1922 / 117 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 May 1922 18:00:01 GMT) scan diff

num schon im Hedruer dem hohen Hanse etne ausfüchrliche Denk⸗ schrift über das Wohnungswesen vorgelegt hat; sie trägt die Nummer 3472 der Drucksache. In dieser Denkschrift sind alle die Angelegenheiten behandelt, die von den Herren, die vor dem Herrn Berichterstatter gesprochen haben, berührt worden sind.

Ich möchte nur noch dem Herrn Abgeordneten Merkel auf zwei Anfragen antworten, die er an die Regierung gestellt hat. Die eine betraf den Sinn und die Anwendung von Steuergesetzen. Diesbezüglich muß er seine Anfrage an das Reichsfinanzministerium richten. Ich bin nicht in der Lage, ihm auf diesen Teil seiner Anfrage zu antworten.

Der zweite Teil seiner Anfrage betraf die Verwendung des Ausgleichsfonds, der beim Wohnungsabgabengesetz vorgesehen ist. Der Herr Abgeordnete scheint die Befürchtung zu haben, als wenn Gelder aus diesem Ausgleichsfonds an irgendwelche einzelne Inter⸗ essenten gehen könnten. Soweit das Reichsarbeitsministerium in Betracht kommt, ist eine derartige Verwendung der Gelder schon deshalb vollkommen ausgeschlossen, weil die betreffenden Gelder von uns lediglich an die Länder überwiesen werden, und zwar für den Fall, daß in diesem oder jenem Lande besondere Bedürfnisse be⸗ stehen, die eigentlich auf Kosten der Allgemeinheit gehen. Wenn z. B. für die Unterbringung’ von Flüchtlingen besondere Auf⸗ wendungen gemacht werden müssen, dann ist das natürlich Reichs⸗ sache, die die Allgemeinheit angeht, und in dem Falle ist es an⸗ gebracht, die Gelder aus diesem Ausgleichsfonds zu nehmen. Selbst⸗ verständlich steht nichts im Wege, dem Reichstag über die Ver⸗ teilung dieser Gelder seitens des Reichsarbeitsministeriums jedes Jahr genau Rechenschaft abzulegen.

Der Antrag Becker⸗Arnsberg (Zentr.), die Ueber⸗ weisung des ländlichen Wohnungs⸗ und Siedelungswesens an das Ernährungsministerium zu erwägen, wird an⸗ genommen.

Den Fonds zur Unterstützung der Rentner aus der Invaliden⸗ und Angestelltenversicherung von 2,8 Millarden Mark hat der Ausschuß auf 3,8 Milliarden Mark erhöht. Das Haus genehmigt die er und nimmt eine Entschließung der Sozialdemokraten an, wonach bei der Auslegung des Gesetzes über Notstandsmaß⸗ nahmen zur Unterstützung dieser Rentner Leistungen, die nur den Zweck haben, die gesetzliche Rente zu erhöhen, nicht an⸗ gerechnet werden, und wonach spätestens bei der Herbsttagung ein Gesetzentwurf zur Abänderung des Gesetzes vorzulegen ist.

An Zuschüssen zu Notstandsmaßnahmen zur Unter⸗ stützung notleidender Kleinkapitalrentner sah der Etat 200 Millionen Mark vor. Der Ausschuß hat die Summe auf 500 Millionen Mark erhöht.

Die Deutschnationalen Hergt und Genossen bean⸗ tragen die Erhöhung auf eine Milliarde Mark, sowie eine Entschließung, daß auf unverzügliche Auszahlung dieser Not⸗ standsbeihilfen hingewirkt wird, und daß die Richtlinien für diese Unterstützungen in einer Reihe von Punkten geändert werden sollen. U. a. soll das Wort „Bedürftigkeit ersetzt werden durch „Bedürfnis“; als Kleinrentner sollen Personen angesehen werden, deren Kapitalrente nicht mehr als 15 000 Mark beträgt, die entweder über 60 Jahre alt oder er⸗ werbsunfähig oder über 50 vH gemindert erwerbsfähig sind; die Unterbringung in Heimen soll in bestimmtem Maße offengelassen werden; ein Rückgriff auf das Vermögen des Rentners soll im allgemeinen nicht erfolgen oder nur, wo es ohne Härte möglich ist.

Die Unterstützung soll nicht von gleichen Aufwendungen dirvch die Gemeinden abhängig gemacht werden, die Mit⸗ wirkung von Ländern und Gemeinden soll aber durch ein Ge⸗ sen sichergestellt werden. Der Abhag. der Werbekosten im Ein⸗

ommensteuergesetz § 13 soll bei Kleinrentnern um 540 Mark erhöht werden; schließlich soll die Versorgung der Klein⸗ rentner eine gesetzliche Regelung erhalten.

Abg. Dr. Obe ö (D. Nat.) befürwortet die Anträge seiner Partei. Wir beschreiten damit, so i2. der Redner aus, den Weg weiter, den wir seit Jahren ver olgen, indem wir mit rößtem Nachdruck die Interessen der Kleinrentner vertreten haben Es handelt sich um Leute, die in unausgesetzter heißer Arbeit jahrzehntelang sich ein kleines oder mittleres Vermögen erworben haben. Wenn einmal gesagt worden ist: lassen Sie doch endlich den Reichstag zufrieden mit Ihrer ewigen Lamentation für die Kleinrentner, lassen Sie doch diese Leute arbeiten wie andere o muß ich mit Entschiedenheit betonen, daß es sich hier um .“ der Arbeit handeli, die zum Teil 40 bis 50 Jahre nicht 8 Stunden, sondern 12 bis 15 Stunden täglich gearbeitet haben. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Es ist eine ganz falsche Vor⸗ tellung, - Rentner für Prasser und Schlemmer zu halten.

urch ihre Ersparnisse haben sie in den Jahren von 1870 bis 1914 der deutschen Wirtschaft die ungeheure Summe von 20 Milliarden zur Verfügung gestellt. Andererseits hätte die Industrie insbe⸗ sondere Anleihen beim Ausland machen müssen oder wäre auf halbem Wege erdrosselt worden. Darum ist die Ansicht falsch, daß es sich hier um Anhäufung von Werten auf Kosten der schwieligen Faust des Proletariers handelte, sondern es sind wichtige Bestand⸗ teile des Volkskörpers, die infolge der Erfüllungs⸗ und der ver⸗ eehlten Steuerpolitik geradezu zu einem Hundeleben verurteilt 8” (Lebhafte Zustimmung rechts, große Unruhe und Wider⸗ spruch links.) Diese Leute sind viel zu anständig und zu stolz, ihre bittere Armut und ihren nagenden Hunger auf offenem Markt zur Schau zu tragen oder in lärmenden Demonstrationszügen mit aufreizenden Plakaten. Das haben diese Leute nie gelernt und werden es nie lernen. Für die Arbeitslosen hat die Republik Milliarden übrig gehabt, aber für die durch die Erfüllungs⸗ und Steuerpolitik Verelendeten hat die Republik keinen Pfennig übrig. (Große Unruhe links.) Die 100 Millionen des Nachtragsetats waren angesichts der 600 000 Rentner ein Tropfen auf den heißen Stein und auch die 500 Millionen des sind voll⸗ kommen unzureichend. Wir halten aber für ebenso wichtig die sofortige Aenderung der Richtlinien. Etwas Bürokratischeres und Unfpychologischeres als diese Richtlinien habe 9 in meinem Leben noch nicht gesehen, sie sind am grünen Tisch gemacht und geben den Notleidenden Steine statt Brot. (Zustimmung.) In allererster Linie sind Barzuschüsse nötig. Ganz unpsychologisch ist es auch, wenn in diesen Richtlinien ein Rückgriff auf das Erbe des Rentners gestattet wird. Mit allem Nachdruck erkläre ich, daß an die Stelle der Verwaltungsvegelung schleunigst eine gesetzliche Regelung treten muß. Dem Rentner müssen statt der Almosen feste Ansprüche gewährt werden, das verlangt die soziale Gerechtig⸗ keit (Lachen links). Namens meiner Fraktion erkläre ich aus⸗ drücklich, daß wir es nur auf dem Wege der gesetzlichen Regelung für möglich halten, der drohenden Zermalmung eines der besten Teile unseres Volkskörpers vorzubeugen.

Abg. Frau Dransfeld (Zentr.): In allen Fraktionen sind wir wohl von der erschütternden, bitteren Not überzeugt, in der die Kleinrentner leben, die um so bitterer ist, als sie aus dem Zu⸗

stand eines friheren verhältnismäßig sozialen Gesichertseins nun⸗

in einen Zustehid vollständiger Unsicherheit hineingeworfen worden sind. Zur Abhilfe dieser Not sollten alle Fraktionen ohne politische Rücksichten zusammenarbeiten. Die in Betracht kommenden Leute

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wachsende Geldentwertung und Teuerung. Sie kämpfen vieffach um das nackte Dasein, vielfach bleibt ihr Einkommen hinter dem Existenzminimum zurück. Unsere Fraktion ist zuerst dieser Frage nahegetreten. Wenn wir für den Beschluß des Ausschusses stimmen, so handelt es sich darum, daß anderenfalls das ganze System der sozialen Mehrforderungen erschüttert werden würde, indem wir automatisch eine höhere Summe einsetzen und zu einer Art der Uebertrumpfungspolitik kommen. Auch wir sind für eine Aenderung der Richtlinien und werden zunächst für den Beschluß des Ausschusses stimmen.

Abg. Frau Dr. Matz (D. Vp.): Wir sind wohl in allen Parteien darüber einig, daß den Kleinrentnern geholfen werden muß, und daß es eine Ehrenpflicht des Staates ist, für diese Veteranen der Arbeit ausreichend zu sorgen. Eini simd wir auch darin, daß die Hilfe viel zu spät eingesetzt hat. eine Freunde haben die Neigung unbedingt alles zu bewilligen, was im Interesse der Fürsorge für die Kleinrentner zur Verfügung gestellt werden muß. Ob das durch eine Nachtragsforderung geschieht oder durch den deutschnationalen Antrag von 1 Millarde, ist gleich. Wir werden unsere Abstimmung entsprechend einrichten. Als Be⸗ dingung in den Richtlinien ist gestellt, daß auch Länder und Ge⸗ meinden Zuschüsse geben. Dadurch entsteht die Gefahr, daß in leistungsschwachen oder leistungsunfähigen Gemeinden überhaupt nichts gegeben wird. Darum sind wir mit dem deutschnationalen eie. darin einverstanden, daß die Fürsorge überall einsetzen soll, gleichgültig, ob die Gemeinde einen Beitrag leistet oder nicht. Auch wir sind überzeugt, daß auf die Dauer die Regelung auf dem 8E11““ einer gesetzlichen Versorgung Platz machen muß. Abg. Frau Schroeder⸗Schleswig⸗Holstein (Soz.): Wir haben volles Verständnis für die Not der Kleinrentner; der agitatorischen Rede des Abg. Oberfohren hätte es nicht bedurft. Ebenso wie die Kleinrentner leiden aber auch die Invaliden⸗ und Altersrentner unter der Ungunst der Verhältnisse. Der Forderung in dem Antrage Hergt auf unverzügliche Auszahlung der Not⸗ standsbeihilfen für Kleinrentner stimmen wir zu. Im übrigen sind wir damit einverstanden, daß eine Kommission zur Nach⸗ prüfung der Richtlinien für die Gewährung der Beihilsen an die Kleinrentner eingesetzt wird.

Abg. Karsten (U. Soz.): Die Frage der Fürsorge für die Kleinrentner kann nicht aus dem Gesamtkomplex der sozialen Fürsorge herausgehoben werden. Die Kleinrentner können keine Sonderstellung beanspruchen, sie sind den Invalidenrentnern gleich⸗ zustellen und müssen sich mit den einheitlichen gesetzlichen Maß⸗ nahmen begnügen. Die Klreinrentner haben keinen Grund, sich über die Politik der Nachkriegszeit zu beklagen; schuld an ihrer schwierigen Lage sind jene, die den Krieg heraufbeschworen haben. Eine gesetzliche Regelung der Kleinrentnerunterstützung ist zweifel⸗ los der Regelung auf dem Verordnungswege vorzuziehen. Ein bitteres Unrecht ist es, daß die Rentner, die weniger als 600 Mark Zinsen haben, die Unterstützung nicht erhalten. Wir wünschen ein großzügiges Fürsorgewesen, das keinen Unterschied in der Ursache der Bedürftigkeit kennt. Die Altershilfe des deutschen Volkes muß auch den alten Invaliden⸗ und Unfallrentnern

zugutekommen. Abg. Malzahn (fraktionsloser Kommunist): Der Antrag

der Deutschnationalen ist nur ein parteitaktisches Manöver. Gerade ihre Kriegspolitik hat den Rentnern ihr Vermögen genommen, und der Preiswucher der Agrarier verschärft die Notlage. Die Herren der Rechten sind schuld an dem Zusammenbruch. Wir halten den Kulturstaat für verpflichtet, ü8 alle Notleidenden und Siechen zu forgen. wir können dakbei keinen Unterschied machen und verlangen ein vullgemeines Fürsorgegesetz. Alle unsere Anträge auf e für die Invalidenrentner und die werbslosen haben die Deutschnationalen immer abgelehnt. Wenn sie jetzt eine besondere Hilfe für die proletarischen Mittelständler verlangen pfui Teufel! Wir verlangen eine allgemeine einheitliche Fürsorge für alle Notleidenden.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Meine Damen und Herren! Die Regierung erkennt die Notlage der Kleinrentner, wie sie schon wiederholt hervorgehoben hat, durchaus an. Sie er⸗ achtet es als ihre Pflicht, alles zu tun, was im Rahmen der Mög⸗ lichkeit liegt, um dieser Notlage abzuhelfen. Die Regierung steht auf demselben Standpunkt, den der Herr Berichterstatter als den Standpunkt des Ausschusses in der Debatte charakterisiert hat. Würden die nach dem Antrag des Ausschusses zu bewilligenden 500 Millionen nicht reichen, so ist die Reichsregierung durchaus bereit, in einem Nachtragsetat weitere Summen für diese Zweche einzusetzen. (Hört, hört! bei den Kommunisten.)

Der Antrag Hergt und Genossen und die Ausführungen des Vertreters von der Deutschnationalen Partei haben sich dann ganz besonders gegen die Richtlinien gewendet, die die Reichs⸗ regierung zur Durchführung der hier in Betracht kommenden Unterstützungsmaßnahmen erlassen hat. Diese Richtlinien bedeuten einen ersten Schritt auf einem neuen Wege. Es ist möglich, daß daran dieses oder jenes geändert werden muß. Dann sind wir selbstverständlich zur Verbesserung dieser Richtlinien bereit. Wir können aber keineswegs zugeben, daß diese Richtlinien engherzig und formalistisch seien, wie der Redner der Deutschnationalen Partei die Dinge dargestellt hat. Wir sind im Gegenteil der Ueber⸗ zeugung, daß der Antrag Hergt und Genossen viel mehr Bindungen und Festlegungen im voraus enthält, als die von der Reichs⸗ regierung erlassenen Richtlinien. Hier heißt es z. B. unter 2b:

im Artikel III ist der Begriff Kleinrentner dahin zu umschreiben, daß darunter Personen zu verstehen sind, deren ausschließlich oder überwiegend aus Kapitalwerte fließendes Einkommen nicht mehr als 15 000 Mark beträgt diese Grenzfestsetzung fehlt in unseren Richtlinien und die entweder über 60 Jahre alt auch diese Altersgrenze fehlt in den Richtlinien oder erwerbsunfähig oder über 50 Prozent gemindert erwerbs⸗ fähig sind. Der Herr Abg. Karsten hat schon darauf hingewiesen, daß mit diesen 50 Prozent geminderter Erwerbsfähigkeit Begriffe eingeführt werden, die aus der Versicherungsgesetzgebung entnommen sind und auf die Kleinrentnerverhältnisse gar nicht passen. Im übrigen würde das zur Folge haben, daß die einzelnen Kleinrentner alle von Aerzten auf ihre Erwerbsfähigkeit untersucht werden müßten.

listisch, können zu Engherzigkeiten führen, können weitgehende Bin⸗ dungen und Festlegungen in einzelnen Punkten enthalten. Das gleiche folgt aus dem Vorschlag dieses Antrages unter 2 c, wo es heißt:

„Dabei muß die Möglichkeit, einen bestimmten Teil des Gesamt⸗

aufkommens bis zu 15 Prozent für die Unterbringung in

Heimen zu verwenden, offengelassen werden. Es wird also hier ein bestimmter Prozentsatz aus dem Handgelenk heraus vorgeschlagen. Selbstverständlich ist eine Unterbringung in Heimen vorzuziehen; es muß aber freigestellt bleiben, wieviel Prozent hierfür verwendet werden sollen. Das muß den Not⸗ wendigkeiten in einem einzelnen Fall überlassen bleiben. Unsere Richtlinien lassen das offen. Sie setzen derartige prozentuale

Ich sage also: gerade die Forderungen dieses Antrages sind forma⸗

Nun scheinen alkerdings die Herren Antragsteller der Deutsch⸗ nationalen Partei Engherzigkeit da zu sehen, wo wir Grundsätze sehen, über die wir glauben, nicht hinweg⸗ und hinausgehen zu dürfen. Wenn wir z. B. daran festhalten, das aus Reichsmitteln ich betone ausdrücklich aus Reichsmitteln nur diejenigen Kleinrentner unterstützt werden sollen, die früher irgend wie auch gearbeitet haben und nicht auch solche, die Rentner ge⸗ spielt haben, ohne irgendwie gearbeitet zu haben, so liegt darin für uns eben ein Grundsatz, den wir nicht außer acht lassen wollen. (Sehr richtig; im Zentrum.) Der Antrag Hergt will über diesen Grundsatz unter Umständen hinweggehen und schlägt vor, davon eventuell abzusehen. (Zuruf von den Kommunisten.) Der Herr Redner der Deutschnationalen hat gemeint, unsere Begriffs⸗ bestimmung sei gerade nach der Richtung zu eng. Ich betone aus⸗ drücklich, daß der betreffende Punkt unserer Richtlinien sehr weit⸗ herzig ist. Er redet ganz allgemein von Arbeit, ganz gleich, welche Art Arbeit es gewesen ist, und fügt im Schlußsatz hinzu:

Arbeit im Sinne dieser Bestimmungen ist auch eine Tätigkeit in häuslicher Gemeinschaft, die üblicherweise ohne Entgelt erfolgt und nur im Falle der Einstellung fremder Kräfte vergütet werden müßte. Hier steht eine wissenschaftliche oder ehrenamtliche Tätig⸗ keit dem Dienste der Allgemeinheit gleich, wenn sie Jahre hin⸗ durch die Arbeitskraft wesentlich in Anspruch genommen hat. Diese Zusatzbestimmungen bezeugen doch ganz klar, daß wir hier keineswegs engherzig vorgegangen sind. Freilich halten wir es auch für eine Selbstverständlichkeit, daß das Vermögen mit heran⸗ gezogen und aus dem Nachlaß eine entsprechende Rückvergütung erfolgen muß. Daran müssen wir ebenfalls grundsätzlich festhalten, denn es geht unmöglich an, daß öffentliche Mittel verwandt werden, um nachher lachenden Erben erhebliche Summen mehr in den Schoß zu werfen. Wir glauben deshalb, daß wir bei dem Stand⸗ punkt des Ausschusses stehen bleiben können.

Wir sind weiterhin durchaus bereit, mit den großen Wohl⸗ fahrtsorganisationen und mit Mitgliedern des Reichstages even⸗ tuelle künftige Aenderungen der Richtlinien vorher zu besprechen; aber hier durch einen ausdrücklichen Beschluß festzulegen, daß wir hierzu auch bestimmte Organisationen von Rentnern hinzuziehen sollen, das ist allerdings eine andere Frage. Ich möchte meiner⸗ seits davon abraten. Nachdem wir in dieser Frage gegenüber den Sozialrentnerorganisationen einen ablehnenden Standpunkt ein⸗ genommen und ihnen gesagt haben, wir hätten bereits genügend Organisationen, die diese Interessen wahrnehmen können, mit denen sich die Mitglieder des Reichstages ins Benehmen setzen können, werden wir, glaube ich, denselben Standpunkt auch hier bei den Kleinrentnern einzunehmen haben.

Abg. Fischer⸗Hannover (Soz.): Wir können keinen Unter⸗ schied zwischen Kleinrentnern und Sozialrentnern machen und wünschen die allgemeine Milderung des Elends. Das Reich muß den Gemeinden die Mittel dazu zur Verfügung stellen, die selbst die Mittel nicht haben, um die Kleinxrentner zu unterstützen, Jeder, der in Not geraten ist, muß unterstützt werden. Die „Ein⸗ heitsfront“ verlassen die Deutschnationalen in dem Augenblick, wo sie fuͤr sich selbst besondere Vorteile herausschlagen können. Solange wir nicht generell dem Elend abhelfen, sind das alles nur Palliativmittel. 8

Abg. Dr. Pachnicke (Dem.): Die Not infolge des unglück⸗ seligen Krieges ist so groß, daß sich die agitatorische Ausnutzung eigentlich von selbst verbieten sollte. (Sehr richtig!) Wir müssen hier zunöchst mit 500 Millionen Erfahrungen sammeln, und es ist dankenswert, daß die Regierung weitere Mittel bereitstellen will, wenn es notwendig wird. Die Richtlinien des Antrages Hergt mit ihren vielen zweifelhaften Einzelheiten können wir nicht an⸗ veime Aber wir können in den Verbänden die Richtlinien nach⸗ prüfen. 8 3

Der Antrag Hergt auf eine Milliarde wird gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien abgelehnt, der Ausschuß⸗ antrag auf 500 Millionen wird einstimmig angenommen, ebenso der Antrag Hergt, soweit er eine unverzügliche Aus⸗ zahlung der Beshilfen an die Kleinrentner verlangt. Im übrigen wird der Antrag Hergt, nachdem auch ein Antrag auf Ueberweisung an den Haushaltungsausschuß abgelehnt ist, gegen die Stimmen der beiden Rechtsparteien abgelehnt.

Ein Antrag des Zentrums verlangt die Bereitstellung von 300 000 Mark für Beihilfen an soziale und karitative Reichsorganisationen zur Abgeltung der ihnen durch den Ver⸗ kehr mit den Behörden entstehenden Unkosten.

Abg. Frau Teusch (Zentr.) begründet den Antrag. Die freie Liebestätigkeit muß in innigster Fühlung mit der Wohl⸗ fahrtspflege stehen. Nur wenn Behörde und Organisationen Hand in Hand arbeiten und keine Fürsorgemittel ihrem Zwecke entzogen werden, wird man der Notla e des Volkes und des Reiches gerecht werden können. Die Grundsätze für die Ver⸗ teilung der 300 000 Mark können vom Arbeitsministerium im Einvernehmen mit dem Reichstage und den in Betracht kommenden Organisationen aufgestellt werden. .

Der Antvag wird angenommen. Angenommen wird eine Ausschußentschließung, in der die Reichsregierung ersucht wird, durch Schaffung und Förderung von Zweckverbänden der Versicherungsträager sowie der Träger der öffentlichen und priraten Fürsorge, durch Aufstellung von Richt⸗ linien, und erforderlichenfalls durch gesetzliche Maßnahmen eine größere Einheitlichkeit und Planmäßigkeit in den Maß⸗ nahmen der vorbeugenden Seh .“ der Ver⸗ sicherungsträger, insbesondere der ndesversicherungs⸗ anstalten, herbeizuführen.

Die Kapitel: Ständige Ausstellung fahrt, Reichsversicherungsamt, Reichsausfü Unfallversicherung und Reichsamt für werden bewilligt.

Beim Kapitel Kriegsbeschädigten⸗ und Kriegshinter⸗ bliebenenfürsorge nb eine Interpellation der Deutschen Volkspartei zur Beratung, die für die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen eine den heutigen Teuerungsverhältnissen gerecht werdende Versorgung ordert.

Abg. Thiel (D. Vp.) begründet die Interpellation: Ob⸗ wohl inzwischen Verbesserungsmaßnahmen getroffen sind, ist die Interpellation nicht eig denn die Notlage der Kriegs⸗ beschädigten und Kriegshinterbliebenen ist nach wie vor groß. Wenn auch die finanzielle Lage des Reiches die Erfüllung aller berechtigten Ansprüche nicht zuläßt, so muß doch der traurigen Lage dieser TT1.“ mehr als bisher Rechnung ge⸗ tragen werden. Die nicht mehr als 50 vH Erwerbsunsähigen haben so gut wie keine Aufbesserung erhalten. Berü ksichtigt werden muß, daß die noch erwerbsfähigen Kriegsbeschädigten durch ihre Verwundungen und die Folgen ihrer Verletzungen in ihrem Fortkommen. z. B. in der Beförderung, häufig gehemmt werden, und daß sie größere Lebensunterhaltskosten haben wie gesunde Menschen. Das große Interesse, das sich seinerzeit bei den gesetzgebenden Körperschaften für die Leriogsheihereihes ten Feeeigt hat, hat sehr nachgelassen. Die Fürsorge darf sich nicht be⸗

ür Arbeiterwohl⸗ rungsbehörde für rbeitsvermittelung

können ihre Einnahmen nicht erhöhen, zum Ausgleich für die

schränken auf die bis zu vH erwerbsunfähigen Kriegs⸗

beschädigten. Für die Gewährung der Teuerungszuschüsse muß ein anderer Maßstab gewählt werden. Eine Kürzung sollte erst dann eintreten, wenn das Einkommen der Unterstützten zwei Drittel des in der untersten Gruppe der Beamtenbesoldungs⸗ ordnung feschesechten Einkommens übersteigt. Bis zur geplanten gesetzlichen Neuregelung, die Ende des Jahres zu erwarten ist, önnen die Versorgungsberechtigten nicht mehr warten. Die Er⸗ Phung der für diese Unterstützungen insgesamt ausgeworfenen zumme um 50 vH ist unbedingt notwendig. Die Festlegung der einzelnen Unterstützungssätze mag späteren Verhandlungen über⸗ lassen bleiben. Wir sind bereit, mit der Regierung zusammen, praktische Arbeit zu machen, wenn wir auch die Schwierigkeit der Sache nicht verkennen. Wer dem Ruf des Vaterlandes gefolgt ist und sein Höchstes und Bestes hergegeben hat, hat auch ein Anrecht auf den Dank des Vaterlandes. In dieser Frage sollten wir einig sein ohne Rücksicht auf die finanzielle Lage. (Beifall.)

Abg. Meier⸗Zwickau (Soz.) begrüßt die vom Ausschuß angenommene Entschließung, wonach die Umanerkennungs⸗ arbeiten nach dem Versorgungsgesetz vom 12. Mai 1920 in diesem Rechnungsjahr beendet werden sollen. Darum ist von einer weiteren Herabsetzung der im Etat für die Hilfskräfte bei den Versorgungsbehörden vorhandenen Mittel abgesehen worden. Die notwendige Aenderung des Gesetzes ist von der Umanerkennung abhängig. Die 1920 festgesetzten Sätze müssen natürlich erhöht werden. Selbstverständlich muß für Deckung gesorgt werden. Wir werden Zuschläge zur Einkommensteuer in den hohen Stufen und bei der Vermögenssteuer beantragen, und wir werden sehen, ob die Volkspartei dann mit uns geht. Hoffentlich wird die Novelle zum 8 heeee hahtg gngees ald vorgelegt. Wir haben die im Ausschuß abgelehnte Entschließung wieder eingebracht, in der die Regierung ersucht wird, in der Verfügung des Reichs⸗ arbeitsministeriums vom 23. November 1921 die Bevorzugung von Mutterhausschwestern bei der Einstellung von ““ zu streichen. rch diese Bevorzugung soll nur der Achtstundentag umgangen werden. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Andre (Zentr.): Nach dem Versorgungsgesetz solen Teuerungszulagen gewährt werden, nach dem neuen Gee⸗ ollen aber die Kriegsbeschädigten, die unter 50 vH erwerbsunsähig sind, davon ausgeschlossen sein. Die Kürzungsvorschriften müssen aus dem Gesetzentwurf heraus, zumal sie nur hohe Verwaltungs⸗ kosten verursachen. Die Leistungen der Versorgungsbehörden sind verschieden, bei manchen kommen die Anerkennungsarbeiten nicht vorwärts, weil die Beamten befürchten, nach dem Abschluß der Arbeiten auf die gesetzt zu werden. Wir müssen aber darauf halten, daß nur Beamte behalten werden, die voll beschäftigt sind. Der schnelle Fortgang der Arbeiten liegt im Interesse der Kriegsbeschädigten. 8 den Antrag der Sozialdemokraten gegen die Verwendung der Mutterhausschwestern in den Lazaretten kann ich nicht sein; gerade die Mutterhausschwestern gewähren eine sorgfältige Krankenpflege. Ein Wechsel im Krankenpflegepersonal liegt nicht im Interesse der Kranken. Die Schwestern, die aus Liebe den Beruf erwählt haben, können nicht ersetzt werden durch Kräfte, die nur um des Lohnes willen arbeiten. Wir vom Zentrum haben bei der Gesetzgebung für die Kriegsbeschädigten eifrig mit⸗ gearbeitet, daß brauchbare Gesetze entstanden. Jetzt kommt es darauf an, daß die Kürzungsbestimmungen und Leistungen den veränderten Verhältnissen richtig angepaßt werden.

Abg. Frau Ziegler (U. Soz.): Die Interpellation der Deutschen Volkspartei ist zu begrüßen, aber der Regierung allein kann die ö für die Kriegsbeschädigten nicht zugeschoben werden. zir haben schon bei der Beratung des Versorgungs⸗ gesetzes gesagt, daß dieses Gesetz ein Klassengesetz schlimmster Art sei und Kriegsopfer erster, zweiter und dritter Klasse schaffe. Die Kriegsbeschädigten mit derselben Beschädigung werden ganz ver⸗ schieden versorgt, je nach ihrer Berufsstellung. Wir hatten seiner⸗ zeit in der Nationalversammlung die Beseitigung des § 28 des Gesetzes, der diese Verschiedenheiten bewirkt, beantragt. Es wäre Pflicht der Parteien, die diese Opfer in den Krieg gehetzt haben, gewesen, diese Klasseneinteilung zu beseitigen. Aach. die Sozial⸗ demokraten haben damals nicht die Interessen der Kriegs⸗ beschädigten wahrgenommen. Wir haben später 1920/21 die Ein⸗ bringung einer Novelle beantragt, um den § 28 zu beseitigen. Wer gibt z. B. Gewähr dafür, daß die Aerzte, welche die Witwe eines Kriegsopfers auf ihre Erwerbsfähigkeit zu prüfen haben, so gewissenhaft sind, daß keine Ungerechtigkeiten vorkommen? Die Versorgungsämter arbeiten so langsam, daß die im Jahre 1921 beschlossene Teuerungszulage noch heute nicht in die Hände aller Kriegsbeschädigten gekommen ist. Bei der Unterstützung der Eltern der Kriegsopfer muß die Bedürftigkeitsfrage überhaupt ge⸗ strichen werden. Das verlangt das soziale Empfinden der neuen Zeit. Die Einkommensgrenze von 5000 Mark, bei welcher dem Kriegsbeschädigten die Rente gekürzt werden kann, muß mindestens auf 12 000 Mark erhöht werden. Die Rednerin tritt dann in längeren Ausführungen besonders für eine ausreichendere Ver⸗ sorgung der Witwen ein und wendet sich dabei gegen die Berück⸗ sichtigung der geringen Ersparnisse und die Klassisizierung bei der Rentenbemessung. Sie verlangt, daß auch die erwerbsfähigen Witwen und die weniger als 50 Prozent erwerbsunfähigen Kriegs⸗ beschödigten die Teuerungszulagen erhalten.

Abg. Behrens (D. Nat.): Die Wohnungen der Invaliden im Berliner Invalidenhaus müssen besser ausgestaltet werden. Die Badeeinrichtung ist nicht in Ordnung. Zeitungen werden nicht mehr geliefert. 1

Abg. Ziegler⸗Westfalen (Dem.): Wir haben nicht das Bedürfnis, hier parteipolitische Agitationsreden zu halten. Die Not der Kriegsopfer sollte jede parteipolitische Behandlung dieser Frage ausschließen. Eine grundlegende Aenderung des Versor⸗ gungsgesetzes ist vor Erledigung der Umanerkennung untunlich. Bis dahin müssen wir uns mit Aushilfsmaßnahmen begnügen.

Akg. Berthelé (Komm.) tritt unter Anführung von Einzel⸗ fällen für Besserstellung der Kriegsopfer ein. 8

Abg. Dudjuhn (D. Nat.) schließt sich den Ausführungen des Abg. Thiel an. Vor aller Oeffentlichkeit stelle ich, so bemerkt Redner, fest, daß die Kriegsbeschädigtenfrage keine Parteifrage ist. Volksverhetzende Reden, wie sie Frau Ziegler gehalten hat, machen doch nur auf die Tribünen Eindruck.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Meine Damen und Herren! Es ist im Verlaufe der Debatte über die Leistungen der Kriegsbeschädigten⸗ und Kriegshinter⸗ bliebenenversorgung geklagt worden. Der Gesetzentwurf, durch den die Teuerungsmaßnahmen jetzt gesetzlich geregelt werden sollen, ist am 17. Mai dem Ausschuß überwiesen worden und soll, wie ich höre, dort beschleunigt verhandelt werden, so daß wir mit einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs vor Pfingsten wohl werden rechnen können. Wenn das eintrifft, dann werden die Teuerungszuschüsse um das 3 ¼⸗ bis 4fache gegenüber dem früheren Zustand erhöht sein. Das Reich hat dann durch diese Teuerungszuschüsse einen Aufwand von jährlich fünf Milliarden Mark zu bestreiten. Die übrigen Aufwendungen des Reichs für Renten auf Grund des Reichsversorgungsgesetzes belaufen sich auf rund 7 Milliarden Mark. Dazu kommt noch ½ Milliarde für die Fürsorge, so daß wir insgesamt mit etwa 12,5 Milliarden Auf⸗ wendungen zu rechnen haben.

Man hat behauptet, gegenüber den Leistungen der Vorjahre 1919 und 1920 sei kein rechtes Steigen in den Leistungen zu ver⸗ zeichnen. Das ist aber nicht zutreffend. Die diesbezüglichen Zahlen sind folgende. Im Etat des Jahres 1919 sind für Militärrenten und Hinterbliebenenrenten 1,114 Milliarden Mark ausgeworfen gewesen. Dazu kamen damals 40 Millionen für die soziale Für⸗ sorge. Im Etat 1920 steigen diese Ziffern auf 3,576 Milliarden für die Versorgung und 500 Millionen für die soziale Fürsorge;

Im Etat 1921 belaufen sich die Ziffern auf mehr als 6,5 Mfl⸗ liarden für die Versorgung, 500 Millionen für die Fürsorge und 200 Millionen für eine Winterbeihilfe. Es ergibt sich aus dieser Zusammenstellung, daß das Reich die Aufwendungen für die Kriegsopfer im Laufe der letzten Jahre wesentlich erhöht hat, gegenüber dem Jahre 1920 um das Dreifache gesteigert.

Ich gebe zu, daß trotz dieser hohen Gesamtsummen doch noch immer Harten für einzelne Fälle, auch für gewisse Kategorien, vorhanden sein mögen. Es wird unmöglich sein, durch gesetzliche Maßnahmen allein allen diesen Härten zu begegnen.

Es ist selbstverständlich, daß wir ganz besonders den Zustand der Blinden bedauern müssen. Der Herr Abgeordnete Ziegler hat einzelne Beispiele angeführt; er hat insbesondere ein Beispiel aus Baden angeführt. Ich habe die Liste der badischen Blinden hier gerade vor mir liegen. Er hat über dieses eine Beispiel, das er anzog, gesagt, daß der betreffende Blinde Familienvater mit fünf Kindern sei, daß er monatlich einschließlich seines Verdienstes aber nur 1458 Mark verdiene. Er berichtete insofern irrtümlich, als dieser Blinde, um den es sich hier handelt, keinen Nebenverdienst neben seinen Rentenbezügen hat. Diese 1458 Mark, die Herr Ziegler angeführt hat, sind also nur die monatliche Rente mit Zu⸗ schlägen. Ferner trifft diese Ziffer für eine Zeit zu, die drei Monate zurückliegt. Er hat jetzt schon mehr; und wenn das Gesetz durchgegangen sein wird, das jetzt im Ausschuß in Be⸗ ratung ist, dann wird die Rente, die dieser Blinde bekommt, nach einer Berechnung, die wir jetzt eben im Augenblick vorgenommen haben, 1850 Mark betragen. Dieser Blinde würde also 22 200 Mark Rente im Jahre beziehen.

Nun sind natürlich die Verhältnisse in den einzelnen Fällen sehr unterschiedlich. Wir haben Fälle, wo Blinde auch einen guten Nebenverdienst, den vollen Arbeitsverdienst, das volle Beamtengehalt neben ihrer Rente beziehen. Wir haben Fälle, wo die Frau arbeiten und helfen kann. Das ist eben in den Einzelfällen un⸗ geheuer unterschiedlich. Deshalb sage ich meines Erachtens mit Recht: es ist außerordentlich schwer oder geradezu unmöglich, mit Hilfe einer Gesetzgebung, die ganz naturgemäß etwas Schematisches hat, alle diese Härten zu beseitigen. Es werden hier unbedingt Fürsorgemaßnahmen für die einzelnen Notfälle noch hinzutreten müssen. -

Dann, meine Herren, ist die Frage des Fortgangs der Umanerkennung der Renten behandelt worden. Der Herr Abg. Meier (Zwickau) hat gewünscht, nicht bloß Zahlen aus den letzten Monaten über diesen Fortgang zu erhalten, sondern auch allgemeinere Zahlen. Ich bin bereit, sie ihm zu geben. Es sind bis Ende März nach dem Reichsversorgungsgesetz festgestellt die Renten von 748 000 Kriegsbeschädigten und von 1 471 000 Hinterbliebenen. Wenn wir in demselben Ausmaß im April fort⸗ gearbeitet haben wie bis zum März, was ich zunächst einmal an⸗ nehmen muß, dann werden wir bis Mitte Mai für 65 vH der Kriegsbeschädigten und für 70 vH der Kriegshinterbliebenen die Umanerkennung nach dem Versorgungsgesetz vorgenommen haben. Auch die Kriegsbeschädigtenorganisationen haben ausdrücklich an⸗ erkannt, daß in der letzten Zeit ein guter Fortschritt dieser Um⸗ anerkennungen zu verzeichnen sei.

Die Auszahlung der Ortszulagen nach dem neuen Ortsklassen⸗ verzeichnis wird bei den laufenden Feststellungen sofort vor⸗ genommen. Es ist natürlich nicht möglich, für alle diejenigen Fälle, wo die Umanerkennung schon erfolgt ist, sie auch jetzt sofort vorzu⸗ nehmen. Für die früher Umanerkannten kann die Berechnung allgemein erst erfolgen, wenn die Umanerkennung erledigt ist. Bis dahin werden wir mit Aushilfsmaßnahmen nachhelfen müssen.

Auf den Vorschlag des Herrn Abg. Thiel, die Teuerungszu⸗ schüsse auch an die Leichtbeschädigten auszuzahlen, möchte ich folgendes erwidern. Trotz der erheblichen Mittel, die im Etat vorgesehen sind, bleiben die Gebührnisse des einzelnen infolge der ungeheuren Anzahl der Kriegsopfer naturgemäß verhältnismäßig gering. Die Regierung hat deshalb ihre letzten Teuerungsmaß⸗ nahmen auf die Schwerbeschädigten und auf die erwerbsunfähigen Hinterbliebenen beschränkt und auch unter diesen nur diejenigen bedacht, die daneben kein nennenswertes sonstiges Ernkommen be⸗ ziehen. Würden wir nun nach dem Vorschlag des Herrn Thiel eine Erhöhung der Renten und Zulagen um 50 vH, und zwar auch bei den Leichtbeschädigten vornehmen, so würde das dem Reiche nach unserer Schätzung etwa rund 3 ½6 Milliarden kosten. Wie würde diese Summe auf den Einzelfall wirken? Bei einem Leicht⸗ beschädigten etwa mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH in Ortsklasse A würde das durchschnittlich einen Monats⸗ betrag von 45 Mark oder 1,50 Mark pro Tag ausmachen. Ich glaube, daraus ergibt sich: die allgemeine Erhöhung der Bezüge kann bei äußerster Anspannung der Mittel des Reiches nur zu einer Rentenerhöhung für den einzelnen führen, die beim Leicht⸗ beschädigten neben seinem Arbeitsverdienst, den die Leicht⸗ beschädigten doch durchgangs haben, kaum in die Wagschale fällt. Werden die Milliarden, die ich eben genannt habe, aber angewandt, um den Bedürftigen zu helfen, um einem kleineren Kreise zu helfen, wo wirklich die Notlage am größten ist, ist mit diesen Mit⸗ teln entschieden mehr zu leisten. Das ist die Stellung der Reichs⸗ regierung zu dieser Frage, die Herr Thiel eben aufgeworfen hat.

Der Herr Abg. Thiel hat um statistische Unterlagen gebeten, um alle diese Dinge genauer nachprüfen und beurteilen zu können. Ich bin selbstverständlich bereit, nach Möglichkeit diese Unterlagen und Ziffern zu liefern. Aber wenn wir sie in dem Umfang liefern sollen, wie heute bei dieser Angelegenheit und auch bei einer anderen Angelegenheit ich habe im Augenblick nicht in Er⸗ innerung, welche es gerade war —, dann können wir nicht gleich⸗ zeitig die Stellen für die Beamten derart verringern, wie es tat⸗ sächlich durch die Beschlüsse des Ausschusses und des Reichstages geschieht, dann müssen Sie auch den Ministerien die nötigen Kräfte für diese Arbeit lassen.

Dann sind auch die Anstellungsgrundsätze für Zivilversorgungs⸗

berechtigte und Schwerbeschädigte hier zur Sprache gekommen. Die diesbezügliche Verordnung ist gestern vom Reichsrat erledigt worden und wird jetzt dem Reichstagsausschuß zugehen. Zum Schlusse möchte ich noch folgendes sagen: Die Haupt⸗ sache ist, daß die Umanerkennnung ungestört durchgeführt wird. Dann erst können auch die Härten beseitigt werden, die sich aus der Rentengesetzgebung bisher ergeben haben.

Abg. Meier⸗Zwickau (Soz.) vexwahrt sich gegen den Vor⸗ wurf der Frau Ziegler, daß die Sozialbbmokraten mit den bürger⸗

dazu kommen noch weitere 100 Millionen für die Winterbeihilfe.

lichen Parteien zusammen in der Nationalversammlung das Ver⸗

sorgungsgesetz und namentkich § 28 8 Die

Unabhängigen hätten damals im Plenum keine Anstrengung

gemacht, ihre Anträge, die im Ausschuß abgelehnt waren, durchzu⸗ enderung des Gesetzes werde allerdings 8

kringen. Bei einer §28 mit der Ausgleichszulage nicht mehr in der bisherigen Faß zus bestehen bleiben. Es müsse jetzt vor allem für eine schleunige Li fe⸗ lans gesorgt werden. Abg. Albrecht (U. Soz.) bemerkt dem Abg. Meier gegen über, daß die Abg. Frau Ziegler keine parteipolitische Agitations⸗ rede gehalten, sondern gerade viel sachliches Material zur Ve⸗ urteilung der Frage beigebracht habe. Die Anträge der Unab⸗ auf Erhöhung der Einkommensgrenze für den Abzug, auf rhöhung der Grundrente usw. seien vom Reichstag immer ab gelehnt worden. 32 000 Beamte und Angestellte seien mit der Um anerkennung beschäftigt, auf jeden Beamten entfielen bisher im Monat nur 4,6 erledigte Umanerkennungen. 8 Reich habe bisher seine Pflicht gegen die Kriegsbeschädigten nicht getan. Die Leute würden in ihrer Rente herabgesetzt und bekämen ni einmal die Teuerungszulage ausgezahlt. Das Haus müsse des⸗ halb die zum Haushalt des Allgemeinen Pensionsfonds beantragte Entschließung der Unabhängigen auf sofortige Reform des Ver⸗ sorgungsgesetzes annehmen. Damit 16 die Erörterung.

Abg. Streiter (D. Vp.) weist im Schlußwort für die Inter⸗ pellation davauf hin, daß sofort der Ausschuß des Reichstages sich mit diesen Fragen beschäftigen könne.

Die Interpellation ist damit erledigt. Die Entschließung des Ausschusses wegen schleuniger ledigung der Um⸗ anerkennungsarbeiten wird angenommen. Bei den ein⸗ maligen Ausgaben für das Tarisvertragswesen und die Betriebsverfassung, und zwar der Ausgabe von 300 000 Mark für Zwecke der Schulung von Betriebsrats⸗ mitgliedern beantragt der Ausschuß die Erhöhung auf eine Million Mark.

Die Abgg. 88 (Soz.) und Dr. Moses (u. Soz.) beantragen die Erhöhung auf 3 Millionen Mark mit der erweiterten Zweckbestimmung „für Zwecke der Ausbildung von Personen, die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen zur Ver⸗ tretung der Arbeitnehmer berufen werden“.

Abg. Bender (Soz.) befürwortet diesen A mit dem Hinweis, daß eine systematische Schulung der Arbeitnehmer⸗ vertrveter in den Betriebsräten, den Schlichtungsausschüssen usw. ermöglicht werden müsse. Das Betriebsrätegesetz müsse durch eine Novelle verbessert werden. Die Arbeitgeber versuchten das Be⸗ triebsrätegesetz zu umgehen, namentlich bei der Vertretung des Betriebsrats im Aufsichtsrat, indem die Satzungen der Gesellschaft dahin geändert werden, daß die Befugnisse des Aufsichtsrats einem besonderen Ausschuß oder dem Vorsitzenden übertragen werden, so daß die gesetzliche Vertretung des Betriebsrats im Aufsichtsrat ein Schlag ins Wasser bleibe. Die Befreiung der Banken von der Bilanzvorlegung dürfe nicht zugestanden werden.

ierauf nimmt der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns das Wort. Seine Rede kann wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst am Montag im Wortlaut mitgeteilt werden. Abg. Frau Sender (U. Soz.) führt ebenfalls Beschwerde über Nichtachtung des Betriebsrätegesetzes.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns betont nüber einer Aeußerung der Vorrednerin, 89 die Entscheidung über die Be⸗ freiung der Banken von der Pflicht der Bilanzvorlegung Sache der gesamten Reichsregierung sei, wobei allerdings das Finanz⸗ ministerium eine überwiegende Mitwirkung habe. Auch auf seiten der Betriebsräte werde gesündigt.

Der Antrag Müller⸗Franken (Soz.) und Dr. Moses (U. Soz.) wird angenommen.

Der Rest des Haushalts des Arbeitsministeriums wird ohne erhebliche Debatte erledigt, ebenso der Etat des allgemeinen Pensionsfonds, bei dem der Antrag der Un⸗ abhängigen auf sofortige Revision des Versorgungsgesetzes abgelehnt wird.

Die Entschließungen des Ausschusses auf schleunige Aus⸗ zahlung der Ruhestandsbezüge und auf Erhöhung der Ver⸗ stümmelungszulage werden angenommen.

Nächste Sitzung Sonnabend, 10 Uhr (Gesetzentwurf über Autonomie der Reichsbank, Etat des Ernährungs⸗ ministeriums).

Schluß gegen 834 Uhr.

Handel und Gewerbe. Telegraphische Auszahlung.

20. Mai

Geld Brief 11685,35 11714,65

109,72 ½ 110,02 2526,80 2533,20 5953,05 5566,95

. (6411,95 6488,05

Stockholm und Gothen⸗ I1111616“ Helsingfors. 8 621,20 622,80 I . 1557,05 1560,95 London 1344,30 1347,70 New YVork. 303,12 303,88

19. Mai

Geld Brief 11535,55 11564,45

107,97 ½ 108,27 2461,90 2468 10 5523,05 5536,95 6337,05 6352,95

7620,45 7639,55 617,20 618,80 1523,05 1526,95 1324,80 1328,20 296,12 296,88 2691,60 2698,40 5682,85 5697,15 4679,10 4690,90 140,17 ½ 141,17 40,81 ½ 40,93

Amsterdam⸗Rotterdam Buenos Aires (Papier⸗ Brüsat und Antwerpen Shriitingia Kopenhagen

Haris . 2752,55 2759.8 chweiz.. 5792,75 5807,25 Spanien.. 4798,95 4811,05 143,50 144,50 Rio de Janeiro 42,44 42,56 Wien (altes) Wien (Dtsch.⸗Oesterr.),

abgestemp. . . 8 3,00 ½ 8 573,75 Budapest 6 . 36,45 J““ 1 225,95 Konstantinopel.

3,04 ½ 575,25 36,55 226,55

3,03 572,25

37,00 224,45

3,07 573,75 37,10 225,05

Ausländische Banknoten vom 20. Mai.

Geld

Amerikanische Banknoten 1000—5 Doll.. 302,75

8 2 und 1 Doll.. 299,70

Belgische ür 100 r.... 2517,25

Dänische 10o 66.

Englische Froße (100 500 Lstrl.) 1343,25

1 Lstrl. u. darunter.

Fnnigfe 88 ranzösisch

1339,50 618,25 745,25

olländische Italienische Norwegische

11673,25 1552,25 Oesterreichische

5554,25

Rumänische

Schwedische

Brief 300,30 2522,75 6416,50 1346,25 1342,50 619,75 2750,75 11696,75 1555,75

alte (10 100 Kr.). neue (1000 Kr.) . neue (10 u. 100 Kr.) 500 u. 1000 Lei. . unter 500 Lei für 100 Kr.. Schweizer für 100 Tr. .. Spanische 8

8 unter 100 †t...

571,25