Nächste Sitzung Mittwoch, 2 Uhr (Gesetz zum Schutze der Republik und Amnestiegesetz, ferner Interpellationen über das Fortbestehen von Selbstschutz⸗Organisationen, über anti⸗ republikanische Kundgebungen von Angehörigen der Armee und über die Vorgänge anläßlich der Hindenburgfeiern in Ostpreußen).
Schluß gegen 43½ Uhr.
244. Sitzung vom 5. Juli, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Vor Eintritt in die Tagesordnung widmet der Präsident Löbe dem verstorbenen Abg. Däumig (Komm.) einen Nachruf.
Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Republik in Verbindung mit der ersten Lesung des Ent⸗ wurfs eines Amnestiegesetzes und den Inter⸗ pellationen der Unabhängigen Sozialisten über das Fortbeste hen von Selbstschutzorgani⸗ sationen, über die Schadloshaltung von Per⸗ sonen, die wegen Handlungen zur Abwehr hochverräterischer Unternehmungen u Schadenersatz vevurteilt sind, und über die Vorgänge anläßlich der Hindenburgfeier in Königsberg, sowie den Interpellationen der Sozialdemokraten, betreffend antirepu⸗ blikanische Kundgebungen von Angehörigen devalten Armee und Beteiligung der Reichs⸗ wehr an derartigen Veranstaltungen.
Präsident Lö be bittet, in dieser Sitzung nur über die Ge⸗ setze zu sprechen, derart, daß diese am Schluß der heutigen Be⸗ ratung dem Ausschuß überwiesen werden könnten, während die 8 der Interpellationen am Donnerstag vorgenommen erden solle.
Reichsminister des Innern Dr. Köster: Meine Damen und Herren! Die Reichsregierung hat diesem hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Republik zugehen lassen. Der Reichsrat hat diesen Gesetzentwurf mit der gewaltigen Majorität von 48 gegen 18 Stimmen angenommen. Was uns not tut in dieser Stunde, sind nicht lange Reden, sondern handeln. (Sehr richtig! bei den Soz.) Der Reichsrat hat Tag und Nacht gearbeitet. Ich bitte das hohe Haus im Namen der Reichs⸗ regierung, den vorliegenden Gesetzentwurf mit möglichster Be⸗ schleunigung zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, die Materie, die dieser Gesetz⸗ entwurf regelt, ist zum Teil schon in zwei Verordnungen des Herrn Reichspräsidenten geregelt. Dennoch schlagen wir Ihnen vor, an Stelle der Verordnungen ein Gesetz zu schaffen, und zwar aus folgenden Gründen.
Die Reichsregierung ist der Meinung, daß mit dem Artikel 48 der Reichsverfassung so selten wie möglich und so kurz wie möglich regiert werden soll. Die Verordnungen und dieser Gesetzentwurf sind zwar aus einem augenblick⸗ lichen Notstand herausgewachsen. Wir sind aber der Meinung, daß dieser Notstand in langen Monaten wissentlich und fahr⸗ lässig vorbereitet worden ist. Wir können uns deshalb nicht mit einem Instrument begnügen, durch das wir lediglich eine augenblickliche erregte politische Situation meistern können, die sich in einigen Wochen wieder vollkommen geändert haben kann. Die Erfahrungen, die wir mit der Verordnung des Herrn Reichs⸗ präsidenten nach dem Morde Erzbergers gemacht haben, verbieten uns das. Wir brauchen vielmehr dauernde Maßnahmen. (Sehr richtig! bei den Soz.) Maßnahmen, durch die wir jenen Sumpf⸗ boden trockenlegen, entwässern, sanieren können, aus dem der Mord Dr. Rathenaus hervorgewachsen ist, jenen Sumpfboden, aus dem nach dem Willen einer kleinen, feigen Mörderbande neue Mord⸗ taten, neue Erschütterungen hervorbrechen sollen, wenn wir nicht endlich den Mut und die Verantwortung finden, das zu tun, was die Situation erfordert, und was das deutsche Volk vielleicht schon längst von seiner Regierung erwartet hat. (Sehr richtig! bei den Soz.) Aus diesen Gründen auch finden Sie in dem Ihnen vor⸗ gelegten Gesetzentwurf Materien behandelt, die auf den ersten Blick vielleicht mit dem augenblicklichen Notstand nicht in direktem Zusammenhang stehen. Wir wollen nicht warten, bis man der Republik den Hals abschneidet. (Sehr richtig! bei den Soz.) Wir wollen aber auch nicht in Situationen hineinschlittern, zu deren Meisterung wir von Ihnen immer neue Verordnungen, immer neue Gesetze anfordern müssen. Wir beginnen mit diesem Gesetzentwurf eine Sanierungsaktion unseres ganzen vergifteten öffentlichen, politischen Lebens. Wir sind uns bewußt, daß diese Aufgabe in einem Lande von der inneren Zerrissenheit des unsrigen, in einem Lande, das von auswärtigen Kontrolleuren und Gläubigern alle Augenblicke wieder in die furchtbarsten wirt⸗ chaftlichen und politischen Situationen hineingestoßen wird, un⸗ geheuer schwierig ist. (Sehr wahr! bei den Soz.) Wir haben ie angepackt, wir wollen sie durchführen. Wir bitten den Reichs⸗ ag, sich hinter uns zu stellen. Ueber Einzelheiten der Methode ann geredet werden. Im übrigen stehen und fallen wir mit dieser Sanierungsaktion. (Bravol! bei den Soz.)
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, daß der Ihnen orliegende Gesetzentwurf der Beginn einer solchen Aktion ist. Wir werden Ihnen in diesen Tagen weitere Gesetzentwürfe vor⸗ egen, die diese Aktion fortsetzen und vertiefen sollen. (Bravo! links.) Was das Reich regeln kann, wird die Reichsregierung regeln, schnell und noch in dieser Tagungsperiode. Ich mache aber schon hier darauf aufmerksam, wie begrenzt die Kompetenzen sind, die das Reich im Rahmen der Weimaraner Verfassung hat. Das Reich hat keine Exekutive (Zurufe bei den D. Dem:: Leider!), keine Schulen, keine Universitäten, keine Gerichte. Dieses Gesetz bekommt lebendige Kraft erst durch die Kraft, die die Exekutive der einzelnen Länder ihm geben. (Sehr wahr!) Diese Sanierungs⸗ aktion — darüber sind wir uns klar — wird dauernd z. B. nur gelingen, wenn die Schulen und Universitäten mehr als bisher Pflanzstätten verfassungsmäßiger, republikanischer Gesinnung werden. (Zustimmung links.) Riesengroß ist daher die Ver⸗ antwortung, die die Länder tragen. Ich appelliere an dieser Stelle noch einmal an die Bevölkerungen der Länder, im Interesse der Einheit dieser ganzen Sanierungsaktion diese Verantwortung auch dann zu übernehmen, wenn sie etwa schwerer sein sollte als die
nsrige.
Meine Damen und Heonen, ich will mich mit diesen allgemeinen Worten begnügen. Es ist gesagt worden, dieses Gesetz ist ein Sozialistengesetz in zweiter 8 1
Auflage. Das ift falsch. Das
L-.
Sozialistengesetz knebelle Gesinnungen, knebelte die Propaganda für Ideen, für ein Wirtschaftssystem, für eine Staatsform. Alle freisinnigen Anträge — ich habe mir die Reichstagsdrucksachen aus jenen Jahren in diesen Tagen durchgesehen —, die darauf hinausgingen, dem Sozialistengesetz diese seine Grundtendenz zu nehmen, sind abgelehnt worden. Mit diesem Gesetz werden keine Gesinnungen geknebelt, mit diesem Gesetz wird die Pflege keiner Tradition verletzt (lebhafter Widerspruch rechts, große Unruhe und erregte Zurufe links), mit diesem Gesetz werden verboten und unter Strafe gesetzt Handlungen, Beschimpfungen, Verleum⸗ dungen, Gewalttaten.
Es ist gesagt worden, dieses Gesetz oder einzelne seiner Partien entsprängen aus einem gewissen Rachegefühl. (Sehr richtig! rechts.) Meine Damen und Herren, indem wir dieses Gesetz Ihnen zugehen lassen, denken wir nicht an die Vergangenheit, sondern an die Zukunft, und nicht an ein paar gefährdete Per⸗ sonen, sondern nur an die Sache. Es ist nicht wichtig, daß der eine oder der andere Minister noch weiter lebt; aber es ist wichtig, daß das Land lebt. (Lebhafte Zustimmung links.) Dieses Land ist in Gefahr. Wir stehen in einem Kampfe. Die Regierung erwartet, daß jedermann seine Pflicht und Schuldigkeit tut. (Leb⸗ hafter Beifall links.)
Abg. Silberschmidt (Soz.): Der Minister hat mit großer Deutlichkeit die Situation geschildert und mit erfreulicher Aufrichtigkeit die Ziele der Regierung dargelegt. Die epublik, die schwer bedroht ist, soll geschützt werden durch ein Gesetz, das sich gegen die Kreise richtet, die den Staat gefährden, also gegen rechts. Das Gesetz richtet sich in der Tat nicht gegen Gesinnungen, sondern gegen Personen und Vereinigungen, die sich außerhalb des Ge⸗ setzes stellen und mit den schlimmsten Mitteln der Bedrohung, der Beschimpfung und der Gewalt, gesteigert bis zum Meuchelmord, die Republik beseitigen möchten. Es handelt sich also bei diesem Sas um ein Werk der Verteidigung der deutschen Republik gegen dunkle Mächte, die die alte, monarchistische, milltaristische Regierungsform und den alten Obrigkeitsstaat wieder erstehen lassen möchten. (Sehr richtig! links.) Gegen die Vernichtung des neuen Staatswesens gilt es, Maßnahmen zu ergreifen. Die junge Republik ist seit ihrem Bestehen unausgesetzt konzentrierten An⸗ griffen ausgesetzt gewesen, beginnend mit Verleumdungen der eitenden Persönlichkeiten. Kindische und närrische Verdächti⸗ gungen wurden ausgestreut gegen die führenden Persön⸗ lichkeiten der Republik, um in ihnen auch den neuen Staat in der Achtung des In⸗ und Auslandes herabzu⸗ setzen. Diese Art, aus dem Versteck vergiftete Pfeile nach den Trägern der Republik zu schleudern, ist im gewöhnlichen Leben eine verwerfliche Methode, und sie ist um so verwerflicher, wenn sie sich gegen im öffentlichen Leben stehende Personen und gegen öffentliche Einrichtungen richtet. Dabei scheute man nicht davor urück, das Gift der Verleumdung gegen die Republik und ihre Träger auch in die Herzen der Jugend zu träufeln. Das zeugt von einer Gesinnung niedrigster Art. Es ist ganz klar, daß durch die Bedrohungen der leitenden Personen die Republik getroffen werden sollte. Erst die Führer, dann die Republik, das ist die Tendenz der Feinde der gegenwärtigen Staatsform. Die Republik hat bisher gegenüber diesem Treiben eine außerordentliche Lang⸗ mut gezeigt. Und es ist zu bewundern, daß die Anhänger der neuen Staatsidee, und besonders die, die jahrzehntelang für diese Idee gekämpft haben, eine so große Geduld gezeigt haben. Nun aber ist es genug. Mit Befriedigung dürfen wir feststellen, daß es mit der Langmut der republikanischen Bevölkerung zu Ende ist, die sich auch die neue Staatsform nicht durch Meuchelmorde rauben lassen will. Auch die Führer der Gewerkschaften haben deutlich zu erkennen gegeben, daß sie zur energischsten Verteidigung der Republik bereit sind. Die Anhänger der Republik erwarten daher vom Reichstag, daß endlich der Schutz der Republik und ihrer führenden Persönlichkeiten in die Praxis umgesetzt wird. Alle Republikaner sollten daher jetzt zum äußersten entschlossen sein und den Willen bekunden, der Republik im In⸗ und Auslande die nötige Achtung zu verschaffen. Zur Erreichung dieses Zieles sind wir bereit, das beizutragen, was eine Partei, die die Freiheit erstrebt, dazu beitragen kann. Der Schutz der Republik und ihrer Anhänger muß aus dieser Kampagne so gefestigt hervorgehen, daß den Feinden der Republik für alle Zeiten die Lust vergeht, gegen die neue Staatsform vorzugehen. Nichts hat das Ansehen des deutschen Volkes und des deutschen Staates so geschädigt, wie die letzten Attentate gegen die Republik. So ist der Dollar infolge der Ermordung Rathenaus jetzt auf 446 gestiegen, während er kurz vor dem rde auf 300 stand. Wenn man sich aber psycho⸗ logisch in die Gedankengänge des Auslandes vertieft, so muß man diesen Folgeerscheinungen bis zu einem gewissen Grade Be⸗ rechtigung zugestehen. Daß man im Auslande zu uns kein Ver⸗ trauen hat, ist darauf zurückzuführen, daß das Ausland aus den letzten Attentaten die Ueberzeugung gewinnt, daß die deutsche Repu⸗ blik im Innern nicht genügend gefestigt ist. Das gleiche gilt von unserer Wirtschaft. Wie sollen die Arbeiter Lust zum Schaffen haben, wenn sie jeden Augenblick erwarten müssen, daß derxartige Anschläge erfolgen können? Dabei hat gerade das fleißige und tüchtige Volk für den Wiederaufbau am meisten getan und das arbeitsame deutsche Volk wird von Arbeitern nud Unternehmern des Auslandes beneldet. Es ist, höchste Zeit, daß die gekemzeichneten Feinde der Republik restlos nieder⸗ Hevorfen und die gegenwärtige Staatsform gefestigt wird. Die An⸗ änger der Republik, die Mehrzahl der deutschen Arbeiter und An⸗ sestelten. huldigen der Anschauung, daß die Entwicklung, die sie er⸗ treben, nur im geisti Kampfe errungen werden darf. Nimmt man den Republikanern a die Ueberzeugung, daß die sittlichen Kräfte der Republik nicht ausreichen, um die Widersacher niederzuwerfen, müssen 88 sehen, daß die Mittel der brutalsten Gewalt in Uebung bleiben dürfen, dann soll man sich nicht wundern, wenn der Gedanke, daß geistige Waffen nicht mehr ausreichen, immermehr Boden bei den Anhängern der Republik gewinnt. Die Anhänger des Gewalt⸗ prinzips müssen jetzt so zur Ordnung werden, daß sie dauernd ihre Bestrebungen aufgeben müssen. Der Gesetzentwurf geht meiner Partei in sehr vielen Punkten nicht weit genug, es ist sogar fraglich,
er Grundgedanke des alleinigen Schutzes der Mmister gegen die rechtsbolschewistischen Anstürme ausreicht. Der größte Mangel ist, daß der Entwurf keine Reichsexekutive vorsieht, vielleicht nach dem Charakter des Bundesstaats nicht vorsehen kann, da auf den guten Willen der Länder Rücksicht genommen werden muß. Die Gewerk⸗ schaften und politischen Verbände sehen in dem Entwurf keine aus⸗ reic n Mittel und verlangen mit allem Nachdruck eine Er⸗ weiterung der Schutzbestimmungen. Meine Partei ist bereit, auf den Boden des Entwurfs zu treten und dazu beizutragen, daß brauchbare Maßnahmen durch Erweiterung der Vorlage geschaffen werden. Wir wünschen auch die Bevatung in beschleunigtem Tempo, damit die un⸗ 1 Spannung im Volke nachläßt und im Volke das Gefühl ebendig wird, 9 diesmal der Reichstag mit dem Schutz der Re⸗ publik ernst macht. Wir beantragen die Ueberweisung der Vorlage an den Ausschuß. Sollte diesmal der Reichstag versagen, das Gesetz
mit den Garantien umgeben oder es ganz unter den Tisch fallen Fe; daun hat dieser Reichstag seine Existenzberechtigung vollkommen verloren. (Sehr wahr! links.) Dann würde er die Zeichen der Zeit verkennen und nicht gewillt oder nicht imstande sein, den dringenden Staatsnotwendigkeiten zu genügen. Dann wird aber nach dem Wunsche des Volkes dafür gesorgt werden, daß der Volkswille und der Reichstag mehr in Einklang gebracht werden, (Beifall lin ks.) Abg. Dr. Bell (Zentr.): Mit bitterstem Gefühle schauen wir zurück euf die Vorgänge, die zu diesem Gesetzentwurf Anlaß gegeben haben. Wir gäben viel darum, wenn unserem schwergeprüften Vater⸗ gen Sie Knae neeeht dieser Vorlage erspart geblieben wäre. Aöer efüh. . ni⸗
bringt uns aus unserer fast verzweifelten L. wauhen Wirklichkeit Rechnung zu tragen, aus den ge⸗
denen Verhälknissen mik ruhiger Besonnenheik, aber mit star Pöehen wecha die Folgerungen abzuleiten, das ist das Pflichtgebot der Stunde. Wir leiden unter dem furchtbaren Druck des Versailler — — .ee v. d lastungen und unaufhörli ressionen und Sanktionen, die wie e Alpdruck auf uns lasten; das hat ein Gefühl tiefer Empörung und dumpfer Verzweiflung ö eer Ruf nach zielbewußter Ge⸗ mein schaftsarbeit zur Rettung und Befreiung ist mehr als einmal in das Land hinaus erklungen. Durch die Reichsverfassung und die dadurch geschaffene Staatsform haben wir unser Vaterland vor dem und drohenden Zerfall bewahren können. Wir wollen an⸗ erkennen, daß auch unter denen, die der Reichsverfassung nicht zu⸗ stimmen konnten, sehr viele loyal und korrekt das ordnungsmäßige Zustandekommen der Reichsverfassung und der Republik anerkannt und diese vor Eegaltscnnen Eingriffen zu schützen sich bereit erklärt haben. es gibt kein b Entrüstung und Empörung stark genug, um das Gebaren derjenigen Volksgenossen zu brandmarken, die das neue Staatswesen mit allen Mitteln und aller Gewalt⸗ anwendung durch geheime Organisationen zu vernichten drohen. Ein Mord reiht sich an den anderen, eine Gewalttat wird abgelöst durch die andere, unsere Staatsform steht unter einer Kette der schlimmsten politischen Verbrechen. i vergegenwärtige man sich den unge⸗ heuren Druck von außen. Unser Vaterland und unsere Reichsver⸗ fassung, die wir in schwerster Not geschaffem haben, dürfen nicht zum Opfer jener gewissenlosen Kreise werden, denen Gift und Mord als Ersatz fehlender sachli⸗ Argumente dienen. (Sehr wahr!) Das deutsche Volk müßte an sich verzweifeln, wenn nicht in dieser kritischen Situation nachdrücklich die unentbehrlichen Maßnahmen ergriffen würden. Der entsetzliche Mord an Rathenau hat auch die geduldigsten Politiker sagen lassen: Bis hierher und nicht weiter! Wir sind bereit, uns auf den Boden dieses Gesetzes zu stellen, und sind überzeugt, daß kleine ittel nicht gegen die ungeheuren Gefahren helfen, die durch Mörderzentnalen dem Volke drohen. Schwerste Be⸗ denken sind von verschiedenen Seiten gegen die Vorlage er⸗ hoben worden, es handle sich um ein Ausnahmegesetz. Meine Partei und meine Fraktion haben in den 70 er und 80 er Jahren des verflossenen Jahrhunderts zulange unter dem Druck unerträglicher Ausnahmegesetz gestanden, als o e jemals ihre Hand dazu bieten würden, ein usnahmegese zu schaffen. Wir sind gegen jedes Aus⸗ nahmegesetz. (Unruhe rechts und Zurufe: Das ist aber ein Aus⸗ nahmegesetz.) Bitte, lassen Sie mich ausreden, ich werde auch Ihre Ausführungen ruhig anhören, und Sie (nach rechts) werden mir zugeben müssen, daß meine Ausführungen die Grenze der Gesetzlichkeit nicht verlassen. Ich erkläre auch ausdrücklich, daß wir dieses Gesetz keiner Partei zuliebe und keiner Partei zuleide machen. Wenn das Gesetz die Ueberschrift trägt „Zum Schutze der Republik“, so er⸗ klären wir, daß wir weit abstehen von dem Gedanken, den Streit zum Austrag zu bringen, welche Verfassungsform den Vorzug verdient, ob Monarchie oder Republik. (Hört, hört! links.) Gerade Sie (nach links) haben sich ja zu Zeiten der Monarchie mit aller Entschieden⸗ heit dagegen verwahrt, daß Sie nicht berechtigt sein sollten, Ihre republikanischen Gedanken öffentlich v Ausdruck zu bringen. Also, es soll niemand, der überzeugter Monarchist ist, aus seiner Ueber⸗ zeugung, solange er sie sachlich vertritt, ein Haar gekrümmt werden, es soll auch der sachlichen Kritik an der Regierung und der Regie⸗ rungsform, an der Haltung der Regierung und einzelner Persönlich⸗ keiten der Regierung, auch wenn 88 sachlich noch so scharf ist, irgend⸗ wie Abtrag geschehen. Davon kann keine Rede sein. Etwas der⸗ artiges würden und werden wir niemals mitmachen. Solange ein Parlament besteht, müssen alle Meinungen sachlich, frei und scharf um Ausdruck gebracht werden. Darum handelt es sich hier nicht.
ir erklären auch weiter, daß wir uns bei der Ausgestaltung der Gesetzgebung von dem Grundsatz leiten lassen, daß eine Bekämpfung des schweren Unrechts, das wir hier vor uns sehen, nur möglich ist, solange man fest und unerschütterlich auf dem Boden des Rechts steht. (Sehr richtig! im Zentrum.) Von diesem Gesichtspunkt aus ind wir gewillt an die Vorlage heranzutreten. Wenn ich grund⸗ gfigs die Zustimmung meiner Fraktion zu den Grundgedanken und Zielen ausgesprochen habe, mit dem nachdrücklichen Hinzufügen, daß gegenüber dem skandalösen verbrecherischen reichs⸗ und taatsfeind⸗ lichen Treiben einer Mörderzentrale die schärfsten Maßnahmen nötig sind, so behalten wir uns selbstverständlich für die Einzelberatung im Füeh und für die Ausgestaltung der Vorlage alles weitere vor. Eine solche Vorlage, wie sie uns gestern unterbreitet ist, muß selbst⸗ verständlich auch dem geschultesten Politiker, besonders Kriminal⸗ politiker, Anlaß zu gründlicher Durcharbeitung geben. (Sehr wahr!) Bei den Auss aftekatungen werden wir sorgsamst zu prüfen haben, wie weit der notwendige Schutz der Republik oder was in diesem Zusammenhang für uns der utz des Reichs und des Vaterlandes zu sücben hat. Wir werden zu prüfen haben, ob und welche Bestimmungen etwa besser in die Form einer Verordnung hinein⸗ gehören, ferner ob und an welchen Stellen in bezug auf die Straf⸗ art und das Strafmaß Verbesserungen vorzunehmen sind, und bei welchen Bestimmungen eine 16 Umorensung, und eine klarere Formulierung einzutreten hat. inige wenige Gesichtspunkte nur snnce ich im Namen meiner Fraktion als Wegweiser für die Aus⸗ J geben zu sollen, wobei ich nachdrücklich betone, daß nach der Auffassung meiner Fraktion die von uns beanstandeten Punkte nicht etwa im Sinne einer Beeinträchtigung des Grund⸗ gedankens des Schutzes der Republik geändert werden 1S sondern daß wir gerade durch eine Verbesserung der nach unserer Auffassung nicht Fhrresfend fhrmuliertin Punkte einen wirksameren Schutz der Republik herbeiführen wollen. Zu § 1 müßte Artikel 139 des Straf vsetpuche Anwendung finden, wonach bei freiwilliger Anzeige Straflosigkeit des Mitglieds der betreffenden Organisation eintritt. Sodam möchten wir die Anregung geben, ob es nicht zweckmäßig ist, in Abs. 2 des § 2 außer den Geistlichen mit den notwendigen Einschränkungen weitere Ausnahmen zuzulassen für die allernächsten Angehörigen, soweit sie das Zeugnis verweigern. Sodann ist die Frage, ob der Schutz der gegenwärtigen itglieder der Reichs⸗ regierung ohne weiteres und ohne Einschränkung auch Anwendung inden soll auf die Mitglieder der früheren Regierungen. Es wird as Sache einer sorgfältigen Prüfung Fin wobei mir entgegen⸗ gehalten werden könnte, daß ich persönli ʒbefangen bin. Ich will hinzufügen, was meine Person anlangt, so bin ich gern bereit, auf jeden Schutz zu verzichten. Es wird Gegenstand seggfältigster Beratung sein müssen, ob die Bestimmungen über den utz früherer Mit⸗ glieder der Regierungen nicht fester umgrenzt und schärfer umschriebe werden müsser. In der sehr beversemen Bestimmung des § 3
kommt die zwischen
das Reich als solches, sondern ebenso auch die Länder, und daru hoffe ich, daß die Landesregierungen und die Vertreter der Länder b der Ausgestaltung des § 8 einen Weg finden mögen, der die berechtigte eitsgrenze der Länder wahrt, aber zugleich der notwendigen inheit gebührend Rechnung trägt. Das wird gewisse Schwierig⸗ keiten machen, aber wo ein Wille ist, und der muß angesichts der Reichsnotwendigkeit vorhanden sein, da wird sich auch ein Weg finden lassen. Die Bestimmungen der §§ 13 und 14 über die “ begegnen bei meiner Fraktion den aller⸗ schwersten Bedenken. (Hört, hört! links.) Ich bin überrascht, erade von der äußersten Linken das Hörk, hört! zu hören. zir haben in den vergangenen Jahren zur Zeit des alten Kaiser⸗ reichs den schärfsten Widerstand erhoben gegen die nach unserer Ueberzeugung unerträglichen Ausnahmebestimmungen, die sich richteten auf Ausweisungen, und wenn mich meine historischen Erinne⸗ rungen nicht trügen, so stand meine Fraktion mit dieser scharf⸗ ablehnenden Kritik nicht allein. (Sehr gut! im . ir werden hier vor eine sehr zußerordentlich ernste Situation gestellt, wobei ich dnn besonders zu be enken gebe, neben der schweren grundsä lichen rage, die für jede freiheitlich denkende Partei ernstlich zu prüfen sein wird, ob nicht unter Umständen durch die Art der Durch⸗ führung das Ercu⸗ Gegenteil von dem erreicht wird, was erreicht werden soll. (Lebhafte Zustimmung im Zentrum.) Aus dem Ausland
fassun 8 9 chützen und zu b. Au
Ahbwehr aller Anschläge auf seinen Bestand,
Ehre seiner Führer bedarf.
. eich und Ländern zur Geltung. Die Aufrechterhaltung des deutschen Vaterlandes, und darum handelt es sich doch letzten Endes bei diesem Gesetzentwurf, betrifft nicht nur
b Zweite Beilage 1 zum Deutschen Neichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
Berlin, Donnerstag, den 13. Fuli
““ (Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
heraus kann viel intensiver und gefährlicher gearbeitet werden, als wenn die betreffenden Personen im Inland sitzen und jcden Augenblick unter die Sicherung der Hesete gestellt werden. Immerhin werden auch die Herren von der äußersten Linken zugeben, daß diese Paragraphen aus ihrer historischen Vergangenheit heraus eine sorgsame Prufung erheischen. Dann noch ein Wort über das Amnestiegesetz. Wir stehen dem Grundgedanken, der der hochpolitischen Gesamtsituation Rechnung trägt, durchaus nicht ablehnend gegenüber, zumal in Abs. 3 die ein⸗ zelnen aufgeführten Feapeiner Verbrechen von der Straffreiheit aus⸗ geschlossen sind. Unsere Stellungnahme und die zweckentsprechende Formulierung im einzelnen behalten wir der Ausschußberatung vor. Ich bin in der Lage, den größten Teil dessen zu unterschreiben, was der orredner über die Wirkung der Vorlage, über unsere inneren Verhältnisse und über unsere außenpolitische Lage gesagt hat. Immer wieder geht es aus den Darlegungen der ausländischen Presse und aus den hochpolitischen Kundgebungen der Staatsmänner der Entente, vor⸗ nehmlich Frankreichs, hervor, daß mit Deutschland solange nicht in ein besseres Verhältnis getreten werden könnte, bis es si innerlich kon⸗ solidiert und gezeigt habe, daß es in der Lage und entschlossen sei, die Staatsform und die Verfassung zu schützen. Die Ausführungen, die hier gemacht sind, und die hoffentlich durch die folgenden Redner ergänzt werden, zeigen dem Ausland und vornehmlich auch Frankreich mit aller Klarheit und Deutlichkeit, daß das deutsche Volk in der weitaus über⸗ wiegenden und maßgebenden Mehrheit gewillt ist, die Reichs⸗ verfassung und die durch sie geschaffene Staatsform zu schüsen und zu tützen. Dadurch aber erwächst für das Ausland und insbesondere für rankreich die Ehrenpflicht, nun auch diejenigen Maßnahmen zu be⸗ eitigen, die am meisten geeignet sind, unsere Verfassung und die Re⸗ publik zu schädigen. Denn niemand ist der deutschen Republik und der Reichsverfassung so in den Rücken gefallen, als gerade die westlichen Länder, die allen Anlaß hätten, sie zu schützen. Der Appell von der Reichstagstribüne wird nicht vergeblich sein, wenn die Entente ihrer⸗ seits die richtigen Schlußfolgerungen zieht. Auch wir wünschen Aus⸗ schußberatung und daß der Ausschuß unverzüglich mit aller Beschleu⸗ nigung arbeitet, so daß schon in den allernächsten Tagen die Vorlage in zweiter Lesung vom Plenum erledigt werden kann. Wir knüpfen aber daran die Hoffnung, daß der Grundgedanke der Sicherung des deutschen Vaterlandes und des Schutzes der deutschen Republik im Ausschuß eine Ausgestaltung finden möge, die dem Wunsch des deut⸗ schen Volkes entspricht und eine möglichst große Mehrheit im deut⸗ schen Reichstag findet! (Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. Petersen (Dem.): In der heutigen Lage gilt es zu handeln, ohne viel Worte zu machen. Ich habe daher für meine
8 Fraktion die folgende Erklärung abzugeben: Angesichts der furchtbaren
ewalttaten und des Abgrunds, an den maßlose Verleumdungen und
Verdächtigungen gegen die Reichsregierung und die ständige Be⸗
schimpfung der deutschen Republik und ihre Führer unseren Staat ge⸗ bracht haben, sind wir der Meinung, daß alle, denen es ernst mit dem Wohle des deutschen Volkes ist, alle Kräfte einsetzen müssen, die ver⸗ smäaßige demokratische Republik, den Staat, estalt allein der Wiederaufbau des Vaterlandes möglich 28 Wir sehen hierin vor allem eine große
gabe der Erziehung, die nicht allein der Schule aller Stufen, 8 ern allen politisch Verantwortlichen, den Regierungen, wie den Parteien obliegt, und hoffen, daß diese Aufgabe angesichts des furcht⸗ haren Tiefstands des politischen Denkens und Fühlens, den die ge⸗ hüuften Gewalttaten aufzeigen, nun von allen Beteiligten mit aller
in dessen
Kraft aufgenommen und weitergeführt wird. Wir sind daher gewillt,
eit tiefer Erregung und Bedrohung dem Staate diejenigen tlichen Mittel in die Hand zu geben, deren er zur seine verfass ungsmäßige Gestalt, seine Sicherheit und Ehre und der Anschläge nauf Leben und
Verbrecher derart, wie wir sie nun mit strafrechtlichen Mitteln treffen müssen, kannte die deutsche Geschichte
ür diese trafre
8 bisher nicht in der Häufung und Gefährlichkeit dieser Zeit. Wenn hier⸗ aus die Notwendigkeit neuer,
bisher nicht vorgesehener Straf⸗ bestimmungen folgt, so kann daraus niemand den Vorwurf ableiten, daß ein Ausnahmegesetz gegen ein elne Volkskreise oder politische Richtungen geschaffen werde. Es handelt sich vielmehr um nichts anderes, als die leider notwendig gewordene Ergänzung unseres
Strafrechts mit gleicher Geltung für alle Volksgenossen Gewalt gegen
Gewalt, Strafe gegen Auflehnung und Bedrohung, gegenüber miß⸗ leiteter Gesinnung aber, Erziehung und e Wir werden des⸗ halb mitarbeiten mit aller Beschleunigung, den Entwurf in einer Ge⸗ stalt zu verabschieden, die die Lebensnotwendigkeiten des Staates mit
dem liberalen Perfönlichkeitsrechte des Staatsbürger auch Achtung vor
innerer Ueberzeugung und mit ursprünglichen demokratischen Grund⸗ rechten aller e Bürger besrsigt und hoffen, daß dies gelingt und so das Gesetz beitragen möge, die Republik zu sichern, die po Atmosphäre zu entgiften und dem schwergeprüften Vaterlan ie innere Ruhe und Ordnung zu bringen, deren es in dieser Zeit außer⸗ politischer Bedrängnis und einer noch kaum ausdenkbaren Erschütte⸗ rung aller Wirtschaftsverhältnisfe dringend bedarf. EL114“ daß unser Volk auch diese Krise überwindet, in der Einigung aller Verständigen und wirklich Vaterlandsliebenden zu einer großen 89 meinschaft des Schutzes und der Arbeit für das bedrohte Deutsche Reich. (Beifall bei den Demokraten.) Abg. Dr. Düringer (D. Nat.): Jeder Staat und jede Staatsform hat sich selbst zu erhalten, sonst verlieren sie ihre Existenzberechtigung. Auch die deutsche Republik muß diesen Selbsterhaltungstrieb haben, wenn sie überhaupt weiterleben will. Wir erkennen dieses Streben als selbstverständlich an, wir erkennen uch an, daß die erschütternden Ereignisse der letzten Wochen be⸗ sondere Maßnahmen und auch sofortige Maßnahmen erfordern. Die Entdeckung einer Geheimorganisation, die vielleicht über ganz Deutschland sich erstreckt, die den gewaltsamen Umsturz zu bezwecken scheint, die Entdeckung von Verschwörungen innerhalb dieser Organisation, die man wirklich als Mörderzentrale bezeichnen kann, iese furchtbaren und unerhörten Enthüllungen und das fluch⸗ rdige Verbrechen selbst, dem einer der hervorragendsten deutschen änner zum Opfer gefallen ist, machen ein sofortiges Einschreiten eboten. (Große Unruhe links und Zurufe: Helfferich!) Deshalb aben wir grundsätzlich die Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 der Verfassung in unserer Erklärung vom 25. Juni als berechtigt anerkannt, wenn wir auch im einzelnen manches, ja sogar vieles daran auszusetzen haben. Allerdings aber mußten wir im höchsten Grade erstaunt und überrascht sein, als wir aus dem Munde des verantwortlichen Reichsjustizministers er⸗ fuhren, daß die Verordnung ausschließlich gegen die Mitglieder und Anhänger der Rechtsparteien gerichtet sei (sehr wahr!), daß Mit⸗ lieder der Linken ihre Anwendung nicht zu besorgen haben. Gewiß schließen speziell antisemitisch⸗völkische Kreise Elemente in sich, die bei jeder fluchwürdigen Tat in blinder Leidenschaft mit politischer Borniertheit und Verblendung vorgegangen sind. die selbst vor dem schwersten Verbrechen nicht zurückschrecken. (Lärm und Zurufe links.) Aber sind solche Charaktere nur in diesen Kreisen?. Hat die Republik nur Feinde auf der Rechten, wird sie in ihrem gegen⸗ wärtigen Bestande und ihrer gegenwärtigen Verfassung nicht auch von linksgerichteten Kreisen bedroht? (Große Unruhe auf der äußersten Linken. Abg. Höllein ruft: Wir haben noch niemand gemordet. Große Unruhe und Widerspruch rechts.) Ich will nicht in politische Betrachtungen hierüber eintreten. Die Frage auf⸗ werfen, heißt sie bejahen. (Große Unruhe links, andauernde Zu⸗ rufe der Kommunisten. Abg. Höllein wird wegen eines Zurufs
1
zur Ordnung gerufen.) Jedenfalls kann ich mein tiefes Bedauern darüber nicht unterdrücken, daß der Justizminister eines Rechts⸗ staats mit jener Erklärung eine Theorie verkündet hat, die in der Strafrechtspflege aller Kulturstaaten verpönt und verurteilt wird. Es ist die Theorie, daß nicht die objektive Straftat als solche maß⸗ gebend sei, sondern die politische Gesinnung. Dieselbe Straftat soll, wenn sie von einem Anhänger der Linksrichtung begangen wird, nach dem allgemeinen Strafgesetz verurteilt werden. Wenn sie aber von einem Anhänger der Rechtsparteien verübt wird, soll sie auf Grund der Ausnahmegesetze strenger bestraft werden. Nach der Reichsverfassung steht aber jeder Deutsche unter dem Schutz des Gesetzes. Wenn das Gesetz für alle Staatsbürger gleich verbindlich ist, so halten wir es für ausgeschlossen, daß Sie gleichsam zwei Fässungen machen, die eine unabgeänderte für links und die Links⸗ parteien und eine andere abgeänderte und verschärfte lediglich für die Rechtsparteien. (Abg. Höllein ruft: Für die Mörderparteien! Große Erregung rechts und Zurufe, auf die die Linke antwortet. Es entsteht ein großer Tumult, der minutenlang andauert. Abg. Malzahn ruft: Die Burschen werden, wie es scheint, schon wieder frech!) Ein derartiger Zustand würde, das möchte ich Ihnen voraussagen, nicht von langer Dauer sein, denn auch für die
Republik gilt der Satz: „Justitia est fundamentum regnorum“.
(Lärm und Zurufe auf der Linken. Abg. Höllein wird zum zweiten Male zur Ordnung gerufen, und Präsident Löbe bittet ihn, den Präsidenten nicht zu weiteren Maßnahmen zu zwingen.) Das Ver⸗ hältnis der Verordnungen zum Gesetz ist bis jetzt in keiner Weise geklärt. Ich habe mich vergeblich bemüht, aus dem Gesetzentwurf darüber etwas zu entnehmen. Es bestehen gegen jede Verfassungs⸗ änderung schwere Bedenken, und ich muß fragen, ob es überhaupt notwendig war, neben den Verordnungen des Reichspräsidenten noch ein besonderes Gesetz zum Schutze der Republik zu machen. Ich habe wiederholt erklärt, daß meine Partei auf dem Boden der Verfassung steht, an der ich mitgewirkt habe. Wenn ich die Ver⸗ fassung auch vom objektiven Standpunkt aus nicht gerade für ideal halte, so ist sie doch immerhin ein Werk, das uns allen die Möglich⸗ keit bietet zu einem friedlichen und ersprießlichen Zusammen⸗ arbeiten. (Zuruf links: Das hätten Sie früher sagen sollen!) Die Verfassung ist aus politisch völlig entgegengesetzten Anschauungen hervorgegangen, sie beruht auf einem Fshesceeiie gerade weil aber die Verfassung ein so schwieriges Grundgesetz ist und sein mußte, rate ich dringend, in Zeiten politischer Hochspannung so wenig wie möglich an dieser Verfassung zu ändern. Und das sage ich nicht als Parteimann. Sie (zur Linken) kennen mich dafür, daß ich kein sogenannter Parteihengst bin. (Zuruf des Abg. Dittmann: Sie sind eine Ausnahme Ihrer Partei, gegen Sie ist das Gesetz nicht geschaffen.) Wenn in politisch so erre ten Zeiten unausgesetzt an der Verfassung herumgedoktert wird, so stärkt das nicht das Ansehen dieser Verfassung. Die einseitige politische Tendenz, die aus den Worten des Reichsjustizministers hier im Hause zu entnehmen war, setzt sich nun weiter fort. Die Presse der Parteien der Linken und die Arbeiterorganisationen verlangen die Säuberung der Beamten⸗ schaft und verlangen, daß alle Beamte entlassen werden, die nicht unbedingte Anhänger der Republik sind. Von der Beamtenschaft aber droht der Republik schlechterdings keine Gefahr. (Zurufe links: Na, na!) Nur der Pflichttreue der Beamten war es zu danken, daß die Revolution im wesentlichen in ruhigen Bahnen verlaufen ist. (Lachen links.) Nur der Pflichttreue der Beamten ist es zu danken, daß der Staatskarren seit der Revolution so sicher zuund ohne Radbruch gefahren ist. (Allgemeine Heiterkeit.) Der Kapp⸗Putsch ist im wesentlichen an der Pflichttreue der Beamten⸗ schaft gescheitert. Gleichwohl hat die politische Bevormundung, die Gesinnungsschnüffelei und die Knebelung der freien Ueberzeugung gerade in letzter Zeit in erschreckender Weise zugenommen. Ueberall sucht die parteipolitische Agitation die Situation auszuschlachten. Obwohl die Verfassung den Beamten die Freiheit der politischen Gesinnung und die Vereinigungsfreiheit gewährleistet, hat Ober⸗ präsident Hörsing vor einigen Tagen einen Erlaß herausgegeben, wonach die Beamten und Lehrer allen Versammlungen und Kundgebungen, die eine staatsfeindliche Tendenz haben oder bei denen eine derartige Tendenz zu befürchten ist, fern⸗ zubleiben haben. Die Beamten werden darin angehalten, Ver⸗ anstaltungen sofort zu verlassen, wenn in ihnen eine staatsfeindliche Tendenz vertreten wird. Es ist mit der Ehre eines Beamten nicht vereinbar, Zeitungen und Zeitschriften zu halten, die im Sinne der Verordnung des Reichspräsidenten die jetzige Staats⸗ form verächtlich machen, beschimpfen oder verleumden. (Zuruf links: Sehr gut! Zwischenrufe rechts.) Jede Bemerkung gegen die bestehende Staatsordnung oder gegen die Führer der Republik oder die Mitglieder einer Landesregierung sowie antisemitische Be⸗ merkungen werden in dem Erlaß während des Unterrichts und in allen Jeban verboten. (Zuruf rechts: Das ist die Freiheit!) Ich bin kein Antisemit, ich verwerfe jeden Naene. Massen⸗ und Rassenhaß. Sie (zur Linken) haben alle diese Teufels⸗ werke auf das deutsche Volk jetzt losgelassen. Wie soll ein Jugend⸗ erzieher seine Aufgaben erfüllen, wenn auch die Schule in poli⸗ tische Treibereien hineingerissen wird. (Zuruf links: Das soll eben nicht geschehen!) Das Gesetz, das so tief in die individuelle Freiheit einschneidende Bestimmungen enthält, wird uns ohne jede Begründung vorgelegt, das ist ohne Beispiel. (Zuruf links: Es ist durch den Mord an Rathenau begründet. Zuruf des Abg. Dittmann: Die Begründung ist mit Blut geschrieben!) Für die Unterlassung der Anzeige von dem Bestehen solcher Vereinigungen, die nach dem Gesetz verboten sind, oder der Zugehörigkeit zu solchen Vereinigungen sind schwere Strafen vorgesehen. Eine Ausnahme ist nur für den katholischen Geistlichen gemacht. Keine Ausnahme ist aber vorgesehen für die Mutter, die Frau oder die nächsten Angehörigen. Das muß zu seelischen Konflikten führen, wie sie grausamer nicht gedacht werden können. Ich behaupte, daß derartig rausame Bestimmungen in keinem geltenden Kriminalkodex der LGelt zu finden sind. Sie gehen auf die Zeit schwärzester Reaktion zurück. Ich kann mir nicht denken, daß auch nur eine Partei des Hauses bereit sein wird, die Verantwortung für solche Be⸗ stimmungen zu übernehmen. Durch Gesetzesparagraphen, durch Strafbestimmungen allein kann die Verfassung der Republik nicht geschützt werden, auch nicht durch Streiks und Ausnahmegesetze. Ich erinnere daran, wie Bebel seinerzeit die Ausnahmegesetze be⸗ kämpft hat. Alles, was Bebel im September 1878 anläßlich des Kaiserattentats hier im Reichstag für seine Partei gesagt hat, können wir heute für uns anführen. (Stürmische Zwischenrufe links. Unruhe. Glocke des Präsidenten.) Die Republik muß moralische Eroberungen machen durch innen⸗ und außenpolitische Erfolge. Außenpolitische Erfolge wird die Regierung — daraus mache ich ihr keinen Vorwurf — in absehbarer Zeit nicht erzielen können. Die wahnwitzigen Verbrechen der letzten Zeit sind letzten Endes zurückzuführen auf den unmenschlichen Druck, unter dem das deutsche Volk nach dem Versailler Diktat leben muß. (Sehr richtig! rechts.) Das hat auch der Reichskanzler gesagt. Ob er mit seinem Appell bei denen, an die er gerichtet war, Erfolg haben wird, ist eine andere Frage. Aber innenpolitisch könnte die Regierung immerhin moralische Eroberungen machen, wenn sie an die staatsbürgerliche Gesinnung des deutschen Volkes appelliert. Glauben Sie zur Linken), die uns Deutschen so notwendige staats⸗ bürgerliche Hesinnung dadurch zu fördern, daß sie in dem leiden⸗ schaftlichen Parteikampf einem Volksteile den Mund verbieten wollen? Seit dem Verbrechen an dem Minister Rathenau sind die
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Deutschnationalen nahezu vogelfrei. Jede Verleumdung gegen sie wird zugelassen, sogar im Parlament. Ich erinnere dabei an die Vorgänge am 26. Juni und an die Rede des Abg. Crispien. Glauben Sie (zur Linken), die staatsbürgerliche Gesinnung z fördern, indem sie einen großen Teil des deutschen Volkes preis geben? Und wie soll es denn während der Wahlzeit werden Soll auch dann diese politische Bevormundung gelten, sollen wi uns die Beschimpfung unserer Ideale gefallen lassen, sollen wi in der Gefahr schweben, daß jeden Augenblick das Damoklesschwer einer Bestrafung auf uns niedersaust. In einem radikalen Bla wird geschrieben, daß, wenn ein Dentschnationaler den Mund a tue, er niedergeknüppelt werden müsse. Zahllos sind die mir zu⸗ gegangenen Mitteilungen aus dem Lande über Beschimpfungen, Gewaltmaßnahmen und Sachbeschädigungen gegen Mitgliede unserer Partei. Dieses Gesetz ist ab irato, in Zorn und Aufregun geschaffen. (Sehr wahr!) Es ist ein Dokument einseitigste Parteiterrors. (Ruf links: Pistole!) Das Verbrechen, das wi genau ebenso verurteilen und verabscheuen wie andere (stürmisch Unterbrechungen und Zwischenrufe links: Ihre Parteigenossen! Wulle!) —, dieses Verbrechen wird parteipolitisch ausgeschlachte und dient nicht zum Schutze der Republik, sondern zur Nieder zwingung der verhaßten Deutschnationalen Partei. (Sehr wahr rechts. Zwischenrufe links.) Das Gesetz wird Gefahren entstehe lassen, und gerade bei Ihnen auf der Linken finde ich Verständni für meine Auffassung, denn allzu scharf gespannt. zerspringt de Bazen. Das wissen Sie gut. (Zwischenruf links.) Alle, die mit mi auf dem Boden der Verfassung stehen (Lachen links) — wi jemand daran zweifeln? — (Rufe links: Sie! Sie!) — alle, die 8 mit mir auf dem Boden der Verfassung stehen, bitte ich, im Inter⸗ esse des inneren Friedens und im Interesse der politischen Ent wicklung das Gesetz in dieser Form abzulehnen. (Beifall rechts.)
Abg. Dr. Rosen feld (Unabh. Soz.): Jetzt ist die Schicksals⸗ frage gestellt: Monarchie oder Republik⸗ Ich zweifle nicht daran das deutsche Volk wird sich für die Republik entscheiden. Di heutige kapitalistische Republik ist gewiß nicht unser Ideal eine
Staatsform, aber das deutsche Proletariat ist unter dieser immer
noch besser aufgehoben, als unter der Monarchie. Der 2 Rathenaus, wie alle Attentate auf die Republik ist auf das Konto der Monarchisten zu schreiben. Der organisierte Mord, organisier durch die Parteien der Rechten, ist ein Mittel, die Republik und ihre Vertreter zu bekämpfen, das Ziel ist, die Republik unschäd⸗ lich zu machen. Endlos ist die Zahl der Morde seit Errichtun der Republik. Das ganze Volk ist dadurch aufgerufen zum Kamp gegen die reaktionären Parteien. Seit der Ermordung Erzbergers arbeiten die Mörderzentralen der Monarchisten noch intensiver Wohlorganisierte und finanzierte Geheimbünde stellen die Mörder banden. Herr Düringer sollte sich einmal die Artikel des Majors a. D. Henning über die Ermordung Rathenaus in den deutschnationalen Monatsschriften ansehen. Diese Artikel zeigen daß die Mörderbanden zu den Deutschnationalen gehören. Ueberall treibt die Konterrevolution Propaganda, namentlich an Univer⸗ sitäten; ich erinnere an die Vorgänge in München, wo der Universitätsrektor und Kronprinz Rupprecht in den Festzügen mitmarschierten. „Hoffentlich wird er nicht mehr lebendig!“ So hieß es nach der Ermordung Rathenaus. Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die Monarchisten haben im Reichstag keine Mehrheit gefunden. Jetzt be findet sich die deutsche Republik in der Notwehr.
Mord an Rathenau hat das Vertrauen des Auslandes
die deutsche Republik erschüttert, der Dollar ist ungeheuer gestiegen. Wir stehen auf dem Boden der weitergehenden Forderungen der
Gewerkschaften und der sozialistischen Parteien. Unerträglich ist der Gedanke, daß die monarchistischen Verbrecher frei umher laufen, während Arbeiter wegen politischer Vergehen im Ge⸗ fängnis sitzen. Die Behandlung des Herrn v. Jagow zeigt, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Amnestie für die Arbeiter, auch für die Urheber des Eisenbahner⸗ streiks. Der Gesetzentwurf stimmungen, aber es ist zu befürchten, daß diese Bestimmungen auch gegen links angewendet werden können. Wir haben zu traurige Erfahrungen mit der deutschen Klassenjustiz gemacht, als daß wir zu ihr Vertrauen haben können. Bei der Stellungnahme des Reichsgerichts gegen Arbeiter haben wir das schärfste Miß⸗ trauen gegen die Errichtung des Staatsgerichtshofes am Reichs⸗ gericht in Leipzig. Wir verlangen, daß nur ein Mitglied des Staatsgerichtshofs ein Jurist ist, die anderen Laien sind. Ebenso mißtrauisch sind wir dagegen, daß die Reichsanwaltschaft die Anklagebehörde sein soll. Die Landesbehörden sollen über Zeitungsverbote entscheiden; wenn Bayern nicht will, wird nichts daraus, oder es geht kostbare Zeit verloren. Die bayerische Landeshoheit darf nicht vorgehen, wo das Interesse der Republik in Frage kommt. Wenn der Gesetzentwurf nicht grundlegend ge⸗ ändert wird, können wir ihm nicht zustimmen. Die Reinigung der Beamtenschaft von den konterrevolutionären Elementen verweist man auf das Beamtengesetz. Damit schaffen wir aber keine völlige Republikanisierung der Beamten. Die Reichswehr ist weit davon entfernt, ein zuverlässiges Instrument der Republik zu sein. In Magdeburg ist ein Reichswehrsoldat, der über den Mord an Rathenau seinen Abscheu aussprach, mit drei Tagen Arrest bestraft worden. So etwas duldet der Reichswehrminister Geßler in seinem Ressort, und er wird noch dazu von seinen Parteigenossen verteidigt! Wir verlangen einen republikanischen Reichswehr⸗ minister, der auch aus der Reichswehr ein Instrument der Republik macht. Ein wenig besser als sie ist die Schutzpolizei, aber auch gegen sie besteht begründeter Argwohn, der erst im Laufe der Zeit und nur nach gründlicher Reform verschwinden wird. Der Entwurf stellt bloß die Beschimpfung der Landesfarben unter Strafe. Es muß auch endlich ein Verbot der monarchistischen Farben und Fahnen, namentlich der provozierenden schwarz⸗weiß⸗ roten Mörderfahne erlassen werden. (Zuruf rechts.) Die rote Fahne steht nicht im Widerspruch mit der Fahne der deutschen Republik, sie zeigt nur, daß wir auch die soziale Republik fordern. Aus allen öffentlichen Gebäuden, auch aus dem Reichstag, müssen endlich alle monarchistischen Embleme verschwinden. Im Aus⸗ schuß wird dafür zu sorgen sein, daß die ganz unzureichende Vor⸗ lage zu einer brauchbaren Waffe umgestaltet wird. Erfreulicher⸗ weise hat auch der Ernst des Augenblicks bei Zentrum und Demokraten Verständnis gefunden, aber nur kopfschüttelnd kann man die Stellungnahme der „Frankfurter Zeitung“ betrachten und der Deutsche Gewerkschaftsbund des Herrn Stegerwald hat die gestrige Demonstration als einen sinnlosen Mißbrauch bezeichnet. Wenn Herr Düringer uns heute auf das Sozialistengesetz von 1878 verweist, so hatte der Attentäter Hödel und der Dr. Nobiling mit der Sozialdemokratie absolut nichts zu tun, beide sind ihr nur an die Rockschöße gehängt worden. Die Vorlage richtet sich gegen die Mörder Rathenaus und ihre Anstifter, nicht gegen geistige und politische Bewegungen. (Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)
Vizepräsident Dr. Bell rügt den von dem Vorredner e. brauchten Ausdruck „deutschnationale Mörderpartei“ als parla⸗ mentarisch unzulässig.
Abg. Dr. Stresemann (D. Vp.): Wir treten an den Gesetzentwurf heran mit der grundsätzlichen Bereitschaft, an ihm mitzuarbeiten und ihm, wenn möglich, zur Verabschiedung zu
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Wir verlangen weitestgehende
gibt immerhin strafrechtliche Be⸗
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