1922 / 23 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Jan 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Auf Grund des § 1 der Verordnung, effend ein ver⸗ einfachtes Enteignungsverfahren, vom 11. September 1914 S. 159) und der Nachträge vom 27. März 1915 (Gesetzsamml. S. 57), 25. September 1915 (Geseßsamml, S. 141), 10. April 1918 (Gesetzsamml. S. 41) und 15. August 1918 (Gesetzsamml. S. 144) sowie der Gesetze vom 21. Sep⸗ tember 1920 (Gesetzsamml. S. 437) und 31. Juli 1921 (Ge⸗ setzsamml. S. 485) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. August v. J. (Gesetzsamml. S. 513) wird angeordnet, daß das vereinfachte Enteignungsverfahren nach den Vor⸗ schriften dieser Bestimmungen bei der Ausübung des der Stadt Bonn durch Erlaß des Preußischen Staats⸗ ministeriums vom heutigen Tage zur Schaffung eines Wasser⸗ rückhaltebeckens verliehenen Enteignungsrechtes Am finden hat.

Berlin, den 24. Januar 1922. 1

Im Namen des Preußischen Staatsministeriums.

Zugleich für die Minister für Handel und Gewerbe, für Land⸗ wirtschaft, Domänen und Forsten und des Innern.

Der Minister für Volkswohlfahrt. Hirtsie fer.

meirMn Eneedeve

Bekanntmachung.

Gemäß § 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 24. Juli 1893 (G.⸗S. S. 152) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß das aus dem Betriebe der auf preußischem Gebiet gelegenen Teilstrecke der Eisenbahn von Herzogen⸗ rath nach Sittard sich ergebende kommunalabgabepflichtige Reineinkommen der Gesellschaft für den Betrieb von Nieder⸗ ländischen Staatseisenbahnen zu Utrecht für das Jahr 1920 auf 82470 22 festgesetzt worden ist.

öln, den 23. Januar 1922.

Der Eisenbahnkommissar. J. V.: Melchers.

Bekanntmachung.

Dem Händler Hermann Braung aus Hobenstein, Ostpr., ist die Erlaubnis zum Viehhandel auf Grund des § 5 der Verordnung vom 19. September 1920 (RGBl. S. 1675) entzogen worden.

Königsberg, Pr, den 26. Januar 1922. Der Oberpräsident. J. A.: Dr. Schumann.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Der Reichsrat nahm in seiner gestrigen öffentlichen Sitzung Kenntnis von den Beschlüssen des Reichstags zu mehreren Gesetzentwürfen, darunter auch zu dem Gesetzentwurf über den Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln. Wider⸗ spruch gegen die Reichstagsbeschlüsse wurde nicht erhoben. Ueber den weiteren Verlauf der Sitzung berichtet das Nach⸗ richtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungsverleger, wie folgt:

Angenommen wurde der Gesetzentwurß über den deutsch⸗ schweizerischen Schiedsgerischts⸗ und Vergleichs⸗ vertrag, der am 3. Dezember vorigen Jahres in Bern abgeschlossen ist. Wie der Berichterstatter hervorhob, handelt es sich hier um den ersten Vertrag, den Deutschland mit einem anderen Staat eingegangen ist, mit dem Ziel alle entstehenden Streitigkeiten einer gewaltsamen Lösung zu entziehen und auf friedlichem Wege im Schiedsgericht⸗ oder Vergleichsverfahren zu schlichten. Besondere Bedeutung hat dieser Vertrag, weil er sozusagen als Modell dienen soll für Verträge mit (deren Ländern. Der Vertrag ist zunächst auf zehn Jahte abgeschlossen. Angenommen wurden die Gesetzentwürfe über die Ablieferung von Ausfuhrdevisen und über die unmittelbare Erxfassung von Ausfuhrdevisen für Reparationsleistungen. Beide Gesetzentwürfe entspringen den Verpflichtungen Deutschlands aus dem Londoner Ultimatum. Die Garantiekommission hat in einer Note vom 17. November von der deutschen Regierung verlangt, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die wegen der Ausfuhr⸗ abgabe an die Außenhandelsstellen ergangenen Weisungen gesetzlich festzulegen. Der Gesetzentwurf über die Ablieferung bringt nichts anderes als was jetzt bereits auf Grund des Gesetzes über die Außenhandelekontrolle besteht. Die Ausführungsbestimmungen hat nach den Beschlüssen des Reichsrats die Reichsregierung mit Zu⸗ stimmung des Reichsrats zu erlassen. Die Regierung sagte zu, daß

der bei dem Kommissar für die Ein⸗ und Ausfuhrbewilligungen be⸗

siebende Beirat bei Festsetzung allgemeiner Ausnahmen zugezogen werden foll. Angenommen wurde der Gesetzentwurf über den Vertrag wischen Deutschland und der RepublikOesterreich n Angelegenbheit Kriegsbeschädigter und Kriegs⸗ hinterbliebener. Beide Staaten verbürgen sich darin Gegen⸗ seitigkeit in der Anwendung der bestehenden Verordnungsgesetze. Das Gesetz über die Einstellung Schwerbeschädigter gilt in Oesterreich nur bis Ende 1924. Die beiderseitige Kündigung des Vertrages kann in 6 Monaten erfolgen. Für den Kaiser⸗Wilhelm⸗Kanal murde ein neuer Tarif festgesetzt, nach dem vom 1. Januar ab die Regierung bereits auf Grund ihrer Vollmacht eine Erhöhung um 50 vH vorgenommen hat. Der neue Tarif, der am 15. Februar in Kraft tritt, sieht eine weitere Erhöhung auf das Doppelte bis Vierfache vor. Er hebt ferner die bisherige Bestimmung auf, wonach das Elb⸗ lotsengeld auf die Gebühren angerechnet wurde. Die Lotsen⸗ tätigkeit auf dem Kanal selbst soll in Zukunft durch konzessionierte rivatlotsen ausgeübt werden. Gegen den Widerspruch reußens wurde der vom Oktober 1920 bis Ende Januar 1921 aus Anlaß eines Lotsenstreiks von der Regierung eigenmächtig ohne Zuziehung des Neichsrats festgesetzte höhere Tarif nunmehr nach⸗ träglich sanktioniert. Angenommen wurde ein Gesetzentwurf über die Aenderung der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige. Danach werden die bisherigen Gzebührenfätze etwa verdoppelt. Nur der bisherige Tagegeldsatz für die Abwesenheit vom Aufenthaltsort von höchstens 40 wird nicht erhöht, wohl aber die Uebernachtungsgebühr von bisher höchstens 12 auf 20 ℳ. Schließlich erledigte der Reichsrat noch den Ent⸗ wurf eines Schutzgesetzes für die Posener Landschaft.

Die vereinigten Ausschüsse des Reichsrats für Haus⸗ halt und für Volkswirtschaft, für innere Ver⸗ waltung, für Ver ehrswesen, für Steuer⸗ und Zollwesen, für Rechtspflege, für Reichswehrangelegenheiten und für Seewesen hielten heute Sitzungen.

Der Verkehrsminister Groener hat in der Frage des Beamtenstreiks den Reichsbahnbehörden dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge nachstehende Anweisung gegeben: Berlin, den 25. Januar 1922. Nach Zeitungsnachrichten hat der Vorstand der Reichsgewerkschaft Deutscher Eisenbahnbeamten und „anwärter beschlossen, der Reichs⸗ regierung Forderungen vorzulegen unter Stellung einer Frist,

d tlosem Ablauf die Beamtenschaft zum Eintritt nach 18 fruchtlose ee ee ea haf 8 b ah. Cie Rei.

sein

gewerkschaft befragt, ob diese Nachricht zutrifft, e mich

veranlaßt, folgendes bekanntzugeben:

Jeder Eisenbahnbeamte ist verpflichtet, seine volle Krafteinzusetzen für den Dienst, insbesondere für die sichere und geordnete Bewältigung des Betriebs und Verkehrs. Gegen diese Pflicht verstößt nicht nur, wer sich ohne begründete Entschuldigung vom Dienst ferntäzt sondern auch, wer Arbeiten nicht ausführt, die seiner Dienststellung gemäß ihm obliegen oder von der zuständigen Stelle aufgetragen werden. Jede will⸗ kürliche Dienstverweigerung ist eine Verletzung der Ants⸗ und Dienstpflichten, die den Beamten gegenüber der Allgemeinheit obliegen, sie ist als Dienstvergehen strafbar. Gleich wie das Reich nicht in der Lage ist, da“ Anstellungsverhältnis eines Beamten unter Außerachtlassung der gesetzlichen Schutz⸗ vorschriften zu lösen, steht auch dem Beamten ein Recht auf Arbeits⸗ verweigerung nicht zu.

Gegen Beamte. die dieser Warnung entgegen ihre Pflicht ver⸗ letzen sollten, ist unbeschadet der Bestimmung des § 14 Abs. 3 des Reichsbeamtengesetzes die Einleitung des förmlichen Diszi⸗ plinarverfahrens und die vorläufige Enthebung vom Dienste alsbald herbeizuführen. Der Reichsverkehrsminister. Groener.

Der erwähnte § 14 Abs. 3 des Reichsbeamtengesetzes ent⸗ zieht dem Beamten für die Zeit seiner unerlaubten Entfernung vom Dienste das Diensteinkommen.

Die Reichsbahnverwaltung 5 im übrigen, daß die Be⸗ amten, die einem Streik zugeneigt sind, sich der Zahl nach in einer ganz beträchtlichen Minderheit Die in dem Erlaß des Reichsverkehrsministeriums erfolgte Klarstellung der Rechtsverhältnisse wird aber, wie man hoffen darf, auch die⸗ jenigen Teile der Beamtenschaft, deren Haltung zurzeit e ist, zur Besonnenheit zurückführen. 8

Die Fernsprechzentrale des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im 2r6 Wilhelm⸗ 70 b ist aufgehoben worden. Die im Hause Wilhelm⸗ straße 70 b befindlichen Fernsprechapparate einschließlich der drei Hauptanschlüsse Zentrum 4299, 11 568 und 11570 sind an die Fernsprechzentrale Mohrenstraße 11/12 angeschlossen worden.

Oesterreich. 8

Der neuernannte Gesandte des Deutschen Reichs Dr.

hat gestern dem Bundespräsidenten Dr. Hainisch eglaubigungsschreiben überreicht. .

Bei Beginn der gestrigen Sitzung des National⸗

rats widmete der Präsident Dr. Weißkirchner dem Papst

Benedikt XV. einen warm empfundener Nachruf. Hierauf be⸗

gann die Verhandlung über das Prager Abkommen.

Der Berichterstatter Dr. Mayr stellte laut Bericht des „Wolffschen Telegrapbenbüros“ mit Ermächtigung des Bundeskanzlers sest, daß der sogenannte Rennersche Geheimvertrag durch das vor⸗ läufige Abkommen hinfällig geworden sei Der Abg. Dr. Ding⸗ hofer (Großdeutscher) erklärte in seiner Rede daß die Hauptursache des österreichischen Elends der unglückselige E11“ sei, an dem die Hauptschuldigen Kramarsch, Benesch und Masaryk seien. Angesichts der tagtäglichen Drangsalierungen der Deutschen in der Tschecho⸗Slowakei Finte es die österreichische Regierung richtig, ge⸗ rade mit der Tschecho⸗Slowakei als erstem Staat ein politisches Abkommen zu schließen und darin noch dazu den Friedensvertrag von St. Germain freiwillig anzuerkennen. Nachdem Redner die Ab⸗ lebnung des Abkommens durch die Großdeutschen aus nationalen Gründen dargelegt hatte, setzten die Abgg. Otto Bauer und Seipel die Motive auseinander, wesche die sozialdemokratische und die christlich⸗soziale Partei zu seiner Annahme hewogen hätten. In längerer Polemik gegen die Großdeutschen sagte der Bundes⸗ kanzler chober, er fühle ebensogut deutsch wie sie. und in seinem Herzen brenne die deutsche Flamme ebenso rein und hell. Er habe niemals den Beifall der Entente er⸗ strebt, aber den Beifall und das Vertrauen der Deutschösterreicher. Er werde der wiederholten Aufforderung der Großdeutschen Volks⸗ partei, zu demissionieren, unmittelbar nach Schluß der heutigen Sitzung nachkommen.

Darauf nahm der Nationalrat das Abkommen mit der Tschecho⸗Slowakei in namentlicher Abstimmung mit 104 Stimmen der Sozialdemokraten und Christlich⸗Sozialen gegen 23 Stimmen der Großdeutschen an. 4 8

Großbritannien und Irland. 6

Der Entwurf des geplanten englisch⸗belgischen Schutzvertrags, der augenblicklich der Prüfung des Londoner Kabinetts unterliegt, hat nach dem „Petit Pariften⸗ folgenden Wortlaut:

m Hinblick darauf, daß das belgische Gebiet, das zwischen Deutschland und Frankreich liegt, in besonderer Weise exponiert ist, und im Hinblick darauf, daß Deutschland, um Frankreich anzugreifen, Anfang August 1914 in Belgien eingebrochen ist, sowie im Hinblich darauf, daß Belgien noch unter den durch Einfall und Besetzung ver⸗ ursachten Schäden leidet, haben der englische König und der König von Belgien sich zu folgendem Abkommen entschlossen:

Art. 1. Im Falle eines direkten und nicht provozierten An⸗ griffs auf Belgien wird Großbritannien Belgien sofort mit allen 8 Streitkräften zu Wasser, zu Lande und in der Luft zu Hilfe eilen.

Art. 2. Belgien wird alle seine militärischen und Luftstreit⸗ kräfte verwenden, um seine Grenzen im Falle eines Angriffs oder einer Verletzung seines Territorims zu verteidigen. Belgien wird keinen Vertrag schließen und kein Abkommen treffen, das mit diesem Abkommen unvereinbar ist.

Nach dem „Reuterschen Büro“ erklären in London eingetroffene Wiener Nachrichten, der Niedergang der Krone habe ein solch ungeheures Steigen der Preise hervorgerufen, daß die Lage verzweifelt sei und Unruhen zu befürchten seien. Die österreichische Regierung habe deshalb bei den allierten Mächten Vorstellungen erhoben, die Lage auseinandergesetzt und erklärt, daß sie, wenn nicht innerhalb der nächsten Tage Hilfe aus dem Auslande einträfe, jede Ver⸗ antwortung für die Folgen ablehne. Wie die „Westminster Gazette“ meldet, erwägt die britische Regierung die Gewährung einer Anleihe von 2 ½ Millionen Pfund an Oesterreich. Als Sicherheit für diese Anleihe würden die österreichischen Zölle dienen. Wenn Lloyd George und das brütsche Kabinett dem Vorschlage des Schatzamts zustimmen, so werde das Geld der österreichischen Regierung durch die Anglo⸗österreichische Bank vorgestreckt werden. Die Anleihe werde eine rein britische und nicht eine alliierte Anleihe sein. 1

Als erster fremder Staat hat Persien den neuen Freistaat Irland anerkannt. Der persische Konsul stattete im Dubliner Rathause dem Präsidenten einen for⸗ mellen Besuch ab und überreichte ihm eine Botschaft des Schahs und der persischen Regierung. Zwischen Griffith und dem persischen Vertreter wurden herzliche Ansprachen gewechselt

2 ss 18

Frankreich. 8 mittag 2 unter dem Vor

Heeresausschuß der Kammer hat, nachdem der Kriegsminister seine Erklärung über die Ernennung eines Generalinspekteurs beendet hatte, eine Tages⸗ ordnung angenommen, in der er feststellt, daß der General⸗

dagegen dem Generalstabschef der Armee für Organisation, Instruktion und Mobilmachungsfragen übergeordnet ist. Der Ausschuß billigt diese Bestimmungen als im Einklang stehend mit den Regeln der militärischen Rangordnung.

und sozialistischen Partei (Partei Jonnart) hat na dem „Journal des Débats“ eine Tagesordnung angenommen, in der er für die Durchführung der Friedensverträge, besonders ihrer Reparationen und Abrüstungsbestimmungen, als Voraussetzung 8 Befestigung des Friedens und des wirtschaftlichen Wiederaufbaues von Europa eintritt und es als unbedingte Notwendigkeit für Frankreich bezeichnet, daß Deutschland in jeder Form, die sich mit den Forderungen seiner Wirtschaftslage verträgt, die ihm zur Pflicht gemachten ahlungen in vollem Umfange leistet. Der Abschluß des ranzösisch⸗englischen Garantieabkommens wird von dem Parteivorstand als wünschenswert erklärt, soll aber nach ihm durch methodische Verhandlungen vorbereitet werden.

Italien.

Gestern Nachmittag wurden die sterblichen Ueberreste des Papstes in die Chorkapelle übergeführt und dort nach Er⸗ teilung des Segens in den Sarg gelegt. Das Gefolge zog sch zurück, der Sarg wurde in die Gewölbe hinabgelassen und do beigesetzt. ““

114“

Der neue Handelsminister Radolow hat über das Wirt⸗ schaftsprogramm der Regierung vor Pressevertretern wie „Wolffs Telegraphenbüro“ berkichtet, folgende Erklär abgegeben:

ÜUnser Programm beruht auf dem Grundsatz: Arbeiten Sparen. Daß wir das erstere können, haben die bulgarische Bauern auf dem Ackerfeld bewiesen. Wir werden aber energ Maßnahmen ergreifen, damit wir noch mehr Arbeiten leisten, un ausreichenden Bodenschätze des Landes besser und rationeller nützen zu können. Ebenso wichtig wird es sein. in Zukunft in Richtung auch Sparsamkeit zu üben und durch Sanierung unseres wesens eine feste wirtschaftliche Lage zu schaffen. Für meine Aufgabe halte ich es. die begonnene Entwicklung und Steigerung unserer produktiven Kräfte mit allen Mitteln zu unterstützen. diesem Zwecke erscheint es dringend notwendig, die Förderung de Bodenschätze, namentlich die Ausbeutung der Kohlengruben in großem Umfange zu steigern und ihre Produktion so auezuß dehnen, daß nicht nur die Berürfnisse des Landes befrie 1 werden, sondern auch noch ein großer Teil für die Auesfuht übrig bleibt. Die bulgarische Regierung beabsichtigt, sämt liche Gruben, mögen sie zurzesit in Betrieb sein oder vnicht mit Eisenbahnlinien zu verbinden. Auf diese Weise dent die bulgarische Regierung die Kohlenausfuhr zu fördern und dadure die Valuta zu bessern. Ausländische Kapitalien können unter günstige Bedingungen in Bulgarien Anlage finden und ich werde dies ebeg falls unterstützen. Sämtliche Konzessionen, die an frem Staatsangehörige erteilt worden sind, werden aufrechterhalten, un die Regierung wird ihnen bei der Durchführung ihrer Pläne ses Unterstützung gewähren. Meine Aufgabe wird es sein, die wirtschan liche Lage des Landes auf gesunde Basis zu bringen, wodurch Bu garien nicht nur seinen Verpflichtungen nachkommen kann, sonden auch den Prozeß des Wiederaufbaues begünstigen wird.

Armerika.

Nach einer Reutermeldung aus Washington wird von we ständiger Seite mitgeteilt, daß die Regierung der Ver einigten Staaten nicht bereit ist, an der Konferenz von Genua, die zu dem vorgesehenen Peh stattfinde werde, teilzunehmen. Die amerikanische Regierung vnde indessen dem Plan einer Wirtschaftskonferenz, die später, , wenn Europa Zeit gehabt habe, wieder zu stabilen Zusälde zu gelangen, abzuhalten wäre, günstig gegenüberstehen. 1

Der amerikanische Senat hat in erster Abstimmune den Abänderungsantrag zu dem Gesetz, betreffend die Kon⸗ sllthierung der alliierten Schulden, genehmigt, wonach er Zinssatz nicht geringer als 4 ½ vH sein soll. .

Die Schiffahrtskommission hat den gesamten Text des Flotten abkommens, an dem sie einige formelle Abände rungen vornahm, geprüft. Der Text steht nun endgültig fest ausgenommen bezüglich der Frage der Befestigung der Inselt im Stillen Ozean,. worüber man immer noch die Antwort vol Tokio erwartet. Die Regierung ist auf die Dring lichkeit dieser Antwort hingewiesen worden.

8 Parlamentarische Nachrichten. ..“

Im Reichstagsausschuß für Sozialpolitik wu

gestern der Entwurf eines Arbeitsnachweisgesetzes be sprochen. Der Abg. Dr. Most (D. Vp) eröffnete die Aussprach

Er bekannte sich nach dem Bericht des „Nachrichtenbüros des Veren

Deutscher Zeitungsverleger“ als Feeuind des öffentlichen Arbeile nachweises, hat aber gegen den im Entwurf zu dessen Förderung el

sefe Weg sehr erhebliche Bedenken. Sie bestehen insbesonde

n der vorgesebenen Ersetzung des bieherigen organischen Wachstumg durch Schematisierung, Bürokratisierung und Zentralisierung, in 8 Schaffung eines künstlichen Monopols für den öffentliche Arbeitsnachweis, in der unausbleiblichen Beschränkung 8 Selbstverwaltung und der Freiheit aller Beteiligten sowie in Kostenfrage. Auch hänge das W engste mit dem angekündigle

Gesetzentwurf betreffend die Arbeitslosenversicherung, zusamue

Vor dessen Vorlegung sei darem eine Einzelberatung der Nisen

nachweisvorlage unangebracht. Abg. André (Zentr.) brachte ebensa starke Bedenken gegen den Gesetzentwurf vor. Die Zentrumepnr lege Wert darauf, festzustellen. daß die Landeszentralbehörden 839 Schaffung des Gesetzes nicht ausgeschaltet würden, wie felcen v Anträge forderten. Notwendig sei Ly. ei den zu schaffenden Verwaltungsausschüssen ein stärkerer veel⸗ der Minderheiten, wie stärkere Garantien für eine mecat neutrale Verwaltung bei der Stellenbesetzung. Auf die Qualitä grbeiter müsse mehr Rücksicht genommen, mit dem System a Numerierung und der Stellenvergebung danach Schluß Fennic werden. Der Beamtenapparat dürfe durch das neue Gese n vergrößert werden; ein Schutz für die jetzt tätigen Beamten ebenfalls geschaffen werden. Das Zentrum sei ein 2 49 w Gegner der Monopolisierung des öffentlichen Arbeitsnachwei 2 Standpunkt der Freiheit der Person des Arbeitnehmers aus, Btelle Geschäftsinhabers seien derartige Bestrebungen abzulehnen. 28 sibe n meldungezwang seitens der Arbeitgeber sei abzulehnen, karita müßst⸗ Facharbeitsnachweise wie sonstige Vermittlungsmöͤglichketten nee, erbalten bleiben, das Zeitungsinjerat dürfe nicht beschrän Umstam Der stärtste Grund für die Schaffung des Gesetzes sei Arbeitsam

daß die zu schaffende Arbeitslosenversicherung an die 8 bespta angegliedert bezw. darauf aufgebaut werden solle. es veinde u. a. noch die Kostenfrage, danach hat die Arbeitnehmerschaft ner A Arbeitgeber zwei Drittel aller Kosten der Arbetteamte unafe

der Verwaltung, wie der Diätengewährung an die ssch

beitslosenversicherung aufzubringen; um so mehr n ußmitolier

inspekteur unmittelbar dem Kriegsminister untersteht, daß er

Der Vorstand der republikanisch⸗demokratischen

vnefait., See. e tarbe Heiner Partei in Aussicht. und verhielt sich dem Benutzungaswa zffentlichen Arbeils nachweises gegenüber durchaus den Meldezwang seitens der Arbeitaeber, der im Interesse 2 Eberggen e es 119n segen eine Ueberorganisation der b .— 2 kenb 2(Soz.) v idi 1“ 2 Nacflzunb 1.eac sic maench zeigen, aber es handle sich jetzt in sache darum, otwendigkeit einer einheitlichen ——— des Arbeitsnachweises zu entsprecken. Die Verteilung der Arbeit nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit und sozialer Ge⸗ btigkeit bedeute eine Lebensfrage für das deutsche Volk. Die volle erwirklichung der Leitgedanken der Arbeitsnachweisbewegung werde rch die gegenwärtige Spannung zwischen Angebot und Nachfrage. Krisenhaftigkeit des Arbeitsmarftes, die Notjage der itschen Wirtschaft unerbittlich gefordert. Eine längere Geschäfts⸗ dnungsdebatte entspann sich dann über einen Antrag der Deutsch⸗ nationalen, der Deutschen Volkspartei, des Zentrums und der Demo⸗ kraten, die verlangten, daß die Beratung des Arbeitsnachweisgesetzes bis zur Vorlage des Gesetzentwurfs über die Arbeitslosenversicherung zurückgestellt werden solle. Ein Beschluß über den Antrag soll sedoch erst in der heutigen Sitzung gefaßt werden. Damit vertagte sich der

Ausschuß.

Der Ausschuß zur Vorberatun iche 3 g des Reichs⸗ 89 qendwohlfahrtsgesetzes nahm gestern die Paragraphen 9 bis 32 in zweiter Lesung im wesentlichen nach den Beschlüssen

erster Lesung an, sozialdemokratischer

8 unter Ablehnun hrere Anträge. hnung mehrerer

—.—

Im Reichstagsausschuß für Branntweinmonopol wurde vorgestern unter anderem die Frage erörtert, ob die Ab⸗ E“ für Abfindungsbrennereien auf 2 oder 4 hl festgesetzt werden soll. In den Beschlüssen der ersten Lesung war an Stelle der im Regierungsentwurf vorgesehenen Grenze von 2 hl die erhöhte Grenze von 4 hl esetzt worden. Geheimrat Nebelung ([Reichsfinanzministerium) die Wiederher⸗ stellung der Regierungsvorlage und betonte, daß die Herauffetzung der Grenze die Schwarzbrennereien begünstige. Bei der Grenze von 4 hl felen Zehntansende von kleinen Betrieben unter diese Bestimmung. Die Schwierigkeit, sie zu beaufsichtigen, habe schon früher dazu sefabrf. daß die Brennereien erheblich mehr oft das Vielfache von dem herstellen, was der Abgabe unterliegt. Diese Misstände seien nach Inkrafttreten des Monopolgesetzes infolge der bedeutenden Preis⸗ steigerung der großen Verdienste beim Absatz von Trinkbranntwein der nicht an die Monopolverwaltung akgeliefert zu werden brancht, in weit höherem Maße in die Erscheinung getreten und werden bei der im Entwurf vorgesehenen stärkeren Belastung zu einer immer größeren Gefährdung des Reschsaufkommens führen. Es sei mit einem gewaltigen Steuerausfall zu rechnen. Sowohl im Interesse der Einnahmen des Reiches und zum Schutze des Wetfbewerbs der kleineren Verschlußbrennereien sowie senstiger Hersteller von Trinkbranntwein müsse die Abfindung soweit wie möglich be⸗ seitigt werden, und empfehle es sich, die Abfindungsgrenze auf 2 hl Weingeist wieder herabzusetzen. Nach lebhafter Debatte, in der die Abgg. Körner (D. Nat.), Ersing (Zentr.). D iez (Zentr.) und Dietrich⸗Baden (Dem.) sür den Beschluß erster Lesung ein⸗ getreten waren, wurde gemäß einem Antrag Brey (Soz.) die Wieder. berstellung der Regierungsvorlage beschlossen, so daß nunmehr die Abfindungsgrenze auf 2 hl festgesetzt ist. Der Ausschuß stimmte sodann dem ersten Absatz des § 57 über die Abfindunasbrennerei gemäß der Regierungsvorlage zu. §§ 43—46 wurden ebenfalls in

der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.

In der gestrigen Sivung des Ausschusses wurde die Be⸗ ratung über die amtliche Aufsicht bei § 47 fortgesetzt. Hier entspann sich eine ausführliche Debatte über den in der Regierungs⸗ vorlage vorgesebenen Verpackungszwang. Die Bestimmungen darüber sanden im Ausschuß vielfachen Widerspruch. Ter Monopol⸗ vrvaltung wurde entgegengehalten. daß sie sich als nicht konkurrenzfähig bezeichne, wenn sie der Konkurrenz den Ver⸗ vockungszwang auferlege. Eine Kontrolle sei wünschenswert, aher ohne diese Bedingung durchführbar. Ferner wurde er⸗ kärt, daß der Flaschenzwang keine Sicherung gegen Fälschungen sei und außerdem hierdurch der Verkehr unnötig helastet würde. Auch könnten die Glashütten ihren Aufträgen nach „Agschenlieferung nicht nach⸗ kommen. Nach längerer Debatte wurde dr vom Abg. Brey (Soz) in einem Antrage näher formulierte Verpackungszwang abgelehnt. Der § 47 bleibt jedoch mit der Maßgabe bestehen, daß sich der Ver⸗ vackungszwang nicht auf Trinkbranntwein, sondern auf die fonstigen Erzeugnisse bezieht. An die Stelle des Verpackungszwangs treten die Bestimmungen des § 100, der gemäß einem Antrage Dusche (D. Vp.) folgende Fassung erhielt: Im Inland darf Trinkbranntwein nur unter Kennseichnung des Weingeistgehalts in Raumhundertteilen in den Verkehr gebracht werden. Die Kennzeichnung hat bei Lieferungen in Behältnissen von mehr als einem Liter Inhalt auf der Rechnung, bei Lreferung in Behältnissen bis zu einem Liter Inhalt auf dem Flaschen child zu erfolgen. Im Inland darf Rum. Arrak, Wein⸗ brand, Kognak und Obstbranntwein sowie Verschnitte davon und Steinhäger nur mit einem Weingeistgehalt von mindestens 38 Raum⸗ bundertteisen. sonstige Trinkbranntweine nur mit einem Weingeist⸗ gehalt von mindestens 35 Raumhundertteilen in den Verkehr gebracht werden Die Monopolverwaltung kann in gemeinsamer Beschluß⸗ sassung mit dem Beinat Ausnahmen für besondere Gegenden und besondere Trinkbranntweinarten zulassen. Außerdem muß das Be⸗ bältnis eine Bezeichnung tragen, die erkennen läßt, ob der Trinkbrannktwein im In⸗ oder Auslande hergestellt ist. die §§ 48 bis 56 wunden gemäß der Regierungevorlage angenommen. § 57 erhält noch eine näher zu formulierende Bestimmung gemäß linem Antrag Körner (D. Nat.). Angenommen wurden ferner die §§ 58 bis 65. Im § 66 wurden unter Annahme eines Antrags Schulz⸗

ahmen (Zentr.) die Betriebsabzüge wie folgt festgesetzt: Der

Betriebsabzug, um den der Branntweingrundpreis bei Brenndreien

mit einer Jahreserzeugung von mehr als 600 hl Weingeist gekürzt wird, beträgt für die Erzeugung von 600 bis 1000 hl Weingeist ein Hundertteil, für die Erzeugung von je weiteren 400 hl je ein Hundert⸗ keil des Branntweingrundpreises mehr, also für die Erzeugnng von 3000 hl Weingeist 7 Hundertteile. S6 1

8 86 3 1“

Im Reichstagsausschuß für Wohnungswesen wurde die Generaldebatte über den Gesetzentwurf, betreffend Abgabe sur Förderung des Wohnungsbaues, sortgeführt, ohne daß schon be⸗ summte Beschlüsse gefaßt wurten. 1

—.

Der Ausschuß des Reichswirtschafterats für Landwirtschaft und Ernährung beschäftigte sich in senner vorestrigen Sitzung mit dem Beschluß der Reicheregierung auf Er⸗

byung der Mehl⸗ und Brolpreise mit Wirkung vom h Februar ab. Der Vertreter des Reichsministeriums für Er⸗ nihrung und Landwirtschaft bearündete die Maßnahme der Reichs⸗ ngerung mit dem Verlangen der Entente auf Abbau der Reichszuschüsse zur Entlastung des Reichshaushalts und der seit der letzten Festsetzung es Brotpreises eingetretenen außerordentlichen Verschlechterung er Valuta. Wenn die Zuschunsse in der bisherigen Weise beibehalten vürden, müsten elwa 16,4 Milliarden Mark für das laufende Wirt⸗ stastsjahr (bis zum 15. August) aufgewendet werden, also fast das vepdelte des Vorjahres. Die eintretende Erhöhung von 75 % senkt se Verbilligungszuschüsse, einen Dollarstand von 180 voraus⸗ sesetzt, auf etwa 10,6 Milliarden Mark also noch etwa eine Milliarde eüt als im Vorsahr. Der Zuschuß beträgt dann pro Kopf ker erölkerung 212 ℳ. Die Verjeuerung des Brotpreises würde bei imem Erwerbstätigen mit 4 köpfiger Familie 0,11 Lohnerhöhung ur die Arbeitsstunde notwendig machen.

Im Anschluß daran legte der Vorsitzende der Reichs⸗ etreidestelle die Einkaufspolitik dieser Stelle in ein, ehenden Ausführungen dar, die für vertraulich erklärt wurde Auf

des Vorredners an

setzt, mit der Bildung einer etwaigen Abordnung.

eine Anfrage von Vertrekern der Landwirtschaft, warum im September und Oktober des vergangenen Jahres nicht fteies Inlandgetreide zu den damals noch bilsigen Preisen aufgekauft worden sei, erklärte er, daß der Markt in diesen Monaten sehr klein war, wie Börsenbercchte zeigen, die Umsätze von nur 300 t aufgweisen. 29 Käufer beeinflußte die Preise, Käufer der Reichsgetreidestelle hätten sie allo stark getrieben. Eine derartige Pressteigerung hätte aber gerade nicht im Interesse der Landwirtschaft gelegen, die sich zu der Zeit auf dem freien Markte eindecken wollte, teils zux Erfüllung der Umlage, soweit sie sie nicht aus Eigenen erfüllen konnte, teils für ihre Fonstigen Betriebszwecke. Außerdem lag im September der inländische Getreidepreis noch über dem Welt⸗ marktpreis. In der Erörterung wurde allgemein anerkannt, daß es sich bei der Brotpreiserhöhung um eine notwendige Folge der passiven Handels⸗ und Zahlungsbilanz der deutschen Volkswirtschaft und der damit verbundenen Markentwertung handelt. Im einzelnen wiesen die Arbeitgeber der Landwirtschaft darauf hin, daß die Brotpreis⸗ erhöhung der Landwirtschaft in keiner Weise zugute komme, da der Umlagepreis der alte bleibt. Vertreter der Arbeitnehmer und Ver⸗ braucher betonten, daß die Auswirkung eine Erhöhung aller Preise sein würde und es dementsprechend mit einer Lohnerhöhung, die rein rechnerisch nur die Brotpreiserhöhung berücksichtige, nicht getan sein könne. Eine besondere Hilfsaktion wurde für die Rentenempfänger gefordert. Mit zwölf Stimmen bei einigen Stimmenthaltungen wurde darauf folgende Entschließung angenommen: „Der Beschluß des Reichskabinetts auf Herabsetzung der vom Reiche zur Verbilligung des Brotgetreides aufgewendeten Zuschüsse ist durch die Forderungen der Vertreter der Entente ver⸗ anlaßt worden. Er berührt den Preis für das Umlagegetreide nicht; an diesem ist nichts geändert worden. Trotz der Erhöhung des Brotgetreides um 75 vH sind zur Aufrechterhaltung der Brot⸗ getreidewirtschaft auch noch 10,6 Milliarden Mark für Zuschüsse aus Reichsmitteln vorgesehen, um eine noch stärkere Erhöhung der Brot⸗ preise im laufenden Erntejahr zu verhindern. Unter Berücksichtigung der ohwaltenden Umstände war der Beschluß des Reichskabineits un⸗ vermeidlich. Der Ausschuß fordert indessen die Regierung auf, dahin zu wirken, daß Maßnahmen ergriffen werden, durch die die Lohn⸗ und Rentenempfänger in den Stand gesetzt werden, die Folgen der Brotpreiserhöhung in ihrer vollen Auswirkung zu ertragen. Von der Reichsregierung wird erwartet, daß sie für die Uebergangszeit von der alten zur neuen Ernte ausreichende Reserpen an Getreide be⸗ schafft, damit nicht zum hohen Brotpreis auch noch eine Brotknappheit hinzutritt.“

Der Sozialpolitische Ausschuß des Vorläufigen Reichs⸗ wvirtschaftsrats hielt heute eine Sitzung.

Wohlfahrtspflege.

In der ersten Konferenz des Internationalen Komitees für die Rußlandhilfe in Genf schilderte Nansen die furchthare Hungersnot in Rußland, die un⸗ aufhörlich weiter um sich greife und nunmehr ein von fast 32 Millionen Menschen bewohntes Gebiet umfasse. Neunzehn Millionen seien un⸗ mittelbar vom Tode bedroht, davon 15 Millionen jedenfalls rettungslos dem Tode verfallen. Alle diese Menschen hätten gerettet werden können, wenn sein (Nansens) Appell im September gehört worden wäre. Wenn aber diejenigen, denen noch zu bhelfen sei. nicht ebenfalls umkommen sollten, so müßten die Regierungen jetzt eingreifen und dürften keinen Tag mehr verlieren. Nansen hob den guten Willen und die Ebrlichkeit der russischen Behörden hervor und erhob auf das schäteiste Einspruch gegen den unmenschlichen, von Helsingfors aus organisierten Lügen⸗ feldzug in der westlichen Presse, der dort die Hilssbereitschaft lähme und damit ungezählte Menschenleben fordere. Die Nahrungsmittel⸗

transporte kümen unversehrt an ihren Bestimmungsort, und nur die

zerrütteten Verkehrsverhältnisse in Rußland seien daran schuld, wenn die Lebensmittel nur langtam und nur in bestimmte Gebiete gelangen können. Daher sei die Versorgung Rußlandsmit Kohlen und auch mit Futtermitteln für die zu Transvortzwecken unentbehrlichen Prerde unbedingt notwendig. Eine Verbesserung der Eisenbahnstrecken sei häufig ganz ausgeschlossen, weil die Bevölkerung oft zu schwach sei, um zu arbeiten, ja seibst um sich an die Ver⸗ teilungsstellen für Nahrungsmittel zu begeben und auch oft nicht mehr genug Kräfte habe, um andere Nahrung als Getreide zu sich zu nehmen. Nansen empfiehlt daher, aber auch aus finanziellen Gründen, möglichste Beschränkung, der Nahrungsmittel⸗ zufuhr auf Getreide. Da für Transportzwecke nur drei Eisen⸗ bahnlinien in Betracht kämen, könne in vier Monaten nur ein Drittel der bedrohten Bevölkerung gerettet werden, dabei ergebe sich aber die Frage, ob man mehr Saattorn oder mehr Getreide zur Ernährung senden solle; das eine könne bei den beschränkten Transportmitteln nur auf Kosten des anderen geschehen. Je mehr man Saatkorn schicke. um später Menschenlehen zu retten, um so mehr müßten heute sterben, und umgekehrt. Auch die Auswahl der zu rettenden Gebiete und der einzelnen Bevölkerungsarten stelle Probleme von furchtbarer Tragik dar. Es entspann sich auf der Konferenz eine kurze Aussprache darüber, oh man zueist die Kinder oder die für die Landarbeit notwendigen Erwachsenen vom Hungertode retten solle. Nansen vertrat die Ansicht, daß man sich zunächst darauf beschränken müsse, bestimmte Gebiete zu ernähren, damit sie wenigstens der Zukunft und nutzbringend für die Gesamtheit erhalten werden können. Nach Nansen wies der Oberkommissar des Völkerbundes zur Bekämpfung der Epidemien White aur die Gefahren hin, die sich aus der Hungersnot in Rußland für die übrige Welt ergeben könnten,

Krankbeiten auf ein einziges Land beschränfen könne. Er gedachte des weiteren, wie auch Nansen, der im Dienste der Epidemiebekämprung in Rußland geopferten Aerzte, insbesondere des deutschen Arztes Gärtner. Wie aus dem Finanzbericht, der bierauf erstattet wurde, ersichtrich ist, sind außer gewissen Naturalleistungen bisher für die Ziele Nansens in den einzelnen Ländern etwa 28 Millionen Goldmark aufgebracht worden, die aber bald aufgebraucht sein werden, so daß eine tiefgreifende finanzielle Hilte notwendig ist.

land, dessen Bemühungen Nansen wiederholt erwähnte, hat bis jetzt etwa sieben Millionen Mark zur Verfügung gestellt.

Unter großer Aufmerksamkeit sprach endlich der Vertreter des russischen Roten Kreuzes Bagotzky dem Oberkommissar in bewegten Worten den unauslöschlichen Dank des russischen Volkes aus.

Die Konferenz sprach Nansen einstimmig ihr Vertrauen für seine Tätigkeit aus.

Gestern schloß die Konferenz ihre Tagung ab, nachdem sie den Bericht der einzelnen Landesorganisationen über ihre Hilfs⸗ tätigkeit entgegengenommen und zahlreiche Beschlüsse über die Weiter⸗ führung der unter Nansens Leitung unverzüglich fortzusetzenden Rußlandhilfe gefaßt halte. Danach sollen, wie „W. T. B.“ aus Genf berichtet wird, die einzelnen Landesgruppen schleunigst bei ihren Regierungen dahin wirken, daß diese sofort finanzieue Hilfe leisten oder Getreide nach Raßland senden, becbe vor allem auf die ganz Eurova bedrobende Epidemie⸗

gewiesen werden soll. Gleichzeitig wird der Oberkommissar Nansen selbst im Namen der Konferenz einen Appell an sämtliche Re⸗ gierungen richten. Eine Botschaft an die Presse der ganzen Welt soll ebenfalls die Dringlichkeit der Hilfeleistung darlegen. Die Konferenz hielt die Vertretung des internationalen Komitees auf der Konferenz von Genua für wönschenswert und beauftragte einen Aueschuß, der sich aus Nansen, Ador und Cederkranz zusammen⸗ Nansen wies aber darauf hin, daß eine Aktion in Genua erst die im nächsten Jahre infolge der Hungersnot auftretenden Leiden lindern fönne, für dieses Jahr aber zu spät komme Die Hilfstätigkeit des Komitees könne sich mit den gegenwärtigen Finanzmitteln, wie

noch festst noch auf einige Teile Ruhl

einer Brotpreiserhöhung

da man wohl die Hungersnot, aber nicht die aus ihr entstehenden

Die größte Hilfstätigkeit hat bis jetzt Amerikaentfaltet Deutsch⸗

gefahr im Falle eines Fortdauerns der russischen Hungersnot hin

mehr, da die Weiterbehandlung außerordentlich drängte. so

Auf Wunsch des Vertreters der amerikanischen Hilfsaktion für Osteuropa, Berry, sowie auf Wunsch Adors werden die einzelnen, Landesorganisationen aufgefordert werden, sich bis zum 1. März darüber zu äußern, ob 1 einen Teil ihrer Beiträge der Hilfe für die kraine und die Kaukasusländer zumwenren wollen. Zur Frage des gegenwärtigen Hilfswerkes wurde beschlossen, daß, ohne gewisse Landesprodukte auszuschließen, vor allem Getreide, Saatkorn und für die Tiere Hafer nach Rußland gehracht werden soll. Als besonders dringlich wird die Lieferung von landwirtschaftlichen Maschinen und zu Transport⸗ zwecken geeigneten Tieren sowie vor allem von mecha⸗ nischen Transportmitteln, z. B. aus Kriegsvorräten, be⸗ zeichnet. Um die Entsendung von Personal und Arbeiteru für das russische Transportwesen, namentlich die Bahnen, zu er⸗ leichtern, wird von den verschiedenen Ministerien gefordert, Pro⸗ pagandaorganisationen zu schaffen. Die Konferenz stand von Beginn bis zum Ende im Zeichen eines starken Vertrauens zu Nansens Werk und seiner Persönlichkeit. Sie vermied es peinlich, politische Fragen zu berühren. So wies der stellvertretende Oberkommissar des Komitees, Dr. Trick, unter Beifall der Verammlung sehr scharf die Angriffe zurück, die der Delegierte des ehemaligen russischen Roten Kreuzet Dr. Lodypzensky gegen die Sowietregierung und den Vertreter des sowjetrussischen Roten Kreuzes erhob. Auch die Behauptung, daß Rußland seine eigenen Transportmittel in das Ausland bellaufe, wurde von dem Oberkommissar dahin berichtigt, daß es sich um die nach den Friedensverträgen von Sowietrußland auszuliefernden Loko motiven usw. gehandelt habe. Wie ein englischer Vertreter auf de Konterenz mitteilte, ist eine Zusammenkunft zwisch Nansen und Lloyd George geplant. :

Verkehrswesen.

Im Reichspostministerium eröffnete der Reichspostminister Giesberts gestern eine Tagung des Verkehrs⸗ beirats mit einer Rede, in der er die Notwendigkeit der inzwischen erfolgten weiteren Erhöhung der Post⸗, Telegraphen und Fernsprechgebühren nachträglich begründete und die zur Vereinfachung und S der Verwaltung und des P⸗ triebes in der Durchführung begriffenen Maßnahmen naäber darlegte. Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“

führte der Minister aus:

Die e . der großen Fehlbeträge im Haushalt der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung in den letzten Jahren 8* die alle ihre Dienstzweige noch in hohem Mae belastenden Folgen des Krieges, das sprunghafte Anwachsen der Personal⸗ kosten und sächlichen Ausgaben und nicht zum wenigsten das Zurückbleiben der Post⸗, elegraphen⸗, Fernsprech⸗ und Postscheck⸗ gebühren hinter der fortschreitenden Geldentwertung. Seit 1918 hat sich das Durchschnitts⸗Jahreseinkommen einer Arbeitskraft um das Fünfzehnfache erhöht, während die Leistung durch Ein⸗ führung des Acht undentages sich erheblich verringert hat. Die Preise für die hauptsächlichsten Bedarfsgegenstände haben sich in derselben Zeit um das Zwanzig⸗ bis Achtundzwanzigfache, für einzelne Gegenstände sogar um das Fünfundvierzigfache gesteigert. Dabei ist der Bedarf an Sachgütern sehr hoch, weil während des Krieges die Betriebseinrichtungen heruntergewirtschaftet und die Gebäaäͤude und maschinellen Ankagen vernachlässigt worden sind. Dies gilt imn besonderem Maße von den Telegraphen⸗ und Fern⸗ sprecheinrichtungen. Um hier wieder geordnete Verhältnisse her⸗ zustellen, müssen für den Ausbau und die gründliche Aufarbeitung es Leitungsnetzes in den Jahren 1921 bis 1925 erhebliche Mittel aufgewendet werden, die nach der Denkschrift zum Nachtrags⸗ aushalt des Reichspostministeriums für 1921 auf 4,5 Milliarden Mark beim ordentlichen und 9,3 Milliarden Mark beim außer⸗ ordentlichen Haushalt peranschlagt worden sind.

Der Personalbestand ist seit dem 31. Dezember 19183 bis zum 1. Oktober 1921 von 266 400 auf 426 100 Köpfe, also um 159 700 gestiegen. Zum Teil entfollen deec⸗ Kräfte auf die starke Steigerung, die im Telegraphen⸗, Fernsprech⸗ und Postscheckverkehr eingetreten ist, sowie auf die erhöhte Tätigkeit im Telegraphene und en ree in. worüber die dieser Tage veröffentlichte Schrift: „Zwei Jahre Wiederausbau der Post“ ziffernmäößige Belege liefert. Demgegenühber ist im Postverkehr im allgemeinen kein so starker Rückgang eingetreten, wie vielfach fälschlich angenommen wird. Die Zahlen aus dem Jahre 1921 für den Gesamtbriefverkehr bleiben nur um etwa 4 pH hinter denen des Jahres 1913 zurück. Ferner sind an neuen Geschäften, die Mehrkräfte verlangen, hin⸗ zugekommen die Auszahlung der Militärrenten, die Postreklame, der Vertrieb der Einkommensteuermarken von jährlich rund 7 Mil⸗ liarden Mark und die Ausdehnung des Postkraftwagenverkehrs. Auch die andauernde Aenderung der Besoldungen, Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge und der Lohntarife sowie die gewaltige Zunahme der Zahlungsmittel, die Einrichtung der Beamten⸗ und 11II.; g haben Personalverstärkungen zur Folge gehabt.

Die Kopfzahlvermehrung hat schon während des Krieges eingesetzt, als sär die zum Heeresdienst, zur Feldpost und zur Feld⸗ telegraphie abgegebenen Kräfte ungeübte Hilfskräfte eingestellt werden mußten. Die Demobilmachung hat weiteren Zufluß an Menschen gebracht. Der Personalbestand ist ferner dadurch be⸗ einflußt worden, daß der Urlaub ausgedehnt worden ist und die durchschnittliche Krankheitsdauer zugenommen hat. In besonderem Maße hat aber die schematische Durchführung des Achtstundentages, wie sie sich aus der gcjeglichen Regelung ergab, zu einer starken Aufblähung des Personalbestandes geführt, weil kein genügender Unterschied zwischen angestrengter Tätigkeit und geringer In⸗ anspruchnahme gemacht werden konnte. Die Verwaltung hat gegen diese mit allen Kräften angekämpft und schon um⸗ angreiche Entlassungen vorgenommen. Einer rascheren Abstoßung überflüssiger Kräfte stehen aber die noch geltenden Demobil⸗ machungsvorschriften, zum Teil auch die Bestimmungen des Be⸗ triebsrätegesetzes und die Widerstände entgegen, die sich bei allen Entlassungen durch das Anrufen der politischen und Berufs⸗ vertretungen ergaben.

Der Arbeitswille des Personals, der unter den Folgen des Krieges erheblich zurückgegangen war, hat sich zwar wieder ge⸗ hoben, den alten Stand aber noch nicht wieder erreicht. Im Ein⸗

vernehmen mit den großen Beamtenverbänden strebt die Verwal⸗

tung unablässig dahin, hierin weitere Besserung zu erzielen.

In der Erhöhung der Gebühren hatte die Verwal⸗ tung aus allgemeinen wirtschaftlichen Erwägungen große Zurück⸗ haltung geübt.

Bekanntlich hat die Verschlechterung der Markwährung und die Zunahme der Teuerung, die im Sommer 1921 unter dem Ein⸗ fluß der politischen Entwicklung einsetzte, bei der eine wesentliche Erhöhung der Ausgaben hervorgerufen., da a 1. August 1921 allgemein die bekannten Fuschläne zu den Teuerungsbezügen des Personals zu gewähren waren und auch alle Preise des Sachbedarfs stark in die Höhe stiegen. Die Post⸗ verwaltung sah deshalb eine Erhöhung der Postgebühren gegenüber den Sätzen der Vorkriegszeit nach dem Verhältnis von 1:10 vor, welcher der Verkehrsbeirat in der Sitzung vom 12. und 13. Oktober im wesentlichen zugestimmt hat. Während diese Gebührenvorlage dem Reichskabinett zur Genehmigung vorlag. sah sich die Reichs⸗ regierung unter dem Zwange der weiter vorgeschrittenen Geld⸗ entwertung und Teuerung veranlaßt, eine abermalige durch⸗ reifende Erhöhung der Bezüge der Beamten und Lehnempfänger erbeizuführen, die am 1. Oktober 1921 in Kraft trat und der Postverwaltung einen weiteren Aufwand von jährlich 2¼% Mil⸗ liarden Mark auferlegte. Daneben hatten sich auch die sächlichen Ausgaben um den Jahresbetrag von 1 Milliarde gesteigert. Das Verhältnis von 1:10 bei den beabsichtigten neuen Postgebühren entsprach jetzt nicht mehr der Entwicklung der Geldentwertung, es war gegenüber dem auf 734 Milliarden Mark erhöhten Jahres⸗ fehlbetrage der Post völlig unzureichend. Das Reichskabinett be⸗ schloß daher, die vorgesehenen Tarifsätze im allgemeinen um 50 v. H. zu erhöhen, also bis zum Fünfzehnfachen der Friedens⸗ sätze zu gehen. Die dementsprechend geänderte Vorlage e nun⸗

ort dem