1922 / 125 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 May 1922 18:00:01 GMT) scan diff

2 negt cher kein Anerkennknis und keine Zustimmung zu dem Geist des Vertrages. Wir benutzen vielmehr die gebotene ee. nheit, um unseren entschiedenen Protest gcgen den Macht⸗ spruch von Genf zu erneuern, und schließen uns der Rechtsverwahrung des Reichsministers Schiffer an. Die Entscheidung über Ober⸗ schlesien ist und bleibt juristisch ein Rechtsbruch, politisch eine Thor⸗ heit, wirtschaftlich ein Verbrechen. (Lebhafter Beifall.) In dem Abkommen selber liegt ein Schuldbekenntnis der andern Vertragsseite. (Sehr wahr!) Nur gezwungen wird die Abtrennung vom deutschen Reiche seitens der deutsch⸗polnischen Bevölkerung au genommen. Es gibt allerdings Momente, um das schwere Los der Bevölkerung zu erleichtern. Unsere Delegation hat gute, beste Arbeit geleistet und sich den Dank des Reichs und insbesondere den der oberschlesischen Bevölkerung in vollstem Maße verdient. Wenn unsere Delegation günstige Bedingungen erzielt hat, dann möge dies polnischerseits nicht als ein Geschenk an die Deutschen angesehen werden, nachdem man den Deutschen in dem wirtschaftlichen Abkommen auferlegt hat, Polen zu helfen, um das ihnen V81. Gebiet wirtschaftlich zu erhalten. Es ist selbstverständliche Pflicht der Polen, auch den Deutschen das Weiterverbleiben im abgetretenen Gebiete zu ermöglichen. Das deutsche Volk ist ehrlich gewillt, den im vorliegenden Abkommen ein⸗ gegangenen Verpflichtungen nachzukommen, und hofft, daß diese seine Vertragstreue eine gleiche Gesinnung auch auf der Gegenseite aus⸗ lösen und so das schwere Los unserer abgetretenen deutschen Gebiete erträglich machen wird. Ueberhaupt sind wir überzeugt, 5 eine verstandnisvolle und gerechte Behandlung der bei Polen bleibenden deutschsprechenden Bevölkerung ein wirksames Mittel sein wird, die polnischen Volksgenossen günstig zu beeinflusten. Da in einigen Wochen der Schmerz der Trennung eintreten wird, werden die alten Wunden besonders fühlbar, die uns schon durch die Abtrennung wertvoller Glieder Oberschlesiens, des Kreises Namslau und des Kreises Ratibor, bereitet sind. Diese Wunden kann keine Zeit heilen. (Lebhafte Zustimmung.) Sie werden eitern und brennen, bis ihnen der Stachel des Unrechts genommen sein wird und diese Gebiete dahin kommen, wohin sie Die bevorstehende Trennungs⸗ stunde eröffnet uns bei aller Bitterkeit einen freudigen Ausblick. Das deutschbleibende Oberschlesien soll von fremder Regierung und Besatzung befreit werden. Während der Zeit der Besatzung hatten wir nicht, wie es verheißen worden ist, eine Zeit der Freiheit und des Friedens, sondern des Schreckens und des Unheils. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Die Entente möge sich erinnern an die Wiedergut⸗ machung, die sie uns schuldet (sehr gut!), Wiedergutmachung der aus dem polnischen Aufstande entstandenen Schäden, denn sie allein hatte das Recht und die Pflicht und die Waffengewalt, diese Schäden zu verhüten. Möge diese Abtrennung dazu beitragen, mit der Kulturschande, die mit jeder unnötigen Besatzung verbunden 8. ein Ende zu machen. (Lebhafter Beifall.) Den von uns ge benden Brüdern entbieten wir herzlichsten Abschiedsgruß und das heilige Versprechen, sie nicht zu verlassen. (Lebhafter anhaltender Beifall.)

Reichskanzler Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Es obliegt der Reichsregterung, in den Verlauf der Debatte einige Worte des Dankes und der Anerkennung einzuflechten, des Dankes zunächst an die Herren Vertreter, die im Auftrage der Reichs⸗ regierung und ihren Richtlinien folgend in Genf die Verhandlungen geführt haben. Es war eine harte und bittere Arbeit, die jedem Patrioten gewiß manchmal das Herz zerrissen hat. Wir danken Ihnen, Herr Kollege Schiffer, Ihnen Exzellenz Lewald, Herrn Dr. Simons und allen anderen Herren dafür, daß Sie sich trotz der innern schweren Bedenken, die bei Ihnen gewiß vorhanden ge⸗ wesen sind, an diese Arbeit gemacht haben. (Bravo! bei den Deutschen Demokraten.) Sie haben sich wie wir von dem Ge⸗ danken leiten lassen, daß in Mitteleuropa Ruinen genug geschaffen sind und daß es jetzt gilt, vorhandene Wirtschafts⸗ und Volks⸗ kräfte schonend und pfleglich zu behandeln, um dieses Mitteleuropa üͤberhaupt vor dem gänzlichen Zusammenbruch zu retten. (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.) Diesem Rettungswerk hat Ihre treue Arbeit gedient. Daß Sie dabei in zähem Ringen, in endlosen Verhandlungen Rechte des deutschen Volkstums, Sicherungen sozialer Errungenschaften für die oberschlesische Arbeiterschaft gewahrt haben, dafür wird Ihnen gewiß nicht nur das deutsche Voll, sondern werden Ihnen sämtliche Völker Mitteleuropas, vielleicht ganz Europas, zu immerwährendem Dank verpflichtet sein. (Bravo! in der Mitte und rechts.) Denn das ist doch schließlich der Sinn der Erhaltung des Volkstums, daß die an ihm haftenden, in Jahr⸗ hunderten geschaffenen Werte nicht untergehen können.

Aber der Dank darf nicht nur auf die Vertreter der deutschen Regierung beschränkt werden, diesen Dank müssen wir auch aus⸗ dehnen auf die gesamte oberschlesische Bevölkerung. (Sehr wahr! in der Mitte und rechts.) Was die Bevölkerung im Laufe dieser Jahre erduldet hat, ist hier schon zum Ausdruck gekommen. Es ist ein namenloses Leid gewesen (sehr richtig! in der Mitte und rechts); es ist ein Leidensweg gewesen, der hervorgegangen ist aus dem Friedensvertrag von Versailles, der sich hier nicht als Friedens⸗ vertrag, sondern als ein Werk des Kampfes und der Zerrüttung erwiesen hat. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.) Die oberschlesische Bevölkerung hat im Laufe dieser Jahre eine Geduld an den Tag gelegt, für die es überhaupt Ausdrücke, um sie richtig zu kennzeichnen, nicht gibt. (Sehr wahr! in der Mitte und rechts.) Gewiß hat die oberschlesische Bevölkerung an dem T

Tage, wo zu Unrecht und mit Gewalt Oberschlesien in die Hände Polens geliefert werden sollte, unter Führung tapferer Männer, wie es ihr natürliches Recht ist, den Boden ihrer Heimat mit der Waffe ver⸗ teidigt. (Stürmisches Bravo in der Mitte und rechts.) Ehre und Ruhm denen, die im Kampfe für ihre heimatliche Erde gefallen sind! (Erneutes stürmisches Bravo in der Mitte und rechts.)

Nun ist das Werk vollendet, und nun unterliegt Ihrer parla⸗ mentarischen Beschlußfassung das Werk, das der oberschlesischen Be⸗ völkerung das wirtschaftliche Leben auf ihrer Heimaterde ermög⸗ lichen soll. Sie haben es im Ausschusse geprüft; Sie haben da und dort Bedenken geäußert, aber im ganzen haben Sie diesem Werke, wie wir erwarten durften, Ihre Zustimmung nicht versagt, und ich darf auch hier bitten: um dem Frieden in Mitteleuropa zu dienen, um nicht neue endlose Ruinen zu schaffen, stimmen Sie diesem Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, zu. Die oberschlesische Be⸗ völkerung wünscht es auch. Sie will nicht in eine neue Katastrophe hinein. Sie will retten, sie will das, was sie hat, pfleglich be⸗ handeln, und sie will weiter aufbauen.

Es ist schmerzlich, daß wir bei dieser Gelegenheit von lieben Kollegen aus unserer Mitte scheiden müssen. Ich darf in Ihrem Namen dem Herrn Kollegen Szezeponik für sein mutiges Bekennt⸗ nis zum deutschen Volkstum den Dank nicht nur der Volks⸗ vertretung, sondern auch der Reichsregierung zum Ausdruck bringen. (Lebhaftes Bravo!) Er hat mutig ausgehalten auf seinem Platze und hat manches schmähliche Wort über sich ergehen lassen. Er hat aber als braver deutscher Staatsbürger bis heute seinem Vater⸗ lande, seiner Heimat und seinem Volkstum gedient, was nur für alle seine Volksgenossen dort oben ein Beispiel sein kann. (Erneutes Bravo.) Er wird einem neuen Staatsverbande angehören und

ist. Aber das kann niemand ihm und seinen Volksgenossen wehren, wie es hier zum Ausdruck gekommen ist, daß sie das heilige Feuer vaterländischer deutscher Zusammengehörigkeit pflegen in alle Zeiten hinaus. (Wiederholtes lebhaftes Bravo.) Das wollen wir hoffen, und zum Zeichen dafür ist ja in diesem Saale heute ein äußeres Merkmal angebracht: Die oberschlesische Einheit, die Zusämmen⸗ gehörigkeit oberschlesischer Herzen darf nimmermehr in deutschen Landen erlöschen und untergehen. (Stürmischer Beifall.)

Abg. Toni Sender (U. Soz.): Das vorliegende Abkommen ist die Konsequenz einer wider Vernunft und Recht gehenden Ent⸗ scheidung der Botschafterkonferenz. Die Menschen werden wie Ware anderen Ländern zugeteilt (Zustimmung), aber der Beschluß zeigt uns die Folgen des Kapitalismus. (Unruhe bei der Mehr⸗ heit, Zustimmung links.) Er zeigt uns, wie der siegreiche Imperialismus auftritt und den Machtstandpunkt hervorkehrt. (Sehr richtig! links.) Wenn wir gegen die Anwendung des Machtstandpunktes protestieren, so wollen wir nicht nur, daß er nicht angewendet werde von den Alliierten, sondern auch nicht vom deutschen Kapitalismus, sobald er die Macht dazu hat. (Zischen rechts, Zustimmung links.) Wir brauchen nur daran zu denken, wie von Deutschland das Königreich Polen geschaffen

wurde (Pfuiruse), auch an die alte Polenpolitik Preußens, durch

die wir uns keine Sympathie erwerben konnten, mag erinnert werden. (Große Unruhe, Zustimmung, die Mitglieder der Deutschen Volkspartei verlassen geschlossen den Saal, ein großer Teil der Deutschnationalen schließt sich an.) Die Arbeiter waren es in erster Linie, die sich für Deutschland ausgesprochen haben. Es hat dagegen sehr lange gedauert, ehe eine Stellungnahme der Großindustriellen erfolgt ist. Das Ergebnis des Abkommens ist als durchaus befriedigend zu bezeichnen. Wir rufen den ober⸗ schlesischen Arbeitern zu, die Kluft zu überbrücken, die die nationalistische Verhetzung geschaffen hat und daran zu denken, daß die deutschen und polnischen Arbeiter zusammenwirken mögen gegen den gemeinsamen Feind, das internationale Kapital. (Bei⸗ fall links.) Wir halten unseren Protest gegen die Entscheidung der Botschafterkonferenz aufrecht, können uns aber der gemein⸗ samen Erklärung der Parteien nicht anschließen, weil wir wissen, daß uns andere Motive leiten und daß unser Protest ein ganz anderes moralisches Gewicht besitzt. Zum Schlusse gibt Rednerin eine Erklärung namens ihrer Partei ab, in der die von der Bot⸗ schafterkonferenz am 20. Oktober gefällte Entscheidung über die Teilung Oberschlesiens verurteilt wird, weil sie wirtschaftlich zu⸗ sammenhängende Gebietsteile auseinanderreißt und die Gefahr in sich berge, durch Schaffung einer neuen Irredenta den sozialen Kampf zu verschärfen. Dem Abkommen wird die Zustimmung ge⸗ geben, und den oberschlesischen Brüdern zugerufen, gemeinsam für die Verwirklichung wahrer sozialistischer Ideen zu kämpfen. (Beifall links.)

Abg. Hergt (D. Nat.): Wir erkennen an, daß der Vertrag über die Regelung der Verhältnisse in Oberschlesien eine Gestalt erfahren hat, bei der, soweit sich die Verhältnisse übersehen lassen, das Interesse der oberschlesischen Bevölkerung und des Deutschen Reiches in dem Maße gewahrt worden ist, als es unter den ge⸗ gebenen Umständen erreichbar war. Wir billigen, daß bei Abschluß des Vertrages das Bestreben in den Vordergrund 8 worden ist, den an Polen abgetretenen Teil des oberschlesis en Industrie⸗ reviers und die deutsche Bevölkerung in ihm lebensfähig zu er⸗ halten, und sprechen die Erwartung aus, daß namentlich die zu diesem Zwecke getroffenen Vereinbarungen über den Minderheiten⸗ schutz ebenso wie es selbstverständlich in dem bei Deutschland ge⸗ bliebenen Teil des Abstimmungsgebietes geschehen wird, so auch von Polen loyal und vollständig durchgeführt werden. Die durch den Vertrag getroffene Regelung ist gleichwohl wegen grundsätz⸗ licher Bedenken unerträglich. Ihre Grundlage ist die rechtswidrige Entscheidung des Obersten Rates vom 20. Oktober 1921, die in gleicher Weise dem durch die Abstimmung bekundeten Willen der Bevölkerung wie den natürlichen Lebensbedingungen des Landes Hohn sprach und niemals von uns anerkannt werden kann. Un⸗ beschadet der Bewertung des vorliegenden Vertrages im einzelnen muß jene Grundlage in ihrer Gesamtwirkung für L. berschlesien und seine Bevölkerung wie für das Deutsche Reich und Preußen so vernichtende Folgen haben, daß damit im Zusammenhange auch die Vertragsbestimmungen selbst als unannehmbar erscheinen. In klarer Erkenntnis dessen vir bei der Reichstagsverhandlung vom 26. Oktober 1921 der Enssendung der Unterhändler zu den Verhandlungen über diesen Vertrag widersprochen. In der Ver⸗ folgung unserer damaligen Haltung werden wir daher auch gegen die Annahme des Vertrages durch den Reichstag stimmen. Dem gemeinsamen Antrage des Auswärtigen Ausschusses stimmen wir zu. Wir gehen aber weiter. Die Loslösung oberschlesischen Landes vom Deutschen Reiche kann niemals zu einem dauernden Rechts⸗ zustande werden. Sie ist eine Gewalttat. Mit festem Entschluß und zäher Ausdauer muß das deutsche Volk das Ziel verfolgen, diesen Vorgang rückgängig zu machen und die wider ihren, Willen der polnischen Fremdherrschaft unterworfenen deutschen Brüder und Schwestern ihrem deutschen Vaterlande wieder zuzuführen. Ihnen, von denen wir heute bewegten Herzens Abschied nehmen müssen, rufen wir zu, daß wir ihnen die Treue halten und nicht ruhen werden, bis der geraubte Teil des auf ewig ungeteilt und deutsch bleibenden oberschlesischen Landes wieder mit der deutschen Heimat vereinigt ist. (Beifall rechts.)

Abg. Freiherr v. Rheinbaben (D. Vp.) gab folgende Erklärung ab: Dem Gesetz über das am 15. Mai 1922 in Genf geschlossene deutsch⸗polnische Abkommen über Oberschlesien liegt das in der Entscheidung der Botschafterkonfexenz vom 20. Oktober 1922 ent⸗ haltene Diktat zugrunde. Die Deutsche Volkspartei hat in der Reichstagsverhandlung vom 26. Oktober 1921 ihren einmütig ge⸗ faßten Beschluß kundgegeben, daß sie der geforderten Entsendung eines Bevollmöchtigten nicht zustimme, um die Nichtanerkennung der Teilung Oberschlesiens durch einen deutlich wahrnehmbaren Akt vor dem Richterstuhl der Weltgeschichte zu dokumentieren. Oberschlesien ist, wie wiederholt auch durch den englischen Minister⸗ präsidenten Lloyd George anerkannt wurde, seit über 700 Jahren, also länger deutsch, als die Normandie französisch. Die polnische Propaganda zur Abkehr vom Deutschtum ist erst in neuester Zeit in Oberschlesien von außen, von Kongreß⸗Polen her, in die ge⸗ mischtsprachige und gemischtrassige Bevölkerung hineingetragen worden. In Versailles wurde es der deutschen Delegation ver⸗ wehrt, die für Deutschlands und Oberschlesiens Schicksal ebenso wie für den Frieden und den Wiederaufbau Europas verhängnisvollen Irrtümer der leitenden Staatsmänner unserer damaligen Gegner aufzuklären. Erst als der englische Ministerpräsident zu der Er⸗ kenntnis kam, daß an Oberschlesien im ersten Friedensdiktat von Versailles ein schweres Unrecht begangen war, wurde die Volks abstimmung gegen den Widerstand des Präsidenten Wilson und Clemenceaus durchgesetzt. Sie fand erst nach 1 ¼jähriger Okku⸗ pation statt, die die deutsche Bevölkerung durch französisch⸗polnischen Terror schwer bedrückte und den Wahlakt erheblich zu ungunsten Deutschlands beeinflußte. Trotzdem war das Ergebnis der Volks⸗ abstimmung ein überzeugendes Bekenntnis zum Deutschtum. Dem Völkerbund blieb es vorbehalten, in Mißachtung des klar erkenn⸗ baren Willens der oberschlesischen Bevölkerung das deutsche Land in einseitiger Begünstigung der polnischen Ansprüche widerrechtlich zu zerreißen. Die Gründe dafür liegen klar zutage. Polen hat den wertvollen Zuwachs an oberschlesischem Gebiet damit erkauft, daß es sich unter die politische und militärische Vormundschaft Frankreichs begeben und dem französischen Kapitalismus weit⸗ gehende Vorrechte zur wirtschaftlichen Ausbeutung eingeräumt hat. Der wertvollste und lebenswichtigste Teil des deutschen Ober⸗ schlesiens ist einfach verschachert worden. Eine derartige Beugung des Rechtes durch Unterzeichnung zu decken, lehnt die Deutsche Volkspartei ab. Sie erkennt ausdrücklich an, daß der deutsche Be⸗ vollmächtigte und seine Mitarbeiter bemüht gewesen sind, nach Möglichkeit in vertraglicher Form die Härten zu mildern, die infolge der aufgezwungenen, das Wirtschaftsleben Oberschlesiens

wird diesem Staatsverbande dienen, wie es staatsbürgerliche Pflicht

zerschneidenden und auf das schwerste schädigenden Grenzziehung

entstehen mußte. Der vom deutschen Bevollmächtigten vor der

Zeichnung des Vertrages in Genf eingelegten Rechtsverwahrung

gegen die Entscheidung der Botschafterkonserenz vom 20. Oktober 1921, der heute von mehreren Parteien dieses Hohen Hauses bei⸗ getreten wurde, stimmt auch die Deutsche Volkspartei zu. a lehnt darüber hinaus infolge richtiger Beibehaltung ihres Stand⸗ punktes vom 26. Oktober 1921 es ab, dem aus dem Diktat der Botschafterkonferenz entstandenen Vertrag vom 15. Mai 1922 ihre Zustimmung zu erteilen. Um noch einmal vor aller Welt und insbesondere gegenüber den für die Vergewaltigung an deutschem Volk und deutschem Land verantwortlichen Mächten eindringlich und feierlich darauf hinzuweisen, daß hier ein Unrecht beganger wurde, dessen Wiedergutmachung wir und mit uns das deutsche Volk fordern müssen. Diese in höchstem vaterländischem Interesse eingenommene grundsätzliche Haltung wird und soll uns nicht daran hindern, mit allen Kräften an dem vor uns liegenden schweren Werk der Sicherung und Stützung des oberschlesischen Deutschtums mitzuarbeiten. Mit diesem Gelöbnis grüßen wir in schwere Stunde unsere Brüder in Oberschlesien jenseits der aufgezwun⸗ genen Grenze und bitten sie, mit uns fest zu bleiben in unbeirr⸗ barem Glauben an den Tag der Wiedervereinigung mit dem Vater⸗ lande in einer besseren und glücklicheren Zeit!

Abg. Pohlmann (Dem.): Für die Deutschdemokratisch Fraktion habe ich folgende Erkläcung abzugeben: Wir sind be⸗ rufen, Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Reiche und Polen, welche die Ausführungsbestimmungen für eine über uns von der Entente verhängte Entscheidung enthalten, die verfassungsmäßige 8 Zustimmung zu geben. Sie werden niemals im wahren Sinne des Wortes „Recht“ werden; justitia est ars boni et aequi! Zukunft gehört dem Guten. Es handelt sich lediglich um die Regelung eines durch Gewalt herbeigeführten Zustandes. Geger den von den alliierten der Welt verkündeten Grund⸗ fatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker gegen die Be⸗ stimmungen des uns aufgezwungenen Versailler Vextrages ist deutsches Land mit deutscher Bevölkerung, welches deutsches Können und deutsche Arbeit zu dem gemacht haben, was es ist, sind rein deutsche Städte vom Deutschen Reiche, vom gemeinsamen heimat⸗ lichen Boden losgerissen worden. Niemals wird das deutsche Volk, niemals das Deutsche Reich diesen Zustand anerkennen: unsere Verwahrung vom 26. Oktober 1921 gegen die Gewaltta: wiederholen wir, die Genehmigung der jetzigen Ausführungs⸗ verträge schließt keine Anerkennung ein. Die deutsche Regierung mußte, dem damals ausgesprochenen Mehrheitswillen des deutschen Volkes entsprechend, dabei mitwirken, Leben und Wirken der von Reiche abgetrennten Deutschen nach Möglichkeit zu schützen, deut⸗ Wirtschaft nach Möglichkeit zu erhalten. Das haben diejenigen, welche die Regierung mit dieser schweren 111“ in hingebungsvoller Arbeit getan, ihnen gilt unser besonderer Dank. Wir sehen uns daher veranlaßt, ohne zu den Einzelheiten Stellung zu nehmen, den dem Reichstage zur Beschlußfassung vor⸗ gelegten Verträgen zuzustimmen, nicht rückblickend, sondern vor⸗ wärts schauend und dem Stern des deutschen Volkes vertrauend. (Lebhafter Beifall.) 8 8

Abg. Emminger (Bayer Vp.): Für die Bayerische Volks⸗ partei erneuern wir die Rechrsverwahrung vom 26. Oktober 1921. Wir waren seinerzeit gegen die Entsendung der deutschen Dele⸗ gation, wir erkennen aber den Geist an, mit dem die deutsche Dele⸗ gation versucht hat, die Lage unserer deutschen Brüder zu er⸗ leichtern. Wir werden nunmehr für die Annahme des Vertrages stimmen, wollen aber nachdrücklich betonen, was der Führer der deutschen Delegation ausgesprochen hat, daß unsere frühere Rechts⸗ verwahrung, die der Reichstag am 26. Oktober 1921 beschlossen hat, fortbesteht. Wir hoffen, daß der Vertrag von den Polen lohal gehalten werden wird. Im Interesse der Versöhnung wollen wir auch versuchen, die Leiden zu vergessen. Die Geschichte wird dereinst über die verantwortlichen Kreise zu Gericht sitzen. (Sehr wahr!) Auch die Baverische Volkspartei betont in dieser großdeutschen Sache das Stammesgefühl unserer gesamten Volksgemeinschaft (Beifall.) Wir erwarten, daß diese Gewalttat gegen Oberschlesien sich nie mehr wiederholt. Wehe den Staatsmännern und Volks führern, welche eine solche Wiederholung begünstigen wollten. Wi erwarten ferner, daß die deutsche Regierung über die Recht unserer Landsleute eifersüchtig wacht. Wir nehmen mit tiefem Schmerze Abschied von unseren deutschen Brüdern. Deutschland ist jetzt im tiefsften Unglück, aber die Heimat denkt an die abgetrennten Brüder. Der Geist der kulturellen Gemeinschaft wird sich stärke erweisen als aller Kampf. Oberschlesien wird darin voranstehen, weil kein Land so viel für Deutschland gelitten hat wie O schlesien. (Beifall.) *

Abg. Höllein (Komm.): Wir lehnen es ab, uns an politischen Rummel hier zu beteiligen. (Stürmische Entrü⸗ Ruse: Pfui! Pfui! Der größte Teil der Abgeordneten, nament die Rechtsparteien, verläßt den Saal.) Dieselben Parteien, die jetzt nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker rufen, habe immer wieder nach innen und außen die Vergewaltigung als ihre obersten Grundsatz erkoren. Die Regierung mit ihrem berühmte Hakatistenklub hat erst die Voraussetzung für den Uebergang Ober⸗ schlesiens an Polen geschaffen. Eine verbohrte Bürokratie und das Kapital haben die Polen ausgebeutet und unterdrückt. Zum Schluf gibt der Reduter namens seiner Fraktion eine Erklärung ab, in der es u. a. heißt: Wir Kommunisten lehnen den deutsch⸗polnischen Ver⸗ trag über Oberschlesien ab, genau so die Entscheidung des Völker bundrats über die Teilung Oberschlesiens und den Versailler Raub vertrag, der dieser Entscheidung die Grundlage gegeben hat. D. Vertrag ist außerdem eine ganz einseitige Sicherung der kapi⸗ talistischen Besitz⸗ und Ausbeuterinteressen der herrschenden Klassen in beiden Teilen Oberschlesiens. Gegen die Unterdrückungspolitik der polnischen Regierung gegenüber der kommunistischen Be⸗ wegung wird schärfste Verwahrung eingelegt und den Oberschlesiern zugerufen, sich durch nationali Hetzereie 1 lassen. Eine wirkliche Lösung der oberschlesischen Frage wird nur das internationale Proletariat nach Niederringung der Kapi talisten aller Länder finden. (Beifall links.)

Damit ist die Aussprache über den Art. 1 des Gesetzes geschlossen.

In der Abstimmung wird das Gesetz im einzelnen geger die Stimmen der Deutschnationalen, der Deutschen Volks partei und der Kommunisten angenommen, ebenso in der sofort anschließenden dritten Lesung im ganzen.

Präsident Löbe stellt fest. daß bei zwei Drittel anwesenden Reichstagsmitgliedern das Abkommen mit Zwei⸗Drittel⸗Mehrhei genehmigt worden ist. Im Anschluß daran spricht Präsident Löb folgende Worte: Nur unter dem Druck der Verhältnisse hat eine Mehrheit des Reichstages die Zustimmung zu diesem Gesetz ge⸗ geben. Die Abstimmung der Mitglieder des Reichstages war von verschiedenen Motiven geleitet, aber es ist wohl keiner unter uns, den die Trennung des oberschlesischen Volksteiles von uns nicht schmerzlich berührt. Mit dem Abgeordneten Szezeponik, der eber Abschiedsworte an uns gerichtet hat, und unserem Kollegen, Herrn Dr. Hartmann, der in der Zeit der Besetzung schwere Verfolgung erlitt, die jetzt beide den Deutschen Reichstag verlassen, nachdem sie 60 und 66 Jahre als Bürger in diesem Lande gelebt haben, mit ihnen werden wir zurücklassen hinter der neuen Grenzmauer Tausende und aber Tausende, die uns mit erhobenen Händen ge⸗ beten haben: Wir wollen bei euch, wir wollen bei der deutschen Heimat bleiben. Wir werden zurücklassen einen Landstrich, der durch die Mühen unserer Landsleute mit gewerbefleißigen Sied⸗ lungen bedeckt und in ein fruchtbares Land umgewandelt worden ist. Aber auch in Schmerz und Bitterkeit raffen wir uns empor und rufen Ihnen in der Abschiedsstunde zu: In der Not getrennt, in Treue vereint. (Lebhafter Beifall.) Unvergänglich möge diese Treue hüben und drüben sein, unvergänglich die Rechtsverwahrung, die die deutsche Regierung gegen die Teilung Oberschlesiens ein⸗

gelegt hat. (Lebhafter Beifall.)

v11“

Die Abgeordneten haben sich während dieser Worte von

Plätzen erhoben und hören sie bis zum Schlusse stehend an, nur die Kommunisten und Unabhängigen sind sitzen geblieben.

Darauf werden auch die Gesetzentwürfe über die Ab⸗ kommen zwischen Deutschland und Polen, betreffend den Postscheckverkehr, betreffend die Ueberleitung der Rechtspflege im oberschlesischen Abstimmungsgebiet und betreffend die Grenzübergangsbahnhöfe mit beiderseitiger Zoll⸗ oder Paß⸗ abfertigung und über die Rechte und Pflichten der Beamten im privilegierten verkehr, in genehmigt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Auf die zweite Sitzung des heutigen Tages, die um 2 Uhr beginnen wird, setzt der Präsident außer Anfragen und außer der Fortsetzung der Besprechung über die Er⸗ klärung der Reichsregierung noch das deutsch⸗dänische Ab⸗ kommen, die Vorlage wegen Erhöhung der Zulagen für ie Unfallrentner

. 2 und die Erweiterungen der Kranken⸗ versicherung, der Wochenhilfe und der Wochen reffenden Entwürfe.

sn 6 Schluß 1 Uhr.

zweiter und dritter Lesung ohne Erörterung

223. Sitzung vom 30. Mai 1922, Nachmittags 2 Uhr.

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 ¼ U Auf der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen.

Eine Anfrage der Deutschen Volkspartei betrifst einen vom

„Vorwärts“ aus Frankfurt a. M. unter der Ueberschrift „Unerhört“ gemeldeten Vorfall, wonach am 20. Jannar 1919 der Arbeiter Wagner in Bobenheim am Rhein durch einen französischen Besatzungssoldaten getötet worden ist. Die Witwe habe drei Jahre lang auf ihren Entschädigungsantrag keinen Bescheid erhalten, jetzt aber sei der Antrag abgelehnt worden, da eine Verantwortung des französischen Staates nicht in Frage komme.

Legationsrat von Friedberg: Der Bericht des „Vor⸗ wärts“ ist richtig. Der Gastwirt Wagner ist von dem französischen Kanonier Auchair erschossen worden, nachdem ihm der Zutritt zur Wirtschaft pflichtgemäß verweigert worden war, da allgemein der Aufenthalt in Wirtschaften nach 8 Uhr Abends durch die Besatzungs⸗ behörde verboten worden war. Er hat eine unbemittelte Witwe und fünf Kinder, darunter vier unmündige, hinterlassen. Diese Untat wurde unverzüglich der Besatzungsbehörde zur Kenntnis ge⸗ bracht und Bestrafung des Täters und Gewährung einer Ent⸗ schädigung gefordert. Der Täter ist in Landau von dem fran⸗ zösischen Kriegsgericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Entschädigungsforderung ist von den deutschen Verwaltungs⸗

hr.

behörden zunächst bei dem französischen Provinzialdelegierten in

Speyer und dann auf diplomatischem Wege bei der französischen

Regierung betrieben worden. Die Antwort der französischen Re⸗

gierung steht noch aus. Die Botschaft hat wiederholt und dringend

um baldige Regelung ersucht. Für die Hinterbliebenen wird bis

zur Gewährung einer Entschädigung seitens der französischen egierung aus deutschen Mitteln gesorgt.

Eine weitere Anfrage der Deutschen Volkspartei be⸗ trifft den im Reichstage bereits zur Sprache gebrachten Falle der Er⸗ schießung eines dreizehnjährigen Mädchens durch einen belgischen Gendarm in Duisburg. Es wird gefragt, ob die Besatzungsbehörde es nicht für nötig befunden hat, der deutschen Behörde eine amt⸗ liche Auskunft über das ergangene Urteil zugehen zu lassen.

Oberregierungsrat Dr. Meyer: Nach den inzwischen der Reichsregierung zugegangenen Berichten ist der belgische Gendarm Huens am 20. April vom belgischen Kriegsgericht zu Aachen wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sieben Jahren Zuchthaus, Degradation und Ausstoßung aus dem Heere sowie zu 5000 bel⸗ gischen Franken Geldbuße an den Vater des getöteten Mädchens verurteilt. Die deutschen Behörden haben davon durch den Vater der Getöteten und dessen Rechtsanwalt Mitteilung erhalten, welche beide der kriegsgerichtlichen Sitzung beigewohnt haben. Ob die Besatzungsbehörden auch eine amtliche Nachricht über das Urteil den deutschen Behörden haben zugeben lassen, ist nicht bekannt.

Auf eine weitere Anfrage des Abg. Dr. Most (D. V.), ob die Reichsregierung bereit ist, das Verfahren in der vom Vater gegen das Urteil eingelegten Berufung weiter zu verfolgen und eventuell dem Reichstag mitzuteilen, ob die Berufung Erfolg gehabt hat,. wird später geantwortet werden.

In einer Anfrage des Abg. Schöpflin (Soz.) wird zur Sprache gebracht, daß Ministerialdirektor Dammann und Assessor Krause sowie zwei Ministerialräte vom Auswärtigen Amt, ferner zwei Ministerialräte vom Reichsfinanzministerium am 24. April mit Vertretern der süddeutschen Länderregierungen über die Frage der Regelung des Grenzverkehrs in Konstanz eine Referenten⸗ besprechung anberaumt haben. Hierzu erschienen die Herren in einem Salonwagen, in welchem sie auch wohnten. Die Reichs⸗ regierung wird gefragt, wieso es möglich ist, daß Reichsbeamte in der Osterwoche in solcher Auüufmachung eine Reise nach dem äußersten Ende des Reiches antreten, und da die Fahrt durch das bayerische Hochgebirge ging, wird auch um Mitteilung gebeten, wie lange die Herren mit diesem Wagen unterwegs gewesen sind.

Staatssekretär Freiherr von Welser: In der Sitzung vom 18. Februar haben alle Parteien den dringenden Wunsch nach Be⸗ seitigung der Schwierigkeiten im Verkehr mit Deutschösterreich unterstützt und die Reichsregierung hat infolgedessen während der Osterpause in der vorletzten Aprilwoche durch eine Kommission aus Vertretern der beteiligten Reichsressorts unter Zuziehung von Ver⸗ tretern der bayerischen Regierung und der bayerischen Lokal behörden die Grenzabfertigungsverhältnisse besonders in Passau, Salzburg, Kufstein und Lindau prüfen lassen. Gleichzeitig war die Kommission beauftragt, die Verhältnisse an der deutsch⸗schweize⸗ rischen Grenze, insbesondere in Lindau und Konstanz, zu dem gleichen Zwecke zu untersuchen und die Ergebnisse dieser Unter⸗ suchung am 24. April in Konstanz mit Vertretern der süddeutschen Landesregierungen und der deutschen Vertretungen in der Schweiz zu besprechen. Bei den Grenzübergangsstellen haben die Verhand⸗ lungen fast ausschließlich auf den Bahnhöfen selbst und zum Teil, da die Abfertigung von internationalen Nachtzügen in Betracht kam, in der Zeit von Mitternacht bis 6 Uhr morgens geführt werden müssen. Ferner mußten im Interesse der Zeitersparnis die Besprechungen mit den Vertretern der Lokalbehörden über⸗ wiegend während der Fahrt abgehalten werden. Da nicht überall, besonders nicht in den Wagen des allgemeinen Verkehrs, geeignete Räumlichkeiten zu derartigen Verhandlungen zur Verfügung ge⸗ standen hätten, hat die Reichsverkehrsverwaltung einen Eisenbahn⸗ wagen mit Beratungsraum für die Reise bereitgestellt, um so mehr, als die Kommissionsarbeiten hauptsächlich der Verkehrsförderung dienten und daher für diese Verwaltung von besonderem Werte waren. Ohne den Wagen wäre auch die Erledigung der umfang⸗ reichen Aufgaben der Kommission in der kurzen Zeit von acht Tagen nicht möglich gewesen, zumal die Kommissionsarbeiten durch die damals sehr ungünstige Wetterlage (große Heiterkeit) nicht unwesentlich erschwert wurden. Eine Fahrt durch das bayerische Hochgebirge hat nicht stattgefunden. Durch die Benutzung des Wagens sind besondere Kosten nicht entstanden, er ist den fahr⸗ planmäßigen Zügen angehängt und während seiner Verwendung für die Reise anderen Zwecken nicht entzogen worden. Die Reise⸗ teilnehmer haben Fahrkarten benutzt, die ihnen nach den all⸗ gemeinen Kostenbestimmungen zustanden. Durch diese Unter⸗ bringung sind Aufwendungen erspart geblieben, welche sonst die Reichskasse zu tragen gehabt hätte. (Wiederholte großer Heiterkeit.)

Durchgangs⸗ und Eisenbahnübergangs⸗

in der Stimmung in Frankreich waren unberechtigt.

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Auf eine Anfrage des Zentrums, betreffend den Ersatz der den Ländern und Gemeinden durch die Bearbeitung der Besatzungs⸗ angelegenheiten entstehenden Personal⸗ und Sachkosten, wird durch den Vertreter der Reichsregierung erwidert, daß neuere Erwägungen dahin geführt haben, die entstehenden Kosten, die bisher nur zu 80 Prozent erstattet wurden, im Hinblick auf die notleidende Bevölkerung der besetzten rheinischen Gebiete voll auf die Reichskasse zu übernehmen, ebenso die Kosten nicht nur für Hilfskräfte, sondern auch für das notwendige etatmäßige Personal. Damit sind für heute die Anfragen erledigt.

In der nunmehr fortgesetzten Aussprache über die Re⸗ gierungserklärung erhält das Wort der

Abg. Dr. Hoetzsch (D. Nat. [Als der Redner zu sprechen beginnt, ertönen von den Bänken der äußersten Rechten Rufe: Wo ist die Regierung?)): Heute, am Tage vor dem Verfalltage, weiß das deutsche Volk, weiß die berufene Vertretung des deutschen Volkes nicht, welche Vorschläge in dieser hochkritischen Situation die Regierung der Reparationskommission unterbreitet hat. (Hört, hört! rechs.) Was über den Inhalt der deutschen Note bekannt⸗ geworden ist, wäre Anlaß zu einem sachlichen Mißtrauensvotum gewesen. Meine Fraktion hat auch den Beschluß gefaßt, ein solches Mißtrauensvotum einzubringen; da wir aber über die Absicht der Regierung im Dunkeln gelassen worden sind, ist die Einbringung eines sachlichen Mißtraunensvotums nicht möglich. Aber das Spiel, das da gespielt wird, machen wir nicht mit. Die Regierung hat sich in einer kritischen Situation ersten Ranges zwar formell salviert, ist aber tatsächlich schwere Bedingungen eingegangen, und der Reichstag weiß von dieser Sache überhaupt nichts. Das sieht so aus, als ob die Reichsregierung nicht den Mut hat, hier das mitzuteilen, was sie der Reparationskommission vorgeschlagen hat. Diese Verhöhnnng des parlamentarischen Regimes machen wir nicht mit. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit links.) Wir werden den Antrag einbringen: „Der Reichstag mißbilligt es, daß die Re⸗ gierung bei den Verhandlungen in der Reparationsfrage in einer Weise verfährt, die mit der Verantwortlichkeit des Reichstages nicht vereinbar ist. Der Reichstag versagt unter diesen Umständen der Regierung das Vertrauen.“ Die Hoffnungen auf eine Wandlung Die letzten Verhandlungen des französischen Parlaments zeigen, daß eine er⸗ drückende Mehrheit des Parlaments die Politik Poincarés, die auf die Erdrückung Deutschlands hinausgeht, billigt. In der welt⸗ politischen Entwicklung ist allerdings eine große Wendung ein⸗ getreten. Die Merkmale dieser Wendung sind der Amtsantritt des amerikanischen Präsidenten Harding, dessen Politik zweifellos die stärkere Beteiligung an europäischen Fragen zum Ziele hat, ferner die Konferenzen in London und Washington, dann die Abkehr von den Grundsätzen des Bolschewismus in Rußland und schließlich die Politik Lloyd Georges nach den Konferenzen in London und Washington mit dem Programm des Wiederaufbaus, die zu der Konferenz in Genua geführt hat. Diese weltpolitische Verschiebung flutet langsam wie der Ozean an uns vorüber. Ich sehe in dieser Verschiebung aber eine große weltpolitische Entwicklung, die zu unseren Gunsten läuft und zu unseren Gunsten laufen muß. Mit einem Male hören wir nun, daß wir bei Nichterfüllung unserer Verpflichtungen am 31. Mai nicht sofort mit Gewaltmaßnahmen zu rechnen haben, daß vielmehr erst eine vorsätzliche Nichterfüllung festgestellt werden soll. Diese Wendung der Politik Poincarés ist aber ganz gewiß nicht eine Folge der deutschen Erfüllungspolitik, sondern eine Folge der politischen Entwicklung, die Frankreich mit Isolierung bedroht. Jede Gelegenheit muß benutzt werden, um den Standpunkt Poincarés als das zu bezeichnen, was er ist, als ein glatter Bruch des Versailler Vertrages. (Während dieser Aus⸗ führungen sind die Reichsminister Dr. Rathenau und Dr. Hermes im Saale erschienen.) In der deutschen Note vom 9. Mai sehen meine Freunde den Beginn des zielbewußt eingeleiteten Umfalls. (Lebhaftes Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.) In der Note sehen wir den Auftakt zu der Politik, die jetzt eingeleitet worden ist und fortgeführt werden soll, und zu der wir uns sofort in scharfen Gegensatz gestellt haben. Bei den Pariser Verhandlungen hat es an der notwendigen Fühlung zwischen den einzelnen Re⸗ gierungsstellen gefehlt. Das, was in vollem Gange ist, vielleicht üunaufhaltsam, vielleicht verhängnisvoll, dazu Stellung zu nehmen, sind wir jetzt außerstande und durch Stillschweigen gebunden. Die beiden großen Gesichtspunkte, um die es sich dabei handelt, sind, daß Deutschland es darauf hinaustreiben müsse, in irgendeiner Form eine größere Auslandsanleihe zu erhalten, und daß es zweitens dieser Anleihe wegen gewisse Konzessionen machen müsse, die schlechterdings nicht anders bestehen können als in neuer deutscher Zahlungsbereitwilligkeit, also in neuen deutschen Steuern. Den Kern des Inflationsproblems und die verkehrte Einstellung der Engländer hat Herr Dr. Helffe⸗ rich in meisterhafter Weise herausgearbeitet. Die englische Auf⸗ fassung, daß die Mißwirtschaft im inneren Budget der Grund unserer Finanzschwierigkeiten sei, kann nicht stichhaltig sein, weil die Steigerung der Preise für Großhandelswaren und die Ent⸗ wertung des Geldes viel größer ist als die Zunahme des Noten⸗ umlaufs. Unser grundsätzlicher Standpunkt ist, daß es darauf ankommt, die deutsche Noteninflation unter dem Gesichtspunkt der Herabsetzung der Reparation zu betrachten, die mit der deutschen Leistungsfähigkeit in Einklang stehen muß. (Zustimmung rechts.) Wie denkt man sich das aufzubringen, was durch die Anleihe nicht aufgebracht wird? Es ist gar kein Zweifel, daß, wenn die Zwangsanleihe noch so hoch geschraubt wird, wir durch eine weitere Preissteigerung in den nächsten Monaten einen neuen Milliardenbedarf haben. Wie denkt die Regierung diese Span⸗ nung auszufüllen? Die zweite Frage ist: Wo ist der Zusammen⸗ hang zwischen Anleihe und Reparation? Der eine Gesichtspunkt sagt da, daß man versuchen müsse, in einer Atempause über die ganzen Schwierigkeiten hinwegzukommen, bei der einstweilen die Reparationsfrage beiseite bleibt. Dann würde eine Anleihe in der Hauptsache von Amerikanern nur dafür hergegeben werden, daß die Franzosen ihr momentanes Budget decken. Wir ver⸗ langen demgegenüber, daß die Reparation ganz klar festgesetzt und der deutschen Leistungsfähigkeit angepaßt wird. Die neue Verlängerung des Moratoriums bedeutet, daß die Verpflichtungen von Cannes weiter für uns bestehen bleiben. Sie bedeutet, und das ist das Kolossale, daß der verhängnisvolle Zusammenhang zwischen Goldzahlung und Teuerung sich mit absoluter Sicherheit Monagt für Monat fortsetzen wird. Da die Verhandlungen und Bemühungen der Reichsregierung in dieser Richtung gehen, erklären wir mit aller Entschiedenheit und Schärfe, daß wir solche Be⸗ strebungen von vornherein als halb und provisorisch ablehnen. Gegen die Richtung der Verhandlungen in Paris protestieren wir vom ersten Augenblick an. Wir verlangen, daß das uns zu⸗ stehende Recht auf Prüfung der deutschen Leistungsfähigkeit von unabhängigen und neutralen Sachverständigen auch einmal durch⸗ geführt wird. Wir foördern eine definitive Festsetzung der Reparationsverpflichtungen im Rahmen unserer Leistungsfähig⸗ keit mit Sicherung vor Sanktionen. Die Regierung hat im ent⸗ gegengesetzten Sinne verhandelt. Das Wort des bolschewistischen Vertreters in Genua „Rußland wird nichts unterschreiben, was es nicht zu erfüllen imstande ist“ muß man wahrhaft unserer Regierung vorhalten. (Lachen links.) An der neuen ver⸗ hängnisvollen Entwicklung, die unserem Vaterlande droht, wollen wir nicht mitverantwortlich werden. Der Redner kommt dann auf die Konserenz von Genua zu sprechen, schließt sich dem Dank an die italienischen Staatsmänner an und bemängelt die ganze Art, in der der amtliche Pressedienst in Genua in Tätigkeit trat. Die berechtigten Beschwerden der Presse, fährt er fort, sind in dem Blatt des Reichsverbandes der deutschen Presse aufgeführt. In diesen schweren Tagen hat die Presse die nötige Unterstützung von seiten der Regierung nicht gehabt. Selbst Lloyd George hat gesagt, daß Dentschland und Rußland in Genua nicht als gleichberechtigt be⸗ handelt worden seien. Die Konferenz sollte nur eine große Gläubigerversammlung sein. Von der Treuga Dei hat unser Vaterland nichts, denn Sanktionen sind keine Maßnahme des Friedens. Ueber die Bewältigung des russischen Problems hat sich Lloyd George am 25. Mai ausführlich geäußert. Es gilt

für ihn, mit Fer gagenwärtigen russischen Regierung als der organisierten Kraft des russischen Volkes einen modus vivendi zu finden. Das Zurückweichen des politischen Bolschewismus vom kommunistischen Ideal ist in vollem Gange, die Abkehr vollzieht sich unaufhaltbar, mühselig werden die letzten Bollwerke, so die Sozialisierung der Großindustrie, noch verteidigt. Jedenfalls führt politisch und wirtschaftlich die Entwickelung in Rußland vom Kommunismus weg, und diesen Augenblick hält Lloyd George für den richtigen, um Rußland mit Kredit zu Hilfe zu kommen. Wenn dieser Standpunkt immerhin verständlich ist, so vermag ich den Standpunkt des offiziellen Frankreichs nicht zu verstehen. Immerhin dürfte es nicht überflüssig sein, der deutschen Re⸗ gierung anzuraten, bei einer etwaigen Vermittelungstätigkeit doch recht vorsichtig zu sein. Zustimmung rechts.) Der Rapallo⸗ Vertrag ist von den Sowjets ratifiziert, vom deutschen Reichstage noch nicht, wir haben noch immer nicht seinen Wortlaut. Ich gehe deshalb auf Einzelheiten des Vertrages nicht ein. Ich habe mich für meine Person überzeugt, daß es richtig war, am Oster⸗ sonntag diesen Vertrag zu schließen. Ich will gar nicht nochmals auf den Artikel 116 des Versailler Vertrages hinweisen. Ruß⸗ land und Deutschland haben der Welt ein gutes Beispiel gegeben. Jetzt ist mit einem Mal in der Welt wieder von dem geschlagenen von dem gedemütigten Deutschland die Rede, jetzt ist Deutschland wieder da. Das koͤmmt davon, daß die Regierung endlich einmal wieder die Aktivität bewiesen hat, die wir von der Regierung immer gefordert haben. Gegen den Vorwurf des National⸗ bolschewismus vrauche ich mich und uns nicht zu wehren, der spielt bei meinen Freunden gar keine Rolle. (Na, nal) Wir müssen aber nach wie vor ausreichende Sühne für die Mordtat an Herrn von Mirbach verlangen, wir müssen verlangen, daß die Sowjets auf die Fortführung der bolschewistischen Propaganda verzichten. (Zurufe links.) Ich glaube, daß zwischen uns und den Sowjets eine Verständigung viel leichter wäre, als zwischen Ihnen und den Sowjets. (Stürmische Heiterkeit links.) Der Rapallo⸗Vertrag ist ein Zeichen der Rückkehr Deutschlands zu der bewährten historischen Freundschaftsstellung mit Rußland. Wir haben nun aber die schwere Sorge, daß sich der breite Strom der Ostiuden von Rußland nach Deutschland ergießen wird. Mit dem Zusammenbruch des russischen Reichs ist das Ostjudenproblem brennend, die Lage der Ostjuden im westlichen Teile Rußlands furchtbar geworden. Auch ich habe als humaner Mensch die Meinung, daß ihnen geholfen werden muß, das aber kann kein Mensch von mir verlangen, daß nun unsere Ostgrenzen breit für den Einzug der Ostjuden geöffnet werden. Wir erheben bei dieser wichtigen Gelegenheit die Forderung an die Regierung, daß sie därauf bedacht sein möge, der Ein⸗ wanderung von Ostjuden Grenzen zu setzen, als eine Voraussetzung der Zustimmung meiner Fraktion zu dem Vertrage. Der Vertrag von Rapallo ist ein Rahmenvertrag, es fragt sich, wie der Nahmen ausgefüllt wird. Wir brauchen da ganz bestimmte rechtliche Garantien, ganz wie Lloyd George sie gefordert hat. Die müssen wir sogar verlangen, wenn Rußland Geschäfte mit uns machen will, wenn es wirtschaftliche Pioniere von uns verlangt. Für einen neutralen Historiker wäre es ungeheuer interessant, der neuen Entwicklung der Dinge, den Versuchen, das russische Problem zu lösen, der Anbahnung neuer Mächtegruppierungen usw. in Ruhe zu folgen, aber als Politiker haben wir es nach wie vor in der Hauptsache mit der Reparation zu tun, der gegenüber alles andere in den Hintergrund tritt. Das Tempo der Entwicklung muß auch von unserer Seite beschleunigt werden, bleibt es bei dem jetzigen langsamen Tempo, so könnte darüber unserer Volkswirt⸗ schaft und unserem Volke der Atem ausgehen. Nach unserer Mei⸗ nung tut die Regierung nicht das Nötige, um uns von dieser schwierigsten und drängendsten Sorge zu befreien. Wir verlangen von der Regierung auch Aktivität in der so bedeutsamen Frage der Schuld am Kriege. Wir haben eine Regierung, die die gegen wärtige Belastung des Volkes stetig als eine solche darstellt, die die Grenzen des Erträglichen bereits überschritten hat, und dieselbe Regierung ist bereit, neue steuerliche Belastungen des Volkes ein⸗ treten zu lassen. Damit arbeitet die Regierung, wenn auch gegen ihren Willen, geradezu der französischen Regierung in die Hände. Darum werden wir vor allem in der Reparationsfrage die schärf⸗ sten Gegner der Regierung sein und bleiben. (Beifall rechts.)

Präsident Löbe teilt dem Hause nochmals das von den Deutschnationglen beantragte Mißtrauensvotum mit und fügt hinzu, einige Parteien seien überrascht von der Einbringung dieses Antrages, sie hätten deshalb angeregt, die Abstimmung erst morgen vorzunehmen. Die Abstimmung wird, daß die Aus⸗ sprache bis dahin beendet ist, Mittwoch zwischen 12 und 1 Uhr vor⸗ genommen werden.

Abg. Crispien (U. Soz.) Eine große Anzuahl von Ab⸗ geordneten der beiden Rechtsparteien verläßt zu Beginn der Rede den Saal. (Große Unruhe und Zurufe auf der Linken.) —: Alle Parteien sollten offen und ehrlich die Aussprache führen. Charak⸗ teristisch ist für die Deutschnationalen, daß an Stelle des Abg. Helfferich Herr Hoetzsch als Redner vorgeschickt wurde. Daran ist wohl die Heldentat des Herrn Helfferich im Ausschuß schuld. (Lachen rechts.) Die Erregung der Deutschnationalen richtet sich weniger gegen die Ausschaltung des Parlaments, als gegen die Befürchtung, sie könnten ihre reaktionären Ziele nicht erreichen. Solange Sie (nach rechts) allein die Macht in Deutschland besaßen, was zum vollkommenen Zusommenbruch führte, trieben Sie eine Politik, die letzten Endes übereinstimmt mit der Politik, wie sie aus dem Versailler Friedensvertrag hervorschaut. Wir fordern eine Politik der Entgiftung der politischen Atmosphäre. Wir können es nicht billigen, wenn der Reichskanzler vor den Reichs⸗ tag tritt, um nur das historisch Gewordene zu besprechen, nur Bericht zu geben über das, was geredet worden ist, weil die Ver⸗ handlungen in Paris noch im Flusse seien und weil der Rapallo⸗ Vertrag dem Reichstag noch vorgelegt werden solle. Das so⸗ genannte historisch Gewordene darf nicht ein Aktenstück darstellen, es muß sich fortbilden in der Zukunft. Auch unsererseits müssen wir von der Regierung fordern, daß wenigstens in allgemeinen Umrissen erklärt wird, wie die Regierung sich die weiteren Ver⸗ handlungen in Paris denkt und vor allen Dingen, welche Maß⸗ nahmen getroffen werden sollen, um die Politik der Wiedergut⸗ machung im Innern Deutschlands durchzuführen. In Sonder⸗ fragen haben wir noch weniger Vertrauen als es bisher der Fall gewesen ist, wir wissen, daß die Verhandlungen in Paris jetzt auf der Grundlage geführt werden, daß Deutschland zwar eine äußere Anleihe bekommt, daß es aber auch verpflichtet ist, eine Besteue⸗ rungspolitik zu treiben, damit in Deutschland selbst das Gleich⸗ gewicht im Haushalt gewährleistet wird. Wir können Herrn Hermes keine Blankovollmacht ausstellen, deshalb wollen wir von der Regierung hören, welche Pläne sie verfolgt oder, ob Herr Hermes so draufloswirtschaften kann, wie er es bisher getan hat. Auch von der rechtssozialistischen Partei fordern wir Aufklärung, ob sie Herrn Hermes noch stützt und ihm ihrerseits Blankovoll⸗ macht geben will. Herr Müller hat sich darüber ausgeschwiegen. Die Regierung scheint entschlossen zu sein, das Wirtschafts⸗ programm der Deutschen Volkspartei rückhaltslos auszuführen, die Volkspartei verlangt Entkommunalisierung der Reichsbetriebe, d. h. ihre Ueberführung in das Privatkapital, indem sie zunächst Sabotage treibt, um dadurch zunächst das Defizit zu vergrößern. Sie legt es darauf an, den Achtstundentag, das Koalitionsrecht zu beseitigen und die Arbeiter zu entrechten. In der Technischen Not⸗ hilfe hat sich die Industrie eine Weißgardisten⸗Organisation ge⸗ schaffen gegen die Gewerkschaften. Die Produktivitaͤt wird durch solche Maßnahmen nicht gehoben, sondern lediglich durch auskömm⸗ liche Löhne und Beseitigung der Schmutzkonkurrenz. Die Sach⸗ werte müssen herangeholt werden, um Deutschlands Kaufkraft zu stärken. Die Rechte betreibt dagegen Steuerdrückebergerei und Steuerschiebungen. Im Ausschuß ist sogar erklärt worden, daß die Herren um Stinnes es nicht unangenehm empfinden würden, wenn weitere Gebiete besetzt würden. (Lärm rechts, Abg. Kahl ruft wiederholt: Unwahrheit! Gemeinheit!). Wenn er 100 vH gewinnt, verrät jeder Kapitalist ohne Bedenken sein Vaterland. Die Genuakonferenz ist nicht nur beeinträchtigt worden durch das Fernbleiben Amerikas und die Beschränkung der Verhandlungs⸗