1922 / 9 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Jan 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Ueber einen neuen Verteilungsschlüssel für die

Reparationszahlungen verbreitet das „Journal“ folgende Mitteilungen: Von der ersten Goldmilliarde, die Deutschland im Jahre 1921 bezahlt hat, soll England 450 Millionen, Belgien 519 Millionen und Italien 31 Millionen erhalten. Von den 720 Millionen Goldmark, die Deutschland im Jahre 1922 bezahlen soll, soll England 199 Millionen erhalten, von denen es Frankreich 139 Millionen zinslos leihen foll. Den Rest soll Belgien erhalten. Sach⸗ lieferungen sollen von Deutschland nunmehr in höherem Maße verlangt werden, als bis jetzt vorgesehen ist, und zwar für 1250 Millionen Goldmark an Frankreich, für 180 Millionen an England, für 240 Millionen an Italien, für 125 Millionen an Belgien, für 7 Millionen an Japan und für 28 Millionen an die anderen Alliierten.

Wie eine amtliche Mitteilung über die Bildung des Internationalen Syndikats besagt, hat der Oberste Rat gestern abend folgende Entschließung angenommen:

Der Oberste Rat billigt die Bildung eines internationalen Syndikats und angegliederter Syndikate, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas unternehmen und die Zusammenarbeit aller Nationen bei der Wiederherstellung der normalen Wohlfahrt sicher⸗ stellen sollen, und stimmt dem zu, daß ein aus zwei brilischen, zwei französischen, einem italienischen, einem belgischen und einem

javanischen Delegierten bestehender Ausschuß sofort gebildet und mit den notwendigen Befugnissen betraut wird, sich die Vertreter anderer Länder anzugliedern, um 1. den Plan im Einzelnen zu prüfen, 2. alle notwendigen Voruntersuchungen nzustellen, 3. zur Bildung des zentralen Syndikats und der an⸗ egliederten Syndikate zu schreiten, damit die Arbeiten der verschiedenen Organisationen so schnell wie möglich beginnen können, 4. der Konferenz on Genua über die erzielten Fortschritte Bericht zu erstatten, und .alle Vorschläge, sei es einer der interessierten Regierungen, sei es der Konferenz von Genua zu unterbreiten, die nach seiner Ansicht 8 sind, dem Syndikat oder der Konferenz von Genua nützlich zu sein. Die im Obersten Rat vertretenen Regierungen verpflichten sich, verzüglich zehntaufend Pfund Sterling oder deren Gegenwert in leichen Teilen aufzubringen, die für den Organisationsausschuß be⸗ immt sind, und jeden möglichen Beistand sowohl dem Organi⸗ ationsausschuß als auch dem Syndikat zu leisten. „Der Interalliierte Ausschuß, der die Bedingungen festsetzen soll, unter denen die Konferenz in Genua zu⸗ sammentreten wird, hat gestern vormittag unter dem Vorsitz Loucheurs seine erste Sitzung abgehalten. Er hat den Text der Einladungen festgelegt, die an die verschiedenen Mächte ge⸗ richtet werden sollen. Eine besondere Mitteilung wird an die 8ee. ergehen, in der deren Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Verpflichtungen hingelenkt werden soll, die der Oberste Rat von ihr zu verlangen beschlossen hat. Der e hat ferner das Programm der Arbeiten der Konferenz von Genua aufgestellt, das ausschließlich ökonomische und finanzielle Fragen umfaßt. An der Spitze der Tages⸗ ordnung steht die Annahme der in der Resolution des Obersten Rats vom 6. Januar aufgeführten Bedingungen.

Der russische Kommissar für auswärtige Angelegenheiten Tschitscherin hat dem Obersten Rat einen Funkspruch zu⸗ 8 lassen, in dem er erklärt, die Wahl von Genua als Ort

er Wirtschaftskonferenz bringe Schwierigkeiten mit sich. Er verlange von der Konferenz, daß sie anstatt Genua London be⸗ stimme. Diese Mitteilung, die in alliierten Kreisen für ziemlich unangebracht gehalten wird, soll der „Agence Havas“ zufolge unbeantwortet bleiben.

Die ordentliche Parlamentssession ist gestern eröffnet worden. Die Sitzung des Senats wurde durch den Alterspräsidenden Denis mit einer chauvinistischen Ansprache eröffnet, in der er u. a. behauptete, daß Deutschland anstatt ehrlich seine Kriegsschulden abzutragen, wie Frankreich 1871, sich seinen Verpflichtungen entziehe und alles tue, um seine Regierungen bankerott zu machen. In Frankreich sei durch neue schwere Steuern das Jahresbudget verfünffacht und die Eisenbahntarife seien auf das Doppelte erhöht. Deutschland hingegen habe in flagranter Weise den Versailler Vertrag verletzt und von seinen Steuerzahlern nicht die gleichen Opfer verlangt. Frankreich sei am Ende seiner Opfer angelangt. Es sei unmöglich, neue Steuern auszuschreiben.

Die Kammer wurde durch den Alterspräsidenten Sieg⸗ fried eröffnet, der in seiner Rede ebenfalls auf Deutschland hinwies, und u. a. sagte, auch nach der Eins ränkung der Ausgaben sei das französische Budget eine schwere Last, aber die französische Finanzlage bessere sich, und, wenn Deutschland seine Verpflichtungen erfülle, könne Frankreich schon heute, ohne neue Lasten für seine Steuerzahler, die sonst unter dem Gewicht der Steuern zusammenbrächen, das Gleichgewicht wiederfinden. Raoul Peret wurde wiederum zum Präsidenten der Kammer gewählt.

Wie das „Journal“ mitteilt, haben die Abgeordneten Bonnefon, Galli und Ferri angekündigt, daß sie nach endgültiger Konstituierung des Büros der Kammer, also heute, eine Enischließung einbringen werden, in der sie von der Regierung verlangen: Die genaue Achtung des Versailler Vertrags, die Aufrechterhaltung des Londoner Zahlungsplans und Gaxantie der belgischen

riorität. Ein weiterer Antrag ist von den rechts⸗ stehenden Abgeordneten Daudet und Magne einge⸗ bracht worden, durch den die Kammer die Regierung auf⸗ fordert, die Rechte Frankreichs nicht durch Abkommen und Pakte, die offenkundig gegen den Friedensvertrag von Versailles und gegen die Regierungserklärungen vor dem Parlament verstoßen, zu verletzen. Schließlich richtete der Ab⸗ geordnete Klotz an den Ministerpräsidenten Briand ein Schreiben, in dem er ihm mitteilt, er werde ihn über die Widersprüche interpellieren, die süsgehen gelnen letzten Er⸗ klärungen vor dem Parlament und der Haltung der fran⸗ Fafüschen Regierung auf der Konferenz von Cannes zu bestehen

einen.

Der Finanzausschuß hat gestern einen Antrag des Berichterstatters de Lasteyrie durchberaten, in einer Tages⸗ ordnung die tiefe Beunruhigung zum Ausdruck zu bringen über die neuen Nachlässe an den Re⸗ parationszahlungen Deutschlands, die in Cannes bewilligt werden sollen. Der sozialistische Abgeordnete Varenne erhob Widerspruch gegen ein derartiges Manöver in Abwesenheit des Ministerpräsidenten. Sein Antrag, die Angelegenheit auf der Kammertribüne zu erledigen, wurde mit 12 gegen 5 Stimmen ahgelehnt. In einer am späten Abend abgehaltenen zweiten Sitzung hat dann der Finanz⸗ ausschuß mit 23 gegen 2 Stimmen folgende Tagesordnung angenommen:

Der Finanzausschuß, beunruhigt über die Aenderungen, die die Konferenz von Cannes an dem Recht Frankreichs auf die Reparationen vornehmen will, und erregt über die ernsten Nachwirkungen, die daraus für den Wiederaufbau der befreiten Gebiete und die Wiedererhebung unserer Finanzen entstehen könnten, erinnert die Regierun die Verpflichtung, die sie übernommen ha 8 1

Eine ähnliche Errzsang wie im Kammerausschuß für Finanzen soll auch im Kammerausschuß für Aus⸗ wärtige Angelegenheiten geherrscht haben, der ebenfalls tagte und folgende Entschließung annahm:

Die Kammer fordert die Regierung auf, weder eine neue Herab⸗ setzung an der französischen Schuldforderung nach dem Zahlungsplan vom 8 Mai 1921, noch irgend eine Neuerung an der belgischen

böriorität oder Einschränkung der Bürgschaften, die Frankreich zuge⸗ ichert sind, vornehmen zu lassen,

Der Ministerpräsident Briand beantwortete die Ent⸗ schließung des Finanzausschusses der Kammer in einem Tele⸗ gramm, in dem erklärt wird, die Konferenz habe das Re⸗ parationsproblem noch in keiner Vollsitzung behandelt. Er sehe deshalb nicht ein, auf welche Nachrichten der Finanz⸗ ausschuß seine Befürchtungen habe aufbauen können, Ihm liege daran, zu bestätigen, daß er, wie er in der Kammer ge⸗ sagt habe, keine Schmälerungen der Rechte Frank⸗ reichs zulassen werde. 8 8 Spanien. 1

Einer Havasmeldung zufolge hat vorgestern in Madrid die erste Sitzung der französisch⸗spanischen Kom⸗ mission für die Regelung der gegenseitigen Zoll⸗

verhältnisse stattgefunden. Schweiz.

Die Tagung des Völkerbundsrats wurde gestern nachmittag vom Präsidenten Hymans⸗Belgien mit einer kurzen öffentlichen Sitzung eröffnet, in der zunächst drei Be⸗ richte des Generalsekretärs des Völkerbundes, Sir Erik Drum⸗ mond, über die deutsch⸗polnischen Verhandlungen, die Arbeiten der Kommission für Paktabänderungen und den internationalen Gerichtshof genehmigt wurden. Der Bericht über die deutsch⸗polnischen Verhandlungen beschränkt sich auf eine kurze Darstellung der bekannten Tat⸗ sachen. Doch fügt Sir Erik Drummond hinzu, daß nach den letzten Nachrichten die Verhandlungen einen sehr be⸗ Verlauf nehmen, worauf auch der Präsident es Völkerbundsrats Hymans seine Genugtuung über den Gang der deutsch⸗polnischen Beratungen aussprach. Hierauf wurde noch ein Bericht des Marquis Imperiali⸗ Italien genehmigt, nach dem die Beschlüsse der letzten Völkerbundsversammluug über die Blockade als vorläufige Richtlinien bis zur endgültigen Ratifizierung der end⸗ sprechenden Paktänderungen anerkannt und den Völker⸗ bundsmitgliedern empfohlen werden. Darauf trat der Rat in die weitere Tagesordnung unter Ausschluß der Oeffentlichkeit ein. Ueber diesen Teil der Sitzung veröffentlicht das Völker⸗ bundssekretariat folgende Mitteilung: Auf Vorschlag des chinesi⸗ schen Vertreters Tang Taai⸗fu wurde beschlossen, mit der Rechnungsprüfung für den Haushalt des Völkerbunds für das Jahr 1922 die Sachverständigen der holländischen Regierung zu betrauen. Schließlich genehmigte der Rat die Geschäfts⸗ ordnung der Mandatskommission. 1

Schweden.

Der Reichstag trat gestern zusammen. Zum Präsidenten der Ersten Kammer wurde Graf Hugo Hamilton und zum räfihgnten der Zweiten Kammer Viktor Larsson⸗Västeras gewählt.

Tschecho⸗Slowakei. - Im Justizministerium haben gestern nach einer Meldung des „Tschecho⸗slowakischen Pressebüros“ unter dem Vorsitz des

Sektionschefs Dr. Spira Verhandlungen mit Vertretern des Deutschen Reichs über die Regelung der Rechtshilfe in Zivil⸗ und Strafsachen begonnen.

In der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses gab der Ministerpräsident und Minister des Aeußern Dr. Benesch auf die Anfrage eines Abgeordneten, betreffend das Abkommen mit Oesterreich, laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgende Erklärung ab:

Er habe keinen Fbeigmen Vertrag mit dem früheren österreichi⸗ schen Staatskanzler Dr. Renner abgeschlossen. Es seien damals in Form eines Protokolls, dessen Inhalt durch ein offizielles Kom⸗ munigué veröffentlicht worden sei, die Richtlinien der beiden Staaten festgelegt. Es sei kein zwischenstaatlicher Vertrag und insbesondere kein Geheimvertrag. Das Einvernehmen hätte zur Grundlage, daß beide Staaten auf dem neuen System in Zentraleuropa beharren und wirtschaftlich und politisch Gegner jedweder Staatsform seien, die eine Erneuerung des alten Regimes darstellen würde. Das Abkommen, das gegen jeden Plan der Bildung einer wirtschaftlichen oder politischen Föderation gerichtet sei, richte seine Spitze gegen jedes Bestreben, die Restauration der Habsburger zu verwirklichen. Es habe keinerlei militärische Verpflichtungen gezeitigt; es sei nur vereinbart, daß beide Staaten wohlwollende Neutralität bewahren würden, wenn ein Angriff auf einen von ihnen von dritter Seite unternommen werden würde. Die Richtlinien dieser Politik wären also gegen keinen Staat gerichtet. Das Pro⸗ tokoll sei dem Völkerbund nicht vorgelegt worden, weil es nach den Statuten des Bundes nicht nötig sei. Es sei selbstverständlich, daß die in dem Protokoll wiedergegebene Auffassung Gewicht für jene hätte, die sie geäußert hätten. Der ehemalige Staatskanzler Dr. Mayer und der Bundeskanzler Dr. Schober hätten g. die erwähnten Richtlinien zu eigen gemacht. Zur Frage des Kredits für Oesterreich sagte der Ministerpraäͤsident, es sei eine Einigung darüber erfolgt, Oesterreich einen gewissen Kredit zu gewähren, damit es sich wirtschaftlich und valutarisch erholen könne. Dieser Kredit könne ein Konsum⸗ oder Finanzkredit sein, das sei Sache der Ab⸗ machung. Der Ministerpräsident stellte sodann fest, daß die Zeitungsmeldung über eine italienische karlistische Propaganda nicht auf Wahrheit beruht. Italien nnterstütze weder offiziell noch inoffiziell eine solche Propaganda, im Gegenteil sei der Standpunkt taliens in dieser Angelegenheit mit dem der Tschecho⸗Slowakei vollkommen identisch und auch die italienische öffentliche Meinung wünsche eine karlistische Propaganda nicht. Heste tliche weise gebe es in gewissen Staaten Kreise, die daran interessiert seien, durch derartige Nach⸗ 86 Mißtrauen zwischen der Tschecho⸗Slowakei und Jtalien zu saͤen.

Ein tschechischer Abgeordneter fragte den Ministerpräsi⸗ denten, ob bei den Verhandlungen mit Oesterreich auch die Frage des Anschlusses Oesterreichs an Deutschland oder wenigstens die Agitation besprochen worden sei, welche in Oesterreich noch immer gefördert werde. Hierbei erinnerte der Abgeordnete an die Erklärung des neuen deutschen Ge⸗ sandten in Wien, Dr. Pfeiffer, er werde es als seine vor⸗ nehmste Aufgabe betrachten, das Verständnis für den Anschluß Oesterreichs an Deutschland in der ganzen Oeffentlichkeit zu verbreiten. Darauf erklärte der Ministerpräsident diese Anfrage werde am besten ducch die Bestimmung des Friedensvertrags beantwortet, die bei den Verhandlungen mit Oesterreich stets berücksichtigt würde. Schließlich meinte der Ministerpräsident auf Bemerkungen über die Konferenz von Cannes, diese sei die wichtigste seit dem Versailler Frieden, er

Regierung nehme vorläufig einen zurückhaltenden und ch, wartenden Standpunkt ein und empfehle auch den Parteien, mit ihrem Urteil zurückzuhalten.

8 Griechenland.

Ei Untersuchungskommission des Völker⸗ bundes ist in Florina eingetroffen, um Vertreter der Be⸗ wohner von Nordepirus anzuhören, die ihr eine Denkschrift über die Griechenverfolgungen in Albanien übergaben und den Wunsch äussprachen, daß Nordepirus mit Griechenland ver⸗ einigt werde.

Rumänien.

Nach einer amtlichen Mitteilung hat sich die Prinzessin Maria von Rumänien mit dem König Alexander von Südsflawien verlobt.

Parlamentarische Nachrichten.

In einer gemeinsamen Sitzung der beiden Steueraus⸗ schüsse des Reichstags nahm gestern, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, der Reichsfinanz⸗ minister Dr. Hermes das Wort zu folgenden Ausführungen: Meine Damen und Herren! Bereits in der Vollsitzung des Reichstags am 4. November vorigen Jahres habe ich betont, daß alles geschehen müsse, um unseren Verpflichtungen aus dem verlorenen Kriege soweit als möglich nachzukommen, und daß deshalb bei den Ihnen vor⸗ gelegten Stevergesegentwürfen davon ausgegangen worden sei, daß die steuerliche Belastung so weit angespannt werden müsse, als es mit der Aufrechterhaltung des Wirtschaftswesens irgend vereinbar sei. Die Ausschüsse des Reichstags haben inzwischen die Beratung der Entwürfe in erster Lesung vollendet, und ich möchte nicht per⸗ fehlen, den Ausschüssen den Dank der Reichsregierung dafür aus⸗ zusprechen, daß sie diese erste für das Wohl unseres Vaterlandes entscheidende Arbeit in verhältnismäßig kurzer Zeit erledigt haben. Aus den Verhandlungen und aus dem Geist, in dem sie geführt worden sind, glaube ich die Hoffnung schöpfen zu können, daß auch die weiteren Beratungen der Gesetzentwürfe zu einem Ergebnis führen, das der Finanznot des Reichs die mögliche Abhilfe schafft. Was nun das Ergebnis der Beratungen im einzelnen anlangt, so sind in einer Reihe von Gesetzentwürfen Aenderungen beschlossen worden, die deren finanzielles Ergebnis nicht unwesentlich beeinflussen. Die Reichsregierung muß mit Rücksicht auf die Ihnen bekannten Verhältnisse den größten Wert darauf legen, daß die bereits betonte Notwendigkeit der Ausschöpfung aller Steuerqueilen bis aufs äußerste tatsächlich erfüllt wird, und ich dan mir deshalb die dringende Bitte gestatten, die Beschlüsse der ersten Lesung in dieser Richtung einer Nachprüfung unter⸗ ziehen zu wollen. Die Wünsche der Reichsregierung in dieser Einsicht kann ich kurz, wie folgt, zusammenfassen: Die Zölle auf ö“ Tee und Kakao, deren Erhöhung in erster Lesung abgelehnt worden ist, müssen mindestens auf die vom

Reichswirtschaftsrat vorgeschlagene Höhe gebracht werden. Bei

10 vH notwendig sein. Bei der Biersteuer wird die Steuer⸗ begünstigung für Bier mit einem Stammwürzegehalt bis zu 9 vH. beseitigt werden und im übrigen der gesamte Ertrag aus der vorgeschlagenen Biersteuer voll dem Reiche zufließen müssen. Den Gemeinden wird daneben die Befugnis zur selbständigen Er⸗ hebung eines bestimmten Zuschlages einzuräumen sein. Die Zucker⸗ steuer, die in erster Lesung auf den Satz von nur 50 für den Doppelzentner erhöht worden ist, muß auf den im Entwurf vor⸗ geschlagenen Satz von 100 auf einen Doppelzentner gebracht werden. Bei der Kohlensteuer muß der größte Wert darauf gelegt werden, daß die vorgeschlagene Erhöhung auf 40 vH bewilligt wird mit der Maßgabe, daß je nach Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse eine - oder Erhöhung dieses Satzes eintreten kann. Gegen eine im Gesetz festgelegte Mitwirkung des Reichskohlenrats 298 dem Reichsrat bei einer solchen Maßnahme würden keine Bedenka bestehen, wenn im Gesetz der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung des Reichsrats entsprechend Rechnung getragen widd. Die Um fass hes soll nach den Beschlüssen in erster Lesung nut auf 2 vH erhöht werden. Diese Steuer bildet wegen ihres Erkrages das Rückgrat der vorgeschlagenen Finanzreform, und es muß deshalb aus finanziellen und auch aus sonstigen Gründen, die bereits in der 1. Lesung eingehend dargelegt worden sind, der größte Wert darauf gelegt werden, daß der im Entwurf vorgeschlagene Satz von 2 ½ vH auch tatsächlich Gesetzeskraft erlangt. Die Reichs regierung glaubt sich zu dieser Bitte um so mehr berechtigt, als sie der Ueberzeugung ist, daß auch dieser Satz wirtschaftlich tragbar ist. Auch sonst erscheint die Nachprüfung einzelner Ab⸗ änderungen, auf die ich hier nicht näher eingehen will, dringend ce boten. Bezüglich der Snss , k fen tuen. die in erstet Lesung gestrichen worden ist, wird zu erwägen sein, ob nicht doch det diesem Vorschlag zugrunde liegende berechtigte Gedanke vielleicht in der Weise durchgeführt werden kann, daß unter Beruück⸗ sichtigung des Vorschlages des Deutschen Städtetages ein Rahmen⸗ gesetz im Sinne des Entwurfs geschaffen wird, innerhalb dessen die Gemeinden für selbständige Regelungen befugt erklärt werden. Bei den Vermögenssteuergesetzen, die in verschiedener Hinsicht den Kernpunkt der Vorlagen bilden, sind ebenfalls wesent⸗ liche Aenderungen erfolgt. Ich möchte hierbei die Aenderungen der Bewertungsvorschriften der §§ 16 und 17 des Vermögenssteuergesetz⸗ entwurfs besonders hervorheben. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich die Hoffnung aussprechen, daß es in zweiter Lesung ge⸗ lingen möge, eine Lösung in dieser Frage zu finden, auf deren Boden eine breite Mehrheit dieses hohen Haufes treten kann. Der Tarif des Vermögenssteuergesetzs ist mit Rücksicht auf die in⸗ zwischen eingetretene Geldentwertung durch Auseinander⸗ ziehung der Steuerstufen abgeschwächt worden. Ich möchte an⸗ erkennen, daß eine Abänderung des Tarifs aus den angegebenen Gründen notwendig ist, es wird aber zu prüfen sein, ob gigfe Ab⸗ änderung in dem Umfange, wie sie in erster Lesung beschlossen ist, bestehen bleiben kann. Auch bei der Vermögenszuwachs⸗ steuer halte ich die weitgehende Ermäßigung des Tarifs nicht füt tragbar.é Will man die eingetretene Geldentwertung berücksichtigen, so würde es nach meiner Auffassung genügen, wenn für die erste Steuerstufe dieses Tarifs an Stelle von 100 000. 200 000 gesetzt werden. Ferner möchte ich mich dagegen aussprechen, daß, für jeden Veranlagungszeitraum 100 000 Vermögenszuwachssteuer freibleiben, und daß bei dieser Steuer das in erster Lesung beschlossene Kinderprivileg aufrecht erhalten bleibt. Bezüglich der Abgabe vom Vermögenszuwachs aus der Nachkriegszeit möchte ich bitten, bei den Bewertungsvofschriften (§§ 18 und 19) die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Die hiernach von mir erbetene Abänderung der Beschlüsse erster Lefung ist in ihrer finanziellen Wirkung sehr erheblich. Durch die Abstriche und Abschwächungen, die in erster Lesung an den Regierungsvorlagen gemacht worden sind, entstehen Ausfälle, die in folgender Weise zu schätzen sind:

bei der Kohlensteuer auf 4 bis 5 Milliarden,

bei der Füehfftnber auff 0,5 Milliarden, *

bei der Biersteuer auf (,2 Milliarden,

bei der Tabaksteuer auf 0,4 Milliarden,

bei den Zöllen us 1,5 Milliarden un

bei der Umsatzsteuer auf 5 Milliarden, mithin bei den Verbrauchssteuern auf rund 12 Milliarden. Bei den drei Vermögenssteuern ist eine Schätzung des Ausfalles nicht möglich, weil eine sichere Ertragschätzung fehlt und Unterlagen für Einreihung des Vermögens bezw. des Vermögenszuwachses in die einzelnen Stufen der Tarife fehlen. Die Ausfälle dürften jedovch auch bier erheblich sein. Schon mit Rücksicht auf diese finanzielle Wirkung darf ich wiederholt die dringende Bitte an Sie richten, meinen

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empfehle jedoch, die wirklichen Ergebnisse abzuwarten. Die

Anregungen Folge geben zu wollen. Gestatten Sie, meine Herren,

orden

lüc zwanzigmal so hoch sind als im Frieden, mit nur noch fünf

Mark abgestimmte Gesetz der Kaufkraft der Mark jetzt angepaßt

iinfolge der Geldentwertung diesem Einkommen jetzt entsprechende

rrccten. Die Einkommensteuer ist also hier der verminderten Kauf⸗

der Tabaksteuer wird die Herabsetzung der Ermäßigung der Steuersätze für Zigaretten und für Fscnüht von 20 auf höchstens

z /c bei dieser Gelegenheit ein kurzes Wort anfüge über die Ab⸗ baß zung des Einkommensteuergesetzes, da dieselbe im Auslande zum Hngfrmngr abfälligen Kritik unterzogen worden ist. Diese Kritik ist pol⸗⸗ zändig unberechtigt. Sie trägt nicht dem Umstand Rechnung, daß die 9 diesem hohen Haus einstimmig beschlossene Aenderung des Ein⸗ anmensteuergesetzes dadurch ein Gebot der Notwendigkeit geworden 8 daß die Kaufkraft der Mark seit dem Zeitpunkt, in dem der ur⸗ weüngliche Tarif der Einkommensteuer aufgestellt worden ist, eine swsfentliche Senkung erfahren hat. Der ursprüngliche Tarif der Ein⸗ kommensteuer stammt aus dem Jahre 1919 bis 1920. Bei dieser Aufstellung war auf die Geldentwertung fast gar keine Rücksicht ge⸗ nommen worden. Seitdem ist die Entwertung der Mark nicht nur nach ihrer ausländischen, sondern ganz besonders nach ihrer inländischen Kaufkraft infolge der immer stärker werdenden Angleichung der Inlandspreise an die Weltmarktpreise außer⸗

tlich groß geworden. Heute ist der internationale Wert der Mark etwa 2 bis 3 Pfennige; die inländische Kaufkraft wird in Berück⸗ schtigung der Umstände, daß die inländischen Preise jetzt durchschnitt⸗

Friedenspfennigen angenommen werden können. Demgemäß besitzen die Markeinkommen nur noch den 20. Teil ihrer Friedenskaufkraft, so daß also jetzt ein Einkommen von 50 000 nach seiner Kauf⸗ kaft einem Friedenseinkommen von 2500 entspricht. Unter diesen Umständen mußte das im wesentlichen auf die Friedenskaufkraft der

werden. Bereits im März 1921 ist eine Ermäßigung der Einkommen⸗ steuer für Einkommen bis zu 100 000 gewährt, und im Dezember v. J. mußte „der weiter vorgeschrittenen Geldentwertung die Ermäßigung auf sämtliche Einkommensklassen ausgedehnt werden, wenn hierbei auch insbesondere bei den höheren Einkommen der minderen Kaufkraft nicht in vollem Umfange Rechnung getragen werden konnte. Wählt man das von mir erwähnte Beispiel, so hatte ein Einkommen von 2500 nach dem ursprünglichen Einkommen⸗ steuertarif 270 oder 10,8 vH an Einkommensteuer zu zahlen. Das

Einkommen von 50 000 hat jetzt ebenfalls nur 10 vH zu ent⸗

zaft der Mark voll angepaßt. Ein Einkommen von 10 000 hätte nach dem ursprünglichen Tarife 14,5 pH zu entrichten gehabt; das entsprechende Papiermarkeinkommen im Betrage von 200 000 dat jetzt 22,75 vo Einkommensteuer zu entrichten. Hier ist die Ermäßigung der Einkommensteuer asso nicht voll dem Rück⸗ gang der Kaufkraft gefolgt. Ein Einkommen von 50 000 bitte nach dem ursprünglichen Tarife 27,2 vH zu entrichten, das entsprechende Papiermarkeinkommen von 1 Million hat aber jetzt 8 vH zu entrichten. Auch hier ergibt sich, daß die Geldentwertung sicht in vollem Umfange berücksichtigt ist. Die Ermäßigung der Einkommensteuer auf eine den Wertverhältnissen der Mark ent⸗ prechende,. Höhe wird nach Auffaßung der d eichsfinanzverwaltung de günstige Wirkung haben, das bei der bisherigen Süe. ordentlich hohen Belastung überall zutage getretene Bestreben der Steuerpflichtigen, das Einkommen auf legalem oder illegalem Kege der Besteuerung zu entziehen, einzudämmen. Trotz der enh die Geldentwertung gebotenen Senkung des Einkommensteuer⸗ luüfs ist zu erwarten, daß das im Etat für 1922 vorgesehene Auf⸗ ivonmen an Einkommensteuer im Betrage von 23 Milliarden Mark min⸗ detens erreicht wird, da mit Rücksicht auf die eingetretene Geldentwertung uch durchweg die nominelle Höhe der Einkommen in Mark außer⸗ denlich gestiegen ist und durch diese Steigerung der Markeinkommen näßigung der Steuersätze zweifellos ausgeglichen wird. Im

üngen möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Selungnahme eines Teils der ausländischen Presse gegenüber der in Dezember beschlossenen Maßnahme nicht der Auffassung ent⸗ seicht, die bei anderen Gelegenheiten von ausländischen Sach⸗ mständigen über die deutsche Steuerbelastung ausgesprochen worden st Bereits auf der Brüsseler Finanzkonferenz ist auf die starke lUivbannung der direkten Steuern in Deutschland hingewiesen woörden, und vor einiger Zeit hat ein bekannter französischer Sach⸗ versändiger sich in dem Sinne ausgesprochen, daß die direkten Steuern in Deutschland zu hoch seien und daher nicht voll eingingen. Pat die Erhebung der Einkommensteuer anlangt, so ist, we bereits wiederholt in diesem hohen Hause mitgeteilt wurde, mit den gößten Nachdruck von seiten des Reichsfinanzministeriums dahin gerah worden, daß die Veranlagung zur Reichseinkommensteuer für das Rchnungsjahr 1920 alsbald zum Abschluß kommt. Nach den vorliegenden Berichten der Landessinanzämter ist damit zu rechnen, daß diese Vermmagung bis Ende d. M. fast überall vollendet ist. Dann vird auch die Fedane der Einkommensteuer folgen, und es werden noch den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes auf Grund der Veranlagung für 1920 selbsttätig die Vorauszahlungen für die weiteren Rechnungsjahre eintreten, so daß auch dann diejenigen Ein⸗ kommen, die nicht dem Lohnabzug unterliegen, in gleicher Weise wie diese rechtzeitig ihre Steuer leisten. Ferner ist Anordnung getroffen worden, daß an die Veranlagung der Einkommensteuer für das Rechnungsjahr 1920 sich unmittelbar die Veranlagung zur Einkommen⸗ steer für das Rechnungsjahr 1921 anschließt, die dann spätestens bis Mitte 1922 zu Ende geführt sein muß. Dadurch hoffe ich, daß in ter Veranlagung der Einkommensteuer der Turnus erreicht wird, der wtwendig ist, um ein regelmäßiges Fließen dieser Steuer zu ermoͤglichen. Voraussetzung hierfür ist freilich, daß im Jahre 1922 die Steuer⸗ behörden, deren Ueberlastung und Arbeitsleistung ich durchaus an⸗ erkenne, nicht durch neue steuerliche Maßnahmen in einer Weise gestört werden, die den Fortgang der bisherigen Arbeiten I macht. Aus diesem Grunde sst auch vorgesch agen worden, die Vermögens⸗

1 jeuer erst im Jahre 1923 erstmals zu erheben, um im Jahre 1922 wenigstens in bezug auf die Schaffung neuer Steuern den Steuer⸗ ehörden eine Atempause zu gewähren, die es ihnen ermöglicht, in diesem Jahre die vorhandene große Arbeit zu bewältigen und einen Zusammen⸗ tuch zu vermeiden. Wegen der Geschäftslage bei den Steuerbehörden

muß ich die Bitte an Sie richten, von neuen steuerlichen Maßnahmen über die Vorschläge der Reichsregierung binaus absehen zu wollen, da diese, selbst wenn sie innerhalb kurzer Frist in Gesetzesform gebracht werden könnten, unter keinen Umständen von den Steuerbehörden durch⸗ zuführen wären. Es würden hierdurch nur Gesetze geschaffen, die auf dem Papier stehen und dem Reiche und der Finanzverwaltun im Aus⸗ und Inlande aufs neue den Vorwurf zuziehen würden, da in Deutschland zwar Steuern geschaffen, aber nicht eingezogen werden. Das Jahr 1922 muß für die Reichsfinanzverwaltung ein Jahr der inneren Konsolidierung ihres gesamten Betriebes sein, da hierin die aste und wichtigste Voraussetzung für ein starkes und regelmäßiges Fließen der Steuerquelle liegt. Nach eingehender Geschäfts⸗ ordnungsdebatte wurde die Vertagung der Beratungen der vereinigten Steuerausschüsse bis zu einem Zeitpunkte beschlossen, der im Ein⸗ vernehmen mit der Regierung von dem Vorsitzenden bestimmt wird.

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Die Deutschnationale Fraktion des Reichstags hat bei dem Vorsitzenden des Ausschusses für auswärtige 8 ngelegenheiten beantragt, den Ausschuß zum Zwecke er Herbeiführung einer Auskunft der Regierung über die Verhand⸗ ungen in Cannes sofort einzuberusfen.

she Ter Verfassungsausschuß des Reichswirt⸗ aftsrats setzte in seiner Sitzung am 10. Januar seinen rbeitsplan für die kommende Zeit fest. Bis zum 24. Januar ollen die Vorschläge der Gruppen und Abteilungen für die Ge⸗ staltung des Unterbaues der Bezirkswirtschafts⸗ käte, insbesondere der bestehenden Berufskammern eingereicht werden. er Arbeitsausschuß des Verfassungsausschusses wird sich mit den frsch lägen am 28. Januar beschäftigen und versuchen, danach einen an für den Unterbau auszuarbeiten. Die nächste Sitzung des Ver⸗ assungsausschusses wird dann Mitte Februar d. J. stattfinden. sei Bisher liegen nur die Vorschläge von Arbeitnehmer⸗ geite vor, die, wie folgt, lauten: „Zur Frage des Unterbaues der

Pezirp. ¹ 5 5 4. 727 Bezirkswirts aftsräte wolle der Verfassungsausschuß beschließen:

gestellt werden, sind die für Handel und Industrie, Handwerk und Landwirtschaft bestehenden Kammern so umzugestalten, daß sie jenem Rätesystem, welches nach Art. 165 der Reichsverfassung den Arbeit⸗ nehmern nhrüchberechtigge Mitwirkung mit den Unternehmern an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte gewährleisten soll, als Unterstufe dienen können. 2. Die Einflußnahme der Kammern auf die Gestaltung der Wirtschaft sowie der sie betreffenden Einrichtungen und Gesetze ist bisher einseitig dem Unternehmertum zugute gekommen. Den Arbeitnehmern standen und stehen gleiche Möglichkeiten amtlicher Einwirkung nicht zur Verfügung. Zur Beseitigung dieser ungleichen Verhältnisse die Kammern aufzuheben oder ihrer amtlichen Bedeutun zu entkleiden, erscheint nach ihrer Bestimmung sowohl als auch nach ihren wirtschaftlichen Leistungen nicht erwünscht. Vielmehr ist als Unterbau von Räten für die Gesamtwirtschaft größerer Wirtschafts⸗ bezirke und des Reichs eine hinreichende örtliche, berufliche und innerhalb der Berufsgemeinschaften noch fachliche Gliederung, wie sie die Kammern in der uptsache bereits darbieten, ausdrücklich zu fordern. Die Kammern beseitigen, hieße wahrscheinlich in absehbarer Zeit sie mit wesentlich kaum veränderten Zwecken wiederherstellen müssen. 3. Die hiernach beizubehaltenden Kammern werden zu ihrem Teile die Gleichberechtigung der Arbeit⸗ nehmer dadurch verwirklichen müssen, daß diese von ihnen aufgenommen werden. Wirkliche Gleichberechtigung setzt dabei grundsätzlich Ge⸗ meinsamkeit des ganzen Aufgabenbereichs jeder Kammer zwischen ihren Arbeitgeber⸗ und ihren Arbeitnehmermitgliedern voraus. Für die Letztgenannten muß außerdem durch zahlenmäßig gleiche Ver⸗ tretungsstärke die sichtbare Möglichkeit, mehr noch die rechtliche Ueberzeugung gegeben sein, erforderlichenfalls die volle Hälfte des Einflusses auf Entscheidungen in der Hand sn aben. 4. Die beste Gewähr hierfür bieten einheitliche paritätische Wirt⸗ schaftskammern für Industrie und Handel, das Handwerk und die Landwirtschaft. Dazu gehört Einheit des Verwaltungsbetriebs, des Geschäftsgangs, der Geschäftseinrichtungen und der Unterbringung, Parität, wie in der Vollversammlung, so in der Besetzung des Vor⸗ stands, der Ausschüsse und der beamteten Geschäftsführung und in der Verwaltung von Sondereinrichtungen. 5. Die grundsätzliche Gemein⸗ samkeit aller Aufgaben zwischen Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmermit⸗ gliedern schließt nicht aus, daß einzelne 81. der alleinigen Zuständigkeit der Arbeitgeber⸗ oder der Arbei nehmerabteilung zuge⸗ wiesen, andere der vorzugsweisen Behandlung durch eine Abteilung oder deren Vertretung in dem Vorstande oder dem zuständigen Ausschusse nach Satzung pder Abrede überlassen werden. Im zweiten Falle muß die zunächst unbeteiligte Abteilung die Behandlung einer An⸗ gelegenheit als gemeinsame jederzeit verlangen können. Wo im übrigen neben den freien wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeit⸗ geber und der Arbeitnehmer die Kammern noch ein Bedürfnis nach getrennter Meinungsbildung oder Meinungsäußerung oder getrennter 11X“ von Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern haben könnten, soll das Gesetz den Kammern darin die Selbstbestimmung nicht beschränken. Für hieraus und für aus b“ eigenen Entschlusse erwachsende Aufgaben ist es auch unbedenklich, wenn eine Abteilung der gemeinsamen Wirtschaftskammer des Handwerks, der Landwirtschaft usw. als Teil⸗ kammer (z. B. Meisterkammer neben einer Gesellenkammer in der Wirtschaftskammer des Handwerks) auftreten will. 6. Die Bezirke der verschiedenen Kammern sind unter Berücksichtigung des von ihnen vertretenen Wirtschaftszweigs sowie der wirtschaftlich⸗gewerblichen Verhältnisse der Gegend größeren oder kleineren politischen Ver⸗ waltungsbezirken anzupassen. Zwergkammern sind mit benachbarten zusammenzulegen. 7. Kosten der Wirtschaftskammer, die nicht unter Gesichtspunkten des staatlichen Interesses von Reich oder Ländern getragen werden, sind auf die kammerpflichtigen Unternehmungen des Bezirks umzulegen.“ 1

Der Arbeitsausschuß des Vorläufigen Reichswirt⸗ schaftsrats für die Arbeitslosenversicherung hielt heute eine Sitzung. 8 8

Dem preußischen Landtag ist der Entwurf eine Gesetzes über die Vereinigung des zu Waldeck⸗ Pyrmont gehörigen Gebietsteils Pyrmont mit dem Freistaate Preußen nebst dem zugrunde liegenden Staats⸗ vertrage zwischen Preußen und Waldeck⸗Pyrmont vom 29. No⸗ vember 1921, einem Schlußprotokoll von demselben Tage und der amtlichen Begründung zu möglichst baldiger Beschlußfassung zugegangen. .

Im Frühjahr 1921 wurde, wie in der amtlichen Begründung mitgeteilt wird, seitens Pyrmonter Persönlichkeiten der Wunsch ge⸗ äußert, mit Preußen in Verhandlungen über einen etwaigen Anschluß des bisher waldeckischen Kreises Pyrmont an Preußen ein⸗ zutreten. Nachdem die waldeckische verfassunggebende Landes⸗ vertretung durch Einsetzung einer Anschlußkommission ge⸗ zeigt hatte, daß seitens Waldecks dem Wunsche der Ppr⸗ monter kein Hindernis in den Weg gelegt würde, beschloß das Staatsministerium, die Verhandlungen auf Grun der von der genannten Anschlußkommission vorgelegten „Anschlußrichtlinien“ auf⸗ zunehmen. Diese Verhandlungen haben am 29. November 1921 mit der Unterzeichnung eines Staatsvertrages nebst Schlußprotokoll ihren Abschluß gefunden. In dem Vertrage wird die Vereinigung Pyrmonts mit Preußen vorgesehen.

Das ehemalige Fürstentum Pyrmont der jetzige waldeckische Kreis gleichen Namens umfaßt 65,53 akm. Der Kreis besteht aus 11 Gemeinden, und zwar der Kreisstadtk Bad Pyrmont mit 2550 und 10 Landgemeinden mit insgesamt 7902 Einwohnern (Zählun vom 6. Oktober 1919). Die Bevölkerungsdichte beträgt demna rund 160 je Quadratkilometer. Der Kreis wird durchflossen von der Emmer, die in der Nähe von Hameln in die Wefer mündet. Im Emmertal verläuft die Bahnstrecke Altenbeken Hameln (-Hannover, Hildesheim- Braunschweig). .

Pyrmont Kbt in keinem räumlichen Zusammenhang mit Waldeck, es wird umschlossen von Hannover (Kreis Hameln), Westfalen Gne Lügde des Kreises Hörter), Braunschweig und Lippe. Seit 623 ist die Grafschaft in der Zwischenzeit in ihrem Umfange mehrfach verändert unter der Herrschaft der Grafen von Waldeck gewesen. Seit 1867 wird auf Grund des Akzessionsvertrags Waldeck und Pyrmont von Preußen verwaltet.

Wirtschaftlich ist die Bevölkerung im wesentlichen auf den Betrieb des Bades Pyrmont eingestellt. Die vier sogenannten Kurgemeinden Bad Pyrmont, Oesdorf, Holzhausen und Löwensen jeben von der Fremdenindustrie, die landwirtschaftliche Bepölkerung findet in dem Kurbezirk ihren Absatzmarkt. Das Bad, in den letzten Jahren vor dem Kriege bereits neuzeitlich ausgestaltet, verdankt seinen Welt⸗ ruf und lebhaften Verkehr in den jetzten Jahren wurden rund 20 000 Kurgäste jährlich gezählt den ausgezeschneten Heilfaktoren: Stahl⸗, Trink⸗ und Badequellen, kohlensäurehaltige Kochsalztrink⸗ quellen, Badesolen und Eisenmoorlager. Versuche zur Gewinnung einer Thermale werden von sachverständiger Seite als sehr aussichts⸗ reich bezeichnet, die Bohrarbeiten sollen noch in diesem Winter be⸗ onnen werden. 8 1“

1 Im uͤübrigen lebt die Beyölkerung in mittleren und kleinbäuer⸗ lichen Betrieben zum Teil unter recht schwierigen Verhältnissen „auf dem Berge“, den Hochflächen, die sich zwischen Emmer und Weser und nordwestlich der Emmer nach Lippe hinziehen (3 bis 400 m über der Talsohle). Eine gewisse Bedeutung bat noch die Tabak⸗ industrie, welche, wie in allen Orten des Kreises vorhanden, in 18 Betrieben einige hundert Arbeiter beschäftigt. Die Bevölkerung ist zum überwiegenden Teile evangelischen Glaubens; in Bad Pyrmont besteht außerdem eine katholische Gemeinde und eine Synagogengemeinde.

Bei der Auseinandersetzung mit dem ehemals Fürstlichen Hause ist das Domanium im wesentlichen auf den Staat übergegangen. Es wird als Sondervermögen getrennt für das Waldecker und Pyr⸗ monter Domanium verwaltet. Das jetztere, welches nach dem Vertrage auf Preußen übergehen soll, besteht vor allem in dem Bade Pyrmont und etwa 1900 ha Wald. Außerdem gehören dazu noch

„Vor Scha ung von Bezirkswirtschaftsräten und insbesondere, bevor

Zusammensetzung, Bezirke und Aufgaben derselben endgültig fest⸗

eihe kleinerer Grundstüͤche u. a, auch die beiden Meiereien

Kleinenberg und Butze, zwei ehemalige Betriebe,

langem in Parzellen an die Anlieger verpachtet sind. Das ehema Fürstliche Haus hat in g. s Schloß, die Hofgärtnerei und einige dazugehörige Grundstücke behalten. 8 Bei den Verhandlungen wurde seitens Pyrmonts erklärlicher⸗ weise besonderer Wert darauf gelegt, daß unter den neuen staatsrecht⸗ lichen Verhältnissen die Ausgestaltung des Bades nicht nur nich leide, sondern weitgehend gefördert werde. Auch wünschten die be⸗ teiligten Gemeinden, an der Verwaltung des Bades, von dessen Blühen sie vollständig abhängen, in stärkerem Maße als bisher be⸗ teiligt zu sein. Durch die Uebertragung des sechzigjährigen Nießbrauch an eine Aktiengesellschaft, in welcher Staat und Gemeinden je ei Drittel der Aktien, der Kreis und das private Kapital Pyrmonts j ein Sechstel besitzen, ist diesem Verlangen nachgekommen. Das Aktienkapital ist auf 4,5 Millionen Mark festgesetzt worden.

Weiterhin spielte das Schicksal des Waldes eine große Rolle Während die umliegenden Gemeinden der Nachbarländer zum größten Teil eigenen Waldbesitz haben, ist dieses in Pyrmon nicht der Fall; hier gehören die Forsten zum Domanium, lediglich umfangreiche Gabebolzgerechtigkeiten sichern einem Teil der B. völkerung den Holzbedarf. Aus forstwirtschaftlichen Gründen mußte der Vorschlag, den Domanialwald unter die einzelnen Gemeinden aufzuteilen, abgelehnt werden; eine derartige Zerreißung zusammen gehöriger Wirtschafteteile und die Zersplitterung des Walde in kleine Parzellen konnten nicht in Frage kommen, auch wären Ortschaften, in deren Gemarkung kein Wald liegt, dabei leer ausgegangen. Andererseits konnte aber auch der Staat auf die Ein⸗ nahmen aus dem Walde nicht gänzlich verzichten, dienen sie doch in erheblichem Umfange dazu, den Staatshaushalt im Gleichgewicht zu erhalten. Es wurde daher die Uebertragung des ganzen Forstbesitzes

gewählt und an den Reinerträgen der Staat zur Hälfte beteiligt.

Ferner ist der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Grenzen von Bergwerksfeldern nebst Begründung dem preußischen Landtag zur Beschlußfassung zugegangen.

Die Grenzen der Bergwerksfelder sind vielfach nicht so gezogen, daß diese eine den Zwecken des Bergwerksbetriebs entsprechende Form haben. Es kommt oft vor, daß aus diesem Grunde Feldesteile ungenützt liegen bleiben oder mit unnötigen Kosten von der un⸗ richti een Stelle aus abgebaut werden müssen. Eine Verständigung zwischen den beteiligten Bergwerkseigentümern über eine zweck⸗ mäßigere Regelung der Grenzen ihrer Felder kommt nur selten zustande. Ist dies schon in normalen Zeiten ein starker Miß⸗ stand, so drängt die gegenwärtige ernste Wirtschaftslage ganz be⸗- sonders dazu, einen Zwang zur Schaffung zweckmäßiger Feldesgrenzen einzuführen (bergrechtliche Flurbereinigung). Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit, die auch nach Ansicht des Reichswirtschafts⸗ ministeriums nicht bis zum Erlaß eines Reichsberggesetzes hinaus. geschoben werden kann. Der Grundgedanke des vorliegenden Gesetz. entwurfs hat in Bergbaukreisen fast ungeteilte Zustimmung gefunden.

Statistik und Volkswirtschaft.

Sparverkehr, Sparbücher, Kontokorrentverkehr und Beamtengehälter in der deutschen Spar⸗ kassenstatistik.

Wie alljährlich, hat der Generaldirektor der Landesbank der Frneg 28g H. Reusch, zum 1. Oktober hei den großen Spar. aassen eine Rundfrage gehalten, um eine Kontrolle gegenüber den auf Angaben der einzelnen Sparkassen beruhenden Monatzstatistiken zu bekommen, die in der „Sparkasse“, der Zeitschrift des Deutschen Spar⸗ kassenverbandes, zur Veröffentlichung gelangen. Dabei ist auch statistisches Material über Sparbücher, über den Kontokorrent⸗, Scheck⸗ und Girov⸗ verkehr und über die Zufuͤhrung von Beamtengehältern gesammelt worden. Aus den Antworten hat, wie Reusch in der „Sparkasse“ berichtet, sich wieder ergeben, daß die von ihm bearbeitete Mpnatsstatistik der deutschen Sparkassen, die nur möglichst schnell einen ungefähren Einblick in die Entwicklung gewähren soll und auch im „Reichs⸗ und Staatsanzeiger“ auszugsweise wiedergegeben wird, hinreichend genau ist. Nach den 888 die ländlichen Schätzungen in den Monatsstatistiken betrug die Zunahme der Spareinlagen in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Sep⸗ tember 1921 4650 Millionen Mark, worauf sie bis 31. Oktober auf 2850 und bis 30. November auf 950 Millionen zurückgegangen ist. Der E Spareinlagen bei den deutschen Sparkassen war am 1. Oktober 1921 nach Abtrennung der abzutretenden Gebiete mit Ausnahme von Oberschlesien auf etwas über 40 Milliarden Mark zu berechnen..

Die Zahl der Sparbücher ist im vergangenen Jahre nicht gewachsen, sondern etwas zurückgegangen. Sehr zu bedauern ist das nicht; die Sparkassen leiden unter einem Uebermaß von überflüssigen b die Jahr für Jahr stoße Kosten machen, ohne Hoff⸗ nung, daß sie einmal eine wirtschaftliche Bedeutung bekommen. Sie müssen aber mitgeschleppt werden.

Ueber den Umfang des Scheck⸗, Kontokorrent⸗ und Giro⸗ verkehrs bei den deutschen Sparkassen ist man sehr wenig unter⸗ richtet. Zum letzlen Male konnten im Jahre 1919 in der „Sparkasse“ genauere Angaben hierüber, wenigstens für Preußen, gemacht werden aus einem Diese Statistik ist nicht wiederholt worden. Am 31. Januar 1919 solchen Scheckeinlagen

i öhe An erster Stelle

einen Bestand an

kassen Millionen Mark auf.

von 985 lionen Mark. In weitem Abstand folgten die Pr

die befragten Sparkassen, die aber nur einen Teil der ge⸗ samten deutschen Sparkassen bilden, einen Guthabenbestand von 2 Milliarden Mark bei 229 000 Konten auf. Umgerechnet auf alle deutschen Sparkassen, dürfte sich der Gesamtbetrag etwa auf 5—6 Mil⸗ liarden Mark helaufen bei etwa 500 000 600 000 Konten. Auf das Konto entfällt dabei durchschnittlich ein Betrag von 10 000 ℳ, was für die jetzigen Verhältnisse sehr wenig ist und die Rentabilität dieses Zweiges ungünstig beeinflußt. Unter diesen Konten mögen etwa bis ½ Beamtenkonten sein, bei denen die Rentabilitätsfrage besonders ungünstig liegt. Rechnet man diesen Betrag zu den Spareinlagen, so betragen die Einlagen bei den deutschen Sparkassen ([am 1. Oktober 1921) etwa 46 Milliarden Mark.

Gewaltige Beträge werden an Beamtengebhältern den deutschen Sparkassen in jedem Vierteljahr zugefübrt. Bei den be⸗ fragten Sparkassen belief sich der gegen Ende September für das 25 Quartal überwiesene Betrag an Gehältern auf 945 Millionen

ark in rund 340 000 Posten. Umgerechnet auf die gesamten deutschen Sparkassen, mögen es zwei Milliarden Mark sein. Leider werden diese Gelder den Sparkassen bald wieder, entzogen. Ende Oktober war von den im September eingezahlten Beamtengehältern sicherlich kaum mehr als die Hälfte, also eine Milliarde Mark, vorhanden, die sich dann auch noch recht schnell derflüchit haben dürfte. Der weitaus größte Teil der Beamten⸗ ehälter scheint auf Sparbücher und nicht auf Scheck. und Konto⸗ orrentkonten überwiesen zu werden. In Groß Berlin gehen 10 000 Posten auf Scheck, und Kontokorrentkonten, dagegen 19 000 auf Sparbücher und Sparverrechnungsbücher. In Westfalen gehen 9000 Posten auf Scheckkonten und 45 000 auf Sparbücher. Es wird noch viel Mühe und Arbeit kosten, die Beamten für den bargeldlosen Verkehr zu gewinnen.

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Arbeitsstreitigkeiten. Durch Eingreifen des Bezirkslohnamts wurde, hiesigen Blättern

zufolge, nach fünfwöchiger Dauer des Ausstands der Berliner Bauarbeiter zwischen den Vertretern der Arbeitgeber und

der Arbeiter ein Einverständnis erzielt. Danach sollen die

an einen aus allen Gemeinden des Kreises zu bildenden Zweckverband

Sparkassen einbeziehenden

aterial, das vom Minister des Innern gesammelt war. wiesen nach dieser Statistik die sämtlichen preußischen Spar⸗

ar standen die Rheinprovinz mit 292 Millionen Mark und Westfalen mit 204 Mil⸗ ovinzen Hannover mit 108 und Brandenburg mit 104 Millionen Mark. Am 1. Oktober 1921 wiesen