1922 / 5 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Jan 1922 18:00:01 GMT) scan diff

gesteht keinem Teil Irlands das Recht zu, von der obersten Autorität des irischen Parlaments ausgenommen zu werden, gewährt aber Nordirland Vorrechte und Garantien, die nicht weniger wesentlich sind, als die im Londoner Abkommen vor⸗ gesehenen. Er billigt der englischen Seemacht gewisse Be⸗ fugnisse in Irland zu, wie sie ähnlich im Londoner Abkommen vorgesehen sind. Er enthält schließlich die gleichen Be⸗ stimmungen, betreffend die Beschränkung der irischen Truppen⸗ stärke mit einer Zusatzbestimmung, der zufolge es Irland untersagt ist, ohne Einwilligung Englands und der anderen Dominions Unterseeboote zu bauen.

In der Kundgebung an das trische Volk richtet de Valera die dringende Aufforderung an dieses, seiner natürlichen Sehnsucht nach Frieden nach der langen Spannung zu widerstehen und erklärt: „Wenn Ihr nachgebt, so werden alle Eure Opfer umsonst gebracht sein. Die Presse ist keine nationale Presse, sondern verrichtet des Feindes Werk: sonst würde sie das Volk vor der ihm drohenden Gefahr warnen, anstatt dem Schlage Vorschub zu leisten.“ de Valera bittet das irische Volk, sich nicht in eine Entscheidung stürzen zu lassen, für welche die kommenden Generationen ihm fluchen würden. „Man verlangt von Euch Eure Zustimmung zu einem Vertrage, der die britische Autorität in Irland festlegt, nicht, wie früher durch eine Euch aufge⸗ zwungene Parlamentsakte; vielmehr verlangt man von Euch, Ihr Euch, indem Ihr Euer Ehrenwort abgebt, mit Euren eigenen Händen bindet.“ Zum Schluß entwickelt de Valera die von i schlagene Lösung.

Frankreich. 11X“

Die erste Vollsitzung der Konferenz in Cannes wird heute vormittag im Cercle Nautique unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Briand abgehalten.

Gestern vormittag beriet der Ministerpräsident Briand mit Jaspar und Theunis die Frage der Reparationen und stattete Hayashi und dem Baron Ishü, den Delegierten Japans, einen Besuch ab. Nachmittags besprach er sich mit Lloyd George. Die beiden Ministerpräsidenten verständigten sich laut Meldung des „Woͤlffschen Telegraphenbüros“ über die Bedingungen, unter welchen sich der Oberste Rat heute mit der Einberufung der Wirtschaftskonferenz be⸗ schäftigen wird, und stellten ein Programm auf, das Fragen politischen Inhalts streng ausschließt. Die Arbeit der Konferenz soll ausschließlich ö und finanziell fein. Sie wird besonders Mittel und Wege suchen müssen, die Wechselkurse su verbessern, eine Wiederaufnahme des Warenaustausches in die Wege zu leiten, also mit einem Wort, dem Welthandel größere Tätigkeit und Regelmäßigkeit zu sichern. Es ist wahrscheinlich, daß Deutschland und Rußland su dieser Konferenz geladen werden. Die Grundlage der gestrigen unverbindlichen Vorbesprechungen zwischen den Dele⸗ gierten war der Vorschlag Lloyd Georges. Da Deutsch⸗ land nach britischer Ansicht nicht in der Lage ist, die Be⸗ räge am 15. Januar und 15. Februar voll zu begleichen, o würde von ihm im Laufe des Jahres 1922 nur eine Ge⸗ amtsumme von 500 Millionen, zahlbar in monatlichen Raten on 125 Millionen von jetzt ab bis 15. April, verlangt werden. Die Hälfte dieses Betrages würde an Belgien fallen, das ein Vorrecht auf 2 Milliarden Goldmark hat. England würde seinerseits auf nahezu den ganzen Betrag von 500 Millionen Goldmark verzichten, die ihm zustehen, und würde nur 60 bis 30 Millionen erhalten. Italien, welches 180 Millionen er⸗ halten sollte, würde ebenfalls ein bedeutendes Opfer bringen müssen. Der englische Ministerpräsident hat dessen besondere Lage anerkannt. Das Abkommen Loucheur⸗Rathenau würde von England angenommen und sofort für die erste Periode von drei Jahren in Kraft treten, während Frankreich von Deutsch⸗ land Sachlieferungen in einem Werte von mehr als 1250 Millionen Goldmark für 1922 und 1500 Millionen für 1923 und 1924 verlangen könnte. Das Finanzabkommen vom 30. August würde zu Frankreichs Gunsten geändert, besonders in der Abschätzung der Saargruben, deren Wert erst später durch die Reparationskommission in Rechnung gestellt würde. Das britische Projekt würde sich besonders auf die Zahlungen im Jahre 1922 beziehen. Es umfasse gleich⸗ zeitig ein System von Garantien zur Ordnung der deutschen Finanzen, denn das sei die Grundbedingung für jede Regelung der E Das Garantiesystem schließe ins⸗ hesondere ein: Eine Kontrolle der Reichsbank, die Erhöhung der Post⸗, Telegraphen⸗ und Eisenbahntarife, die Besteuerung der deutschen Kohle, damit sie zum Weltmarktpreis verkauft werde, die Einschränkung des Papiergeldumlaufs, die Zurück⸗ schaffung aller Devisen, die sich Deutschland durch seine Aus⸗ fuhr beschafft, nach Deutschland und ihre Verwendung für die Reparationen. 8 8

Der neue allgemeine Zolltarif veröffentlicht und am folgenden Tage in

soll am 19. Januar Kraft gesetzt werden. Im großen und ganzen werden die Zollsätze für gewisse Artikel entsprechend der Veümehrung ihres Wertes erhöht werden.

Der Koeffizient für die Entwertung des Geldes ist abgeändert

worden. Schweden.

Nach einem amtlichen Bericht hatte Schweden am 30. No⸗

vember 117 000 Arbeitslose. Von diesen erhielten etwa 35 000 Unterstützungen in barem Gelde. Die vom Staat und den Gemeinden zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter⸗ nommenen Arbeiten beschäftigen etwa 28 000 Arbeiter. Im ganzen hat der schwedische Staat im Jahre 1921 zur Unter⸗ stützung der Arbeitslosen 35 Millionen Kronen ausgegeben.

18 Litauen.

8 Nach einer Meldung der „Litauischen Telegraphen⸗Agentur“ ist Jurautis zum Nachfolger des zurückgetretenen Ministers

des Aeußern Puryckis ernannt worden.

Die polnische Regierung betreibt die Vorbeitung der Wilnaer Sejmwahl, die am 8. Januar stattfinden soll, mit großem Eifer. Die Mehrheit der Bevölkerung ist obiger Ouele zufolge gegen die Wahl. Da die Polen sich isoliert fühlen, ziehen sie Wähler aus Polen zur Verstärkung heran. Den Litauern ist die Wahlagitation unmöglich gemacht. Die Wahllisten sind immer noch nicht veröffentlicht. Nach einer Meldung der Litauischen Wilnaer Zeitung „Vilnietis“ hat die polnische Regierung von Wilna ein Dekret erlassen, wonach jeder mit Gefängnis bestraft wird, der andere auffordert, an der Wahl nicht teilzunehmen.

Rumänien. Das Amtsblatt veröffentlicht ein Dekret, durch das die Vorzensur für Zeitungen und Zeitschrif

1u“

5.

fübrt werden. Im Staatshaushaltsplan ist vorzuschreiben,

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¹ 8

ten im ganzen

Königreich, ausgenommen in den Militärzonen an der Grenze, abgeschafft wird. Verboten sind jedoch Artikel mit An⸗ griffen gegen die Krone, das Heer und die alliierten Mächte oder solche Artikel, die zum Aufruhr auffordern und die öffent⸗ liche Ordnung gefährden. ] 6G

8

Amerika. Der Ausschuß der Washingtoner Konferenz für den ernen Osten hat eine Entschließung angenommen, die sich 88 die eventuelle Zurückziehung der fremden Truppen aus China ausspricht, und der Erhöhung des chinesischen Zolltarifs auf 5 vH zugestimmt. G 1

Nach aus italienischer Quelle nimmt Italien die Resolution Root an, die den Unterseebooten untersagt, Handelsschiffe anzugreifen.

Das Kongreßmitglied Britten hat einen Antrag eingebracht, in dem der Präsident Harding aufgefordert wird, auf der Abrüstungskonferenz die sofortige Zurückziehung aller alliierten Truppen aus Deutschland zu beantragen. Britten erklärt, daß dadurch jährlich 125 Millionen Dollar erspart werden könnten und Deutschland in die Lage versetzt werden würde, diese Summe zu Reparationszahlungen zu ver⸗ wenden. 1“

11

Parlamentarische Nachrichten.

Der Entwurf eines Gesetzes über einen Sonder⸗

stock zu 6 und zur Selbstbewirt⸗

schaftung bei den 1. Hütten⸗ und Salinen⸗ etrieben

ist nebst Begründung vom preußischen Staatsministerium dem Landtag zur Beschlußfassung vorgelegt worden. Er lautet, wie folgt:

§ 1.

(1) Ueberschüsse, die sich beim Betriebe der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung ergeben, sind, soweit sie den Betrag von 20 Millionen Mark übersteigen, zur Bildung oder Ergänzung eines Sonderstocks zu verwenden. Werden die Betriebsanlagen der Berg⸗ werks⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung auf Kosten der allgemeinen Staatseinnahmen erweitert, so erhöht sich der Betrag von 20 Millionen Mark um eine sechsprozentige Verzinsung der aufgewendeten Kosten. Derartige Erhöhungen sind durch den Haushaltsplan festzulegen. G

(2) Im 28 der Unzulänglichkeit des Sonderstocks können ihm ferner außerordentliche Rücklagen für den im § 2 Nr. 1 bezeichneten Zweck durch den Haushaltsplan oder durch besondere Gesetze zuge⸗ mit welchen Sätzen solche außerordentlichen Rücklagen zu Lasten der Betriebe zu verzinsen und zu tilgen sind.

§ 2.

(1) Die Rücklagen in den Sonderstock werden mindestens zur Hälfte einem Ausgleichsfonds zugeführt, bis dieser die Höhe von 200 Millionen Mark erreicht oder wieder erreicht hat. Der Aus⸗ gleichsfonds ist in nachstehender Reihenfolge zu verwenden:

1. zur Ergänzung des Ueberschusses beim Betriebe der Berg⸗ werks⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung auf den durch das Gesetz oder den Haushaltsplan bestimmten Betrag,

2. zur Erstattung von außerordentlichen Rücklagen in den Sonder⸗ stock 1 Abs. 2). b .

.(2) Reichen die Bestände des Ausgleichsfonds nicht aus, um seine Verwendung nach Nr. 1 zu erfüllen, so werden sie durch Ueber⸗ weisungen nach § 1 Abs. 2 um den erforderlichen Betrag erhöht.

. 9 Die Beträge, welche den Höchstbestand des Ausgleichsfonds von 200 Millionen Mark übersteigen, sind nach § 4 zu verwenden.

§ 3. (1) Die andere Hälfte der Rücklage 18 einem Abschreibungs⸗ fonds zu, jedoch dürfen die Rücklagen nicht mehr betragen als 1 vH vom Werte des Grundbesitzes und der Gerechtsame, 5 v0 vom Werte der Schacht⸗ und Grubenbaue, 8 vH vom Werte der Gebäude und Betriebsanlagen, 15 vH vom Werte der Geräte. Für die Höhe der Anlagewerte ist die Gesamtbilanz des Betriebsberichts maßgebend, der für das Jahr aufgestellt ist, in welchem die Ueberschüsse ent⸗ standen sind.

(2) Die Mittel des Abschreibungsfonds können zur Ergänzung

und Erweiterung der Betriebsanlagen, zum Erwerb von Grundbesitz

und Gerechtsamen verwendet werden, soweit Mittel für diese Zwecke

im Haushalt nicht oder nicht in ausreichender Höhe bereitgestellt sind.

(3) Solange der Ausgleichsfonds nicht 200 Millionen Mark er⸗ reicht hat, werden dem Ausgleichsfonds die ganzen Rücklagemittel

überwiesen, welche nicht nach § 3 Abs. 1 für Abschreibungszwecke

erforderlich sind.

§ 4. (1) Soweit nach Erfüllung der in den §§ 2 und 3 bezeichneten Zweckbestimmung noch Rücklagemittel verfügbar sind, werden diese je zur Hälfte einem Wohlfahrts⸗ und einem Ertragsfonds zugeführt.

Der Wohlfahrtsfonds ist für die Zwecke der sozialen Fürsorge für

Arbeiter, Angestellte, Beamte und Hinterbliebene der staatlichen Bergwerks⸗, Hütten⸗ und Salinenbetriebe zu verwenden und soll die für diese Zwecke für den Haushalt bereitgestellten Mittel ergänzen. (2) Der Ertragsfonds dient zur Verstärkung der Deckungsmittel im Haushaltsplan. 81 5.

Im Falle eines dringenden allgemeinen Staatsbedarfs kann durch den Haushalt bestimmt werden, daß ein über die Grenze von 20 Mil⸗ lionen Mark hinausgehender Betrag des Ueberschusses von der Ueber⸗

weisung an den Sonderstock auszunehmen ist.

§ 6.

(1) Der Sonderstock wird vom Finanzminister verwaltet.

(2) Der am Jahresschluß verbleibende Bestand ist zur Verwendung in die folgenden Jahre zu übertragen. .“

(3) Die Einnahmen und Ausgaben des Sonderstocks sind in einer Anlage zur Uebersicht von den Staatseinnahmen und ⸗ausgaben jedes Rechnungsjahres nachzuweisen. Ueber die Verwendung des stocks ist jedes Jahr nach dem Schluß des Rechnungsjahres dem Land⸗ tage Rechenschaft zu geben. 8 7.

(1) Die Verwendung des Sonderstocks zu den in den 8 3 und 4 bezeichneten Zwecken der Ergänzung und Erweiterung owie der Wohlfahrtspflege erfolgt durch den Finanzminister und den Minister für Handel und Gewerbe. 8

2) Im übrigen wird die Ausführung des Gesetzes dem Finanz⸗ minister uüͤbertragen.

§ 8. Dieses Gesetz tritt mit Feekah. vom 1. April 1920 in Kraft, jedoch ist dem Sonderstock erstmalig der den Haushaltsanschlag über⸗ steigende Betrag des Ueberschusses des Rechnungsjahrs 1919 beim Betriebe der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung zuzuführen.

In der beigegebenen Begründung wird ausgeführt: 1. Die Gesamtüberschüsse beim Betriebe der Bergverwaltung

haben sich in den letzten zehn Jahren, wie folgt, gestaltet: G 1 nach dem Etat: nach der NG .“

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Stetigkeit der Betriebserträgnisse für den allgemeinen

Sonder⸗

So erheblich die Schwankungen der tatsächlichen Ergebnisse in den , hh die gewesen sind, noch größer waren die Unterschiete zwischen dem Soll und Ist eines und desselben Jahres. Im Rech. nungsjahre 1918 z. B. hat sich eine Spannung zwischen Etat und Rechnung von 88 Millionen Mark, im Jahre 1919 von 82 Milllionen Mark ergeben. Eine solche Gestaltung der Haushaltungsergebnisse, wie sie in früheren Jahren unbekannt war und schwerlich für möglich gehalten worden wäre, läßt es notwendig erscheinen, die dadurch her⸗ vorgerufenen Schwankungen in den Ergebnissen des allgemeinen Staatshaushalts möglichst abzuschwächen. Der Betrieb der Bergverwaltung ist in einem Grade von den wirtschaft⸗ lichen Verhältnissen und anderen bei der Aufstellung des Vor⸗ anschlags nicht vorauszusehenden Zufälligkeiten abhängig, daß er aller Wahrscheinlichkeir nach auch in den nächsten Jahren derartigen Schwankungen, deren Rückwirkung höchst unerwünscht ist, unterliegen wird. Es liegt nghe, zum Schutz hiergegen einen Ausgleichsfonds in ähnlicher Weise zu schaffen, wie er für die Eisenbahnverwaltung durch das Gesetz vom 3. Mai 1903 gegründet worden ist. Indessen sind die Vorschriften dieses Gesetzes nicht ohne weiteres für die Berxg⸗ verwaltung in ihrem gegenwärtigen Stande anwendbar. Vor allem empfiehlt es sich nicht, den Ausgleichssonds der Bergverwaltung so stark mit dem übrigen Staatshaushalt zu verknüpfen, wie dies das Gesetz vom 3. Mai 1903 getan hat. Der vorstehende Gesetzentwurf will in erster Linie die Schwankungen in den Betriebserträgen der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung durch eine Fondsbildung, welche den hier gegebenen Verhältnissen gerecht wird, auszugleichen trachten. .

2. Der Entwurf versucht, mit dem Bestreben, eine größere haltsplan herzustellen, andere Zwecke zu verbinden, deren Lösung für die Berg⸗ und für die Finanzverwaltung schon lange erwogen wurde, aber jetzt dringlich ist. Zunächst soll der Sonderfonds das Mittel dazu bieten, den Betrieben der Bergverwaltung die Bewegungs⸗ freiheit zu sichern, welche sie unter den veränderten wirtschaftliche Verhältnissen unbedingt brauchen. Die Aufstellung des Voran schlags für die Bergverwaltung erfolgt auf Grund von Vorarbeiten und Feststellungen, welche bereits fast ein Jahr vor Beginn de Wirtschaftsperiode gemacht werden, Bis der Etat in Krat tritt, haben sich die Verhältnisse so sehr verschoben, daß die Regierm welche den Etat einbringt, davon überzeugt ist, daß seine Zahe auch nicht annähernd mehr der Wirklichkeit entsprechen. Die 88 sind, daß die Kassenetats bei den Lokalinstanzen nicht mehr als Richt⸗ schnur für die Bewirtschaftung dienen, daß viele Hunderte von An⸗ trägen auf Etatsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben gestellt und genehmigt werden müssen, und daß die Unterschiede zwischen Soll⸗ und Istergebnissen immer größer werden. Noch ehe der Etat vom Landtag beraten und angenommen worden ist, hatte die Bergverwaltung im Rechnungsjahre 1920 z. B. bereits Ueber⸗ schreitungen von 23 Millionen Mark du verzeichnen und kündigte weitere wirtschaftlich notwendige Etatsüberschreitungen in größerem Umfange an. Die Genehmigung von Etatsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben ist, soweit nicht ausnahms⸗ weise ein Nachtrags⸗ oder Ergänzungsetat eingebracht wind, das einzige Mittel, um neue Bedürfnisse der Be⸗ triebsverwaltungen befriedigen zu können. Nach gesetzlichen Vorschriften können aber Etatsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben nur unter bestimmten eingeschränkten Voraussetzungen ge⸗ nehmigt werden, insbesondere nur dann, wenn die Unaufschiebbarkeit und dringliche Notwendigkeit nachgewiesen sind. Für Ausgaben, die nur erwünscht sind, um den Betrieb zu verbessern oder ergiebiger zu gestalten, können allgemeine Staatsmittel im Laufe des Rechnungs⸗ jahres schon deswegen nicht bereitgestellt werden, weil über deren Ver⸗ wendung durch den Etat und die Rechnung bindende Vorschriften erlassen worden sind. Diese Beschränkung lähmt die Beweglichkeit der Betriebsverwaltungen des Staats und hindert sie oft daran, eine gute Konjunktur oder eine günstige Kaufgelegenheit usw. auszunutzen. Dieser Mangel ist es hauptsächlich, welcher das Verlangen nach kaufmännischem Geist bei den Betriebsverwaltungen hervorgerufen hat und erhalten wird. Bei privaten Unternehmungen können Vermehrungen der Betriebs⸗ mittel, Erweiterungen und Ergänzungen der Anlagen usw. aus den Geldmitteln vorgenommen werden, welche alljährlich auf die Anlage⸗ konten abgeschrieben werden. Bei den Staatsbergwerken haben da⸗ gegen die Abschreibungen, welche in deren Bilanz erfolgen, nur am formelle und statistische Bedeutung. Sie geben den Unker⸗ nehmungen nicht die Mittel in die Hand, um die Anlagmn zu ergänzen und auszugestalten. Der Entwurf versucht, das bi⸗ herige System der formellen Abschreibnngen bei den Staatsberg⸗ werken umzuwandeln in das Prinzip materieller Abschreibungen und aus den Mitteln, welche hierdurch gewonnen werden, einen Fonds zu bilden, der der Verwaltung zur Selbstbewirtschaftung über⸗ wiesen werden soll. Die Anforderung der notwendigen Ausgaben im Ordinarium und im Extraordinarium der Bergverwaltung wird hier⸗ durch nicht überflüssig gemacht, vielmehr sollen die Mittel des Ab⸗ schreibungsansatzes nur dazu dienen; im Etat nicht oder nicht in aus⸗ reichender Höhe genehmigte Ausgabemittel bereitzustellen. Dadurch würde die Verwaltung zunächst die freie wirtschaftliche Beweglichkeit gewinnen und es würden zugleich bürokratische Umständlichkeiten und Erschwernisse wegfallen können. Die Bestimmungen über die Aus⸗ gaben, welche zu Lasten des Abschreibungsansatzes geleistet werden können, sind absichtlich so weit gefaßt wie nur eben möglich. Ins⸗ besondere ist in ihnen auch keine Einschränkung auf Ausgaben, die unvorhergesehen oder notwendig sind, enthalten.

3. Der Entwurf geht noch einen Schritt weiter und will eine Analogie zur Finanzgebarung der privaten Bergwerksunternehmungen herstellen. Die leitenden Gedanken sind hierbei folgende: Der Fiskus hat zunächst wie ein Hypothekengläubiger oder wie ein Inhaber von Obligationsverschreibungen der privaten Unternehmungen einen An⸗ spruch auf eine feste Rente seiner Anlagekapitalien, die in dem Berg⸗ werksbetriebe stecken. Diese vorweg aus den Betriebseinnahmen zu bestreitende Rente beträgt 20 Millionen Mark und ist alljährlich in dieser festen Höhe in den Etat einzustellen. Der Betrag 8 20 Millionen Mark ist, wie folgt, berechnet worden: Die eaen überschüsse der Bergbetriebe betragen nach der oben angegebenen Tabe e nach dem Etatssoll der Jahre 1913 bis 1919 (bon dem außer⸗ ewöhnlichen und bereits jetzt als sachlich unrichtig erkannten Etat⸗ fol für 1920 tann abgesehen werden) durchschnittlich mindestens 18,3 und höchstens 27,7 Millionen Mark. Da Saarbrücken wegfällt, er⸗ scheint es angemessen, mit einem bleibenden Ertra⸗ süberschuß von 20 Millionen Mark zu rechnen. Dies würde zugleich auch Se Verzinsung von rund 5 vH des buchmäßigen Anlage⸗ 8— Betriebskapitals der gesamten Betriebe (ohne Saarbrücken, entsprechen. Die Ueberschüsse, soweit sie 20 Millionen Mar übersteigen, fließen und zwar sowohl die Ueberschüsse des Etats wie die der Rechnung dem Sonderstock zu. Ausgleichs⸗ und Abschreibungszwecke sind in ihrer Hedeutung gleichartig. Die Rücklagen sind daher je 8 Hälfte für beide Zwe u verwenden. Ihrem Wesen nach sind beide Zwecke aber ö5 schieden. Ausgleichsrücklagen sind nur so lange geboten, bis ein au 9 reichender Betrag aufgesammelt ist, welcher voraussichtlich für n Periode des wirtschaftlichen Rückgangs von etwa fünf Jahren de Zuschußbedarf decken kann. Unter Zugrundelegung des angenommenbe Zuschußbedarfs im Haushalt für 1920 von rund 40 Millionen ergibt sich die Zahl von 200 Millionen Mark. Es ist dies übrigens

Abschreibungen

1903 vorgesehen war. 88 begrenzen. Für außer⸗

sbcset vam 68 88 vs ind na oben prozentual zu G 8 ordentliche Abschreibungen besteht einstweilen kein 8 dürfnis. Nach Erfüllung der Ausgleichs⸗ und Abschreibung⸗ zwecke bleiben Mittel frei, welche je zur Hälfte der über die ge 89 lichen Vorschriften hinausgehenden sozialen Wohlfabrtspflege Die als eine Art Dividende dem Staatsganzen zufließen sollen. da Analogie zu den Bilanzen der Privatunternehmungen wird siemlic deutlich. Es könnte eingewendet werden, daß bei dieser Verteilungs 8 sowohl die produktive Tätigkeit wie der Fiskus zu kurz kämen un niemand etwas erhielte, weil für Feweleics. und Abscfrelbungfnzg

Ule Ueberschüsse verbraucht würden. iese Auffassung ist g 1 Fberscha maus wirtschaftlichen Gründen en h leichs⸗

Iunberechtigt, d

ttaatsbaushalt oder nach gesetzlicher;

bher Entwurf

dieselbe Zahl, welche auch für den Eisenbahnausgleichsfonds im

er Ausfu

reibungszwecke vor der Gewinnausschüttung an Arbeiter und r erfolgen. 4 1ee; Jahre (Rechnungsjahr 1920) würde sich die Rechnung stelle: Dem Sonderstock ist erftmalig gemäß § 8 des Gesetzes Mehrüberschuß des Rechnungsjahres 191 in Höhe von etwa 0 Millionen Mark zuzuführen. Auf die einzelnen Fonds des 4 ocks verteilt sich der Betrag wie folgt: Der Ausgleichs⸗ vnds erhält zunächst gemäß § 2 Abs. 1 die Hälfte = 50 Mil⸗ vnen Mark. Der Abschreibungsfonds erhält gemäß § 3 b- 1 die andere Hälfte mit der Einschränkung, daß die agen h; mehr a vom Werte des Grundbesitzes und der rechtsame, 5 vH vom Werte der Schacht⸗ und Grubenbaue, 8 vH i Werte der Gebäude und Betriebsanlagen, 15 vH vom Werte der eräte betragen dürfen. Welchen Betrag diese Prozente ausmachen, t sich im Augenblick noch nicht genau angeben, besonders weil ber die Abgänge für Saarbrücken noch keine volle Klarheit herrscht. er Betrag beläuft sich schätzungsweise auf 20 Millionen Mark. emaß § 3 Abs. 3 fließen also (50.— 20 =) 30 Millionen Mark noch m Ausgleichsfonds zu. Der Wohlfahrts⸗ und der rtragsfonds erhalten nichts 3 Abs. 3 des Gesetzes). Bei iteren ausreichenden Ueberweisungen würden die Mittel des Wohl⸗ brtsfonds zur Verbesserung der Arbeiterwohnungen der staatlichen Perawerksbetriebe, zur Unterstützung der Knavppschaftsrenten⸗ pfänger usw. verwendet werden können. Die Mittel des Ertrags⸗ ds würden zur Verminderung etwaiger Fehlbeträge im allgemeinen ag orschrift zur Schuldentilgung verwenden sein. Zu Beginn des Rechnungsjahrs 1920 würden Sonderstocksfonds also einen Bestand aufweisen von

Ausgleichsfonds (50 + 30 =ꝛ2) 80 000 000

Abschreibungskonnsbes . .20 000 000

Wohlfahrts onds h1“ veeag;

Ertragsfonds. 11111. See. 4. Der nächste Vorteil des Gesetzentwurfs ist, daß sich der goatsbaushastsplan für 1920 um 58,3 Millionen Mark verbessert. bezweckt weiter, die entgegengesetzten Interessen b Fenvewaltung welche ihre Ueberschüsse sich erhalten und Verbeseerung der Betriebe perwenden möchte, mit denen Finanberwaltung, welche die Ueberschüsse möglichst stark Decung des allgemeinen Finanzbedarfs heranziehen muß, ebereinstimmung zu bringen. Um aber diese Interessen der anberwaltung auch durchführen zu können, wenn eine wesent⸗ se Veränderung der Finanzlage eintritt, ist im Gesetz die Klausel sesehen, daß die Grenze für die Rücklagepflichten gezogen wird ch einen dringenden allgemeinen Staatsbedarf. Der Zweck des sezes über einen Sonderstock für die Bergwerks⸗, Hütten⸗ und alinenbetriebe ist der einer Ueberleitung dieser ertragswirtschaft⸗ en Unternehmungen des Staates in freiere Bewirtschaftung. Die wierige Lage der Staatsfinanzen läßt es nicht mehr zu, daß staat⸗ he Ertragswirtschaften mit Zuschüssen rechnen dürfen, die die all⸗ meine Finanzverwaltung des Staates aus den für die Bevölkerung er erträglichen Steuerabgaben entnehmen muß. Vielmehr ssen diese staatlichen Wirtschaftsbetriebe bemüht sein, in jerer Selbstbewirtschaftung Erträgnisse zu erzielen, die die kuerlast der Bevölkerung vermindern. Darüber, wieweit die Los⸗ ung von den bisherigen Formen des Haushalts gehen muß oder die Ueberführung in andere Rechtsformen für den Staat und die uerzahler vorteilhafter ist, finden noch fortgesetzt Verhandlungen ist. Die Entscheidung wird unter anderem durch mannigfache hwierigkeiten auf dem Gebiete des Beamtenrechts, besonders in⸗ sen durch die zurzeit herrschende Ungewißheit auf steuerlichem biet erschwert. Denn nach den am 6. August 1921 veröffentlichten en Steuergesetzentwürfen des Deutschen Reichs besteht bei einer heramne der Rechtsform der Verwaltung der Staatsbergwerke die fahr, daß dem Preußischen Staat wesentlich größere steuerliche chteile erwachsen, als Vorteile zu erhoffen sind. 1

Im volkswirtschaftlichen Ausschuß des Reichs⸗ igs wüunde eine Reihe von Eingaben erledigt. Abg. Auf⸗ vser (Unabh. Soz.) berichtete über zahlreiche Entlassungen In Angestellten der ehemaligen Reichswerft in anzig. Für diese Leute gebe es keine Möglichkeit, in Privat⸗ Uungen unterzukommen, da sie durch ihre jahrzehntelange Be⸗ äftigung im Reichsdienst gegenüber den in Privatstellungen befind⸗ hee Angestellten einseitig geworden seien und zurzeit auch Ueberangebe von weitaus jüngeren Kräften bestehe,

daß sie einem furchtbaren Elend entgegensähen. Die vom Finanz⸗ nister gewährte Uebergangsgebühr im Höchstbetrage von zwei onatsgehaältenn reiche zur Linderung der Not bei weitem nicht aus. er Redner gab zu, daß allerdings die Anstellung der technischen Verwaltungsangestellten auf Privatdienstvertrag mit Monats⸗ gütung und sechswöchentlicher Kündigung erfolgt sei. Rechtlich tten sie also hinsichtlich ihrer Versorgung, sofern sie infolge geschrittenen Alters nicht mehr zur regelrechten Aus⸗ ung ihres Dienstes in der Lage seien, oder für sie ich Auflösung beziehungsweise Einschränkung des Dienstbetriebes e Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr bestehe, keinen gesetzlichen spruch auf Pensionierung oder Wartegeldsetzung wie die Beamten. Anbetracht der besonderen Umstände aber trat der Redner dafür daß von seiten der Reichsregierung für eine anderweitige Unter⸗ gung der zur Entlassung kommenden Angestellten bei anderen Be⸗ den gesorgt werden müsse oder ihnen eine angemessene Geld⸗ schädigung gezahlt werde. Der Regierungsvertreter er⸗ irte, das b werde sich bemühen, die be⸗ ffenden Angestellten unterzu ringen, und habe sich zu diesem Zweck ch bereits an das Reichsschatzministerium gewandt. Letzteres ne aber leider die Zusicherung einer Einstellung nicht abgeben, da eigene Betriebe nicht besitze. Das Reichsarbeitsministerium werde mehr seine Bemühungen bei anderen Stellen fortsetzen. Der zschuß stellte sich einmütig auf den Boden der Vorlage der enten und überwies die Eingabe der Regierung zur schleunigsten kücsichtigung. Weiter beschloß der Ausschuß, demnächst den setentwurf über den Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln Unen⸗ Nach Erledigung der übrigen Eingaben vertagte sich

uß.

Der wirtschaftsvolitische Ausschuß des Reichs⸗ ttschaftsrats beschäftigte sich mit dem Gesetzentwurf er die Erhebung einer Abgabe bei der Ausfuhr n Waren. Der Vertreter des Reichswirtschafts⸗ nisteriums führte zur Be ründung aus: Der Entwurf be⸗

„die Erhebung einer Ausfuhrabgabe von der Ausfuhrkontrolle eennen und ihr eine eigene gesetzliche Grundlage zu geben. Bis⸗ konnte die Ausfuhrabgabe gemäß § 6 der Verordnung über

uͤßenhandelskontrolle vom 20. Dezember 1919 nur erhoben bing wenn eine Ware unter Kontrolle gestellt war. Diese bbindung mit der Ausfuhrkontrolle hat eine Reihe von hwierigkeiten und besonders die Unhbilligkeit zur Folge, 88 einer unterschiedlichen Behandlung der ausfuhr⸗ vokenen und der ausfuhrfreien Waren liegt. Es bedeutet ferner evermeidbare Beläftigung des Handels, wenn Ausfuhrverbote ein⸗

lührt oder aufrecht erhalten werden müssen, lediglich um die Er⸗

fc einer Abgabe zu ermöglichen. Die Ausfuhrabgabe muß daher

gesetzliche Grundlage erhalten, die sie einheitlich regelt und grodie, ausfuhrfreien Waren ausdehnt, fodaß, wenn einmal die Laussetzungen zur Erhebung einer beträchtlichen Abgabe gegeben ge 4g6 Waren erfaßt werden können, die eine Belastung ver⸗ ihn. Der Tarif, nach dem die Ausfuhrabgabe erhoben und der - §4 spefestens bis zum 1. Juni d. J. als besonderer Gesetz⸗ wurf vorgelegt werden soll, wird so gestaltet werden, daß er vn en Schwankungen der Devisenkurse und der Marktlage düccht schnell anpassen läßt, wie es nach der bisherigen Entwicklung er ductabgabe notwendig erscheint; bis zum Inkrafttreten dieses bt b arifs soll grundsätzlich der bisherige Tarif weiter gelten, falls achen esondere Umstände eintreten, die eine Aenderung notwendig

rabgabe in Zeiten der sinkenden Mark von allen Seiten

anerkannt, während die Ansichten

n der Erörterung wurde die Hersfhtigung der Erhebung

über die Ausfuhrkontrolle ausein⸗ andergingen. Gerade darum wurde der Gesetzentwurf, der beide Gebiete trennt, einstimmig an enommen, nachdem die egierung gegenüber Bedenken in Einzelfragen der Durchführun des Gesetzes zugesichert hatte, daß der Reichswirtschaftsrat vor Erla der Ausführungsbestimmungen gehört wird. Die weiter vorgelegten beiden Gesetzentwürfe über die blieferung von Ausfuhrdevisen und über die un⸗ mittelbare Erfassung von Ausfuhrdevisen gehen zurück auf eine Note des Garantiekomitees vom 17. November 1921, die in Ausführung von Artikel 7 Absatz 2b des Zahlungsplans zum Ultimatum vom 5. Mai 1921 verlangt, 1. daß die deutsche Regierung die notwendigen Maßnahmen treffe, um die an die Außenhandels⸗ stellen ergangenen Weisungen Pieglic festzulegen, mit dem Ziele, einen ausreichenden Teil der durch die Ausfuhr anfallenden aus⸗ ländischen Devisen zur Verfügung der deutschen Regierung zu stellen, 2. daß die deutsche Regierung gesetzliche treffe, die es ermöglichen, die im Zahlungsplane vorgesehene unmittelbare Er⸗ hebung der 25 % igen Abgabe vom Werte der Gesamtausfuhr sofort in Kraft zu setzen, falls das Garantiekomitee dies wünschen sollte. Das Gesetz über die Ablieferung von Ausfuhrdevisen soll demnach an dem gegenwärtig in Uebung befindlichen Verfahren grundsätzlich nichts ändern, sondern lediglich die vom Garantiekomitee verlangte besondere gesetzliche Unterlage schaffen. In der Erörterung hrachten die Arbeitgebervertreter zum Ausdruck, g der Gesetzentwurf über Ablieferung von Ausfahrdevisen in seiner Formulierung der Begründung widersprechend weit über den bis⸗ herigen Zustand hinausgehe und wirtschaftlich undurchführbar sei. Ihnen schloß sich ein Vertreter der christlichen Gewerkschaften an, während die anderen Arbeitnehmer hervorhoben, daß es sich im wesentlichen um eine Wiederholung der alten Devisenordnung handle, und für den Entwurf eintraten. Mit neun gegen acht Stimmen wurde dann folgender Abänderungsantrag Keinath an⸗ genommen: § 1. Der Reichskommissar für Aus⸗ und Einfuhr⸗ bewilligung kann die im § 1 der Verordnung über die Außenhandels⸗ kontrolle vom 20. Dezember 1919 vorgesehene Einfuhr ewilligung von der Bedingung abhängig machen, daß Zahlungsmittel und Forde⸗ rungen, welche auf die in der Ausfuhrbewill igung bezeichnete Auslands⸗ währung lauten, in Höhe des in der Bewilligung genannten Wertes oder eines Teils dieses Wertes der Reichsbank oder den von ihr zu bestimmenden Stellen anzubieten sind. § 2. Der Reichskommissar für Aus⸗ und Einfuhrbewilligung erläßt die erforderlichen Ausfuhrbestimmungen mit der Maßgabe, daß das Aufkommen von insgesamt 25 vH des Wertes der Ausfuhr im Sinne des Art. 6 VII, Abs. 2 B des Zahlungsplans zum Ultimatum vom 5. Mai 1921 sichergestellt bleibt.’“ Die Aenderung hat den Sinn, daß die allgemeine Zwangserfassung des § 1 des Entwurfs (mit der Zulassung von Ausnahmen in § 3) verwandelt wird in eine Ermächtigung des Reichskommissars, weil dies dem augen⸗ blicklichen Zustand tatsächlich entspricht. Die so veränderte Vor⸗ lage wurde mit neun gegen drei Stimmen angenommen. Zu dem zweiten Entwurf über die unmittelbare Erfassung von Ausfuhrdevisen für Reparationsleistungen führte der Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums aus, daß die Re⸗ gierung hoffe, ohne diese unmittelbare Erhebung die zur Abführung von 25 vH des Wertes der Ausfuhr an das Garantiekomtee erforder⸗ lichen Devisen sich heschaffen zu können, so daß es nicht notwendig werde, von der durch dieses Gesetz erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen, deren Folge eine wirtschaftliche Katastrophe wäre. Der Entwurf wurde mit neun gegen acht Stimmen angenommen. Eine Anfrage der Mitglieder Mey und Genossen, betreffend Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden, die den sächsischen und bayerischen Verbrauchern böhmischer Braun⸗

kohlen durch die Preiserhöhung für diese Kohlen

entstehen, wurde vom Vertreter des Reichswirt⸗ schaftsministeriums dahin beantwortet, daß Maßnahmen der gegenüber der Tschecho⸗Slowakei nicht angängig erscheinen. Er wies hierbei darauf hin, daß die Ausfuhr böhmischer Kohle nach Deutschland auf ein Drittel des Friedensstandes gesunken ist, so daß die rein wirtschaftlichen Verbältnisse der Tschechen zu einer Aenderung ihrer Preispolitik drängen. Der Vertreter des Reichs⸗ kohlenkommissars machte eingehende Angaben über die Ver⸗ sorgung der betroffenen Gebiete mit deutschen Briketts. Trotz der Verkehrsschwierigkeiten seien 70 bis 80 vH der aufgestellten Kontingente geliefert worden.

In der ersten Sitzung des sozialpolitischen Aus⸗ schusses des Reichswirtschaftsrats im neuen Jahre widmete der Vorsitzende dem verstorbenen Mitgliede des Ausschusses Profec or Dr. Ernst Francke, e der Gesellscheft für soziale

eform, einen ehrenden Nachruf. Der vnsfcha erhob sich zu Ehren des Verstorbenen von den Sitzen. odann nahm der Ausschuß nach Zurückstellung einiger Punkte der Tages⸗ ordnung den Bericht seines Arbeitsausschusses über den Ent⸗ wurf eines Arbeitszeitgesetzes entgegen. Der Berichterstatter der Arbeitnehmer bezeichnete den Gesetz⸗ entwurf als un eeignet, die Grundlage für eine allgemeine Regelung der Arbeitszeit zu bilden, wie sie von Arbeitnehmerseite schon lange gefordert werde. Der Arbeitsausschuß habe sich daher entschlossen, die Beratungen abzubrechen und eine grundsätzliche Ent⸗ scheidung des Plenums des sozialpolitischen Ausschusses über die weitere Behandlung des Gesetzentwurfs herbeizuführen. Der Berichterstatter der Arbeitgeber erklärte die Bereitschaft seiner Abteilung, weiter an dem Entwurf mit⸗ zuarbeiten. Er lalte diese Weiterarbeit aber, nur für fruchtbar, wenn der Unterausschuß bestimmte Richtlinjen für seine Beratungen empfange, und zwar hinsichtlich der Nichteinbeziehung der im Gesetz schon ausgenommenen Kategorien. Unter dieser Voraussetzung beantrage er Zurückverweisung des Gesetzentwurfs an den Unter⸗ ausschuß. Es entwickelte sich eine sehr lebhafte Aussprache über die weitere Behandlung des Entwurfs. Die Regierung wies auf die ee hin und bat um baldigen Abschluß der Beratungen. Die Arbeitgeber wollten die Beratung des Gesetzes nicht auf die bereits im 8 4 bezeichneten Arbeitnehmerkategorien erstreckt wissen, während die Arbeitnehmer auf der allgemeinen Regelung be⸗ standen. Zur Annahme gelangte mit 15 gegen 13 Stimmen folgender Antrag von Arbeitgeberseite: „Der scozialvolitische Ausschuß beschließt, daß der Unterausschuß das von der Regierung vorgelegte Gesetz weiter berät, aber in den Kreis seiner Beratung die Erweiterung des Gesetzes auf die ausgeschlossenen Kategorien der Arbeitnehmer nicht aufnimmt. Der sozialpolitische Ausschuß hält es aber für erforderlich, daß die Regierung möglichst bald Gesetzentwürfe für die in das Gesetz nicht eingeschlossenen Kate⸗ orien vorlegt, insbesondere für gewerbliche Angestellte. Ahbge⸗ ehnt wurde ein Antrag, der weitere Sachverständigen⸗ vernehmungen und interimistische Einbringung eines Reichs⸗ notgesetzee zur Verlängerung der Gesetzeskraft der zurzeit geltenden Verordnungen forderte, sowie ein anderer Antrag, der den vorliegenden Entwurf als ungeeignet bezeichnete und Schaffung eines einheitlichen Arbeitszeitgesetzes verlangte. Die Annahme des obigen Antrags hatte für die Arbeitnehmer nach ihren Erklärungen eine Lage geschaffen, die ihnen infolge der materiellen Bindung des Unter⸗ ausschusses bezüglich des § 4 des Gesetzentwurfs (Ausnahmen) eine weitere Mitarbeit nicht möglich erscheinen ließ. Der Ausschuß lehnte nach längerer Aussprache einen Antrag auf Ueberweisung des Arkbeit⸗ geberantrags an das Plenum ab und beschloß, zur Klärung der strittigen Fragen eine zweite Beratung vorzunehmen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Ueber die Teuerung im Deutschen Reiche im Monat Dezember 1921

teilt das Statistische Reichsgamt mit: Obwohl mit der Steigerung

der Kaufkraft der Mark zu Beginn des Monats Dezember die Groß⸗

handelspreise zurückgingen, hat sich die Aufwärtsbewegung der Kosten

der Lebenshaltung vom November zum Dezember infolge des vor

1“

arbeitete Lindenholzfigur einer knienden

gehenden Sturzes der Reichsmark weiter fortgesetzt. Nach den Be⸗ rechnungen des Statistischen Reichsamts, denen die Ausgaben für Ernährung, eizung, Beleuchtung und Wohnung nach dem Stande pon Mitte Desenber zugrnde liegen, ist die Reichsindexziffer für die Lebens⸗ haltungskosten vom November zum Dezember von 1397 auf 1550, demnach um 153 Punkte oder 11 vH gestiegen. Gegenüber der entsprechenden Ziffer für Dezember 1920 beträgt jetzt die Steigerung 66 pH und gegenüber dem Mai, dem billigsten Monat des vergangenen

ahres, 76,1 vH. Stärker als in den Vormonaten hat zu dieser Steigerung im Berichtsmonat die Erhöhung der Kosten für Heizung und Beleuchtung beigetragen, während die Wohnungsmieten nur in verhältnismäßig wenigen Gemeinden anzogen. Daneben wurden aber auch weitere, teils be⸗ trächtliche Steigerungen für Lebensmittel festge⸗ stellt. Die eense für die Ernährungsausgaben allein, die im November sich auf 1914 belaufen hatte, ist um 174 Punkte oder 9,2 vH auf 2088 gestiegen. Zu der Erhöhung der Ernährungsausgaben trugen im Berichtsmonat fast sämtliche Lebens⸗ mittel bei. Die Preise für Brot, Nährmittel, Hülsenfrüchte und be⸗ sonders Fleisch zogen erneut an, auch Gemüse, Kartoffeln, Eier wurden wiederum teurer. Die Preisbewegung für Fette war (bis Mitte Dezember) nicht einheitlich. (W. T. B.).

Frankreichs Bevölkerungsrückgang.

„Die größte, man könnte sagen: einzige Gefahr, die Frankreich gegenwärtig bedroht, ist seine Entvölkerung“, beginnt ceine Mitteilung in der „Presse médicale“ (1921, Nr. 87). Die Zahlen sprechen allerdings deutlich. Das Departement Gers zählte 1790 268 800 Ein⸗ wohner; 1846 zeigte sich trotz der Kriege, der Revolution usw. ein Aufstieg um 46 000, von 1872 bis 1911 ein Sinken von 284 717 auf 221 994, also ein Rückgang um 62 000 Einwohner in günstigen Friedensjahren. Calvados zählte 1806 505 420, 1911 396 318 Ein⸗ wohner, das Departement La Manche 1822: 594 000, 1826: 611 000, 1911: 476 000 Einwohner. Das Seine⸗Marnedepartement steht nur ewgr günstiger da: 1811: 303 000, 1911: 361 000. Es stand aber chon 1861 auf 354 000 und hat sich also im wesentlichen in 50 Jahren fast auf derselben Höhe gehalten; 1921 zählte es 345 000 Einwohner. Die Geburtenziffer stellte sich 1811 auf 33 %⸗, 1911 auf 18 %%, die Sterblichkeitsziffer 1811 auf 22 % , 1911 auf 18 % Es betrug die Geburtenzahl 1859: 1 010 000, 1913: 745 000, 19194 450 000. Wenn man die Ziffern der Heiraten und Geburten der Jahre 1920/21 be⸗ trachtet, so sieht man, daß die Heiraten zahlenmäßig wohl um das Doppelte gegen die Vorkriegszeit zugenommen haben, während die Geburtenzahl nur die Höhe derjenigen von 1913 neigt. (Nach der

„Umschau“.) Wohlfahrtspflege.

Zur Verteilung an notleidende Kinder in Deutschland und Oesterreich hat die Kinderwelt in Fehan wie „W. T. B.“ berichtet, durch Sammlungen und gesell⸗ chaftliche Veranstaltungen den Betrag von 1 300 000 zusammen⸗ gebracht, die ein dort bestehendes Komitee durch Vermittlung der Deutschen Ueberseeischen Bank in Teilbeträgen hohen kirchlichen Würdenträgern und Oberbürgermeistern in einigen deutschen Städten (Berlin, Breslau, Dresden, Hamburg) und in Wien sowie ver⸗ schiedenen Wohltätigkeitsanstalten hat aushändigen lassen.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs 8 maßregeln.

Dem Reichsgesundheitsamt ist der Ausbruch der Mau und Klauenseuche vom Schlachtviehhof zu Leipzig am 4. Januar 1922 gemeldet worden.

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Kopenhagen, 5. Januar. (W. T. B.) Da die andauernd vereinzelt vorkommenden Fälle von Maul⸗ und Klauenseuche die Ausfuhr von lebendem Vieh und Fleisch erschweren, hat das Landwirtschaftsministerium in einer Bekanntmachung vom 5. Januar die Ausfuhr von lebendem Rindvieh usw. aus See⸗ ’18 a d und die Zufuhr nach der Gegend nördlich des Limfjords ver⸗

oten.

Die kunst, und kulturgeschichtlichen Sammlungen des Ger⸗ manischen Nationalmuseums in Nürnberg sind in letzter Zeit um mehrere hervorragende Werke vermehrt worden, über die Professor Dr. F. T. Schulz in dem „Anzeiger“ des Museums berichtet. Erwähnt sei von den neuen Erwerbungen zunächst die Sandstein⸗ figur eines Heiligen Königs aus einer Gruppe der An⸗ betung der Heiligen drei Könige, die vormals ihre Stelle am Portal einer unterfränkischen Kirche hatte. An dieser über ein Meter hohen, mit einem langen pelzbesetzten Mantel bekleideten Figur, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts geschaffen sein dürfte, ist das Antlitz, auf das die ganze Kraft des Künstlers konzentriert zu sein scheint, das Bemerkens⸗ werteste. In weichen Wellenlinien wallt der Bart bis auf die Brust herab, die stark herausgesetzten Backenknochen, der geöffnete, nach rechts etwas herabhängende Mund, die eingesunkenen Wangen, die tiefliegenden Augen, die Falten an der Nasenwurzel zeugen von guter Beobachtung und vereinigen sich zum Ausdruck des Senilen, Schlaffen, Matten, wie er kaum besser gedacht werden kann. Ein weiterer 7 unterfränkischen Plastik ist ein Sandstein⸗ putto, eine legorie auf den Herbst. Die kleine, in Würzburg erworbene Skulptur mit dem kecken, lustigen Ausdruck im Antlitz, der selbstbewußten Schrittstellung und den weichen quellenden Formen ist ein echtes Kind des Rokoko und dürfte als ein Werk des Würz⸗ burger Hofbildhauers Ferdinand Dietz († 1780) zu bezeichnen lein. Den besten Werken der bayerischen Rokoko⸗Holzplasttk ist die vollrund ge⸗ adonna zuzuzählen, die aus dem Wiener Kunsthandel erworben wurde und Be il einer leider auseinandergerissenen Verkündigungsgruppe ist. Die mit einem roten Gewand bekleidete, von einem blaßblauen Mantel um⸗ flatterte, jungfräulich⸗zarte und edelgeformte Gestalt mit feingeschnitienem, ovalem Antlitz, die gespreizten Hände über der Brust gekreuzt. repräsentiert das auf Eleganz und Anmut, vor allem aber auf seelisch Durchdringung gerichtete Streben der Zeit um 1760. Prof. Schulz weist die Figur, an der die Schönheit der Form uud die individuell meisterlich Behandlung zu bewundern ist, dem Umkreis des Münchener Bildhauers Franz Ignaz Günther, eines Schülers des Hofbildhauers Straub, zu, von dem sich Statuen und Altäre in Rott, Weyarn, Starnberg und Gmund befinden. Weiter verdienen von den neuen Erwerbungen ein Hanauer Waschservice und ein geritztes Nürn⸗ berger Glas genannt zu werden. Ersteres, wohl noch der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert angehörend, besteht aus einer oval geformten Schüssel mit radial vom Spiegel wegstrebenden Ver⸗ tiefungen und einer in Anlehnung an spätbarocke Silbergeräte vornehm gestalteten Kanne, deren in Kobaltblau und lichtem Blau wechselnde Malerei gegen die weiße Glasur prächtig absteht. Charakteristisch für Hanau ist die freie Behandlung des wohl von japanischen Blauporzellanen entlehnten ostasiatischen Darstellungsmotivs an der oberen Wandung der Kanne und im Spiegel der Schässel, charakteristisch auch die geschickte Verteilung von Figuren, Blumen und Häusern. Den Randdekor der Schüssel bestimmen in maß⸗ gebender Form über Kreuz symmetrisch angeordnete Blumenbukettg. Das zylindrische, von drei Kugelfüßen getragene Nürnbenser Glas ist die bedeutendste Erwerbung der Gläsersammlung des! useums in den letzten Jahren. Vier Bäume gliedern die Wandung in eben⸗ soviele Felder. Die schlanken Stämme bilden die vertikale Be⸗ grenzung, während die Kronen sich beiderseits zu laubenartigen Bal⸗ dachinen wölben. In den Lauben selbst befinden sich die Darsiellungen der vier Jahreszeiten, die durch Beischriften ausdrücklich als 84 bezeichnet werden. Darunter ein geschlosseneh sich um