorräte der verbündeten Armee und die Einnahmen aus der Kriegsgewinn⸗ abgabe dienen.

Der Finanzausschuß der Kammer verhandelte estern mit dem Kriegsminister Barthou über die Kredite, bie für die französischen Besetzungstruppen in der Levante verlangt werden, und über die finanziellen Folgen der Militärgesetzentwürfe, die jüngst von der Regierung angenommen wurden. Nach seiner Ansicht sind Kredite im Betrage von 5 Milliarden für den Effektivstand von 660 000 Mann notwendig, den das neue Millikärgesetz vor⸗ sehe. Der Ausschuß setzte einen Unterausschuß ein, der alee eee Fragen prüfen soll, die die nationale Verteidigung etreffen.

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Schweden.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeits⸗ büros erörterte vorgestern die die zwischen den internationalen Arbeitsorganisationen und dem Völkerbund ge⸗ schaffen werden soll. Die Arbeitgebergruppe übergab eine Ent⸗ schließung, in welcher dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zu⸗ folge erklärt wird, daß die Bildung anderer offizieller Per⸗ bindungen als solcher, die im Friedensvertrag ausdrücklich vorgesehen sind, gegen den Vertrag sei. Der Direktor des Arbeitsbüros wurde ermächtigt, an den Sitzungen des Völkerbundes teilzunehmen, um die Gesichtspunkte des Verwaltungsrats in den Erörterungen über die internationalen Arbeitsorganisationen zu verteidigen. Ferner wurde beschlossen, in das Programm der Generalkonferenz im Jahre 1922 Fragen über die Auswanderung aufzunehmen und einen internationalen Ausschuß für die Auswanderungs⸗ frage nach Genf auf den 2. August einzuberufen. Schließlich wurde 88 Antrag Englands beschlossen, daß das Büro die Systeme der gesetzlichen Lohnregelung, die in den ver⸗ schiedenen Ländern Leingestb find, besonders mit Bezug auf die nicht oder nur unbedeutend organisierten Industrie⸗ und Gewerbezweige, untersuchen soll. Die nächste Sitzung des Rats findet am 19. Oktober in Genf statt.

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Blättermeldungen zufolge hat Mustapha Kemal den englischen Befehlshaber vor eigigen Tagen um eine direkte Unterredung über die zwischen ihm und den Alliierten schwebenden Fragen ersucht. Der General Harrington er⸗ widerte, er sei bereit, mit Mustapha Kemal Pascha in jedem beliebigen Hafen des Schwarzen Meeres zusammenzutreffen. Eine Äntwort auf diesen Vorschlag ist noch nicht eingetroffen.

Der amtliche türkische Bericht vom 8. d. M. beseg daß die Türken die Griechen im Süden von Sundburg 1 angegriffen und gezwungen haben, sich zurückzuziehen. Ismidabschnitt haben die Türken die Verfolgung der Griechen fortgesetzt, die sich nach Westen zurückziehen.

Asien. einer Meldung des „New

ork Herald“ hat die japanische Regierung, entgegen dem Wortlaut ihres Mandatz, auf den ehemals deutschen Marianen⸗In seln und auf den Bonin⸗Inseln große Befestigungsarbeiten be⸗ gonnen.

Nach

Preußischer Landtag 37. Sitzung vom 8. Juli 1921, Mittags 12 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger))

Den Vorsitz führt Vizepräsident Garnich.

Auf der ö stehen zunächst vier kleine An⸗ fragen. Eine Anfrage der Deutschen Volkspartei bringt zur Sprache, daß von dem Betrage von 2 Millionen Mark, um welchen im Haushalt des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Dienstaufwand⸗ entschädigungen für Kreisschulräte durch Beschluß der Preußi⸗ schen IX““ erhöht worden sind, das Finanz⸗ ministerium nur eine Million angewiesen hat und sic weigert, die zweite Million zu zahlen. 1

Geh. Rat Kaestner: Durch den Staatshaushaltsplan für 1920 waren für den Dienstaufwand der v im Ordinarium 705 296 ℳ, im Extraordinarium 668 000 bereitgestellt. Da si diese Beträge bei der Steigerung aller Kosten, wie bei den anderen Staatsbeamten, auch hier als unzulänglich erwiesen, sind durch den Nachtragsetat 20 Millionen für alle beteiligten Beamten nach⸗ gefordert und bewilligt worden. Hiervon hat der Finanzminister der Unterrichtsverwaltung eine Million für Kreisschulräte zur Ver⸗ fügung gestellt. Dieser Betrag entspricht nicht nur dem Verhält⸗ nis sl den übrigen beleiligten Beamten, sondern er ist schon mit Rücksicht auf die von den Kreisschulräten übernommenen Geschäfte der Ortsschulinspektion über den Verhältnissatz erhöht. Außerdem hat sich der Finanzminister bereiterklärt, in dem Staatshaus alts⸗ plan für 1921. dem Antrag des Ministers für Wifenschaft Kunst und Volksbildung eg. end, einen Betrag von durch chnittli 8000 als Dienstaufwandsentschädigung für jede Kreisschulrats⸗ stelle einzustellen. Unter diesen Umständen hat sich die Unter⸗ richtsverwaltung damit einverstanden erklärt, daß die nachträgliche Verstärkung der erwähnten Fonds für das Jahr 1920 mit einer Million Mark als ausreichend bezeichnet wurde. 8

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen eden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Biester (D.⸗Hann.) fragt an, ob dem Staatsministe⸗ zum bekannt ist, daß eine Anzahl von Kreistagen die Wahl zu Mitgliedern der Körungskommission ohne Rücksicht auf sachliche genntnisse, einzig nach parteipolitischen Gesichtspunkten durch⸗ mehrt hat. Ein solches Vorgehen, wie es u. a. im Kreise Linden 1 Landkreise Hannover beliebt worden ist, lasse eine För⸗ derung der Viehzucht nicht erwarten.

Der Regierungsvertreter erwidert, daß die Staats⸗ vegierung Veranlassunz genommen hat, durch den Regierungs⸗ präsidenten auf Remedar hinwirken zu lassen.

Auf eine kleine Anfrage der Deutschen Volkspartei, die auf die steigende Unsicherheit auf dem Lande, insbesondere in Nassau und im Kreise Wetzlar Bezug nimmt, wird von dem Ver⸗ treter des Staatsministeriums erwidert, daß Maßnahmen in der Durchführung begriffen sind, einen weitergehenden Schutz der gegen Raubüberfälle und dergleichen zu

ährleisten. gewäge Fozialdemokratische Partei hat den Umstand, daß nach verbürgten Nachrichten aus dem Kreise Westprignitz der Regierungspräsident Schleusener dem Landrat Willigmann in Perleberg untersagt haben soll, an politischen Versammlungen und Veranstaltungen teilzunehmen, zum Gegenstand einer kleinen An⸗ frage gemacht.

Die Staatsregierung läßt erklären: Es ist nicht richtig, daß der Regierungspräsident Schleusener dem Landrat Willigmann die Teilnahme untersagt hat. (Heiterkeit rechts.)

Der Entwurf eines Gesetzes über Aende⸗ rung a) der Verordnung, betreffend ein verein⸗ fachtes Eün cn h. vom 11. Sep⸗ tember 1914, b) des Gesetzes, betreffend die Be⸗ kanntmachung landesherrlicher Erlasse durch die Amtsblätter vom 10. April 1872 geht nach einer kurzen, vom Vertreter des Handelsministers gegebenen Zegründung ohne weitere Erörterung an den Rechtsausschuß.

Der Gesetzentwurf über den Staatsver⸗ trag, betreffend den Uebergang der Wasser⸗ straßen von den Ländern auf das Reich, wird abermals an den Hauptausschuß zu erneuter Berichterstattung zurückverwiesen.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzent⸗ wurfs, durch den die Bewilligung weiterer Staatsmittel im Betrage von 168 Millionen Mark für die Erweiterung und Einschleu⸗ fung des Fischereihafens Geestemünde ange⸗ fordert worden ist. Der Hauptausschuß hat die Vor⸗ lage angenommen und die Bewilligung empfohlen.

Berichterstatter Abg. Dr. Rose (D. Vp.) legt in ausführ⸗ lichem Vortrage die Notwendigkeit dieser Bewilligung dar.

Das Gesetz wird in zweiter und sofort auch in dritter Lesung angenommen.

Die Besprechung der großen Anfrage der Sozial⸗ demokraten über die Kündigungen von Heuer⸗ lingspachtverträgen in Westfalen und im Re⸗ gierungsbezirk Osnabrück wird fortgesetzt.

Abg. Meyer⸗Rheine (Soz.): Die Heuerlinge sind nichts anderes als landwirtschaftliche Arbeiter, wenn auch besonderer Art. Die Pacht spielt bei den Verträgen keine große Rolle, sondern die Leute werden zur Arbeit angenommen. Sie schreien täglich nach einer Pachtschutzordnung, denn die großen Landbesitzer, wie die Herzöge von Croy und die Fürsten Salm⸗Horstmar und Salm⸗ Salm, nehmen ihnen unerhört hohe Pachtpreise ab; sie begründen das damit, daß die Fürsten so viel Steuern und das Reichsnot⸗ opfer zu tragen haben, dabei werden aber die Realsteuern von den Pächtern geleistet. Einem Pächter, der seit 1740 in seiner Pacht saß, ist jetzt gekündigt worden, und Seine Fürstl. Durch⸗

laucht hat ihm als Gnade eine andere ganz verfallene Stelle ge⸗

geben. Die Antwort der Regierung befriedigt uns nicht; wenn auch eine Novelle zur Pachtschutzordnung in Aussicht gestellt ist, so muß sich doch der Landwirtschaftliche Ausschuß mit dieser Frage eingehend befassen; und ich beantrage, unsere Anfrage dem Landwirtschaftlichen Ausschuß zu überweisen. In vielen Fällen ist die Kündigung aus politischen Gründen erfolgt, und dabei hat der Heuerlingverband bei den Wahlen das Zentrum, die Demokraten und die Sozialdemokraten, also die Koalition, empfohlen. Wir müssen die Leute gegen den Wucher und die Drangsalierungen durch die großen Landbesitzer schützen. Wenn Sie unseren Antrag ab⸗ lehnen, so beweisen Sie, daß es nur die sozialistischen Parteien sind, die auch diesen Proletariern zu ihrem Recht verhelfen wollen.

Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.): Herr Kaufbold möchte die alte Gesindeordnung von 1838 wieder gelten lassen, wonach das Gesinde mit Zwang und unter Strafandrohung wieder zur Arbeit zurückgeholt werden kann. Das ist die reine Sklaverei. Nach dieser Gesindeordnung kann der Dienstbote seinen Dienst nur verlassen, wenn er von der Herrschaft „ungebührlich mißhandelt“, also halbtot geschlagen worden ist. Das ist das Ideal der Rechten. Widerspruch des Abg. Kaufhold.) Ich erinnere daran, wie der Hohenzollernlump Friedrich Wilhelm II. (Pfui! rechts) ja, ich sage auch Pfui! er war ein Lump! das Auspeitschen des Gesindes mit ledernen Peitschen empfohlen hat. „Das ist Ihre Junkerkultur. Dadurch ist der preußische Staat in den Ruf gekommen, der unkulti⸗ dierteste Staat der Welt zu sein. Mit diesem verkommenen und verrufenen Staat wollen Sie das Proletariat wieder beglücken. Der Abgeordnete v. Papen hat das Vorgehen der Kirchengemeinde gegen den Küster verteidigt. Herr v. Papen scheint auf dem Stand⸗ punkte derer zu stehen, die die Schwängerung von Mädchen für ein Vorrecht der Junker erklären, die das Recht der ersten Nacht für sich in Anspruch nahmen und bei Nichtausübung desselben ein Bettgeld von 6 bis 8 Talern erhoben. Wer das billigt, ist alles andere eher als ein Ehrenmann, diese ganze Pfaffenbagage mit Einschluß des Papen und dergleichen Gesindels sind in meinen

ugen ehrlos. (Sturm der Entrüstung auf der Rechten; immer viederholte Rufe: Unverschämtheit! Lümmel! Vizepräsident arnich: Ich nehme an, daß Sie mit dem Ausdruck Papen⸗ gesindel kein Mitglied des Hauses gemeint haben, ich müßte sonst Maßnahmen ergreifen.) Ich nenne alle, die es aut beißen, man einen Mann wie diesen Fischer aus Amt und Würden gebracht hat auch den Herrn v. Papen, ehrloses Gesindel! (Stür⸗ mische Pfuirufe rechts), und nun können Sie, Herr Prösident. Feinetwegen Ihre anderen Maßnahmen ergreifen. (Vizepräsident Larnich: Sie haben auch den Abgeordneten v. Papen unter den Zegriff „ehrloses Gesindel“ mitgenannt: ich rufe Sie dafür zur Ordnung. Ruf links: Der Abgeordnete Kaufbold hat Lümmel gerufen. Vizepräsident Garnich ruft den Abg. Dr. Kaufhold wenfells zur Ordnung.) Ein Mann wie Dr. Kaufhold kann mich nicht beleidigen., so einen Mann tun wir mit Verachtung ab. 88 Kaufhold sprach von dem idealen Verhältnis zwischen Ver⸗ bächtern und Heuerlingen. Im 7 des neuen Vertrages erklärt für Verpächter, im Falle von Brandschaden keine Verpflichtung fir Obdach und Unterkunft des Nöchters zu übernehmen. Darin fommt ja anscheinend das allerchristlichste Mitgefühl der Zentrums⸗ ente zum Ausdruck, zu denen ja wohl auch Herr v. Papen gehört. Üchser Paragraph 7 charakterisiert die ganze Heuchelei der bürger⸗ ichen Lumpen. Nicht die Sozialisten, sondern die kapitalistischen zagfitgeier à la Stinnes sind es, die den Proletarisierungsprozeß Frärdern. Die Erklärung der Regierung genügt nicht. Das müeresse der Besitzlosen ist der Regierung offenbar schnuppe. Die nehürung der Regierung ist ein Skandal und eine Unverschämt⸗ iit, die sich der Landtag nicht gefallen lassen sollte (Zurufe rechts). 18 eine Unverschämtheit habe ich keine Schmeicheleien, sondern 2 eine grobe Antwort. (Vizepräsident Garnich: Sie dürfen neußerungen der Regierung nicht als Unverschämtheiten bezeich⸗

n, das entspricht nicht der Würde des Parlaments, ich bitte Sie, ich zu mäßigen.) Dann begreift aber der Herr Präsident hoffent⸗

lich auch, daß er der Würde des Hauses nicht entspricht, solche Ant⸗ worten von dem Regierungstisch entgegenzunehmen. (Erneute Zu⸗ rufe rechts.) Die Würde des Parlaments ist bei den Parteien der Rechten schlecht aufgehoben, aber ich streite darüber mit Ihnen nicht, denn ich will nicht Perlen vor die Säue werfen. Nicht ein ausgezeichnetes Verhältnis, wie Herr v. Papen meinte, nicht ein ideales, wie Dr. Kaufhold es nannte, sondern ein niederträchtiges Ausbeuterverhältnis besteht zwischen Verpächtern und Heuer⸗ lingen, das zu beseitigen die 2 abe des roten Heuerlingsverban⸗ des ist. Die bürgerliche Gese schoft einschließlich der aufrechten Demokraten mit dem Männertrotz in der zottigen Männerbrust fühlt sich heute noch als Nur das gesamte Prole⸗ rariat wird die Aufgabe lösen, die Räuber endlich aus ihrem Be⸗ sitz hinauszutreiben. Blicken Sie nach Leipzig hin. (Vizepräsident Garnich: Es steht hier der Heuerlingsvertrag und nicht das Reichs⸗ gericht in Leipzig zur Verhandlung.) Sie haben Recht, Herr Prä⸗ sident, das Reschszericht steht unter jeder Besprechung. Es hat die Verachtung aller anständigen Menschen auf sich geladen. (Stür⸗ mische, langandauernde Unterbrechung und Unruhe.) Das Drei⸗ männerkollegium v. Pape, Stendel, Kaufhold hat sich heraus⸗ genommen, von sozialdemokratischer Verhetzung zu reden. Wie arbeiten denn die Agrarier? Die Profite, die sie durch die Arbeiter haben zu verjubeln, das ist ihre Arbeit. Herr Escherich hat mit der ihm eigenen Offenheit erklärt: Wir haben die Leute erst in veees en zu überzeugen gesucht und dann Foch einmal in Versammlungen zu überzeugen gesucht, und wenn das nicht geholfen hat, haben wir sie verdroschen. Aber diese Methode der Escheriche und Drescheriche, der Kaufholde und Saufbolde wird nicht immer vorhalten. Nieder mit solchen Leuten, mit den Aus⸗ beutern, mit solchen Burschen wie Kaufhold, Papen und Stendel! (Beifall bei den Kommunisten.

Abg. Bubert (Soz.): er Hauptstoß unserer Anfrage rich⸗ tete sich nicht gegen die Regierung Stegerwald, sondern gegen die Pachtschutzordnung, die dringend der Aenderung bedarf. Eine ganze Anzahl Heuerlinge müssen am 1. Oktober ihre Pacht ver⸗ lassen, ohne eine neue Existenz zu können. Herr Kauf⸗ hold hat in niederträchtiger Weise eine sozilistische Schrift über die letzten Wahlen, worin auf die Versprechungen einer Landauf⸗ teilung in Ostpreußen hingewiesen war, falsch zitiert, und ich frage, ob Herr Kaufhold noch der anständige Parlamentarier ist, der anderen Vorwürfe machen darf. Der Fürst v. Bentheim hat so wenig soziales Verständnis, daß er seinen Arbeitern ihren Lohn vorenthalten hat. Alle diese Dinge müssen wir im landwirt⸗ schaftlichen Ausschuß besprechen. Die Bauern gehen darauf aus, die Heuerlinge aus ihrer Pacht zu bringen, weil sie selbst deren Land bewirtschaften möchten. Die ganze Bewegung zur Kündigung der Heuerlingsverträge geht von dem Reichstagsabgeordneten der Deutschen Volkspartei Harte aus. Ich fordere die Herren Kaufhold, Papen und Stendel auf, einmal in eine Hetenlinceves cneectih su kommen. Sofort in den nächsten Tagen muß der landwirtschaftliche Ausschuß zur Revision der Pachtschutzordnung zusammentreten. Zu den ö“ müssen die Organisationen der Pächter hinzugezogen werden. Wir haben jetzt keine Pachtschutz⸗ ordnung für die Pächter, sondern für die Herren.

Abg. Logemann (D. Nat.): Diese Debatte zeigt, wohin wir mit dem Parlamentarismus gekommen sind; wir sollten uns über diese Frage zu einigen suchen. 86 hannoverschen Land herrscht durchaus ein patriarchalisches Verhältnis zwischen Bauern und Häuslingen. Das verdanken wir dem Bund der Landwirte. Wir wären mit der Seßhaftmachung der Landarbeiter schon weiter, wenn die Sozialdemokraten früher dafür zu haben wären. Schon viel früher haben die Herren v. Riepenhausen und v. Bodelschwingh das Heimstättenwesen betrieben, aber erst jetzt haben sich die Sozialdemokraten zur Heimstättengesetzgebun bekehrt. In einem Streitfall zwischen Großgrundbesitzern und Pächtern, in dem der Landrat und der Vorsitzende des Schiedsgerichts zu⸗ gunsten der letzten entschieden hatte, entschied auf Anrufen der Pächter der frühere Landwirtschaftsminister Braun: die Groß⸗ grundbesitzer haben das Land. (Feiterdeit) Die Gesindeordnung von 1838 kennt kein Fg er Bauer. Wenn er davon Gebrauch machte, so bekäme er keinen Dienstboten. Denn heute läßt sich doch kein Arbeiter mit der Peitsche behandeln. Nach der Revolution wurde große Unzufriedenheit in die Arbeiterkreise 2 man sprach vom Achtstundentag und hohen Löhnen. Wenn die Arbeitervertreter den Arbeitern die Wahrheit gesagt hätten, so hätten sie sagen müssen: Wir haben den Krieg ver⸗ oren und sind ein armes Volk geworden, deswegen müssen wir mehr arbeiten. Die Arbeiter sind aufs Land zurückgekommen, weil sie trotz der hohen Löhne in der Stadt nicht leben können. Bei uns können sich die Landwirte auf die Häuslinge verlassen, diese sind mit dem Hofe verwachsen. Wir hatten früher Häuslinge, die 25 000 Mark bar Geld hatten. Wenn der Bauer sich bewußt ist, saß er den Häusling gut halten muß, dann ist der Häusling kolossal viel wert; umgekehrt wissen die E daß sie nur vorwärtskommen, wenn der Bauer gut gedeiht. Das Verhältnis zwischen beiden ist bei uns sehr gesund, und die Häuslinge wollen ihr Verhältnis gar nicht in ein Pachtverhältnis umgewandelt aben. Herr Schulz sprach unter Hinweis auf meine arische diotenstirn von Oxenstierna. Wenn wir Arier nicht solche Fdioten wären, dann hätten wir Sie (nach links) längst aus dem ande heraus. (Heiterkeit.) Wir werden das gute Verhältnis wischen den Bauern und den Häuslingen aufrechterhalten. (Lebh. Beifal rechts.)

Damit schließt die Besprechung und die große Anfrage wird an den landwirtschaftlichen Ausschuß überwiesen.

Von den Sozialisten ist unterm 13. Mai folgende

FFohe Anfrage eingereicht worden:

„Namhafte Vertreter der Mectavisseffcheft in Preußen haben seit Jahrzehnten vergeblich eine tiefgreifende Reform der akademischen Vorbildung für die An⸗ wärter des höheren Justiz“ und, Verwal⸗ tungsdienstes geforderdt. Eine vor Jahresfrist von der rechts⸗ und eeeen sbe ag s Fakultät der Universität Halle⸗Wittenberg einberufene Konferenz von Delegierten aller deutschen rechts⸗ und scalgwissenschaftlichen Fakultäten hat sich erneut energisch in diesem Sinne ausgesprochen. Ueber eine Er⸗ weiterung und Umgestaltung des Studienplans ist vor allem eine gründliche Revision der veralteten Prüfungsordnung verlangt worden. Sie ist um so dringender, als sich auch die höheren Beamten der inneren Verwaltung und des auswärtigen Dienstes überwiegend aus solchen lückenhaft und einseitig vorgebildeten Juristen rekrutieren. Was gedenkt das Staatsministerium zu tun, um die fachliche Durchbildung der erwähnten Anwärter in einer den neuzeitlichen Bedürfnissen entsprechenden Weise sicherzustellen?“

Die Anfrage wird in eingehendem Vortrage von dem Abg. Geh. Reg.⸗Rat Prof. Dr. Waentig⸗Halle (Soz.) begründet, der besonders auf die Bemühungen von Franz v. Liszt und Gold⸗ schmidt um eine Reform in dieser Richtung verweist und die S. Nachteile schildert, die dem Volke vor dem Kriege aus dem erfagen der Diplomatie und im Kriege aus der Unzulänglichkeit der theoretischen und praktischen Durchbildung der Staatsbeamten⸗ schaft erwachsen sind. Die Studienzeit müsse von drei auf vier Jahre verlängert, der Studienplan gründlich umgestaltet werden. Ueber das Wie gingen die Meinungen noch auseinander. Eine baldige Entscheidung der maßgebenden Stellen sei erwünscht, damit an das Reformwerk selbst herangetreten werden könne. Es handle sich hier um eine im eminentesten Sinne nationale Frage, in der auch der Landtag mitzureden habe.

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Becker: Meine Damen und Herren! Die Reform der akademi⸗ schen Vorbildung für die Anwärter des höheren Justiz⸗ und Ver⸗ waltungsdienstes wird auch von der Regierung für wichtig und für in hohem Maße dringlich erachtet. Auch für uns handelt es sich hier um eine Frage von der größten nationalen Bedeutung,

und gerade deshalb kann sie natürlich nicht vom Standpunkt eines

einzelnen Ressorts aus und auch nicht im Rahmen einer einzelnen Regierung und eines einzelnen Landes entschieden werden. (Sehr richtig! rechts.)

Diese Reform ist zum letzten Male ausführlich in der Oeffent⸗ lichkeit im Jahre 1910 besprochen worden. Damals stand die Frage der Reform des höheren Justiz⸗ und Verwaltungsdienstes schon einmal im Mittelpunkt der allgemeinen Erörterung. Dann hat vor etwa 1 ½ Jahren das Kultusministerium von sich auz die Frage erneut in Fluß gebracht durch eine Rundfrage an die rechts⸗ und staatswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten. In Verfolg dieser Anregung aus dem Ministerium hat nachher die Konferenz in Halle stattgefunden, die hier in der großen Anfrage erwähnt worden ist, und es ist dann die Frage weiter insbesondere unter der Führung der Hallenser juristischen Fakultät verhandelt worden.

Auch die Regierung ist der Frage weiter nachgegangen und hat sich ihrerseits mit den studentischen Organisationen in Ver⸗ bindung gesetzt, die ja, da es sich jetzt nach dem Kriege um lauter reife Studenten handelt, ein ganz besonders lebhaftes Interesse dieser wichtigen Frage entgegengebracht haben. So ist es dann zu einem ständigen Gedankenaustausch mit allen diesen Stellen, vor allen Dingen mit den Führern der Reformbewegung in der Professorenschaft selbst, gekommen, und ich kann heute sagen, daß die Vorberatungen, wenigstens was das juristische Studium betrifft, im wesentlichen abgeschlossen sind. Da aber nur ein einheitliches Vorgehen aller deutschen Hochschulver⸗ waltungen in Frage kommen konnte, so hat die Unterrichtsver⸗ waltung diese Angelegenheit auch auf den regelmäßigen Konfe⸗ renzen der Vertreter der Unterrichtsverwaltungen der Länder zur Sprache gebracht. Es hat vor etwa 14 Tagen eine abschließende Verhandlung auch da stattgefunden, so daß die Sache nunmehr soweit gefördert ist, daß jetzt die einzelnen Staatsministerien in die Erörterung eintreten und daß wir in absehbarer Zeit wirklich zu einem endgültigen Resultat kommen können.

Ungeachtet der großen Schwierigkeiten, die auf diesem Gebiete liegen, steht die Staatsregierung doch auf dem Standpunkt, daß es möglich sein wird, zu einer einheitlichen Regelung der Frage zu kommen. Wir müssen hier eine grundsätzliche Verbesserung der Ausbildung unserer jungen Juristen und Staatswissenschaftler einführen. Besonders erkennen wir es als Ziel der Reform an, durch Abbürdung entbehrlichen Unterrichtsstoffes Raum zu schaffen für die Einbeziehung neuer wichtiger Rechtsgebiete in den Unter⸗ richt, um diesen durch stärkere Berücksichtigung der Anforderungen der Praxis, um durch eine zweckentsprechende Neuordnung des Studienganges lebendiger und nützlicher zu gestalten. (Sehr gut! rechts.) Dabei soll auf die Zwecke der Verwaltungspraxis ganz besonders Rücksicht genommen werden. (Bravol rechts.)

In gleicher Weise sind wir mit der Frage der Reform des staatswissenschaftlichen Unterrichts vorgegangen. Auch hier haben wir die Frage bei den Fakultäten in Fluß gebracht, auch hier sind wir an die einzelnen Regierungen herangetreten. Diese Frage ist zwar noch nicht ganz so spruchreif wie die der Vorbildung der Juristen, aber auch hier steht der Abschluß der Verhandlungen nahe bevor.

Bei dieser Sachlage ist es heutigen Tages für die Regierung unmöglich, schon heute mit einem in allen Einzelheiten ausge⸗ arbeiteten Programm vor dieses Haus zu treten. Es ist das schon deshalb unmöglich, weil eine abschließende Stellungnahme zwischen den einzelnen preußischen Ressorts auch im Staatsministerium noch nicht stattgefunden hat.

Die Staatsregierung ist bereit, in einem späteren Stadium der Reformarbeit hier dem Hause darüber Bericht zu erstatten, sobald eine Einigung zwischen den Ressorts stattgefunden hat. Ich kann aber hier nur mit allem Nachdruck die Erklärung abgeben, daß wir diese Reformaufgabe für außerordentlich wichtig und für sehr dringlich halten, und daß ich glaube, in allernächster Zeit oder wenigstens in absehbarer Zeit in der Lage zu sein, hier dem Hause von endgültigen Beschlüssen Kenntnis zu geben. (Bravo!)

Auf Antrag der Soz. wird die Besprechung beschlossen.

Abg. Eöö“ (Zentr.): Wir begrüßen die An⸗ frage sowohl aus den Erwägungen heraus, die die Antragsteller Feleitet haben, als auch wegen der uns gewordenen Auskunft, die ür jetzt eine Ausschußberatung als nicht angebracht erscheinen läßt. Ueber die Dringlichkeit der Reform ist kein Zweifel.

Abg. Prof. Dr. Kähler⸗Greifswald (D. Nat.): Der Herr Kollege Dr. Waentig hat auch den Landtag als Mitarbeiter an der Vorbereitung der Reform in Anspruch genommen. Das kann aber der Landtag nicht ohne weiteres; dazu gehören besondere Fachverständigentoömmissionen. Uebrigens hat gerade am 9. November 1918 der Beamtenkörper den völligen Zusammen⸗ bruch des Staates aufgehalten, indem er sich den neuen Macht⸗ habern zur Verfügung stellte. Wir dem Gedanken dieser Reform durchaus sympathisch gegenüber. Vor allem wird eine Vorfrage zu lösen sein, nämlich, ob für die richterliche und die Beamtenqualifikation die gleichen Vorbedingungen nötig sind. Der Interpellant hat auch a06 das Zwischenexamen hingedeutet, wie es z. B. England kennt. Für Deutschland erscheint uns eine solche nicht in der Volkssitte verankerte Einrichtung zunächst einiger⸗ maßen fragwürdig; jedenfalls sollten wir alles tun, um uns auf diesem Gebiete vor Enttäuschungen zu bewahren. An der akademischen Vorbildung des Berufsbeamtentums muß nach unserer Auffassung festgehalten werden. Unser Prüfungswesen ist durchaus demokratisch eingerichtet. Der Weg zum höheren Verwaltungsdienst soll durch die Universität bzw. die technischen Hochschulen gehen. Für eine Ausgestaltung des staatswissen⸗ schaftlichen Unterrichts haben wir uns schon früher eingesetzt. Wir bedürfen in Berlin einer außerordentlichen Professur für die Geschichte der Demokratie und des Sozialismus; sie soll keine Professur für Parteigeschichte sein, aber die größte Strömung in der Politik muß auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Das dient nicht nur der Staatswissenschaft, sondern auch dem juristischen Studium. Für die Prüfungsordnung muß der Ausgangspunkt der Studienplan sein. Was nützt aber der beste Studienplan, wenn sich in der vns is allerlei Schwierigkeiten er⸗ geben? Es herrscht jetzt eine solche Unrast und innerliche Un⸗ ruhe, daß die Muße zum Studium fehlt und der Gedanke an das Brotstudium vorwiegt. Wegen der Ueberlastung der juristischen Professoren mit Vorlesungen und Praktiken bedürfen wir der Vermehrung von Lehrstühlen oder der Anstellung von Assistenten, welch letztere für die Bildung einer Pflanzschule wertvoll sind. Die Reform des Studiums darf aber nicht auf dem Papier stehen bleiben, sondern muß auf das praktische Leben Rücksicht nehmen. Was die Trennung des juristischen und des Verwaltungsstudiums betrifft, so wird die Finanzverwaltung speziell eine überragende Bedeutung bekommen, für die wir besonders geschulte Kräfte brauchen. Die Frage der Trennung während des Studiums ist verschieden zu beantworten, je nachdem das juristische Studium einen starken Einschlag von Nationalökonomie und Staatswissen⸗ schaft erhält oder allein nach den prozessualen Gesichtspunkten sich richtet. Jedenfalls muß das Verwaltungsstudium auf eine breitere Grundlage gestellt werden. Wenn diefe breitere Basis im