1922 / 69 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Mar 1922 18:00:01 GMT) scan diff

1d die deutsche Regierung bittet, die Zahlung Sach⸗

lieferungen für 1922, die gemäß dem Abkommen vom 5. Ma! 1921 zu leisten Fnd, abzuändern. Die Revparations⸗ kommission hat dahin entschieden, daß die auf Reparations⸗ konho von Deutschland zu leistenden Barzahlungen auf 720 Millionen Goldmark und die Sachliefe⸗ rungen auf 1450 Millionen Goldmark festgesetzt werden. Außerdem ist die Kommission zu einem Einverständnis über die Bedingungen und Garantien gelangt, die Deutschland für den teilweisen Zahlungsaufschub, der ihm gewährt worden ist, auf⸗ zuerlegen sind.

Die festgesetzten Texte sind sofort den verschiedenen alliierten Regierungen sowie der deutschen Regierung übersandt worden; sie werden veröffentlicht werden, sobald diese Re⸗

gierungen sie in Händen haben. 8

Wie der „Temps“ berichtet, hat die französische Delegation bei der Reparationskommission ihre Zu⸗ stimmung zu dem Moratorium für das Jahr 1922 von der Einrichtung strenger Garantien und der Organisation einer wirksamen Kontrolle der deutschen Finanzen abhängig gemacht. Die letztere müsse sich beziehen: 1. auf die Ausgaben des deutschen Budgets, 2. auf dessen Einnahmen, 3. auf die Tätigkeit der Reichsbank, 4. auf den Devisen⸗ verkehr. Dieses französische Programm liegt nach dem „Temps“ den Beratungen der Kommission zugrunde.

Der Vorsitzende der französischen Delegation, Dubois, hat in

der Kommission ein umfangreiches Memorandum eingebracht, as folgendermaßen eingeteilt ist: 1. Moratoriumfrage vom esetzlichen Standpunkt, 2. Beantwortung des deutschen Memo⸗ randums vom 28. Januar 1922 und des Exposés Rathenaus in Cannes über die deutsche Finanzlage, 3. Vorschlag eines Zahlungsplanes für 1922 unter Einführung der obenerwähnten vierfachen Garantie.

Der Ministerrat hat gestern den Finanzminister und den Minister für die befreiten Gebiete ermächtigt, in der Kammer einen Gesetzentwurf, betreffend die Ratifikation des Wiesbadener und des ergänzenden Berliner Ab⸗ kommens über den Modus der deutschen Sach⸗ lieferungen einzubringen. In dem Gesetzentwurf ist vor⸗

gesehen, daß die Regierung nach Anhörung eines Beratungs⸗ ausschusses, in dem namentlich die Hauptbranchen der französischen Produktion, die Geschädigten, die Unternehmer und die beteiligten Verwaltungszweige vertreten sind, durch Verordnung Sondertarife festlegt, die auf die Verzollung der deutschen Sachlieferungen Anwendung finden sollen.

Ueber die Abrechnung der sozialen Versicherung für Elsaß⸗Lothringen, die auf Grund des Friedensvertrages zwischen Frankreich und Deutschland erfolgen muß, teilt der „Temps“ mit, da die Uebertragung der Kapitalien der Sozial⸗ versicherung in Elsaß⸗Lothringen durch keine Konvention ge⸗ regelt worden sei, so sei eine vom Verwaltungsrat des inter⸗ nationalen Arbeitsamts in Genf eingesetzte Kommission zu⸗ sammengetreten und habe durch den Völkerbundsrat gutgeheißene Vorschläge angenommen. Die Entscheidung des Völkerbunds⸗ rats sei an demselben Tage der französischen Regierung notifiziert worden, die sie durch Verordnung in Kraft gesetzt habe. Dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ wird hierzu von zuständiger Seite mitgeteilt, daß es sich um die deutscherseits bn von 1921 S. 1289 ff. veröffentlichten Bestimmungen andelt.

Der Vorsitzende des Heeresausschusses, General de Castelnau, erklärte bei der gestrigen Beratung des Militärdienstpflichtgesetzes in der Kammer, der Krieg drohe Frankreich, solange Deutschland nicht die Taktik der Revanche aufgebe. Es wäre gefährlich, sich einer Illusion hin⸗ zugeben, umsomehr als die Stellung Frankreichs gegenüber Deutschland die eines Gläubigers gegenüber einem wider⸗ spenstigen Schuldner sei. Frankreich müsse die Vorteile seiner Lage als Sieger und Okkupant am Rhein ausnützen. Nach Castelnau sprach der Abgeordnete Chéron für die einjährige Dienstzeit. Hierauf wurde die Beratung auf morgen vertagt.

Der in Paris eingetroffene italienische Minister des Aeußern Schanzer wurde gestern vom Präsidenten Millerand und vom Ministerpräsidenten Poincaré empfangen.

Der chinesische Gesandte in Paris Chen⸗lu ist gestern Nacht, als er sich von einer Gesellschaft im Auto nach eNen begab, durch eine auf ihn abgefeuerte Revolverkugel am Kopfe verletzt worden. Der Urheber des Anschlags, ein chinesischer Student namens Li Ho⸗ling, hat sich gestern Vor⸗ mittag der Polizei gestellt und, über die Gründe zu seiner Tat befragt, erklärt, der Gesandte habe sich gegen die Chinesen in Paris zu wenig wohlwollend gezeigt.

Rußland. 8

„Nach Blättermeldungen werden in ganz Rußland gegen⸗ wärtig die Schätze der Kirchen und Klöster e. nahmt. Im Jurjewotikloster in Nowgorod allein sind Gold, Silber und Brillanten im Werte von einer Million Goldrubel eingezogen worden.

Schweiz.

Gestern begann der Präsident Calonder seine Ver⸗ mittlungsaktion zwischen den deutschen und den polnischen Bevollmächtigten, die jedoch gleichzeitig noch ihre unmittelbaren Verhandlungen miteinander fortsetzen. Da⸗ bei gelang es, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, in einem der weniger schwierigen Streitpunkte, der Frage des Verkehrs über Kreuzburg, eine Einigung zu erzielen. Die Vermittlungsbemühungen des Präsidenten sollen heute fort⸗ gesetzt werden. Bleiben sie ergebnislos oder ist eine Einigung auf der ganzen Linie nicht zu erreichen, so wird für die un⸗ gelösten Fragen am Donnerstag das vorgesehene Schieds⸗ verfahren mit einer öffentlichen Vollsitzung der Konferenz ein⸗ setzen. Der Schiedsspruch soll dann etwa zwei Tage später verkündet werden.

Der Völkerbundsrat wird sich am 24. März zu einer kurzen Session in Paris versammeln. Nach einer Mit⸗ teilung der Schweizerischen Depeschenagentur haben die britische und die französische Regierung, die die Initiative zur Ein⸗ berufung des Rates ergriffen haben, die Frage der Beziehungen des Völkerbundes zur Genueser Konferenz und die Beteiligung der technischen Dienstzweige an der Vorbereitung der Konferenz auf die Tagesordnung gesetzt. Weiter gelangen zur Verhandlung die Frage der russischen Flüchtlinge und die Frage der Ernennung weiterer Mitglieder zur Ergänzung der temporären Kommission für die Verminderung der Rüstungen.

Die gestrigen Beratungen des Wirtschafts aus⸗ schusses des Völkerbundes galten der Lirtschafte⸗ für private Handelsverträge und der Vereinheitlichung der Gesetz⸗

im Wechselwesen. Zu der ersten Frage wurde die!

Bildung eines Ausschusses aus Handelsfachverständigen und

onferenz für den Herbst nächsten Jahres angeregt.

G Tschecho⸗Slowakei. Der Präsident der Republik Dr. Masaryk hat eine Verordnung erlassen, wonach gemäß § 30 der Verfassungs⸗ urkunde die Session der Nationalversammlung für be⸗ endet erklärt und der Beginn der Frühjahrssession auf den 18 1922 festgesetzt wird.

Auf Beschluß der Skupschtina gelangt am 25. März ein Antrag der Opposition auf Erhebung der Anklage gegen den früheren Krigsminister Generak Zeetschevitsch zur Verhandlung. Zetschevitsch wird zur Last golegt, daß er durch eigenmächtige Einberufung von Rekruten während der Wintermonate den Tod von mehr als zweihunbert Rekruten verursacht habe, da die Mehrzahl der Verstorbenen an Lungen⸗ entzündung gestorben ist, die sie sich beim Tromsport in un⸗ geheizten Waggons zugezogen habe.

Amerika.

Der „New York Herald“ veröffentlicht der! verspätet ein⸗ gegangenen Wortlaut einer Erklärung des HKondelssekretärs Hoover über die bei den Vereinigten Staaten vom Ausland aufgenomménen Anleihen. Der Aufbau der übrigen Welt und ihrer Kaufkraft, heißt es darin, trage nicht nur zur Wohl⸗ fahrt aller Länder bei, sondern erhöhe auch die Tätigkeit der amerikanischen Industrie, der Landwirtschaft und des Handels. Anleihen jedoch, die für militärische Ausgaber oder für un⸗ geordnete Budg’is oder auch zur Aufbesserung schlechter Wäh⸗ rungen verschwendet würden, bedeuteten für die Welt einen doppelten Verlust. Nicht nur trügen sie nichts zur Hebung der

verzögerten auch diejenigen Maßnahmen, die für die wirtschaft⸗ liche Erholung der Welt unerläßlich seien.

Afrika.

Nach einer Havasmeldung aus Rabat bereiten sich die Stämme des nicht unterworfenen Gebiets mit ber Rückkehr der günstigeren Jahreszeit zu neuen Kämpfen vor. In der Nacht zum 17. März ist das Dorf Ferraha angegriffen worden, die Angreifer wurden jedoch zurückgeschlagen. Gegen die auf Khiba vorrückenden französischen Truppen sorlllen Krieger ver⸗ schiedener Stämme zusammengezogen wordem sein. In Süd⸗ marokko sind Sendboten der Aufständischen tütig; im Gebiete von Marrakesch sammeln die Aufrührer Hilfstruppen. Die Bewegung in Budenib leidet nach derselben Quelle unter französischen Fliegerangriffen.

Im südafrikanischen Parlament teilte der Ge⸗ neral Smuts zur Niederwerfung der Revolution dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge mit, die Revolutionäre, die die Führung des im Anfang industriellen Streiks übernommen hätten, hätten gehofft. bevor die Kräfte des Gesetzes und der Ordnung mobilisiert werden könnten, ihre eigene Regierung zu errichten, Hinrichtungen zu vollziehen und in Johannesburg ein Blintbad anzurichten. Sie hätten nach der Errichtung einer Sowjet⸗ republik gestrebt. Die Regierung habe beschlossen, die Schuldigen von den gewöhnlichen Gerichten des Landes ab⸗

klage des Mordes vor Gericht gebracht werden. Ein Vorschlag, eine Untersuchung der Unruhen durch dem Völkerbumnd vor⸗ nehmen zu lassen, wurde von Smuts abgelehnt mit der Be⸗ gründung, Südafrika sei vollkommen in der Lage, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. .“

Preußischer Staatsrat. 7. Sitzung vom 21. März 1922. (Bericht des Nachrjchtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger

Der Staatsrat stimmte einem Gesetzentwurf über die Besatignn des Kirchenverfassungsgesetzes vom Januar Kirchenregiments in der evangelisch⸗reformierten Kirche der Provinz Hannover zu. Berichterstatter Hallensleben (A.⸗G.) erklärte, das Gesetz sei eine Folge der Bestimmung der preußischen Verfassung, daß das Kirchen⸗ regiment, dessen Träger ursprünglich der König und nachher 65 v evangescen möacte ofen, 2 die Kirche selbst übergehe, wenn si ie Kirche selbst ihre Verfassung gegeb habe. Das sei hier der Fall. ö“ Weeiiter stimmte der Staatsrat der beabsichtigten Ver⸗ kündungsformel der preußischen Gesetze zu, wonach die Eingangsformel in Zukunft lauten soll: „Das nachstehende, vom Landtag beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet. Die ver⸗ fassungsmäßigen Rechte des Staatsrats sind gewahrt.“

Endlich wurde ein Gesetzentwurf, betreffend ,8 setzung des berichtigten Haushalts der Schutzpolizei für das Jahr 1921, angenommen. Aus den Ausführungen des Berichterstatters Strunk (Zentr.) ging hervor, daß der berichtigte Haushalt für die Schutzpolizei 800 Millionen Mark Ersparnis aufweist, die ungefähr zu gleichen Teilen auf persör⸗ liche und sachliche Ausgaben entfallen. Eine Aussprache fand zu keinem Punkte der Tagesordnuung statt.

Die nächste Sitzung sindet am Donnerstag, Nachmittags 3 Uhr, statt. Die Tagesordnung für diese steht noch nicht fest.

Parlamentarische Nachrichten.

hSdährend des Streiks der Eisenbahnbediensteten verdorbene Lebensmittelsendungen.

Anläßlich einer an die Reichsregierung gericheten Anfrage der Abgeordneten Weilnböck, Bachmann und Körner hat der R 8 chs⸗ verkehrsminister dem Reichstag die folgenden Mitteilungen zugehen lassen:

Nach den angestellten Erhebungen sind soweit bisher bekannt geworden während des Streiks der Eisenbahnbediensteten zu An⸗ fang Februar d. J. nachstehende Lebensmittelsendungen verdorben: Im Bezirk der Eisenbahngeneraldirektion Dresden: 2 Wagenladungen Kartoffeln, 2 Wagenladungen Zitronen, 4 Wagenladungen Salzaurken, ferner verschiedene Gemüse⸗, Apfel⸗ sinen⸗ und Konservensendungen sowie 1 Ballon Speiseöl, 11 Kisten Wein, 1,Snc Mne ahwase

2. im Bezirk der Eisenbahngeneraldirektion Karlsruhe: etwa 16 000 kg Kartoffeln sowie 20 2 1 Sendung Rüben (Wert 12 623 ℳ); 6 11“]

im Bezirk der Eisenbahngeneraldirektion

S tuttgart: 2 Fässer und 49 Kisten Wein;

zu der zweiten die Einberufung einer allgemeinen

gesunkenen Produktivität und der Kaufkraft der Welt bei, sie

urteilen zu lassen. Zahlreiche Personen würden unier der An⸗

1922 über die vorläufige Regelung des

——

4. im Bezirk der Eisenbahndirektion Stettin: mehrere Sendungen Spirituosen, Essenzen und Mineralwasser 16 Fässer Bier; 1 3 8 7

b5. im Bezirk der Eisenbahndirektion Osten Berlin: 2 Schweine. 1 Rind, 4 Rinder mußten notgeschlachtet werden, 198 1 Bier, 2 Sendungen Mineralwasser;

6. im Bezirk der Eisenbahndirektion Olden⸗ burg: 12 Säcke Kartoffeln, 1 Sendung Geflügel, 15 Kannen Milch, mehrere Sendungen Wein; 8 1

7. im Bezi b der Eisenbahndirektion Nürnberg: 4 Wagenladungen Bier; 1“

88 im Bezirk der Eisenbahndirektion Münster: mehrere Sendungen Wein, Südfrüchte, Mineralwasser, Bier, Gurfen, Zitronen, Gemüsekonserven, Kartoffeln, Apfelsinen (Gesamtwert etwa 50 000 ℳ); 8 ¹

9 im Bezirk der Eisenbahndirektion München⸗ 2309 Flaschen Wein, 2 Fässer Wein, 1 Wagen Orangen und Blumen⸗ kohl, 2 Wagen Bier; b 1

10. im Bezirk der Eisenbahndirektion Mainz: mehrere kleinere Sendungen Kartoffeln und mehrere größere Sen⸗ dungen Wein; 3 8 8

11. im Bezirk der Eisenbahndirektion Halle: 2 Kisten Eier (Schaden 1189 ℳ); 8

12. im Bezirk der Eisenbahndirektion Frank⸗ furt (Main): mehrere Sendungen Mineralwasser, Essig, Wein, Gemüse, Kartoffeln, Eier, Bier (Schaden rd. 107 000 ℳ);

13. im Bezirk der Eisenbahndirektion Erfurte⸗ 3 Schweine, 7 Körbe Gemüse, 15 Faß Gurken, 43 Säcke Kartoffeln, 6 Fässer Essig, 9 Kisten Südfrüchte, 18 Fässer Wein, 286. Kisten Wein, 1 Faß Sauerkraut, 30 Säcke Zwiebeln, 93 Fässer Bier, 1 Kiste Kognak; 28 5

14. im Bezirk der Eisenbahndirektion Elber⸗ feld: einige Stückgutsendungen Kartoffeln, Wein, Likör; einige Mehlsendungen sind durch Nässe minderwertig geworden; 8

15. im Bezirk der Eisenbahndirektion Cassel:

rund 260 000 ℳ;

16. im Bereich der Eisenbahndirektion Altona: 9840 kg Weißkohl, 100 kg Kartoffeln, 11 000 kg Salzgurken sowie einige kleinere Sendungen Fische, Zwiebeln, Zitronen; drei Schweine mußten notgeschlachtet werden;

17. im Bereich der Eisenbahndirektion Essen: 7490 kg Kartoffeln, fünf Wagenladungen Gemüse, ein Wagen Bier, 300 kg Brot, 70 Stückgutsendungen Flaschenwein und bei einer Güter⸗ abfertigung für 60 000 Wein; eine Kuh ist verendet.

In der Hauptsache sind die Schäden dadurch verurfacht, daß in den Streiktagen dauernd strenge Kälte bis zu 22° herrschte. Für die unterwegs befindlichen lebenden Tiere wurde nach Möäglichkeit gesorgt, indem sie entweder eingestellt oder gefüttert wurden. Zahlreiche leichtverderbliche Güter konnten im Notbetrieb weiterbefördert werden.

der Haushalt des vorläufigen Reichswirtschafts⸗ rats weiterbehandelt. Vom Abg. Ersing (Zentr.) wurde, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, das Nebeneinanderbestehen von zwei Parlamenten mit teilweise sich deckenden Aufgaben als unerträglich bezeichnet. Dieser Ansicht trat Abg. Dr. Scholz (D. Vp.) bei, der die Tätigkeit des Reichs⸗ wirtschaftsrats als Parlament nicht als wünschenswert fand, dagegen den Reichswirtschaftsrat als sachverständige Gutachten kammer und Fachverband für Sachverständigenausschüsse begrüßen würde. Abg. Dr. Quaatz (D. Vp.) bemängelte die Zusammen⸗ setzung des Reichswirtschaftsrats, der eigentlich nur eine zentralistische Vertretung aller wirtschaftlichen Spitzenverbände darstelle. Der Redner bedauerte, daß die Frage der Bezirkswirtschaftsräte nicht ge⸗ nügend behandelt werde. Abg. Dr. Pachnicke (Dem.) betonte in Uebereinstimmung mit dem Abg. Scholz, daß der Reichswirtschaftsrat nur einen Teil der Erwartungen erfüllt habe, die sich an ihn knüpften. Der Reichswirtschaftsrat sei zu groß und zu kostspielig geworden. Die Gesamtausgaben betrügen 22,8 Mil⸗ lionen Mark, allein die Eisenbahnfreifahrt für die Mit⸗ glieder koste dem Reiche mehr als acht Millionen. Die end⸗ fültige wirtschaftliche Vertretung müsse sehr viel kleiner sein. onst werde Doppelarbeit geleistet und die gesetzgeberische Arbeit erschwert. Abg. Wissell (Soz.) gab zu, daß die zentralistische Ver⸗ tretung der Fachverbände im Reichswirtschaftsrat etwas zu stark geraten sei gegenüber der territorialen Interessenvertretung der einzelnen Wirtschaftsbezirke des Reichs. Abg. Hammer (D. Nat.) erklärte, daß der Reichswirtschaftsrat nicht nur auf Grund der Ver⸗ fassung, sondern auch auf Grund der Tatsachen sich als notwendig erwiesen habe. Die Arbeiten des Reichswirtschaftsrats würden zum Segen für die deutsche Volkswirtschaft werden. Die Beamten des Reichswirtschaftsrats einschließlich der Stenographen hätten schwierige Arbeit zu leisten und müßten den Beamten des Reichstags gleich⸗ gestellt werden. .

„Der Reichswirtschaftsminister Schmidt wies darauf hin, daß bei Beurteilung des Reichswirtschaftsrats von dem in der Verfassung festgelegten Gesichtspunkt ausgegangen werden müsse, wonach der Reichswirtschaftsrat eine gutachtliche Korporation sein solle. Der Gesichtspunkt des Zusammenwirkens von Reichstag und Reichswirt⸗ sei schon in der Verfassung niedergelegt, insofern bei

nitiativantragen dem Vertreter des Reichswirtschaftsrats dos Recht zustehe, die betreffende Frage dem Reichstag vorzutragen. Der Minister verbreitete sich dann über den noch zu schaffenden Unterbau für den endgültigen Reichs⸗ wirtschaftsrat. Er bezeichnete die Vorarbeiten hierzu als sebhr kompliziert und bat, die Ausarbeitung dieser sehr schwierigen und spröden Materie nicht zu überstürzen. Abg. Malzahn (Konm.) griff die ganze Konstruktion des vorläufigen Reichswirtschartsrats an, weil darin die Arbeiterinteressen nicht vertreten würden. Abg. Auf⸗ häuser (Unabh Soz.) verlangte baldige Errichtung eines end⸗ gültigen Reichswirtschaftsrats, in dem dann die Interessen der Arbeit⸗ nehmer genügend vertreten sein müßten. Das weiteren beantragte der Redner, die Reichsregierung möge dafür sorgen, daß die Erteilung von Rechtsauskünften über das Betriebsrätegesetz und die geschäfts⸗ führende Tätigkeit des Ausschusses im Reichswirtschaftsrat einem neutralen Sekretär übertragen werde. Der Reichswirtschaftsminister Schmidt anwortete daß es nicht Sache des Reichstags oder der Reichsregierung sein könne, in innere Personalangelegenheiten des Reichswirtschaftsrats eigenmächtig einzugreifen. Der Antrag des Abg. Aufhäuser wurde vom Hauptausschuß abgelehnt. Nachdem dann noch die Abgg. Edler von Braun (D. Nat), Hamm (Dem.) und Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) zur Sache gesprochen hatten, regte Abg. Klöckner (Zentr.) an, mit Rücssicht auf die geringe Zahl der Plenarsitzungen die Fahrpreisentschädigungen an die Metglieder des Reichswirtschaftsrats künftig auf andere Weise zu regeln. Abg. Dr. Pachnicke (Dem.) erinnerte an den vor⸗ jährigen Beschluß des Plenums gegen diese Ausdehnung des Frei⸗ fahrwesens. Der Hauptausschuß sch., sich den Anträgen, die sich mit Beamtenfragen des Reichswirtsch aftsrats beschäftigen, nicht an, verwies sie vielmehr an den Reichstagsausschuß für Beamten⸗ angelegenheiten und verabschiedete alsdann den Etat des vorläufigen Reichswirtschaftsrats. B

Es folgte die Vorberatung des Hauzhaltsplans für die Reichseisenbahnen. Der Reichsverkehrsminister Groener berichtete ausführlich über die gegenwärtige finanzielle Lage der Reichs⸗ eisenbahnen: Der ordentliche Haushalt für 1922 einschließlich eines noch zu erwartenden Nachtragsetats schließt mit 97 Milliarden Malk, der außerordentliche Haushalt mit 17 Milliarden Mark ab. Die Einnahmen aus dem Personenverkeht betragen 11,6 Milstarden Mank, die aus dem Güterverkehr 83,3 Millsarden Mark. Die sonstigen Cin⸗ nahmen belaufen sich auf 2,1 Milliarden Mark. Die Ausgaben für Gehälter und Löhne stellen sich auf 42 Milliarden Mark, für sechliche Ausgaben sind 50,4 Milliarden Mark notwendig. Der Schuldendienst beansprucht 4,4 Milliarden Mark. Der Betriebsüberschuß beträgt

4,5 Milliarden Mark. Damit ist der Fehlbetrag, derl noch im vorigen Jahre vo 4“ beseiut-

verschiedene Sendungen Lebens⸗ und Genußmittel im Werte von

Im Hauptausschuß des Reichstags wurde gester

gystabe der Eisenbahnberwalkung muß es sein, im kommenden Wirt⸗ schaljs ahr mit aller Euergie und Rücksichtslosigkeit weiterhin dafür u forgen, daß der Haushalt im Gleichgewicht bleibt. Der Minister zog dann einen Vergleich zwischen den drei ersten zaushaltsplänen der Reichseisenbahnen für die Jahre 1920, 1921 9nd 1922: Der Haushaltsplan für 1920 war nichts anderes s eine Feststellung des Standes der Länderunternehmungen. Damals war ein Fehlbetrag in Höhe von 15 Milliarden Marf wrkanden. Der Minister hat nun seinerzeit einen Operations⸗ glen aufgestellt zur Sanierung der Eisenbahnwirtschaft, worin vor⸗ gesecen war, daß der Fehlbetrag innerhalb von drei Jahren beseitigt werden sollte. Dieser ursprüngliche Sanierungsplan rechnete natur⸗ eemäß mit einer bewußten Schonung der Tarife. Jedoch der plötzlich tuüretende riesige Sturz der deutschen Valuta zwang den Minister zmeiner Aenderung dieses Sanierungsplans. Auch aus außenpoli⸗ lschen Gründen mußte eine Balancierung des Etats geschehen. So elang eine Sanierung der Reichseisenbahnen, allerdings mit straffer vmmaufführung der Tarife, schon ein Jahr früher, als ursprünglich atsichtialt war. Dem Etat für 1922 mußten folgende Erhöhungen der Preise für Eisenbahnmaterialien zugrunde gelegt werden:

für Koble . das 75 fache des Friedenspreises von 1913

für Schienen. 64 fache

für Eisenschwellen 70 fache für Holzschwellen 5o“ fache für Petroleum. 60 fache für Kiefernholz. 43 fache für Stabeisen.. 757 fache für Kupferblech 50 fache 8

alfo durchschnittlich 68 fache . 8

der Minister machte dann darauf aufmerksam, daß vom April ab angesichts der riesigen Steigerung der Materialpreise und der gehälter die Gütertarife eine 40 % ige Erhöhung erfabren werden. Was die Personalpolitik der Reichseisen⸗ hnverwaltung betreffe, so handle es sich im Augenblick bei dieser eniger um Arbeiterfragen als um Probleme des Beamtenrechts, die gich senh. viel Fc Minister 3 er volle vermeiden, auf den nun glücklich in der Vergangen⸗ eit liegenden Streit der Reichsgewerkschaften zurüzufommen. unwreifelhaft sei eine gewisse Beruhigung unter der Beamtenschaft t eingetreten. Die Masse der Beamtenschaft stehe auf einem hans vernünftigen und auch vom Minister zu billigenden Boden. Der Minister verschließe sich nicht der Ansicht, daß, wenn der Staat it Recht fordere, daß der Beamte keinesfalls streiken dürfe, der Ftaat dann aber auch unbedingte Verpflichtung habe, ausgiebig für Beamtenschaft zu sorgen, und zwar in einer Weise, daß Beamtenschaft aus jeder wirtschaftlichen Not herauskomme. ·8 ohne das andere lasse sich nicht verteidigen. Der isser teilte dann noch mit, daß an Disziplinarverfahren nund 350 anhängig seien; eingestellt seien bisher rund 120; von Kündiaungen bei kündbaren Beamten seien insgesamt 233 aufrecht⸗ echalten worden. Was die Aussichten der Reichseisenbahnen sange, so habe der Minister die felsenfeste Ueberzeugung, daß das jernehmen der deutschen Reichseisenbahnen in seinem inneren absolut gesund, auch finanziell gesund sei. Natürlich bedürfe es einer gewissen Zeit, um die Schäden wieder gut⸗ chen, die der Krieg im Eisenbahnwesen verursacht habe. Auch der Achtstundentag ausgebracht habe, müsse wieder herein⸗ t, werden. Aber der Minister sei davon überzeugt, die Reichseisenbahnen für das deutsche Volk den wertvollsten zisitz darstellen, sofern es nur Geduld habe. Im neuen Jahre würden, nachdem nun der Etat balanciere, die Leistungen von Monat („Monat weiter steigen. Allerdings wolle der Minister darüber kinen Zweifel lassen, daß der technische Apparat der Reichs⸗ senbabnen nicht in der Lage sei, ganz plötzlichen, mit Valuta⸗ erhältniseen zusammenhängenden Verkehrsstößen gerecht zu werden. Solche plötzlich einsetzende Verkehrsstöße könnten aber von Reichseisenbahnen leichter aufgefangen werden, wenn engen Benehmen mit den beteiligten Wirtschaftskreisen eitet würde. Der Minister wies darauf bin, daß es den Ver⸗ angelegenheiten nicht förderlich sei, wenn sich einerseits die Ver⸗ fehrsverwaltung, andererseits die beteiligten Wirtschaftskreise wie Gegner gegenüberständen. Ein verständnisvolles Zusammenarbeiten erreiche viel mehr. Der Minister schloß mit der Hoffnung, dah in wenigen Jahren dem Deutschen Reiche ein Eisen⸗ bahnnetz zur Verfügung stehen werde, das allen Verkehrsansprüchen gewachsen sein werde. Nach weiterer Aussprache, an der sich die Abg. Brunner (Soz), Dr. Wieland (Dem.) und Deglerk (D. Nat.) beteiligten, vertagte sich der Ausschuß. Im sozialvolitischen Ausschuß des Reichstags wurde gestern die Novelle zur Reichsversicherungs⸗

ordnung in erster Lesung beraten, die dazu dient, die durch die

veränderten Verhältnisse notwendig gewordenen Reformen aller Gebiete der sozialen Reichsversicherung zusammenzufassen. Zur Erörterung stand der Abschnitt über die Versicherung des Hausgewerbes. Artikel XIII bestimmt, daß Mitglieder der Landkrankenkassen die in der Landwirtschaft und im Wander⸗ gewerbe Beschäftigten und die Dienstboten sind. Es ist Fabei vorgesehen, daß durch örtliche Regelung die Einzelbestimmungen dem tatsächlichen Bedürfnisse angepaßt werden, weil einheitliche Vor⸗ schriften den besonders gearteten Verhältnissen der einzelnen Gebiete icht immer gerecht werden können. Die Grundgedanken, auf denen die Krankenversicherung der Reichsversicherung sich aufbaut, sollen jedoch auch den örtlichen Bestimmungen zugrunde gelegt werden. Für die örtliche Regelung ist die Regelung durch Ortsstatut und daneben die Durch⸗ führung mittels der Satzung einer Ortskrankenkasse vorgesehen. Bei § 468 wurde festgesetzt, daß die oberste Verwaltungsbehörde, falls für einen Bezirk innerbalb von sechs Monaten nach Inkrasttreten ter Gesetzesvorschriften die Regelung nicht erfolgt, die erforderlichen. Bestimmungen erläßt, außer wenn in dem Bezirk eine haus⸗ gewerbliche Beschäftigung nicht stattfindet. Der Zusatz des Regierungsentwurfs, daß die Ausnahme auch stattfinden soll⸗ wenn eine hausgewerbliche Beschäftigung nur in ganz ge⸗ vngfügigem Umfange erfolgt, wurde gestrichen. § 470, der die Grenze der Versicherungsfreiheit für Hausgewerbefreibende festlegt, wurde fallen gelassen, weil diese schon durch die Bestimmungen über die Krankenversicherungspflicht vom 28. Dezember 1921 geregelt ist. Bei § 472 wurde die Ausnahme beseitigt, nach der das Statut eine undere Meldepflicht regeln kann als die allgemein gültige, die dem Hausgewerbetreibenden für seine Beschäftigten und für den Haus⸗ sewerbetreibenden seinem Arbeitgeber obliegt. Zu § 473 wurde bestimmt, daß die allgemeinen Vorschriften über die Zahlung der Beiträge gelten, ohne daß das Statut etwas anderes anordnen kann. Zu § 476 wurde beschlossen, daß das Statut bestimmen kann, daß Hausgewerbetreikende, deren Entgelt geringer als der halbe Grund⸗ lobn der niedrigsten Lohnstufe bei ihrer Kasse ist gleichwohl die Leistungen der niedrigsten Lohnklasse erbhalten. Die Bestimmung des §477, wonach für Bezirke, in denen die Hausgewerbetreibenden die eiträge nicht leisten können, der kommunale Verband die Beitrags⸗ anteise der Hausgewerbetreibenden übernehmen kann, wurde gestrichen. Im übrigen wurden die auf das Hausgewerbe bezüglichen Paragraphen in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. Sodann vertagte scch der Ausschuß. 8 Im Reichstagsausschuß für Kriegsbeschä⸗ digten Fragen wunde gestern das Personenschädengese, das den Ersatz für die durch den Krieg und seine Folgen innerhalb und außerhalb des Reichsgebiets verursachten Beschädigungen an Leib und Leben reichsgesetzlich regelt, in zweiter Lesung verabschiedet. Die Durchfübrung des Gesetzes wurde enigegen den Beschlüssen bei der ersten Lesung den Verwaltungsbehörden übertragen, die nach 99 Reicksversorgungsgesetz zuständig sind (§§8 17 bis 19). In 8 wurde die Hinzuziehung eines einundzwanzigkäpfigen Reichstags⸗ ansschusses zur Beschlußtassung über die Ausführungsbestimmungen gemäß einem Antrage André (Zentr) gestrichen. gefr Im Rechtsausschuß des Reichstags wurde gestern der esetzentwurf über Heranzie 9 1 Schöffen⸗ und e HPehezusgam in zweiter Lesung an⸗

Berufsbeamte, sondern

Gutachten nicht beachtet.

stätigung kirchengesetzlicher Vorschriften der evan⸗

kündigte Aussperrung gestern nachmittag in sämtlichen Mit⸗

hung der Frauen zum

1“ 8 8 1“ der Frauen, die zwei und mehr noch nicht schulpflichtige Kinder Haben oder glaubhaft machen, daß ihnen die Fürsorge für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert, die Ablehnung des Schöffenamts freistellt. Ein Antrag der Unabhängigen Sozialisten, der das Ablehnungsrecht verneint wissen wollte, wurde abgelehnt.

Der Hauptausschuß des preußischen Landtags setzte am Dienstag die Vorberatung des Haushalts des Ministeriums des Innern fort. Abg. Dr. von Kries (D. Nat.) würde es für Sgee halten, wenn die Zustimmung der Entente zur Räumung der im Mai besetzten Städte durch eine dauernde militärische Kontrolle erkauft würde. Der Staatssekretär Dr. Freund erklärte, daß die Zahl der Regierungsreferendare im Vergleich mit der Zeit vor dem Kriege um ein Drittel zurückgegangen sei. Von 430 Landräten Preußens seien gegenwärtig 60, also 15 % sogenannte Außenseiter. Das Oberpräsidium für Schleswig⸗Holstein folle endgültig nach Kiel kommen. Abr. Heilmann (Soz.) beklagte, daß die Demokratisierung im Ministerium noch nicht weiter vorgeschritten sei. Abg. Rhiel⸗Fulda (Zentr) machte darauf aufmerksam, daß im Kreise Fulda und in den Nachbarkreisen Vieh von Großhändlern zu Preisen aufgekauft werde, die befürchten ließen, daß dieses Vieh zunächst ins besetzte Gebiet und dann ins Ausland verschoben werde. Abg. Dr. von Campe (D. Vp.) wünschte, daß das Aus⸗ führungsgesetz zum Artikel 18 der Verfassung die Absplitterungs⸗ bestrebungen erheblich erschweren möge. Der Ministerialdirektor Mulert teilte mit, daß die nach der neuen Gemeinde⸗ verfassung neu zu schaffenden Landbürgermeister nicht als als ehrenamtliche Beamte gedacht seien. Abg. Dr. Negenborn (D. Nat.) führte den Rückgang im Andrang zur Verwaltung darauf zurück, daß die Verwaltungsbeamten nur noch wenig Aufstiegsmöglichkeit hätten. Es müsse ihnen zum mindesten das Recht gegeben werden, Anwalt vor Verwaltungsgerichten zu werden. Der Redner fragte, ob die Anordnung des Ministers über Gründung von Gemeindebanken befolgt werde. Abg. Dr. Leidig (D. Vp.) trat für Beseitigung der gesonderten Verwaltungsvorbildung ein und wünschte, daß man in den Kommunen zu baldigen Neuwahlen komme. Abg. Katz (Kommun.) griff den Minister des Innern an, den er als Reaktionär bezeichnete. Abg. Berndt (Dem.) wünschte Besserstellung der Oberpräsidenten und der Regierungspräsidenten und fragte, in welchem Umfang mittlere Beamte in höhere Beamten⸗ und Dezernentenstellen gekommen seien. 1

Der Minister des Innern Severing bejahte, wie das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ berichtet, die Frage, ob kommunistische Funkenanlagen gefunden worden seien. Mit den Kommunisten müsse man jetzt Fraltur reden. Eine preußische Regierung, die diesen Namen verdiene, müsse bestrebt sein, Preußen zusammenzuhalten und die Bildung von Reichsprovinzen aus preußischen Gebieten zu verhindern. Das gelte auch für Oberschlesien. Wenn im Osten die Absplitterung beginne, würde es kein Hanten mehr geben. Eine eigene Provinz Oberschlesien liege auch nicht im schlesischen Interesse. Die neue Städteordnung werde gleich nach Ostern eingebracht werden. Spätestens im nächsten Frühjahr müßten Neuwahlen stattfinden. unter Umständen auf Grund eines Notgesetzes. Wenn der bavyerische Minister des Innern sich über eine Bespitzelung durch Preußen beklagt habe, so sei eine solche unzutreffend. Der bayerische Minister habe in Berlin auch eingesehen, daß eine solche Ansicht irrig sei, und erklärt, eine entsprechende Aufklärung bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in Bavern geben zu wollen. Der Staatssekretär Dr. Freund gab zu, daß die einschränkenden Bestimmungen des Ministers über Gründung von Gemeindebanken oft nicht befolgt würden. Die Gemeinde⸗ und Kreisbanken seien unter Umständen gefähr⸗ lich, weil sie als Garanten dieselben Verbände hätten wie die Sparkassen. Man müsse deshalb den Sparkassen mehr Be⸗ wegungsfreiheit geben. In der neuen Städte⸗ und Gemeinde⸗ ordnung solle bestimmt werden, daß bei Gründung von Gemeinde⸗ und Kreisbanken dem Staat ein Einspruchsrecht zustehe. In der weiteren Aussprache ergriff noch einmal der Minister des Innern Severing das Wort. Er bestätigte, daß die Grenzfestsetzung durch die Botschafterkonferenz im Weichselgebiete leider zu Ungunsten Deutschlands erfolgt sei. Die Entscheidung widerspreche dem klaren Wortlaut des Friedensvertrages, nach dem Deutschland einen Anspruch auf einen Zugang zur Weichsel habe. Es solle versucht werden, auf Grund des Friedensvertrages noch eine Aenderung zu erreichen. Der Gutachterausschuß der interalliierten Mächte habe sich damals auf die Seite Deutschlands gestellt; die Botschafterkonferenz habe aber dieses

Dem preußischen Landtag sind zugegangen der Ent⸗ wurf eines Gesetzes über die Neuordnung der kom⸗ munalen Verfassung und Verwaltung in der Ostmark nebst Begründung, der Entwurf eines Gesetzes zur Be⸗

gelischen Landeskirchen zur vollen Ausnutzung des kirchlichen Vermögens für die Bedürfnisse der Pfarrerbesoldung und der Entwurf eines Gesetzes über die Bestätigung des Kirchengesetzes vom 25. Ja⸗ nuar 1922, betreffend Ausübung des Kirchenregiments in der evangelischen Landeskirche des Konsistorial⸗ bezirks Wiesbaden, nebst Begründungen und Abdrücken

der dazu gehörigen Kirchengesetze. Statistik und Volkswirtschaft.

Arbeitsstreitigkeiten.

Aus Nürnberg wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß die vom Verband Bayerischer Metallindustrieller ange⸗

gliedsbetrieben in Kraft getreten ist.

Zurzeit befinden sich, einer Stuttgarter Meldung des W. T. B.“ zufolge, in Württemberg in 180 Betrieben 41 080 Metall. arbeiter im Ausstand. In weiteren 30 Betrieben mit 10 400 Arbeitern hat die Arbeiterschaft zum nächsten Freitag ge⸗ kündigt. .

In Detmold ist das Redaktionspersonal der Lippischen Tageszeitung (deutschnational) gestern abend wegen Streitigkeiten mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat in den Ausstand getreten.

In Hamburg haben, wie dem „Berliner Börsen⸗Courier“ ge⸗ meldet wird, die in der Herren⸗ und Knabenkonfektion beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, nach Ab⸗ lehnung der örtlichen Verhandlungen wegen Lohnerhöbung durch die Arbeitgeber, beschlossen, in sämtlichen Betrieben die Arbeit ein⸗ zustellen. Dieser Beschluß erstreckt sich auch auf die in den Nebenzweigen dieser Betriebe tätigen Personen.

Kunst und Wissenschaft.

n der Märzsitzung der Vorderasigtisch⸗ägyptischen Geülfchafe berichtete der Professor Meißner über Neue Beiträge zur assyrischen Geschichte. Der Vortragende bemerkte im Eingange seiner Ausführungen, er wolle nur auf die jungen Forscher anregend wirken im Sinne der Forschungen von Professor Schäfer und Dr. Schroeder u. a. Er behandelte ganz neues Material aus assyrischen Keilschriftenterten und wies auf Weidners Chronologie der Könige von Assur hin. Die reichlichen Funde aus der Zeit vor dem dritten Jahrtausend bieten nur sehr wenig schriftliches Material, aber wir lernen den Vater des um 1870 d. Chr. herrschenden Samsaba kennen, mit Namen: Ignikapgapur. Um 1530 v. Ch. regiert Pusar⸗Aschir I., der am Istartempel zu Assur⸗Babel Bauten ausführt. Es wird dadurch eine Stelle der Tell Amarna⸗Inschriften belegt. Ferner ist Arischur⸗Ilu als König um 1380 erwähnt, Namaru um 1300. Es folat Salmanasse I. um 1270, der ein Stadttor

Der König tritt zum Zeichen

1.“ t. 8

8 8 5 8 11 b Nachfolger. Als großer Bauberr stellt sich in seinen Inschriften Tiglat⸗Nimtod I. vor, der am Istar⸗Tempel von Assur bauk und eine ganz neue Residenz anlegt, die er Tiglat⸗Nimrods⸗Burg nennt. Außer⸗ dem ist wichtiges historisch und chronologisch zu wertendes Material neu aufgefunden worden, das über 720 Jahre reicht. Von kriegerischen Ereignissen gegen die Hettiter wird berichtet, die schon um 1250 in einem sinkenden Stadium ihrer Macht sich befunden haben müssen. Nach Besiegung des Königs der tti werden 24 000 Hettiter nach Assur geführt. Schon damals wurde die assprische Nation stark internationalisiert. Dann unterwarf Tiglat⸗ Nimrod I. das nördliche Mesopotamien und das Land südlich vom Vansee, das Land der Kutgeer. seinen Berichten schildert der König seinen beschwerlichen Zug nach Armenien, das damals aus zahl⸗ reichen kleinen Staaten bestand. Der größte Erfolg aber war für ihn die Besiegung und Gefangennahme des Königs von Babpylonien. 1 des Sieges auf den Nacken seines Gegners, ein Bild, das sich auf zahllosen Säulen durch die Jahr⸗ hunderte hindurch findet. Am Schlusse der Regierung Tiglat⸗ Nimrods erstreckt sich die Herrschaft Assyriens von der Ostküste Arabiens, am Persischen Golf bis nach Syrien und Kleinasien. Von Tiglat⸗Pilesar I. erwähnt eine Inschrift 13 Regierungsjahre. Er hat zahlreiche Kriege geführt, gegen Elam, gegen Syrien und Babylonien, wobei er auch eine Niederlage erlitt. Der König zieht zum Libanon, um dort Zedern für einen Tempelbau zu fällen; ferner nach ‚Phoenikien, um Tribut von Sidon und Gebat zu holen. Von der Hafenstadt Arwad fährt er zu Schiff nach Samur⸗Simyra und erlegt auf dieser Fahrt einen Nachiru, d. h. ein „Seepferd“, das wahr⸗ scheinlich ein Pottwal ist, dessen Zähne in alter Zeit dem Elfenbein gleichgewertet wurden, und der nach 7. Marco Poloös Zeit im Mittel⸗ meer vorhanden war. Auf der Rückkehr durch das Chattiland nimmt er den Tribut eines kleinen hettitischen Königs. Um 1100 v. Chr erhalten wir bestimmte Nachrichten von der Existenz der Stadt Thadmar im Amuralande in Syrien, d, h. vom späteren Palmyra. Auch die Aramaeer werden um diese Zeit (um 1100) aus Nord⸗ babylonien vertrieben. Von besonderer Bedeutung sind die neuen Inschriften Adad Nixraris II., (911 891 v. Chr.) des Groß⸗ vaters von Assur Banipal. Die größte Inschrift dieses Herrschers (134 sehr lange Zeilen) spricht von seinen Eroberungs⸗ zügen nach Südbabylonien und ins Gebirge hinauf. Die Ent⸗ scheidungsschlacht gegen Babylonien findet am Berge Jalmar statt. Adad Niraris Haupterfolg ist die Niederwerfung des Landes Kanidalwa in sieben Feldzügen. Die Einschließung des Königs Nurabad in Nisibis wird erwähnt. Die von ihm eroberte Stadt Gusana wird von einem König Absalon regiert, dessen Hnees Sikan an der Quelle des Chabur ist. Der König erwähnt, er habe Pferde, die in Assur viel begehrt waren, eingeführt, Pflüge importiert und Getreideschuppen gebaut. Er war ein gewaltiger Jäger. Stiere, Elefanten, Steinböcke, Hirsche, Wildesel und Gazellen werden als Jagdbeute erwähnt, dazu der Vogel Lursu (heute Frankolin genannt). Aus Salmanassars II. Zeit (859— 825) sind 2 riften gefunden worden, die diejenigen des „schwaren Obelisken“ ergänzen. Aus Inschriften, die auch in Assur ausgegraben sind, erfahren wir über acht Feldzüge Sargons, besonders gegen Ursa (Armenien), deren Könige in Palästen lebten, die mit Balken aus Zypressenholz gedeckt und von Wohlgerüchen durchduftet waren. Diese Inschriften berichten auch von der maßlosen Verwüstungswut der assyrischen Eroberer. Aus anderen Inschriften erfahren wir von einem Angriffskriege der Elamiten, die diesmal mit den Babyloniern verbündet sind und gegen Assyrien ziehen. Bei Kutan in Nordbabylonien stehen die Ver⸗ bündeten, ihnen schickt Sanherib, der damalige König von Assur, ein Heer entgegen, das Merodach Baladons Hauptstadt bedrohen soll. Nach einer Niederlage dieser Truppen wirft sich Sanherib selbst auf Kutan, das er erobert, und besiegt dann bei Kisch Baladans Neffen und den arabischen Prinzen Baskanu, den Bruder der Königin Jakki. Sanherib zieht als Sieger in Babylon ein. Das Land Babylonien so erfahren wir aus den Inschriften, wurde zu jener Zeit in vier Provinzen geteilt. Im Süden wohnten die Chaldäer. 9 v. Chr.

wird Babylon völlig durch Sanherib zerstört, aber schon unter seinem

Nachfolger baut Assur Hadon die Stadt 679 v. Chr. von neuem auf. In einer Inschrift sagt er: „Wo früher die Hauptstadt der Welt stand, da nisten jetzt Vögel und schwimmen Fische. Zahlreiche In⸗ schriften schildern die Eroberung Aegyptens durch Assur Hadon. 671 v. Chr. wird Memphis erobert. Die Assyrer setzen in Aegypten zwölf Statthalter ein; sie führen aus Aegypten eine Anzahl Hand⸗ werker, Aerzte, Goldschmiede, Schlangenbeschwörer, Magier usw. nach Assur fort. Als Tribut nahmen sie mit 250 Talente Gold, 300 und mehr Talente Silber, Gewänder, Vieh (Pferde, Schafe) Felle usw. Aus der Zeit, da die assyrische Herrschaft zugrundes ging (606 v. Chr.), sind große Mengen von Inschriften vorhanden, die zum Teil noch nicht bearbeitet worden sind.

An den Vortrag schloß sich eine Erörterung an. Professor Andreä betonte, es auf Assur eine starke hettitische Einwirkung stattgefunden. Dr. Torchyner erwähnte, daß auch die Bibel den Gestus kennt, wonach der Sieger den Fuß auf der Nacken des Ueberwundenen setzt. Der Pottwal erscheint im Buche Hiob, wo er Leviathan genannt wird, dessen Modell eigentlich das Krokodil ist. Ferner kommen im Buche Hiob direkte Zitote aus dem Babylonischen vor, desgleichen in Jesaia Kapitel 13 und 14, die Zerstörung Babylons betreffend: „Ich werde ihren Staub fo b en und sie (Babylon) zu Felsen machen.“

Verkehrswesen.

Gemäß Artikel 238 des Versailler Friedens⸗ vertrags hat Deutschland, wie dem „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ mitgeteilt wird, abgesehen von den auf Grund des Waffenstillstandsvertrags abzuliefernden 5000 Loko⸗ motiven und 150 000 Eisenbahnwagen, die bis auf wenige übergeben sind, bis zum 28. Februar 1922 abgeliefert: 1. an Belgien: Stnaatsbahnwagen. Privatwacen.. an Frankreich: Staatsbahnwagen Privatwagen.. an Rumänien: Fahrzeuge.. an Serbien: Fahrzeuglge.. F Ksalien“

Fahrzeuge zusammen 26 076.

Theater und Musik.

Im Opernhaufe wird morgen, Donnerstag, Walter Braun⸗ fels' Oper „Die Vögel“, mit den Damen Hansa, Knepel, Jäger⸗ Weigert und den Herren Kirchner, Scheidl, Braun, Helgers, Stock, Zador in den Hauptrollen besetzt, aufgeführt. Musikalischer Leiter ist Dr. Fritz Stiedry. Anfang 7 ½ Uhr. 1

Im Schauspielhause wird morgen „Peer Gynt“ mit Otto Laubinger als Peer wiederholt. Anfang 7 ½ Uhr. 3

Die Direktion des Deutschen Theaters teilt mit, daß den Dauerbeziehern von Karten für die laufende Spielzeit im Großen Schauspielhaufe das Vorbezugsrecht von Stamm⸗ sitzheften für die nächste Svpielzeit 1922/23 nur bis zum 31. März d. J. vorbehalten bleiben kann.

Mannigfaltiges.

Die gestrige Sitzung der Berliner Stabtve 8 neten wurde zum größten Teil durch die Erledigung kleiner An⸗ fragen und Anträge von geringerer Bedeutung ausgefüllt. Eine Magistratsvorlage über die Unterstützung der Kleinrentner wurde ohne Erörterung angenommen. Nach längerer Ausspracke zur Geschäftsordnung wurden zum Schluß die Deckungsvorlagen (Tariferhöhungen) in erster Lesnng erledigt und einem Ausschuß über⸗

wiesen. In der Reihe der Märkischen Vorträge, deren nächstet

baut. Aus dessen, Zeit sind zahlreiche Inschriften auf Gold. und

Silbertabletten erhalten, ebenso aus der Zeit seiner unmittesbaren

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am Sonntag, den 26, d. M., Abends 7 Uhr, im Hörsaal des Kunstgewerbemuseums (Prinz⸗Albrecht⸗Straße 7) stattfindet,

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enommen. Bei h 35 wurde der Beschluß erster Lesung bestätigt,

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