1922 / 75 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Mar 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Festsetzung der Hunderksätze. § 11.

Die oberste Landesbehörde kann die in den §8§½ 2, 3, 7, 10 be⸗ zeichneten Hundertsätze für das Land oder für bestimmte Gemeinden oder Gemeindeteile selbst festjehen oder die Festsetzung der Gemeindebehörde übertragen. Vor der Festsetzung der Hundert⸗ säge sind Vermieter⸗ und Mietervertreter zu hören; sind örtliche

ermieter⸗ oder Mieterorganisationen vorhanden, so sind die von diesen benannten Vertreter zu hören. Eine Aenderung der Hundert⸗ sätze ist zulässig; ist die Festsetzung durch die Gemeindebehörde erfolgt, so kann auch die oberste Landesbehörde die Sätze ändern. Die Aenderung wirkt von dem auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe folgenden nächsten Monatsersten oder von dem bei der Bekannt⸗ gabe späteren Zeitpunkt. Das Nähere über das Ver⸗ estimmt die oberste Landesbehörde.

Sammelheizung, Warmwasserversorgung und Nebenleistungen.

§ 12.

Die Kosten der Heizstoffe für Sammelheizung und Warm⸗ b sowie für andere von der obersten Landes⸗ behörde nach § 2 Abs. 1 Satz 3 bestimmte Nebenleistungen sind getrennt von der gesetzlichen Miete zu berechnen. Soweit der⸗ artige Nebenleistungen (z. B. Glasversicherunc) nur bei einzelnen Mietern entstehen, haben nur diese Mieter sie zu tragen.

Die oberste Landesbehörde bestimmt, wie die Kosten der Heiz⸗ stoffe für Sammelheizung und Warmwasserversorgung und die nach § 2 Abs. 1 Satz 3 bestimmten sonstigen Nebenleistungen auf die Mieter umzulegen sind. Sie kann anordnen, daß der Ver⸗ mieter verpflichtet ist, dem Mieter Auskunft über die Höhe der Kosten der Heizitoffe oder der Rebenleistungen zu geben und die erforderlichen Belege vorzulegen. 8

§ 13. 1

Das Mieteinigungsamt kann, gleichviel ob ein Mietzins vereinbart oder die gesepliche Miete zu zahlen ist, auf Antrag eines Vertragsteils anordnen, daß der Vermieter berechtigt oder verpflichtet ist, die Sammelheizung oder Warmwasserversorgung in gewissen Fällen ganz oder teilweise einzustellen.

Ist eine solche Anordnung getroffen, so tritt eine entsprechende Minderung der für die Heisstoffe für Sammelheizung oder Warm⸗ wasserversorgung zu leistenden Vergütung ein.

Untermiete. Ist ein Mietraum weitervermietet, entrichtende Mietzins unter Berücksichtigung etwaiger Neben⸗ leistungen, wie Ueberlassung von Einrichtungsgegenständen und Leistung von Diensten, in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf den Raum entfallenden Teile des Hauptmietzinses stehen. Die oberste Landesbehörde hat nähere Bestimmungen über die der Untermiete zu treffen. § 1 gilt entsprechend.

Abs. I gilt auch wenn ein Hauseigentümer oder jemand, der ein Grundstück auf Grund eines Erbbaurechts, e, geg. oder eines 9— . inne hat, einen Teil des von ihm selbst im Hause benutzten Raumes vermietet. b

Entscheidungen des Mieteinigungsamts.

v muß der hierfür 3

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ungsamte ge⸗ stimmungen

§ 15. Die auf Grund dieses Gesetzes vom Mieteini troffenen Entscheidungen gelten als vereinbarte des Mietvertrags.

Ausnahmebestimmungen.

§ 16. Die dieses Gesetzes finden auf Neubauten oder durch Um⸗ oder Einbauten neugeschaffene Räume, wenn sie nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden fen oder inet bezugs⸗ fertig werden, leine Anwendung. Das gleiche gilt für Räume in Gebäuden, die im üeenge des Reichs, eines Landes oder einer sonstigen Körperschuft des öffentlichen Rechtes stehen und entweder 8 sencfhen Zwecken oder zur Unterbringung von Angehörigen der Verwaltung des Reichs, des Landes oder der Körperschaft dienen oder diesen Zwecken, falls die Gebäude bereits vor dem 1. Oktober 1918 im Eigentume der genannten Körperschaften standen, zu dienen bestimmt sind. Die Vorschriften des Gesetzes finden ferner eine Anwendung auf die Abgabe von Räumen solcher Gesell⸗ chaften und Genossenschaften, deren Zweck ausschließlich darauf gerichtet ist, minderbemittelten Familien oder Personen gesunde und eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten und angekauften Ahern zu billigen Preisen 9 verschaffen, und bei denen die unter Ziffer 1 des Abschnitts „Befreiungen“ der Nr. 1 des Tarifs zum Reichsstempelgesetze vom 3. Juli 1913 (RGBl. S. 689) in der Fassung des Gesetzes zur Aenderung des Reichs⸗ 1 esetzes vom 26. Juli 1918 (RGBl. S. 799) aufgeführten oraussetzungen vorliegen; soweit derartige Geseuschfgten und Genossenschaften einem Revisionsverbande nicht angehören, ent⸗ cheidet die oberste Landesbehörde, ob die in dem ersten Halbsatz eenannten Voraussetzungen zutreffen.

„Auf Neubauten, die mit Zuschüssen aus den für die Wieder⸗ herstellung der während des Krieges zerstörten Gebiete bereit⸗ estellten Mitteln errichtet sind, finden die Vorschriften dieses Ge⸗ etzes Anwendung.

Mietervertretung.

§ 17.

Die Mieter eines Hauses sind berechtigt, einen oder mehrere von ihnen mit ihrer Vertretung in Mietangelegenheiten zu be⸗ auftragen (Mietervertretung, Vertrauensmann der ieter, Mieterausschuß).

Die Mietervertretung soll das Einvernehmen zwischen den Mietern und dem Vermieter fördern. Jeder Beteiligte soll sich in Streitfällen, insbesondere vor Anrufung des Mieteinigungsamts, zunächst an die Mietervertretung, soweit eine solche vorhanden, wenden; diese soll den Sachverhalt nach Möglichkeit klären und eine gütliche Einigung herbeizuführen suchen. Die Mieterver⸗ ee. ist ferner befugt, die nach § 6 Fülassigen Anträge neben dem Mieter oder an seiner Stelle zu stellen. In den Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 4 9 vor der Entscheidung über einen Antrag des Vermieters die Mietervertretung gehört wrden. Im Falle des § 7 Abs. 3 kann die oberste Landesbehörde bestimmen, daß die Mietervertretung die Auszahlung von Mitteln beantragen kann. Für Mieträume mit Sammelheizung und Warmwasser⸗ versorgung kann von der obersten desbehörde bestimmt werden, daß der Vermieter die Kosten der Heizstoffe einer zu diesem Zwecke nach näherer Anordnung der obersten Landes⸗ behörde zu bildenden Mietervertretung nachzuweisen hat und daß dieser ein Mitwirkungs⸗ und Aufsichtsrecht bei Beschaffung, Lage⸗ rung und Verwendung der Heizstoffe zusteht.

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben hat die Mieterver⸗ tretung dahin zu wirken, daß die Vertragsteile Forderungen und Maßnahmen unterlassen, welche die gemeinsamen Interessen der

Vertragsteile oder das Gemeininteresse schädige Mietenverzeichnis. 1X“ 5 18. u“

Die oberste Landesbehörde kann allgemein oder für bestimmte Gemeinden anordnen, daß der Vermieter der Gemeindebehörde binnen einer bestimmten Frist anzuzeigen hat, was ihm über die Höhe der das Haus betreffenden Friedensmieten 2 Abs. 1 Satz 1) bekannt ist. In den Fällen des § 2 Abs. 3, 4 und 5 hat das Mieteinigungsamt die von im sestgestellte oder festgesetzte Friedens⸗ miete der Gemeindebehörde mitzuteilen.

Die Gemeindebehörden haben die Anzeigen zu sammeln und nach näherer Bestimmung der obersten Landesbehörde auf⸗ zubewahren. Die oberste Landesbehörde bestimmt auch die Form

n Inhalt der von dem Vermieter zu ersta Anzeige.

Schlußbestimmungen. 11.

der einem Herssn bei Ausübung der Rechte besondere Nach⸗ teile erwachsen sollen, ist unwirksam.

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch auf Verträge An⸗ wendung, die unter Umgehung oder zum Zwecke der Umgehung des Gesetzes abgeschlossen Fnd⸗

Tritt die gesetzliche Miete 12 die Stelle des vereinbarten Miet⸗ zinses, so richtet sich die Verpflichtung zur Tragung der Betriebs⸗ sosten und zur Instandhaltung des Mietraums nach den Vor⸗ schriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs; außerdem erlischt jede vom Vermieter oder Mieter übernommene, ihm nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Mietvertrag nicht ob⸗ liegende -. sofern ss auf die Festsetzung der Höhe des Mietzinses of enbar von Einfluß war. Im übrigen bleiben die auf Feses oder Vertrag beruhenden Rechte und Pflichten der Vertragsteile unberührt. rhr

Die Reichsregierung kann mit Zustimmung des Reichsvats Vorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes erlassen. Soweit sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch macht, kann die oberste Landesbehörde die Ausführungsvorschriften erlassen.

Die oberste Landesbehörde kann die in diesem Gesetz ihr selbst oder der Gemeindebehörde zugewiesenen Befugnisse allgemein oder in bestimmten Fällen anderen Stellen übertragen. Sie kann an⸗ ordnen, daß die Berechnung der gesetzlichen Zuschläge in bestimmten Gemeinden oder Gemeindeteilen nach anderen Grundsäten er⸗ olgen soll, als im Gesetze vorgesehen ist, insbesondere, daß die Zu⸗ chläge für einzelne Mieträume besonders zu berechnen sind. Sie kann nach Anhörung des Reichsarbeitsministers weiter anordnen, daß bestimmte Gemeinden oder Gemeindeteile oder bestimmte Arten von Mieträumen von den Bestimmungen dieses Gesetes auszunehmen sind; sie kann nach Anhörung des Reichsarbeits⸗ ministers ferner anordnen, daß für das Land oder 885 bestimmte Gemeinden oder Gemeindeteile die gesetzliche Miete für alle Miet⸗ verhältnisse gelten soll.

§ 23.

Ein Vermieter, der eine ihm nach § 1 Abs. 4 oder § 18 ob⸗ legende Anzeige vorsätzlich nicht oder nicht rechtzeitig erstattet oder wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit Geldstrafe bis zu hunderttausend Mark oder mit Haft bestraft.

§ 24.

Dieses Gesetz tritt zu dem don der obersten Landesbehörde be⸗ Tage, spätestens am 1. Juli 1922 in Kraft; gleichzeitig tritt die Verordnung über Sammelheizung und Warmwasserver⸗ sorgungsanlagen in Mieträumen vom 22. Juni 1919 (NBl. S. 808 9. Oktober 1920 (ℳGBl. S. 1846) außer Kraft. Ein auf

vereinbart. 8 Das Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1926 außer Kraft. G

Berlin, den 24. März 1922.

C’“ Reichspräsident. Ebert.

Der Reichsarbeitsminister. Dr. Brauns.

Der Reichsminister der Justiz. vIII—I1“”“

Gese

über Aünbtg-gg2b;crantungenzugnaßen Schwerbeschädigter.

Vom 24. März 1922. (Veröffentlicht in der am 28. März ausgegebenen Nr. 23

des RGBl. S. 279.)

Der hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:

1.

Die in § 18 Abs. 1 des Gesetzes über die Beschäftigung Schwer⸗ beschädigter vom 6. April 1920 (RGBl. S. 458) bestimmte Frist, innerhalb deren eine Kündigung nach § 12 Abs. 1 dieses Gesetzes einem Schwerbeschädigten gegenüber erst wirksam wird, wenn die Hauptfürsorgestelle zugestimmt hat, wird bis zum 1. Oktober 1922 verläͤngert. Bis zum gleichen Zeitpunkt bleibt die mit Zustimmung des Reichsrats und eines aus Mitgliedern bestehenden Aus⸗ schusses des Reichstags erlassene Verordnung des Reichsarbeits⸗ ministers über die Verlängerung der Kündigungsbeschränkung zu⸗ Fesie Schwerbeschädigter vom 28. April 1921 (RGBl. S. 494) in tung.

2. Dieses Gesetz tritt am 1. gen 1922 in Kraft. Berlin, den 24. März 1922.

Der Reichspräsident. Ebert.

Der Reichsarbeitsminister. Dr. Brauns.

-⸗—

Verordnung über künstliche Düngemittel. Vom 28. März 1922.

Auf Grund der Verordnung über Kriegsmaßnahmen zur Sicherung der Volksernährung vom 22. Mai 1916 (RGBl. S. 401)/18. August 1917 (RGBl. S. 823) und des § 10 der Verordnung über künstliche Düngemittel vom 3. August 1918 (RCBl. S. 999) wird verordnet:

Artikel I. Abs. E der der Verordnung über künstliche Düngemittel vom 3. August 1918 (-RGBl. S. 999) anliegenden „Liste der Düngemittel und Preise“ in der Fassung der Verordnung vom 3 Januar 1922 (R7GBl. I. S. 26) wird wie folgt geändert? 1. Abf. 1 erhält folgende Fassung:; 8 „Die Preise betragen für 1 Kilogrammprozent Gesamt⸗ phosphorsäure 1286 Pfennig, für 1 Kilogrammprozent zitronen⸗ säurelösliche Phosphorsäure 1516 Pfennig. Neben den vor⸗ lehend genannten Preisen kommen die besonderen auf Grund es § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Errichtung ner Preisausgleichsstelle für Thomasmehl vom 9. März 1922 RGBl. L S. 237) festgesetzten Umlagebeträge zur Hebung.“ 2. In Abs. 3 Satz 2 werden die Worte „6 Mark“ durch die Worte „S Mark'’ ersetzt. Artikel II. Diese Verordnung tritt mit Wirku in Kraft. Berlin, den 28. März 1922. Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.

.April 1922 ab

J. B.: Dr. Heinrici. Verordnung über die Umlage für Thomasmehl. 1 Vom 28. März 1922. Auf Grund des § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über

die Errichtung einer Preisausgleichsstelle für Thomasmehl vom 9. März 1922 (RSBl. I S. 237) werden mit Wirkung vom

1 die nach diesem Gesetze den Vertragsteilen zustehenden Rechte kann nicht verzichtet werden. Eine Vereinbarung, nach

1. April 1922 ab bis auf weiteres folgende Umlagebeträge

Grund der bisherigen Vorschriften festgesetzter Mietzins gilt als

zu streichen;

1. für 1 Kilogrammprozent Gesamkphosphorsäure (P,0,) im homasmehl . . . . . . . . . . . . 134 Psennig 2. für 1 Kilogrammprozent zitronensäurelösliche Phosphorsäure (aOs) im Thomasmehll 134 Pfennig. Berlin, den 28. März 1922. Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.

Bekanntmachung,

betreffend Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

Der Bayerischen Hypotheken⸗ und Wechselbank in München wurde die Genehmigung erteilt, innerhalb der gesetzlichen und satzungsmäßigen Umlaufsgrenze nachstehende, auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen in den Ver⸗ kehr zu bringen: 1

35 Millionen Mark 4 %ige unverlosbare, seitens der Bank vierteljährig kündbare, jedoch in den ersten zehn Jahren vom Ausstellungstage an seitens der Bank nicht rückzahlbare Frpothelenpfanbbriese, nämlich:

1000 St. Lit. NN zu se 10000 Nr. 5001 —- 6000 = 10000000 ℳ, 2000 St. Lit. G0 zu je 5000 Nr. 21001 23000 = 10 000 000 ℳ, 5000 St. Lit. HI zu sje 2000 Nr 86001— 91000 = 10000000 ℳ, 5000 St. Lit. JI zu je 1000. Nr. 172001 177000 = 5000000 ℳ, 13000 Stücke zusammen 35 000 000 . München, den 24. März 1922.

Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe. J. A.: Lindner.

Die von bn 8 zur gelangende Nummer 23 des Reichsgesetzblatts enthält unter 8

Nr. 8897 8 Reichsmietengesetz, vom 24. März 1922, unter 1

Nr. 8558 das Gesetz über Kündigungsbeschränkung zu⸗ gunsten Schwerbeschädigter, vom 24. März 1922, unter

Nr. 8559 das Gesetz über ö der Geltungs⸗ dauer des Wohnungsmangelgesetzes und der Sammelheizungs⸗ verordnung, vom 20. März 1922, unter

Nr. 8560 eine Verordnung zur Ahänderung der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge, vom 21. März 1922, und unter

Nr. 8561 eine Bekanntmachung, betressend Aufhebung der Benzolbewirtschaftung, vom 21. März 1922.

Berlin W., den 28. März 1922.

Postzeitungsamt. Krüer.

Preußen.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Der Volksschullehrer Witschel ist zum Baugewerkschul⸗ zehrer an der swallichen Baugewerkschule in Görlitz ernannt

Dem Rheinisch⸗Westfälischen Elektri itätswerk, Aktien⸗Gesellschaft, in Essen wird hierdurch auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221) das Recht verliehen, das zum Bau von Starkstromleitungsanlagen

Köln⸗Land, Bonn⸗Land und Rheinbach des Regierungsbezirks Köln und im Kreise Ahrweiler des Regierungsbezirks Koblenz erforderliche Grundeigentum im Wege der Enteignung zu erwerben oder, soweit dies ausreicht, mit einer dauernden Be⸗ schränkung zu belasten. Auf staatliche Grundstücke und staatliche Rechte an fremden Grundstücken findet dieses Recht keine Anwendung.

Gleichzeitig wird auf Grund des § 1 der Verordnung, be⸗ treffend ein vereinfachtes Enteignungsverfahren, vom 11. September 1914 (Gesetzsamml. S. 159) in der Fassung der Bekanntmachung, betreffend Neuveröffentlichung der Verordnung über ein vereinfachtes Enteignungsverfahren, vom 31. August 1921 (Gesetzsamml. S. 513) bestimmt, daß die Vorschrift dieser Verordnung bei der Ausübung des vorstehend verliehenen Enteignungsrechts Anwendung zu finden hat.

Berlin, den 22. März 1922. Im Namen des Preußischen Staatsministeriums: Der Minister 18 andel und Gewerbe J. A.: Haaselau.

Preußische Staatsbank (Seehandlung). Bekanntmachung.

Die im voraus zu entrichtende Miete für die Ueber⸗ lassung verschließbarer .-N, in unserem Kassengewölbe beträgt vom 1. April d. J. ab:

Breite Tiefe 1 Jahr

45 cm 40 1I1I1“ e. 45 60 . L 80 . 45 150 e

ier Fächer gleicher Größe an denselben

ieee

1 Jahrst Jabr 20 12 25 15 30 18 40 25 75

27 ecm

40

Bei Ueberlassung Mieter auf ein ganzes

5 Bohr beträgt die Jahresmiete das I üfache der Miete eines Faches.

89

Berlin, den 29. März 1922. Preußische Staatsbank (Seehandlung). 3 Kißler. Rühe.

Berichtigung.

In der Bekanntmachung, betreffend den Erlaß einer Gebührenordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 15. März 1922 (Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 66 vom 18. März 1922) ist 8

1. beim Abschnitt 11 A Nr. 1e zweite Zeile das Wort „öffent⸗

liche“, 3 3 2. unter der Neberschrift „B. besondere ärztliche Verrichtungen der Buchstabe A vor „Allgemeines“

3. in Nr. 95 d zweite Zeile anstatt „fünfmal“ „dreimal“ und

vierte Zeile anstatt „die Hälfte“ Zwei Drittel’“, 4. in Nr. 102 dritte Zeile anstatt „die Hälfte „zwei Drittel zu setzen. Berlin, den 25. März 1922. Der Minister für Volkswohlfahrt. J. V.: Scheidt.

vom Goldenbergwerk bei Brühl nach Sinzig in den Kreisen;

Ministerium für Wi und 87 ebenschaft,

Die Wahl des Studienrats Schulze an der Siemens⸗ Oberrealschule zum Oberstudiendirektor der Leibniz⸗Oberreal⸗ schule in Charlottenburg ist bestätzgt worden.

Die Wahl des Stuͤdienrats Dr. Wolff an der städtischen Kaiserin⸗Auguste⸗Viktoria⸗Schule in Bielefeld zum Ober⸗ ttudienrat an dieser Anstalt und die Wahl der Studienrätin Lange an der städtischen Cecilienschule in Bielefeld zur 1wa.s tat an der zuletzt genannten Anstalt ist bestätigt worden.

dung.

Bekanntmachung.

Dasß gegen den Bäckermeister Werner Kumerow in Berlin⸗Schöneberg, Motztraße 70, durch Beschluß des Wuchergerichts des Landgerichts I1 vom 8. Mai 1920 II. W. J. 1054 /20. ergangene vorläufige Handelsverbol

mit Lebensmitteln ist durch Urteil desselben Gerichts vom 13. Februar 1922 aufgehoben. Berlin, den 16. März 1922.

Der Oberstaatsanwalt II. Eichler, Justizobersekretär.

Bekanntmachung.

Den Kaufmann Heinrich Köppen, ier, Relling⸗ kanser Straße 103 habe ich zum Handelmit .Farene. wieder zugelassen.

Essen, den 21. März 1922. Stüͤdt. Polizeiverwaltung. J. V.: Dr. Richter.

Bekanntmachnns. b e Nr. 104, „geb. Stephan, ist die

Der Inhaberin der Schankwirtschaft Tauentziensir Frau Margarete Ermrich Abgabe von Speisen und Getränfen jeder Art wegen Unzuverläfsigkeit untersagt und die Schließung des Jetriebes angeordnet worden. 8

Breslan, den 23. März 1922. Der Polizeipräsident. J. V.: Dr. Simon.

Bekanntmachnne.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzfamml. S. 357) sind bekanntgemacht:

1. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 27. Januar 1922, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an den Kreis Sulingen für den Ausbau der elektrischen Hochspannungsleitung und der anschließenden Niederspannungsnetze, durch das Amteblatt der Regierung in Hannover Nr. 8 S. 35, ausgegeben am 25. Februar 1922;

2. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 10. Februar 1922 betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadt Waldenburg (Schlesien) für die Herstellung eines Reservepumpwerks, durch das Amfsblatt der Regierung in Liegnitz Nr. 9 S. 45, aus⸗ zegeben am 4 März 1922:

3. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 11. Fe⸗ vuar 1922, betreffend die Genehmigung der vom Verwaltungsrat der Westvreußischen Landschaft und der Neuen Westpreußischen Landschaft

am 24. Janmtlar 1922 beschlossenen Aenderungen a) des Reglements der Westpreußischen Landschaft vom 25. Juni 1851, b) des Statuts der Neuen Westpreußischen Landschaft,

zurch das Amtsblatt der Regierung in Marienwerder Nr. 9 S. 41,

gegeben am 4. März 1922: 4. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 15. Fe⸗ ruar 1922, betreffend die Verleibung des Enteignungsrechts an den

samtschulverband Gebau im Kreise Eschwege für den Bau einer nenen Volksschule in Gehan, durch das Amtsblatt der Regierung in gassel Nr. 9 S. 60 ausgegeben am 4. März 1922;

5. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 22. Fe⸗ bruar 1922, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtoemeinde Lapenburg i P. für die Regulierung des Lebaflusses,

ch das Amtsblatt der Regierung in Köslin Nr. 11 S. 66, aus⸗ eben am 18. März 1922; 3

6. der Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 28. Fe⸗ bruar 1922 betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Döllinger Berabaugesellschaft m. b H. in Elsterwerda für die Fort⸗ tung des Bergwerksbetriebs ihres Braunkohlenbergwerks Ada bei Döllingen im Kreise Liebenwerda, durch das Amtsblatt der Regierung in Merseburg Nr. 11 S. 65, ausgegeben am 18. März 1922.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 11 der Nreußischen Gesetzsammlung enthält unter 3

Nr. 12242 das Gesetz, betreffend Aenderung der Schieds⸗ mannsordnung vom 29. März 1879 (Gesetzsamml. S. 321), vom 12. März 1922, unter b

Nr. 12243 das Gesetz über die Gewährung von Wirt⸗ schaftsbeihilfen an unmittelbare Staatsbeamte und Lehrpersonen vom 18. März 1922, unter

Nr. 12244, das Gesetz, betreffend die Neuwahl der Be⸗ zirksausschüsse in Breslau und Liegnitz, vom 22. März 1922, unter Nr. 12245 das Gesetz, betreffend die Einverleibung der Landgemeinde Worringen in die Stadtgemeinde Köln und Regulierung der zukünftigen Grenze zwischen dem Stadtkreise Köln und dem Landkreise Neuß, vom 22. März 1922, unter

Nr. 12 246 eine Nerordnung, betreffend die Abänderung der Verordnung vom 28. April 1920 über die Bildung von Betriebsvertretungen nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 (R. G. Bl. S. 147) im Bereiche der Wasserbauverwaltung, vom 927. Januar 1922 und unter

Nr. 12 247 eine Verordnung wegen Ansbau der Geelebeeke innerbalb des Gemeindebezirks Breeklenkamp (Kreis Bentheim)

vom 17. Februar 1922. Berlin W., den 28. März 1922.

Gesetzsammlungsamt. Krüer.

liches.

Deutsches Reich.

Die vereinigten Ausschüsse des Reichsrats für Steuer⸗ und Zollwesen, für Volkswirtschaft und für Verkehrswesen, die vereirigten Ausschüsse für Steuer⸗ und Zollmesen und für VPolfswirtschaft sowie die vereinigten Ausschüsse für Volks⸗ wirteo oft und für Kaushalt und Rechnungswesen hielten heute Cef ern bat im N. erium des Innern Leitung des Reich eministers Dr. Köster eine Aussprache mit Vertretern der Länder über die Polizeinote der

interalliierten

militärischen Kontrollkommi vom 23. März stattgefunden. Die Sitzung bezweckte, der Reichsregierung die für die Beantwortung der Note erforder⸗ lichen Unterlagen zu schaffen. Die endgültige Stellungnahme der Reichsregierung zu der Note wird in den nächsten Tagen erfolgen. 1““

1 Danzig.

„Der Verteilungsausschuß für das ehemalige beutsche Reichs⸗ und Staatseigentum ver. dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge, der Freien Stadt Danzig und Polen gemeinsam das Eigentum an der Danziger Werft zuzuteilen unter der Bedingung, daß der Betrieb der Werft einer Aktien⸗ gesellschaft übertragen wird. Als weitere Bedingung ist ge⸗ stellt, daß für die Eisenbahnhauptwerkstätte eine zweite Aktien⸗ gesellschaft gebildet werde, und ferner, daß zwischen beiden Ge⸗ sellschaften eine Interessengemeinschaft hergestellt werde.

Die Freie Stadt Danzig und die Republik Polen sollen den beiden Aktiengesellschaften das vorhandene Eigentum an Grundstücken und Gebäuden pachtweise übertragen. Die Pachtdauer steht noch nicht fest, sie wird aber mindestens 45 und höchstens 60 Jahre betragen. Eine Pachtverlängerung ist vorgesehen.

Großbritannien und Irland.

Gestern fand eine Kabinettssitzung unter dem Vorsitz des Premierministers Lloyd George statt, in der die Genueser Konferenz und die Frage des Vertrauensvotums erörtert wurden. Am Nachmittag wurde Llond George vom König in Audienz empfangen.

Im Unterhause teilte der Unterstaatssekretär im Aus⸗ wärtigen Amt Harmsworth dem „Wolffschen Telegraphen⸗ büro“ zufolge mit, der britische Botschafter in Paris sei be⸗ auftragt worden, der Konferenz der Vertreter der Nachfolge⸗ staaten in Paris zur Kenntnis zu bringen, daß die britische Regierung keinerlei Absicht habe, irgendwelchen Anteil am Unterhalt des vormaligen Kaisers Karl zu tragen.

Frankreich.

Gestern vormittag hat der Völkerbundsrat eine neue Sitzung abgehalten, die der Beteiligung des Völkerbundsrates an der Genueser Konferenz galt. Ein Beschlußantrag wurde gebilligt, der in der öffentlichen Nachmittagssitzung an⸗ genommen werden soll. In dieser beschäftigte sich der Völker⸗ bundsrat mit dem Verlangen der italienischen Regierung, Ver⸗ treter der technischen Organisationen sowie eine Anzahl von Mitgliedern des Generalsekretariats nach Genua zu entsenden, um den Beratungen ihren Beistand zu leihen. Das Generalsekretariat ist damit beauftragt worden, die erforder⸗ lichen Maßnahmen zu ergreifen. Der Völkerbundsrat wählte sodann die folgenden neuen Mitglieder für die zeitliche ge⸗ mischte Entwaffnungskommission: Gustav Ador (Schweiz), Lord Robert Cecil (England), den ehemaligen Minister⸗ präfidenten Nitti (Italien), den ehemaligen Kolonialminister Lebrun (Frankreich), den ehemaligen polnischen Außenminister Fürsten Sapieha, und aus Kolumbien Hontoria und Urrutia. Der Völkerbund nahm ferner von dem Bericht über das Saar⸗ gebiet Kenntnis.

Der Ministerrat beschloß gestern, dem Justizminister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten Barthou und neben ihm dem Unterstaatssekretär beim Ministerpräsidenten Colorat die Leitung der französischen Delegation für Genua zu übertragen. Es sollen drei weitere Delegierte in einer besonderen Sitzung des Ministerrats heute abend bestimmt werden, die aus wirtschaftlichen Kreisen gewählt werden sollen.

Der Senat setzte gestern die Beratung des Budg ets der von Deutschland zu ersetzenden Ausgaben fort.

Als erster Redner sprach der Sozialist Fourment. Er warf dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge die Frage auf, ob es wohl nötig sei, angesichts des Fehlbetrags im Budget achthunderttausend Mann unter den Fahnen zu halten, und ob es nicht eine Gefahr für Frankreich sei, im Ausland als militaristischer Staat dazustehen. Er beschäftigte sich dann mit den französischen Steuererträgnissen. Um die Einnahmen aus der Einkommen⸗ und der Erbschaftssteuer zu steigern, müßten die Inhaberpapiere beseitigt werden. Nur dadurch würde man den Kapitalsverschiebungen nach den Vereinigten Staaten und nach England ein Ende machen. Die Reparations⸗ kommission habe von Deutschland die Erhebung einer Abgabe vom Privatvermögen für Reparationszwecke verlangt, alsv betrachte sie eine derartige Politik nicht als undurchführbar. Die Lage, in der der französische Staatsschatz sich befinde, mache es ihm unmöglich, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wenn Deutschland nicht die Zahlungen an die Geschädigten und die Pensionsinhaber leiste. Als Mittel der Abhilfe empfiehlt Redner die Beschlüsse der letzten Internationalen Sozialistenkonferenz von Frankfurt. Der Senator Castenot sagte: Deutschland wolle seine Wiederberstellung aus dem Bankerott des Reichs bewerkstelligen. Damit Deutschland seine Schuld bezahle, sei es nicht nötig, daß es viel Geld besitze: es genüge, wenn es materielle Reichtümer habe, die es zum Ausgleich der Forderungen geben könne. England habe daran gedacht, die deutsche Schuld durch eine von Deutschland aufgenommene Anleihe zu mobilisieren. Der Redner behauptet, Deutschland habe für tausendvierhundert Milliarden Kapital zerstört. Es könne niemals alles reparieren, was es ver⸗ nichtet habe. Im weiteren Verlauf der Debatte sagte der ehemalige Finanzminister Francois Marsal, der Versailler Friedensvertrag habe weder das Finanz⸗, noch das territoriale Problem gelöst. Er erklärte, er habe über das Abkommen von Spaa Mitteilungen zu machen, die er aber nicht öffentlich machen könne. Es wurde darauf eine geheime Sitzung abgehalten. Nach Wiederherstellung der Oeffentlichkeit setzte Fenator Marsal seine Rede fort.

In der gestrigen Kammersitzung wurde die Be⸗ ratung über das Militärdienstpflichtgesetz wiederauf⸗ genommen. Ein Vertagungsantrag des Abgeordneten Accam⸗ bran, erst in die Einzelberatung des Gesetzes einzutreten, nachdem ein Gesetz über die nationale Verteidigung angenommen sei, wurde von diesem begründet, aber schließlich bis nach der Er⸗ örterung der eingebrachten Gegenanträge zurückgezogen. Die Kammer trat dann in die Einzelheratung ein und be⸗ schäftigte sich an erster Stelle mit dem Gesetzentwurf des Sozial⸗ demokraten Paul Boncourt, der verlangt, daß vom 21. bis 28. Lebensjahre alle dienstpflichtigen Bürger für die Armee oder für die Kriegsindustrie mobilisiert würden, und daß vom 48. Lebensjahre an jeder Mann bis zur Grenze seiner Kraft zur gemeinsamen Verteidigung in Anspruch genommen werden könne, sei es als Handwerker, als Krankenpfleger usw. Die Ausbildung für die nationale Ver⸗ teidigung soll vier Abschnitte umfassen: körperliche Erziehung, militärische Vorbereitung mit Rekrutenschule, Beteiligung an der Deckungsarmee und Ausbildung durch methodische Reservissenübungen. Alle jungen Leute werden in ihrem 21. Lebensjahr zur Rekrutenschule einberufen; nach zwei⸗ monatiger Ausbildung werden die Rekruten der Deckungs⸗

armee überwiesen, bei der die Ausbildung sechs Monate dauert.

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ssion

Abgeordneter Boncourt begründeie in längeren Ausführungen seinen Antrag. 1 Der polnische Minister des Auswärtigen Skirmunt ist gestern in Paris eingetroffen. ö 111“ 11“

Belgien.

Der Minister für nationale Verteidigung gab gestern vor dem Kammerausschuß für nationale Ver⸗ teidigung eine Darstellung der durch die Ermordung des Leutnants Graff geschaffenen Lage. Er erklärte dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge, da Leutnant Graff den alliierten Armeen angehört habe, müsse die Angelegenheit der Beurteilung der interalliierten Militärkommission unterliegen. Man müsse demnach die Entscheidung dieser Behörde abwarten. Die belgische Regierung habe bei der deutschen Regierung gegen den Mord Protest erhoben und sie ersucht, alle Maß⸗ nahmen zu ergreifen, die eine Festnahme der Schuldigen er⸗ leichtern könnten.

In der gestrigen Sitzung der Kammer wiederholte der Minister die von ihm vor dem Kammerausschuß abgegebenen Erklärungen über die Ermordung des Leutnants Graff in Hamborn und betonte, daß die Militärbehörden die nötigen Sicherheitsmaßnahmen fafert ergriffen hätten. Die belgische Regierung sei jedoch in der Hauptsache gezwungen, zum diplo⸗ matischen Wege ihre Fuflucht zu nehmen, da es ihr nicht möglich sei, die belgischen Streitkräfte und die am Orte befindlichen belgischen Gerichtsbehörden eingreifen zu lassen. Am Schlusse seiner Ausführungen betonte der Minister, daß die ganze belgische Nation von der Bedeutung des Geschehnisses durchdrungen sei und Wiedergutmachungen fordere. Die Kammer billigte die Erklärung des Ministers.

Hierzu bemerkt das obengenannte Telegraphenbüro:

Nach diesem Bericht aus der belgischen Kammer scheint die belgische Regierung die Tötung des Leutnants Graff als schwer⸗ wiegendes politisches Ereignis behandeln zu wollen. Demgegenüber muß betont werden, daß bis jetzt eine Aufklärung der Tat noch nicht erfolgt ist, so daß überhaupt noch nicht festzustellen ist, ob es sich um einen politischen Racheakt oder um einen Totschlag aus persönlichen Motiven handelt. Nicht nur die offiziellen Stellen in Deutsch⸗ land, sondern auch die deutsche Bevölkerung bedauern die Ermordung des jungen Offiziers. In Anbetracht der zahlreichen Fälle von Uebergriffen und Gewalttätigkeiten auf Leib und Leben der Be⸗ völkerung des besetzten Gebiets, die von Angehörigen der Besatzungs⸗ armee verübt worden sind und wie wir se auch in der kürzlich er⸗ folgten Ermordung eines deutschen Polizisten zu erblicken haben, muß darauf hingewiesen werden, daß im Fall Graff zum ersten Male ein Offizier der Ententetruppen im besetzten Gebiet auf gewaltsame Art ums Leben gekommen ist. 8

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Der König und die Königin von Belgien sind gestern in Begleitung des Kronprinzen und des Ministers des Aeußern Jaspar in Rom eingetroffen und vom König und der Königin, dem Kronprinzen und den italienischen Ministern auf dem Bahnhof empfangen worden. Am Nach⸗ mittag statteten der König und die Königin von Belgien dem Papst einen Besuch ab. Abends fand im Quirinal zu Ehren des belgischen Königspaares ein statt, an welchem auch der Ministerpräsident, die Minister und die hohen Staatswürden⸗ träger teilnahmen. Der König Victor Emanuel brachte auch im Namen des italienischen Volkes auf das belgische Königspaar einen Trinkspruch aus, in welchem er au die Gemeinsamkeit der kulturellen Bestrebungen der beiden Völker und die gemeinsam überstandene Kriegsnot hinwies. Der König Albert erinnerte in seiner Erwiderung an seinen Besuch an der italienischen Front im Jahre 1918 und an die Taten der italienischen Armee und Marine im Felde. Er rühmte die industriellen und wirtschaftlichen Fortschritte des modernen Italiens und erklärte auch für die Zukunft eine brüderliche Zusammenarbeit der beiden Nationen im Interesse des Wiederaufbaues für wüns chenswert.

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Das Völkerbundssekretariat veröffentlicht eine Reih von Dokumenten zu den Beschlüssen, die der Völker⸗ bundsrat auf seiner gegenwärtigen Pariser Tagung in der Saarfrage getroffen hat. Wie „Wolffs Telegraphenbürn“ meldet, stimmte danach der Völkerbundsrat einer Verfügung der Regierungskommission des Saargebiets vom 24. März zu, welche die Schaffung eines beratenden Ausschusses und eines Studienausschusses im Saargebiet an⸗ ordnet. Der beratende Ausschuß, der sich aus dreißig Mitgliedern zusammensetzt, die von der im Saargebiet stammenden Bevölkerung beiderlei Geschlechts von über zwanzig Jahren nach dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahl⸗ recht gewählt werden, soll dazu dienen, die im Friedens⸗ vertrag vorgesehenen Gutachten abzugeben für etwaige Ge⸗ setzabänderungen oder für die Einführung neuer Abgaben (ausgenommen Zollfragen) durch die Regierungskommission. Irgendwelche anderen Rechte stehen diesem Ausschuß nicht zu. Alle Beschlüsse, die über die angeführten Gutachten hinausgehen, sind null und nichtig. Die Mandate erlöschen nach drei Jahren, für den ersten Ausschuß bereits am 1. Oktober 1923. Der Studienausschuß besteht aus wenigen Fach⸗ leuten aus dem Saargebiet, die von der Regierungskom⸗ mission selbst ausgewählt und ernannt werden, und deren Rat die Regierungskommission nur dann, wenn es ihr gut erscheint, einzuholen braucht. Sowohl der Präsident des beratenden Ausschusses wie auch der des Studienausschusses werden nicht von den Ausschüssen selbst, sondern von der Regierungskommission ernannt. Die Schaffung dieser Organe, die alle Hoffnungen der letzten Zeit auf ein Saarparlament vollständig vereitelt, scheint auch, wie aus dem weiteren Material des Völkerbundes ersichtlich, im Völkerbundsrat bereits so weit gediehen zu sein, daß er den Beschluß faßte, eine der wichtigsten Bestimmungen des Versailler Vertrags, die eine all⸗ jährliche Ernennung bezw. r Regierungskommission sözven dahin abzuändern, daß er die erst im Februar neu be⸗ tätigten Regierungsmitglieder jetzt sofort für zwei Jahre, also bis 1925, neu bestätigte. Das geschieht allerdings in der Form, daß er ihnen die feierliche Zustcherung gibt, sie im Jahre 1923 und 1924 wieder zu bestätigen unter Vorhehalt der ihm aus dem Friedensvertrag zustehenden Rechte. Der Bexrichterstatter für alle das Saargebiet ö Fragen war der soeben aus Washington zurückgekehrte chinesische Vertreter Wellington Koo.

Der Wirtschaftsausschuß des Völkerbundsrats, der in den letzten Tagen in Genf getagt und seine Arbeiten abgeschlossen hat, prüfte u. a. auf Grund des Abkommens über eistiges Eigentum, der Friedensverträge und der Madrider Feavention den derzeitigen Stand der Frage des unlauteren Wettbewerbs und formulierte ergänzende Vorschläge für den Völkerbundsrat. Desgleichen wurden Vorschläge ausgearbeitet

der Frage der Vereinheitlichung des Wechsel⸗

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