8 “ „Der dänische Gesandte Graf Moltke ist nach Berlin zurückgekehrt und, hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der bulgarische Geschäftsträger bepollmächtigter Minister Dr. Doskoff ist nach Berlin zuruͤckgekehrt 222 hat die L 2 der Gesandtschaft wieder übernommen. 1
Oesterreich.
Gestern erschien eine Abordnung von Vertretern Westungarns beim Bundeskanzler Schober, um sich über den Stand der Angliederung Westungarns zu unterrichten. Der Bundeskanzler gab der Abordnung in eingehender Weise Auskunft und erklärte, dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge, die Angelegenheit stehe sehr günstig. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß es gelingen werde, die Angelegenheit sobald als möglich zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen.
— Blättermeldungen zufolge hat der Bundesfinanzminister Dr. Grimm gestern seine schon in den letzten Tagen mehrfach geäußerte Absicht, seine Demission zu geben, wiederholt. Es fanden längere Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzler und den Parteien statt, um den Minister von seinem Entschluß abzubringen, doch ist eine Entscheidung erst im Laufe des heutigen Tages zu erwarten.
— Der Nationalrat erledigte gestern in zweiter und dritter Lesung das Gesetz über die Staffelung der Lebens⸗ mittelpreise. Danach werden behufs Herabminderung der staatlichen Buschüsse zur Verbilligung bei der Abgabe von Lebensmitteln die Verbraucher nach Maßgabe ihres Ein⸗ kommens in drei Gruppen geteilt und danach die von ihne n zu entrichtenden Brot⸗ und Mehlpreise festgestellt werden.
— In einer gestern abgehaltenen Versammlung der Groß⸗ deutschen Volkspartei trat der Obmann Kandl dem Gerücht entgegen, wonach die Partei anläßlich ihres Eintrittes in die Regierung ihrem Hauptgrundsatze, dem Anschluß⸗ gedanken in jeder Form und jederzeit zu dienen, untreu ge⸗ worden wäre, und stellte fest, der Anschluß an das Deutsche Reich sei die einzige Möglichkeit einer völkischen, kulturellen und wirtschaftlichen Wiederaufrichtung Oesterreichs.
Großbritannien und Irland.
“ Die en üsche Regierung hat nach einer Meldung der „Morning Post“ der französischen mitgeteilt, daß sie eine Verschiebung der Zusammenkunft des Obersten Rates bis nach der am 21. Fe erfolgenden Beendigung der Reichskonferenz wünsche. Die französische Regierung habe vor⸗ geschlagen, die Verhandlungen am 24. Juli wiederaufzu⸗ nehmen, nachdem die Sachverständigen die Vorbereitungen zu Ende geführt hätten. Mit Rücksicht auf die kurze Frist, die auf diese Weise den Sachverständigen gewährt würde, habe die englische Regierung die französische ersucht, die Frage einer er⸗ neuten Erwägung zu unterziehen.
— Die irische Konferenz, von der der Frieden zwischen Großbritannien und Irland abhängt, ist gestern nachmittag in London durch eine private Besprechung Lloyd Georges und de Valeras eröffnet worden, in der das Verfahren für die heutige Vollversammlung der Konferenz erörtert wurde, zu der Vertreter der Sinnfeiner und der Ulsterregierung ein⸗
geladen sind.
— Einer Reutermeldung zufolge ist der Minister ohne Portefeuille Dr. Addison aus dem Kabinett ausgetreten, weil die Regierung den größten Teil seines Planes verworfen hatte, der den Bau von Häusern mit Hilfe von Regierungs⸗ geldern vorsah. Ahddison betrachte diese Entschließung als einen Bruch der von der Regierung dem Volke gegebenen feier⸗ lichen Versprechungen.
— Anläßlich der Eröffnungssitzung der Reichs⸗Land⸗ wirtschaftskonferenz hielt der Erste Minister von Australien Hughes eine Rede, in der er u. a. sagte, während des Krieges sei Großbritannien nur 90 Tage von einer Hungersnot ent⸗ fernt gewesen. Es sei zu bedauern, daß keine Politik verfolgt werde, die sielbewußt darauf hinarbeite, den „Handel “ des Reichs“ zu entwickeln.
— Das Unterhaus hat die Erörterung der Bestimmungen der Industrieschutzbill nahesn beendet. In der Debatte, die im allgemeinen ruhig verlief, wandten oppositionelle Redner ein, daß die mha na cen sich in der Praxis möglicherweise
nicht bewähren würden. Wichtig ist die von der Regierung
vorgeschlagene Aenderung, wonach der Ausschuß, wenn ein Ge⸗ such um Anwendung der Steuer auf bestimmte Industrie⸗ artikel damit begründet wird, daß die Einfuhr 8 niedriger Währung des Ausfuhrlandes bezw. Dumping Arbeitslosigkeit verursache, das Recht erhält, die Wirkung einer solchen Be⸗ steuerung auf andere Industrien zu e die die Artikel ebenfalls verwenden. Auf diesen H haben die freien besonderen Wert gelegt „Dumping“ wird in der ill definiert als Verkauf von Gütern im Vereinigten König⸗ reich zu Preisen, die unter den Erzeugerkosten gehalten sind. Grundlage für die Bewertung des Einfuhrartikels bildet der eweilige Gegenwert in Sterling abzüglich 5 vH.
Im Unterhause erklärte Sir A. Mond, dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge, daß mit Rücksicht auf die finanzielle Lage die Zahl der unter Beihilfe der Regierung zu
rbauenden Häuser auf 176 000 beschränkt bleiben müßte. Die staatlichen Ausgaben würden sich wie folgt verteilen: Bei⸗
ilfen für örtliche Zweckverbände 10 Millionen Pfund sährlic Beihilfen für private Unternehmungen etwa 5 Millionen Pfund, Zuschüsse für Verbesserungen und hygienische Einrichtungen 200 000 Pfund. Sir A. Mond fügte hinzu, die a. Arbeitskräfte einschließlich der zahlreichen ehemaligen Soldaten seien auf mindestens 12 Monate hinaus mit dem Häuserbau vollauf beschäftigt. Die Regierung habe keinen Grund, mit dem Erreichten unzufrieden zu sein. Hierauf verlas Minister Dr. Addison sein Rücktrittsgesuch an Loyd George.
Frankreich. I 1
er Reparationskommission liegt ein Streitfall vor,
bei dem es sich um acht in Amerika gebaute Dampfer handelt, die ursprünglich einer deutschen Filiale der Standard Oil Company gehörten. Die Standard Oil Company machte mit Unterstützung der amerikanischen Regierung geltend, daß die Dampfer gegenwärtig amerikanisches Eigentum seien und nicht besete sa et werden könnten. Die 6 kommission steht auf dem Standpunkt, sie seien deutsches Eigen⸗ tum und gehörten jetzt den Alliierten. Die Reparations⸗ kommission hat nunmehr, wie die „Chicago Tribune“ mitteilt,
den Vertrag zu genehmigen.
im Einverständnis mit der amerikanischen Regierung festgesetzt, daß zur Entscheidung der Angelegenheit zwei von der Repa⸗ rationskommission zu bestimmende Schiedsrichter eingesetzt werden sollen. alls sie sich nicht einigen können, soll ein dritter Schiedsrichter bestimmt werden und dann die Mehrheit entscheiden. Von den Dampfern, die während des Krieges in einem deutschen Hafen lagen, 8 übrigens inzwischen drei wertlos und als Altmaterial verkauft worden. 8 Tschecho⸗Slowakei. In der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung referierte der Abgeordnete Hnicek über den ö“ durch den der in Prag. am 29. Juni 1920 zwischen der tschecho⸗slowakischen Republik und dem Deutschen Reiche über die Staatsbürgerschaft abgeschlossene Ver⸗ 88 der Nationalversammlung zur Genehmigung unterbreitet wird. Dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge bezeichnete .Se- als Hauptzweck des Uebereinkommens mit dem Deutschen Reiche die räzisierung der Artikel 84 und 85 des Friedensvertrags von ersailles. Es handele sich in erster Reihe um die Präͤzisierung des Begriffs „Wohnort“, und in dieser Beziehung bestimme Artikel 1 des Abkommens, daß als Wohnort der Ort angesehen werden müsse, in welchem die betreffende Person sich mit der nachweislichen Absicht niedergelassen habe, sich dort dauernd aufzuhalten. Der zweite und dritte Artikel des Abkommens betreffe die Staatsbürgerschaft der Bewohner von Huldschin bezw. des Gebiets von Leobschütz. Der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten beantragte,
Griechenland. 8 1—
Eine amtliche Athener Meldung vom 11. bezeichnet alle Nachrichten über den Beginn einer Offensive der Truppen in Kleinasien als eer König befinde sich noch in Smyrna, der Kronprinz sei mit General Papulas an der Front angekommen und von den Truppen mit größter Begeisterung empfangen worden. Sodann werden Einzelheiten über einen Angriff starker türkischer Ab⸗ teilungen auf die Eisenbahnbrücke mitgeteilt.
— Einer Meldung aus Athen zufolge sollen in der kemalistischen Armee deutsche Bffizter⸗ anwesend sein und soll von türkischen Kreisen in Deutschland eine Werbe⸗ tätigkeit unter deutschen Offizieren veranstaltet werden. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, kann auf Grund amtlicher Ermittlungen festgestellt werden, daß alle diese Nachrichten
jeder Grundlage entbehren.
Einer Exchangemeldung zufolge hat Mustapha Kemal Pascha neuerdings um eine Unterredung mit dem General Harrington ersucht. Man nimmt an, daß die veränderte Haltung des türkischen Führers auf eine E“ zwischen Moskau und Angora und auf Zwistigkeiten unter den Kemalisten zurückzuführen isstF. 1
Aelmnerika.
Nach einer Havasmeldung ist die formelle Annahme der Einladung des Präsidenten Harding durch Frankreich, Italien und Igyen in Washington eingetroffen. Im Zusammenhang mit der Abrüstungskonferenz, meldet die „Chicago Tribune“, daß eine erste Konferenz abgehalten werden soll, an der die Vereinigten Staaten, Japan, England, Kanada, Australien und Neu⸗Seeland, und eine zweite Konferenz, an der alle Mächte teilnehmen sollen.
— Vorgestern ist in Washington, wie die „Chicago Tribune“ meldet, eine Sondergesandtschaft aus nebanistan unter Führung von Mohammed Wali Khan angekommen, um mit dem Staatssekretär Hughes über die Aner ennung ihres Landes zu verhandeln. Gleichzeitig wird aus London gemeldet, daß der dortige v. Botschafter in Verhandlungen mit dem Foreign Office erklärt hat, die Vereinigten Staaten würden gegen die Anerkennung von Afghanistan wahrscheinlich keine Einwendungen erheben.
— Der Senatsausschuß für Finanzen hat die Gesetzesvorlage über die Konsolidierung der Verbands⸗ anle ihen beraten. Im Laufe der Beratungen haben die Beamten des Schatzamts dem Ausschuß einen Brief mitgeteilt, den Lloyd George am 8. August 1920 an den Präsidenten Wilson richtete, um ihm einen Vorschlag zu unterbreiten, der die Nichtigkeitserklärung der Kriegsschulden zwischen den Vereinigten Staaten und den Verbands⸗ mächten ausspricht. “
Der Völkerbundsrat hatte die Abhaltung einer inter⸗ nationalen Konfereng beschlossen, die sich mit der Frage der russischen Flü fsg in den verschiedenen Ländern befassen sollte. Das Generalsekretariat des Völkerbundes hat nun in einem Rundschreiben die Regierungen der Völkerbund⸗ staaten ersucht, bis zum 21. Juli bekanntzugeben, ob sie an dieser Konferenz teilzunehmen wünschen. Die Kon erenz soll ein Kommissariat zur endgiltigen Regelung der rage der russischen Flüchtlinge schaffen.
8 1 —
schrift mehr. Von Urgavina aufwärts kennen wz eine Liste von neun Fürsten bis zu Urdinganing b Farahtexte sind nicht sehr viel älter ats die des Königs Unnn Sie geben die Eigennamen fast stets in derselben Reihenfole schrieben, sind nicht sehr weit entfernt von der Ausbildung des Ce.⸗ systems und müssen etwa an den Anfang der Kisch⸗Vynastiend werden. Aus gewissen Andeutungen in ihrem Inhalt ist zu säces daß ihre Herstellung etwa ins 31. vorchristliche Jahrhunden wenn wir Urdinganina etwa um 3000 vor Chr. ansetzen, 8 sah ihre Paläographie (Schriftcharakter) und ihren Inhalt fällt zunächst auf, daß nur einige Zeichen reine Bilder geben v Zeichen sind schon gut entwickelt; es kommen manche Zem 2 einfacher Form vor, die sich später in verschiedene Formen dca⸗ haben, und solche wieder, die in späterer get dann wieder zusand⸗ gewachsen sind. Später einander ähnliche Zeichen weichen in den drsian noch sehr von einander in der Form ab, ferner sind viele Feuce noch der Bilderschrift nahe sowie zahlreiche Zeichen, die später schwunden sind, geben gerade den Farahtexten etwas Charnkkerst Diese später nicht mehr vorkommenden Zeichen sind mit . zusammengefallen. Die Farahtexte sind sühe abgeschrieben 80 nur wenige 8— haben sich die Abschreiber erlaubt, aber den Texten sind zum Teil Illustrationen gegeben. So finde die sogenannten „Schlangenbänder“, auch bietet eine der Tafel ihrer Rückseite das Bild eines großen Stiers. Schalten vi Schülerübungen aus und betrachten nur die Vorlagen, so e⸗ sich die Eigentümlichkeit, daß diese Vorlagen als Unterschriften Eigennamen von Priestern tragen. So heißt es u. a. Gangu d. Muga hat diese Tafel geschrieben. Das bedeutet, er ist der Arl der Liste. Ez ist aber etwaz ganz Neues, daß man die Autoun gibt. Wir sind demnach bei den Farahtexten sehr nahe g wo die große Menge der Keilschriftzeichen systematisc sammengestellt wurde, ihr geht eine Zeit voran, in der man ven; 55 nötig hatte. TPriestern) eben zusammengestellt worden. Sehen wir nun auf Inhalt der Listen, so haben wir zunächst Götterlisten, die b tausend Götternamen aufzählen. Der Gott Schrupak, der dem Na⸗ entspricht, kommt schon vor, dagegen fehlt noch der Gott Ninit 1 Nimrod in dieser Zeit; ferner sind Fischlisten vorhanden, se wir jetzt gegen 14 Fichnamen der Summerer kennen. Sche führen die Listen auf die Namen von Bäumen, von Holzinftruna von Tieren, von Getreidearten und sonstigen Dingen. Zwei Eth namen, der Stern Anus und der Stern des „dunklen Anu⸗, komn vor. Manche Ausdrücke auf diesen Listen sind klar, bei anderen be uns die spätere assyrische Gleichung zum Verständnis. Wir he u. a. eine Rechenliste, in der durch die Multiplikation Inn eines Vielfachen von sechs das Quadrat oder das Flächemn. angegeben ist. Hier tritt uns also der älteste „Rechenknecht⸗ entgeg und hundert Jahre später finden wir in Babylonien den wven „Rechenknecht. Alles dies stammt noch aus der summerischen Zeit man weiß nicht, was man den Akkadern zuschreiben se Jedenfalls müssen wir in diesen älteren Listen die Grundh für die späteren Syllabare erkennen, wenngleich wir nicht im einzeln nachweisen können, wie sie sich diesen gegenüber verhalten. An Un schaftstexten bieten die Farahtexte zunächst 14 Listen, in denen es um Hauskäufe handelt. Es wird der Wert des Objekts angegete der Kaufpreis, die Geschenke fuͤr die Zeugen, die den Eid zu bis haben und dessen Formel, dazu die ” Auf 21 Tafeln! die Rede von Feldern, zum Teil von Parzellen, die den Teme beamten als Präbende übergeben wurden, 35 Texte befassen sich un dem Getreidehandel und dem Handel mit digga⸗Sesam, d. mti Oelfrüchten; es wird ein einfaches Hohlmaß angegeben, dis Doppelmaß als 122² bezeichnet wird. Demnach liegt söhn hier de Sechsersystem zugrunde im 3. vorchristlichen Jahrtausend. Wamit Einheiten 10, 100, 1000 in Babylonien erscheinen, ist heute noch ni mit Fipefge anzugeben. 21 Texte sind dem Viehstande gewüne Stiere, Esel, Schafe in ihren Beziehungen zur Wirtschast wer Kufgefuͤbrt⸗, es wird schon streng zwischen Wollschafen und Schlatt schafen geschieden, in elf Texten tritt uns die Lage der Kal, d. l. Sklaven, entgegen, der vollwertigen Arbeitssklaven. 140 Stlaven m Crech halten sich in Engiki, d. h. in Summer auf, ob Engiki ke Larasch liegt, ist unsicher, es werden auch Kal⸗met, d. h. Soldte genannt (Leute der Schlacht), man scheidet Soldaten mit Brotlöhrn und solche mit Mehllöhnung, ferner Sklaven, die entflohen sie Auf vierzehn Tafeln sind Berufsnamen Ig. hs auf sieben weiten Texten erscheinen die Metalle Silber, Kupfer und Bronze, fern Dattelarten; auf Opferlisten wird der Gott Dugi Urudur erviig der später nicht wieder vorkommt, auf den Tafeln mit Bilderstne erscheint das Bild des „rechten Arms“. Im ganzen stellen 1 die Texte als Kleinfunde dar, die bestimmte wichtige Scli rechtfertigen. Wenn wir alles zusammenfassen, ergibt sih folgen Verhältnis von Summer und Akkad aus unseren Texten: 1. 9 ganze Keilschriftsystem ist in Summer erfunden worden, die A haben nichts wesentlich Neues hinzugefügt. 2. Die Akkad beim ihren Namen nach der Dynastie von Akkad; vor deren Bestehen g es schon Semiten in Babylonien, die aber keinen gemeinsamen Nan⸗ führten, woraus folgt, daß sie vorher politisch keine große Rolei Babylonien gespielt haben können. 3. Zur Zeit der ersten babylonisch Dynastie finden wir kein Bedürfnis nach zweisprachize Texten. Semiten lebten 81 schon dort, doch mußten sie n Summerische lernen. 4. Die Farahtexte setzen die Grenze zvist Vorgeschichte und Geschichte in Babylonien um 100 bis o0 Jemn hinauf. Mehr ist nicht mit Sicherheit zu sagrn, aber das Berline Kaiser⸗Friedrich⸗Museum ist als Besitzer dieser so vm vollen Urkunden zu beglückwünschen. K
Aeronantisches Observatorinm. Lindenberg, Kr. Beeskow. 8 14. Juli 1921. — Ballonaufstieg von 10 bis 10 ¾ Vom.
Relative Wind Feuchtig⸗
keit Richtung
Seehöhe Luftdruck Temperatur Co
Kunst und Wissenschaftt.
In der Julisitzung der Vorderasiatisch⸗Aegyptischen Gesellschaft, die unter Vorsitz von Professor Schäfer tagte, berichtete Professor Dr. Deimel S. J. vom Institutum biblicum in Rom über die ältesten summerischen Schul⸗ und Wirtschaftstexte. Die bisher bekannten S ultexte sind für Zwecke des Unterrichts hergestellt und ihr Alter reicht hinauf bis zur Dynastie Nisin; d. h. bis ins 22. oder 23. Jahrhundert vor C risti Geburt. Es sind Syllabare und Listen von grammatischen Aus⸗ drücken; die wirtschaftlichen Texte sind Kontrakte über Kauf, Pakte, Verwaltungsbilanzen, Rechnungen, Quittungen. Dies sind die ältesten uns bisher bekannten Texte der Art aus Babylonien. Sie gehen zeitlich bis zu Urgavina, d. h. vor Sargon dem Aelteren hinauf. Hier handelt es sich besonders um die Texte von Farah, deren Chronologie aufzustellen ein Problem ist, xIun kein einziges bisher bekanntes Stüͤck datiert ist. Manche Wirtschaftstexte tragen die Unterschrift: Balu N. N. hat dem N. N. die Schuldtafel zerbrochen, d. h. er hat ihm einen Teil der Schuldsumme gutgeschrieben, N. N. unter⸗ schreibt die Quittung. Solche Quittungen kommen zur Zeit Urgavinas vor. Paläographische Gründe ermöglichen aber eine 985 bestimmung für die Farahtexte. Die Schriftzeichen in ihnen sind, wenn auch nicht so gleichmäßig wie zur Zeit Urgavinas geschrieben,⸗ so doch nicht sehr ungleichmäßig. Es lassen sich die Farahtexte nur mit denen des Königs Urgavina, mit denen von Ur und mit denen der ersten babylonischen Dynastie vergleichen, und aus dieser Ver⸗ gleichung e sich für die Farahtexte ein höheres Alter, als für
e
rgavina; denn geben keine reine Bisder⸗
122 752,5 16,1 47 746 736
718
3,8
—
Verantwortlicher Schriftleiter: Jä. V. Weber in Verlin
Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftet Rechnungsrat Mengering in Lerlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.
rddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt
Berlin Wilbelmstr. 32. Sieben Beilagen
(einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 62 hea und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗
4 d]
Die späteren Ideogramme sind von den Gr
in der Zeit der ersten babylonischen Dynciell
* N 4
11¹“] 3
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am Deutsche
8
Nr. 163.
Berlin, Freitag, den 15. Fuli
MNichtamtliches.
EFortsetzung aus dem Hauptblatt. 9 8
Prreußischer Landaag. 40. Sitzung vom 14. Juli 1921, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)
Präfident Leinert eröffnet die Sitzung um 11 ½ Uhr. Das Haus ist sehr stark besetzt. Auf der Tage sordnung steht zunächst die Fortsetzung der dritten Be⸗ ratung der Novellezum Kommunalabgaben⸗
esetz und zum Kreis⸗ und Provinzial⸗
abgabengesetz. In der Einzelberatung wird 5 6 (Berechtigung für Gemeinden, Verwaltungsgebühren zu erheben) ohne Besprechung nach den Be⸗ schlüssen zweiter Lesung angenommen.
Zu § 9 a (Heranziehung der Arbeitgeber zum Bau von Kleinwohnern) sind zur dritten Lesung eine Reihe von gestern abgelehnten Abänderungsanträgen wieder eingebracht worden.
Abg. Dr. Negenborn (D. Nat.) empfiehlt dringend die Annahme des Antrags seiner Partei. die Zahl der Arbeiter, welche von Arbeitgebern beschäftigt sein müssen, um diese beitragspflichtig zu machen, auf mindestens dreißig festzusetzen, während in zweiter Lesung die Grenze bei zwanzig gezogen worden ist. Weiter empfiehlt er die Einfügung eines neuen Absatzes, wonach die Beiträge die Hälfte der nicht rentierlichen Baukosten nicht überschreiten dürfen und wonach die Gemeinden verpflichtet sind, diese Beiträge den Arbeitgebern zu erstatten, wenn über die Häuser anderweit ver⸗ fügt wird.
In der Abstimmung werden diese beiden Anträge gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien abgelehnt. 1 3
Absatz 5 der Beschlüsse zweiter Lesung lautet: „Arbeit⸗ geber, die nach Friedensschluß bereits selbst zum Bauen von Pohnungen für ihre Arbeitnehmer aus eigenen Mitteln in angemessenem Verhältnis zur Zahl ihrer Arbeitnehmer bei⸗ getragen haben, sollen von diesen Beiträgen befreit werden.“
Der Antrag der Sozialdemokraten, das Vort „sollen“ durch „können“ zu ersetzen, wird gegen die Stimmen der drei sozialistischen Parteien abgelehnt.
Nach einem Antrage des Zentrums wird der Eingang des Absatzes 5 wie folgt gefaßt: „Arbeitgeber, die insbesondere nach dem 1. Januar 1918“ usw. und in dieser Gestalt Abs. 5 mit großer Mehrheit angenommen.
§ 13 hat in zweiter Lesung einen Zusatz erhalten, wo⸗ nach bei vor dem 1. Januar 1919 getroffenen Steuerverein⸗ barungen die Gemeinden binnen drei Monaten nach Inkraft⸗ treten dieses Gesetzes das Recht haben, eine Abänderung der bestehenden Abmachungen zu verlangen, wenn und insoweit infolge der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse die Kommunallasten sich unverhältnismäßig gesteigert haben.
§ 13 wird nach einigen Bemerkungen des Abg. v. Wald⸗ hausen (D. Nat.) mit zwei redaktionellen Ab⸗ änderungen angenommen.
Zu § 16a (Wohnungsluxussteuer) liegen ebenfalls mehrere der gestern abgelehnten Abänderungsanträge wieder vor. Den dritten Absatz: „die Steuer darf den Be⸗ trag der auf den steuerpflichtigen Teil der Wohnung ent⸗ fallenden Miete oder der Mietswerte nicht übersteigen“ be⸗ antragen die Sozialdemokraten wiederum zu streichen. Ein Antrag des Zentrums will diese Vorschrift des dritten Absatzes auf das erste Zimmer be⸗ schränken. Ein Antrag der Deutschnationalen will diejenigen Vohnungsinhaber von der Steuer befreien, die nachweisen, daß sie gewillt waren, eine kleinere Wohnung zu beziehen, aber infolge des Mangels an kleineren Wohnungen daran verhindert worden sind; ferner sollen der Steuer nicht unter⸗ liegen diejenigen gewerblichen und landwirtschaftlichen Be⸗ triebsunternehmer und die Inhaber von Dienstwohnungen, die mehrere Wohnräume bisher innehatten und nicht in der Lage sind, bei der Eigenart ihres Betriebes oder ihrer dienst⸗ licen Wohnungen ihre Wohnräume zu teilen und ihre eigenen Wohnräume zu verringern. Ueber den Antrag der Sozialdemokraten soll namentlich ab⸗ gestimmt werden.
Abg. Engberding (D. V.): Die Sozialdemokraten be⸗ zwecken mit der Wiederholung ihres Antrages und mit der nament⸗ licen Abstimmung darüber die Verschleppung des Notetats. (Großer Lärm b. d. Soz.)
Abg. Scholich (Soz.): Der Vorwurf des Vorredners gegen
meine Parteifreunde ist geradezu unerhört. Wir wollen die Wohnungsluxussteuer nicht durch Verwässerungsanträge ab⸗ schwächen lassen. Die Herren vom Zentrum scheinen jetzt nieder⸗ zustimmen, was sie in dem Ausschuß mitbeschlossen haben. Wir beantragen die namentliche Abstimmung, damit man sieht, wer überhaupt noch ein Herz für die Linderung der Wohnungsnot hat. (Beifall b. d. Soz.) Abg. Sprenger (Zentr.) befürwortet den Antrag seiner Partei. Diejenigen unserer Freunde, die gestern gegen den An⸗ trag augf Aufhebung des Kommissionsbeschlusses stimmten, waren der Ueberzeugung, daß der Beschluß in dieser Fassung nicht zu halten sei. Aus diesem Grunde ist unser Antrag entstanden, der die Beschränkung nur für das erste Zimmer festsetzt.
Abg. Koch⸗Berlin (D. Nat.) wendet sich gegen den Abg. Scholich. Unser Befreiungsantrag hat das Ziel, uferlose Steuer⸗ erdnungen der Gemeinden unmöglich zu machen. Ich appelliere im Ihr soziales Verständnis (Gelächter b. d. Soz.), nicht an das soziale Verständnis der Sozialdemokratischen Partei, aber die Herren vom Zentrum sollten unseren Antrag annehmen. G
Abg. Goll (Dem.): Ich habe schon gestern ausgeführt, daß die Wohnunaslurusstener an sich ein Uebel ist, aber unter den heutigen Umständen leider nicht entbehrt werden kann. 1
Abg. Leid U. Soz.): Die besitzenden Klassen sträuben sich gegen die Wohnungsluxussteuer. Den Antrag Svprenger lehnen wir ab und stimmen für den sozialdemokratischen Antrag. 8g Abg. v. Eynern (D. V.): Meine Freunde wollen die Sache eeineswegs verschleppen und haben sich daher aller Anträge bei der dritten Lesung enthalten. Für den Zentrumsantrag könnten
ir nur mit schwerem Bedenken stimmen. 1
, Ein Vertreter des Ministeriums des Innern führt aus: Die Staatsregierung legt das größte Gewicht darauf, —
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden
he derren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
daß dieser Paragraph in einer Form angenommen wird, die die Durchführung der Wohnungsluxussteuer ermöglicht. Dazu ist es aber notwendig, daß die Sache nicht belastet wird mit Vorschriften, die den Verschiedenheiten in den einzelnen Gemeinden nicht erecht werden. Von seiten des Reiches stehen bestimmte Richklinien bevor. Von unserem Standpunkt aus erscheint es insbesondere ausgeschlossen, den Antrag der Deutschnationalen Partei anzu⸗ nehmen, denn das würde dazu führen, daß es überhaupt in absehbarer Zeit nicht zu einer Wohnungsluxussteuer kommen wird.
Der Antrag der Deutschnationalen wird gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien abgelehnt. — Der Antrag der Sozialdemokraten wird in einfacher Abstimmung (auf die namentliche Abstimmung ist inzwischen verzichtet worden) gegen die Stimmen der Mehr⸗ heitssozialisten, der Unabhängigen und der Kommunisten abgelehnt. — Angenommen wird der Antrag des Zentrums undmit dieser Aenderung der ganze § 16a. Der Rest des Gesetzes wird un⸗ verändert nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. In der Gesamtabstim⸗ mung wird das ganze Gesetz gegen die Stimmen der Deutschnationalen und der Kommunisten ange⸗ nommen.
Auf der Tagesordnung steht sodann die erste, zweite und dritte Beratung des von allen Parteien mit Ausnahme der Kommunisten eingebrachten Antrags auf Veränderung des Diätengesetzes für die Abgeordneten. Danach soll den in Berlin wohn⸗ haften Mitgliedern zur Aufwandsentschädigung ein Teue⸗ rungszuschlag von monatlich 500 ℳ und zu dem Tagegeld für Ausschußsitzungen ein Teuerungszuschlag von 20 ℳ, für Sitzungen außerhalb Berlins von 35 ℳ gewährt werden; ferner soll der Abzug für Versäumnisse um 20 ℳ erhöht werden. Bei den außerhalb Berlins wohnenden Abgeord⸗ neten soll der Teuerungszuschlag zur Aufwandsentschädigung monatlich 1000 ℳ, der Zuschlag zum Tagegeld 35 ℳ be⸗ tragen und der Abzug um 35 ℳ erhöht werden.
Abg. Dr. Meyer⸗Ostpreußen (Komm.): Grundsätzlich sind wir nicht abgeneigt, einer Erhöhung der Diäten, namentlich für die außerhalb Berlins wohnenden Mitglieder, zuzustimmen, aber im gegenwärtigen Moment können wir dieser Vorlage nicht zu⸗ stimmen. Der Haushaltsausschuß hat wiederholt Anträge meiner Partei auf Erhöhung des Existenzminimums für Arbeiter und Angestellte abgelehnt. (Unruhe und Zwischenrufe.) Wir können auch nicht zustimmen angesichts der großen Arbeitslosigkeit und der bevorstehenden Steuerlasten. Außerdem hat der Geschäfts⸗ ordnungsausschuß eine Resolution angenommen, wonach Geld⸗ eh als Disziplinarstrafen für die Abgeordneten eingeführt werden sollen. (Große Unruhe.) Man sträubt sich aber, diesen Wunsch sofort auszufüllen, während man noch kurz vor den Ferien die Diäten erhöhen will. Wir widersprechen auch ge⸗ schäftsordnungsmäßig, daß heute schon die dritte Beratung vor⸗ genommen wird.
Abg. Braun (Soz.): Der Vorredner erkennt die Aufwands⸗ entschädigung als berechtigt an, dann muß er auch anerkennen, daß sie in der Höhe festgesetzt wird, die dem tatsächlichen Aufwand entspricht. Die Kommunisten im Reichstag haben das auch an⸗ erkannt. (Hört! Hört!) Wir werden dem Antrage zustimmen.
Präsident Leinert: Der Abgeordnete Meyer⸗Ostpreußen hätte seinen Widerspruch gegen die dritte Beratung bei der gestrigen Festsetzung der Tagesordnung vorbringen müssen. Heute ist das nicht mehr möglich. (Heiterkeit.)
Abg. Dr. Meyer⸗Ostpreußen (Komm.): Wir haben gestern allerdings nicht widersprochen. Gestern haben wir in der inter⸗ fraktionellen Besprechung angekündigt, daß wir gegen die Ein⸗ bringung dieses Antrages Widerspruch erheben würden, und der Vorsitzende der Besprechung hat uns zugesagt, so bald eine Partei Widerspruch erhebe, werden die Parteien den Antrag gar nicht einbringen. Wir waren daher überrascht, daß trotzdem der Antrag eingebracht ist. (Gelächter und Heiterkeit.) Unsere Gründe sind Ihnen unangenehm. (Lärmender Widerspruch.) Wir würden uns auch nicht dazu hergeben, daß die Geschäftsordnung durch eine Bestimmung über die Bestrafung von Abgeordneten ver⸗ schlechtert wird. (Großer Lärm.) 8
Abg. Siering (Soz.): Der Abgeordnete Meyer irrt sich über die gestrige Zusicherung. Es bestand ursprünglich die Absicht, den Antrag nur einzubringen, wenn alle Parteien ein⸗ verstanden wären. Nachdem die kommunistische Fraktion zuerst dafür war, erklärte sie nachher, daß sie nicht zustimmen könne. Fegenhe⸗ Verpflichtung den Kommunisten gegenüber ist in der Besprechung nicht eingegangen worden. (Hört! Hört!) Was die übrigen Parteien, die die Notwendigkeit der Erhöhung von vorn⸗ herein eingesehen haben, in Abwesenheit der Kommunisten be⸗ schließen, daß muß ihnen überlassen werden. (Sehr richtig!)
Der Gesetzentwurf über die Diätenerhöhung wird in allen drei Lesungen gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen. Der Gesetzentwurf über den Staatsvertrag, betreffend den Uebergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich wird in zweiter Beratung nach den neuer⸗ lichen Anträgen des Ausschusses ohne Erörterung ange⸗ nommen und der Staatsvertrag genehmigt. Auch in dritter Beratung genehmigt das Haus den Staatsvertrag und nimmt den Gesetzentwurf endgültig an. Auch die vom Ausschuß vorgeschlagenen Entschließungen gelangen zur Annahme.
In zweiter und dritter Lesung werden eben⸗ falls ohne Erörterung erledigt, die Staatsver⸗ träge zwischen Thüringen und Preußen über das gemeinschaftliche Landgericht in Meiningen und über den Anschluß Thüringer Gebietsteile an den Landgerichtsbezirk Erfurt und den Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg a. S. sowie das Gesetz wegen Verlängerung der Gültigkeit der Verordnung vom 11. Sep⸗ tember 1914 über ein vereinfachtes Ent⸗ eignungsverfahren.
Darauf setzt das Haus die zweite Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die vorläufige Regelung des Haushaltsplans für 1921, fort. In der Besprechung werden mit der Be⸗ ratung verbunden die große Anfrage der Kom⸗ munisten über die Beschlagnahme der „Roten Fahne“, die große Anfrage der Deutschnationalen über die Aufhebung der sogenannten Sank⸗ tionen und der rheinischen Zollgrenze, der Antrag der Deutschen Volkspartei über den gleichen Gegen⸗ stand, Anträge der Unabhängigen Sozialdemokraten und Kommunisten über die Aufhebung der Orgesch
ähnlicher Organisationen
endlich die große!
Anfrage der Kommunisten über Beschlagnahme von Flug⸗ blättern der kommunistischen Paxtei durch den Berliner Polizeipräsidenten.
Der Hauptausschuß hat den Notetat mit un⸗ wesentlichen Aenderungen zur Bewilligung emp⸗ fohlen.
Abg. Geschke (Komm.): Das Ministerium Stegerwald ist das versonsfirische Kirchenlied „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“. Die Not des Reiches und des Landes schreit aus jeder Zeile des Nachtragsetats und seiner Begründung. Neue Steuern sollen eingeführt, die bestehenden ausgestaltet, die Technik der Steuer⸗ erhebung soll ausgebaut werden. Je feiner diese Technik aus⸗ gebaut wird, desto gerissener werden die Steuerdrückeberger Mittel und Wege finden, um sich den Zugriffen des Minister⸗ präsidenten und des Finanzministers Sämisch zu entziehen. Mit der Steuertechnik ist es H so bestellt, wie es mit der Firma Krupp vor dem Kriege bestellt war. Die Firma Krupp brauchte immer schwerere Geschütze, um die e zu durchschlagen: war sie damit fertig, so baute sie dickere Panzerplatten. Die neuen Steuern werden naturnotwendig eine allgemeine Verteuerung der Lebensmittel, Bedarfsartikel und Mieten zur Folge haben und damit die Kaufkraft des arbeitenden Volkes weiter senken, zumal wenn gleichzeitig die Taktik des Unternehmertums sich dem Ziele der Knebelung der Arbeiterschaft durch den Lohnabbau immer mehr nähert. Dieser Lohnabbau wird ja schon in un⸗ mittelbarer Nähe Berlins, in Rüdersdorf, in die Praxis umgesetzt. Heute sehen wir berxeits einen Severing als Vorsitzenden eines Schiedsgerichts im Bereich der Mansfelder Gewerk, Fest die den Tarif gekündigt, die Löhne um 6 ℳ herabgesetzt und sonstige Ve schlechterungen für die Belegschaft ins Werk gesetzt hat. Aus dem Organ der Unternehmerschaft der „Arbeitgeber⸗Zeitung“ erfahren wir, daß wir, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, unsere Waren um so viel billiger herstellen müsse auf ihnen ruhen, daß daher es unabweislich ist,
Tagelohn länger zu arbeiten und mehr zu leisten,
der Achtstundentag in seiner jetzigen Allgemeinheit ein Lurus is den sich ein mit Lasten bepacktes Volk nicht leisten kann. Das in Not befindliche Kabinett beschenkt uns mit einem Notetat. Ueberall sucht die Finanzverwaltung neue Quellen zu erschließen. Sie hat sogar einen Vergleichsvertrag mit dem Prinzen Friedrich Leopold geschlossen, wonach das Staatsministerium
gesamte Schuld in Höhe von 20 Millionen Mark, Sümmichen sich seit der Revolution angesammelt hat, übernimmt (Hört! hört!). Ein Zeichen, in welcher Notlage die Hohenzoller sich befinden. Den Arbeitslosen, den Kurzarbeitern bringt abe das Kabinett Stegerwald kein Verständnis entgegen. Dr. Leidi hat im Hauptausschuß offen ernklärt, der Lohnabbau müss kommen. Wenn er kommen muß, wird die Arbeiterschaft im Kampf gegen ihn ohne lange Einigkeitsphrasen zusammenstehen Herr Stegerwald hat in seinem „Deutschen“ am 22. Ayril kund getan, daß dem Reiche in naher Zeit eine gewaltige Krisis bevor⸗ stehe, daß seine eigentliche Leidensgeschichte jetzt erst beginnen werde. ir unterschreiben das Wort für Wort, aber wie paßt zu diesem Eingeständnis der Erlaß des Ministers Stegerwald, der den Gemeinden anheimgibt, die Sätze für die Erwerbslosenfürsorge herabzusetzen? Diesen Erlaß werden die Gemeinden gründlich auszunützen bemüht sein. So sieht es mit der Wohlfahrtspflege des Ministers Stegerwald aus. Für Hygiene, für Kultur⸗ bedürfnisse hat dieser Notetat nichts übrig, um so mehr aber bietet er ein Mittel zum Kampf gegen die Arbeiterklasse. Als Haupt⸗ mittel wird immer noch der Ausnahmezustand benutzt, der in Ostpreußen, Mitteldeutschland, Schlesien weiter besteht. Am 6. Juni hat der Innenminister Dominicus eine Verfügung erlassen, wonach nicht angemeldete Versammlungen unbedingt auf⸗ zulösen sind, und nach diesem Erlaß wird bereits verfahren. Wir beantragen die Aufhebung des Belagerungszustandes in allen Landesteilen, und das Haus wird dem Antrag zustimmen, wenn es erkennt, daß der Belagerungszustand nicht nötig ist gegenüber der Arbeiterschaft, die sich lediglich gegen Ausbeutung und Erdrückung wehrt. Kriegskrüppel, die Straßenhandel betreiben, werden durch die Schupo mißhandelt, und für diese Schupo werden im Notetat über 68 Millionen gefordert, auf etwa 24 Mann kommt 1 Offizier. Redner führt unter Anführung von Einzel⸗ fällen, insbesondere aus Mitteldeutschland, Beschwerde über Miß⸗ handlung Gefangener durch Schupooffiziere. Verantwortlich dafür ist, so fährt Redner fort, das Preußische Ministerium des Innern, das die Durchsetzung der Schupo mit reaktionären Offizieren duldet. Die Regierung hat gelogen, als sie behauptete, es seien in Mittldeutschland keine standrechtlichen Erschießungen vor⸗ gkommen. (Präsident Leinert ruft den Redner zur Ordnung.) Die Schupo hat sogar Schulkinder, die kommunistische Flugblätter verbreitet haben, zur Wache geschleppt und dort mißhandelt. Mit dem Kampf gegen die Orgesch meint es die Regierung gar nicht ernst. Die Polizeibeamten, die sich schon um die Verfügung des Reichspräsidenten nicht kümmern, werden sich erst recht nicht um eine Verordnung des Ministers Dominicus kümmern. Vor der Oeffentlichkeit wird die Orgesch aufgelöst, aber im Geheimen wird die Arbeit weiterbetrieben. In Berlin besteht dafür ein eigenes Büro. Auch in Ostpreußen ist die Orgesch nach wie vor mit Waffen versehen. An besonders mutige Mitglieder werden Prämien gegeben. Worin soll dieser Mut bestehen? Nach der Spandauer Zeitung hat die Orgesch unter dem Decknamen „Obst⸗ züchterbesprechung“ merkwürdige Obstzüchterversammlungen abge⸗ halten. In Oberschlesien wird die Orgesch dasselbe, was in Ostpreußen die Baltikumer gewesen sind. Die strengen Be⸗ strafungen durch die Justiz, wie in Bayern so in Preußen, richten sich immer nur gegen die Kommunisten. Unsere Zeitungen werden verboten, wie die „Rote Fahne“. Vir fragen, aus welchem Grunde die „Rote Fahne“ wiederholt ohne Prüfung des Inhalts beschlagnahmt und verboten worden ist. Ein kreisärztliches Gut⸗ achten hat sogar erklärt, daß das Geräusch der Druckerei⸗ der „Roten Fahne“ in der Nacht für die muwohner gesundheits⸗ schädlich ist, und die Druckerei ist aufgefordert worden, den Nacht⸗ betrieb einzustellen, obwohl sie in einem Fabrikgebäude liegt, wo seit Jahren ungestört Druckereien betrieben worden sind. Auch unsere Flugblätter sind beschlagnahmt worden, sogar solche, die zu⸗ sammen mit den anderen sozialdemokratischen Parteien zu Demon⸗ strationen gegen die Ermordung von Gareis aufforderten. Redner geht ferner zu einer Kritik der Schupo und Sipo über und bespricht die Schließung des Lazaretts im Schloß Charlottenburg. So zeigt sich der Dank des Vaterlandes für die doch noch nicht vergessenen Heldentaten der deutschen Krieger. Der Veteranen aus den früheren Kriegen hat man nur eine Beihilfe von jährlich 150 Mark gewährt, unsere weitergehenden Anträge hat man ab⸗ gelehnt. Der Minister Dominicus wird nicht nur durch den Erlaß vom 6. Juni, sondern noch schärfer durch seinen Kommunisten⸗ erlaß gekennzeichnet, der sich gegen diejenigen Beamten richtet. die gewissenhaft das Proletariat gegen die Willkür der kapitalistischen Gesellschaft zu schützen bemüht sind, einen Erlaß, der alle Kom⸗ munisten ledialich ihrer politischen Ueberzeugung halber von allen Aemtern ausschließt. Während England den Frieden wünscht und bereit ist, Deutschland eine gewisse ökonomische Freiheit zu gewähren, kann Frankreich seinem wirtschaftlichen Bankerott nur entrinnen, wenn es zu immer neuen Gewaltmaßregeln greift, daher der allgemeine Schret nach der Besetzung des Ruhrgebiets,