1922 / 144 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 Jun 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Beträgen über 20 000 auf 150 vH erhöht.

zulagen für Beamte, Staatsangestellte und Arbeiter eingegangen, der in der nächsten Plenarsitzing am Montag, den 26. Juni, erledigt werden soll. Der Reichsrat erklärte sich nach dem Bericht des Nach⸗ richtenbüros deutscher Zeitungsverleger damit einverstanden,

daß die Bestimmungen der Rohrpostordnung für Berlin vor⸗ läufig auf München ausgedehnt werden, und setzte sodann den Preis für das Seefahrtsbuch vom 1. Juli auf 13 fest. 8 Ohne Erörterung nahm der Reichsrat nach einem kurzen Vortrage des Referenten den Rapallovertrag mit Ruß⸗ land an. Angenommen wurde der Gesetzentwurf über den Beitritt des Reichs zu dem Madrider Abkommen über die internationale Rsgits ese von Fabrik⸗ oder Handelsmarken. Das Madrider Abkommen hat ehnee dem bisherigen. Verfahren den Vorzug, daß der Anmelder eines Warenzeichens durch eine internationale Registrierung in Bern den internationalen Schutz unmittelbar genießt. Auf Antrag des Postministeriums wurde die Ortschaft Klein Flottbek in den Ortsverkehr Hamburgs einbegriffen. Die Postscheckordnung wurde dahin abgfan ert, daß als Höchst⸗ betrag einer Einzahlung 100 000 festgesetzt wurde und als Höchsthetrag sür telegraphische Aufträge 10 000 ℳ. Die Regierung hatte nur 20 000 und 5000 vorgeschlagen, der Reichsrat jedoch beschloß mit Rücksicht auf die heutigen Geld⸗ verhältnisse gleich ganze Arbeit zu machen, womit die Post⸗ verwaltung sich einverstanden erklärte.

Mit der Ausprägung von weiteren 20 Millionen Mark in Zehnpfennigstücken neccFeha fch der Reichsrat einverstanden. Da Zink inzwischen erheblich im Werte ge⸗ stiegen ist, soll zur Ausprägung nur Eisen benutzt werden. Angenommen wurde ein Gesetzentwurf üöber die Aus⸗ gabe und Einlösung von Notgeld. Der Verkehr soll endlich von dem Notgeld zahlreicher Gemeinden und Privat⸗ unternehmungen gereinigt werden, nachdem der Bedarf an Kleingeld durch die Neuprägungen im allgemeinen als gedeckt zu betrachten ist. Die Mehrheit der Ausschüsse des Reichsrats war der Meinung, daß man um eine kech. Regelung der Sache nicht herumkomme, weil sonst bei der streitigen rechtlichen Natur des Notgeldes allerhand Schwierigkeiten bei der Ein⸗ lösung entstehen würden. Die Vorlage setzt fest eine Ver⸗ „pflichtung des Ausstellers, das Notgeld gegen Zahlung seines Nennwerts einzulösen. Die Neuausgabe von Notgeld wird verboten. Der Finanzminister ist ermächtigt, Ausnahmen zuzulassen, falls die Verkehrsbedürfnisse es erfordern. Endlich werden noch Bestimmungen getroffen über die Vernichtung des eingelösten Geldes und über das Verfahren bei der Einreichung beschädigter Stücke, auch Strafbestimmungen enthält die Vor⸗ lage. Der Reichsrat änderte den Entwurf noch dahin ab, daß die Frist der Einlösung auf drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes verlängert werden sollte. Außerdem soll auf An⸗ trag einer Landesregierung Amnestie gewährt werden für Ver⸗ gehen, welche bei der Ausgabe von Notgeld gegen das Bank⸗ gesetz und das Strafgesetzbuch begangen worden sind.

Die Geltungsdauer des Gesetzes über vorübergehende Herabsetzung oder Aufhebung von Zöllen wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Ferner wurde eine Verlängerung der jetzt nur bis zum 30. September dieses Jahres geltenden Abweichung vom Biersteuergesetz beschlossen derart, daß aus wirtschaftlichen Gründen die Verwendung von Reisabfall und von geschältem und entkeimtem Mais zur Bierbereitung auch über den genannten Termin hinaus zugelassen wird.

Angenommen wurde eine Verordnung, die die Gebühren der Rechtsunwälte abermals erhöht⸗ Für Schreibgebühren, Schreiblöhne, Materialkosten, Porti usw. erfährt der Pauschsatz einen Teuerungszuschlag von 300 vH. Die Teuerungszuschläge zu den Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten werden für Streitgegenstände über 5400 auf 75 vH, 100 8 und bei

ie Tage⸗

gelder werden auf 240 und die Uebernachtungsgelder auf

100 erhöht. 1 . Mit dem zur Neuregelung der in § 68, § 74a und § 75b des Handelsgesetzbuchs sowie in § 133 der Gewerbeordnung vorgesehenen Gehaltsgrenzen erklärte sich der Reichsrat einverstanden. Es um di Gehaltsgrenzen für die Beschränkung der Vertragsfreiheit bezüglich der Kündigungsfrist und bezüglich der Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots. Im ersteren Fall wird die Gehaltsgrenze etzt 30 000 ℳ, im anderen Fall 50 000 und 120 000 betragen. . Zum Schluß überreichte Geheimer Legationsrat v. Eckardt vom Auswärtigen Amt noch fünf neue Abkommen mit Polen mit der dringenden Bitte, sie womöglich noch in der eutigen Plenarsitzung zu erledigen. Es handelt sich um vier Abkommen über Oberschlesien und um ein Abkommen, das ganz Polen betrifft. Durch letzteres Abkommen soll der Grenzverkehr erleichtert werden, indem durch bloßen Ausweis ohne Sichtvermerk der Grenzübertritt für Grenzbewohner bis zu 10 km gestattet wird. Auch sollen im Interesse der deutschen Grenz⸗ bevölkerung Erleichterungen im Zollwesen und bei den Einfuhr⸗ und Ausfuhrbeschränkungen gewährtwerden. Die Polen sind bereit, dieses Abkommen noch vor dem 1. Juli zu ratifizieren. Als Staats⸗ ekretär Göhre bezweifelte, daß der Reichsrat schon heute zu ijesem Abkommen Stellung nehmen könne, teilte Geh. Legationsrat „Eckardt noch mit, daß es sich bei den anderen vier Ab⸗ ommen um Zusatzanträge zum Genfer Abkommen handle. Die Räumung Oberschlesiens sei ursprünglich an die Ratifizierung seser Abkommen geknüpft worden und es könnte eventuell die Räumung sistiert werden. Eine Verantwortung dafür könne er nicht übernehmen. Die Abkommen konnten unmöglich früher vorgelegt werden. Die Abkommen werden nunmehr wahr⸗ scheinlich auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung am Montag gesetzt werden.

Die vereinigten Ausschüsse des Reichsrats für Volks⸗ wirtschaft und für Haushalt und Rechnungswesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Durchführung des Friedensvertrags, für Volkswirtschaft, für Verkehrswesen, für Haushalt und Rechnungswesen und für Rechtspflege hielten heute Sitzungen.

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Deutscher Reichstag. Nachtrag. 231. Sitzung vom 21. Juni 1922. 8

Die in der Sitzung vom 21. d. M. zur Beantwortung der Interpellation der Unabhängigen Sozialdemokraten über die Verhandlungen mit der Reparationskommission gehaltene Rede des Reichsfinanzministers Dr. Hermes, die gestern wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms nicht mehr verösentlicht werden konnte, lautet folgendermaßen:

Es handelt sich hierbei um die

dürfen.

Reichsminister der Finanzen Dr. Hexmes: Meine Damen und Herren! Die Interpellation Crispien und Genossen beehre ich mich namens der Reichsregierung wie folgt zu beantworten.

Die Reparationskommission hatte in ihrer Note vom 21. März 1922 Reichstagsdrucksache 3911 die Gewährung des von der deutschen Regierung beantragten Zahlungsaufschubs für das Kalenderjahr 1922 von einer Reihe Bedingungen abhängig ge⸗ macht und als Termin für die Prüfung, ob die deutsche Regierung diesen Bedingungen Genüge geleistet habe, den 31. Mai 1922 fest⸗ festgesetzt. Das Ergebnis dieser Prüfung sollte entweder in einer Bestätigung des provisorischen Aufschubs oder in einer Un⸗ wirksamkeitserklärung desselben zum Ausdruck kommen. Im letzten Falle war angedroht, die Zahlung der vorläufig gestundeten Beträge innerhalb 14 Tagen bei Vermeidung des im § 17 der Anlage II zu Teil VIII des Friedensvertrages vorgesehenen Ver⸗ fahrens zu verlangen.

Da ein Notenwechsel die Lage nicht vollständig zu klären ver⸗ mochte, fanden Mitte Mai dieses Jahres in Paris Besprechungen zwischen den Mitgliedern der Reparationskommission und mir statt. Hierbei hat 'es sich lediglich um die Erörterung der schwe⸗ benden Fragen gehandelt mit dem Ziel, eine Grundlage für eine Verständigung zu finden. Die Abmachungen selbst sind aus⸗ schließlich in den Noten der Reichsregierung und der Reparations⸗ kommission enthalten, die ihrem vollen Inhalt nach dem Reichs⸗ tage mitgeteilt worden sind. 8

Mit der Note vom 28. Mai 1922 hat die deutsche Regierung zu den Bedingungen der Reparationskommission vom 21. März Stellung genommen. Diese Note gliedert sich in sechs Teile: 1. Plan über Einnahmen und Ausgabe, 472. schwebende Schuld, EI“ 8. Nachprüfungen, 8 8 1E 5. Autonomie der Reichsbank, 6. Statistik.

Es ist der Reparationskommission ein Plan über die Ein⸗ nahmen und Ausgaben des Reiches im Rechnungsjahr 1922 nach den letzten Schätzungen vorgelegt und darauf hingewiesen worden, daß bei dem gewaltigen Fehlbetrage im Haushalt das Anwachsen der schwebenden Schuld nur verhindert werden könne, wenn Deutschland eine ausreichende Unterstützung binnen angemessener Frist im Wege einer äußeren Anleihe erhalten würde. Unter dieser Voraussetzung hat die deutsche Regierung die in der Note vom 28. Mai 1922 zur Verhinderung des Anwachsens der schwe⸗ benden Schuld formulierten Vorschläge gemacht.

Danach würde zunächst von dem Betrage der schwebenden Schuld die Summe abzuziehen sein, welche zur Beschaffung aus⸗ ländischer Zahlungsmittel verwendet worden ist. Der dann ver⸗ bleibende Mehrbetrag gegenüber dem Stande vom 31. März 1922 sollte in einer anderen Kreditform als durch Diskontierung von Schatzwechseln bei der Reichsbank, welche die Inflation vermehren, beschafft werden. Erst wenn dies nicht gelingen würde, sollte eventuell ein Ausbau des Steuersystems in Betracht gezogen werden, aber gerade diese Maßnahme war davon abhängig ge⸗ macht, daß in angemessener Frist eine ausreichende Unterstützung durch eine auswäxtige Anleihe erfolgen würde. (Sehr richtig! bei den D. d.) Die Anleiheverhandlungen sind, wie bekannt, vertagt worden. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß

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sie bald wieder aufgenommen werden. Irgendwelche Abmachungen

über einzelne Steuern sind nicht getroffen; auch haben sich die

Besprechungen in Paris in keiner Weise darauf erstreckt.

Ich möchte hier zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Levi noch das eine hinzufügen, daß diese Besprechungen sich auch in keiner Weise auf die Fragen erstreckt haben, die in Punkt 3 der Interpellation Crispien und Genossen erwähnt sind, daß also mit keinem Wort die Fragen der sozialen Fürsorge, des Abbaus dieser Fürsorge, der Erwerbslosenfürsorge und die Frage des Acht⸗ stundentages erörtert worden sind.

Unter den gegenwärtigen Umständen, d. h. nach der Ver⸗ tagung der Anleiheverhandlungen, hat die Reichsregierung eine Entschließung darüber noch nicht gefaßt, welche Maßnahmen etwa zu treffen sein würden, wenn die sämtlichen erwähnten Voraus⸗ setzungen sich verwirklichen sollten. 4

Bezüglich der Nachprüfungen, der Kapitalflucht und der Statistik sollen weitere Verhandlungen mit dem Garantiekomitee stattfinden.

Soweit es sich um die Nachprüfungen handelt, ist erklärt

worden, daß sie die Souveränität Deutschlands nicht antasten,

den geregelten Gang der Verwaltung nicht stören und in die durch das Steuergeheimnis geschützten Vermögensverhältnisse und An⸗ gelegenheiten der einzelnen Steuerpflichtizen nicht eindringen

Die Autonomie der Reichsbank ist durch das Reichsgesetz vom 26. Mai dieses Jahres geregelt. Ueber die Forderungen, die in dieser Frage durch die bereits veröffentlichte Note der Reparationskommission vom 14. Juni 1922 erhoben worden sind, werden weitere Verhandlungen zu führen sein.

Auf die Note der deutschen Regierung vom 28. Mai 1922 hat die Reparationskommission mit Schreiben vom 31. Mai 1922 geantwortet.

Es kann somit festgestellt werden:

1. Die Reparationskommission hat anerkannt, daß die in der Note der deutschen Regierung vom 28. Mai mitgeteilten Maß⸗ nahmen zur Ordnung der Reichsfinanzen eine ernstliche An⸗ strengung bedeuten, die zur endgültigen Gewährung des Zahlungs⸗ aufschubs für 1922 geführt haben.

2. Etwaige Zwangsmaßnahmen der Alliierten gemäß § 17

der Anlage II zu Teil VIII des Friedensvertrages sind abge⸗

wendet worden.

II

232. Sitzung vom 22. Juni 1922, Nachmittags 2 Uhr.

Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Beitungsverleger“*).)

Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält das Wort zur Geschäftsordnung der Abg. Cri JP2 (u. Soz.): Meine Fraktion hat einen An⸗ trag eingebracht, die Regierung aufzufordern, dem Reichstag schleunigst den Plan einer allgemeinen Finanzreform nach be⸗ stimmten Leitsätzen vorzulegen. Ich möchte namens meiner Fraktion beantragen, diesem Antrag die Dringlichkeit zuzuerkennen. Es liegt uns fern, irgendeine Fraktion überrumpeln zu wollen. „) Mit Ausnahme der vrg Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Wir sind damit einverstanden,

daß der Antrag der Steuer⸗ kommission überwiesen wird. Die Lentsätze besagen im wesentlichen: Alle eee; die der ehehaft steuer unterliegen, haben

his 31. Dezember 1922 ihre Kapitalanteile um ein Drittel zu er⸗ öhen und dem Reich abzutreten. Unternehmungen im Gewerbe, ndel und Verkehr mit mehr als 100 beschäftigten Personen⸗ oder mehr als einer Million Anlagekapital bezw. Betriebskapital sind zur Körperschaftsbildung verpfichtet. Für alle übrigen kauf⸗ männischen, gewerblichen und Verkehrsbetriebe werden vom Finanzministerium einheitliche Richtlinien für die Buchführung herausgegeben. Auf jedes eaeae Grundvermögen in fetzzu⸗ setzender Höhe wird zugunsten des Reiches an erster Stelle eine Grundschuld in Höhe eines Viertels des angegebenen Wertes ein⸗ getragen. Das Reich kann unter gewissen Modalitäten inländisches unbewegliches Vermögen übernehmen; anderenfalls hat dieses Vermögen seine Ehlchäsane um mindestens 20 9% erhöhen. Alle übrigen Vermögen sind mit einer 25 prozentigen Vermögens⸗ abgabe heranzuziehen. Vom Erbrecht sollen die Verwandten der dritten und solgenden Ordnungen ausgeschlossen sein; für den Reichsfiskus wird ein gesetzliches Erbrecht eingeführt. Bei Erb⸗ Ian über 100 000 Goldmark erhält das Reich einen Erb⸗

anspruch auf den Ueberschuß.

Widerspruch n. den Antrag der Unabhängigen, betreffend die inglichkeit, wird nicht erhoben. Der An⸗ trag wird ohne weitere Erörterung der Steuerkommission übevwiesen.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Gesetzentwurfes, betr. die Ver⸗ einbarungen über die Reparationssach⸗ leistungen. In Verbindung mit der Interpellation Arn⸗ stadt (D. Nat.), betr. die Ratifizierung der Wiesbadener Protokolle ohne Zustimmung des Reichstages,

gebiet, Dr. Lauscher (Zentr.) über die Note der Botschafter⸗ konferenz, betr. Einstellung oder Zerstörung von Eisenbahn⸗

Stresemann (D. Vp.), betr. Neutralisierung der Rheinlande durch England und Frankreich, und der Interpellation Crispien (U. Soz.), betr. das Ergebnis der Verhandlungen der Reichsregierung mit der Reparationskommission.

legenheit vorübergehen lassen, um vermittels ihrer internationalen Beziehungen das Ausland über die Unhaltbarkeit der uns auf⸗ gebürdeten Leistungen aufzuklären, die von den französischen Sozia⸗ listen und der englischen Arbeiterpartei und darüber hinaus von weiten Kreisen der Bevölkerung der ganzen Welt anerkannt wird. Wir sind der Ueberzeugung, daß der Fortschritt zu einer Gesin⸗ nung der Gerechtigkeit im Einvernehmen mit unseren englischen und Freunden imstande sein wird, das schamlos gebeugte Recht wieder herzustellen. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten.) In diesem Sinne billigen meine Freunde die gestern von der Regierung abgegebenen Erklärungen. Bezüglich der Rhein⸗ lande sind wir nicht geneigt, die Gefahr einer Loslösung für über⸗

bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist, auf gewisse Gefahren, die sich im Rheinland im Zusammenhang mit dem Kampfe um die Getreideumlage zu entwickeln drohen. Nach mir zugegangenen zuverlässigen Nachrichten gibt es dort Leute, die sich hinter die hohe Kommission stecken wollen für den Fall, daß die Entscheidung der deutschen Volksvertretung anders ausfallen sollte, als sie wünschen. (Lebhaftes Hört, hört! links.) Man darf die

atsache nicht außer acht lassen, daß der rheinische Bauernverein eine öffentliche Kundgebung des Inhalts erlassen hat, die Land⸗ wirtschaft solle dem neuen t seine Durchführung zu verhindern. (Hört, hört! links.) Hoffent⸗

aber Schurken in jedem Berufsstand, 2 . berufsegoistischen Interessen vor direktem Landesverrat nicht zurück⸗ schrecken. Halten Sie es für möglich, daß ein Ihnen allen, be⸗

am 12. April 1915 unter dem furchtbarsten Druck der englischen Blockade an einen preußischen Minister einen Brief geschrieben hat, Pllen Hauxestgghen ich mir, wie folgt, zu verlesen erlaube: „Im egriff, nach 1 mit den Gütern los zu sein. Es ist jetzt auf dem Lande unerträg⸗ lich mit den täglich wechselnden Verordnungen. Ich bestelle 500 Morgen überhaupt nicht mehr, nud so machen es viele. (Leb⸗ hafte Rufe: Hört, hört! und Ruf: Das ist der Deutschkurs!) Weiter heißt es in dem Brief: „Das Vertrauen zur Obersten Kriegsleitung schwindet in allen Kreisen mehr und mehr.“ (Hört, hört! links.) Dieser Brief ist an den Minister des Innern, Herrn von Loebell, gerichtet. Ich weiß leider nicht, was dieser darauf ver⸗ anlaßt hat. Unterschrieben ist der Brief von Ihrem (nach rechts) Freunde Elard von Oldenburg. (Bewegung links und Zurufe, große Unruhe rechts. Abg. Mumm ruft: Der ist nicht deutschnational!) Dieser Herr Elard von Oldenburg hat vor Jahren an derselben Stelle gestanden wie ich heute und den berühmten Satz ge⸗

Abg. Graef⸗Thüringen ruft: * gehört?) Dieser Herr von Gebae, e das Eiserne Kreuz

erster Klasse. Ich frage Sie, welchen Wext eine solche Auszeich⸗ nung noch haben kann, wenn sie solchen Männern verliehen wird! Ich wollte also sagen, daß es Schurken in jedem Stande gibt, und weil es solche gibt, darum warne ich die rheinischen Land⸗

daß die rheinischen Landwirte ihre Berufsinteressen niemals so⸗ weit vertreten werden, daß sie, wie jener Elard von Oldenburg, zum Landesverrat drängen. Gestern ist hier gegen alle Regeln das Satyrspiel dem Drama vorangegangen. Wir haben uns ge⸗ fragt, warum denn Herr Helfferich nicht gesprochen hat. (Zurufe rechts: Der steht noch auf der Rednerliste!) Welche Folgen würde die von Herrn Helfferich gewünschte Ablehnung der Sachlieferungs⸗ verträge haben? Sie würde nichts anderes bedeuten, als das

nkrafttreten der Finanzkontrolle. Herr Helfferich hat mir gegen⸗ über gesagt: „Das andere wird sich dann eben entwickeln. Als ich das hörte, war es mir, als wenn der Geist des alten Regimes spräche. So war es auch schon bei früheren Verwicklungen. Seiner⸗ zeit wurde gesagt, Oesterreich brauche bloß in den Sandschak ein⸗ zumarschieren, dann sei der Klamauk fertig. Sie (nach rechts) verstehen eben nichts anderes, „als den Klamauk fertigzumachen“. (Große Unruhe und Zurufe re⸗ ts.) Wir beteili⸗ gen uns an der Erleichterung der Lasten des Volles, während Sie Demagogie treiben. (Große A rechts.) Verständigungen und Vereinbarungen sind immer besser als das nackte Diktat. Wir begrüßen das Wiesbadener Abkommen, weil es dem Wieder⸗ aufbau der zerstörten Gebiete dient, insbesondere aber auch des⸗ halb, weil wir ein Abkommen zwischen Deutschland und Frank⸗ reich lieber sehen, als irgendeine Vereinbarung mit irgendeinem anderen Lande. Wir betrachten nämlich das deutsch⸗ranzösische Problem als das Zentralproblem der ganzen Kulturwelt. uch wir halten die Abänderungen des Wiesbadener Abkommens nichit durchweg für erfreulich; besonders bedauern wir, daß die zuerst vorgesehene Kollektivorganisation durch das sogenannte freie Ver⸗ fahren abgelöst worden ist. Wir werden aber die Verträge an⸗ nehmen, weil sie in der Richtung der von uns verfolgten Politik liegen. Der Abg. Reichert hat in seiner gestrigen Rede von unseren ehemaligen Gegnern immer als von Feinden gesprochen. Ein Parteiredner sollte sich aber korrekt ausdrücken. Im völker⸗ rechtlichen Sinne gibt es keine Feinde mehr, da der Krieg ja beendet ist. (Stürmische Zwischenrufe rechts.) Hat er damit etwa sagen wollen, daßf wer von diesen Feinden Geld nimmt, Landes⸗

verrat begeht? Dann sollte er mit dem ehemaligen Kaiser.

ferner den Interpellationen Marx (Zentr.), betr. die Zustände im Saax⸗

bauten im besetzten rheinischen Gebiet, der Interpellation Dr.

Abg. Stampfer (Soz.): Meine Partei wird keine Ge⸗

trieben groß zu halten, aber wir müssen doch allen bedrohlichen Uingeichen nachgehen. Ich möchte auf einen Punkt hinweisen, der⸗

Gesetz jeden Widerstand leisten, um⸗

lich ist die Mehrzahl der rheinischen Landwirte nicht geneigt, solcher verbrecherischen Aufforderung hf folgen. Leider gibt ese⸗ die in der Wahrung ihrer’”

sonders Ihnen da drüben (zur Rechten) sehr wohl bekannter Mann

ch Polen zurückzukehren, danke ich Gott, die Schererei⸗

sprochen: „Zehn Soldaten, vom Kaiser geschickt, müssen genügen, um den Reichstag auseinanderzujagen!“ (Große Unruhe rechts. aren Sie dabei, haben Sie das

wirte, ihren Einflüsterungen zu folgen, und ich vertraue darauf,

mit dem früheren Kronprinzen und mit Ludendorff auseinander⸗ 6 (Unruhe und erneute Zwischenrufe rechts.) Weiß Herr

eichert überhaupt, was ein Feind ist, 12 er vor dem Feinde Posten gestanden? Wir, die wir den Krieg draußen miterlebt haben, wir wollen niemals wieder Volk gegen Volk gehen, wir wollen nie wieder Krieg. (Beifall links, Zuruf rechts: Donner⸗ wetter!) Unsere Feinde sind diejenigen, die den Gedanken der velrecversöhnung mit Knüppeln, Revolver und Blausäure be⸗ kämpfen. ir hassen den Geist der Poincaré und den Geist des nationalen Blocks. In der Innenpolitik stehen wichtige Fragen sur Entscheidung. Kommt es zum Kampf, der nicht mit den

rutalen Mitteln der Gewalt, sondern nur mit geistigen Waffen

ausgefochten werden soll, dann werden wir mit brennender

Kampfeslust in diesen Kampf gehen. Das deutsche Volk kann nach

außen nicht frei werden, so lange es nicht gelungen ist, Sie Rechten) in das verdiente Dunkel chng 8 st. his sn Rechten) kennen ja keine andere Politik als Katastrophenpolitik, und Sie wollen es auch jetzt wieder auf eine innere Katastrophe ankommen lassen. Aber hüten Sie sich, es gibt eine Grenze. Millionen und aber Millionen sind bereit, zu uns zu eilen, wenn wir zum Kampfe aufrufen. (Stürmischer Beifall bei den Sozial⸗ demokraten, ironische Zurufe rechts.)

Abg. Gothein (Dem.): Tage, an denen für das deutsche

Volk so wichtige Dinge besprochen werden, sollten Tage der nationalen Einheit sein. Der Abg. Dr. Reichert hat aber gestrigen Rede die erforderliche Würde nicht gewahrt. (Lebhafte Zwischenrufe rechts. Zuruf: Schulmeister!) Wer eine lange

einwandfreie parlamentarische Vergangenheit hat wie ich, hat auch

mal das Recht, einem jungen Parlamentarier einen Rat zu geben. Der Abg. Dr. Reichert trägt die Schuld daran, daß die⸗ Debatte hier einen Verlauf zu nehmen droht, wie wir ihn nicht wünschen dürfen. (Abermalige stürmische Zurufe rechts. Erneuter Zwischen⸗ ruf: Schulmeister!) Wir verschmähen es, Demagogie zu treiben. Sie (zur Rechten) sind aber immer sehr empfinblich. Sie haben eben die Nerven verloren, in einer Weise wie Ludendorff beim eere.v ve Darüber, ob das Wiesbadener Abkommen vom eichstag zu genehmigen ist oder nicht, kann man verschiedener Meinung sein. Praktisch hat die Frage keinerlei Bedeutung mehr, nachdem uns das Abkommen zur Beschlußfassung vorgelegt worden ist. Auch mir hat das Abkommen nicht gefallen. Alle die Ver⸗ träge, die uns heute vorliegen, bedeuten zweifellos eine schwere laspung für das deutsche Volk, und wenn wir in unseren Ent⸗ schließungen frei wären, würde niemand die Verträge annehmen. Aber wir müssen uns die Frage vorlegen, ob die Verträge eine Verschlechterung oder eine Verbesserung des Zustandes bedeuten, der ohne diese Verträge Platz greifen würde. Herr Reichert machte dem Minister einen Vorwurf daraus, daß er der Reparations⸗ kommission die Wahrnehmung der deutschen Interessen gegenüber dem Abkommen von Wiesbaden überläßt. Daraus kann nur ein Anfänger in der Diplomatie einen Vorwurf machen. Es ist ge⸗ rade eine geschickte Diplomatie, den Kontrahenten in eine Situation zu bringen, die ihn zwingt, auf gewisse Vorteile des Ab⸗ kommens zu verzichten. Eine solche Situation zu schaffen, ist immer ein schlauer Zug der Diplomatie. Wir haben jetzt erreicht, daß schließlich die neutrale Anleihekommission der beste Anwalt der deutschen Interessen gegenüber der Entente ist. Logischer Weise müßte Herr Dr. Reichert auch daraus einen schweren Vorwurf machen. Unser Anwalt ist jetzt eine neutrale Instanz. Den Fort⸗ schritt ds Bemelmans⸗Abkommens hat selbst Herr Helfferich an⸗ erkannt. Früher hat man gerade den Vorwurf erhoben, daß der freie Handel ausgeschlossen sei; jetzt ist er zugelassen und hat volle Freiheit, ein Geschäft abzulehnen, das ihm nicht paßt. Gewisse Pflichten und Nachteile erwachsen uns natürlich auch, aber das war im Londoner Abkommen noch viel mehr der Fall. Man soll doch auch die Bedeutung der ganzen Abkommen nicht überschätzen. Die Franzosen werden gar nicht alle Sachleistungen abnehmen, weil sie sie nicht verbauen können. Im ganzen ist ein ständiger Fortschritt in unserer auswärtigen Lage erzielt. Das zu leugnen heißt, die Geschichte nicht zu erkennen und nicht erkennen zu wollen. Das so geschickt abgefaßte Aktenstück des Anleihe⸗ komttees ist nichts anderes, als ein Verdikt gegen die französische Politik und gegen die Politik der Reparations⸗ kommission. Mit dieser Entscheidung des Anleihekomitees können wir einen Fortschritt buchen. La vérits est en marche. Frankreich braucht selber die Anleihe. Die Anleihe verlangt allerdings eine „günstige Atmosphäre“. Das Anleihekomitee hat erklärt, daß die günstige Atmosphäre durch die Ablehnung Frank⸗ reics gestört ist. Heute sieht man in Frankreich diesen schweren Fehler ein und möchte das Anleihekomitee so rasch wie möglich wieder zurückhaben. Glaubt Herr Reichert, daß er mit seiner Rede eine günstige Atmosphäre für die Anleihe geschaffen hat? Die Reparationslasten müssen von allen am Kriege Schuldigen zusammen getragen werden. (Zuruf des Abg. Levi.) Sie können mir doch nicht vorwerfen, daß ich die Schuld am Krieg hätte. Ich habe das Unglück kommen sehen aus der Verfeindung mit Enakand und oft genug gewarnt. Wir sind auch keine Steuer⸗ drückeberger, aber Sie. Herr Levi, proklamieren die Drückebergerei des Proletariats. Meinen Sie, daß die Entente mit ein paar direrfen Steuern zufrieden sein würde? Es ist eine lächerliche Iflusion, anzunehmen, die Reichen allein könnten die Reparation erfüflen. Ein absoluter Irrtum ist es, durch Wegsteuern des Kapitals die Erfüllung gewährleisten zu wollen. Dann können wir nicht mehr arbeiten, und ich meine, das Experiment in Rußland sei lehrreich genua. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Sehr bedenklich ist der Rückgang in der Kobhlenförderung, und habei kann man sich nicht einmal mit einer Verschlechterung der Ernäöbrung entschuldigen. Ueber Hamburg sind in einem halben Monat mehr enalische Kohlen eingeführt worden als sonst in einem Jahre. Im Ruhrrevier betrug die Arbeitsleistung 1921 noch 58,2 Prozent der Leistung von 1913. jetzt sind es nur noch 50 Prozent. Der Wille zur Arbeit ist nicht mehr so stark wie früber. Das Akkordsystem ist mangelhaft. Wir gehen, wenn sich das nicht ändert, an Kohlenmangel zugrunde. Die Regierung müßte auch schlennigst Schritte tun zur Aenderung des Kohlen⸗ abkommens in Sva. Ist sich die Regierung klar darüber, daß die Teuerunaswelle, die uns überschwemmt, durch die fort⸗ wätrenden Tarifsteigerungen der Verkehrsverwaltung herbei⸗ geführt ist? Diese Erbäbungen sind eine Schraube ohne Ende, sie gehen über alles Maß hinaus. und der Reichstag sollte nicht stilft weigend oerade an dieser Sache vorübergehen. Die Entente proklamiert Rußland gegenüber das Prinzip des Privateigentums. Das deutsche Privateigentum aber haben die Ententestaaten be⸗ schlaanahmt, und damit dasselbe getan wie Sowjetrußland. Man soll das deutsche Privateigentum im Auslande freigeben. dann wird Deutschland auch leichter eine Anleihe bekommen. Bezüglich des Saargebiets hat der Völkerbund das Unrecht leider sonktioniert. Im Rheinlande wird das Recht schnöde gebeugt. Die Pazifisten aller Länder sollten sich gegen dieses Unrecht ver⸗ einigen. Die Reichsregieruna aber soll nicht locker lassen in dem Bemühen, die Welt von unserem guten Recht zu überzeugen. (Beifall bei den Demokraten.) E1““ b Abga. Emminger (Baver. Vp.): Die Einiakeit in der Beurtei⸗

lung der in den Interpellationen angeschnittenen Fragen, soweit

sie das besetzte Gebiet betreffen, spiegelt sich im ganzen Reiche wieder. Der Reichsregierung danken wir für ihre entschiedene und mannhafte Erklärung und die Zusicherung, daß sie alles tun will. um den berechtigten Beschwerden der Bevölkerung in den besetzten Gebieten Rechnung zu tragen. Wir sind auch einver⸗ standen mit der Regierung, daß die Rheinlande unter keinen Um⸗ ständen preisgegeben werden dürfen und nichts zugelassen werden darf, was den Bestand des besetzten Gebietes gefährdet. Dem Prolest gegen die sinnlose Zerstörung der Eisenbahnen schließen wir uns an und hoffen, daß es der Regierung gelingen wird, die Gegenseite von diesem Plane abzubringen. Möge der Protest gegen die Zustände in den besetzten Gebieten in der Welt ein Echo finden. Wir haben bisher Erfüllungspolitik mit allen Kräften betrieben, aber der Ton in den Noten der Gegenseite ist immer verletzender geworden. Kaum jemals ist das Ehrgefühl

. Sie (zur

der Unterdrückten so mit Füßen getreten worden, wie in den Ententenoten der letzten Zeit. (Sehr wahr!) Bei diesen trüben Betrachtungen bleibt uns nur der eine Trost, daß die Bevölkerung der besetzten Gebiete die Leiden mit einem Opfermute trägt, der uns nicht nur Bewunderung abnötigt, sondern uns auch zeigt, daß wir alle Peitschenhiebe nur in nationgler Gesinnung ertragen können. In der Einheitsfront der Bevölkerung dex besetzten Ge⸗ biete liegt auch die Hoffnung, daß die Gefahren für die Reichs⸗ einheit abgeschlagen werden können. Die uns vorgelegten Ab⸗ kommen sind nur erträglich, wenn sie auch von der Gegenseite lohal ausgeführt werden. In der Frage, ob das Wiesbadener Abkommen vom Reichstage hätte ratifiziert werden müssen, könnte man vom rein formalen Standpunkte aus die Ansicht der Regierung billigen. Vom Standpunkt der politischen Verantwortlichkeit aus aber hätte das Abkommen dem Reichstage sofort vorgelegt werden müssen. Trotz vieler Bedenken im einzelnen werden wir den Ver⸗ trägen zustimmen, weil sie einen Abbau des Londoner Ultimatums bedeuten. Für die Regierung ergibt sich aber die Pflicht, von dem ihr zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, sobald die Wirkung der Abkommen dies in unserem Interesse er⸗ heischt. Die Regierung hat weiter die Pflicht, das Reparations⸗ problem auf eine neue Grundlage zu stellen. Hat die Reichs⸗ regierung dem Garantiekomitee über den Zusammenhang der Abkommen mit der Vermehrung der Inflation klaren Wein ein⸗ geschenkt? Und wie lange gedenkt der Herr Reichskanzler eigent⸗ lich noch weiter zu erfüllen? Nach allem, was wir bisher erreicht haben, liegen uns noch ebenso katastrophale Verpflichtungen ob wie auf Grund des Londoner Ultimatums. Es kommt mir vor, als wenn man uns im Londoner Ultimatum den ganzen Kopf abschneiden wollte, und daß man uns jetzt, nachdem wir angeblich mancherlei erreicht haben, nur noch den halben Kopf abhacken will. Es erfüllt sich jetzt an uns eine Katastrophe sondergleichen. Auf dem Leipziger Gewerkschaftskongreß hat der Reichswirtschafts⸗ minister sich gegen den Vorwurf verwahrt, daß die Re⸗ gierung irgendeine Schuld an der Preissteigerung treffe. Aber nachweislich ist die Preissteigerung dem Steigen des Dollar⸗ kurses immer in gewissem Abstande gefolgt. Zur Steigerung des Dollarkurses aber tragen die Reparationsverpflichtungen in Gold hbei. Hat der Reichskanzler sich einen genauen 8 gemacht, wieweit er mit dem Ankauf von Devisen gehen will? Will er auch kaufen, wenn der Dollar auf 500 steht, oder ist es richtig, daß er, wie es heißt, mit dem Garantiekomitee darüber verhandeln will, daß es von der Goldzahlung absieht, und dafür Sachlieferungen annimmt, fen der Dollar auf einer gewissen Höhe man spricht von 260 teht? Hat die Reichsregierung überhaupt einen bestimmten Plan vor Augen, oder soll weiter gewurschtelt werden? In etwa einem halben Jahre werden wir, wenn es so weiter geht, zu öster⸗ reichischen Zuständen kommen. Ueber die Folgen dieser Zustände möge sich die Reichsregierung von ihrem Botschafter in Wien unterrichten lassen. Es muß alles geschehen, um der Preis⸗ steigerung Einhalt zu gebieten. Bei den Verhandlungen in Paris hat die Regierung zugesagt, der Notenpresse Einhalt zu gebieten, wenn ihr eine Anleihe bewilligt wird. Theoretisch ist das ganz einwandfrei und zu begrüßen. Ich frage aber die Reichsregierung: Wenn die Reichsbank die Diskontierung von Reichsschatzwvechseln ablehnen muß, und wenn die Reichsbank mit ihrer Notendruckerei nicht mehr zur Verfügung steht, was gedenkt die Regierung dann zu tun, um die Bedürfnisse des Reiches für die Beamtengehälter usw. zu decken? Solange nicht unsere Reparationsverpflichtungen herabgesetzt werden, werden wir keinen Ausweg aus den jetzigen Schwierigkeiten finden. Amerika wird vielleicht die Anleihe geben, wenn Frankreich nachgibt. Aber Frankreich ist Seeg e noch nicht soweit vorbereitet. Also können noch Jahre darüber ver⸗ gehen, und inzwischen erfüllt sich unser Geschick Wir brauchen mehr Kohle, wir brauchen Brot. Ich will keine Wahlrede halten wie Herr Stampfer. Es handelt sich nicht um die Frage der Ver⸗ teilung, sondern der Steigerung der Produktion in Industrie und Landwirtschaft. Die Verteilung ist leicht, wenn alles da ist. Der Versuch, zu erfüllen, hat den Beweis erbracht, daß diese Erfüllung unmöglich ist. Soll es so weiter gehen? Schließlich werden die Gegner den zuckenden und blutenden Leib des deutschen Volkes sehen, und man wird ihnen sagen: hier habt ihr Vivisektion ge⸗ trieben. Die Regierung müßte schließlich den Gegner klarmachen:

es geht nicht mehr! Ich hoffe, daß sich auch hier eine Einheitsfront

des deutschen Volkes bilden wird, an der nicht Herr Helfferich, sondern die Regierung die Führung übernimmt. (Beifall bei der bayerischen Volkspartei, Händeklatschen auf den Tribünen.)

Präsident Löbe bemerkt, daß Besers dehag banssn auf den Tribünen unzulässig seien und er im Wiederholungsfalle mit Aus⸗ weisung vorgehen müsse. Abg. lten Hompel (Zentr.): Die Sachlieferungen sind zu befgabene aber das Reparationsproblem wird damit noch nicht elöst. Hauptsache ist die Mehrarbeit des deutschen Volkes, ohne teigerung der Produktion ist eine Reparation unmöglich. Die Anhänger der Erfüllungspolitik glauben, daß damit das deutsche Volk den Gegnern am besten die Unerfüllbarkeit der Reparations⸗ forderungen beweisen wird. Sie sind nicht etwa der Meinung gewesen, daß die Forderungen erfüllbar seien. Aber wir wollten wenigstens den guten Willen zeigen. Die Einsicht in der ganzen Welt, selbst in Frankreich, beginnt auch schon zu wachsen, daß das Londoner Ultimatum unerfüllbar ist. Bei der Haltung der

französischen Regierung wäre ein Widerstand Deutschlands gegen

das Ultimatum von schweren Folgen für uns begleitet gewesen. In der inneren Politik stehen wir vor dem bedeutungsvollen und schweren Problem der Frage der Volksernährung; wir müssen dabei eine mittlere Linie zu finden suchen, die einerseits den Interessen der Erzeuger und andererseits den Interessen der Konsumenten gerecht wird. In dieser schweren Zeit dürfen wir nicht das Trennende erörtern, sondern das Einigende, und ich schließ mich deshalb dem Appell des Vorredners zur Bildung einer Einheitsfront vollkommen an. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Dr. Breitscheid (U. Soz.): Mit den Darlegungen der Interpellanten über die Zustände am Rhein und der Saar stimmen wir in weitem Umfange überein, auch mit der Antwort des Ministers Rathenau und mit den Warfen Protesten gegen die dortigen Mißbräuche an die französische Regierung und an den Völkerbund. Wir bedauern lebhaft die Uebergriffe durch die Be⸗ satzungsbehörden wie die Tatsache dieser Besatzung überhaupt. Ich wünschte soviel Gerechtigkeitsgefühl und volitischen Verstand bei der Entente, daß sie selbst die Besatzungsarmee zurückzieht. Zu einem besonderen Dank an die rheinische Bevölkerung ist allerdings keine Veranlassung, denn es ist eine einfache und nackte Selbstverständlichkeit, daß sie an ihrem Deutschtum festhält. Wir protestieren gegen die Versuche, aus dem Rheinland ein neutrales Staatswesen zu machen. Ob die Rheinlande Autonomie erhalten sollen, ist eine rein innere Frage der deutschen Republik. Wir lehnen irgendwelche Unterstützung von außen für die Autonomie⸗ bestrebungen ab. Es beweist einen Mangel an Geschmack und ee Augenmaß, wenn die französischen Militärbehörden

ersonen wie Dorten und Smeets unter ihren besonderen Schutz stellen. Die französische Politik im Rheinlande ist nicht nur ver⸗ werflich, sondern überaus töricht. Vor einem Menschenalter be⸗ standen im Rheinland Sympathien für das französische Wesen, aber seit der Zeit, wo der bekannte Bankier Schaaffhausen rief: „Jesus, Maria und Joseph, wir huben in eine arme Familie hineingeheirater“, haben der preußische Offizier, der preußische Polizist und der ostelbische Beamte es nicht verstanden, dem rheinischen Volk besonderes Wohlwollen für Preußen einzuflößen; man sprach dort verächtlich von Stockpreußen und preußischen Hungerleidern. Deutsche Sympathien im Rheinland entstanden erst, als das Reich sich wirtschaftlich entwickelte und besonders die sozialistische Arbeiterbewegung den rheinischen Arbeitern ein neues Ideal gab, das die Möglichkeit boi, das Preußentum zu bekämpfen, ohne sich an die Franzosen anzuschließen. Das größte Verdienst in dieser Richtung hat die französische Besatzung, die mit Zucker⸗ brot und Peitsche moralische Eroberungen wahrlich nicht gemacht hat. So haben die französischen Sympathien im Rheinland sehr

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r nachgelassen. Im Wege einer Volksabstimmung wird es niemals

Plmngen. die 2ve Bevölkerung von Deutschland loszulösen. Die Zitate des Abg. Moldenhauer über die Absicht der Franzosen. das Rheinland zu annektieren, sind nicht beweiskräftig, auch nicht das Wort des Generals Foch, daß aus militärischen Notwendig⸗ keiten Frankreich bis zum Rhein vordringen müsse. Koch

ist eine militäriche Autorität, hat aber nicht den politischen

Einfluß wie etwa Ludendorff in Deutschland. Ein Militarismus,

der über die bürgerlichen Gewalten herrscht, besteht in Frankreich

überhaupt nicht. Den Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland illustriert am besten die Tatsache, daß der französiste

Kammerprösident auf dem Wege zum Parlament immer von zwei

Offizieren begleitet wird, zum Zeichen dafür, daß die Militär⸗

gewalt der Zivilgewalt untergeordnet ist, während die Präsidenten

der deutschen Parlamente sich in ihre militärischen Uniformen

kleideten, wenn sie zu Hofe gingen. (Zuruf rechts: Aeußerlich⸗

keiten!) Außerlichkeiten, die aber ihre Bedeutung haben. Wir protestieren gegen den französischen Annexionismus. Wir haben

dazu ein größeres Recht als die Herren der Rechten, die immer

Vertreter des deutschen Annexionismus waren. (Unruhe rechts.)

Wir protestieren auch auf das energischste gegen die Unter⸗

drückungspolitik im Saargebiet, wo das französische Kapital die

schlimmsten Orgien feiert. Das Selbstbestimmungsrecht, für das

die Entente angeblich gekämpft hat, besteht für Deutsch⸗Hesterreich

nicht einmal auf dem Papier. Wir bedauern, daß wir infolge

der Friedensschlüsse gehindert werden, den Anschlußwillen Oester⸗

reichs zu erfüllen. Wir fordern aber von der Regierung, daß

wenigstens auf wirtschaftlichem Gebiet alles geschieht, um das

schwer leidende und heroisch kämpfende österreichische Volk zu

unterstützen. An den Minister Rathenau richte ich die Frage,

ob nicht auch für die deutsche Saarbevölkerung die Lage

gebessert werden könnte, wenn Deutschland als gleich⸗

berechtigtes Mitglied in den Völkerbund einträte? Trotz aller Hindernisse erstreben wir mit aller Kraft die deutsch⸗ französische Verständigung als Grundlage für den Wiederaufbau

Europas. Darum stimmen wir auch trotz aller sachlichen Bedenken den Sachlieferungsverträgen zu. Es muß aber verhindert werden, daß die gelieferten Waren uns mit zu niedrigen Preisen angerechnet werden. Die Deutschnationalen haben bisher noch nicht den kleinsten positiven Vorschlag zum Ersatz der Erfüllungspolitik gemacht. Sie beschränken sich auf die reine Opposition und sagen: erst schlagen wir mal alles kaputt, und dann wird sich alles weitere finden. Hern Helfferichs Parole ist: Spektakel machen und dann sehen, was da rauskommt. Was da rauskommt, sind die schlimmsten Schläge für unser deutsches Volk. Wenn die Deutschnationalen über die traurige Lebenshaltung des deutschen Volkes klagen, so ist das ein Beweis ihrer abgrundtiefen Heuchelei, denn sie selbst wollen durch ihren Kampf gegen die Getreideumlage die Erleichte⸗ rung dieser Lage vereiteln und sie haben mit ihrer Politik das jetiige Elend des Volkes nach dem verlorenen Krieg verschuldet. (Stürmischer Beifall bei den Sozialdemokraten und⸗Unabhängigen Sozialdemokraten.) Die Antwort des Ministers Hermes auf unsere Interpellation war unbefriedigend. Der wohlwollende Bescheid der Anleihekommission enthält als Bedingung für eine Anleihe die innere Stabilisierung der deutschen ”.. Von größter Wichtigbeit ist deshalb das Verhalten der Regierung zu den neueren Plänen, die sich gegen die Zwangsanleihe richten. Unsere ganze Stellung zur Außenpolitik der Regierung ist aufs engste verknüpft mit der Finanzpolitik der Regierung. Es ist nicht Steuerdrückebergerei, wenn die Arbeiterschaft verlangt, daß die neuen Steuerlasten jetzt in erster Linie den tragfähigeren Schultern aufgelegt werden. Die Bergarbeiter unter Tage haben die Friedensleistung schon wieder exrreicht. Aber sie wandern großen⸗ teils in andere Berufe ab, weil sie dort bessere Löhne erhalten. Die Produktionsfähigkeit der deutschen Arbeiter wird am besten dadurch gestärkt, daß man ihnen ein ausreichendes Quantum Lebensmittel liefert, und daß man ihre Freude an der Arbeie erhöht. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Wir verlangen Antwort auf die Frage, ob man moralische Eroberungen davon erwartet, daß der Kapp⸗Offizier Löwenfeld zum iffskomntan⸗ danten gemacht wird, wenn die Regimentsfeiern, die in Wirklich⸗ keit Appelle für die Monarchisten sind, von der Reichswehr unter⸗ stützt werden. Diese Vorgänge sind Gefahren für die Republik und die schlimmste Gefahr für die Republik ist der Reichswehr⸗ minister Geßler. (Lebhafte 1 bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Wir glauben an die Möglichkeit einer deutsch⸗ französischen Verständigung und verlangen von der Regierung, daß sie eine Atmosphäre schafft, in der diese Verständigung gedeihen kann. (Beifall bei den Unabhängigen Eealbelmseasn

Abg. Dauch (D. Vp.): Das Erhebendste aus der Interpella⸗ tionsdebatte ist die Feststellung, daß die Bevölkerung der besetzten Gebiete allen htsehh eschlossen gegenübersteht. Mit dieser Haltung geben uns unsere Landsleute dort ein leuch⸗ tendes Vorbild. Schon mit Rücksicht darauf, daß die Wirkung des Wiesbadener Abkommens sich schwer übersehen läßt, hätte es so⸗ 9 dem Reichstag vorgelegt werden müssen. ir protestieren aher rgen die Behandlung des Reichstages durch die Regierung. Das Wiesbadener Abkommen wäre durch die Umwandlung von

Goldleistungen in Sachleistungen ein Vorteil, wenn diese Sach⸗ leistungen unserer Wirtschaftskraft angepaßt wären. Das ist aber nicht der Fall. Die Nachteile des Wiesbadener Abkommens bestanden besonders auch in der vorgesehenen Zwangsorganisa- tion. Das Wiesbadener Abkommen bedeutet eine Hption für Frankreich auf bestimmte Güter, das verarmte Deutschland muß dazu auf Jahre hinaus den Bankier Frankreichs spielen. Auch das Bemelmans⸗Abkonmen bewegt sich im Rahmen des Unmög⸗ lichen; wir haben keine Garantie, daß die Waren, die wir liefern, nicht zu anderen Zwecken benutzt werden als zu Reparations⸗ zwecken. Unsere wirtschaftliche Lage ist nicht mehr zu heilen, wenn nicht unsere Belastung beschränkt wird; sonst können viele Industrien überhaupt nicht mehr bestehen. (Sehr richtig! rechts.) Die Zwangsanleihe ist für unsere Volkswirtschaft eine Belastung ohnegleichen. Den Optimismus, dem sich die Regierung hingibt, kann man nicht teilen. Die höchste Instanz in Deutschland ist jetzt die Repa⸗ rationskommission, die als Partei entscheidet, ob wir Recht haben. Erst der Waffenstillstand, dann der Versailler Vertrag, weiter London, Oberschlesien, Antastung unserer Souveränität, Steuern, Finanzkontrolle und die Reparationskommission als Partei mit alledem macht Frankreich die schönsten Geschäfte. Wir werden als die Schwachen durch alle Verträge nur einseitig gebunden die anderen gehen einfach über unsere Rechte hin⸗ weg. Daß wir allein durch den Krieg die gewaltigsten Lasten bekommen haben, ist ein Irrtum. Kehnes sagt selbst, daß die Revolution Deutschland erst schwach gemacht habe, und der Entente gezeigt habe, daß wir uns nicht mehr wehren können. Die Außen⸗ handelskontrolle wird durch diese Abmachungen verewigt. Aber die Hauptsache ist, woher wir denn die Gelder nehmen sollen, um das alles zu bezahlen. Wir dürfen die schwebende Schuld nicht erhöhen, aber neue Steuern sind ausgeschlossen, es muß also mehr Papiergeld ausgegeben werden, und dann kommt die weitere Geld⸗ entwertung mit allen ihren Nachteilen. Es ist bedauerlich, daß diese Fragen benutzt werden, um innerpolitische Gegensötze aus⸗ utragen. Das kommt daher, daß die wenigsten von uns die wirt⸗ waftschen Zusammenhänge erkennen. as. Herr Breitscheid

ber die Erfassung der Sachwerte hieße geradezu das Spiel

der Entente spielen. Kapital und Arbeit sind aber ein Organis⸗ mus, entweder leben die Deutschen miteinander, oder sie sterben miteinander, keiner von uns wird den anderen länger überleben. In dem Aktenstück des Anleihekomitees steht nicht, wie Herr Vothein sagte, daß die Atmosphäre für eine Anleihe günstiger ge⸗ worden sei, sondern, daß rein finanziell die Behingungen jetzt der Anleihe günstiger seien als je zur Zeit des Krieges. Die Atmosphäre ist aber nicht durch die Politik unserer Regierung ünstiger geworden. Das Gutachten des Anleihekomitses hat die Reparationskommission in den Augen der ganzen Welt gerichtet. Die jetzigen Verträge sind nur ein Mittel, um unsere unabwend⸗ bare Katastrophe wohl etwas hinauszuzögern, uns ischen aber

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