1922 / 59 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Mar 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Nach einer Meldung der „Politischen Korrespondenz“ herrscht in der Oeffentlichkeit Seseilht cherte Bercshanb na⸗ über eingelaufene Nachrichten, daß Ungarn mit Berufung auf die von Oesterreich niemals anerkannte Mantelnote zum Friedensvertrag von Trianon unter dem Titel von Grenz⸗ rekti ikationen weitgehende Gebietsforderungen stelle. Während sich gemäß dem Wortlaut und Geist der Vereinbarungen die österreichischen Vorschläge an die im Friedensvertrag be⸗ stimmte Linie halten, greifen die von Ungarn der Abgrenzungs⸗ kommission überreichten Vorschläge unerwarteterweise über diese Linie weit nach Westen hinaus und verlaufen im allgemeinen zehn Kilometer westlich von der durch den Staatsvertrag von St. Germain festgesetzten Grenze. Die österreichische Regierung hat gegen den neuerlichen Versuch Ungarns, durch Beanspruchung beträchtlicher wertvoller Teile des burgen⸗ ländischen Territoriums die westungarische Frage aufs neue aufzurollen, bei den Westmächten alle Schritte unternommen, um diesen Bestrebungen Ungarns energisch zu be⸗ gegnen.

Der Nationalrat beschäftigte sich gestern mit dring⸗ lichen Anfragen, betreffend die ungarischen Gebiets⸗ ansprüche im Burgen lande.

Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ brachten sowohl

Mataja (Christlichsozial) und Jürff (Großdeutsch) als auch Renner (Sozialist) einmütig die Auffassung zum Ausdruck, daß sich in Oesterreich keine Partei finden werde, die über das Venediger Protokoll hinaus weitere Opfer an burgenländischem Gebiet für er⸗ träglich halten könnte, auch könne keine österreichische Regierung einen derartigen Schritt rechtfertigen. Der Abg. Gruber protestierte namens der burgenländischen Bevölkerung, die glücklich sei, vom ungarischen Joch befreit zu sein, dagegen, daß auch nur ein Finger breit vom deutschen Gebiet des Burgen⸗ landes abgetreten werde. Der Bundeskanzler Schober erklärte, die österreichische Regierung habe unverzüglich die Westmächte, die in Mitteleuropa interessierten Staaten und den Völkerbund von dem neuen Versuch Ungarns, die burgenländische Frage wieder aufzurollen, in Kenntnis gesetzt und darauf aufmerksam gemacht, welche schwere Verletzung der Rechte Oesterreichs damit versucht werde. Der Versuch der ungarischen Regierung, auf diese Weise zu erlangen, was sie bisher vergeblich zu erreichen versucht hatte, verdiene die stärkste Zurückweisung. Der Bundeskanzler stellte fest, daß die Venediger Verhandlungen keine Grundlage für neue ungarische Gebietsforderungen abgeben können, da der Versuch der ungarischen Delegation auf der Konferenz von Venedig über die Oedenburger Frage hinaus die Erörterung weiterer Gebietsfragen herbeizuführen, unter Zustimmung des damaligen Ministers des AÄeußern seitens der österreichischen Delegation mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen wurde, daß die Mantelnote des Trianoner Vertrages die österreichische Regierung nichts angehe. Der Bundeskanzler verwies auf die vom ungarischen Ministerpräsidenten nach der Oedenburger Abstimmung ab⸗ gegebene Erklärung, daß nunmehr mit der Vereinigung der einzige Zankapfel zwischen Oesterreich und Ungarn weg⸗ gefallen und damit die Möglichkeit für das Zusammenwirken der beiden Staaten gegeben sei. Wenn nun Ungarn fünf Wochen später so tue, ass wenn Venedig und irgendwelche Verhandlungen und Verträge nicht existierten, so könne er sich von diesem Platze aus aefheich schwer darüber äußern. (Lebhafte Zustimmung.) Dazu gehoke eben eine andere Mentalität als die eines Deutschen. (Leb⸗ hafter Beifall.) Er habe bereits in Venedig Gelegenheit gehabt, in offener Verhandlung zu sagen: „Ich bitte, meine Herren, wir sind ja alle Europäer!“ Dieses Wort möchte er auch heute anwenden. Der Bundeskanzler schloß: Einen Handel über die Gemeinden des Burgenlandes gibt es nicht, dabei bleiben wir! (Lebhafter Beifall.)

Der dritte Parteitag der Tiroler Volkspartei

für Südtirol hat, wie der „Allgemeine Tiroler Anzeiger“

meldet, eine Entschließung angenommen, in der neuerdings die Forderung nach Landesautonomie einschließlich der deutschen Randgemeinden und der ladinischen Täler erhoben wird. Der Parteitag schloß sich den von den Gemeindevorständen des Unterlandes erhobenen Protesten in der dfc ftng⸗ an, forderte die Regierung auf, die Frage der Kriegsanleihen zu lösen, und protestierte gegen die sich wiederholenden ungesetzlichen Haus⸗ durchsuchungen. Der Parteitag wurde unter Absingung des Andreas⸗Hofer⸗Liedes geschlossen.

Großbritannien und Irland.

„Die indische Regierung hat an die englische Regierung ein Telegramm gerichtet, in dem sie dem „Reuterschen Büro! zufolge mit Nachdruck auf die unter den Muselmanen In⸗ iens herrschende Stimmung hinweist, die eine Revision

des Vertrags von Sovres fordert. Die indische Re⸗ gierung verlangt unter der Bedingung der Neutralisierung der Meerengen und der Gewährleistung der Sicherheit der nicht⸗ muselmanischen Bevölkerung im besonderen dreierlei, nämlich die Räumung Konstantinopels, die Suzeränität des Sultans über die Heiligen Stätten, die Wieder⸗ herstellung des türkischen Thraziens mit Adrianopel und die Rückgabe von Smyrna. Die Erfüllung der letzt⸗ genannten drei Punkte sei von höchster Bedeutung für Indien. Infolge der Veröffentlichung der Depesche der indischen

Regierung gab Chamberlain im Unterhause die Er⸗

klärung ab, daß der Staatssekretär Montagu sein Rück⸗ trittsgesuch eingereicht habe, das angenommen worden sei. Chamberlain teilte dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge mit, daß Montagu die Veröffentlichung der Depesche genehmigt habe, ohne irgendeinen seiner Kollegen um Rat zu fragen, und betonte, wie nachteilig die Ver⸗ öffentlichung am Vorabend der Konferenz über den Nahen Osten sei; die britische Regierung könne die Ver⸗ öffentlichung der Depesche auf die alleinige Verantwortung Montagus hin nicht in Uebereinstimmung bringen mit der Gesamtverantwortung des Kabinetts und mit der Verpflichtung, die alle Regierungen des britischen Reiches gegeneinander in Reichsangelegenheiten hätten. (Die Mitteilung von dem Rück⸗ tritt Montagus wurde von den Unionisten mit lautem Beifall aufgenommen.) Sodann teilte Chamberlain mit, daß mit Rücksicht auf die großen Summen, die Großbritannien be⸗ reits für das Hilfswerk in Europa gegeben habe, und mit Rücksicht auf die sehr schweren Lasten, die das britische Volk zu tragen habe, und auf das große Elend unter dem Volke die Regierung beschlossen habe, daß sie die Bereitstellung öffentlicher Geldmittel für das Hilfswerk zur Linderung der russischen Hungersnot nicht vorschlagen könne; es werde aber jede Anstrengung gemacht werden, um zu den bereits den Rote⸗Kreuz⸗Gesellschaften zur Verfügung gestellten mediazinischen Mitteln noch weitere hinzuzufügen.

Nach einer verspätet eingetroffenen Meldung hat das Unterhaus mit 295 gegen 52 Stimmen den Gesetzentwurf über den englisch⸗irischen Vertrag in dritter Lesung angenommen.

RFrankreich. 8 1

Die „Havasagentur“ berichtet, daß im Laufe der gestrigen Beratungen der alliierten Finanzminister als Ver⸗ handlungsgrundlage das Memorandum angenommen wonden sei, das de

8 nzminister b

zösischen

2 S. über Wasserfragen, Eisenbahnen, Sozialversicherung, Ko

öffentlicher Vollsitzung.

8

meisten aufgeworfenen Fragen gemacht worden. Die alliierten Minister hätten erklärt, da die voraufgegangene französische Regierung, sei es im Dezember in London, sei es im Januar in Cannes, Verpflichtungen übernommen habe, obzwar damals kein Texrt angenommen worden sei, betrachteten die Allierten die 8. so doch moralisch für verpflichtet, diese Abkommen zur Ausführung zu bringen. Sie seien der Ansicht, daß, wenn man sich streng auf den juristischen Standpunkt stelle, man not⸗ wendigerweise auf das Abkommen von Spaa zurückgreifen müsse, das Frankreich weniger günstig sei als die beiden nach⸗ träglich erfolgten Abmachungen. 1

Die Zusammenkunft der alliierten Minister der auswärtigen Angelegenheiten zur Beratung der Orientfrage findet, wie die „Havasagentur“ mitteilt, am 22. März statt.

Die interparlamentarische Gruppe der Liga für Menschenrechte hat vorgestern beschlossen, von der fran⸗ si Regierung die Veröffentlichung der diplomatischen Akten über den Ursprung des Krieges zu verlangen, ebenso das Protokoll der geheimen Sitzungen, die während des Krieges in den französischen F. stattgefunden haben. Die interparlamentarische

ruppe verlangt ferner, daß die feindlichen Chefs, denen Ver⸗ stöße gegen das Völkerrecht zur Last gelegt werden, vor den Obersten Gerichtshof des Völkerbundes gezogen werden.

8 Rußland.

In der Sitzung der Kommunistischen Internationale berichtete Radek über das Ergebnis seiner Reise nach Berlin, wo er über den Zusammenschluß Dritten Internationale verhandelt hat. Aus den Ver⸗ handlungen habe sich ergeben, daß die Zweite Internationale mit der Dritten nicht zusammenzuarbeiten wünsche. Sinowjew erklärte, daß die russischen Kommunisten die Hoffnungen auf eine Weltrevolution aufgegeben hätten, daß eine Revision der Methoden der bisherigen Aktion nötig sei und daß es not⸗

alle Internationalen in eine einzige zusammenzu⸗

wendig sei⸗ schließen. .“ Schweiz.

Der Präsident der deutsch⸗polnischen Konferenz Calonder empfing gestern die in Genf weilenden Pressevertreter, um ihnen einen ausführlichen Ueberblick über den Stand der deutsch⸗ polnischen Verhandlungen und ihre bisherigen Ergebnisse zu geben. Der Präsident führte dem „Wolffschen Telegraphen⸗ büro“ zufolge im wesentlichen aus:

Die Verhandlungen treten nunmehr in ihre Schlußphase ein, in die Phase der Prüfung und der Lösung aller Fragen, in denen zwischen den Verhandlungfuüͤhrenden eine Einigung nicht erzielt werden konnte. Wir bemühen uns, die Zahl dieser a zu ver⸗

ringern, aber obgleich unsere Bemühungen in einigen Fällen zum Ziel führen, ist es doch möglich und sogar wahrscheinlich, daß ein Rest von Fragen bleibt, über die eine Einigung nicht erzielt werden kann. 1 1 Die elf Unterausschüsse haben in Oberschlesien die Ab⸗ kommensentwürfe vorbereitet und in Genf vollendet. In einzelnen Fällen wurden die Abkommensentwürfe völlig abgeschlossen, so düs die len⸗ ergwerkserzeugnisse, Zoll und Verkehr von beiden Abordnungen ge⸗ billigt worden sind. In anderen schüsse zu keiner Einigung gelangten, wurden die Entwürfe vorgelegt, dabei aber gewisse Fragen einer unmittelbaren Verständigung zwischen den Bevollmächtigten vorbehalten. Die Bemuüͤhungen der Unterhändler werden nunmehr den noch bestehenden Streitfällen und ihrer Lösung gelten. Diese Lösung wird an⸗ gestrebt durch unmittelbare Verhandlungen entweder zwischen den Bevollmächtigten oder zwischen den Bevollmächtigten und mir. Dabei bestehen drei Möglichkeiten einer Lösung: ent⸗ weder die unmittelbare Einigung zwischen den Bevollmächtigten oder die Einigung durch Vermittlung des Präsidenten oder die Lösung durch Schiedsspruch des Präsidenten. Im Hinblick darauf haben sich die beiden Abordnungen verpflichtet, mir bis spätestens den 11. März Denkschriften zu überreichen, in denen sie ihren Standpunkt darlegen und begründen. Ich werde diese Denkschriften prüfen und, wenn die Febg arteien es wünschen, eine Vermittlung versuchen. Falls die ermittlung scheitert, fälle ich en Schiedsspruch, und zwar in allgemeiner Damit werden dann die öffentlichen Ver⸗ handlungen abgeschlossen sein. „Alllerdings bleibt dann noch eine lange und schwierige Redakti onsarbeit zu erledigen. Wenn die technischen Schwierigkeiten beseitigt sind, dann kommen noch sprachliche Schwierig⸗ keiten. Deutschverfaßte Textentwürfe sollen in einen französischen

Fällen,

Tert umgewandelt werden, der sowohl den juristischen als auch den

rein fachmännischen Erfordernissen des Vertrags gerecht werden soll. Obgleich unser Redaktionsausschuß rastlos arbeitet, schreitet

er nur langsam in der Abfassung der Texte vorwärts, während

gleichzeitig zwei Abordnungen mit ihren Sachverständigen die Ver⸗ handlungen fortführen. Bei allem guten Willen ist es daher unmöͤglich, das Datum festzusetzen, an dem wir abschließen können, an dem der völlige Wortlaut des Vertrags unterschrieben werden kann. Aber soviel wissen wir, es wird leider länger dauern, als wir anfänglich annahmen.

Der Präsident Calonder charakterisierte hierauf das Wesen und damit die rein sachlichen Schwierigkeiten der Verhandlungen folgendermaßen:

Das deutsch⸗polnische Abkommen soll das wirtschaftliche und unter gewissen Gesichtspunkten auch das politische Regime Ober⸗ schlesiens nach den allgemeinen Grundsätzen des Beschlusses vom 20. Oktober regeln. Es hat deshalb einen ausgesprochen tech⸗ nischen Charakter; außerdem ist jeder Vertragsartikel das Ergebnis zweier verschiedener nationalen Gesichtspunkte. Das Abkommen soll 15 Jahre das Leben eines arbeitsamen Volkes beherrschen, es soll gewissermaßen die Verfassung werden, die von der gemischten Kommission ständig eeö ist. Gleichzeitig muß es auch den nationalen Regierungen zu beiden Seiten der neuen Grenze angepaßt werden. Es muß schmiegsam genug sein, um die Ent⸗ wicklung während der Anpassungszeit zu ermöglichen. Das sind Forderungen, die sast mit einander im Widerspruch stehen und unsere ganze Aufgabe erschweren. Präsident Calonder wies des weiteren

rauf hin, daß infolge all dieser Schwierigkeiten die Presse oft nur spärlich unterrichtet werden konnte; er hoffe aber, daß die öffentliche

Meinung trotzdem Ruhe bewahren und gerecht und leidenschaftslos urteilen werde und über die unpermeidlich lange Dauer nicht unwillig werde; da man gute Arbeit leisten wolle, könne man sie nicht immer schnell leisten.

„Cgalonder rühmte endlich den Geist der Versöhnung, der die beiden Abordnungen, besonders die beiden Bevollmächtigten, beseele, und schloß dann seine Darlegungen mit folgendem Appell an die oberschlesische Bevölkerung: „Während ich hier an unserer Aufgabe arbeite, denke ich oft an die Oberschlesier, bei denen ich kürzlich weilte und von denen ich einen so vortzefflichen Eindruck bewahre, denn es geht vor allem um ihr Leben, ihr Wohlergehen und ihr Gedeihen. Sie alle warten mit Geduld, für die ich ihnen dankbar bin, auf das Ende unserer Ar⸗ beiten. In ihrem Interesse bemühen wir uns, schnelle Arbeit zu leisten, aber in ihrem Interesse müssen wir auch darauf achten, daß

-

die Eile nicht das Werk selbst gefährde, das wir zu verwirklichen

tr ach 8

französische Regierung, wenn nicht juristisch,

der Zweiten und

in denen die Aus⸗

f unterbreitet hak. Es seien sedog⸗ Vorbehalte hinsichtlich der

kommens über die

gebenheit bezeige. britische Truppenkontingent in Indien keineswegs zu groß.

Polen.

Am Mittwoch ist in Warschau der Kongreß der Volks⸗ artei (Gruppe Thugut) eröffnet worden. Der Kongreß b. chloß, die Regierung aufzufordern, den jetzigen Landtag guf⸗ zulösen und Neuwahlen auszuschreiben.

2 Rumänien.

Bei den Kammerwahlen wurden bisher im alten Königreich 111, in Bessarabien 31, in der Bukowina 16, in Siebenbürgen 33 Regierungsanhänger gewählt. Die Opposition dürfte etwa 60 Sitze erhalten. n

aAAAA“

i der Note an den italienischen Bolschafler Rieci, in der die Vereinigten Staaten die Teilnahme an der Genueser Konferenz ablehnen, schreibt Staatssekretär Hughes der „Reuterschen Büro“ zufolge: 1 . .

Seit Empfang der ersten Note Eurer Exzellenz ist die Frage der Teilnahme der Vereinigten Staaten an der vorgeschlagenen Konserenz ernstlich in Erwägung gezogen worden. Sie werden verstehen, daß die Re⸗ gierung der Vereinigten Staaten ein großes Interesse an jeder Konferen; nehmen muß, die wirksame Maßregeln zur Förderung des wirtschaftlichen Wiederaufbaues Europas verheißt, denn nicht nur ist es unser inniger Wunsch, daß die Völker, welche am meisten unter den durch den Krieg her⸗ vorgerufenen Verwüstungen und Erschütterungen litten, zur Wohlfahrt zurückkehren, sondern es ist auch klar, daß ohne eine (esun⸗ dung Europas von einer Besserung der Welt keine Rede sein kann. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat mit diesem teilnehmenden Empfinden und mit dem größten Wider⸗ streben, jedem geeigneten Schritt zur Erreichung dieses Zieles ihre Unten⸗ stütumg vorenthalten zu müssen, die in Cannes angenommene Ent⸗ schließung und das für die Konferenz vorgeschlagene Programm geprüft. Mit Bedauern benachrichtige ich Eure Exzellenz, daß als Ergebnis der stattgehabten Prüfung festgestellt worden ist, daß man unmöglich dem Schlusse entgehen kann, daß die vorgeschlagene Konferenz in der Hauptsache keine Wirtschaftskonferenz ist sind doch von den Beratungen Fragen ausgeschlossen worden, ohne deren zufrieden. stellende Lösung die Hauptursachen der wirtschaftlichen Störung weiterwirken müssen —, sondern daß sie eher einen poli⸗ tischen Charakter trägt, und daß die Regierung der Vereinigten Staaten sich an einer solchen in nützlicher Weise nicht beteiligen könnte. Die Regierung der Vereinigten Staaten muß auf die klar ausgesprochene Ueberzeugung des amerikanischen Volkes Rücksicht nehmen, daß, wie sehr die Re⸗ gierung es auch wünscht und sie hat Beweis dafür in reicher Fülle erbracht —, in angemessener Weise an dem Wiederaufbau des Wirt⸗ schaftslebens Europas teilzunehmen, sie doch nicht ohne dringende Notwendigkeit in Fragen der europäischen Politik verwickelt werden sollte.

Hinsichtlich Rußlands mag hinzugefügt werden, daß die Re⸗ gierung der Vereinigten Staaten zwar darauf bedacht ist, alles, was in ihren Kräften steht, zur Förderung der Wohlfahrt des russischen Volkes zu tun, und daß sie mit dem lebhaftesten freundschaftlichen Interesse jeden Schritt auf dem Wege zur Wiederherstellung wirt⸗ schaftlicher Bedingungen begleitet, die es Rußland gestatten, produktive Kraft wiederzugewinnen, daß sie aber Meinung ist, daß solche Bedingungen so lange nicht siche gestellt werden können, als nicht ein entsprechendes Vorge der für Rußlands gegenwärtige wirtschaftliche Zerrüttung haupt sächlich Verantwortlichen erfolgt ist. Die Meinung der Regierung der Vereinigten Staaten geht auch dahin und sie 8 dessen sicher, daß fie von den Regierungen, die die Konferenz einberufen haben, geteilt wird —, daß, solange man noch auf die Herstellung der un⸗ bedingt notwendigen Sicherheiten für Rußlands Produktivität warte

8

auf die in der am 25. März 1921 veröffentlichten Erklärung de

Regierung der Vereinigten Staaten hingewiesen wird, und ohne die wie die Regierung der Vereinigten Staaten glaubt, jede Prüfung eines wirischaftlichen Wiederauflebens wertlos ist, nichts unter nommen werden sollte mit dem Ziele, in Rußland wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, welche berechtigte. Möglichkeiten anderer schmälern würden. Vielmehr sollten die Hilfsquellen des russischen Volkes von einer derartigen Ausbeutung freigehalten werden, und eine unparteiische und billige Möglichkeit zur wirtschaftlichen B

tätigung sollte sowohl im Interesse des russischen Volkes wie in d

aller Mächte sichergestellt werden. Wenn die Regierung der Ver⸗ einigten Staaten auch nicht glaubt, an der vorgeschlagenen Konferens teilnehmen zu sollen, so gibt sie sich doch aufrichtig der Hoffnung hin, daß ein Fortschritt gemacht werden möge in der Bahnung des Weges für eine eventuelle Besprechung der Regelung der grund⸗ legenden wirtschaftlichen und finanziellen Fragen des europäischen Wiederaufbaus, die zu einer Lösung drängen.

Der Senator Lodge trat vorgestern in einer großen Rede im Senat für die Ratifikation des Viermächte abkommens ein und sagte nach einer Havasmeldung:

Die Ablehnung der Ratifikation sei eine Gefährdung des Ab⸗ 2 g über die Flottenrüstungen. Das Viermächteabkommen scheide die englisch⸗japanische Allianz aus und damit die größte Gefaht für die amerikanischen Beziehungen zum Fernen Osten. Die Vereinigten Staaten, welche die Konferenz von Washington veranlaßt und selbst auf dieser Konferenz Vorschläge gemacht hätten, tönnten die Ratifikation des Vertrages nicht ablehnen, um sich nicht in die unangenehme Isolierung einer bis an die Zähne bewaffneten Einsiedlernation zu begeben, welche ständig in der Aussicht auf einen neuen Krieg leben würde. Der Viermächtepertrag lege den Vereinigten Staaten nur die Verpflichtung auf, sich mit den übrigen Unterzeichnern ins Be⸗ nehmen zu setzen. Die Beseitigung der englisch⸗japanischen Allians mache die Herabsetzung der Fottenrüstungen möglich. Die Ablehnung 8. ““ sei gleichbedeutend mit dem Fehlschlagen er Konferenz. b

Nach dem „New York Herald“ erklärte Lodge, die als

der Abrüstungskonferenz hervorgegangenen Verträge müßten

entweder ratifiziert werden oder man müsse mit der Er⸗ neuerung der englisch⸗japanischen Allianz und einem unbegrenzten Wettrüsten rechnen.

b Asien. 8

In der Gesetzgebenden Versammlung Indiens verlangten, wie „Reuter“ meldet, einige Abgeordnete eine weitere ö der Heeresausgaben, namentli der Ausgaben für die britischen Truppen in Indien, die mehr Kostenaufwand verursachten als die indischen Truppen⸗ Darauf antwortete der Oberstkommandierende Lord Rag⸗ linson, eine weitere Verminderung des Heeres sei wegen der weit verbreiteten aufständischen Bewegung nicht möglich. Er würde weitere Verminderungen in Erwägung ziehen, wenn ein geeinigtes Indien dem britischen Reich seine Treue und Er⸗ Unter den gegenwärtigen Umständen sei das

]

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag sind der Entwurf eines Gesehes zur Aenderung des Pensionsergänzungsgesetzes und

des Wehrmachtversorgungsgesetzes und der Entwurf eines Gesetzes über die 8 gung von Pyrmont 2 88 nebst Begründungen zur Leschlußfasung ilh

n der interfraktionellen Besprechung über das Steuerkomprom iß, die gestern im Reichstage stattfand, an nr auch der Reichskanzler Dr. Wirth, die Reichsminister Bauer, Dr. Hermes, Dr. Rathenau u. a. teilnahmen, trug der Abg⸗ Dr. Becker⸗Hessen (D. Vp.) die Richtlinien vor, von deren An⸗ nahme die Deutsche Volkspartei ihre endgültige Zu⸗ ttimmung zum Stenerkompromiß zbhängig macht. Sie beziehen sich auf die Gewährung sachlicher und persönlicher Garantien. Darnach muß, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungeverleger berichtet, zunächst zwischen den Kompromißparteien und der Regierung Einmütigkeit über die Verwendung der Mittel, insbesondere derjenigen aus der Zwangsanleihe bestehen. Diese Mittel dürsen nicht verwendet werden, um Fehlbeträge der Reichs⸗ jetriebe, Post und Eisenbahn, zu decken; diese müssen sich felbst er⸗ halten. Auch wenn die einzuschlagenden Wege nicht in aller⸗ zichstr Zeit zum Ziele führen, dürfen laufende Einnahmen aus Sieuern und aus der Zwangsanleihe unter keinen Umständen zur Oeckung folcher Fehlbeträge verwendet werden. Ferner dürfen die Mittel aus der Zwangsanleihe, die nicht wiederholt werden kann, zicht dazu verwendet werden, um Devisen zu kaufen und Gold⸗ ahlungen an die Entente zu leisten. Das zerstört den Devisenmarkt und bestärkt unsere Gegner in dem Glauben, daß wir neue Gold⸗ eahlungen auf uns nehmen könnten. Die Zwangsanleihe gibt nur Mittel für ein einziges Jahr; unsere Gegner könnten dann aber zuf größere dauernde EIE schließen. Der einzige Verwendungszweck darf nur sein, daß die im Inland aus dem Friedensvertrag usw. abzudeckenden Verbindlichkeiten (ein Teil der Besatzungskosten sowie vor allem die Entschädi⸗ gung deutscher Lieferanten für Sachleistungen usw.) gezahlt werden. Ob eine solche Festlegung der Verwendung in dem Mantelgesetz erfolgen kann, ist eine Frage außenpolitisch⸗ faktischer Natur. Die neuen Einnahmen sollen ferner den inneren Haushalt des Reiches in Ordnung bringen, um wiederum das Ver⸗ srauen von Wirtschaft und Politik des Auslandes zu schaffen. Deshalb muß ein ernster Anlauf genommen werden, die gesamte Ver⸗ waltung zu vereinfachen und zu verbilligen. Unsere Reichsverwaltung ist in den letzten Jahren viel zu „großzügig“ aufgebaut worden. Ein⸗ richtungen der Kriegszeit sind leider zu spät, teilweise überhaupt noch nicht abgebaut. Die Einwirkungen der Revolution sind noch heute nicht überwunden. Die Ueberspannung des zentralistischen Ge⸗ dankens hat der Reichsverwaltung eine Fülle von Aufgaben zuge⸗ wiesen, die recht gut bei Ländern und Gemeinden hätten bleiben zönnen und billiger von ihnen gelöst worden wären. So haben wir im Reich einen Ueberfluß von Aemtern bis zu den Ministerien hinauf ind von Beamten und einen Verwaltungsapparat, der von einem ver⸗ armten Staatswefen nicht länger getragen werden kann und abgebaut werden muß, wenn man den Steuerzahlern neue Lasten zumutet. Der vor Jahresfrist eingesetzte Sparkommissar hat seine Tätigkeit in⸗ folge des Widerstands der Aemter eingestellt. Eine Kommission zur Vereinfachung der Reichsverwaltung besteht bereits seit vielen Monaten, von einer finanziellen Auswirkung hat sich freilich erst wenig gezeigt. Im Hauptausschusse haben sich Ansätze zum Abbau der Ausgaben bemerkbar gemacht. Es muß aber mit ganz anderem Nachdruck die Vereinfachung und Verbilligung der Reichs⸗ verwaltung in die Hand genommen werden. Deshalb darf sie nicht als Nebenaufgabe in einem Ministerium behandelt, sondern muß als Hauptaufgabe einem Organ übertragen werden, dessen Spitze nicht nur die volle Verantwortung trägt, sondern auch schon durch seine äußere Stellung (Rang und Stellung eines Reichs⸗ ministers) die nötige Stärke besitzt, um sich den Ressorts gegenüber kraftvoll durchzusetzen. Diesem Manne muß eine kleine Kommission aus besonders ausgewählten Sachverständigen zur Mitarbeit unter⸗

ellt werden. Die Vorschläge dieser Kommission hätten selbst⸗ verständlich die parlamentarischen Körperschaften zu genehmigen, und die Kommission hätte auch in engster Fühlung mit den einzelnen Ministerien und vor allem mit dem Reichsfinanzministerium zu handeln. Die Arbeit der Kommission kann aber nur dann Erfolg haben, wenn Regiernng und Parteien sie mit ernsten Willen unterstützen und jeden begründeten Vor⸗ schlag ohne Voreingenommenheit prüfen und rücksichtslos durchführen. Der Erfolg steht und fällt mit diesem guten und ernsten Willen von Regierung und Parteien. Die Persönlichkeit an der Spitze muß politisch unbelastet, aber in der Reichs⸗ und Staatsverwaltung praktisch durchaus erfahren sein. Eine erfolgreiche Arbeit für die Vereinfachung und Verbilligung der Reichsverwaltung wird zweifellos nicht ohne Wirkung auf die Verwaltung von Ländern und Gemeinden bleiben. Die Hauptaufgabe des „Vereinfachungskommissars“ würde sein, Vorschläge sh machen, wie die großen Reichsbetriebe zu vereinfachen und wirt⸗ chaftlicher zu gestalten wären. Regierung und Parteien müßten bezüglich anderer Gestaltung der Betriebe jeder vorgefaßten Meinung entsagen und. einer Ausgestaltung nach der Richtung eines mehr privatwirt⸗ schaftlichen Ausbaues nicht von vornherein aus theoretischen Gründen pder gar aus parteipolitischen Rücksichten widersprechen; sie müssen

sich schon jetzt verpflichten, nicht ohne weiteres Maßnahmen abzulehnen,

die den Wirkungsgrad der Unternehmen erhöhen können, selbst wenn sie nicht ganz mit ihren wirtschaftspolitisch⸗ oder staatspolitisch⸗ theoretischen Meinungen im Einklang stehen und sich von einer Ein⸗ stellung auf Schlagworte in der Richtung einer gesunden Wirt⸗ schaftsführung mehr entfernen, als dies einseitige parteipolitsche Betrachtungsweise bisher für möglich gehalten hat. Eisenbahn und Post müssen sachlich wie persönlich entpolitisiert und möglichst rein wirtschaftlich behandelt werden. Die Hoheitsrechte des Reichs wie die Rechte der Beamten sind dabei selbstverständlich zu wahren. Auch für die Zukunft dürfen sich die Mißstände auf finanziellem Gebiet nicht er⸗ neuern. Neue Forderungen haben immer wieder die Reichsausgaben ver⸗ mehrt, und kein Teil kann sich von Schuld daran freisprechen. Auch bier müssen Regierung und Parlament ernstlichen Willen zur Aende⸗ rung haben. Der stärkste Wille wird aber vielfach durch partei⸗ volitische Erwägungen über den Haufen geworfen. Deshalb muß dem Reichsfinanzministerium eine stärkere Einwirkung auf die Ge⸗ staltung der Reichsausgaben eingeräumt werden, die Stellung des Reichsfinanzministeriums muß erheblich verstärkt werden, der Minister muß ein unbedingtes Einspruchsrecht gegen 1 belastungen durch ein einzelnes Ministerium haben. Mit der aus dem Krieg übernommenen Uebung, im Etat große Sammel⸗ kredite zu bewilligen, muß völlig gebrochen, und es muß zur weit⸗

gebenden Spezialisierung des Reichshaushalts zurückgekehrt werden.

Sammelkredite verführen Regierung und Parlament leicht zur Verschwendung, jede Spezialisierung fördert die Sparsamkeit. Die deutsche Wirtschaft wird die neuen Lasten nur tragen können, wenn man ihre Produktivität stärkt und alle Maßnahmen vermeidet, die ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Die deutsche Wirt⸗ schaft arbeitet noch in Fesseln und Einschränkungen aus der Kriegszeit, die sie hindern, durch Steigerung ihrer Erzeugung und Ausnutzung aller Möglichkeiten das Letzte herauszuholen, womit sie allein ihren vrivat, und öffentlich⸗rechtlichen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Diese Fesseln müssen nach und nach abgenommen werden. Die Zwangs⸗ wirtschaft für die Gütererzeugung und den Güterabsatz im In⸗ und Ausland und besonders auch in bezug auf die Preisbildung ist daher nach und nach auf allen Gebieten abzubauen. Regierung wie Kompromiß⸗ varteien müssen bei Abschluß des Steuerkompromisses einig darin sein, dieses Ziel schrittweise zu erreichen. Die sicherste Gewähr dafür würde in Personalverschiebungen in den Aemtern zu finden gewesen sein. Inwieweit solche nötig und möglich sind, soll hier nicht weiter erörtert werden. Neue Maßnahmen, die die deutsche Wirtschaft be⸗ lasten, müssen auf ihre Wirkung in der Richtung der Möglichkeit einer

eemmung der Le istungsfähigkeit geprüft werden. Ueber wirtschaftliche

elpflichtungen gegen die Ententestaaten darf nicht die Regierung allein entscheiden; vor so weittragenden Entscheidungen, wie z. B. dem

iesbadener Abkommen, wie man sie anscheinend setzt auch mit anderen Ententestaaten zu vereinbaren geneigt ist, müssen sowohl se berufenen Wirtschaftsvertretungen wie auch die parla⸗ mentarische Vertretung des deutschen Volkes gehört werden. Die deutsche Wirtschaft fann die Opfer der neuen Finanzgesetzgebung nur tragen, wenn ihr nicht auf dem Umweg über solche Abkommen neue Opfer auferlegt werden. Auch die politischen Parteien, insbesondere ediejenigen, die in der Regierung nicht pertreten sind, hinter denen zer meitesie Kreife des Erwerbslebens steben, d derechtigtes

88 8

erhebliche Neu⸗

Interesse daran, daß man sie angesichts der Opfer für das Steuer⸗

kompromiß nicht bei Abschluß so weittragender wirtschaftlicher Ab⸗ kommen einfach übergeht. Es muß deshalb verlangt werden, daß vor Abkommen auf Grund des Friedensvertrags, die größere finanzielle oder ernste grundsätzliche Bedeutung haben, Wirtschaftsvertretung und Parlament gehört werden. Zurzeit verschafft sich die Reichsverwaltung die Mittel zur Deckung außerordentlicher Ausgaben durch die Aus⸗ gabe von Schatzanweisungen und deren Verwertung bei der Reichs⸗ bank. Der normale Weg ist dies selbstverständlich nicht. Außer⸗ ordentliche Ausgaben sollen durch Begebung von Schuldverschreibungen, also durch fundierte Anleihen, gedeckt werden. Die Schatzanweisungen führen zur Vermehrung von Zahlungsmitteln, zur. Schaffung immer neuen Papiergeldes und zur Vergrößerung der Inflation. Auch auf diesem Gebiet muß auf den normalen Weg zurückgegangen werden, wenigstens einen Teil der Mittel zur Deckung außerordentlicher Aus⸗ gaben wieder durch eine fundierte Anleihe zu gewinnen. Dadurch würde der Inflation entgegengewirkt werden. 8 In der Aussprache erklärte u. a. der Abg. Müller⸗Franken (Soz.), daß seine Partei mit der Tendenz der Nichtlinien der Deutschen Volkspartei einverstanden sein könne, sich aber noch nicht auf Einzelheiten festlege. Nachdem alle Parteien ihre Bereitwilligkeit gezeigt hätten, einen möglichst großen Teil der Zwangsanleihe noch in diesem Jahre zum Fließen zu bringen, verzichteten die Sozial⸗ demokraten darauf, Einzelbestimmungen darüber in das Mantelgesetz aufzunehmen. Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. Vp.) erklärte schließlich, daß seine Partei bereit sei, einen gemeinschaft⸗ lichen Antrag auf Einbringung eines Mantelgesetzes mitzu⸗ unterzeichnen. Zum Schluß faßte der Reichskanzler Dr. Wirth. das Ergebnis zusammen und erklärte für die Regierung, daß die Richtlinien der Deutschen Volkspartei im wesentlichen der Regierungs⸗ politik zugrunde gelegt werden sollten, und daß zur Ausarbeitung der Einzelheiten, namentlich der Ersparnismaßnahmen, alsbald weitere Sitzungen stattfinden sollten. Hierzu könnten auch von den Parteien vorgeschlagene Persönlichkeiten außerhalb des Parlaments hinzu⸗ gezogen werden. Aus den Ergebnissen der heutigen Sitzung wären, so erklärte der Reichskanzler weiter, alsbald politische Folgerungen zu ziehen; es sei notwendig, das Finanzministerium endgültig zu be⸗ setzen. Der Vorsitzende Dr. Spahn stellte hiernach das Einver⸗ ständnis der anwesenden Parteien fest. Die Verhandlungen über die Zwangsanleihe werden vermutlich am Sonnabend beginnen. Im Hauptausschuß des Reichstags wurde gestern der Haushalt des Reichsministeriums des Innern weiter beraten. Der Berichterstatter Abg. Dr. Schreiber (Zentr.) teilte mit, daß der Etat des Reichsministeriums des Innern mit einer bemerkenswerten Sparsamkeit aufgestellt sei. Die Personal⸗ politik des Ministers erfülle ihn mit einer gewissen Sorge. Sie gebe sich einseitig. Die vorzeitige Veröffentlichung von Referentenentwürfen ei recht bedauerlich. Nähere Mitteilungen über die Beamtenabteilung des Ministeriums seien erwünscht. Abg. von Kardorff (D. Vp.) fragte, wie es mit der Vorbereitung eines Reichswahlgesetzes stehe. Die bestehenden großen Kreise müßten verkleinert werden. Auch fragte der Redner, ob Vorbereitungen zu einer Reichstagswahlreform getroffen seien, oder ob es bei dem jetzigen Proportionalsystem sein Bewenden haben solle. Ein ständiger Stab von Mitarbeitern im Ministerium sei auch im parlamentarischen System eine Not⸗ wendigkeit. Diesem Erfordernisse müsse Rechnung getragen werden. Abg. D. Mumm (D. Nat.) brachte die Aussprache im bayerischen Landtag zur Sprache, bei der der bayerische Minister des Innern Dr. Schweyer von neuerlichen Berliner Uebergriffen ge⸗ sprochen und erklärt habe, Vorkommnisse, wie die vom 22. Februar, seien nicht öfter erträglich; die bayerische Regierung habe einen ent⸗ schiedenen Protest an die zuständige Berliner Stelle gerichtet. Sind hierbei, fuhr der Redner port Reichsstellen beteiligt oder handelt es sich wieder um einen Uebergriff des preußischen Kommissars Weis⸗ mann, der schon einmal von seinem Ministerpräsidenten ent⸗ schieden in seine Schranken gewiesen werden mußte? Werden für das preußische Kommissariat außeretatsmäßige Reichsmittel gewährt? Der Redner erinnerte sodann daran, daß der Reichstag vor zwei Jahren beschlossen habe, von der Reichsregierung die Aus⸗ arbeitung eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Schund⸗ und Schmutzliteratur sowie eines Gesetzentwurs zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gemäß Art. 118, 2 der Reichsverfassung zu fordern, brachte die angeblich schroffe Entlassung von Staatssekretär Lewald zur Sprache und be⸗ eichnete die Beamtenpolitik des Ministers als sehr bedenklich. Enblich beklagte er, daß ständig Widerstreit zwischen Reichsrat und Reichsregierung bei Vorlegung von Gesetzentwürfen zutage trete. Abg. Frau Pfülf (Soz.) bemerkte zur Personalpolitik, g für be⸗ stimmte fachliche Fragen, wie Schulfragen, Sachverständige erforderlich seien. Diese Aufgaben könnten von Juristen nicht gelöst werden. Abg. Koch (Dem.) befürwortete die Verringerung der Zahl der Ministerien. Die große Zahl der Minister mit besonderen Ministerien führe zu Reibungen der Ressorts. Abg. Schmidt⸗Stettin (D. Nat.) erklärte, daß man anscheinend im Ministerium mit der Spar⸗ samkeit zu weit gehe; denn die Pensionsabteilung sei mit ihren Arbeiten in sehr starkem Rückstande. Ferner fragte er an, was denn eigentlich die neue Beamtenabteilung im Ministerium zu tun habe. Das Ministerium sei doch in Beamtensachen feder⸗ führend. Aber er müsse dem Kollegen Abg. Koch zustimmen, daß die Ressorts gegeneinander arbeiteten und dadurch alle Sparsamkeits⸗ absichten, z. B. bei Unterbringung der Wartegeldempfänger usw., durchkreuzten. Aber auch der Reichstag sei schuld, der von ihm ge⸗ wählte Verbilligungsausschuß arbeite absolut nie. Abg. Maretzki (D. Vp.) trat dafür ein, daß die alte Beamtenschaft sorgsam erhalten werde. Abg. Levi (Unabh. Soz.) vermißte die wünschenswerte Sparsamkeit im Haushalt des Ministeriums; insbesondere bemängelte er die einmalige Ausgabe für polizeiliche Zwecke in Höhe von 200 Millionen Mark. 8 Der Reichsminister des Innern Dr. Köster dankte, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, dem Berichterstatter für die Anerkennung, daß die notwendigen Spar⸗ samkeitsrücksichten im Amte zur Durchführung kämen. Dies werde künftig in verstärktem Maße geschehen. Der Minister suchte die ge⸗ äußerten Zweifel an den sachlichen Beweggründen seiner Personal⸗ politik durch den Hinweis darauf zu zerstreuen, 8 nur drei Beamte einberufen worden seien, deren Qualifikation auf den betreffenden Gebieten erwiesen sei. Nach parteipoliti⸗ scher Gesinnung sei niemals gefragt worden. Hinsichtlich der Angelegenheit des Staatssekretärs Lewald stellte der Minister fest, daß die Aussprache zwischen ihm und dem Steaats⸗ fekretär Lewald sich in durchaus verbindlichen Formen abgespielt habe, und daß der Entschluß, ohne ihn zu arbeiten, vor jeder Bekanntgabe dem Reichskanzler übermittelt worden sei. Der Minister verbreitete sich sodann über die vorzeitige Veröffentlichung von Referenten⸗ entwürfen, die auch von ihm verurteilt werde.é Sie sei häufig im Anschluß an vertrauliche Mitteilungen und Besprechungen mit Mitgliedern verschiedener Reichratsausschüsse und verschiedener Parteien geschehen, die dazu dienen sollten, schon im ersten Stadium der Verhandlung eine grundsätzliche Einigung herbeizuführen. Die Teilnahme des Ministers an der Versammlung egen die Einschnürung der Literatur fei deshalb erfolgt, weil der Feähnifter noch heute tätiges Mitglied des einberufenen „Schutz⸗ verbandes der deutschen Schriftsteller“ sei. In dieser Versammlung seien wichtige Vorschläge gemacht worden, wie ohne Einschnuüͤrung der Kunst den Gefahren von Schmutz und Schund zu begegnen sei. Er teile mit dem Berichterstatter die tiefe Sorge um diese Fragen. Die Gegensätze zwischen Reichsrat und Reichsministerium hätten vielfach ihren Grund in der Einstellung zu finan⸗ ziellen Fragen; zum Teil, aber entständen diese Konflikte aus gewissen Strömungen im Reichsrat, die Weimarer Ver⸗ fassung rückwärts zu revidieren. Von verschiedenen Rednern war die Frage einer Aenderung des jetzigen Wahlgesetzes aufgeworfen worden. Der Minister stellte dazu fest, daß bei einer Besprechung der Reichsregierung mit den Parteien im letzten Sommer Einigkeit darüber bestanden habe, daß keine grundsätzliche Aenderung an dem

den Vorwürfen, die im bayerischen Landtag vorgebracht worden sind in Berührung gebracht werden könne. Das Reich gebe dem preußischen Staatskommissar für die öffentliche Ordnung keine Mittel. Der Staatssekretär Schulz erklärte, daß die debattelose Abstimmung des Reichstags über die vom Reichsrat ab⸗ gelehnte Position des zweiten Nachtragsetats (ehemalige militärische Bildungsanstalten betreffend) in erster Linie Sache des Reichstags gewesen sei. Die Mitteilung des Reichsministerums des Innern habe sich darauf beschränkt, den Prasidenten des Reichstags zu bitten, die Abstimmung an einem Tage vorzunehmen, an dem voraussichtlich eine ausreichende Besetzung des Hauses zur Ermöglichung der not⸗ wendigen Zweidrittelmehrheit zu erwarten sei. Der Staats sekretär bemerkte ferner, daß die Möglichkeit einer gesetzlichen B kämpfung von Schmutz und Schund zurzeit im Reichsjusti ministerium zur Stellungnahme vorliege. Außerdem geschehe diese Bekämpfung durch moralische und finanzielle Unterstützung von Volksbildungsverbänden, die diesen Zweck im Auge hätten. Abg. Dr. achnicke (Dem.) stellte fest, daß sowohl der Verbilligungsaus⸗ chuß des Reichstags wie die Vereinfachungskommission der Regterung die Tätigkeit eingestellt hat; um so mehr sei es notwendig, jetzt un⸗ mittelbar vom Hauptausschuß nur durch Streichungen einzugreifen. Den Schund und Schmutz bekämpfe män am besten, wenn ma positive Arbeit leiste und gute Schriften ins Volk bringe, um di schlechten zu verdrängen. Ein Wahlgesetz sei dringend nötig, weil die Möglichkeit zu Neuwahlen plötzlich auftreten könne, solange die große Koalition nicht gebildet sei, die politische Krisen verhindere. Abg. Dr. Schreiber (Zentr.) hielt die Bedenken gegen die Per⸗ sonalpolitik des Ministers durch dessen Ausführungen nicht für ent⸗ kräftet. Redner wies auf das Verbot des Schulbesuchs für den Bischof von Meißen hin. Das sei verfassungsrechtlich nicht haltbar, außenpolitisch und grenzgeographisch untragbar. Abg. Leicht (Bayer. Vp.) äußerte sich ebenfalls zu den Fragen der Personalpolitik und zur Verwendung eines Theologen als Ministerialrat. Er be⸗ mängelte u. a., daß preußische Beamte in Bayern tätig seien. Abg. Stücklen (Soz.) führte aus, daß die Beamten sich daran gewöhnen müßten, auch Außenseiter ins Ministerium berufen zu sehen. Es müßte dem Minister un benommen sein, nach eigenem Ermessen die Wahl der Mitarbeiter zu treffen, da er sonst nicht die Verantwortung tragen könne. Auch nur unter dieser Voraussetzung sei eine Personalreform möglich, die die gewünschten Ersparnisse erzielt. Koch (Dem.) unterstützte diese Ausführungen. Hinsichtlich der Konflikte zwischen Reichsrat und Reichsministerium vertrat er die Ansicht, daß der Reichs minister schwerwiegende Bedenken nicht zugunsten des Reichs rats zurücktreten lassen dürfe, sondern solche Fragen eventuell vor dem Reichstag zum Austrag gebracht werden müßten. In der Frage der Lehrerbildung müsse bald Klarheit geschaffen werden. Abg. Frau Lüders (Dem.) wünschte u. a. schnelle gesetzgeberische Maß⸗ nahmen zur Bekämpfung des Alkoholgenusses. Rednerin unterstützte einen Antrag der Abg. Frau Pfülf (Soz.), in dem gefordert wird, daß für weibliche Beamte die Tatfache der unehelichen Mutterschaft als solche nicht Grund zur Entlassung oder Anstrengung eines Disziplinarverfahrens oder Hindernis der Beförderung sein dürfe.

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Der finanzpolitische des Reichswirt⸗ schaftsrats trat gestern zu einem auf drei Tage berechneten Sitzungsabschnitt zusammen. Er beschäftigte sich gestern zunächst mit 1 der Zwangsanleihe und wird heute über das Landessteuergesetz und am Sonnabend über die Vorbereitungen für die Konferenz in Genua beraten. Von der Reichsregierung waren in der gestrigen Sitzung der Staatssekretär Zapf vom Reichsfinanzministerium und der Staatssekretär Dr. Hirsch vom Reichswirtschaftsministerium anwesend. Die Verhandlungen über die

der Arbeitnehmerseite näher steht; darauf folgte ein Referat des

Arbeitgeberseite vertrat.

Die Beurteilung der Zwangsanleihe

letzten Rede beziffert Steuerkompromiß

im Reparationsetat, das in der ministers mit 183 Milliarden Papiermark ist, zu erreichen. Da die nach dem

nur etwa 50 Milliarden Deckung sein. schreitet, die

Die Folge wäre, daß die sich dem Auslande als Valutadumping kann, in der inneren irtschaft gleichzeitig soziale und politische Unruhe hervorruft. Selbstverständlich würde auch der Haushaltsplan durch die fortgesetzte Geldentwertung völlig umgeworfen.

des notwendigen Bedarfs zu erhöhen, ist jedoch ihrem Charakter nach nicht gegeben. Es ist zu erwarten, daß die nach der Aufnahme sehr schnell auf den Markt geworfen und

gehandelt werden wird. Das bedeutet mit anderen Worten, daß leihe sind, was 40 Milliarden Besitzsteuer und 10 Milliarden Anleihe entspricht. Der Staat verzinst aber nicht 10, sondern 50 Mil⸗ liarden, die Zwangsanleihe ist Für ihn also eine außerordentlich teure Anleihe. Bei einem Eingehen auf Einzelbeiten ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Da 40 Milliarden Opfer des Be⸗

haupt die Möglichkeit besteht, sie herauszuziehen, muß der Ver⸗ anlagungsmaßstab, um den Grundsätzen einer Belastung nach der Leistungsfähigkeit gerecht zu werden, möglichst genau sein. Die be⸗ kannte Geschäftslage der Finanzämter ermöglicht eine genaue Ver⸗ anlagung erst zum 31. Dezember 1922, die Mitte 1923 beendet sein kann. Das Finanzministerium denkt sich Vorauszahlungen für 1922 nach Selbsteinschätzung zum 1. Oktober. Bis dahin kann die Finan⸗ zierung nur durch Schatzwechsel und Noten erfolgen. Da der private Markt für Schatzwechsel sich dauernd verkleinert, kommt für die Aufnahme fast nur die Reichsbank in Frage, was also eine starke Erhöhung der Inflation zur Folge hätte. Schon die bis dahin ein⸗ tretende Geldentwertung wuüͤrde den Haushalt sprengen und den Kredit des Reichs ruinieren. Wenn die Zwangsanleihe dann auf den Markt käme, würde sie den Kredit vollends untergaben, da sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu sehr niedrigem Kurs gehandelt werden und auch die anderen Reichsanleihen, dadurch in Mitleidenschaft ziehen würde. Da dennoch der Kredit das einzige Mittel ist, um das Defizit und eine Stabilisierung der Währung zu erreichen, bleibt nur die Aufnahme einer frei⸗ willigen Anleihe übrig, neben der die Zwangsanleihe völlig wegfiele. Wenn eine solche Anleihe Aussicht haben soll, auf dem Markte auf⸗ genommen zu werden, muß sie von der fortschreitenden Geldentwertung unabhängig, also in Gold verzinsbar und rückzahlbar sein, ferner müßte sie mit besonderen Lockmitteln ausgestattet werden. Die Auf⸗ nahme einer solchen freiwilligen Anleihe in Höhe von zwei Gold⸗ milliarden würde den Zweck, dem die Zwangsanleihe eigentlich dienen soll, erfüllen. Bei einer Verzinfung von 5 ½ vH und einer Amorti⸗ sation von ½ vH wären für den Anleihedienst 120 Goldmilliarden jährlich erforderlich, die für 1922 nach einem vorläufigen Maßstab von 1923 nach der Vermögenssteuerveranlagung aufzubringen wären. Wenn trotz der geschilderten Nachteile eine Zwangsanleihe ausgenommen werden soll, sind die wichtigsten Einzelfragen etwa folgendermaßen zu beantworten: Als Stichtag für die Umrechnung der aufzubringenden Goldmilliarde kann nicht der Tag des Steuer⸗ kompromisses, sondern ein der tatsächlichen Zahlung möglichst naher Termin gewählt werden, da sonst das Reich allein die Laft

Reichswahlrecht eintreten solle. Er erklärte sich aber sn einer neuen Besprechung mit den Parteien gern bereit. Auf An 8* hin ver⸗ neinte der Wimister, eine Stelle im Reichsamt des 8

nern mit

die Vorauszahlungen nur ein vorläufiger Maßstab, etwa der der Einkommensteuer mit einer Sonderauflage auf den Sachbesitz⸗

wangsanleihe wurden eingeleitet durch ein Referat des Hauptschriftleiters und Mitglieds des preußischen Staatsrats Dr. Hilferding, der von der Reichs⸗ regierung zum Mitglied des Reichswirtschaftsrats ernannt ist und

Präsidenten der Berliner Handelskammer von Mendelssohn, der die⸗ Der erste Berichterstatter Hilferding führte zur Zwangsanleihe, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, etwa folgendes aus: muß davon ausgehen, ob sie geeignet ist, ihren Zweck, nämlich die Deckung des Defizits

des Finanz⸗ worden

beschlossene eine Goldmilliarde nach Ansicht des Finanzministeriums zum Tage dieses eüchlasge in Papiermark umzurechnen ist, würde sie apiermark bringen und also keine genügende

Geldentwertung fort⸗ Deutsch⸗ lands darstellt und zu äußerst peinlichen Gegenmaßregeln üenn nrast

Die Möglichkeit, die Zwangsanleihe bis zur Deckung Anleihe daher mit einem niedrigen Kurs von etwa 20 vH des Nennwertes

80 vH ein bares Opfer des Besitzes und nur 20 pH eigentlich An⸗

sitzes eine hohe Belastung darstellen und es zweifelhaft ist, ob über⸗

der Markentwertung trägt. Als Einschätzungs Fendlafg kommt für

EE11“

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