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Auf dem Gebiete der Milchversorgung machen sich die Folgen des Krieges und der Zwangswirtschaft in besonders be⸗ trüblichem Maße geltend. Der gänzliche Mangel an Futtermitteln während des Krieges, die unglückliche Preispolitik, die in der Zwangswirtschaft getrieben werden mußte, hat die Abmelkewirt⸗ schaften, auf die sich die Versorgung der großen Städte stützte, zer⸗ stört. Ihr Aufbau ist zum Teil gar nicht mehr möglich, oder wird zum mindesten noch Jahre beanspruchen. Der Stand der Friedens⸗ versorgung mit Milch wird in den meisten Städten, trotz der im allgemeinen jetzt die Milchproduktion ermöglichenden Preise noch lange nicht erreicht sein, weil ihr in den Milcheinzugsgebieten der meisten Städte die Grundlage fehlt. Auch die Schläge, die das
Molkereiwesen und damit die Butterversorgung durch Krieg und
Zwangswirtschaft erlitten hat, werden noch eine Reihe von Jahren nachwirken.
Um die Milchversorgung der unter Milchnot leidenden Ge⸗ bite zu bessern und wenigstens den Bedürftigsten, den Armen, Kranken und Säuglingen die Milch unter den hohen Preisen zu⸗ kommen zu lassen, sind im laufenden Wirtschaftsjahr 400 Millionen Mark zur Milchverbilligung bereitgestellt worden. Man ging dabei von der Erwägung aus, daß unter allen Umständen eine Ver⸗ schlechterung des Ernährungszustandes der heranwachsenden Gene⸗ ration, die unter den Kriegsfolgen am meisten gelitten hat, ver⸗ hindert werden müsse. Diese Hilfe weiter zu gewähren, verbietet, so wünschenswert sie an sich wäre, unsere finanzpolitische Lage; hingegen soll die dem gleichen Ziele dienende hochherzige Aktion der Kinderspeisung durch die amerikanische Kinderhilfsmission der Quäker durch unentgeltliche Hergabe von Mehl und Zucker weiter unterstützt werden. 1
Ich will diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne den amerikanischen Quäkern und allen, die ihr Werk in Amerika und Deutschland fördern halfen, den herzlichsten Dank der Reichs⸗ regierung auszusprechen. (Lebhaftes Bravo.)
Aus dem, was ich Ihnen in aller Kürze über die allgemeine Ernährungslage mitteilen konnte, geht hervor, daß auf fast allen Gebieten freie Wirtschaft herrscht. Es war daher möglich, einer aus weiten Kreisen des deutschen Volkes mit aller Kraft gestellten Forderung des Abbaues der Kriegsorganisationen Rechnung zu tragen.
Dem Ministerium unterstanden bei seiner Errichtung ins⸗ gesamt 38 Kriegsorganisationen, jetzt unterstehen ihm nur noch 13, von den übrigen 25 Organisationen sind 18 völlig aufgelöst und 7 als reine Abwicklungsstellen ohne bewirtschaftende Tätigkeit an das Reichsschatzministerium abgegeben worden. Die bei dem Ministe⸗ rium noch verbliebenen 13 Organisationen befinden sich gleichfalls in der Auflösung oder Liquidation mit alleiniger Ausnahme der Reichsgetreidestelle und der Ueberwachungsstelle für Ammoniak⸗ dünger und phosphorsäurehaltige Düngemittel.
Bei der Errichtung des Ministeriums am 1. April 1920 waren in den 38 Kriegsorganisationen insgesamt 11 647 Beamte und Angestellte beschäftigt, im März dieses Jahres einschließlich der in der Zwischenzeit an das Reichsschatzministerium abgegebenen Organisationen nur noch 1867 Beamte und Angestellte. Der Personalbestand der dem Ministerium noch unterstehenden 13 Organisationen belief sich am 1. April 1920 auf 9133, während er jetzt auf 1719 Beamte und Angestellte zurückgegangen ist.
Ueber den 1. Juni 1922 hinaus wird lediglich die Reichs⸗ ttreidestelle und die Ueberwachtungsstelle für Ammontaldünger und phosphorsäurehaltige Düngemittel verbleiben.
Die Aufgaben meines Ministeriums liegen demnach künftig der Hauptsache nach nicht mehr in der Bewirtschaftung der Nah⸗ rungsmittel, sondern in der Förderung ihrer Erzeugung. (Sehr richtig! rechts.)
Mit besonderem Nachdruck werde ich dem Hilfswerk der deutschen Landwirtschaft, dieser vorerst geistigen Aktion, Aufmerk⸗ samkeit und Unterstützung leihen. Der Gedanke des Hilfswerks
st aus unserem Valutaelend heraus geboren, es strebt danach, die elastung der deutschen Wirtschaft durch die Auswirkungen des dazu in der Steigerung der Produktion bis zur Deckung unseres Lebensmittelbedarfes aus dem eigenen Boden. Die Sicherung unserer Ernährung fordert diese Steigerung, sie liegt aber aus rein wirtschaftlichen Gründen auch im Interesse der Landwirtschaft.
Das Ministerium wird also beiden in ihm wahrzunehmenden Belangen, der Ernährung und der Landwirtschaft, gerecht, wenn es Maßnahme zur Steigerung der Produktion anregt, sie trifft und durchführt.
Ich habe dabei nicht die Absicht, in die Zuständigkeit und Arbeiten der Länder, die auf diesem Gebiete Vorbildliches geleistet haben, einzugreifen. Das würde auch schon die Verschiedenheit der landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse in den einzelnen Teilen des Reiches verbieten. Aber selbst bei sorgfältiger Wahrung der Eigentätigkeit der Länder bleibt für das Reich eine Fülle von Aufgaben, die gerade im Interesse der gleichmäßigen Berücksichti⸗ gung aller Länder nur von Reichs wegen gelöst werden können. Hierzu gehören z. B. die Wahrung der Interessen der landwirt⸗ schaftlichen Produktion in der gesamten Wirtschafts⸗, Handels⸗ und Zollpolitik, die Sicherstellung, die Erleichterung und Förderung des Bezuges landwirtschaftlicher Betriebsmittel in einwandfreier Beschaffenheit zu angemessenen Preisen, die Maßnahmen zum Schutze der landwirtschaftlichen Erzeugnisse gegen Krankheiten und Beschädigungen durch tierische und pflanzliche Feinde, die An⸗ bahnung der Regelung des Saatgutverkehrs, die Bestrebungen zur Verbesserung und Vereinheitlichung des landwirtschaftlichen Ma⸗ schinen⸗ und Gerätewesens. Bei allen diesen Fragen findet selbst⸗ verständlich ein enges Zusammenarbeiten mit den Landwirtschafts⸗ verwaltungen der Länder statt.
Soweit es sich darum handelt, den Fortschritten der Wissen⸗ schaft und Technik Eingang in die Landwirtschaft zu verschaffen, also in den Fragen des Unterrichts⸗, Bildungs⸗, Versuchswesens
sw., wird sich die Reichslandwirtschaftsverwaltung wie bisher in der Hauptsache darauf beschränken, anregend und unterstützend zu wirken und die in den verschiedenen Reichsteilen gesammelten Er⸗ fahrungen und erzielten Fortschritte auf landwirtschaftlichem Ge⸗ biete zusammenzufassen und den Ländern zu vermitteln.
Im einzelnen erlaube ich mir folgendes hervorzuheben:
Das schnellwirksamste Mittel zur Hebung der pflanzlichen und damit auch der tierischen Erzeugung ist die vermehrte Kunst⸗ düngeranwendung; beruht doch der Rückgang der Ernte⸗ erträge wähvend der Kriegs⸗ und Nachkriegszeit in erster Linie
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Mangel an Kuns’dünger. Deshalb war die gesteigerte Versorgung der Landwirtschaft mit künstlichen Düngemitteln eine Hauptsorge des Reichslandwirtschaftsministeriums. Seit der Er⸗ richtung des Ministeriums hat sich denn auch die Versorgung er⸗ heblich gebessert. 85 88
Im abgelaufenen Düngerjahr konnte, wie ich schon erwähnte, dem deutschen Boden bereits mehr Kunstdüngerstickstoff zugeführt werden als in den letzten Vorkriegsjahren.
Nicht so günstig, aber wesentlich besser als in den Vorjahren hat sich die Versorgung mit Phosphorsäure gestaltet. Im Dünger⸗ jahr 1920/21 ist es möglich gewesen, für die Landwirtschaft an⸗ nähernd die doppelte Menge Phosphorsäure bereitzustellen als im Fahre vorher; wir bezogen auf die heutige Fläche des Deutschen Reiches annähernd die Hälfte der Menge der letzten Vorkriegs⸗ jahre. Für das laufende Düngerjahr wird sich trotz vieler Schwierigkeiten eine weitere Verbesserung der Versorgung mit Phosphorsäure bemerkbar machen.
Kali wird wie bisher in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen.
Während des vergangenen Jahres und auch in der ersten Hälfte des laufenden Düngerjahres ist es im wesentlichen gelungen, die Preise für Kunstdünger stabil zu halten. Bei Super⸗ phosphat, Rhenaniaphosphat und Knochenmehl konnten im Juni vergangenen Jahres (1921) die Preise sogar vorübergehend gesenkt werden. In letzter Zeit mußten die Preise für alle Düngemittel mit Rücksicht auf die stark gestiegenen Erzeugungskosten der Werke und die Gefahr der Einschränkung der Erzeugung wegen Unwirt⸗ schaftlichkeit unter gleichzeitiger Aenderung der Preisfestsetzungs⸗ grundsätze mehrfach erhöht werden. Die Notwendigkeit der einge⸗ tretenen Preiserhöhung ist auch von den Vertretern der Landwirt⸗ schaft jedesmal anerkannt worden.
Die Preisfestsetzung für Thomasmehl erfolgt auf Grund seines Wertverhältnisses zum Getreide. Der Landwirt braucht auch jetzt zum Ankauf eines Kilogramms Phosphorsäure in Thomasmehl nicht mehr Getreide aufzuwenden, als er im Frieden hierfür ver⸗ wandt hat.
Die Stickstoffpreise sind von den Kohlenpreisen, die einen wesentlichen, je nach dem angewandten Verfahren unterschiedlichen Anteil an den Gestehungskosten ausmachen, abhängig gemacht worden.
Es sind Zweifel entstanden, ob dieser Preisberechnungsgrund⸗ satz gerecht und zweckmäßig ist, so daß augenblicklich die Frage der Abänderung dieser Grundlage untersucht wird. —
Ich darf mit Befriedigung feststellen, daß die Erkenntnis von der Bedeutung des Kunstdüngers für den Ausfall der Ernte und damit sein Verbrauch anch in den Kreisen der bäuerlichen Landwirtschaft, der ja der größte Teil des landwirt⸗ schaftlich genutzten Bodens anvertraut ist, eine immer größere Verbreitung gewinnt. Die sachgemäße und ausgedehnte Ver⸗ wendung des Kunstdüngers muß Gemeingut aller Teile der Land⸗ wirtschaft vom Kleinbauern bis zur großen Wirtschaft werden; dies soll durch eine ausgedehnte Propaganda, welche die Vorteile der Anwendung von Kunstdünger in der Landwirtschaft mit Hilfe von Düngungsversuchen und Beispielswirtschaften sinnfällig vor Augen führt, im Benehmen mit den Ländern noch gefördert werden.
Als ein weiteres Mittel zur Hebung der pflanzlichen Erzeugung ist die Züchtung und Verwendung von ertragsreichen und widerstandsfähigen Samensorten, also die Verwendung von ein⸗ wandfreiem Saatgut zu betrachten. Die auf diesen Gebieten bisher erzielten Erfolge sind zum großen Teil der Schaffenskraft einzelner landwirtschaftlicher Züchter und fleißig arbeitender Organisationen zu danken. Die Forderung der Nationalversamm⸗ lung auf Errichtung eines Zentralinstituts zur Pflanzenzüchtung konnte angesichts der Finanzlage des Reiches noch nicht erfüllt werden. Bei der Biologischen Reichsanstalt für Land⸗ und Forst⸗ wirtschaft sind jedoch entsprechende Einrichtungen getroffen worden, um in stärkerem Maße als bisher die Erforschung der wissenschaft⸗ lichen Grundlagen der Pflanzenzucht, die der praktische Landwirt zu seinen Arbeiten braucht, zu ermöglichen. Besondere Aufmerksam⸗ keit wird hierbei der Züchtung widerstandsfähiger Sorten geschenkt werden. G
In diesem Zusammenhange bemerke ich noch, daß es Aufgabe des der Biologischen Reichsanstalt angegliederten Forschungs⸗ instituts für Kartoffelbau ist, die mit dem Kartoffelbau zusammen⸗ hängenden Fragen, insbesondere der Kartoffelzüchtung, zu be⸗ arbeiten. Die Kosten der Unterhaltung dieses Instituts werden hauptsächlich aus den auf Grund des Branntweinmonopolgesetzes zur Verfügung stehenden Mitteln „zur Förderung des Kartoffel⸗ baues und der Kartoffelverwertung“ bestritten.
Der Sicherung der Felderträge gegen Verluste vor und nach der Ernte durch tierische und pflanzliche Schädlinge sowie durch Witterung und Bodeneinflüsse kommt heute eine erhöhte Bedeutung zu. In früheren Jahren veranstaltete Schätzungen und Er⸗ hebungen zeigen, daß diese Schäden nach heutigem Geldwert in die Milliarden gehen. Die Arbeiten der Biologischen Reichsanstalt für Land⸗ und Forstwirtschaft sollen die hierauf gerichteten Be⸗ strebungen in wissenschaftlicher und im besonderen in praktischer Hinsicht zusammenfassend und richtunggebend beeinflussen.
Um die Biologische Reichsanstalt in den Stand zu setzen, die vielen Aufgaben zu erfüllen, sind entsprechend einer diesbezüglichen Entschließung des Reichstages vom Dezember 1920 im Haushalt für 1922 mehrere neue Stellen für Beamte sowie erhöhte Mittel zur Besoldung des Hilfspersonals angefordert worden.
Neben dieser organisatorischen Förderung der Schädlings⸗ bekämpfung wird in meinem Ministerium eine Reihe gesetz⸗ geberischer Maßnahmen vorbereitet, und zwar ein Pflanzenschutzgesetz, das die Grundlage für ein wirksames Vorgehen hinsichtlich des Pflanzenschutzes schaffen soll, sowie ferner ein Gesetz zur Regelung des Verkehrs mit Pflanzenschutzmitteln, um den Ver⸗ trieb untauglicher Pflanzenschutzmittel zu verhindern.
Die im Vorjahre aus dem Kampf gegen den Betrug geborene Mischfutterverordnung hat sich bewährt. Sie dürfte sich als wert⸗ voller Vorläufer für das von der Landwirtschaft längst geforderte, in anderen Ländern schon bestehende Futtermittelgesetz erweisen. Auf diesem Gebiet wird in engster Fühlungnahme mit den Be⸗ teiligten, der Landwirtschaft, den Genossenschaften sowie dem Handel, weitergearbeitet. 1
Einem bis jetzt recht stiefmütterlich behandelten Gebiete, der
milchwirtschaftlichen Wissenschaft, die in anderen Ländern, Däne⸗
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mark und der Schweiz, sich längst ihrer Bedeutung entsprechender
Berücksi htigung erfreut, gelten die Bemüthungen zur Schaffung von zwei Forschungsinstituten in den Hauptmilcherzengungsgebieten des Südens und des Nordens. Die Träger dieser Anstalten sind die Länder, der Einfluß des Reiches ist durch ein über den Anstalten stehendes Reichskuratorium gewahrt. Neben diesen Forschungs⸗ anstalten ist in Anlehnung an das Landmaschinen⸗Institut der Universität Halle ein Prüfungsamt für milchwirtschaftliche Ma⸗ schinen und Geräte errichtet worden.
Die Hebung der landwirtschaäftlichen Erzeugung setzt weit⸗ gehendste Anwendung von Maschinen und technischer Hilfsmittel voraus. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebes wird künftig nur bei weitgehendster Mechanisierung gegeben sein. Die landwirtschaft⸗ liche Maschinenindustrie muß die Bedürfnisse der Landwirtschaft kennen lernen und berücksichtigen. Wir haben daher, um In⸗ dustrie, Wissenschaft und praktische Landwirtschaft zum Meinungs⸗ austausch zusammenzuführen, einen Ausschuß für Technik und Landwirtschaft ins Leben gerufen, der unter seinem berufenen, kenntnisreichen Vorsitzenden schon außerordentlich Ersprießliches geleistet hat. Der schmerzliche Verlust fruchtbarster Gebietsteile durch den Friedensvertrag zwingt dazu, Neuland zu erschließen und dadurch die Produktionsbasis wieder zu verbreitern. Gemäß dem Beschluß der Nationalversammlung ist deshalb bei meinem Ministerium ein Ausschuß für Moorkultur und Oedlanderschlie⸗ ßung geschaffen worden, dessen Aufgabe es ist, im Benehmen mit den Ländern die vielen Anregungen auf ihre Durchführbarkeit zu prüfen und die Durchführung geeigneter Erschließungen zu beantragen.
liegen. Zurzeit wird im Einvernehmen mit den beteiligten Ländern eine umfassende Statistik zwecks einwandfreier Feststellung der im Reichsgebiet vorhandenen Moor⸗ und Heideflächen vorbereitet.
Das Bedürfnis, die in der deutschen Landwirtschaft tätigen Kräfte zu einer öffentlich⸗rechtlichen zentralen Berufsver⸗ tretung zusammenzuschließen, um diese Kräfte für den Wieder⸗ aufbau der deutschen Landwirtschaft nutzbar zu machen, hat zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes über eine vorläufige Reichs⸗ landwirtschaftskammer geführt. Der Entwurf, der dem Reichskabinett vorliegt, sieht die vorlöufige Errichtung einer Reichslandwirtschaftskammer vor für die Zeit, bis zu welcher über die Zusammensetzung und Abgrenzung der in Artikel 165 der Reichsverfassung vorgesehenen Berufsorganisationen endgültig Entscheidung getroffen sein wird. 1
Ganz besondere Sorgfalt werde ich der Entwicklung und dem Ausbau des landwirtschaftlichen Genossen⸗ schaftswesen widmen. Ueber die Förderung unmittelbarer Geschäftsbeziehungen zwischen Erzeuger⸗ und Verbrauchervereini⸗ gungen und Handelsgemeinschaften, denen für die Zukunft erhöhte Bedeutung beizumessen ist, habe ich mich wiederholt schon geäußert.
Zwei wichtige Arbeitsgebiete meines Ministeriums habe ich bisher noch nicht erwähnt, die Forstwirtschaft und die Fischerei. Nicht deshalb, weil sie von minderer Bedeutung wären, sondern weil es mir darauf ankam, heute vor Ihnen in erster Linie meine Stellung zu den großen Fragen der Ernährung und der Landwirtschaft darzulegen. Ich will mich daher auch bezüglich der genannten Arbeitsgebiete auf wenige Worte beschränken.
Es ist in erfreulicher Weise gelungen, die Verluste, die Hochseefischereien während des Krieges an Fahrzeugen erlitte haben, auszugleichen, so daß Deutschland heute über mehr Fisch dampfer verfügt, als vor dem Kriege. Leider haben sich aber d Möglichkeiten, die diese Entwicklung der Hochseefischereien für d Versorgung der Bevölkerung mit Seefischen bietet, im vergangene Jahre nicht voll auswerten lassen, weil die Kohlenzufuhr e völlig ungenügende war, trotz aller Bemühungen, die seitens amtlichen Stellen aufgewendet wurden, sie zu bessern. Es w mein Bestreben sein, der zur Zuständigkeit meines Ministeriun gehörenden Hochseefischerei und Heringsfischerei alle Hilfe ang deihen zu lassen, die zu ihrer Weiterentwicklung notwendig Daneben werde ich in engem Benehmen mit den Ländern a für die Klein⸗- und Küstenfischerei eintreten, die zurzeit mit grof Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die große Nahrungsquelle d Meeres wird sich uns erst voll erschließen, wenn es gelingt, in der Fischerei tätigen Kräfte voll zu entfalten; nur durch inte siven Betrieb und entsprechende Regelung der Anlandungen wi es auch möglich sein, die Preise für die Seefische in den Grenze zu halten, die ihren Absatz im Inland ermöglichen und sichern
Die dem Reiche auf dem Gebiete der Forst⸗ und Holz wirtschaft obliegenden Aufgaben werden von meinem Mini⸗ sterium in enger Fühlung mit den zuständigen Landesbehörden wahrgenommen. An größeren Arbeiten ist zu erwähnen ein Vorbereitung befindlicher Gesetzentwurf, der insbesondere bea sichtigt, den Ländern die von ihnen gewünschten reichsgesetzlichen Ermächtigungen für eine gesetzgeberische Tätigkeit zum Zwecke d. Steigerung der Produktion in den Privatforsten zu geben, sowie ein Gesetzentwurf über die Bildung einer öffentlich⸗rechtlichen Berufs vertretung.
Meine Damen und Herren, ich habe mich in der Da stellung der Aufgaben allgemeiner Art meines Ministeriums au das Wesentlichste beschränkt. Sie werden aber daraus ersehe haben, daß der Aufgabenkreis ein außerordentlich großer ist, und daß, wenn durch Besserung unserer Ernährungslage die Fragen der Ernährungswirtschaft auch mein Ministerium nicht mehr in seitherigem Maße beanspruchen, doch wichtige und um⸗ fangreiche Arbeiten es überreich belasten.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat engering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32.
Fünf Beilagen
Die Durchführung selbst wird nach wie vor den Ländern ob⸗ .
zum Deutschen N Nr. 118.
rste Beilage
zanzeiger und Preußisch
Verlin, Montag,
½
den 22. Mai
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Die Frage des Fortbestandes des Reichsministeriums für Er⸗ nährung und Landwirtschaft, die jetzt im Hinblick auf die noch be⸗ stehende und im kommenden Jahr weiterzuführende Bewirtschaftung der Brotversorgung gar nicht aufgeworfen werden sollte, wird sich aus der Unentbehrlichkeit des Ministeriums im Hinblick auf die hohen wichtigen Aufgaben, die es für das Volksganze lösen muß und lösen wird, selbst beautworten. Sie sollte aber auch im Interesse der Autorität des Ministeriums der Oeffentlichkeit gegen⸗ über, im Interesse der Erhaltung der Arbeitsfreude des Beamten⸗ körpers und der Gewinnung und Erhaltung tüchtigster Arbeits⸗ kräfte erst gar nicht gestellt werden.
Tüchtigste Arbeitskräfte, die Mitarbeit aller Kreise des Volkes und volle Autorität brauche ich aber, wenn ich der Schwierig⸗ keiten, die sich meinen Aufgaben entgegenstellen, Herr werden soll, wenn ich erreichen soll, was ich mit aller Kraft erstrebe, die aus⸗ einandergehenden Interessen der mir anvertrauten Zweige der Verwaltung, der Ernährung und der Landwirtschaft zu ver⸗ inden, wenn es mir gelingen soll, die Verbraucher und Erzeuger ewegen, zu gemein⸗ vereinen, wenn die Kluft zwischen Stadt und 8 “ und des Staates überbrückt
Lebhafter Beifall im Zentrum, bei der Bayeri Volkspartei und den Deutschen Demokraten.) Der Ausschuß legt eine Reihe von Entschließungen Unter anderem wird dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft empfohlen, bei der Besetzung der leitenden Stellen des Ministeriums mehr als bisher dem Prinzip der fachlich⸗technischen Vorbildung Rechnung zu tragen. Die Aus⸗ suhr von Gemüsekonserven soll nur für die Bedürfnisse des Saarlandes und des Freistaates Danzig unter Sicherungen 1 werden, die eine Weiterleitung ins Ausland unmöglich
hen.
Eine Getreideumlage in der bisherigen Form wird als
nicht möglich bezeichnet, weil sie die notwendige Vermehrung der landwirtschaftlichen Erzeugung hindere und dadurch die dauernde Sicherstellung der Ernährung gefährde. Andererseits wird zur Sicherung der Versorgung der breiten Massen mit Brotgetreide die rechtzeitige Sicherstellung einer genügenden Brotreserve unter Verbilligung des Brotpreises für Minder⸗ bemittelte verlangt. Der Landwirtschaft soll ein mit ihren be⸗ rufenen Vertretern zu vereinbarender Preis gesichert werden. Eine weitere Entschließung fordert die Reichsregierung auf, in großzügiger und umfassender Weise den Abschluß von Privat⸗ lieferungsverträgen in Kartoffeln zwischen Erzeugern und Ver⸗ brauchern unter Mitwirkung der landwirtschaftlichen Berufs⸗ vereinigungen, der Genossenschaften und Konsumvereine zu vevanlassen und zu vermitteln. Dem Ausschuß für Volkswirt⸗ schaft soll bis zum 31. August über den Stand und den Erfolg der Arbeiten Bericht erstattet werden. Es soll erwogen werden, für die von den Erzeugern für Minderbemittelte zu ermäßigten Preisen gelieferten Kartoffeln Frachtermäßigung zu bewilligen. Der Ausschuß verlangt weiter, daß dem schrankenlosen Handel und Schiebertum durch Konzessionierung und strenge Prüfung der Zuverlässigkeit der Händler nachdrücklich gesteuert wird und daß gleich zu Beginn der Erntezeit genügend Wagen zur Be⸗ förderung gestellt werden. Schließlich wird die Regierung auf⸗ gefordert, Erhebungen über die Gerüchte über Zuckewverkäufe nach dem Ausland zur Beschaffung von Devisen anzustellen und zu ermitteln, ob Fabriken oder Raffinerien Zucker vom freien Verkehr zurückhalten. Bejahendenfalls wird schärfstes Ein⸗ schreiten und strenge Bestrafung der Schuldigen gefordert.
Während der Ausschuß die Regierung ersucht, in Er⸗ wägungen über die evtl. Ueberweisung des ländlichen Pacht⸗ und Siedlungswesens einzutreten, verlangt eine Entschließung der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei die Trennung des ländlichen Pacht⸗ und Siedlungswesens vom Reichsarbeitsministerium und Ueberweisung an das Ministe⸗ rium für Ernährung und Landwirtschaft.
Ein Antrag Müller⸗Franken (Soz.) fordert die Bei⸗ behaltung des Umlageverfahrens für die Erfassung des Brot⸗ getreides in Höhe von 4 ½ Millionen Tonnen, die Festsetzung bestimmter Ablieferungstermine und die Beibehaltung der zivil⸗ rechtlichen Haftung für die Ablieferung des Umlagegetreides. Die Versorgung mit Kartoffeln soll auf dem Wege privatrecht⸗ licher Lieferungsverträge sichergestellt werden. Zwecks Ein⸗ haltung der Verträge soll der Erfüllungszwang gesetzlich fest⸗ gelegt werden. Weiter verlangt der Antrag die Wieder⸗ einführung der öffentlichen Bewirtschaftung des Zuckers und Festsellung einer Wochenration von ½ Pfund pro Kopf und besondere Berücksichtigung der Säuglinge.
Abg. Thomsen (D. Nat.): Ohne eine Entwicklung der Land⸗ wirtschaft wird das deutsche Volk dem Untergang entgegengehen. Die Förderung der Landwirtschaft ist eine der vornehmsten nationalen Aufgaben, und die Regierung muß alles tun, um unsere Landwirtschaft zur höchsten Leistungsfähigkeit zu bringen. Der Abg. Hoch hat gestern beim Etat des Arbeitsministeriums sich darüber beschwert, daß wir einen Antrag eingebracht haben, wonach die Angelegenheit in der ländlichen Siedelung und der Pachtung und Verpachtung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke aus dem Etat des Arbeitsministeriums herausgenommen und dem Ministe⸗ rium für SS und Landwirtschaft übertragen wird. Wir werden uns durch solche Kritik nicht abhalten lassen, einen Antrag einzubringen, den wir im Interesse der Sache für richtig halten. Es handelt sich um ein ungeheuer wichtiges und schwieriges Gebiet, das nur von landwirtschaftlichen Sachkundigen richtig übersehen werden kann. Zu den Ernährungsfragen hat der Minister im Ausschuß erklärt, daß sich die Regierung die Entscheidung über die Höhe der Getreideumlage für dieses Jahr vorbehalten müsse. Nun verrate ich aber kein Geheimnis, wenn ich sage, daß bereits ein Entwurf vorliegt, der die Getreideumlage auf 3 ½ Millionen Tonnen festsetzt. Der frühere Minister hat wiederholt ausge⸗ sprochen, daß die Umlage im vorigen Jahr die letzte sei. (Sehr richtig! rechts.) Er hat dreimal ausdrücklich gesagt, daß die Umlage „noch einmal“ gemacht werden müsse. (Abg. Hilden⸗ brand Soz.]: Noch einmal, nicht noch ein mal. — Heiterkeit.) Jedenfalls mußte in der Landwirtschaft der Eindruck erweckt wer⸗ den, daß es das letzte Mal sein würde; und daß im nächsten Jahr volle Freiheit eintreten sollte. (Sehr richtig! rechts.) An einem
Ministerwort soll man nicht drehen und deuteln. Nur infolge dieser Zusage ist es im vorigen Jahre mit der Umlage verhältnis⸗ mäßig glatt gegangen. (Sehr richtig! rechts.) Unsere Stellung hat sich gegen das Vorjahr nicht geändert. Die Regierung muß sich endlich eiumal zu einem Entschluß aufraffen, der eine Sicherung dafür bietet, daß die traurigen Verhältnisse der Ernährung be⸗ seitigt werden. Wir sind daher für den Fortfall der Getreide⸗ umlage. Nur bei der freien Gestaltung der Erzeugung kann die notwendige Nahrung für die Bevölkerung geschaffen werden. Wir
können auf die Dauer nicht 32 % Milliarden für ausländisches Brotgetreide ausgeben. Die Zwangswirtschaft n⸗ die Uhische⸗ Felts eine ungerechtfertigte Sonderbesteuerung eines Berufsstandes dür. Wir sehen daher die große Unlust der landwirtschaftlichen Kreise zur Erzeugung. Wenn es den landwirtschaftlichen Organi⸗ sationen im letzten Jahre gelungen ist, die Landwirte zur Steige⸗ rung der Produktion zu veranlassen, so geschah es deshalb, weil die Landwirtschaft damit rechnete, daß im nächsten Jahre die Umlage wegfallen würde. Wenn die Regierung die Umlage dadurch ver⸗ edeln will, daß sie die Zahl der Personen, die die Umlage auf⸗ bringen sollen, verringert, so ist das keine Veredelung, sondern eine Verschlechterung, weil dadurch Unzufriedenheit in die Landwirt⸗ schaft hineingetragen wird. Wenn bei der Abstimmung über die Umlage im vorigen Jahre einige Mitglieder unserer Fraktion haben, so kommt das auch in anderen Parteien vor, jeden⸗ falls sind wir in der Ansicht über die Umlage einig. Der Aus⸗ schuß der deutschen vandpirischaf hat die Voraussetzung für den Uebergang zur freien Wirtschaft erfüllt, indem er die Sicherheit bot, daß das Notwendige würde zur Verfügung gestellt werden, vorausgesetzt, daß ein Preis gezahltl werde, der den Erzeugern einen angemessenen Gewinn läßt. Der Minister hat im Ausschuß selbst erklärt daß die Landwirtschaft einen Preis verlangen könne, er einen gewissen Gewinn und eine Risikoprämie darstelle, so daß die künftige Bestellung des Bodens sichergestellt ist. Eine Erhöhung des Brotpreises wird sich nicht umgehen lassen. Für die Ver⸗ billigung des Brotes für die Unbemittelten muß die Regierung aber Sorge tragen. Sie sollte daher der Entente gegenüber kein Blatt vor den Mund nehmen und erklären, daß Zuschüsse des Reichs zur Verbilligung des Brotes unerläßlich sind. Zwischen dem Reichsausschuß der Landwirtschaft und den in Be⸗ tracht kommenden Interessen find bereits Verhandlungen über Lieferungsverträge sehr weit gediehen, und das bisherige Ergebnis dieser Verhandlungen läßt die aus⸗ reichende Versorgung der Bevölkerung als völlig ge⸗ sichert erscheinen. Die freie Betätigung der deutschen Landwirtschaft ist eine Voraussetzung für die Besserung der Volksernährung. Eine weitere Voraussetzung ist der Wirtschaftsfriede in der Landwirtschaft. Zwischen der Landwirtschaft einerseits und der Industrie und dem Handel andererseits muß eine bessere Verständigung herbeigeführt werden; leider wird in den Kreisen des Landes vielfach noch die Meinung verbreitet, als ob die Landwirtschaft ihr feindlich gegenüber · stehe. Das Genossenschaftswesen hat heute vielfach Formen an⸗ N die bedenklich und gefährlich erscheinen. Dem Handel oll man die Betätigungsfreiheit lassen, die ihm zukommt. Für dringend notwendig halte ich es, daß die großen Genossenschaftsver⸗ bände sich mit den Vertretern des Handels darüber verständigen, wie weit die Betätigung des Genossenschaftswesens gehen soll, und was dem Handel überlassen werden muß. Die Reichsregierung muß auf die besonderen Bedürfnisse der Landwirtschaft Rücksicht nehmen. Die dahin gehende Erklärung des Ministers haben wir mit Be⸗ friedigung zur Kenntnis genommen. Wir sind der Ansicht, daß die Lasten, die dem deutschen Volk auferlegt sind, gemeinsam getragen, aber gerecht verteilt werden müssen. Die Steuer esetzgebung aber muß der Landwirtschaft die Möglichkeit geben 8 das notwendige Betriebskapital für eine intensive Bewirtschaftu zur Verfügung steht. Die landwirtschaftliche Produktion läßt sich nicht in Ge etze wingen, sie ist abhängig von der Tüchtigkeit des einzelnen. Auf dem Lande draußen hat man auch den Eindruck, als ob die Verhältnisse in Berlin nicht ohne Einfluß auf die Denkweise der Regierung sind und daß diese Verhältnisse und Stimmungen der Großstadt zum Tei auch auf die Gesetzgebung einwirken. Dem Herrn Landwirtschafts⸗ minister möchte ich den dringenden Rat geben, vor seiner endgültigen Entscheidung über die Getreideumlage sich gründlich über das Wesen und die Bedeutung der Landwirtschaft zu unterrichten. (Beifall rechts.)
Die öö“ Volkspartei und die Deutsche Volks⸗ partei haben folgenden Antrag eingebracht:
„Die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Brot⸗ getreide in der Form einer öffentlichen Getreideumlage ist nicht mehr vesfich. Jede Zwangsmaßnahme hindert, wie die Erfahrung gelehrt hat, die notwendige Vermehrung der landwirtschaftlichen Er⸗ zeugung und gefährdet dadurch die dauernde Sicherstellung der Er⸗ nährung der ö6“ iese bedenklichen Folgen würden bei der Beibehaltung des Um gg;dere rens auch für dieses Jahr sich noch stärker geltend machen. Es sind daher Maßnahmen zu ergreifen, die dahin zielen, auf anderer Grundlage die Brotversorgung zu gewährleisten und das Brotgetreide dem Bedürfnis der wirtschaftlich schwachen Bevölkerung entsprechend zu verbilligen.“
Abg. Schmidt⸗Cöpenick (Soz.): Wir betrachten es nach wie vor als die Hauptaufgabe des Ernährungsministeriums, für die Ernährung der Bevölkerung das zu tun, was irgend möglich ist. Die Frage, ob, wenn wir andere Zeiten haben, dieses Ministerium weiter bestehen bleiben soll, in, . entschieden werden. Was hat man nicht alles vor den Reichstagswahlen dem Volk ver⸗ sprochen! Wenn die sozialistische Zwangswirtschaft abgeschafft würde, würden die Preise für Brot und alle Lebensmittel billiger werden. Die Agitation der Rechtsparteien ging praktisch darauf hinaus: wenn Ihr uns wählt, so wird der Hering wieder 10 Pfennig kosten. Unser grundsätzlicher Standpunkt ist, daß in Zeiten des Warenmangels ein Eingriff in die Wirtschaft, eine Regelung unbedingt erforderlich ist. In den Kreisen des Land⸗ bundes hat man es ofsen ausgesprochen, daß man dem gesetzlichen Umlagezwang Widerstand enkgegensetzen würde. Wenn das so weitergeht, kann man noch erwarten, daß derjenige, der für die Umlage stimmt, erschossen wird. Das große Hilfswerk der Land⸗ wirtschaft hat sich als ein Bluff erwiesen. Der Weizen ist im Preise um 78 %, der Roggen um 77 % und Hafer um 72 % gestiegen, ein Pfund Butter kostet 90 Mark in Berlin. Ist diese ungeheure Preissteigerung bei dem jetzigen guten Stand des Futters gerechtfertigt? Es trifft überhaupt nicht zu, daß für die landwirtschaftlichen Produkte die Abhängigkeit vom Ausland ent⸗ scheidend ist. Der ungeheure Wucher auf dem Lebensmittelmarkt ist nicht mehr zu ertragen. Angeblich sollen die Löhne der Land⸗ arbeiter die Produktionskosten erheblich steigern. Nun beträgt aber der Lohn für Tagelöhner und Freiarbeiter, die wenig oder gar kein Deputat erhalten, in Ferpern die Stunde 6 Mark, Schwerin⸗ Mecklenburg 4 ½ Mark, Schlesien 3,89 Mark, Schleswig⸗Holstein 9 Mark u w. Mit diesen Löhnen kann man kaum heute aus⸗ kommen. Freiwillig haben sich die Landwirte nicht zu einer Auf⸗ besserung der Löhne verstanden. Die Landwirte erzielen heute Einnahmen, die durchaus den Produktionskosten entsprechen. Von einer Erhöhung der Löhne kann man aber erst dann sprechen, wenn der Landwirt mehr Land verwenden muß, um seine Arbeiter zu bezahlen. Die Reichsgetreidestelle muß mindestens 4,5 Millionen Tonnen Getreide zur Verfügung haben; die gesamte landwirtschaft⸗ lich benutzte Fläche muß herangezogen werden. Man sagt, die
Sozialdemokratie hätte kein Verständnis für die Landwirtschaft,
aber gerade Landwirte find es gewesen, die unsere Anträge ver⸗ anlaßt haben. Der Erfüllungszwang muß Seem festgelegt werden, die Kartoffelversorgung muß für den nächsten Heröst auf alle Fälle sichergestellt werden, und man muß rechtzeitig vorsorgen und nicht erst an Maßregeln denken, wenn der Frost schon ein⸗ tritt. Die Preisgestaltung für Zucker ist nicht mehr erträglich. Wir verlangen, daß jeder Familie pro Kopf und Woche ein halbes Pfund Zucker zur Verfügung gestellt wird. Wir haben in der uckerindustrie eine Zwangsbewirtschaftung im privatkapitalistischen Interesse, wie sie schlimmer nicht gedacht werden kann. Es genügt nicht, daß die Einfuhr des Auslandszuckers freigegeben wird, die Zuckerwirtschaftsstelle behauptet, daß nicht alle Zuckerfabriken ihr angeschlossen seien und die Außenseiter an der Preis⸗ steigerung schuld seien. Die Außenseiter machen nur 3 % aus, es ist doch eine Dreistigkeit, zu behaupten, “ 3 % daran schu seien. Die Notiz in der gestrigen Abendnummer der über unseren Antrag stammt nicht aus der Reda ion selbst sondern von der Pressestelle des Landbundes, und der Verfasser isr ein politischer Klopffechter schlimmster Art. (Ruf rechts: amen nennen!) Es ist Herr Kaufbold. Die Bestrebungen der Landwirte gehen dahin, die Landarbeiter von dem industriellen Proletariat zu trennen, aber jeder Versuch dazu wird erfolglos sein. Von den Vorschlä gen des Reichsausschusses der deutschen Landwirtschaft für die Ernährung versprechen wir uns nichts. Herr Fehr hat Herrn Rösicke vom Landbund aufgefordert, Vor⸗ schläge zu machen, wie er sich die Getreideversorgung denkt. Herr Rösiche hat aber geantwortet, daß sei Sache der Regierung. Ueber den Antrag auf Verbot der Gemüse⸗ und Spargelausfuhr wird sich eine Verständigung erzielen lassen. Aber unsere nächste Auf⸗ gabe muß die Brotversorgung sein. Selbst Personen, die der in nahestehen, haben die Landwirtschaft nachdrücklichst auf⸗ gefordert, ihre Pflicht zu tun. (Beifall links.) Abg. Blum (Gentr.): Wir werden den “ unterstützen, weil seine Ziele die unserigen sind. Während Minister Hermes immer im Vordersatz von der Zwangswirtschaft gesprochen und im Nachsatz “ für möglich erklärte, habe der jetzige Minister zuerst von der freien Wirtschaft gesprochen. Um die hohen Ziele zu erreichen, die die Landwirtschaft und das Ministerium zu verfolgen haben brauchen wir ein großzügiges Ministerium. Wir müssen alle Anstrengungen machen, um durch die landwirtschaftliche die Ernährung unseres Volkes sicherzustellen. Die Grund⸗ age für die Steigerung der Produktion aber ist die ausreichende Ver⸗ sorgung mit Düngemitteln. Die ausreichende Versorgung mit Stick⸗ stoff ist geradezu eine Lebensfrage für die deutsche Landwirtschaft, sie muß daher so gesteigert werden, daß die 500 000 Tonnen, die nach dem Hilfswerk. der Landwirtschaft erforderlich werden, beschafft werden. Ob die Landwirtschaft diese Menge in vollem Umfang auch abnimmt, wird davon abhängen, ob die “ aufrechterhalten bleibt oder nicht. Bleibt sie aufrechterhalten, dann werden die Landwirte allerdings so viel Stickstoff gar nicht verwenden können. Die Preis⸗ steigerung beim Stickstoff ist nicht auf Zurückhaltung zurückzuführen, sondern vor allem auf die unzureichende Wagengestellung zum Ab⸗ transport. Hier muß endlich Abhilfe geschaffen werden. Die aus⸗ reichende Düngerbeschaffung muß durch eine weitgehende Kredithilfe erleichtert werden. Die kleinen Landwirte müssen veranlaßt werden, mehr als bisher künstliche Düngemittel zu verwenden. Der Frage der Saatgutverdelung muß größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Unsere frühere führende Stellung auf diesem Gebiet haben wir leider eingebüßt. In Schweden ist durch Scatgutveredelung eine Pro⸗ duktionssteigerung von 25 % erzielt worden. Eine deraltige Produkkionssteigerung wäre für uns von allergrößter Wichtigkeit. Das Umlageverfahren für Getreide hat große und berechtigte Er⸗ bitterung bei den Landwirten hervorgerufen. Die Gründe für diese Erbitterung sind vor allem in den falschen statistischen Grundlagen für die Umlage, in der mangelh Ernteschätzung sowie darin zu suchen, daß vielfach ein zu geringer Preis vergütet und die Kleie aus dem abgelieferten Getreide entweder gar nicht oder in schlechter Beschaffenheit zurückgeliefert worden ist. Auch das Geschäftsgebaren mancher Kommunalverbände fordert zu scharfer Kritik heraus. In der Frage des Umlageverfahrens ist die Stellung des Zentrums als einer Partei, die alle Stände umfaßt, schwierig. Sie muß und wird daher auf einen Ausgleich hinwirken, und ich hoffe, daß ein solcher Ausgleich zustandekommen wird. Die Stellung des Zentrums ist dahin zu präzisieren, daß wir ein Getreideumlageverfahren nicht mehr für nötig halten, weil dadurch die Vermehrung der landwirtschaftlichen Erzeugung “ wird. Andererseits erkennen wir an, daß für eine ausreichende Brotreserve gesorgt werden muß. Wir sind auch dafür, daß für die Minderbemittelten eine Verbilligung des Brots Platz greifen muß. Andererseits sind wir Meinung, daß den Landwirten ein angemessener Preis für das Getreide garantiert werden muß. Ir der Frage der Kartoffelversorgung stehen wir auf dem Boden der Ausschußentschließung. Der Zuckcrpreis ist un⸗ gerechtfertigt hoch und für die breite Masse nicht erträglich. Die rübenbauenden Landwirte tragen aber an dieser Verteuerung keinerlei schuld, die von ihnen geforderten Rübenpreise stehen in keinem Ver⸗ hältnis zu dem Zuckerpreis Die Ausbildung des Nachwuchses ist für die Landwirtschaft von außerordentlicher Bedeutung. Der landwirt⸗
schaftlichen Berufsausbildung sollte der Herr Minister daher stärkste
Körderung angedeihen lassen Auch die Förderung des ländlichen iedlungswesens wird mit zur Förderung der Produktion beitragen.
Dringend su wünschen wäre, daß der Kampf zwischen den einzelnen
LII een einer Verständigung Platz macht. (Beifall im entrum.)
Abg. Dr. Hertz (U. Soz.): Nach der Rede des Ministers kann ich nicht sagen, daß ich einen besonders günstigen Eindruck von dem Wechsel im Ministerium habe. Die erste Aufgabe des Ministers wäre es doch gewesen, gegen die Drohungen der landwirt⸗ schaftlichen Organisationen Stellung zu nehmen, die in den Kreisen der Arbeiter große Erbitterung hervorgerufen haben. In der Konferenz über Ernährungsfragen hat Oekonomierat Kaiser kein Wort für diese Schwierigkeiten gefunden, im Gegenteil, seine Ausführungen er⸗ innerten an die Worte eines Unbesonnenen in einer Versammlung: „Wir Arbeiter haben die Hand an der Gurgel des Staates.“ Tat⸗ sache ist, daß der Grund und Boden und das Inventar der Landwirt⸗ schaft dauernd an Wert gewinnen. Soweit ich den Minister ver⸗ standen habe, bleibt in dem Ernährungssystem alles beim alten. Gr will sogar Ferbehen fale einen Zollschutz wieder einführen. Bei diesem Bestreben wird er den Widerstand der gesamten Arbeiterklasse finden. Der Fleisch⸗ und Brotkonsum simd gewaltig gesunken, die Sterblichkeit steigt auch nach dem Kriege. Die Einführung der freien Wirtschaft hat den Landwirten im letzten Jahre 16 Milliarden Profit Feekact. Dabei ist kein Stand in Deulschland so steuerscheu wie die Landwirtschaft. Die Getreideumlage ist notwendig und möglich; im vorigen Jahre betrug die Ernte an Brotgetreide 12 Millionen Tonnen, die Umlage nur 2 ¼ Millionen Tonnen. Allerdings muß die Umlage etwas umgestaltet werden; nicht die Getreideanbaufläche, sondern die gesamte landwirtschaftliche Fläche muß für die Verteilung zugrunde gelegt werden. Privpate Lieferungsverträge für Kartofseln selbst mit Erfüllungszwang haben immer noch gewisse Bedenken. Deshalb muß auch ein Zwang zum Abschluß der Lieferungsverträge ausgeüht werden. Wir beantragen deshalb, daß für eine Menge von 5 Millionen Tonnen Kartoffeln abgeschlossen und auf Grund der Feststellungen über den Kartoffelanbau im Deutschen Reich ver⸗ teilt werden muß. Es darf aber nicht wieder vorkommen, daß nur der vierte Teil der abgeschlossenen Mengen tatsächlich geliefert wird. Die Zuckerindustriellen haben für die Aufhebung der Zwangswirtschaft in Zucker die Einführung eines Zuckerschutzzolls in Höhe von 40 Mark