Bei der Vollendung eines Jahrhunderts freier Existenz vertraut Mexiko darauf, daß es den langen Zeitraum seiner Drangsale und schmerzvollen Prüfungen, die durch seinen Kampf für die Sicherung seiner demokratischen Errungenschaften verursacht waren, überstanden hat, und nunmehr auf die Bahn des Fortschritts mit den höchsten Idealen als Leitstern gelenkt, sehnt es sich einzig und allein danach, durch die Arbeit das Blühen und Gedeihen zu erlangen, auf welches ihm seine üppigen Reichtümer und seine schmerzlichen Opfer das Anrecht geben. 8
Aber die Bemühung seiner Söhne für sich allein ist nicht aus⸗ reichend, um aus einem so ausgedehnten und freigebigen Lande das⸗ jenige zu machen, wozu sein Geschick es berufen hat. Darum ver⸗
säumt Mexiko keine Gelegenheit, um sich in der Familie der Völker
eschätzt zu machen, und für alle öffnet es seine großmütigen Arme, indem es weitherzige und freigebige Gastlichkeit bietet. Das Bestreben, welches sich bereits von seiten der gebildeten Kreise und der Kaufmannschaft besonders in unseren beiden Ländern bemerkbar macht und fortwährend den gegenseitigen Verkehr zum Nutzen beider intensiver gestaltet, ist ein guter Beweis für das Ver⸗ trauen, welches sie sich untereinander einflößen, und, wenn das Ver⸗ trauen besteht, wird ohne jeden Zweifel sich die Herzlichkeit unserer internationalen Beziehungen verstärken, von welchen das mexikanische Volk so viel erwartet.
Da auf so mannigfache und bezeichnende Weise Deutschland ihm seine Sympathien und seinen guten Willen bewiesen hat, bewahrt Mexiko mit dem Gefühl lebhaften Wohlgefallens die dankbarste Er⸗ . an die so verdiente Sonderbotschaft, welche die Trägerin Ihrer so höflichen Landesvertretung war, und um Ihnen dieses zu
bezeigen, hat Seine Erzellenz der Präsident der Republik Mexiko misch beauftragt, Ihnen im Namen des mexikanischen Volkes und Regierung seinen tiefgefühlten, herzlichen Dank zum Ausdruck zu bringen.
Möge denn Eure Erzellenz für sich sowie für Ihr Volk die weitreichenden Wünsche entgegennehmen, welche ich als Dolmetscher der Gefühle Seiner Exzellenz des Herrn Präsidenten der Republik Merxiko Ihnen darbringe und zu denen ich meine eigenen persönlichen
inzufüge für das ununterbrochene Glück und Gedeihen Ihrer großen Nation und ihrer würdigen Vertretung.
Der Reichspräsident antwortete:
Herr Botschafter!
8 Ich habe die Ehre, aus Ihren Händen das Handschreiben entgegenzunehmen, durch welches der Herr Präsident der Vereinigten Staaten von Mexito Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten otschafter in besonderer Mission beglaubigt hat, um dem deutschen Volke und seiner Regierung für ihre Anteilnahme an der Unabhängig⸗ keitsfeier Ihres Landes im vergangenen Jahre den Dank Mexikos
abzustatten. . Indem ich meiner aufrichtigen Freude Ausdruck verleihe, daß diese ehrenvolle Mission Ihnen, Herr Botschafter, anvertraut wurde, bitte ich Sie, versichert sein zu wollen, daß das deutsche Volk Mexiko die wärmste Sympathie entgegenbringt und seinen Aufstieg
mit den herzlichsten Wünschen begleitet. Es war ihm und seiner
egierung eine angenehme Pflicht, an dem Ehrentage der befreundeten ation in würdiger Weise vertreten zu sein.
Mit beredten Worten haben Sie soeben geschildert, welche Ge⸗ fühle und welche Hoffnungen die leitenden Kreise Ihres Vaterlandes anläßlich der Hundertjahrfeier seiner Unabhängigkeit bewegt haben, einer Unabhängigkeit, die, nach mancherlei inneren Schwierigkeiten auch noch im 1 Jahrzehnt, nunmehr gefestigt erscheint. Seien Sie überzeugt, daß diesen Hoffnungen, soweit Deutschland zu ihrer Erfüllung beitragen kann. keine Enttäuschung bereitet werden wird. Es wird stets das Bestreben der deutschen Regierung sein, alles zu tun, um die von jeher bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu Ihrem Vaterlande besonders auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiete weiter zu pflegen und zu vertiefen. Das deutsche Volk erkennt stets dankbar die Gastlichkeit Ihres schönen und reichen Landes an, die vielen seiner Söhne gewährt worden ist, und in herzlicher Erwiderung der Gefühle des mexikanischen Volkes, zu dessen Dolmetsch Sie sich s gemacht haben, wird es soweit es in seinen Kräften steht. stets der weiteren gedeihlichen Entwicklung Ihres Landes mit⸗
Ich danke Ihnen. Herr Botschafter für die auch in Ihrem Namen mir ausgesprochenen Wünsche. Ich hoffe zuversichtlich, daß unsere beiden Länder gemeinsam weiter vertrauensvoll und jegensreich zusammenarbeiten werden. Dem würdigen Staatshaupte Mexikos bitte ich für sein persönliches Wohlergehen die aufrichtigsten und besten
Wünsche zu übermitteln.
Gestern nachmittag fanden im Reichstag Besprechungen wischen dem Reichskanzler und allen Reichstags⸗ sienen statt, welche die durch die Mitteilungen der Reparationskommission entstandene parlamentarische Lage zum Gegenstand hatten. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mit⸗ teilt, gab der Reichskanzler davon Kenntnis, daß die Reichs⸗ regierung erst nach Uebergabe des vollständigen amtlichen Te tes der Antwort der Reparationskommission in der Lage sei, dazu Stellung zu nehmen und sich im Reichstag verantwortlichzu äußern. Alle Fraktionen waren darin einig, daß sie selbst an der Hand des amtlichen Textes, den ihnen die Regierung so schnell wie möglich zugehen lassen wird, in eine genaue Prüfung der in den Noten aufgeworfenen Fragen eintreten müßten, und daß es deshalb wünschenswert sei, die Reparationsfrage im Parlament erst dann zu behandeln, wenn die Regierung eine abschließende Erklärung abgeben könne. Der Reichskanzler sagte dies für die erste Sitzung in der nächsten Woche zu, die auf Dienstag in Aussicht genommen ist. Alle Reichstagsfraktionen erklärten sich damit eiverstanden.
Der Botschafterkonferenz in Paris ist dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge vorgestern nachstehende Note der
deutschen Regierung übergeben worden:
Die Botschafterkonferenz hat es in ihrem Schreiben vom 4. März abgelehnt, bei der Interalliierten Regierungs⸗ und Plebiszitkommission über Oberschlesien wegen der Ermordung des Polizei⸗ wachtmeisters Rüsenberg einzuschreiten. Sie begründet die Ablehnung mit dem Hinweis darauf, daß die Angelegenheit zur ausschließlichen Zuständigkeit der Interalliierten Kommission gehöre und daß die deutsche Regierung keinerlei Befugnisse habe, sich mit der Sache zu befassen. Den gleichen Standpunkt hat auch die Interalliierte Kommission selbst gegenüber den bei ihr unmittelbar erhobenen Vorstellungen eingenommen.
Die deutsche Regierung ist sich in Uebereinstimmung mit der Botschafterkonserenz durchaus der Tatsache bewußt, daß die Inter⸗ alliierte Kommission nach dem Vertrag von Versailles verpflichtet und allein zuständig ist, mit Hilfe der ihr zur Verfügung stehenden Truppen für die Aufrechterhaltung der Ordnung im ober⸗ schlesischen Abstimmungsgebiet Sorge zu tragen. Sie verkennt ferner nicht und hat auch in keiner Weise in Zweifel gestellt, daß der ermordete Polizeiwachtmeister dienstlich der Inter⸗ alliierten Kommission unterstand. Die deutsche Regierung muß aber Widerspruch dagegen erheben, wenn die Botschafterkonferenz und ebenso die Interalliierte Kommission aus dieser Sachlage die Folgerung ziehen, daß der deutschen Regierung die Legitimation fehle, sich des Schicksals der Deutschen im Abstimmungsgebiet anzunehmen. Die Interalliierte Komm ssion hat nicht die Stellung einer souveränen Regierung, deren Maßnahmen gegen ihre eigenen Angehörigen jeder Einmischung einer anderen Regierung entzogen sind,. Die Rechte und
flichten der Interalliierten Kommission bestimmen sich vielmehr aus⸗
chließlich nach einem Vertrage, dem Vertrage von Versailles. Als Vertragspartei hat Deutschland aber ein unbestreitbares Recht darauf. seinerseits von der Interalliierten Kommission die Erfüllung ihrer traglichen Pflichten zu fordern. Die deutsche Regierung ist mithin
ein gegen die Nichtachtung des Selbstbe
auch berechtigt, alle zur Wahrnehmung ihres Vertragsrechts geeigneten Schritte zu tun. „Die deutsche Regierung kann um so weniger darauf verzichten, ihre Forderung auf eine baldige befriedigende Regelung der An⸗ gelegenheit auch bei der Botschafterkonferenz geltend zu machen, als eine größere Anzahl anderer Fälle vorliegt, in denen Deutsche in Oberschlesien an Gesundheit und Eigentum geschädigt worden sind, ohne daß sie Schutz und Unterstützung bei der Interalliierten Kom⸗ mission gefunden hätten. Eine Zusammenstellung von einigen Fällen dieser Art wird in der Anlage beigefügt mit dem Ersuchen, daß nicht nur der Fall des Polizeiwachtmeisters Rüsenberg, sondern auch diese anderen Fälle noch vor der Abgabe der Dienstgeschäfte der alliierten Kommission ihre vollständige Erledigung finden.
Anlage.
1. Der Hauptmann der Sicherheitspolizei Leist wurde am
18. August 1920 in Kattowitz während des Dienstes durch
einen Schuß getötet. Eine Entschädigung ist den Angehörigen bisher nicht gezahlt worden.
2. Der Hüttenpraktikant Walter Grziwotz wurde am 4. Juli
1921 in Beuthen von einem französischen Soldaten mit dem
GSewehrkolben totgeschlagen, während er einen Verwundeten
8 verband Grziwotz war ohne Waffen. Eine Untersuchung des G hat seitens der Organe der Interalliierten Kommission tattgefunden, eine Entschädigung ist jedoch den Angehörigen bisher nicht gezahlt worden. 1
3. Der Zollbetriebssekretär Lenich ist am 6. Juli 1921 auf dem Bahnhof in Rosmanshorn, Kreis Rybnik, von polnischen E“ aus dem Zuge geholt und totgeschlagen worden.
ine C“ der Hinterbliebenen hat bisher nicht statt⸗ gefunden.
8 Per Schmied Pelka aus Hindenburg wurde am 16. Oktober 1921 dortselbst von einem französischen Soldaten durch einen Revolverschuß in den Kopf getötet. Der für die unehelichen Kinder gestellte Entschädigungsantrag ist von der Interalliierten Kommission abschlägig beschieden worden.
Der Schüler Friediof Grimm aus Proskau wurde im Sommer 1921 in Oppeln von einem französischen Soldaten durch einen Revolverschuß am Bein verletzt. Wiederholte An⸗ träge der Mutter des Verletzten auf Ersatz der durch die Pflege entstandenen Unkosten und Bewilligung einer Ent⸗ schädigung blieben ohne Bescheid.
6. Der Oberamtmam Schnabel wurde am 26. Juni 1921 in Gleiwitz von einem französischen Soldaten derartig miß⸗ handelt, daß er erwerbsunfähig geworden ist. Eine Ent⸗ Hhenäarren oder Beantwortung seiner Anttäge ist bisher nicht erfolg
Der Reichskanzler empfing gestern eine Deputation von Vertretern der Bevölkerung der Weichsel⸗
niederung unter Führung des Regierungspräsidenten von
Westpreußen. Der Deputation gehörten der Deichhauptmann Dirksen, ein Deichgeschworener sowie führende Persönlichkeiten aus Ost⸗ und Westpreußen an. Die Erschienenen gaben dem im Bezirk Marienwerder ausgesprochenen einmütigen Protest der Bevölkerung gegen die Abtretung der deutschen Ortschaften auf dem rechten Weichselufer an Polen Ausdruck und baten die Reichs⸗ regierung um ihre Unterstützung, damit die Ortschaften deutsch blieben und Ostpreußen der Zugang zur Weichsel gesichert werde. Der Reichskanzler sagte ihnen die nachdrücklichste Hilfe und Unterstützung der Reichsregierung zu und gab die Maß⸗ nahmen bekannt, die béreits in die Wege geleitet worden sind, um die Wünsche der Bevölkerung der Weichselniederung zur Geltung zu bringen.
Die Deputation wurde auch von dem
Reichsminister des
Aeußern Dr. R athenaäu empfangen. “
v t
Der Reichsrat hielt am Donnerstag nachmittag unter dem Vorsitz des Reichsministers des Innern Dr. Köster eine öffentliche Sitzung ab, über die das „Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ wie folgt berichtet:
Vor Eintritt in die Tagesordnung gab der Vertreter. von Ostpreußen Freiherr von Gayl nachstehende Erklärung ab: „Namens der von mir vertretenen Provinz Ostpreußen lege ich in der heutigen Vollsitzung des Reichsrats Verwahrung
timmungsrechts der Völker und gegen die Verletzung des Friedensvertrages von Ver⸗ Peg-. die durch die Entscheidung vom 13. März von der nteralliierten Grenzfestsetzungskommission für die deutsch⸗ polnische Grenze an den um den Weichselhafen Kurzbrack ge⸗
legenen deutschen Ortschaften durch ihre Zuteilung zu Polen und
durch die Abtrennung Ostpreußens vom Weichselufer begangen worden sind. Ostpreußen, insonderheit die betroffenen Ort⸗ schaften, in welchen durchschnittlich 92 veo der Bevölkerung am 11. Juli 1920 für Ostpreußen und Deutschland gestimmt haben, erwarten von der Reichsregierung, daß sie nie und nimmer diese Grenze und damit den unerhörten Rechtsbruch anerkennt, der trotz feierlicher Verträge Deutschland zugemutet wird; sie erwarten vielmehr, daß die Reichsregierung mit allen ihr verfügbaren Mitteln sich dieser Vergewaltigung widersetzt und dieser Absicht öffentlich Ausdruck verleiht, damit Ostpreußen, das unter allen Umständen dem deutschen Volk und Reich die Treue zu halten ge⸗ willt ist, in dieser Stunde der Not auch der Treue des Reiches gewiß sein kann. An die Bevollmächtigten aller deutschen Länder richte ich die Bitte, sich einmütig meiner Erklärung anzuschließen und dadurch zu zeigen, daß ganz Deutschland geschlossen hinter dem entferntesten seiner Teile steht.“
Der Staatssekretär Göhre schloß sich dieser Verwahrung im Namen des drrü schen Staatsministeriums an. Der preußische Ministerpräsident habe soeben eine Deputation aus Ost⸗ und 1“ empfangen und ihr zugesagt, nachdrücklich mit allen Kräften dahin zu wirken, daß die Wünsche der betroffenen Be⸗ völkerungsteile möglichst noch in letzter Stunde erfüllt werden, daß vor allem die preußische Regierung bei der Reichsregierung 8 einsetzen werde, um mit ihr gemeinsam diese Wünsche zu erfüllen.
Der bayerische Gesandte von Preger sprach namens der übrigen im Reichrat vertretenen Länder Ostpreußen sein warmes Mitgefühl aus und unterstützte die Vorstellungen Ostpreußens namens der Länder. Der Reichsminister des Innern Dr. Köster führte aus, daß die Reichsregierung in dieser Frage sich mit dem gesamten Reichsrat einig fühle. Auch der Reichskanzler und der Reichs⸗ minister des Auswärtigen hätten eine Delegation aus den von schwerem Unheil betroffenen Distrikten empfangen und ihr zu⸗ gesagt, nicht nur mit allen der Reichsregierung zur Verfügung stehenden Mitteln die Entscheidung, wenn es angehe, rückgängig zu machen, sondern insbesondere auch zu ermöglichen, daß die Delegation so schnell wie möglich in Paris an Ort und Stelle ihren Protest und ihre Einwände zur Geltung bringen könne. Außerhalb der Tagesordnung richtete ferner der Staatssekretär Göhre im Namen aller preußischen Vertreter an den Vor⸗ sitzenden die Bitte, bei der Reichsregierung darauf hinzuwirken, daß der Reichsrat in der Angelegenheit der neu eingetroffenen Reparationsnote möglichst bald und eingehend unterrichtet werde, damit auch er in der Lage sei, sich ein Urteil über diese schwer⸗ wiegende Frage zu bilden.
Der Reichsminister des Innern Dr. Köster erklärte, daß er guch diesen Wunsch sofort der Reichsregierung übermitteln werde. Er sei davon überzeugt, daß diese angesichts des Ernstes der Lage von sich aus das Bedürfnis fühlen werde, so schnell wie möglich
mit den Ländervertretern über die neue Lage und über Mit
Inter⸗
tel aus ihr herauszukommen, zu beraten. um
Alsdann wurde ein Gesetzentwurf, betreffend die Arbeitszeit der in Steinkohlenbergwerkes unter Tage beschäftigten Arbeiter, angenommen Als regelmäßige Arbeitszeit soll danach diejenige gelten, die durch Tarifverträge im Oktober vorigen Jahres festgesetzt war. Wo eine solche bis zum 1. Oktober 1921 noch nicht vereinbart war, soll eine Schichtzeit von sieben Stunden gelten. Bei besonders ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen soll der Arbeitsminister diese Zeit auf 7 ½ Stunden festsetzen dürfen. Abweichungen im Sinne einer Verlängerung sollen durch allgemein verbindliche Tarifverträge zu⸗ gelassen werden, vorausgesetzt, daß diese für verbindlich erklärt werden. Für Betriebe, in denen eine Temperatur von über 28 Grad Celsius herrscht, kann, falls keine Vereinbarung zustande kommt, die zuständige Bergbehörde nach Anhörung der beider⸗ seitigen Organisationen eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit anordnen. Die Regierungsvorlage hatte bestimmte Gradzahlen der Temperaturen in vier Abteilungen enthalten. In der Voll⸗ versammlung des Reichsrats “ aber aus technischen Gründen diese vier Abteilungen gestrichen und nur die mitgeteilte allgemeine Fassung gewählt. —
Der Reichsrat beschloß weiter die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Bundesratsverordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten. Glas⸗ schleifereien und Glasbeizexeien sowie Sand⸗ bläsereien. Dagegen wurde mit 39 gegen 25 Stimmen der Regierungsvorschlag abgelehnt, wonach für Suspensorien eine Aus⸗ nahme vom Verbot der Herstellung und des Verpackens in der Hausindustrie gemacht werden sollte....
Angenommen wurde ferner ein Gesetzentwurf über Versicherungsgrenzen und Rentenbemessung in der Unfallversicherung. Die Grenze für die Zwangs⸗ versicherung wurde auf 75 000 ℳ erhöht, und die Grenze für die Rentenbemessung auf 18 000 ℳ. Das Sterbegeld soll mindestens 500 ℳ betragen. Die vierteljährliche Auszahlung der Renten soll auf höhere Beträge ausgedehnt werden, der Rentenbetrag wird stets auf volle Mark abgerundet.
Auch der Entwurf eines Gesetzes, wonach die sogenannten Ordnungsstrafen in der Reichsver⸗ sicherungsordnung und im Versicherungsgesetz für Angestellte verzehnfacht werden, wurde an⸗ genommen.
Genehmigt wurde eine neue Verordnung über die Anlegung von Dampfkesseln.
Der neu gegründeten Deutschen Genossenschafts⸗ Hypothekenbank, A.⸗G., in Berlin wurde die Ge⸗ nehmigung zur Ausübung des Geschäftsbetriebes erteilt.
Dem „Frauenverein zur Förderung des häus⸗ lichen Glückes“ in Heythuysen (Holland) wurde die Rechts⸗ fähigkeit verliehen. Dieser holländische Verein hat im Hypothelen⸗ buch von München⸗Gladbach eine Hypothek eingetragen. gegen die ein anderer Gläubiger Widerspruch erhoben hat, weshalb er seine Rechtsfähigkeit in Deutschland nachsuchen mußte.
Die sechste Ergänzung des Beamtenbesoldungs⸗ gSsest wurde unverändert in der bereits von der Regierung
rekannt gegebenen Fassung genehmigt. Bayern wiederholte im Plenum seine in den Ausschüssen abgelehnten Anträge, die in ver⸗ “ Punkten die Beamten günstiger stellen wollten. Ein
ertreter der Reichsregierung ersuchte, alle diese Anträge abzu⸗ lehnen schon wegen der finanziellen Wirkungen. Die bayerischen Anträge fanden im Plenum keine Unterstützung; die Vorlage wurde unverändert mit Stimmenmehrheit angenommen.
Ueber einen Nachtrag zum Reichshaushaltsplan für 1922 machte der Ministerialdirektor Sachs als Bericht⸗ erstatter der Ausschüsse folgende Mitteilungen: Der Nachtrags etat enthälat im ordentlichen Haushalt der all⸗ gemeinen Reichsverwaltung Mehrausgaben in Höhe von 2,4 Milliarden Mark, davon 1,3 Milliarde an fortdauernden und 1,1 Milliarde an einmaligen Ausgaben. Diese Ausgaben sollen durch Mehreinnahmen aufgebracht werden, darunter solche von 1,5 Milliarde Mark an Ausfuhrabgaben. In den Mehr⸗ ausgaben einbegriffen sind 100 Millionen Mark für Wirtschafts⸗ beihilfen an Reichsbeamte. Nicht einbegriffen sind die Ausgaben für die neue Besoldungserhöhung, die für die allgemeine Reichs⸗ verwaltung auf 2,5 Milliarden Mark geschätzt und durch eine spätere Vorlage gefordert werden sollen. Die Reichsverwaltung ist der Ansicht, daß durch diese 2,5 Milliarden Mark eine Minde⸗ rung des “ von 16,5 Milliarden, den der ordentliche Haushalt der allgemeinen Reichsverwaltung aufweist, nicht ein⸗ treten wird, weil sie erwartet, daß das Aufkommen aus den neuen Steuern nach den Abänderungsbeschlüssen des Reichstags nicht! nur nicht hinter dem Anschlag zurückbleiben, sondern vielmehr sich so weit steigern wird, daß die Kosten der Besoldungserhöhung daraus noch mitbestritten werden können. Der außerordent⸗ liche Haushalt der allgemeinen Reichsverwal⸗ tung weist einen Mehrbedarf von 16,8 Milliarden Mark auf, darunter 10,2 Milliarden als Zuschuß aus allgemeinen Reichs⸗ mitteln für den Anleihebedarf der Eisenbahnverwaltung. Der ordentliche Haushalt der Postverwaltung weist einen Mehrbedarf von rund 4 Milliarden Mark auf, worin der Bedarf für die Besoldungserhöhung in Höhe von 2,8 Milliarden ins be gese ist. Die Mehrausgabe soll ausgeglichen werden teils durch Mehreinnahmen, teils durch Ersparnisse. Der ordentliche Etat der Reichsdruckerei bringt Mehrausgaben von 1053 Millionen Mark einschließlich der Ausgaben von 60 Millionen ür die Besoldungserhöhung. Die Mehrausgabe wird durch
ehreinnahmen ausgeglichen. Der ordentliche Etat derz Eisenbahnverwaltung erfordert 25 Milliarden Mark mehr einschließlich der Ausgaben für die Besoldungserhöhung. Der Mehrbedarf soll durch Mehreinnahmen gedeckt werden. Der außerordentliche Etat der . bringt einen Mehranleihebedarf von 10,2 Milliarden Mark, der durch Zuschuß aus allgemeinen Reichsmitteln gedeckt werden muß. Der Reparationsetat bringt im Extraordinarium einen 5 bedarf von 5 Milliarden Mark, so daß seine Gesamtausgabe von 187,5 auf 192,5 Milliarden Mark steigt. Der Fehlbetrag des Rechnungsjahres 1922 erhöht sich von 183,3 auf 198,5 Milliarden Mark. Von den Einzelheiten des vL ist u. a. zu er⸗ wähnen, daß im Etat des Reichsministeriums des Innern zur Gewährung von Beihilfen an die Stadtgemeinde Königsberg in Preußen für den Ausbau ihres Hafens sowie zur Gewährung eines hypothekarischen Darlehns an die Königsberger Speicher⸗A.⸗G. für die Errichtung von Hafenspeichern ein Betrag von 84 Millionen Mark und zur Abwehr der Seuchengefahr 8 dem Osten 20 Millionen ausgeworfen werden. Im Etat des Reichsarbeitsministeriums erscheinen für Vergütungen an die Postverwaltung für den Vertrieb von Versicherungsmorten und die ecbkefh von Renten Beträge von 25,1 und 90,6 Mil⸗ lionen Mark. Der Etat des Ministeriums für gs nährung und Landwirtschaft bringt eine Ausgabe bor 953,5 Millionen Mark als Schlußsumme zur Verbilligung 95 Auslandsgetreide für die Brotversorgung im Wirtschaftsjahre 8 n Im Etat des Reichsfinanzministeriums wer 5 9,5 Millionen Mark zum Aufbau eines Stockwerks auf die Dienste gebäude des Finanzministeriums am Wilhelmplatz gefordert. 3 außerordentlichen Haushalt der ne een⸗ Finanzverwaltung erscheinen der Zuschuß an die 7880 bahnverwaltung für deren Mehranleihebedarf von 10,2 Milliarden und der Mehrzuschuß an den Reparationsetat von 5 Milliardeg Mark. Der ordentliche Etat des Reichspostministe g a enthält Mehrausgaben von insgesamt 4 Milliarden Martz darenfür 2,8 Milliarden für Besoldungserhöhungen und 1,2 Milliarde w Betriebsausgaben. Der Mehrbedarf soll gedeckt werden 9 eine Mehreinnahme von 500 Millionen Mark an Post⸗ und Tels
alkgemeinen 82
2
engebühren, don 147 Millionen an Fernsprechgebühren, die ean erwartet werden, daß der Rückgang in der Fchl der Fern⸗ vrechanschlüsse am 1. Januar entgegen der Annahme nicht 5 vH, indern nur 1,5 vH betragen hat. Ferner werden eine Mehr⸗ innahme von 3 Milliarden aus weiteren Gebührenerhöhungen, ie im Laufe des Rechnungsjahres 1922 noch vorgenommen nerden sollen, und endlich Ersparnisse in Höhe von 500 Mil⸗ sonen kark durch weitere Betriebsvereinfachungen erwartet. ger ordentliche Etat der Eisenbahnverwaltung feingt. einschließlich der Besoldungserhöhungen einen Mehrbedarf un 25 Milliarden Mark. Einbegriffen sind hierin auch beträcht⸗ sche Mehrausgaben für Unterhaltung und Ergänzung der Aus⸗ lattungsgegenstände, Beschaffung der Betriebsstoffe, Unterhaltung und Ergänzung der baulichen Anlagen usw. Der Mehrbedarf soll in wesentlichen durch Mehreinnahmen aus dem Güterverkehr in öhe von 24,7 Milliarden aufgebracht werden. Die Tarife sollen jantlich zum 1. April wieder um 40 vH erhöht werden, woraus alein eine Mehreinnahme von 23 Milliarden veranschlagt wird. ger Anleihebedarf zur Erweiterung des Unternehmens erhöht sich 10,2 Milliarden. 20 Millionen Mark sind für den Neubau ines Geschäftsgebäudes für die Eisenbahndirektion in Oppeln be⸗ simmt. Der Zuschuß aus allgemeinen Reichsmitteln für den unßerordentlichen Etat der Eisenbahnen steigt von 6,7 unf 16,9 Milliarden Mark. Der Haushalt für Aus⸗ ührung des Friedensvertrages bringt eine Mehr⸗ dderung von 5 Milliarden Mark für die Begehung von Schatz⸗ inweisungen und Schuldverschreibungen für Zahlungen auf Grund her Entschädigungsgesetze vom 28. Juli 1921. Rechnerisch ergio kei Berücksichtigung des Ergänzungsetats für 1922 ein Gesamt⸗ sehlbetrag von 198,5 Milliarden. Dieser Betrag wird sich udessen noch steigern. Der Berichterstatter führte die neuen sorderungen der Reparationskommission an. Es zvandelt sich für 1922 insgesamt um 2170 Millionen Goldmark, die aus dem Haushalt für die Ausführung des Friedensvertrages be⸗ sritten werden müssen. In dicsen war für die sogenannten geparationsleistungen der Gegenwert von 3 Milliarden boldmark eingestellt worden. Durch das nunmehr be⸗ wiligte Moratorium verringern sich die “ auf 2170 Milliarden Goldmark. ie indessen von der Reparations⸗ vommission bemerkt wird, genügt der Umrechnungsfuß von 1:45, wonach die Forderung von 3 Milliarden Goldmark mit 835 Milliarden Papiermark in den Etat eingestellt worden war, nicht mehr. In Uebereinstimmung mit der in den Aus⸗ shüssen angestellten Berechnung hält vielmehr die Reparations⸗ vmmission einen Umrechnungsfuß von 1:70 für geboten, der dielleicht heute schon nicht mehr ausreicht. Danach würden 161,9 Milliarden Papiermark einzustellen sein. Das sogenannte Noratorium bringt also nicht nur keine Verringerung der bisher in den Etat eingestellten Ausgabe von 135 Milliarden Mark fir Reparationsleistungen, sondern deren Erhöhung um 169 Milliarden. Berücksichtigt man auch für andere Umrech⸗ ungen in demselben Etat den Umrechnungsfuß von 1:70 — hier oömmt besonders die Forderung von 18 Millionen für das Aus⸗ gleichsvverfahren in Betracht —, so erhöht sich die Ausgabe im Etat mindestens um weitere 10 Milliarden. Es würden also zu dem Gesamtausgabebetrage des Etats von 192,5 Milliarden weitere 8669 Milliarden hinzutreten, womit die Gesamtausgabe aumf 219,4 Milliarden Mark steigt. An Deckungsmitteln stehen demgegenüber 16,5 Milliarden als Ueberschuß des ordent⸗ ichen Haushalts der allgemeinen Reichsverwaltung zur Ver⸗ sügung. Die ursprüngliche Erwartung, das Erträgnis der bis in die Grenze des Erträglichen gehenden Steuerbelastung durch se neuen Steuervorlagen, das im Etat auf 40,9 Milliarden Mark deranschlagt ist, werde sich zur Abbürdung der Lasten aus dem zredensvertrag verwenden lassen, hat sich nicht erfüllt. Der üwenanteil an der Steuererhöhung wird durch die Ausgaben der ilgemeinen Reichsverwaltung aufgezehrt. Für Reparations⸗ isten bleiben nur 16,5 Milliarden Mark. Nach Abzug dieses Be⸗ inges würden 202,9 Milliarden Mark ungedeckt bleiben. Der gechstag will nun eine Zwangsanleihe von einer Milliarde soldmark beschließen, deren Ergebnis in Papiermark noch nicht steht. Bei einem Umrechnungsfuß von 1:70, wären Milliarden zu erwarten, so daß auch dann noch 132,9 Milliarden Nark für die Ausführung des Friedensvertrages ungedeckt bleiben würden. Die Zwangsanleihe, die einen neuen schwerwiegenden kingriff in das Wirtschaftsleben und eine Schmälerung der Er⸗ nige der Besitzsteuern für die kommende Zeit bedeutet, würde also nicht einmal für 1922 eine Gesundung unserer Finanzlage herbeiführen. Ihr Ertrag würde ins Bodenlose fallen. Wäre es möglich, wie anscheinend die Reparationskommission verlangt, für 1922 noch weitere Steuern im Betrage von 60 Milliarden Mark aus dem deutschen Volke herauszuholen — daß dies mög⸗ sich sein würde, wird in diesem Kreise kaum jemand glauben —, so würde auch das nicht ausreichen, um die Ausgaben, die der Fredensvertrag auferlegt, voll zu decken. Es würden immer noch 72,9 Milliarden Mark ungedeckt bleiben. Daß Unerfüll⸗ imes von uns verlangt wird, kann deutlicher nicht dargetan werden. der Reichstag ist dem Beschluß des Reichsrats betreffs Abbaues ee Schatzministeriums nicht beigetreten, und die Sache ist auf ein Fahr vertagt. Er hat sich aber entschlossen, nicht unbeträchtliche kinschränkungen der ausgebrachten Stellen vorzunehmen. Aller⸗ ings hat der Haushaltsausschuß gleichzeitig seine Bereitwilligkeit nerkennen gegeben, die Stellen in einem Nachtragsetat wiederher⸗ stellen, falls die Verwaltungen glaubten, ohne die gestrichenen Feellen nicht auskommen zu können. Insgesamt sind durch diese lbstriche 36 Millionen Mark Ersparnisse erzielt worden. Dafür ind aber an Mehrausgaben vom Haushaltsousschuß insgesamt Millionen Mark hinzugesetzt worden, so daß sich im ganzen eine Nehrausgabe und somit eine Verschlechterung des ordentlichen Etats un 20 Millionen Mark ergibt. Wenn in dieser Weise weiter gespart wird, so wird der für den Haushalt zur Ausführung des Friedens⸗ nertrages verfügbare Ueberschuß des Etats der allgemeinen Reichs⸗ vemwaltung möglicherweise noch eine Verringerung erleiden. Das Ergänzungs⸗Haushaltsgesetz enthält die Ermächtigung zur Steigerung * Anleihekredits um 15,2 Milliarden Mark und ferner die Er⸗ nichtigung des Finanzministers, für eine von der Ostpreußen⸗A.⸗G. mezugebende Obligationenanleihe in Gemeinschaft mit Preußen und eer Provinz Ostpreußen eine Garantie bis zur Höhe von 600 Mil⸗ sonen Mark zu übernehmen. Es handelt sich um Beschaffung der Mittel für Versorgung Ostpreußens mit elektrischer Energie. Die debernahme einer weiteren Garantie durch das Reich für andere hhere wie der Entwurf vorgeschlagen hatte, haben die Ausschüsse
gestrichen.
Nachdem das Plenum den Ergänzungsetat unverändert an⸗ senommen hatte, wurde ein Notetat angenommen, der für zwei Nonate die notwendigen Kreditermächtigungen für die Regierung gibt. . Angenommen wurde weiterhin der Entwurf einer Keichshaushaltsordnung (Komptabilitätsgeset).
se Kontrolle des Reichshaushalts erfolgte bisher durch die greußische Oberrechnungskammer, die zugleich als Rechnungshof des Deutschen Reiches tätig wurde und nach Maßgabe der für die Ober⸗ nchnungskammer geltenden preußischen Vorschristen arbeitete. Das edürfnis einer Kodifikation der ganzen Materie ist schon 888 leb⸗ üaft empfunden worden. Der Entwurf soll das bisherige Recht, wie t sich herausgebildet hat, zusammenfassen, aber auch fortbilden. Huptziele sind Durchführung von Sparsamkeit bei der Etatsauf⸗ felung, die Erreichung möglichster Durchsichtigkeit des Haushalts⸗ hlans, strenge Vorschriften über die Bewirtschaftung, sorgfältige und sene Buchführung, übersichtliche Rechnungslegung und weitgehende ontrolle durch den Rechnungshof, auch bei den wirtschaftlichen Be⸗ dieben, an denen das Reich beteiligt ist. Einen e bildet die Siellung des Reichsfinanzministers. Es lag nahe, gerade jetzt diesen git besonderen Vollmachten auszustatten und ihm ein gbsolutes Beto tei der Aufstellung des Etats zu gewähren. Davon sieht der Ent⸗ wuf aber ab; der Finanzminister soll lediglich ein aufschiebhares Veto söen. in der Weise, daf wenn das Kakinett gegen sein Votum ent⸗ sedet, er verlangen kann, daß dieser Beschluß in einer zweiten inettssitzung wiederholt wird. Er ist also lediglich gegen eine Zu⸗
machte noch keine bestimmten Vorschläge.
mütig der Auffassung,
fallsmehrbeit im Kabinett geschützt, aber dessen Mehrheitsbeschlüssen unterworfen. Bei der Durchführung des Etats steht ihm in einer Reihe von Fällen das Zustimmungs⸗ oder Genehmigungsrecht zu. Die Verbindung mit der preußischen Oberrechnungskammer ist gelöst, und es wird ein eigener Rechnungshof für das Deutsche Reich errichtet. Die Ausschüsse haben an der Vorlage eine ganze Anzahl wichtiger Aenderungen vorgenommen. Zunächst sind Vorschriften über die Behandlung von Ueberschüssen und Fehlbeträgen aufgenommen. Erstere sollen zur Minderung des Anleihebedarfs verwendet werden, während ein Fehlbedarf auf das übernächste Jahr als Ausgabe übertragen werden soll. Nach den Ausschußbeschlüssen soll der Rechnungshof nicht nur Formalien prüfen, sondern tunlichst mithelfen, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit in der Verwaltung zu erzielen. Deshalb wird er er⸗ mächtigt, auch zu prüfen, ob Einrichtungen unterhalten werden, die überflüssig sind, oder ob bei der Ausgestaltung von Einrichtungen ohne Gefahrdung des Verwaltungszweckes Ersparnisse hätten erzielt werden können. Weiterhin wirdgdie Befugnis des Rechnungshofes geregelt, den Behörden gegenüber sich mit Fragen und Anordnungen zur Geltung zu bringen. Die Bestimmungen der Vorlage, nach denen die Behörden des Reiches und der Länder dem Rechnungshof in allen Angelegenheiten untergeordnet sein sollten und er die Durchführung seiner Verfügungen nötigenfalls durch Strafandrohungen sichern könnte, ist von den va . abgeschwächt worden. Es wurde nur vorgeschrieben, daß die Behörden den Anordnungen des Rechnungs⸗ hofes zu folgen haben. Für die Reichsbehörden wurde an der Vorlage festgehalten, dagegen sollen die Staatsbehörden dem Rechnungshof nicht untergeordnet sein. Dem Rechnungshof soll hier keine unmittel⸗ hare Strafbefugnis zustehen, sondern auf sein Ersuchen durch die zu⸗ ständige Oberfinanzbehörde eine etwaige Strafe verhängt werden können. Damit der Bericht des Rechnungshofes nicht in den Akten verschwindet, schlagen die Ausschüsse vor, daß die Reichsregierung darüber zu beschließen hat, worauf dem Rechnungshof von dem Ausfall des Beschlusses Kenntnis zu geben ist. Schließlich nahmen die Aus⸗ schc se noch ein Verbot in dem Sinne an, daß Mitglieder des
echnungshofes nicht dem Reichstag angehören dürfen. — Die Aus⸗ schußbeschlüsge wurden vom Plenum gutgeheißen.
Zur Verteilung von 600. illionen Mark Entschädigung der Gemeinden für den durch den Vegfall der Besteuerung des Mindest⸗ einkommens erlittenen Ausfall beschloß der Reichsrat, die Bevölkerungszahl der Länder als Maßstab festzusetzen. Es handelt sich nur um die Oberverteilung an die Länder, die dann die Unterverteilung an die Gemeinden vornehmen. Ein Antrag Preußens, die Verteilung durch eine Kombination halb nach der Bevölkerung und halb nach der Fläche des Landes vorzunehmen, wurde, wie in den Ausschüssen, so auch im Plenum nach längerer Aussprache abgelehnt.
Ein Gesetzentwurf zur Anpassung des Straf⸗ gesetzbuches an die Verfassung sieht vor den Schutz des Reichspräsidenten, der an der Gesetzgebung beteiligten Körper⸗ schaften, des Reichsrats, des Reichswirtschaftsrats, der Reichs⸗ regierung und der Regierung der Länder, ferner den Schutz der Mitglieder der Regierungen von Reich und Ländern bei Vornahme von Regierungshandlungen sowie der Staatsform und der Farben von Reich und Ländern gegen Beschimpfung. Von der beantragten Immunität der Staatsratsmitglieder ist Abstand genommen worden, ebenso von der Ausdehnung des Schutzes auf die Staats⸗ präsidenten der Länder.
Der bayerische Gesandte Dr. von Preyer beantragte, den Schutz für den Reichspräsidenten auf die Präsidenten der Einzelländer auszudehnen. Ein Antrag Badens forderte Bestrafung für Wegnahme oder Zerstörung einer an öffentlichem Orte befindlichen Flagge des Reiches oder eines der Länder; ein Antrag Preußens verlangte Bestrafung für Wegnahme und Zerstörung jeder Fahne in den Farben des Reiches oder eines deutschen Laeildes nicht bloß der Flagge einer zur Flaggenführung befugten Person. — Der Ministerialdirektor Dr. Brecht bat, es bei der Vorlage der Reichsregierung zu belassen. Die deutsche Fahne müsse vor öffentlicher Beschimpfung geschützt werden. Es stehe jedem Deutschen frei, darüber, welche Farben er für das Deutsche Reich wünsche, seine Meinung zu haben und seine Meinung darüber zu äußern. Meinung in der Oeffentlichkeit zu werben und den Weg zu be⸗ schreiten, den die Reichsverfassung und das Gesetz über den Volks⸗ entscheid vorsieht, um eine Aenderung in seinem Sinne herbei⸗ zuführen. Die Reichsregierung könnte es nur begrüßen, wenn eine solche endgültige Entscheidung bald herbeigeführt würde. Es dürfe aber niemand gestattet sein, die gesetzmäßigen deut chen Farben, die sich Deutschland einmal gegeben hat, öffentlich zu beschimpfen. Dies dürfe einem Deutschen ebensowenig gestattet ein wie einem Ausländer. Keine Nation könne sich eine öffent⸗ shin Beschimpfung ihrer Farben in ihrem Lande gefallen lassen. Das verbiete die nationale Würde. Das sollten besonders die extremen Kreise einsehen, die sich besonders für nationale Würde einsetzten. — Unter Ablehnung der übrigen Anträge wurde die Vorlage mit dem Antrage Preußens angenommen.
Der estnische Geschäftsträger Menning ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der diplomatischen Ver⸗ tretung wieder übernommen. 8
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Am Dienstag und Mittwoch traten im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Vertreter der Länder, darunter eine größere Anzahl von Ernährungs⸗ und Landwirt⸗ schaftsministern, unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Dr. Hu ber zu einer Beratung zusammen. Gegenstand der Be⸗ ratung war die Getreidebewirtschaftung und die Kartoffelversorgung im nächsten Wirtschaftsjahre. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, war die Versammlung bei der Besprechung der Getreidewirtschaft mit Ausnahme des Vertreters eines Landes, welches die Stellungnahme sich vorbehielt, der Auffassung, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt dem Endziel, der freien Wirtschaft, noch nicht zugesteuert werden könne, daß vielmehr der Abbau den Zeitverhältnissen Rechnung tragen müsse, und daß diese eine völlige Freigabe des Getreides für das nächste Wirtschafts⸗ jahr noch nicht gestatten. Demgemäß sprach sich die Ver⸗ säneeten für eine Umlage auch im nächsten Wirtschafts⸗ jahre aus. In einer binnen kurzem einzuberufenden Referentenbesprechung soll mit den Ländern an der Hand ihnen vorzulegenden Materials eine Erörterung über die Grundzüge einer entsprechenden Gesetzesvorlage statt⸗ finden. Bei Beratung über die Kartoffelversor⸗
ung wurden die Mängel der diesjährigen Ver⸗ orgung dargelegt und allseitig anerkannt, jedoch wurde auch auf die Schwierigkeiten einer Wiedereinführung der Zwangs⸗ wirtschaft und auch der Einführung einer Kartoffelzulage nach⸗ drücklich hingewiesen, insbesondere auch auf das Risiko und die Schwierigkeiten, die den Gemeinden erwachsen. Die Konferenz Vorf Ihre Stellung⸗ nahme kommt zum Ausdruck in einer Resolution, auf die
sich alle Vertreter einigten, und die besagt, daß das Reichs⸗ ministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen Weg
suchen und Vorschläge machen möge für eine bessere Ver⸗ Das Material für solche Vorschläge soll den
Ländern baldigst zugeleitet werden. Die Resolution hat
folgenden Wortlaut:
Die Vertreter der Regierungen der deutschen Länder sind ein⸗
daß die von der deutschen Landwirtschaft im
Jahre 1921 der Bevölkerung in Aussicht gestellte ausreichende Ver⸗
sorgung mit Kartoffeln zu angemessenen Preisen nicht erreicht worden
Es stehe ihm frei, für diese seine
ist, und daber ein Weg gefunden werden muß, für das Wirtschafts⸗ jahr 1922 eine Verbesserung der Versorgung der Richtselbsterzeuger sicherzustellen. Das Reichsernährungsministerium wird ersucht, geeignete Vorschläge zu machen und das diese Vorschläge begründende Material in allernächster Zeit den Ländern zugehen zu lassen. In einer noch im April stattfindenden Besprechung der Vertreter der Länder wird endgültig zu dieser Frage Stellung zu nehmen sein.
Nach dem Kolonialentschädigungsgesetz vom 28. Juli 1921 müssen Anmeldungen von Kolonialschäden auf Zu⸗ schläge für Hausrat und Bekleidungsstücke, Wiederherstellungs⸗ kosten usw. auf vorgeschriebenem Formular bis zum 30. Juni 1922 neu an den Reichsverband der Kolonial⸗ deutschen und Kolonialinteressenten e. V., Berlin⸗Lichterfelde 3 (Willdenowstraße 2), eingereicht werden. Dieser gibt sie nach “ an die zuständige Spruchkammer weiter. Die Formulare übersendet auf Antrag der vorgenannte Verband. In den neuen Anträgen kann auf die früheren Eingaben an die Spruchkommission (Vorentschädigungsverfahren) Bezug ge⸗ nommen werden. 8 h“
Vom 11. März 1922 bis 20 März 20. März
1922 1922
Tausend Mark
Einnahme. Allgemeine Finanzverwaltung:
Steuern, Zölle. Abgaben, Gebühren (darunter Reichsnotopfeyy Schwebende Schulld “ I “
Summe der Einnahme.
Ausgabe.
Allgemeine Verwaltungsausgaben unter
Gegenrechnung der Einnahmen..
Schwebende Schullld ..
Finsen für die schwebende Schuld insen für die fundierte Schuld
Vom 1. April 1921 bis
¹) 76 243 835 — (8 171 594) 2 761 825 98 853 948 3 682 121 152
5 367 375 175 218 935
2 601 868
6 035 898 143 919 777
521 300 229 267
6 786 465
2 2„ 0
19 708 728 163 628 505
0 20
Betriebsverwaltungen. Reichs⸗Post⸗ und ⸗Telegraphenverwaltung: 1 Deutsche Reichsbahn: 8
Ablieferung. . . 636 166 mithin Ablieferung. 1 418 924
Summe der Ausgabe. 5 367 541
Die schwebende Schuld betrug an dis⸗
kontierten Schatzanweisungen am 10. März 1922 262 421 310
Es traten hinzu Es gingen ab
Zuschuß: 11 590 345
175 218 850
„ 5 0 2
. 47 059 013 444 297 188
mithin zu J) 2 761 825 ergibt. 265 183 135
¹) Das tatsächliche Steuern⸗ usw. Aufkommen bis einschl. Januar 1922; von da ab das Aufkommen nach Abzug der von den Oberfinanz⸗ und Finanzkassen geleisteten Ausgaben.
2) Das Anwachsen der schwebenden Schuld ist verursacht durch Devisenbeschaffungen, Lieferungen und sonstigen Ausgaben für Repa⸗ rationszwecke.
Großbritannien und Irland. Nach einer Reutermeldung werden die Alliierten mit Bezug auf die Note der Vereinigten Staaten, in der sie Bezahlung für die Aufwendungen für ihre Besatzungstruppen am Rhein fordern, in der Weise verfahren, daß die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und Italiens nach erfolgter Be⸗ ratung untereinander eine gemeinsame Antwort f das amerikanische Ersuchen absenden werden.
Frankreich.
Gestern vormittag hat unter dem Vorsitz des Präsidenten
Millerand der Oberste Kriegsrat getagt. Die Minister Poincaré, Lord Curzon und Schanzer haben zusammen mit ihren Beratern gestern am Quai d'Orsay eine zweite Sitzung abgehalten, über die der Presse folgender Bericht übergeben wurde:
Die drei Minister des Aeußern haben einen großen Teil der heutigen Nachmittagssitzung dem Studium der Frage des Schutzes der Minderheiten sowohl in Asien wie in Europa ge⸗ widmet. Ueber die gesamten Fragen wurde eine Einigung erzielt, die in die den Türken und den Griechen später vorzuschlagende Regelung aufgenommen werden soll. Der Völkerbund, in den die Türken ersuchen werden, nach An⸗ nahme der Friedensbedingungen aufgenommen zu werden, wird aufgefordert werden, bei der Anwendung der oben erwähnten Maß⸗ nahmen mitzuarbeiten. Die interalliierte Militärkommission hat den drei Ministern ihre Vorschläge bezüglich der RKäumung von Klein⸗ asien unterbreitet, die sie gebilligt haben. Die drei Minister haben alsdann die Prüfung der armenischen Frage begonnen, deren Studium in den nächsten Sitzungen fortgesetzt werden wird.
— Der unter dem Vorsitz des früheren Ministerpräsidenten Leygues tagende Ausschuß der Kammer für aus⸗ wärtige Angelegenheiten hat vorgestern den endgültigen Bericht des Abgeordneten Margaine über das Donaustatut und den internationalen Charakter der Donau genehmigt. Sodann nahm er die Erklärungen Franklin Bouillons über das Abkommen von Angora entgegen. Bouillon schilderte die Umstände, unter denen er die Ratifikation des Abkommens herbeigeführt habe, das nach ihm in seinen Haupt⸗ linien nur eine Erneuerung der in London zwischen der französischen Regierung und Bekir Sami Bei getroffenen Ab⸗ machungen darstellt. Er gab ferner den Inhalt des Freund⸗ schaftsvertrags zwischen der Regierung von Angora und den Sowjets bekannt und machte Angaben zur Petroleumfrage.
Schweiz.
In der gestrigen öffentlichen Sitzung der deutsch⸗ olnischen Konferenz stellte der Präsident Calonder in einer Eröffnungsrede fest, daß er seine Hoffnung auf eine Vermittlung noch nicht aufgegeben habe und teilte mit, daß in den meisten anderen Fragen eine Einigung erzielt worden sei, was hoffentlich nicht ohne Einfluß auf die deutsch⸗polnischen Beziehungen und den allgemeinen Frieden der Welt blerhen werde. Darauf gab der deutsche Bevollmächtigte Reichsmin ster a. D. Schiffer in längerer Rede eine eingehende Dar⸗ stellung des Liquidationsproblems, das er als eine ausschließliche Rechtsfrage charakterisierte. 8 —
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