1922 / 120 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 May 1922 18:00:01 GMT) scan diff

21. April ein Sonderabkommen über gewisse Fragen des Verkehrs abgeschlossen. Der Vertrag mit Jugoslawien hat erst vor

kurzer Zeit dem hohen Hause vorgelegen. Mit der Tschecho⸗ Slowakei sind Verhandlungen über Anknüpfung eines Wirt⸗

8 schaftsabkommens vom Juni 1920 nach langen Mühen endlich zu

einem befriedigenden Abschluß gekommen, die in Kraft treten, so⸗ bald die Tschecho⸗Slowakei die bisher nur im Verwaltungswege in Kraft gesetzten Wirtschaftsabkommen ratifiziert hat. Am 27. März 1922 wurde ein Wirtschaftsvertrag mit Lettland ab⸗ geschlossen. Verhandlungen über die künftige Gestaltung der Handelsbeziehungen schwehen mit Litauen, Spanien und Italien. Zu einem endgültigen Abschluß sind die Verhand⸗ lungen hier noch nicht gediehen, aber sie sind im besten Gange. Mit Rumänien und Griechenland stehen wir zwar noch nicht in Verhandlungen, jedoch hoffe ich, daß es bald möglich sein wird, auch mit diesen Staaten epenso wie mit einer Reihe anderer wichtiger Staaten, insbesondere mit den Vereinigten Staaten von Amerika, zu Verhandlungen und Wirtschafts⸗ abkommen zu gelangen. Es wird unser eifrigstes Bemühen sein, alles zu fördern, was geeignet ist, nach dieser Richtung hin eine Besserung unserer Handelsbeziehungen herbeizuführen.

Vielleicht darf ich in Verbindung damit auch darauf hinweisen, daß wir mit dem Freistaat Danzig, der seit dem 1. April 1922 mit der Republik Polen ein wirtschaftliches Ganze bildet, und mit Memel, für das die Abtrennung vom Reich in wirtschaft⸗ licher Beziehung besonders fühlbar geworden ist, Abreden getrofsen haben, die den besonderen Wünschen dieser Territorien Rechnung tragen.

Damit möchte ich übergehen zu dem Stande unseres Außenhandels. Der Stand unseres Außenhandels war im vorigen Jahre nicht gerade günstig. Wir haben eine sehr starke passive Handelsbilanz, das heißt die Einfuhr ist erheblich gegenüber der Ausfuhr überschritten worden. Durchschnittlich ist die Einfuhr in diesen Monaten um 4,5 Millionen Doppel⸗ zentner oder dem Werte nach gerechnet um 1,5 Milliarden Mark im Monat stärker gewesen als die Ausfuhr. In den Monaten Dezember, Januar und Februar trat eine Aenderung ein. Die Handelsbilanz gestoltete sich aktiv. Der Ausfuhrüberschuß betrug im Monat Dezember 0,77 Milliarden. Im Januar ist diese Summe auf 1,7 Milliarden und im Februar auf 2,5 Mil⸗ liarden gestiegen, während im März bereits wieder ein Ein⸗ fuhrüberschuß von 1,6 Milliarden erschien. Nach mir soeben zugegangenen Mitteilungen hat sich die Passivität im April gegenüber März noch um mehrere Milliarden erhöht. Wir mußten damals sofort darauf hinweisen, daß aus den drei genannten aktiven Monatsbilanzen nicht etwa der irrige Schluß gezogen werden könnte, als ob wir nun dauernd mit einer aktiven Handelsbilanz zu rechnen hätten. In diesen Monaten kam eine starke Zurückhaltung im Einkauf von Auslandsrohstoffen zum Ausdruck. Es kam die verminderte Einfuhr von Nahrungsmitteln hinzu, so daß hier ganz abnorme Verhältnisse eine Rolle spielten, die, wie sich bereits gezeigt hat, im März einen starken Umschwung in der ganzen Bilanz herbeiführten. Wir werden also weiter⸗ hin leider mit einer stark passiven Handelsbilauz zu rechnen haben.

Ganz unhalthare Zustände haben sich im vorigen Jahr und auch in diesem Jahr bis in die jüngste Zeit hinein auf dem De⸗ visenmarkt herausgebildet, indem sich eine wilde Speku⸗ lation geltend machte. Zeitweise hat der Anreiz, der durch die ungesunde Spekulation in Devisen und Geldsorten gegeben wurde, bei den Banken und bei den großen Fondsbörsen zu Zuständen geführt, welche die ordnungsmäßige Abwicklung der Geschäfte nahezn unmöglich machte. Diese Spekulation hat anch sicherlich in ungünstigem Sinne auf die Bewertung der Mark im Auslande eingewirkt. Das Reichswirtschaftsministerium ist deshalb dazu übergegangen, ein Devisenhandelsgesetz vom 2. Februar 1922 in Vorschlag zu bringen, das den speknlativen Handel mit Geldsorten und Devisen wenigstens zu einem Teile hemmen sollte. Die Durchführung dieses Gesetzes ist im allgemeinen glatt von statten gegangen. Die Bestimmungen des Gesetzes haben, wie ich glanbe, sich auch als erfolgreich erwiesen, der wilden Speknlation mit Devisen und ausländischen Zahlungsmitteln einen Riegel vor⸗ zuschieben.

In Verbindung damit wende ich mich mit einigen Worten zu der Frage, die auch der Herr Berichterstatter angeschnitten hat, nämlich zu der schwierigen Lage der Valntaschuldner in Deutschland. Durch den dauernden Tiefstand der Mark gegen⸗

über der Friedensparität sind bekanntlich eine Reihe wertvoller

wirtschaftlicher Existenzen, die in ausländischer Währung oder Aus⸗ ländern gegenüber in Goldmark Verpflichtungen eingegangen

waren, in eine bedrohliche Lage geraten, da die Beschaffung der

Golddevisen für Zinszahlung, Amortisation und Kapital⸗ ablösung auf die Dauer ihre Kraft übersteigt. Die Frage unter⸗ liegt daher seit geraumer Zeit ernstesten Erwägungen, ob und in welchen Fällen hier eine Reichshilfe einsetzen kann. Verschiedene Hilfsmaßnahmen in dieser Richtung sind bereits grundsätzlich beschlossen. Eine besondere Behandlung wird der Hausbesitz, der zugunsten der Schweizer Bürger mit Goldhypotheken belastet ist, erfkahren. Die Reichsregierung hat sich entschlossen, hier wirksam zu helfen, und ich darf die Hoffnung aus⸗ sprechen, daß die Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen auch von der Schweizer Seite durch Entgegenkommen gefördert wird. sonst werden wir nicht zu einem günstigen und für beide Teile befriedigenden Ergebnis gelangen können.

Gestatten Sie mir, daß ich nunmehr auf ein Kapitel von außerordentlich wichtiger wirtschaftspolitischer Bedeutung eingehe, auf die Kohlenfrage in Deutschland. Wir haben leider immer noch mit der Tatsache zu rechnen, daß wir den Bedarf an Kohle aus der eigenen Produktion in Deutschland nicht decken

können. Leider hat die Förderung von Steinkohle bis jetzt auch

nicht annähernd die Köhe erreicht, auf der sie vor dem Kriege gestanden hat. Dieses große Manko, das sich schon aus der Minderförderung ergibt, wird noch durch die Lieferungen erhöht, die wir an die Entente abgeben müssen, so daß wir mit einer dauernden Störung der Kohlen⸗ versorgung im Inlande zu rechnen haben. Dazu kommt noch die Umstellung der gesamten Verteilung unserer In⸗ landskohle. In früheren Zeiten hatte das nördliche Deutschland für die ganze Seeküste seinen Kohlenbedarf zum großen Teile aus

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Das ist eine Voraussetzung für das Gelingen;

England gedeckt, während wir jetzt diesen Bedarf aus dem Inlande decken. Das bedeutet eine ganz wesentliche Belastung der Eisen⸗ bahn. Auch in absehbarer Zeit werden unsere Verkehrsmittel daher nicht in der Lage sein, die Beförderung der Kohle so zu gestalten, daß gleichmäßig während des ganzen Jahres eine völlig be⸗ friedigende Bedarfsregelung erfolgen kann. (Hört, hört!)

Die Klagen der Baustoffindustrie, der keramischen Industrie, der Hüttenwerke über ungenügende Kohlen⸗ und Koksbelieferung find allgemein bekannt. Es ist eines der traurigsten Kapitel unserer Volkswirtschaft, daß wir Industrien, wie die keramische Industrie, nicht mit Kohle voll be⸗ liefern können, damit sie ihre Exportmöglichkeiten voll auszunutzen in der Lage find. (Sehr richtig! und Hört, hört!) (Zuruf links: Bei weitem nicht!) Ebenso liegt es mit den Hütten⸗ werken. Gegenwärtig liegen 30 Hochöfen still, von denen ein großer Teil in Betrieb hätte gesetzt werden können, da ein Absatz für ihre Produkte vorhanden war. So sind wir selbft gezwungen, vom Ausland Walzeisen hereinzuholen, ein Zustand, der durch⸗ aus ungesund und in hohem Maße bedauerlich ist.

Aber ich möchte in dieser Verbindung auch dem Herrn Refe⸗ renten sagen: von Bedeutung dabei ist nicht der Achtstundentag, sondern die Frage, ob eine Erhöhung der Kohlenproduktion möglich ist. Wie müssen uns auch darüber klar sein, was wir in den kommenden Jahren in dieser Hinsicht zu erwarten haben. Die Kohlenproduktion wird durch die oberschlesische Auseinandersetznng außerordentlich beeinflußt. Man kann damit rechnen, daß, wenn auch nicht in den nächsten ein oder zwei Jahren, so doch für die Folgezeit die an Polen abgetretene Industrie, sowohl Hüttenwerke wie Kohlenbergwerke, sich in ihrem Absatz nach dem Osten orientieren, auch dort ein Absatzgebiet finden werden und für Deutschland verloren sind. Es nützt nichts, sich über diese Dinge Illusionen hinzugeben; sondern man muß den Dingen ruhig ins Auge schauen wie sie sind. Es gibt also keine andere Möglichkeit: wollen wir die Kohlen für unsere Industrie aus dem Inlande nehmen, dann müssen neue Felder im Ruhrgebiet erschlossen werden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich habe deshalb, wenn auch mit großen Be⸗ denken, dem zugestimmt, was das rheinisch⸗westfälische Kohlen⸗ syndikat gefordert hat, nämlich einen besonderen Aufschlag auf den Kohlenpreis zu gewähren, um aus dieser Summe sowohl die Kohlenbergwerke zu modernisieren, technisch auf die Höhe zu bringen chört, hört! bei den Kommunisten), wie vor allem neue Schächte hzu erschließen, für die das notwendige Anlage⸗ kapital nicht flüssig gemacht werden kann. Es wird sich nunmehr darum handeln, eine scharfe Kontrolle auszuüben, damit diese Summe nicht für Dividenden oder sonstige Revenuen der Unternehmen, sondern restlos für die Erschließung neuer Werke und die technische Vervollkommnung der bisherigen alten Unter⸗ nehmungen verwendet wird. Ich habe den Eindruck und Fach⸗ leute haben das bestätigt —, daß eine Reihe von unseren Be⸗ trieben im Bergbau und auch in den Hüttenwerken technisch nicht gerade auf der Höhe stehen, und daß wir dringend Anlaß haben, das nachzuholen, was auf diesem Gebiete versäumt worden ist.

Dazu kommt eine andere sehr beachtliche Erscheinung. Wir haben in den letzten Tagen erfahren, daß die Belegschaft in dem rheinisch⸗westfälischen Bezirk um 5000 Mann zurückgegangen ist. Die Belegschaft wandert aus dem Bergbau ab, und zwar in andere

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Berufe, insbesondere ins Baugewerbe. Die Verhältnisse haben sicht

auch hier ganz anders als vor dem Kriege gestaltet. Der Bergbau hat vor dem Kriege aus einem großen Reservoir, aus allen Ländern möchte ich beinahe sagen, Arbeitskräfte geworben. Das ist jetzt nicht mehr möglich; im wesentlichen schöpft er nun aus dem Arbeiterbestand des eigenen Landes. Der Bergbau bringt einmal ungeheure Gefahren mit sich, sodann aber erfordert er schwere und harte Arbeit, besonders unter Tage. (Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten.) Es ist nun meunschlich begreiflich, meine Herren, daß gar mancher diesem Beruf den Rücken kehrt, wenn er eine andere leichtere Beschäftigung findet. Wir müssen also versuchen einen gewissen Anreig für diese gefahrvolle Arbeit, für diese harte und ungewöhnliche Arbeit zu geben.

Deshalb habe ich mich nicht dagegen gesträubt, für höhere Löhne einzutreten, um durch höhere Löhne denn ich sehe im wesentlichen keinen anderen Anreiz —, auch durch eine gewisse Beschränkung der Arbeitszeit, die Arbeiterschaft in diesen Bezirken zu halten. Mit großer Freude, mit großer, fester, innerer Ueber⸗ zeugung kann ich ganz offen sagen gehe ich deshalb auch nicht

Ran die rheinisch⸗westfälischen Bergarbeiter heran und fordere von

ihnen Ueberschichten. Aber es ist doch notwendig und vielleicht möglich, wenn wir den Bergleuten die Schwierigkeit der Situation, in der sich das ganze deutsche Wirtschaftsleben befindet, darlegen. Auf die Dauer werden wir keine Ueberschichten erhalten. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten) Auf die Dauer müssen wir

uns damit abfinden, daß die Bergarbeiter eine Ausnahmestellung

unter allen anderen Berufen beanspruchen und berechtigterweise beanspruchen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Denn das ist eine Arbeit, die nicht vergleichbar ist mit all den anderen Unannehmlichkeiten, die irgendwie an einer anderen Arbeitsstelle vorkommen. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Wer schließlich mit den Bergarbeitern unzufrieden ist ich bin auch nicht in allem mit ihnen zufrieden, ich glaube, es könnte manches vermieden werden; aber wer will ein scharfer Richter in diesen Sachen sein? ich sage: wer unzufrieden ist, der sollte erst einmal in die Grube gehen (ebhafte Zustimmung bei den Soz. und auf der äußersten Linken) und sehen, unter welchen Ver⸗ hältnissen die Leute arbeiten. (Sehr richtig! bei den Soz.) Er soll eimmal an dieser Arbeitsstätte Betrachtungen anstellen, ob man schließlich nicht manches versteht, was sich in diesen Kreisen impulsiv Ausdruck und Bewegung verschafft. (Beifall bei den Soz.)

Es sind sehr schwierige Fragen, deren Lösung uns bevorsteht. Wir wollen nicht zaghaft darangehen. Ich sage noch einmal: ich hoffe und erwarte, daß für eine bestimmte Zeit die Berg⸗ arbeiter Ueberschichten verfahren. Aber auch hier möchte ich noch⸗ mals betonen, was ich im Haushaltsausschuß gesagt habe: wir konnten von dem Bergarbeiter nicht längere Arbeitszeit ver⸗ langen, solange große Haldenbestände dalagen. (Sehr wahr! bei den Soz.) Denn die Arbeiter sagen dann: was nutzt es, daß wir lange arbeiten, wenn die Haldenbestände nicht weggeführt werden können. (Sehr richtig! bei den Soz. und bei den Komm.) Bevor diese Frage nicht gelöst war, konnte ich auch an die Arbeiter nicht mit dem Nachdruck herantreten, der notwendig ist, um ihnen zu beweisen: hier seistet Ihr etwas, was im Inter⸗

ere der Gefamtheit liegt. (Lebhafte Zustimmung bei den Soz.) G

Ich habe schon davon gesprochen, daß wir neue Gruben⸗ felder erschließen müßten. Eine dringend notwendige Aufgabe! Wir haben in den ganzen Jahren nicht die Ergän⸗ zungen vorgenommen, die wir sonst unter normalen Zeiten vor⸗ nehmen mußten und vorgenommen hätten. Das Kapital hat sich davon zurückgezogen. Es hat sich gesagt: schließlich gewinnen wir Dividenden aus den alten Unternehmungen, was sollen wir uns in mit großen Kosten zu erstellenden Neuunternehmungen festlegen? (Widerspruch bei der D. Vp.) Das ist auch ein Symptom unserer Zeit. (Sehr wahr! bei den Soz.) Wir müssen aber an die Frage herantreten; wenn nicht auf diesem, so auf anderem Wege!

Ich bin mit dem preußischen Handelsminister in Verbindung getreten und habe erfahren, welche Berggerechtsame noch in Preußen vorhanden sind, welche Felder noch nicht erschlossen sind, die im Bezirk des preußischen Staates sind. Das sind sehr ertragreiche Felder, und auch ein ziemlich umfangreicher Besitz. Dieser Besitz dark nicht länger tot daliegen. (Sehr richtig! bei den Soz.) Er muß angegriffen werden; das Kapital dafür muß herbeigeschafft werden. Ich glaube, daß es möglich sein wird, mit dem preußischen Handelsminister zu einer Verständigung dahin zu kommen, daß mit Hilfe des Reichs und Preußens und vielleicht auch der privaten Unternehmungen ein Unternehmen aufgerichtet wird, das die neuen Felder erschließt und unsere Kohlenproduktion auf der Grundlage vermehrter An⸗ lagen und neuer Unternehmungen erhöht. Ich möchte in diesem Zusammenhange nicht verfehlen, auch an dieser Stelle die von dem bergtechnischen Ausschuß für das Ruhr⸗ gebiet dankenswerterweise geleisteten Arbeiten hervorzuheben. Die Anregungen von jener Seite auf betriebstechnischem Gebiet werden zweifellos mit zur Hebung und Förderung beitragen.

Einige Worte über den Kalibergbaun! Sie wissen, daß dem Reichstage durch das Kaliwirtschaftsgesetz vom 22. Oktober 1921 ein Gesetz unterbreitet worden ist, das die Aufgabe erfüllen sollte, in den sehr unklaren ich könnte sagen wirtschaftlich zerrütteten Verhältnissen des Kalibergbaus Ordnung und Besse⸗ rung herbeizuführen. Das Gesetz hat im wesentlichen die Tendenz gehabt, die technisch fortgeschrittenen Betriebe zu voller Leistungs⸗ fähigkeit anzuspornen, die technisch rückständigen stillzulegen. Ueber die Folge dieses Gesetzes, die sich auch gezeigt hat, bin ich mir nicht im Zweifel gewesen: eine starke Konzentration der Unternehmungen im Kalibergbau, die noch nicht abgeschlossen ist. Das wird nicht zu verhindern sein. Immerhin hoffe ich, daß es doch möglich sein wird, in der Preisentwicklung eine mäßige Grenze zu halten, weil der technische Betrieb hier volle Aus⸗ nutzungsmöglichkeit hat.

Auf eine Senkung der Selbstkosten der Kaliwerke muß schon in⸗ sofern hingewirkt werden, weil der elsäjsischen Konkurrenz entgegen⸗ getreten werden muß, die heute schon in der Lage ist, ein Viertel des Weltbedarfs überhaupt zu decken. Eine mäßige Preis⸗ politik für Kali macht schon unsere allgemeine Ernäh⸗ rungslage erforderlich, da die deutsche Landwirtschaft, die heute zu etwa 74 vH an dem Gesamtabsatz beteiligt ist, in weitem Um⸗ fange Abnehmer bleiben muß.

Einige Worte über die Lage der Eisenindustrie! Hier haben wir sehr starke Aufwärtsbewegungen der Preise, leider mehr, als nach meiner Ansicht zu verantworten ist. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Zu dem Uebel sind wir, wie ich schon erwähnte, gekommen, weil der Markt so beengt is daß wir selbst ausländisches Roheisen einführe müssen (hört, hört! bei den Sozialdemokraten), während wir gerade hier eine Produktionsmöglichkeit haben, die vollständig in der Lag 1 wäre, den eigenen Bedarf zu decken (sehr wahr! bei den Sozial demokraten), wenn die nötige Belieferung mit Kok lothringischen und luxemburgischen Hütten. Das Bezeichnende ist Entente zu liefern gezwungen sind. (Hört, hört!)

Auch auf dem Schrottmarkt hatten wir zeitweise ein Preissteigerung bis wüste Spekulationen und enorme Gewinne. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

land her herbeizuführen.

scheint erreicht zu werden.

schreiten. (Hört, hört! lints.) Meine Damen und Herren! Wenn das Ausland das Eisen zu dem Preise liefern kann wie das Inland, und wenn wir berück⸗

muß in den Preisen ein hoher Gewinnaufschlag enthalten sein. (Sehr richtig! links.)

der Zwangswirtschaft in Benzol verhältnismäßig niedrige Preise halten können. Die Verteilung war aber mit so viel Schwierig⸗ keiten und Unzuträglichkeiten verbunden, daß wir uns entschließen mußten, die vollständige Freigabe des Benzols herbeizuführen, um die Hindernisse in der Bewirtschaftung und in der Verteilung auf⸗ zuheben. Damit ist natürlich eingetreten, was vorauszusehen war⸗ eine erhebliche Preiserhöhung. Aber die Verbraucher erhalten nun⸗ mehr wenigstens genügende Mengen.

Der Referent hat bereits auf den weiteren Abbau unserer Zwangswirtschaft und der Kriegsgesellschaften hingewiesen. Ich darf in Ergänzung zu dem, was ich im Haus⸗ haltsausschuß dargelegt habe, kurz den gegenwärtigen Stand unserer Kriegsgesellschaften kennzeichnen. Wir hatten am 1. April 1921 int Reichswirtschaftsministerium 5 Reichsstellen, 7 Reichskommissariate und 15 Kriegsgesellschaften. Uebrig geblieben sind jetzt eine Reichs⸗

stelle, nämlicht die Reichslederstelle, 2 Reichskommistariate: 1 8 ] 1““

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daß dieses Roheisen mit dem Koks erblasen wird, den wir der

Wir haben schließlich veranlaßt, daß der Eingangszoll für Alt⸗ eisen aufgehoben wird, um wenigstens einen Preisdruck vom Aus⸗ Der beabsichtigte Erfolg, eine an⸗ gemessenere Preisbildung und der Zustrom ausländischer Bestände,

Die Eisenpreise um noch darauf hinzuweisen haben sich für Stabeisen inzwischen auf 9810 Mark unter Berücksichtigung eines Siemens⸗Martins⸗Aufschlags auf 10 710 Mark erhöht. (Hört, hört! links.) Das ist das Hundertfache des Vorkriegspreises. Eine solche Annäherung an den Weltmarktpreis hat sich hier vollzogen, daß sich sogar der Stahlbund gezwungen sah, anläßlich der letzten Kohlenpreis⸗ und Tariferhöhung auf eine weitere Hinaufsetzung seiner Preise zu verzichten, um den Weltmarktpreis nicht zu über⸗

sichtigen, daß das Ausland relativ höhere Löhne zu zahlen hat, dann

Wir sind zu Ende des letzten Etatsjahres dazu übergegangen, die Benzolbewirtschaftung aufzuheben. Wir haben unter

ministerium solchen Einwänden Beachtung zuteil werden lassen

noch einmal eingehend die Frage zu prüfen, ob die Einwände be⸗

zur Senkung der Papierpreise zur Verfügung stellen kann. (Sehr wahr! links.) Das ist unmöglich. Ich hoffe, daß es uns noch ge⸗

Kohlenkommissar und die Eisenwirkschaft; 2 Kriegsgesellschafken: die Zigarettentabaks⸗Einkaufsgesellschaft und die Reichsschuh⸗ versorgung. Die Reichsstelle wird noch im Laufe des Sommers 1922 aufgelöst, die Liquidation der beiden noch bestehenden Kriegs⸗ gesellschaften wird ebenfalls voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres ihr Ende erreichen.

Nun hat Herr Dr. Rießer gefragt, wie es mit den Kriegs⸗ gesellschaften steht, die aufgelöft sind, welches Personal da noch vorhanden ist und ob sich nicht etwa ergibt, daß die Kriegsgesell⸗ schaften, die in Liquidation sind, sich mit ihrem gesamten Personal nun hinüberretten in die Liquidationsgesellschaften. Darüber kann ich keine erschöpfende Auskunft geben, denn diese Gesellschaften unterstehen dem Reichsschatzministerium. VBielleicht bekomme ich in den nächsten Tagen von dorther eine Auskunft, die mir die Möglichkeit gibt, diese Frage zu beantworten.

Soweit die Kriegsgesellschaften noch dem Reichswirkschafts⸗ ministerium unterstehen, kann ich folgendes sagen. Am 1. April 1921 betrug die Zahl der beschäftigten Personen 4358, am 1. Mai dieses Jahres 950. Es ist also sehr stark abgebaut worden.

Ueber die Papierwirtschaft hat der Herr Referent ebenfalls eingehend berichtet. Die Reichsregierung ist durch Be⸗ schluß des Reichstags vom 7. April dieses Jahres ersucht worden, Maßnahmen zur Unterstützung der Presse zu ergreifen. Wir haben dieser ernsten Frage besonderes Interesse entgegengebracht und hier zugesagt, alles zu tun, was in unseren Kräften liege. Wir

haben zunächst auf dem Verwaltungswege eine Erleichte⸗

rung insofern durchgesetzt, als die De tarifierung für Zeitungspapier durchgeführt wurde. Die Eisenbahnver⸗ waltung hat dem stattgegeben. Hier haben wir also eine kleine Erleichterung; denn bei den hohen Papierpreisen ist die Tariffrage nicht mehr das entscheidende. 1 Wir haben ferner versucht, ein anderes Versprechen einzu⸗ lösen, nämlich die Exportgewinne zu einem erheblichen Teil zu erfassen, um damit die Preise für Zeitungsdruckpapier zu senken. Ich muß hier im Plenum ganz offen erklären, daß uns auf diesem Gebiet erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Wir sind mit der Außenhandelsstelle für Druckpapier wegen dieser Frage in Verbindung getreten. Diese Stelle hat aber einstimmig, einschließlich der Arbeitnehmer, wie ich hier ausdrücklich feststellen muß, es abgelehnt, auf diesen Boden zu treten und 60 vH des Mehrgewinnes bei der Ausfuhr von Zeitungspapier zur Preis⸗ senkung zur Verfügung zu stellen. Die Herren lehnen das natür⸗ lich nicht aus grundsätzlicher Abneigung, auch nicht aus Bosheit gegen die Presse ab, sondern weil sie darlegen, daß es und das ist durchschlagend technisch undurchführbar sei. Es stellt sich immer zur rechten Zeit eine technische Unmöglichkeit ein. (Sehr richtig; bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen versuchen, auf einem anderen Wege zu einem Ergebnis zu kommen. Wenn ein solcher Selbstverwaltungskörper mit großer Ent⸗ schiedenheit, einschließlich der Arbeitnehmer, erklärt, die Durch⸗ führung sei technisch unmöglich, so muß das Reichswirtschafts⸗

und kann nicht über solche Vorstellungen hinweg handeln, ohne

rechtigt sind.

Nun ist die Preisgestaltung für das Papier im wesentlichen abhängig von den Holzpreisen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ob es in den allgemeinen Preisverhältnissen begründet ist, daß wir zu Papierholzpreisen den Raummeter für 600 bis 900 Mark bekommen, dafür scheint mir ein Beweis noch nicht erbracht zu sein. Ich würde es für tragbar halten, daß uns durch eine Abgabe beim Holzverkauf oder bei der Auktion von Holz Mittel zur Senkung der Preise zur Verfügung gestellt werden. Aber es ist undenkbar, daß die Reichsregierung aus allgemeinen Mitteln größere in Betracht kommende Summen

lingen wird, auch den Widerstand der Einzelstaaten, der sich bei dieser Gelegenheit erheben wird, zu beseitigen und eine Verständi⸗ gung zu finden, die es uns ermöglicht, zu dem dargelegten Ziele zu kommen. Jedenfalls ist und wird von unserer Seite alles ge⸗ schehen, um den berechtigten Forderungen, die hier gestellt werden, stattzugeben. Ich halte es im Interesse unserer Presse, besonders der kleinen Presse, für unbedingt notwendig, daß wir einen Weg zu einer Ermäßigung der Druckpapierpreise sinden. Durch diese ungeheure Preissteigerung ist gerade die Konkurrenzfähigkeit der kleinen Unternehmungen gegenüber den großen erheblich beein⸗ flußt. Wir haben kein Interesse daran, diese kleine Presse voll⸗ ständig verschwinden zu sehen. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten.)

Ich darf dann noch kurz auf die Baustoffindustrie für 1 Siedlungs⸗ und Kleinwohnungsbauten zurückkommen. Es lag nahe, daß wir alle Vorbereitungen trafen, um bei Beginn der Bau⸗ konjunktur die Bauindustrie mit Kohle stärker zu beliefern, um vor allem auch den Anforderungen im Siedlungs⸗ und Klein⸗ wohnungsbau genügen zu können. Das Kohlenkontingent für die Zementindustrie ist sehr stark heraufgesetzt und auch damit eine sehr erhebliche Steigerung der Produk⸗ tion erzielt worden. Wir haben im Februar eine Zement⸗ produktion von 2232 760 Tonnen und stiegen im März auf 405 900 Tonneu, um dann leider im April auf 306 000 Tonnen zurückzukommen, weil ein Streik die Zementproduktion stark ver⸗ minderte. Auch in den Kalkwerken haben wir die Möglichkeit einer stärkeren Produktion durch die bessere Kohlenbelieferung. Es ist beabsichtigt, für den Kleinwohnungsbau eine Bevor⸗ zugung der Lieferung von Baustoffen eintreten zu lassen. Diese besteht darin, daß bei Zement 30 %, hei Bau⸗ und Ziegelsteinen 20 % für Kleinwohnungen nach den abgegebenen verbindlichen Er⸗ klärungen von den in Betracht kommenden Industrien vorab zur Verfügung gestellt werden. Das sind, kurz angedeutet, die Unter⸗ stützungen, die dem Siedlungsbau, soweit das Reichswirtschafts⸗ ministerium in Betracht kommt, zuteil werden sollen.

Die Förderung der Erhaltung des gewerblichen Mittelstandes ist von meiner Seite immer als eine wichtige Aufgabe angesehen worden. Die Anregungen hatten im wesent⸗ lichen die Förderung von Qualitätsarbeit zum Ziel, die in weiteren Kreisen als eine wichtige Voraussetzung für die günstige Weiterentwicklung des Handwerks anerkannt wird. Da durch das Sinken der Kaufkraft bei großen Teilen des Volkes Qualitäts⸗

des deutschen Lehrerbildungswesens nicht mehr abzuwenden, da bereits

und Messen in höherem Maße als bisher dem Handwerk, ins⸗ besondere dem Kunsthandwerk und Kunstgewerbe nutzbar zu machen und auf diese Weise auch dem Kleingewerbe Absatzmöglich⸗ keiten auf den Auslandsmärkten zu eröffnen. (Sehr gut! rechts.) Die dem kleingewerblichen Mittelstand aus der K apitalknappheit erwachsenden Schwierigkeiten werden künftig Gegenstand eingehender Beratun g im Handwerks⸗ beirat sein, der von einer Anzahl bedeutsamer Männer aus dem Handwerk (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) gebildet ist. (Bravol rechts.) Ich hoffe, daß dieser Gefahr mit Hilfe der gewerb⸗ lichen Genossenschaften begegnet werden kann. (Sehr gut! rechts.)

Was die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten anbetrifft, so darf ich mich zum Schlusse dahin mfammenfassen. Es ist schwierig, zu sagen, welche weiteren Störungen unser Wirt⸗ schaftsleben erdulden wird, und wann wir schließlich in den großen Strudel der Weltkrise mit hineingerissen werden. Aber es wird meine Sorge sein, einen steilen Abstieg der Wirtschaftskurve mit allen seinen bedenklichen Begleiterscheinungen und Folgen nach Möglichkeit abzumindern. Als eine der Maßnahmen, die hierzu geeignet sein können, möchte ich die Stützung der deutschen Industrie durch weitere Auftragsvergebung seitens staatlicher Stellen schon jetzt betonen. Es sollen Aufträge dann vergeben werden, wenn wirklich ein Mangel an Beschäfti⸗ gung in der Industrie eintritt, und es sollen im Zeichen der guten Geschäftskonjunktur, soweit das tragbar und möglich ist, staatliche Aufträge zurückgehalten werden. Wenn hier eine gute Organisation und gute Fürsorge unter volkswirtschaftlicher Er⸗ kenntnis die Maßnahmen ergreift, bin ich überzeugt, daß auch diese Anordnung. wenn auch nicht die Krise beseitigen so doch eine Minderung eintreten läßt, die im Interesse der Industrie wie der Arbeiterschaft gelegen ist.

Vor allen Dingen aber das betone ich noch einmal muß darauf Bedacht genommen werden, unsere industriellen Einrich⸗ tungen technisch und organisatorisch so aus⸗ zugestalten, daß die Senkung der Selbstkosten mit dem Sinken der Preise Schritt hält. Wir müssen technisch dem ausländischen Wettbewerber ebenbürtig werden, um ihm im engeren Konkurrenzkampf unter gleichen Be⸗ dingungen gegenüberzustehen. Eine Kri se darüber besteht kein Zweifel würde die Arbeiterschaft heute viel schwerer belasten als jemals, besonders im Hinblick auf die enorm hohen Preise für die Lebenshaltung. Arbeitslosigkeit bedeutet heute für denjenigen, der noch seine Arbeitskraft besitzt, etwas viel Schreck⸗ licheres als unter anderen Zeiten und Verhältnissen. Wir werden solchen Krisen in unserem Wirtschaftsleben nicht entgehen können. Aber wir müssen nach Möglichkeit versuchen, zur Milderung einer solchen Krise beizutragen und, wenn es möglich ist, auch die Kräfte zu entwickeln, die die Entstehung solcher Krisen in Zukunft ver⸗ hindern können. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten, Beifall rechts und im Zentrum.) 1

217. Sitzung vom 23. Mai 1922, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Auf der Tagesordnung stehen zunächst kleine Anfragen.

Auf Anfrage des Abgeordneten Weiß (Dem.) über die R. der Lehrerbildungsfrage erwidert ein 875, E Schon bei einer früheren Anfrage ist hervorgehoben worden, daß das Reich mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Notlage sich an etwaigen Mehrkosten, die den Ländern. durch die Umgestaltung der Lehrerbildung wachfon. nicht beteiligen könne. Vor kurzem hat sich in einer in Weimar abgehaltenen Konferenz der Vertreter der Unterrichtsver⸗ waltungen der einzelnen Länder ergeben daß sämtliche Länder eine Beihilfe des Reichs als Voraussetzun für die einheitliche Regelung A weshalb eine erneute Ste ungnahme des Reichskabinetts (

erwünscht wäre. Anderenfalls wäre die Gefahr einer Zersplitterung

sämtliche Länder mit Ausnahme Bayperns Vorbereitungen zu einer Neuordnung getroffen hätten. Das Reichsministerium 9 1.n. wird erneut auf baldige Entscheidung des Reichskabinetts hinwirken. Von kommunistischer Seite (Bartz, Höllein, Frau Zetk in und eydemann) wird angefragt, ob es wahr sei, daß der Italiener oldrini auf Beschluß des Reichskabinetts am 4. Myi dieses Jahres an Italien ausgeliefert wurde, obwohl es sich bei ihm „ohne Zweifel um eine aus politischen Motiven vor⸗ senommene Tat handele. Sei es ferner wahr, 8 von den deutschen sehörden in den letzten Wochen die von der italienischen Regierung verfolgten Arbeiter Francisko Ghezzi und Romeo Vachi verhaftet wurden? Ferner wird gefragt, wann die Regierung das Gesetz über das Asylrecht dem Reicholage vorlegen werde. Ein Regierungsvertreter erwidert. Der italienische Staatsangehörige Boldrini ist am 4. Mai ausgeliefert worden, und zwar auf Antrag wegen Mordes auf Grund des Artikels 1 Nr. 1 des deutsch⸗italienischen Auslieferungsvertrages vom 31. Oktober 1871. Nach den Angaben der italienischen Regierung, die auf Wunsch der Reichsregierung noch ergänzt worden sind, wurde Boldrini bes igt, 1vae.ngnn” mit anderen am 23. März 1921 in Mailand verschiedene ombenattentate verübt und dabei besonders im Theater „Diana“ den Tod von 30 Personen, darunter Frauen und Kindern, und die Ver⸗ wundung von weiteren 80 Personen verursacht zu haben. Die Frage, ob diese Straftat als politisches Verbrechen zu erachten sei, ist nach ein⸗ gehender Prüfung in rechtlicher und tatfächlicher Hinsicht verneint worden. Maßgebend für die Beurteilun F-s rage konnte allein der Auslieferungsvertrag sein. Unter Berücksichtigung seiner Ent⸗ stehungsgeschichte sowie der bisherigen axis und der sonstigen aterialien war davon auszugehen, daß vorliegende Tatbestand lediglich dann die Gewährung des Asylrechts hätte begründen können, wenn die Straftat mit einem rein politischen Verbrechen oder Ver⸗ gehen im Zusammenhan stand, also eine Straftat war, die ein nach dem Vertrag an sich politisches Delikt vorbereiten, sichern oder durch⸗ führen fxes Daran hat es im vorliegenden Falle nach zweifelsfreien Feststellungen gefehlt. Der etwaige politische Beweggrung des Täters vermag allein den vertraglich erforderten Zusammenhang nicht zu be⸗ gründen. Dem von Boldrini verüͤbten Terrorakt fonnte hiernach das Privileg des politischen Deliktes und damit dem Täter das Asfyplrecht nicht zugebilligt werden. Zum gleichen Ergebnis sind übrigens die fran⸗ zösische und schweizerische Regierung Helangt die anstandslos die Dunch⸗ lieferung des Boldrini bewilligt haben. Richtig ist, daß die von der ttalienischen Regierung gleichfalls wegen Mordes verfolgten Arbeiter Ghezzi und Vachi verhaftet worden sind. Die Unterlagen des Antrags auf Auslieferung des Ghezzi liegen zurzeit den preußischen Behärden vor. Zur Begründung des Antrags auf Auslieferung Va s ist dem Auswärtigen Amt erst kürzlich ein Urteil des Schwurgerichte Bologna vorgelegt worden, wonach dem Verfolgten ein Bombenangriff auf die Kaserne der Königlichen Garden zur Last gelegt wird. Die wee Regierung ist um schleunige Beibringung weiteren tasäͤchlichen Materials ersucht worden, um auch hier den Charakter der Straftat zweifelsfrei feststellen zu können. Der Entwurf eines Auslieferungs⸗ geseßes ist im Reichsjustizministerium in 7 nen Zeit⸗ zunkt der Vorlage läßt sich zurzeit g. übersehen, die beteiligten Ressorts stimmen aber darin überein, er nach Möglichkeit zu be⸗ schleunigen ist.

arbeit nicht mehr den erforderlichen Absatz finden konnte, sind Vorkehrungen getroffen, um die deutschen Ausstellungen

eine Anfrage des Abgeordneten Hemeker [D. Nat), wonach

die Goͤttinger Polizei großen Schiebungen mit auf die

Spen gekommen sein soll, erwidert Staatssekretär Dr. Heinrici,

dan * An 98 noch & —— könne, da dem Ministe⸗

rium für Ernährung und 1 von ihm eingeforderte

1 das Ergebnis der polizeilichen Ermitilungen bisher nicht angen sei.

Auf eine Anfrage von Mitgliedern der deutschen Volksp artei über große Verluste der Reichsmonopolverwaltung wegen zu billigen Verkaufs von Trinkbranntwein, erwidert ein R 8 terungsvertreter, daß um die Jahreswende 1921/22 die reise für die Vhengpolerneagnisfe allerdings nicht ganz mehr den tat⸗ ächlichen Verhältnissen entsprachen. Die dadurch bewirkte Gewinn⸗ verminderung könne aber nur auf etwa 1,25 Mark für die Flasche Trinkpranntwein geschätzt werden. Die Monopolverwaltung glaubte damals von einer; reiserhöhung absehen 7 sollen, weil sie zunächst noch über groyße ände an fertig abgefüllten Erzeugnissen verfügte. Nach Verkündung des neuen Gesetzes auch die Preise entsprechend erhöht worden und die erhöhten Preise würden in den nächsten Tagen in Wirlsamkeit treten.

„Auf die Anfrace des Abg. Biemer (D. Nat.), ob die Reichs⸗ regierung gewillt sei, für die von den Konservenfabrikanten Braun⸗ wweigs beabsichtigte Ausfuhr von 1,8 Millionen osen Gemüse⸗ und Obstkonserven die Genehmigung zu weist der Vertreter der Regierung Dr. Heinrici auf die gestern von der Reichsregierun abgegebenen Erklärungen hin; eine Entscheidung über die vorliegender Ausfuhranträge werde unter Berücksichtigung des inländischen Bedarfs

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erst erfolgen, wenn die in Aussicht genommene Bespre hung mit den Interessenten stattgefunden habe. Auf eine Anfrage des Brüninghaus (D. Vp.) wegen 8. Verlangens der Seee nach Errichtung weiterer militärischer Gebäude auf der beschlagnahmten preußischen Domäne Armada bei Frauenstein erwidert ein Regierun gsvertreter, daß allerdings im Anschluß an die dort begründete „militärische Land⸗ wirtscha 55 die die Errichtung weiterer Neu⸗ bauten und Anlagen für 3 Millionen Mark verlangt habe. Die Beschlagnahme der Domane und die Anforderungen der Bauten wider⸗ sprüchen dem Rheinlandabkommen. Die Rei sregierung lege das Rheinlandabkommen in Widerspruch mit der Besatzungsbehörde dahin aus, daß nur militärische Anlagen, aber nicht Stätten zur Erlernung eines Zivilberufs zur Verfügung zu Rteles seien. Vorstellungen des Reichskommissars er besetzten rheinischen Gebiete bei der Rheinland⸗ kommission hätten keinen Erfolg gehabt. Die Rheinlandkommission erwiderte, die Domäne sei requiriert worden, um der Rheinarmee als „Lehrfarm“ zu dienen. Auch diplomatische Vorstellungen des Aus⸗ wärtigen Amts hätten bisher zu keinem Erfolg geführt. Die Reichs⸗ vermögensverwaltung Koblenz sei deshalb angewiesen, der An⸗ forderung unter Protest und unter Vorbehalt der Rückforderung der erwachsenen Kosten bei der frenzösischen Regierung zu entsprechen.

Die Beratung des Haushalts des Reichswirt⸗ schaftsministeriums wird beim Ministergehalt in Verbindung mit der Interpellation der Rechts⸗ parteien über die Regelung des Lehrlings⸗ wesens im Ha ndwerk fortgesetzt.

Abg. Simon⸗Franken (U. Soz.): Das Handwerk findet nur noch schwer Lehrlinge, weil die jungen Leute sich anderen Berufen zuwenden, die ihnen eine Existenz bieten. Auch die Zahl der Hand⸗ werksgehilfen und der Meister, die Gehilfen beschäftigen, geht immer mehr zurück. Ein großer Teil der Meister treibt Lehrlingszüchterei und kann die Lehrlinge nicht genügend ausbilden. Die Lehrlinge werden nur zu Reparaturen, aber nicht zu neuen Arbeiten ausgebildet. Da wir wünschen, daß die Lehrlinge tüchig ausgebildet werden, ver⸗ langen wir einen Lehrlingsschutz, der Lehrlingsverträge und Regelung des Lehrlingswesens in Tarifen. Wo bleibt denn das Lehringsgesetz, das s on vor Jahren entworfen worden ist? Die Schwierigkeiten des Reichswirtschaftsministeriums, das eigentlich das Wiederaufbauministerium ift, verkenne ich nicht; unser Aufbau ist nur unter Mitroirkung der privaten Industrie glich. Wir sind mit unseren Erzeugnissen fast bei den Weltmarkwpreisen angelangt, auch bei Erzeugnissen aus inländischen Rohstoffen. Die Ludwigshafener Dampfmüͤhle hat in ihrem Geschäftsbericht berechnet, daß wir mit unseren Getreidepreisen schon zu dem 86 1- des ge⸗ angt sind. Wir nähern uns mit Riesenschritten einer allgemeinen großen Wirtschaftskrise. Der Gang unseres Exportgeschäfts darf uns nicht täuschen, da handelt es sich um einen Ausverkauf durch das Aus⸗ land. Die Schweiz hat sich dadur gegen diese Konkurrenz gewehrt, daß se dei der Ausreise ihrer Staatsangehörigen deren Stiefel und Kleidung abgestempelt hat, und bei der Rückreise alles, was nicht so gekennzeichnet ist, verzollen läßt. Wir haben wieder, wie vor zwei Jahren, einen Käuferstreik zu erwarten, d. h. nicht einen wirklichen Streik, denn die große Menge kann einfach nicht kaufen. Die kommende Wirtschaftskrise wird die allerschwerste werden. Die Arbeiterschaft wird durch ein Meer von Elend gehen, weil die Beschäftigung still⸗ stehen wird. Das Steigen des Dollars in den letzten Tagen hat uns wieder eine Atempause gewährt und die Krise noch etwas hinaus⸗ geschoben, aber diese wird kommen er sieht eine Rettung nur in einer Verlängerung der Arbeitszeit. Auf ik hat diese Meinung keinen Anspruch. Wenn wir den Achtstundentag aufheben, Aauben Sie, daß dieser im Nusland dann bestehen bleiben würdes In England, Frankreich ufw. besteht tatsächlich auch der A tstunden⸗ tag. Verlängern wir die beitszeit, so macht es das Ausland nach. Gewöhnlich kommt bei der Ueberstundenarbeit nichts heraus. Meist ist es auch nur der Machtkitzel der Unternehmer, der die Verlängerung des Achtftundentags fordert. Das angekündigte Arbeits eitgesetz wider⸗ spricht den früheren Zusicherungen der Regierung. amentlich die Bergarbeiter wollen von diesem SA nichts wissen. Die Landwirte wollen zwar hohe Preise für ihre nengn se. eer die hohen Kunst⸗ düngerpreise wollen sie nicht zahlen. Mit Lsprechungen wollen sich die Arbeiter nicht mehr geee lassen. Seit November 1918 ist viel versprochen, aber wenig gehalten worden. Wundern Sie sich nicht, wenn die Arbejter die Geduld verlieren. (Beifall bei den U. Soz

Abg. Gildemeister (D. n. Die Fragen der Außen⸗

andelspolitik spielen bei diesem Reichsministerium die wichtigste Rolle. Maßgebend ist bei der richtigen Außenhandelspolitik die Er⸗ fahrung auf Grund von Tatsachen. Es ist zu rüßen, daß das Ministerium nüchtern, klar und sachlich mit einem I wärtsgehen der wirtschaftlichen Verhälznisse rechnet. Das ist nur eine Ausdrucksform der Verarmung Deutschlands und darum wollen wir nicht, wie Lloyd George einmal sagte, Anblick eines Haufens von Bettlern dar⸗ bigten, die sich um ein Stück Brot raufen. Wir Ehn vielmehr ein⸗ mütig dieser Entwicklun Fenseeegen Die Krisis ist allgemein. Die Erfüllungspolitik ist schuld an der Weltkrisg, in die auch wir hineingerissen sind, und mitschuldig ist auch die Entente. In Sach⸗ verständigenkveisen n man die Sachlage ein und möchte 828 8 aber immer ist die Politik maßgehend. Aus politischen Gründen hal man Deutschland derart 18 lt, daß es zum Lohndrüͤcker für die ganze Welt werden mußte. Man verkennt immer den großen Gesichts⸗ punkt, daß wir 88 Handelspolitik nicht ohne Wechselwirkung aus⸗ üben können. Wollen wir z. B. die Kaffeeeinfuhr hindern, so kommt Brafil 4 Irr regeln. 8* wir können uns eine eigenwillige Hanbelcp nek ht leisten. Will man die Fakturierung in fremder Valuta zwongsweise einführen, so fällt die deutsche Mark noch mehr. Die weltwirtschaftlichen Zusammenhänge machen sich überall geltend. Unsere verkehrte Wirtschaftspolitik hat sich leider losgelöst von diesen

rsammenhängen. Unsere Penge Ausfuhrstatistik gibt trügerische Zahlen, wie es in einer amtlichen Uebersicht selbft zugegeben wird. Die ierabsbebees zeigten eben kein richtiges Bild der „Wir machen uns über den Wert unserer Ausfuhr etwas vor“, das i der Sinn jener amtlichen Darlegung. Kriegswirtschafbspolitik nicht gewirkt.

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Produktionsfördernd hat die

virth x b irkt. In Amerika ist die Arbeits⸗

intensität viel —eSeh bei uns, die Arbeit ist auch rationell gestaltet. ellen

Redner verliest aus dem Fve- der Bremer Handelskammer, worin das eem der jetzigen Handelskontrolle getadelt wird, das die Kartelle und Syndikate zu sehr begünstige. Dauernd ist es, so fährt Redner fort, nicht möglich, die Inkandspreise in weiter Entfernung von den Wektmarktpreisen zu halten. Die Erzbasis ist uns durch den

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben siid.

Friedensvertrag verloren gegangen, was sehr verhängnisvolle Wirkungen hatte. Bei der Frage der Sozialisierung des Bergbaues

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