1921 / 164 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Jul 1921 18:00:01 GMT) scan diff

leben kann, hat die Presse lebhaft Propaganda gemacht. Nur mit hes richtisen 8 lassen sich die Sanktionen wirksam be⸗ kämpfen. der Minister Dominicus das nicht erkennt, ersieht man aus seinen Orgeschreden. Das Verbot der orgeschähnlichen 5 soll dem Volk nur demokratischen Wind vormachen. Diese Organisationen dienen nach wie vor dazu, die Waffenlager zu überwachen und ihren Gebrauch vorzubereiten. Das Verbot allein hilft nicht, sondern nur der entschlossene Wille, es rücksichtslos durch⸗ sefüse u tut Herr Dominicus nichts. In den IFrefniene. 8⸗ lagern herrscht die alte Kasernenroheit, ohne daß die ohlinge, die sich an wehrlosen Gefangenen vergehen, bestraft werden. Ostiuden sind heute höchstens 55 000 in Deutschland. In den Internierungs⸗ lagern sind auch zahlreiche Galizier, die im Kriege auf unserer Seite gekämpft haben, zum Teil sind diese staatenlos geworden. Ueber die völkerrechtlichen stimmungen, die in dem Verfahren gegenüber diesen Leuten anzuwenden sind, befindet sich der Minister in einem auf⸗ fälligen Irrtum; er und seine Räte übersehen ganz, daß mit Sowijet⸗ tufland in jüngster kit am 6. Mai, ein bezüglicher Vertrag ab⸗ ge 18 ist. Die rlasse vom 25. Juni und vom 4. Juli sind glatte Völkerrechtsbrüche. In der Handhabung des Ausweisungsrechts ist eine völlige Verlotterung eingetreten, jeder Schutz dagegen hat zufgehört, die Polizeiwillkür herrscht absolut. Die an Deserteure und Refraktäre gemachte Konzession charakterisiert sich als eitel Feese Nicht der grohte Schieber, sondern der kleine Mann, der kleine Ie und Arbeiter wird ausgewiesen. Erst in diesen Tagen hat sich ein märkischer Landwirt, der Bruder des deutsch⸗ nationalen Abgeordneten Wulle, des Herausgebers des „Deutschen Abendblattes“, an das Arbeitsamt um die Zuwendung e Landarbeiter endet! (Hört hört! links.) Von den 50 ab⸗ geschobenen Ostjuden sind eine Anzahl durch die deutschen Behörden iber die Grenze geschmuggelt worden. Kann man sich da über das chlechte Verhältnis der deutschen und polnischen Regierung wundern? Derselbe Mangel an Verständnis, der in der Frage des Ostjuden⸗ problems zutage tritt, verdirbt auch die 8g Oberschlesien. Auch wir halten das Verbleiben Oberschlesiens beim Deutschen Reich für eine Notwendigkeit: aber es steht doch nun einmal im Versailler Vertrag, daß die Abstimmungsresultate zugleich mit der geographischen und wirtschaftlichen Lage gewertet werden sollen. Irreführend ist also 86 die Abstimmung allein entscheidend sein soll, und man soll do ieser fystematischen Belügung des Volkes endlich Einhalt gebieten. Fällt die Entscheidung nicht nach dem Wunsche der Alldeutschen aus, kann es leicht kommen, daß neue blutige Erhebungen stattfinden und der Aufstand in Permanenz erklärt wird Vor dem Selbstschutz zat heute Herr Dominicus eine gefährliche Verbeugung cemacht. Was uns not tut, ist die rücksichtslose Entfernung des Selbstschutzes aus Oberschlesien. Das Staatskommissariat für die öffentliche Ord⸗ ung unter Herrn Weißmann spvielt in dieser ganzen Angelegenbeit eine eigentümliche Rolle. Es wird sogar von Bestechungsversuchen gesprochen. (Hört, bört! links.) Zie wird dieses Kommissariat finanziert? Welche Mittel sind für Sberschlesien durch die Hände dieses Staatskommissars gegangen? Dem Abg. Baecker darf ich das Programm des Grafen Rvon in (zrinnerung rufen. der die flandrische und französische Küste ein⸗ hließlich Calais für Deutschland forderte und Belgien auf Kosten der Belgier bis zur Erfüllung des letzten Titelchens des Friedens⸗ vertrages okkupieren wollte. (Unruhe rechts.) Die berühmten sechs virtschaftlichen Verbände haben Annexionen befürwortet. die ein Ziertes des Areals von Deutschland und 16 Millionen Einwohner imfaßten! Gestern aber wagte es Herr Baecker, das vae victis kür undeutsch zu erklären. Der Krieg ist auch von Deutschland einnerlich überwunden. Nirgends dürfen geschlagene Generale es Zagen, sich so in den Vordergrund zu drängen als bei uns; Zudendorff wird buchstäblich auf Händen getragen. „Der mili⸗ taristische Geist, der Deutschland an den Abgrund geführt hat. ist noch nicht gebrochen. In Heilmanns Rede fand sich kein Wort von einer Aktion des geeinten Proletariats, es verblieb bei dem Versuch der Ministerstürzerei. Ich rufe das deutsche Proletariat auf, eine Reihen zu schließen. In der verzweifelten Situation unseres Landes und Volkes kann uns nur die Einigkeit vorwärts bringen. Auch ein stumpfes Ohr muß heute den Ton des Massenschritts der Arbeiterbataillone hören. Erst die Vereinigung aller Pro⸗ etarier der Welt wird uns den Sieg bringen. Dieser Tag des Zieges wird dann aber auch nicht mehr fern sein.

Abg. Riedel (Dem.): Bei der Rede des Vorredners konnte man, wenn man nicht die Tagesordnung zur Hand hatte, auch beim besten Willen nicht glauben, daß es sich um die Beratung des Notetats handelte. Meine politischen Freunde müssen ihrem lebhaften Bedauernn darüber Ausdruck geben, daß wir überhaupt zur Verabschiedung eines Notetats genötigt sind. Die Tatsache, daß wir im Parlament eines demokratisch⸗parlamentarischen Staates aus Mangel an Selbstüberwindung und Selbstbeschrän⸗ kung gerade bei einem Teil derjenigen, die diesen Staat schützen sollten, nicht den ordentlichen Etat rechtzeitig erledigen können, gefährdet den demokratischen Staat, denn sie stört das Vertrauen der Bevölkerung zum Staat. Wir werden weder außerpolitische noch innerpolitische Torheiten mitmachen. Es handelt sich hier nicht um einen Nachtragsetat, sondern um die Vorwegnahme dringlicher Positionen. Angesichts dessen wäre es nur notwendig, die Dringlichkeit dieser Positionen zu beleuchten. Das ist aber nicht geschehen, sondern man hat damit eine große politische Aus⸗ sprache verbunden, einen großen Kampf, und dabei drehte es sich um die Ablehnung des Notetats durch die größte Partei dieses Hauses. Da möchte ich an dasjenige erinnern, was die Herren von der Mehrheitssozialdemokratie im vorigen Jahre den Herren von der Rechten vorgehalten haben. Grundsätzlich möchte ich sagen, daß die Ablehnung dieses Notetats, der doch die Fortführung der Staatsgeschäfte ermöglichen soll, weniger ein Kampf gegen die Re⸗ gierung ist als vielmehr eine Negierung des Staates aus sich heraus. Da möchte ich an Herrn Heilmann die Frage richten: Wie kommt es, daß eine aroße Partei die Minister und die anderen Parteien in der allerhäßlichsten Weise angreift, obwohl sie an⸗ scheinend bereit ist, morgen mit denselben Parteien zusammen eine Regierung zu bilden? So kann es kommen, daß man unter Um⸗ ständen morgen etwas anbeten muß, was man heute verbrannte. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Parteianschauung und Parteitaktik. Wir meinen, daß eine Partei den Erwägungen, die nur aus der Taktik heraus bestehen, nicht in erster Linie folgen sollte. Meine politischen Freunde bedauern außerordentlich, die überängstliche Art und Weise, in der der französische Minister⸗ präsident Briand in letzter Zeit zur Frage der Sanktionen Stel⸗ jung genommen hat, wir müssen aus seinen Aeußerungen über das Leivziger Gerichtsverfahren den Schluß ziehen, daß man in Paris Gerechtigkeit gegen Deutschland unter keinen Umständen will. Wir müssen dem Ausland gegenüber betonen, daß die Mehr⸗ zahl unserer Parteifreunde für die Erfüllung des Vertrages ein⸗ getreten ist, weil sie glaubte, die Sanktionen würden aufgehoben werden. Nachdem sich aber Frankreich so hartnäckig dagegen sträubt, muß die Frage entstehen, ob bei Fortbestehen der Sanktio⸗ nen die Erfüllung des Ultimatums überhaupt möglich ist, und es muß die weitere Frage auftauchen, ob sich dann in Deutschland noch eine Regierung finden wird, die mit einigermaßen ehrlichem Willen den Friedensvertrag ausführen will. Mit der Betonung eines einheitlichen Willens auf der Rechten steht es doch in scharfem Widerspruch, wenn man davon spricht, daß das deutsche Volk zu einem Volk der Lüge gemacht worden sei⸗ Der süddeutsche kon⸗ servative Adam Roeder schreibt, daß die hemmungslose politische Agitation der Deutschnationalen unser Unglück sei, er spricht auch von sournalistischen Flachköpfen. Wir kennen keinen Unterschied wischen Arbeitern und Bürgern, und ich möchte an die Herren brüͤben die dringende Mahnung richten, nicht immer wieder der Arbeiterschaft einen Bürgerblock entgegenzustellen, das würde nur eine für beide Teile unerwünschte Entfremdung herbeiführen. Die Auslegung, die Herr Heilmann dem Klassenkampf gegeben hat, war außerordentlich vorsichtig. Wir kennen keinen Klassenkampf, er sehe es als bervorragendste Aufgabe der Demokratie an, duldsam zu sein, und in dieser Duldsamkeit ausgleichend zu wirken. Redner sommt dann auf einen Artikel des Abg. v. Campe in der „Täg⸗ lichen Rundschau“ zu sprechen und bemerkt; Wir begrüßen in

diesem Artikel die Ansätze zu einer anderen Auffassung und lauben, 8 wir auf diesem Boden zu einer Verständigung im Imteresse unserer Nation kommen werden. Dieser Artikel enthält Dinge, die, wenn ich sie in Versammlungen ausgeführt habe, mir immer roßen stürmischen Widerspruch der Deutschen Volkspmiei einge⸗ rragen haben. Ich bin Herrn Bäcker außerordentlich dankbar, daß er mit aller Entschiedenheit zum Ausdruck brachte: Stegerwald ist nicht unser Mann, denn wenn er 883 Gegenteil gesagt hätte oder die Ausführungen des Ministerpräsidenten den Beifall der äußersten Rechten gefunden hätten, dann würden auch meine politischen die größten Bedenken gegen dieses Kabinett haben. (Lachen rechts und Zuruf: das ist allerdings eine Argu⸗ mentation.) Was der Minister gestern über die Aemterbesetzung vortrug, haben meine Freunde außerordentlich sympathisch aufge⸗ nommen, daß nämlich das Fachwissen und die moralische Quali⸗ fikation derjenigen, die den Staat zu verwalten haben, einwandfrei dasteben. Der Fall Fiehn ist ein typisches Beispiel für die politische Vergiftung in Deutschland. Wie ist gegen diesen durchaus recht⸗ chaffenen und ehrenwerten Mann gearbeitet worden! Man hat ihn wegen seiner politischen Gesinnung esellschaftlich geächtet, man hat seine Familie geächtet und 844 die deutschnationalen Oberlehrer seine Kinder in der Schule ächten lassen. (Hört! Hört!) Der Belagerungszustand in Ostpreußen wird auf Wunsch des Oberpräsidenten aufrecht erhalten. Auch der Oberpräsident Hörsing hat die Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes für den Rest der Provinz Sachsen gewünscht. Dem Antrag des Zentrums wegen Förderung der Land⸗ und Forstwirtschaft stimmen wir zu. Bei Betrachtung der Staatsfinanzen und Staatswirtschaft halten wir die eigenen Betriebsverwaltungen des Staates für notwendig, weil dadurch der Staat Fühlung mit dem Wirtschaftsleben erhält und wirtschaftliche Maßnahmen nach eigenen Erfahrungen treffen kann und weil der Staat bei seinen starken Verpflichtungen auch große Vermögenswerte in Händen haben muß. Aber die Staats⸗ betriebe müssen nach wirtschaftlichen Grundsätzen betrieben werden. Es spottet jeder T wie Staatswerte vergeudet worden sind. Herr Bäcker widerspricht sich, wenn er die Steuer⸗ politik des Reichs in Grund und Boden verdammt, aber die preußischen Finanzen dadurch sanieren will, daß Preußen höhere Zubußen vom Reich erhält. Dazu kommt, daß geradezu eine Partei das Kommunalabgabengesetz abgelehnt hat. Die Grund⸗ steuer wird allerdings eine ziemliche hohe Steuer sein und als Er⸗ tragssteuer abgewälzt werden, so daß sie die Gesamtbevölkerung belasten wird. Wer aber damit schon jetzt Parteiagitation treibt, verfündigt sich am Vaterlande. Herr Wiemer sollte seine Warnung von der Demagogie an seine eigene Parteipresse richten. Die „Bergische Zeitung“ des Herrn Bachmeister fordert geradezu zur Steuerdrückebergerei auf. Zur Gesundung der Staatsfinanzen müssen alle beitragen. Hier werden aber t Anträge gestellt, die den Staat von neuem belasten. Wenn wir an den inneren und äußeren Wiederausbau gehen, so empfehle ich die Worte des Herrn v. Campe, daß die Demokratie die Grundlage des Staates sein muß. Tragen Sie nur diese goldenen Worte auch in die Hand⸗ bücher Ihrer Parteiagitatoren ein. Wir können den Wiederauf⸗ bau nicht dem späteren Geschlecht überlassen, wir tragen schon heute die Verantwortung. (Lebhafter Beifall bei den Demokraten.)

Damit schließt die zweite Beratung. s

Abg. v. d. Osten (D. Nat.) widerspricht in persönlicher Ve⸗ merkung der Behauptung des Abgeordneten Heilmann, daß er aus gehässigen und kleinlichen Gründen die Amtsentsetzung des Landrats Frehn veranlaßt habe. Es sei seine Pflicht als Abgeordneter gewesen, die gravierenden Beschwerden gegen den Landrat dem Minister vor⸗ zulegen. Vor Gericht habe sich ein Teil der Anklagen als wahr erwiesen, ein gerichtliches Verfahren schwebe noch. Der Ton des Abgeordneten Heilmann entspreche nicht seiner eigenen Exziehung. (Lärm links. Ruf bei den Sozialdemokraten: Zahlen Sie doch Steuern! Sie Schwindler!) Er führe, den Kampf geren politische Gegner mit sachlichen Gründen und könne mit dem Abgeordneten Heilmann in rabulistischer Dialektik nicht konkurrieren. (Ruf bei

den Sozialdemokraten: Zahlen Sie doch Einkommensteuer! Ver⸗

leumder!)

In der Abstimmung wird der Nachtragsetat nach den Anträgen des Haushaltsausschusses be⸗ willigt und zum Haushalt des Staats⸗ ministeriums und des Ministerpräsidenten der Antrag angenommen: „Das Staatsministerium wolle mit Rücksicht darauf, daß durch die ungünstige Witte⸗ rung insbesondere an der Saar, Mosel, in der Eifel, im Huns⸗ rück und im Westerwald großer Mangel an Futter⸗ und Streu⸗ mitteln eingetreten ist, der sich zu großer Notlage gesteigert hat, umgehend veranlassen, daß die Staats⸗ und Gemeinde⸗ waldungen in diesem Jahre zur Entnahme von Gras und Streu für die Bevölkerung freigegeben werden.“

Die Anträge der Soz. Parteien auf un⸗ verzügliche Aufhebung des Belagerungs⸗ zustandes werden abgelehnt, ebenso die Anträge derselben Parteien auf Aufhebung der Selbstschutzorganisationen; angenom⸗ men wird dagegen der Antrag der Demo⸗ kraten, das Staatsministerium zu ersuchen: 1. Schleunigst im Benehmen mit der Reichsregierung zu prüfen, ob Umgehungen der Bekanntmachung der Reichsregie⸗ rung, betr. Auflösung der Organisation Escherich, vorliegen und zutreffendenfalls dafür zu sorgen, daß solche Umgehungen alsbald verhindert werden; 2. auf die Reichsregierung dahin einzuwirken, daß die Bekanntmachung vom 24. Juni 1921 nachdrücklichst und schleunigst gegenüber allen anderen soge⸗ nannten Selbstschutzorganisationen durchgeführt wird, deren Bestehen die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährdet.

Für diesen Antrag stimmen mit der gesamten Linken und den Demokraten auch die Mitglieder des Zentrums.

Gegen die Stimmen der drei Soz. Parteien wird der An⸗ trag wegen unverzüglicher Beseitigung der Sn für Ausländer abge⸗

ehnt. (Stürmische Pfuirufe auf der Linken.)

Angenommen wird der Antrag des Zen⸗ trums, zur Förderung der Landwirtschaft durch Ausführung von Meliorationen, Um⸗ legungen und Wasserleitungen, Mittel bis zur Höhe von 1,7 Millionen Mark vorschußweise zu verwenden, und der Antrag der Deutschen Volkspartei, die Reichsregierung zu ersuchen, mit allen Mitteln darauf zu dringen, daß die Sanktionen, ins⸗ besondere aber die Zollgrenze zwischen besetzten und un⸗ besetztem Gebiet aufgehoben werden. Gegen den letzteren Antrag stimmen nur die Kommunisten.

Damit ist die zweite Lesung des Notetatser⸗

ledigt. 6 In der dritten Lesung kommt 8 Abga. Heilmann (Soz.) auf die allgemeine politische Er

örterung zurück. Dem Minister des Innern hält er vor, daß er selbst seine Abschiebunaserlasse, als undurchführbar erkannt habe. Dank em demokratischen Minister Dominicus habe Landrat Fiehn seinen Kreis verlassen müssen, und derienige Herr, der die Beseitigung Fiehns mit allen Mitteln betrieben, Herr v. d. Osten, verwalte jetzt den Kreis. Der Deckungsversuch des Abgeordneten Riedel sei völli mißlungen. Der sozialistische Regierungspräsident Bartels abe si freilich allzu willig Herrn Dominicus als Helfershelfer zur Ver⸗ fügung gestellt. Der Staatssekretär Becker habe sich früher durchaus zu den Anschauungen

des Ministers Haenisch bekannt. Herr Steger⸗

wald habe früher die Politik des schwarzblauen Blocks, die er z,. treibe, verdammt Das Kabinett Stegerwald werde von 8 F üedt gehalten, weil es ein Kabinett der Reaktion sei. So gut, wie Hihn der Unabhängigen Sozialdemokraten für die Deutsche Volkgpa fe unerträglich sei, sei Hilfe der Deutschen Volkspartei für die Son⸗ 27 demokraten unertragbar. Vor der Annahme der preußischen Verfa hi 2 bobe die Deutsche Volkspartei eine Reibe von Vorbehalten für 8 Monarchie usw. gemacht. Habe Dr. Lauscher mit seiner Argriane, tation recht, so dürfe auch ohne die Deutschnationalen reciert werd Beide Parteien stellten die Grundlage des Staates in Frage. Iee Internotionole, auf die Dr. Cohn schwöre, sei heute noch nict e Menschheit, und man dürfe inzwischen nicht das deutsche Volk sterbe lassen. Stegerwald habe alles Entgegenkommen der Sozialdemokrate aboewiesen, er könne sich ohne die Deutsche Volksartei auf niche einlassen. Nun ist es anders geworden, als wir wünschten; die Rechtz⸗ parteien haben ihren Willen, wir können unsere Sehnsucht nach Hegierunassiten sehr gut beherrschen, sogar bis zu den nächste Wahlen. Wir können diesem Ministerium keinen Fünfmilliardenkredin bewilligen, es hat bei uns keinen Kredit. Den meisten sachlichen Forderungen der Notetats stimmen wir zu, müssen aber auch bei dieser Gelezenheit dem Ministerium Stegerwald das schärfste Mißtrauen aussprechen. Der Rechten und dem Zentrum rufe ich ein fröhliche Wiedersehen bei Philippi zu. (Beifall bei den Sozialdemokraten)

Abg. Dr. Meyer⸗Ostpreußen (Komm.): Gegen die An⸗ erkennung der Leutnants durch Minister Dominicus muß ich Ein⸗ spruch erheben. Das Vorgehen gegen die kommunistische Presse zeigt, wie die Regierung die Pressefreiheit auffaßt. Herr Heil⸗ mann und seine Freunde haben einen Keil in die Arbeiter⸗ bewegung hineingetragen durch die Kompromisse mit den bürger⸗ lichen Parteien. Bezeichnend war das Jammern Heilmanns nach Ministersesseln. Diejenigen, die die Anträge zu den Sanktionen gestellt haben, haben das zu Unrecht, denn sie selbst haben genau dasselbe getan wie Engländer und Franzosen. Der Kampf des Proletariats wird nicht gefördert, wenn man wie Heilmann die Nation vor die Klasse stellt. Erst sozialer Kampf und inter⸗ nationaler Zusammenschluß, dann können auch die nationalen Wünsche befriedigt werden!

Abg. Dr. Lauscher (Zentr.): Herr Heilmann, ich habe Lie früher in derselben Pose gesehen, als Sie der Rechten Staats⸗ autorität prediaten. Das war damals noch, als die Sozialdemo⸗ kraten in der Regterung saßen. Sie werden mir äußerlich wider⸗ sprechen, aber nicht innerlich, wenn ich sage, daß Sie (zu den Sozialdemokraten) uns um einen Mann wie Stegerwald im tiefsften Herzen beneiden. Bei parlamentarischem Florettfechten kommt nur etwas heraus, wenn wir die Dinge nehmen, wie sie sind. Die Verfassung ist das Grundgesetz des Staates. Hier oitt es nur ein Für oder Wider. Die Dinge stehen nicht still. Sie entwickeln sich, wir müssen uns die Möglichkeit vorbehalten, unz der Zukunft anzupassen: ober auch die Gegenwart muß ihr Kecht finden, die Zeit, wo wir am Rand des völkischen Abgrunds stehen. Gegen die Sanktionen muß jeder im Namen des Reiches pro⸗ testieren. So wie Herr Dr. Meyer kann einer nur darüber denken, der weit vom Rhein, in Ostpreußen wohnt. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Meier⸗Berlin (U. Soz.): Unser moralischer Kredit im Ausland ist sehr gesunken, und die Reden der Deutsehnatio⸗ nalen an dieser Stelle schaden Deutschland erst recht. Die Einheit des Proletariats ist nicht abhängig von Parlamentsreden und Vorlagen vom grünen Tisch. Im Reichskabinett werden doch dem⸗ nächst die Gegensätze aufeinanderprallen bei der Frage, wer zahlen soll. Dann aber wird es zu dem entscheidenden Kampf des Pro⸗ letariats gegen den Kapitalismus kommen.

Damit schließt die allgemeine Besprechung. Der Notetat wird endgültig gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Unabhängigen und Kommunisten an⸗

genommen. Das Ergebnis der Abstimmung wird von den drei Parteien, die gegen den Etat stimmten, mit lebhaften Pfui⸗

rufen aufgenommen.

Die Vorlage, betr. die Reisekosten und die Auf⸗

wandsentschädigung für die Mitglieder und den Präsidenten des Staatsrats, ist vom Hauptausschuß mit geringen Abänderungen ange⸗ nommen worden. 1

Abg. Siering (Soz.) beantragt, den § 4, wonach dem Vor⸗ sitzenden des Staatsrats außerdem für die Dauer seines Amtes eine jährliche Aufwandsentschädigung von 12 000 zugesprochen wird, zu streichen, und weist darauf hin, daß diese Forderung des § 4 in der Verfassung keine Begründung findet, also für ihre Bewilligung eine qualifizierte Mehrheit vorhanden sein muß.

Die Abgg. Dr. v. Kries (D.Nat.), Dr. C. Campe (D. Vp.) und Rhiel (gentr.) bestreiten die Richtigkeit dieser Auffassung.

Die Abstimmung wird durch Auszählung vorgenommen. Für § 4 stimmen die bürgerlichen Parteien, die Gegner bleiben bei der Auszählung außerhalh des Sitzungssaales. Vizepräsident Dr. Porsch konstatiert die Beschlußunfähigkeit des Hauses und bera 8 Uhr abends eine neue Sitzung an.

Schluß 8 Uhr 10 Minuten.

142. Sitzung vom 15. Juli 1921, Abends 8 % Uhr. 8

Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet um Uhr;d Sitzung und will zur Wiederholung der Abstimmung schreiten

Abg. Siering widerspricht der Wiederholung, da das Haus doch wieder beschlußfähig sein würde, eventl. be antragt er namentliche Abstimmung.

Da der Präsident auf der Wiederholung besteht, png zur namentlichen Abstimmung geschritten werden.

Abgegeben werden 176 Stimmzettel. Das Haus ist aber⸗ mals nicht beschlußfähig.

Präsident Leinert setzt die nächste Situng an ha 1n

an mit der gleichen Tagesordnung und beruft die Aeltestenrats zu einer Sitzung nach seinem Zimmer.

Schluß 8 ½ Uhr.

43. Sitzung vom 15. Juli 1921, Abends 8 % I Präsident Leinert I die Sitzung mit e ee.

teilung, daß der Aeltestenrat vorschlägt, über den strittigen c de 181,s8 heute nicht mehr su verhandeln, dafür aber noch ) ntrag Richtarsky über Altenteilverträge, eine Reihe 88 I gabenberichte und die großen Anfragen, betreffen Uam Erplosionen auf der Zeche „Constantin der Große“ un Ser Cenis“ zu erledigen. Das Haus ist damit einverstan . Der Antrag des Abg. Richtarsky (Zentr.) und g, nossen über die Naturalleistungen und die Erhöhung derfliche rente im Altenteilsvertrag bei Uebergabe landwirtschalrd, Eeihgsg wird ohne Eroörterung an den wirtschaftlichen Ausschuß überwiesen. Otter⸗ Es fehhe die großen Anfragen des Aog. Bochum (U. Soz.) über das Unglück a. „Constantin der Große“ in Grumme bei Bo her Abgg. Brust (Zentr.) und Braun (Soz.) und über die Schlagweiterkatastrophe auf „Mont Cenis“.

%32

Der Ausschußfuüͤr Hanbel.nd, Gewerfi⸗

sich mit dem ersteren Unglück beschäftigt hat, m

glei ; 168 nachen und einen Aschenhaufen

La

e wethe von Unfallverhütungsmaß⸗ 7 men, wie ein besonderes Grubensicherheisdanmt 2 zanteleministerium, eine Grubensicherheitskommision aus anretern des Landtages, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber

der Bergbehörde zur Mitarbeit an der Unfallverhütung, ubienreisen zum ausländischen Bergbau, Bildung von Sicerheitsausschüssen in den einzelnen Oberbergamtsbezirken Rebufs Grubenbefahrungen; ferner follen die praktischen Er⸗ ahrungen der Betriebsräte und der bergsozialistischen Kon⸗ bolorgome (Einfahrer) mehr als bisher verwertet werden und jiese nicht mit Nebenarbeiten belastet werden. Die Beleg⸗ shaften sollen über die Grubengefahren und deren Be⸗ fünpfung belehrt werden. Neue Erfindungen für die Technik silen prämtiert werden, insbesondere ein brauchbarer Schlag⸗ setzerunzeiger an der elektrischen Grubenlampe, die Verord⸗ rungen über den Verkehr mit Sprengstoffen sollen nachgeprüft

werden. erichterstatter Abg. Rürup (Str.) bespricht einge vrbfage und empfiehlt deren ds ö“

Abg. Stegenr (Ztr.) bespricht besonders den Umstand, daß di lektrische Grubenlampe den Reicte habe, daß sie nsts das 8. landensein von Schlagwettern anzeige. Solange nicht ein brauchbarer Stlagwetteranzeiger an dieser Lampe erfunden sei, könne die elek⸗ viche Grubenlampe nicht ““ eingeführt werden.

Abg. Husemann (Soz.) begründet die sozialdemokratische An⸗ fnge wegen Hlcen Cenis, in der nach den Ursachen des ratisch nach 8e Verhütungsmaßnahmen und danach gefragt wird, ob es wahr sei, i das Ministerium zur Untersuchung der Unglücksstelle keine Drganisationsvertreter hinzugezogen habe. Die Bergarbeiter könnten Fin erümnen haben, daß zur Verhütung solcher Unglücke alles nötige gischehe.

Oberberghauptmann Althans beantwortet kurz beide Anfragen uter Bezugnahme auf die bereits im Ausschuß 8 fpgen lungen unter Anführung bergtechnischer Einzelheiten. Bei der Be⸗ dülung sei durchaus ordnungsgemäß verfahren worden. Die Wetter⸗ sihrungsanlagen seien in bester Ordnung gewesen.

Um 10 Uhr wird die Besprechung der Anfragen beschlossen. in der Besprechung beteiligen sich die Abgg. v. Waldthausen 8. Nat.), Otter⸗Bochum (U. Soz.), Seidel (D. Vp.), Sobottka somm.) und Hartmann (Dem.). In der Abstimmung werden si Ausschußfanträge mit einigen von dem Abg. Rürup (Zentr.)

fantragten Erweiterungen angenommen.

Damit ist die Tagesordnung um 12 Uhr Nachts erledigt.

Vizepräsident Garnich schlägt unter Zustimmung des zauses vor, die nächste Sitzung abzuhalten am Mittwoch, September, 2 Uhr, und entläßt das Haus in die Sommer⸗ srien mit den besten Wünschen für eine gründliche Erholung.

Schluß 12 Uhr.

4 n. F. * l.

. 8

8

Statistik und Volkswirtschaft.

Arbeitsstreitigkeiten.

Im Reichsarbeitsministerium fanden gestern unter vm Vorsitz des Ministerialdirektors Dr. Sitzler v über im Tarifvertrag im deutschen Bankgewerbe stneatt. der iee Hhehasepeen fet se 42. T. B.“ berjchtet, ine schnelle Einigung der Parteien und die Erhaltung des Friedens in Bankgewerbe als aussichtsreich erscheinen. 3 8 8 6 8

8. 8 Mannigfaltiges.

Am gestrigen Abend fand im großen Saale der Philbarmonie zhermals eine Kundgebung für, ein ungeteiltes hutsches Oberschlesien statt, die zu den eindruckvollsten Veranstaltungen gehört, welche die Reichshauptstadt je gesehen hat. kausende drängten sich in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal, Hunderte mußten, ohne Einlaß zu finden, umkehren. Nach⸗ dem der Berliner Männergesangverein unter der Leitung des Chor⸗ nestets Hans Mießner Beethovens Choral „Die Ehre Gottes in zer Natur vorgetragen hatte, eröffnete der den Vorsitz führende wirkliche Geheime Rat, Professor Dr. von Harnack die Versammlung git einer kurzen Ansprache, in der er ausführte: Nicht nur im gamen einer Provinz, die sich durch ihre Abstimmung feierlichst für deutschland erklärt hat, auch nicht allein im Namen unseres Vater⸗ undes, das ohne Oberschlesien nicht leben und gedeihen kann, sondern Namen der Kultur und der Gerechtigkeit und deshalb im Namen Luropas sind wir heute hier versammelt. Dieses Europa wäre ein vographischer Begriff ohne Würde und Moral, wenn es gestatten dirde, daß einem Entwaffneten gegenüber ein Versprechen nicht ge⸗ solten und Recht und Gerechtigkeit mit Füßen getreten würden.

Dann ergriff als Vertreter der Literatur Gerhart Haupt⸗ nann das Wort, der in zwölfter Stunde einen warnenden Avppell 6 den Obersten Rat richtete. Dem großen Dichter, der eigens aus

cllesien herübergekommen war, um für sein Heimatland zu zeugen, von der Versammlung nicht endenwollender Beifall dargebracht. r führte etwa aus: Ein Oberster Rat in Paris, bei dem wir itz und Stimme nicht haben, wird darüber Beschluß fassen, ob Fererim ein Teil vom deutschen Nationalkörper abgetrennt und 829 anderen Staatswesen angeleimt werden soll. Gewalt. ist hc Wir sind ein besiegtes Volk, ein Volk, das im Kriege, benalt gegen Gewalt, unterlegen ist. Also hat man uns gewaltsam e Verfügung über unsern Landesteil Oberschlesien entzogen mit dem einbaren Recht der Gewalt. Man hat nur dem Gerechtigkeits⸗

(fübhl der Welt noch das Opfer gebracht, dem in Frage stehenden

Lundesteil

teil und seinen Bewohnern anheimzugeben, durch Plebiszit t erklären,

8 ob er bei seinem angestammten Nationalkörper bleiben sellte von ihm abfallen will. Da Stimmenmehrheit entscheiden sit ist durch Stimmenmehrheit entschieden worden, und in, wie fu erwarten war, nicht für den Abfall, sondern ngeds, Verbleiben beim alten Reich. (Cs ist die allerbitterste müürbeit, die allerbitterste Cuttäuschung der Menschheit, Välke im Jahre 1921 überhaupt noch Sieger und besiegte - und insonderheit unter den europäischen Völkern ein so wie d Den Sieger entmündigtes Volk geben kann. Ich sage das nicht 5 8 eutscher, sondern als Europäer, dessen Idee Europa ist. Wir lärten den Obersten Rat vor einer Politik der in Permanenz er⸗ iine n Gewalt. „Gewalt im Rahmen des Krieges besitzt immerhin 1b Größe und einen gewissen Adel, die der Gewalt im nan vollständig fehlen. Gewalt, im Friedenszustand geübt, ist sert, wodurch sich die Menschheit bis in das Letzte hinein demorali⸗ derüh (Zustimmung.) Es würde Gewalt sein, im Frieden geübt, dbersc soll sich niemand täuschen, wenn man unsern Reichsbesi Uner hlessen von dem Reich losreißen, uns wegnehmen un bers anderen Verbande angliedern wollte. Wir warnen also den C br Rat vor Ausübung der Gewalt im Zustand des Friedens. dhscget nicht an, 8 einer den Pflug führt, in der beiligen Wehr⸗ Ecne arbeitet, während ein sanktionierter Gewaltmensch, mit dem cna in der Hand, ihm den Stier vom Pfluge nimmt. Wir fun, den Obersten Nat deshalb, weil ihm nicht daran liegen Verk vnauclöschliche heimliche Brandherde zu schaffen, die das letten Rs Friedens bedrohen. Ein neuer Weltbrand würde die hinwe este menschlichen Wohlstandes und menschlicher Gesittung

graffen, das Gebäude der menschlichen Kultur dem Boden zurücklassen. Es war ein un⸗

Aangt großer Augenblick, als der mächtige, europäische Staatsmann

ist das,

sage: „ein Mann ein Wort“ und baue darauf u

ge: 1 nd

(Beifall.) Und wir nach dem Licht des Fhüben Ee von jenseits des Ozeans eine andere Stimme, die Stimme des Präsi⸗ denten Harding, gehört, die eine Zeitung, „Sun“, das heißt die See „das „erste Licht“ nannte. Wie finster muß dieser Sonne die Welt erscheinen, wenn sie selbst, so entzückt, das erste Licht begrüßt Diese arme Sonne hat recht, es sind finstere Zeiten! Aber die Stimme von jenseits des Ozeans rief: „Waffen nieder!“ Das will bedeuten, daß diese Stimme rief: „Friede, Friede!“ Fort mit den Taten der Gewalt!“ Und also möge es endlich Licht werden.

Beifall.

a erhart Hauptmann sprach zunächst als Ver Deutschen Volkspartei der frühere Rektor 9 Unve nent erner Geheime Justizrat Dr. Kahl. Er erinnerte daran, wie oft Deutsch⸗ land nach dem Zusammenbruch sein Recht von der Welt verlangt habe, und wie jedesmal dieser Ruf mit neuen Gewalttaten beant⸗ wortet sei. Der Kurs des Rechts, so erklärte er, stehe in der Welt jetzt tiefer als der Kurs des Geldes. Der Redner wies auf die Einigkeit hin, die trotz alles sonstigen Parteihaders das deutsche Volk in der oberschlesischen Frage erfülle. Er erinnerte an das für Deutschland überwältigende Abstimmungsergebnis und warf die Frage auf, ob die Entente auch nur Augenblicke geschwankt bätte, ganz Oberschlesien den Polen zuzusprechen, wenn auch nur eine Stimme über die Hälfte für Polen abgegeben worden wäre. Aber die Entente scheine mit ihrem Verhalten Deutschland mit Gewalt wortbrüchig machen zu wollen. Wenn Ober⸗ schlesien den Deutschen genommen würde, dann könnten die Alliierten die Reparation als Schatzgräber auf Leichenfeldern suchen.

Der folgende Redner, Zentrumsabgeordneter Dr. Herschel, der aus Oberschlesien gekommen war, brachte den Dank der Heimat in folgenden warmen Worten zum Ausdruck: Dank gebührt dem oberschlesischen Selbstschutz, der für die Heimat Gut und Leben ge⸗ opfert hat. (Beifall.) Wir Oberschlesier kennen nur den einen Wunsch, deutsch zu sein und deutsch zu bleiben. Zweimal schon hat Oberschlesien siegreich den Kampf bestanden, und zum drittenmal muß es aus dem Endkampf der Diplomaten siegreich hervorgehen. Verlieren wir Oberschlesien, dann verlieren wir den Krieg zum zweitenmal. (Zuruf: Das überlebt keine Regierung!) Seit den Zeiten, da Grimmels⸗ hausen seinen „Simplicius⸗Simplicissimus“ schrieb, sind so viel Greuel nicht mehr auf deutschem Boden verübt worden; Mord, Brand, Landfrie densbruch sind an der Tagesordnung. Alle Verbrechen gegen Leib und Ehre, gegen Männer und Frauen müssen wir stillschweigend erdulden. Selbst das Ausland, italienische Zeitungen schreiben von der „oberschlesischen Hölle. Ob Kirchen, Fabriken, ob Rittergüter oder das Heim des kleinen Mannes, alles verwüsten und plündern die Insurgenten gleichmäßig aus. Wir verlangen, daß gemäß der beäm Neich bnnas; Wir fordern unser

wir verlangen Menschlichkeit, wir wollen - si bah 1 1 , daß Oberschlesien

„Nachdem Dr. Herschel seine Ausführungen, die wohl den stärksten Beifall des Abends fanden, beendet hatte; folgte ihm der Historiker und deutschnationale Abgeordnete Professor Hr. Hoetzsch, der einleitend betonte, daß in der oberschlesischen Frage jeder Parteihader aufhören, daß des deutschen Volkes Wille geschlossen zum Ausdruck kommen müsse. Er gab einen geschichtlichen Ueberblick über die Ent⸗ stetung ben- dersge⸗ fund führte N vvemen aus, daß bei einer Ab⸗ trennung Oberschlesiens von der Durchführung der Reparatione 18 8 könne. Fettan 1 8

achdem der Vorsitzende ein Telegramm der christlichen Gewerk⸗ schaften Oberschlesiens verlesen hatte, sprach noch für die Partei der Staatsrechtslehrer Professor Dr. Schücking, für die Sozialdemokraten der frühere Minister der auswärtigen Angelegen⸗ heiten Dr. Köster, der gleichfalls für die Unteilbarkeit Ober⸗ schlesiens eintrat und von der Entente sowie von den Arbeitern des

Auslandes forderte, daß Oberschlesien unteilbar deutscher Besitz

bleiben müsse.

stehenden Parteien aufs schärfste die Behauptungen des französischen Minifterpräsidenten Briand zurückwiesen, daß die. von Frankreich widerrechtlich bis zum heutigen Tage aufrechterhaltenen Sanktionen als eine Stärkung des Kabinetts Wirth könnten. Nachdem Professor von Harnack in seinem Schlußwort eine eindringliche Mahnung an das Weltgewissen gerichtet hatte, in Oberschlesien gemäß dem Versailler Friedensvertrag zu entscheiden

Gewerbefleißes keinen neuen europäischen Brandherd zu ent⸗ zünden, wurde einstimmig eine Entschließung gefaßt, in der es heißt: „Die von allen Parteien und aus allen Schichten der Be⸗ völkerung gebildete Versammlung verwahrt sich mit aller Schärfe gegen die Behauptung, daß die Tatsachen in Oberschlesien zugunsten Polens sprächen. hat kein Recht auf ein Land, dessen Kultur von den frühesten Anfängen an ausschließlich deutsches Gepräge trägt. Das deutsche Volk kann es nicht hinnehmen, daß Teile oberschlesischen Bodens durch Machtspruch vom deutschen Mutterland abgetrennt werden. Die unerhörten Leiden der Bevölkerung während acht Wochen, in denen sie unter der Herrschaft polnischer Insurgenten gestanden hat,

haben gezeigt, was deutschgesinnte Oberschlesier bei einem Uebergange

an Polen zu erwarten haben, umsomehr, als Polen in den bereits ab⸗ getretenen Gebieten vor aller Welt gezeigt hat, daß es nicht in der Lage ist, den vertraglich übernommenen wirksamen Schutz der Deutschen zu gewährleisten.“

Eine von den Verbänden heimattreuer Oberschlesier in Cassel veranstaltete Massenversammlung hat an den Minister des Auswärtigen am 12. Juli eine Entschließung gesandt, in der in letzter Stunde feierlichster Protest gegen jede Antastung der Selbst⸗ bestimmung des oberschlesischen Volkes erhoben wird.

Eine ähnliche Entschließung haben an den Reichspräsidenten die deutschnationalen Frauen des Freistaates Danzig gerichtet, die mit den Worten schließt: „Wir Danziger sind gegen unsern Willen und gegen den Geist des Selbstbestimmungsrechts zu Auslandsdeutschen gemacht. Wir fühlen eure Not, ihr deutschen Oberschlesier, und rufen euch zu: Bleiht treu! Wir trauern mit euch, wir leiden mit euch, wir hoffen mit euch!“

Bfs 16. Juli. (W. T. B.) In dem Prozeß gegen die beiden Kriegsbeschuldigten U⸗Boot⸗Offiziere Dittmar und Boldt wurde gestern die Beweisaufnahme geschlossen. Der Oberreichs⸗ anwalt beantragte am Schlusse seines Plaidoyers gegen die beiden Angeklagten wegen versuchten Mordes je vier Jahre Zuchthaus. Aus seinen Ausführungen ist folgendes hervorzuheben: Die Frage, ob die „Llandovery Castle“ mit Recht oder mit Unrecht versenkt worden ist, interessiert uns hier in keiner Weise, denn wir verhandeln nicht gegen den Kapitän Patzig wegen der Versenkung des Lazarettschiffss, sondern Gegenstand unserer Verhandlungen was der Versenkung dieses Lazararettschiffes nach⸗ folgte: die den Angeklagten zur Last gelegte absicht⸗ liche Zerstörung und Versenkung der Rettungsboote und der Tötung der darauf befindlichen Menschen. Es ist deshalb, wie

gesagt, für uns einerlei, ob Patzig dieses Lazarettschiff mit Recht oder

mit Unrecht versenkt oder ob er sich dem Glauben hingegeben habe, er sei zur Versenkung des Lazarettschiffes berechtigt. Noch un⸗ erheblicher für uns aber und vollkommen gleichgültig ist die weitere Frage, ob von englischer Seite überhaupt jemals ein Mißbrauch von azarettschiffen stattgefunden hat. Man hat in dieser Richtung seitens der Verteidigung einen sehr umfangreichen Beweis an⸗ getreten. Ich habe, wie ich schon gestern bemerkte, diesen Beweis von Anfang an für unsere Sache für durchaus unerheblich er⸗ achtet und deshalb seinerzeit den Senat gebeten, den Beweis ab⸗ zulehnen, und das ist geschehen. Darauf hat die Verteidigung die betreffenden Zeugen ur mittelbar geladen, und so kam der Senat in eine gewisse Zwangslage, die der mit den deutschen Prozeßgesetzen nicht Vertraute vielleicht nicht ganz und ohne weiteres begreifen mag. Der Senat war mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 244 der Strafprozeßordnung nunmehr gezwungen, die von der Verteidigung

zorge sein Wort vom „fair play“ in das Chaos warf. Ich

zur Hauptverhandlun geladenen Zeugen zu vernehmen, und er konnte

Besonders bemerkenswert war es, daß die Redner der rechts⸗

in Deutschland wirken

und dort an der alten Stätte deutscher Kultur und deutschen

8 9ꝙ, 1 2.& Ch F —x 87 2 4 lediglich in Anwendung des h 244 einzelne Fragen, die an die Zeugen gestellt wurden, mit der Er 1.728 zurückweisen, daß sie nicht zur Sache gehörten oder ungeeignet seien. Man hat infolgedessen also diesen Beweis zunächst zu erheben onnen und einige Zeugen darüber vernommen, daß von englischer Seite Mißbrauch mit Lazarettschiffen getrieben worden sei. Irgendwelche Erfolge hatte meines Erachtens der Beweis, soweit er gehört wurde, nicht, und der Zeuge Meyer sprach lediglich von französischen Schiffen, die er in Toulon habe beladen sehen. Das scheidet also einfach aus. Der Fen. Schikowski konnte uns nichts weiter sagen, als daß er in ortsmouth, wo er gefangen war, von einem Handelsoffizier darauf aufmerlsam gemacht worden sei, daß die Lazarettschiffe, wenn sie von Frankreich zurückkämen, in der Ladelinie viel höher waren, als wenn sie nach Frankreich hinüber fahren. Crompton behauptete, es sei Fade die „Llandovery Castle“ gewesen, bei der er gesehen habe, daß chon vor Jahren Uniformierte in Abteilungen auf das Schiff gebracht worden seien. Das ist das wesentliche Ergebnis der Aus⸗ sagen der einzelnen Zeugen, die man vernommen hat. Ich habe auch gestern schon bemerkt, daß wir davon ausgingen, daß der⸗ artige einseitige Beweiserhebungen irgendwelche Bedeutung nicht haben könnten. Wie der Herr Präsident be, Ea bemerkt hat: „eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede, es müssen beide Teile gehört werden“, wäre notwendig gewesen, der Gegenseite das Wort zu geben, über diese einzelnen hier aufgestellten Behauptungen die erforderlichen Erhebungen anzustellen und die nötige Zahl von Gegenbeweisen zur Stelle zu bringen. Es würde dem deutschen Rechtsempfinden direkt widersprechen, wenn man auf Grund derartig einseitiger Beweiserhebungen irgendwelche Tatsachen zugunsten oder zuungunsten eines oder des anderen Teiles als fest⸗ gestellt erachten sollte. Ich glaube auch nicht, daß der hohe Gerichtshof in der Lage sein wird, nach dieser Richtung hin irgendwelche Fect⸗ stellungen dahin zu treffen, daß erwiesen sei, daß von englischer 255 1— Lazarettschiffe mißbraucht worden sind. Ich darf dabei nur darauf hinweisen, daß wir gestern eine Reihe englischer Zeugen und heute den daes Lyon gehört haben, die uns versicherten, daß nie ein der⸗ artiger Mißbrauch vorgekommen wäre. Heute wurde das Urteil verkündet; es lautet gegen beide Angeklagte auf je vier Jahre Ge⸗ fängnis wegen Beihilfe zum Totschlag; gegen Dittmar wurde

außerdem auf Dienstentlassung erkannt.

Paris, 14. Juli. (W. T. B.) „Chicago Tribune“ meldet aus Chicago, daß in dem mtttleren Teil der Ver⸗ Stacgtien 8o 1 Hitze anhält und nicht auf eine Ermäßigung der Temperatur schließen läßt. Auf dem Lande werde Nachts beim Mondlicht gearbeitet. 65 8

Handel und Gewerbe. Heute findet kein Börsenverkehr statt.

Der Börsenvorstand beschloß laut Meldung des „W. x. B.“ im Monat Juli Dienstags den Fondsbörsenverkehr ausfallen zu lassen. Es werden an diesem Tage nur Devisen und Banknoten notiert. Der Produktenmarkt findet unverändert statt.

In der Berliner Handelskammer empfing gestern der Präsident von Mendelssohn im Kreise leitender Fepsing gesterm der Berliner Bankwelt die Vertreter der amerikanischen Handelskammer, die Herren Defrees, Douglas, Fahey, Filee, Lamont, Mosely, Strawn und O'Connor zu einer Aussprache. Von den amerikanischen Herren wurde die Frage gestellt, in welcher Weise Deutschland wieder zu einem leistungsfähigen Abnehmer amerikanischer Rohstoffe gemacht werden könnte. Von deutscher Seite wurde auf die Notwendigkeit einer Milderung der Friedensbedingungen hingewiesen und insbesondere die Notwendigkeit der Belassung des ungetrennten Oberschlesiens bei Deutschland betont, wenn die deutsche Volkswirtschaft auch nur einigermaßen normal arbeiten solle. Die Gewährung einer großen Anleihe auf längere Zeit hinaus, um die

Stabilisierung des Markkurses zu ermöglichen, würde naturgemäß neben einer Erleichterung der außenpolitischen Lage der Zukunft Deutsch⸗ lands zugute kommen. Die amerikanischen Gäste waren mit den deutschen Anwesenden einig, daß eine Wiederherstellung des alten Verhältnisses vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Amerika und Deutschland dringend erforderlich sei. In seinem Schlußworte konnte Präsident von Mendelssohn feststellen, daß, wenn auch keine bestimmten Ergeb⸗ nisse erzielt seien, doch schon die Tatsache einer freundschaftlichen Aus⸗ sprache über gemeinsame Interessen zwischen Kaufleuten beider Nationen, die so mannigfache Beziehungen verbinden, ein erfreuliches Ereignis sei, dessen Wiederholung dringend zu wünschen wäre.

Einziehung der ungestempelten öster⸗ reichisch⸗ ungarischen Noten. Die Einziehung der un⸗ gestempelten österreichisch⸗ ungarischen Noten ist angeordnet durch eine Bekanntmachung im „Reichsanzeiger“ Nr. 152 vom Sonnabend, den 2. Juli d. J. Die Einreichung hat bis zum 31. Juli d. J. zu geschehen. Der Deutsch⸗Oesterreichisch⸗Ungarische Wirtschaftsverband macht darauf aufmerksam, daß Noten, die jetzt nicht zur Einsamm⸗ lung gelangen, ihren Anspruch an die Liquidationsmasse der österreichisch⸗ ungarischen Bank verlieren und späterhin nicht zur Einlösung gelangen können. Nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle des Deutsch⸗ Oesterreichisch⸗Ungarischen Wirtschaftsverbandes Berlin W. 35, Am Karlsbad 16. Wien, 15. Juli. (W. T. B.) Einer Mitteilung des Handels⸗ statistischen Dienstes zufolge erreichte in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres die Einfuhr nach Oesterreich die Menge von 15,5 Millionen Doppelzentner gegen 11,4, die Ausfuhr nahezu 3,8 Millionen Doppelzentner gegen 1,9 im gleichen Zeitraume des Vorjahres. Die Einfuhrmenge steigerte sich also um 28 vH, die Ausfuhrmenge um fast 100 vH. Die bisher noch nicht vorliegende Wertbilanz dürfte ein noch wesentlich günstigeres Ergebnis aufweisen als die Mengebilanz. Rund dreiviertel der ganzen Ein⸗ fuhrmenge bestanden in Kohle und Koks. Ein erfreuliches Zeichen der Belebung der industriellen Tätigkeit bildet neben der gesteigerten Kohlenzufuhr guch die starke Einfuhr der industriellen Rohstoffe bei gleichzeitigem Rückgang der Einfuhr der bezüglichen Fertigprodukte. Rund 55 vH der gesamten Einfuhrmenge entfallen u Deutschland, 25 vH auf die Tschecho⸗Slowakei. Von der Ausfuhr entfallen 23 vH auf Italien, 22 vH auf die Tschecho⸗Slowakeiil. 11“

15 8 .—— 4 8u

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 14. Juli 1921.

Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen

19 764 5 506 8gG 2 066

1 81 % 8 3

Gestellt...

Nicht gestellt.

Beladen zurück⸗ geliefert.

19 622

Die Elektrolytkupfernotierung der ini für deutsche Clektrolytkupfernotiz stellte sich laut Efekens gcn „W. T. B.“ am 15. d. M. auf 2171 (am 14. d. M. auf 2174 ℳ) für 100 kg. 1 8

Berichte von auswärtigen Wertpapiermärkten.

„Frankfurt a. M., 15. Juli. (Abendbörse.) (W. T. B. Mit der heutigen Abendbörse schloß die Geschäftswoche bei 89 haften Umsätzen fest. Eine Ausnahme machten einige Montan⸗ papiere, welche Kurseinbnßen zu verzeichnen hatten. Berzelius