1922 / 154 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 Jul 1922 18:00:01 GMT) scan diff

muß doch befremden, daß ein Mann wie Adler wieder Parteiführer geworden ist. Hier hätte die Partei politische Zurückhaltung fordern müssen. Im Falle Dato 8 der Mörder zwar an Spanien ausgeliefert worden, ahber der Reichsjustizminister hat im Auftrage der Regierung das Ersuchen an die spanische Regierung gerichtet, die Todesstrafe, falls sie in Svanien besteht, nicht zu vollstrecken, weil es sich um einen politischen Mord handelt. (Hört! 5 rechts.) Politische Attentate müssen bekämpft und bestraft werden, gleichviel ob sie aus edlen oder unedlen Motiven hervorgegangen sein mögen. (Lebhafte e links.) Die Organisation C von der ich erst nach dem orde an Erzberger gehört habe, ist. Offenburger Untersuchungsrichter inhibiert worden. (Lebhafter Wider⸗ spruch bei der äußersten Linken.) Wir hätten ein ganz kurzes Gesetz machen können, wonach bei Verhängung des Belagerungszustandes durch den Reichspräsidenten mit dem Tode bestraft wird, wer das und das tut. Wenn z. B. das Wolffbüro bekannt gemacht hätte: „Der Minister Rathenau ist ermordet, der Reichspräsident hat den großen Belagerungszustand verhängt“, so hätte das die Bevölkerung voll⸗ kommen beruhigt. Dann hätten wir in ruhigeren Zeiten ein um⸗ fassendes Gesetz machen können. Dann hätte das Reich alles gehabt, was es brauchte, und auch Bavpern wäre befriedigt gewesen. Hier aber wird den Einzelstaaten der letzte Rest der Selbständigkeit genommen. (Zwischenrufe links.) Die Erhardt⸗Brigade ist augelsst und in

vern mit Notstandsarbeiten beschäftigt worden. (Lachen und Lärm

links; Rufe links: Die ganze Rede ist aufreizend. Abg. Mittwoch

n. Soz.): Verherrlichung der Mörder!), Das Gesetz muß durch unsere Anträge erst zu einem brauchbaren Werk gemacht werden. Justitia fundamentum regnerum; ohne muß die Welt zugrunde gehen. (Beifall rechts. Präsident Löbe ruft den Abgeordneten

Mittwoch wegen seines ungehörigen Zurufs zur Ordnung.)

Reichskanzler Dr. Wirth: Meine Damen und Herren! Der Herr Abg. Emminger hat in seiner im allgemeinen gern und ruhig angehörten Rede und Auffassung der Lage die Forderung erhoben, daß das Gesetz, um den Herren Zeit zur Erwägung zu geben, in dritter Lesung erst am Freitag verabschiedet werden soll. Die Ent⸗ scheidung darüber hat das hohe Haus zu fällen. Aber, Herr Abg. Emminger, Sie haben wohl die Rede des Herrn Abg. Wissell heute mittag nicht gehört? Ich habe sie persönlich auch nicht gehört, sondern habe mir nur darüber Bericht erstatten lassen, daß der Herr Abg. Wissell verlangt hat, daß dieses Gesetz in dritter Lesung nach Auffassung der Mehrheitssozijaldemokraten erst dann verab⸗ schiedet werden könne, wenn die übrigen Gesetze, die Sie ja auch erwähnt haben, ebenfalls zur politischen dritten Entscheidung herangereift sind. Es ist also das, was der Herr Abg. Emminger als eine bedeutsame Sache dargestellt hat, bereits durch eine Forde⸗ rung der Linken wohl verwirklicht. Ich hätte mich indes nicht zum Wort gemeldet. Allein, Herr Abg. Emminger, wenn jemand eine Begründung gegeben hat, dieses Gesetz rasch zu verabschieden, so behaupte ich, daß Sie es waren! (Sehr richtig! links.) Ich will auf einen verhängnisvollen Satz nicht verhängnisvoll für Sie, fondern für uns alle hinweisen, den der Herr Abg. Emminger soeben ausgesprochen hat. Er besprach den Fall des Grafen Arco und die Ermordung Eisners. Ich will es mir versagen, irgendein Wort über Arco im Sinne eines Werturteils zu sprechen. Ich kann aber doch mit einer gewissen Betrübnis nicht verschweigen, daß auch in Bayern, und zwar von einem Herrn, von denen man das nicht für möglich halten sollte, Verherrlichungen dieses Mordes (Sehr wahr! links) denn es bleibt ein Mord gegeben worden sind, die ich als Christ nur aufs tiefste bedauern kann, und zwar von einem Herrn, der vermöge seines Amtes es sich doppelt über⸗ legen sollte, irgendeinen politischen Mord überhaupt zu verherr⸗ lichen. (Sehr richtig! links.) Das ist eine Tatsache. b

Nun hat im Anschluß daran der Herr Abg. Emminger in bezug auf Arco den Satz ausgesprochen, den ich vorhin als verhängnisvoll bezeichnet habe: Diese Fälle unter Hinweis auf Arco werden Sie öfters vor dem Staatsgerichtshof haben. (Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Wenn Sie damit sagen wollten, daß wir in absehbarer Zeit mit einer Häufung politischer Morde zu rechnen haben (Zurufe rechts und bei der Bayerischen Volks⸗ partei.) Glauben Sie denn, daß ich dem Herrn Abg. Emminger einen Vorwurf machen will? Wir sind uns alle darüber klar, auf allen Seiten des Hauses, daß die Aera der politischen Morde das Ende unseres Vaterlandes bedeutet. (Sehr richtig!) Haben Sie deshalb nur Geduld, was ich sagen wollte! Dieser Satz hat mich veranlaßt, das Wort zu ergreifen. (Zuruf rechts: Si tacuisses!) Es wäre besser gewesen, Sie hätten diesen Zwischenruf nicht ge⸗ macht. Vielleicht haben Sie zu lange geschwiegen, um zur Ent⸗ giftung der politischen Atmosphäre beizutragen. (Sehr richtig! links.) Ueberlegen Sie sich Ihre Zwischenrufe, genau wie auch ich es mir überlege, welche Worte über meine Lippen schlüpfen. Es können Zeiten politischer Erregung kommen, wo ich will Ihnen ein Beispiel geben es Pflicht aller Staatsbürger ist, unbeschadet ihrer politischen Ueberlegung sich hinter die Regierung zu stellen. Es hat sogar Zeiten gegeben und sie liegen erst wenige Jahre zurück —, wo es Leute gegeben hat, die heute auf der rechten Seite des Hauses ihre Vertretung haben, die ihre

Mitbürger beschworen haben, sogar einer nicht verfassungsmäßigen Regierung zu dienen. (Hört, hört! links.) Gewiß ist es leider anders geworden. Ich habe in der Reichskanzlei aus den Tagen der Revolution vom 9. November einen interessanten Brief ent⸗ deckt, der uns zeigt, wie in den Zeiten der Not (Zuruf bei den Kommunisten: Und der Angst!) auch der Angst auch Leute sich hinter eine Regierung stellen, die überhaupt Leben und Eigen⸗ tum der Staatsbürger garantiert. In einem solchen Moment der Angst treten Bedenken, ob die Regierung eine verfassungsmäßige Autorität ist, vollkommen zurück. (Sehr richtig! links.) Dieser Brief hat folgenden Wortlaut:

Berlin⸗Schöneberg, Vorbergstraße 4, den 13. November 1918. Seiner Exzellenz dem Herrn Reichskanzler Ebert.

Euer Exzellenz bittet der unterzeichnete Bund der Kaiser⸗ treuen davon Kenntnis nehmen zu wollen, daß er an seine Mit⸗ glieder ein Rundschreiben folgenden Inhalts zu richten be⸗

absichtigt: Mitt bewundernswerter Ruhe und Ordnung hat sich, ab⸗ gesehen von einigen unter solchen Verhältnissen leider unver⸗ meidlichen Zwischenfällen, in Berlin der Umschwung vollzogen chört, hört! links),

er an die Abdankung Seiner Majestät des Kaisers knüpfte. Der

rbeiter⸗ und Soldatenrat führt in Gemeinschaft mit den Offi⸗ zieren die militärischen Angelegenheiten weiter. Er bestimmt, daß jeder, der von der sofort ins Leben getretenen Bürgerwehr

ei dem Versuch des Plünderns betroffen wird, sofort erschossen erde. Alle Lebensmittelmagazine sind mit starken Wachen besetzt. Unsere Pflicht ist jetzt, diejenigen zu unterstützen, die für

ist in Bayern sofort 898 den

Vor mir liegen Zeitungen aus Bayern Herr Abgeordneter

sondern auch allenthalben im Lande, wo sich Arbeiter⸗ und Soldatenräte gebildet haben und noch bilden werden. (Hört, hört! links.) G Die Unterstützung der gegenwärtigen Regierung ist um so notwendiger, als die Bolschewisten alles daransetzen werden, die Herrschaft an sich zu reißen. Wer vermeiden will, daß auch bei uns Zustände russischer Schreckensherrschaft eintreten, daß bolschewistische Banden mordend, sengend und plündernd das Land durchziehen, der muß mit aller Kraft der gegenwärtigen Regierung helfen, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, wo es auch sei. Widerstand gegen die jetzigen Machthaber ist un⸗ verzeihliche Torheit. Nur auf der Grundlage der Ruhe und Ordnung kann der Wiederaufbau unseres Vaterlandes sich voll⸗ ziehen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, heben wir ausdrücklich hervor, daß wir nach wie vor unverrückbar an unserer Ueber⸗ zeugung festhalten, die dahingeht, daß nur die monarchische Staatsform eine gedeihliche Entwicklung Deutschlands verbürgt. In diesem Sinne werden wir bei den Wahlen zur Vertretung des Deutschen Reiches, welche die Verfassung desselben bestimmen soll, tätig sein. Also hier ist schon die Nationalversammlung angedeutet. Sollten Eure Exzellenz wünschen, eingehender über den Bund der Kaisertreuen unterrichtet zu werden oder vielleicht auch einer weiteren Verbreitung des Inhalts obigen Rundschreibens den Weg ebnen wollen, so ist der Unterzeichnete jederzeit gern be⸗ reit, zu diesem Zwecke Eurer Exzellenz seinen Besuch zu machen. Mit vorzüglicher Hochachtung, Bund der Kaisertreuen, der Hauptgeschäftsführer A. v. Schlieben. (Zuruf rechts: Was soll das heißen?) Ich habe festgestellt, daß dieser Brief echt ist. Sie fragen: Was foll das heißen? Ich gebe Ihnen gern auf diese Frage eine Antwort. Der Sinn ist zunächst, daß es vielleicht doch nicht unerwünscht ist, zu hören, daß am 13. November von Ihrer (nach rechts) Seite bereits die Auf⸗ forderung hinausgegangen ist, den Revolutionsmännern Gehorsam zu leisten, auch da, wo die Soldaten⸗ und Arbeiterräte sich noch nicht gebildet haben. Das zeigt die vollkommene Kapitulation des alten Systems aus den Angstzuständen. (Sehr richtig! links.) Aber, mein Damen und Herren, was will ich damit zeigen? Damit will ich zeigen, daß es im Leben eines Volkes, insbesondere im Leben des deutschen Volkes, Augenblicke geben kann, wo sich alle hinter die Autorität stellen müssen, die Ruhe, Eigentum und Leben der Bewohner schützen will. Ich frage Sie ich habe Gelegenheit gehabt, mit einer großen Anzahl von Herren dieses Hauses in den letzten Tagen ein politisches Gespräch zu führen —: Haben Sie nicht alle anläßlich der Ermordung Rathenaus und des Versuchs der Ermordung eines Politikers und Kritikers und der Vorgänge des letzten Jahres gefühlt, daß das System der politi⸗ schen Morde in Deutschland das Leben in einem geordneten Staat zu einer absoluten Unmöglichkeit macht? (Zustimmung rechts.) Gut, Sie bestätigen das. Also der Staat selbst ist in Gefahr. Wenn solche Befürchtungen geäußert worden sind ich sage mit Absicht: Befürchtungen —, wie sie vorhin von dem Herrn Ab⸗ geordneten Emminger im Anschluß an den Arco geäußert worden sind, dann ist es Zeit, daß man ein solches Gesetz auf möglichst breiter Grundlage parlamentarischer Art, aber alsbald verabschiedet. (Sehr richtig! links.) Wovor müssen Sie sich hüten, meine Damen und Herren? Davor, daß man mit einem solchen Gesetz zu spät kommt. (Sehr wahr! links.) Herr Abgeordneter Emminger, es hat Regierungen in Deutschland gegeben, die vor elementaren Aus⸗ brüchen des Volkes, auch wenn sie von „fremdländischen Elementen“ geführt worden sind (sehr gut! links), sich nicht übereilt haben, sondern zu spät gekommen sind. Lesen Sie die Geschichte des 9. November nach. Gerade in Ihrer Heimatstadt München! Da sehen Sie eine Regierung, die die Augen verschlossen hatte, und dann war es allerdings zu spät. (Lebhafte Zustimmung links.) Dieser Vorwurf könnte uns auch aufs neue treffen. Sehen Sie denn nicht, daß in Gebieten Deutschlands, in denen die Revolutions⸗ bewegung am 9. November und später kaum irgendwelchen Ein⸗ druck hinterlassen hat ich erinnere an Darmstadt, ich erinnere an meine badische Heimat —, gerade jetzt eine ganz elementare Bewegung durch die unteren Schichten des Volkes von einer Leidenschaft hindurchgegangen ist, die stark an den 9. November erinnert. (Lebhafte Zustimmung links. Zuruf rechts: Auf⸗ gehetzt!) Sie sagen „aufgehetzt“. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links: Durch die Rechte!) Und wenn Sie auch noch einmal „sehr richtig“ rufen, die Aufhetzung war gar nicht not⸗ wendig in dem Sinne, wie Sie es meinen (Zustimmung links), sondern der Glaube hat in einigen Schichten des Volkes leider Ein⸗ gang gefunden, daß es der Regierung und den führenden politischen Parteien nicht ernst sei. (Lebhafte Zustimmung und Zurufe links: Das Maß ist voll!) Sonst hätte es nicht zu derartigen Vor⸗ kommnissen kommen können, wie sie leider in Darmstadt und anderswo zu verzeichnen gewesen sind. Glauben Sie vielleicht, daß diese Vorkommnisse, bei denen Gewalt angewendet worden ist, irgendwie unsere Billigung finden könnten? (Zuruf rechts: Vor⸗ beugen!) Vorbeugen! Sehr richtig! Vorbeugen aber heißt, sofort die gesetzliche Grundlage schaffen (sehr richtig! links), um die Quellen der Vergiftung zu stopfen, die tatsächlich vorhanden sind. (Sehr wahrl links.) Ich sagte vorhin: es wird doch niemandem einfallen, zu glauben, daß wir diese Vorkommnisse billigen. Ich gehe einen Schritt weiter. Die deutsche Republik ist nicht lebensfähig, wenn durch Gewalt von irgendeiner Seite, durch eine ungeordnete Ge⸗ walt diese Republik geschützt werden muß. (Sehr wahr! in der Mitte.) Deshalb ist es für uns eine absolute Notwendigkeit, dies Gesetz alsbald zur Verabschiedung zu bringen. 1 Ler Herr Abgeordnete Emminger hat in seiner Kritik, auf die im einzelnen der Herr Reichsjustizminister antworten wird, zweifel⸗ los Uebertreibungen ganz heilloser Art eingeflochten. Wie können Sie den Staatsgerichtshof als „Revolutionstribunal“ hinstellen.

Emminger, ich glaube, Sie haben diesen Ausdruck wohl aus Bayern importiert —, die in ebenso scharfer Form den Staats⸗ gerichtshof verurteilen. Ist denn der Staatsgerichtshof an sich etwas Neues? Haben wir nicht auch in anderen Dingen, sogar in ganz harmlosen Dingen ich erinnere Sie an die Frage der Einstufung der Beamten in den Gehaltstarif nicht auch Staats⸗

gerichtshöfe eingerichtet? Es geht also nicht an, daß man all⸗ gemein den Staatsgerichtshof als ein Revolutionstribunal schlecht⸗ hin bezeichnet. (Zurufe rechts: Die Zusammensetzung!)

Aber das, was der Herr Abgeordnete Emminger in Einzel⸗ heiten übertrieben hier als Kritik vorgebracht hat, klingt uns natürlich aus der bayerischen Presse nun in bajuwarischer Grob⸗ heit in einer Form entgegen, die auch für uns unerträglich ist. Herr Abgeordneter Emminger, in dem angesehensten Organ der Bayerischen Volkspartei wird jetzt wieder eine Verschärfung des Kampfes gegen Berlin proklamiert. (Hört, hört! links.) Sie führten aus: von diesem Gesetz her kann eine folgenschwere ge⸗ schichtliche Entwicklung angehen. (Hört, hört! links.) Herr Ab⸗

Satz nicht erwartet! Wer immer den Teufel an die Wand malt (sehr richtig! rechts), wer gerade in Bayern den Teufel an die Wand malt, wer immer mit geschichtlichen Veränderungen droht und Sie haben das auch getan, Herr Abgeordneter —, der ver⸗ sündigt sich am Reiche. (Sehr wahr! links.) Haben denn andere Länder nicht auch Opfer bringen müssen? Haben sie nicht nach der großen Katastrophe in der Frage der Vereinheitlichung Opfer bringen müssen, die ihnen auch schmerzlich gewesen sind? Ich habe selbst als Abgeordneter zur Nationalversammlung und als badischer Finanzminister seinerzeit derartige kritische Bemerkungen in Weimar gemacht. Aber niemand sonst in Deutschland, keinem anderen Vertreter von links bis rechts ist es deshalb eingefallen, in einer so bitteren Stunde mit „folgenschweren geschichtlichen Entwicklungen“ zu drohen. Das wird auf die Dauer ein un⸗ erträglicher Gedanke (lebhafte Zustimmung links), daß bei jeder Gelegenheit im Reich oder anderswo, wenn wir zu Differenzen mit den Ländern kommen, der Gedanke der Reichseinheit über⸗ haupt zur Diskussion gestellt wird. (Sehr gut! links.) Das ist doch geradezu ein Anreiz für böswillige Gegner, immer wieder da den Hebel anzusetzen, wo wir eben nun verwundbar sind. (Wiederholte lebhafte Zustimmung links.) 8

Wenn ich nur einen Augenblick den „Regensburger Anzeiger“

in die Hand nehme mit einem Artikel, der an Häufungen der Uebertreibung seinesgleichen sucht, so finde ich auch die von Ihnen (zum Abgeordneten Emminger gewandt) gebrauchte Stelle vom darin. Dort wird dann unter anderem gesagt:

Der Bayer, der die Hand bietet zur Vertreibung seines an⸗

gestammten Herrscherhauses vom heimatlichen Boden, der muß

erst noch geboren werden. (Lachen links.) Der Artikel ist besonders an meine Adresse gerichtet. Wo steht gegenüber solchen Uebertreibungen irgend etwas derartiges in dem Gesetz, daß wir das Herrscherhaus aus Bayern vertreiben wollen? (Zuruf von den Komm.: Leider nicht!) Dann wird natürlich betont, daß wir, insbesondere die Re⸗ gierung Wirth, gegen die bayerische Regierung gehetzt hätten. Meine Damen und Herren, ich bin, als ich aus Baden hierher⸗ gekommen bin, auf diesem Platz kein anderer geworden, als ich früher war. Ich verstehe, daß das Gefühl der Selbständigkeit eines Landes historvisch bedeutsam ist, was man würdigen muß, und alle jene Gleichmacherei, die über die bunte Mannigfaltigkeit

die Schiefertafel, ist selbstverständlich sinnlos. Aber wenn uns nun in jedem Atemzuge gesagt wird: die Reichsmüdigkeit in Bayern wächst ins Ungemessene, wenn weiter gesagt wird, da jetzt der Augenblick gekommen ist ich will es wörtlich ver⸗ lesen —: Bayern ruft der Republik zu: nämlich der Reichs⸗ republik bis hierher und nicht weiter!, wenn man sieht, wie das bayerische Volk dauernd vor die Frage geführt wird: willst du am Reich festhalten oder nicht?, dann, meine Damen und Herren, müffen Sie sich auch nicht wundern, wenn Gegenfragen in ähn⸗ lichem Sinne gestellt werden können. (Sehr wahrl links.)

Ich will auch nicht den Gegensatz verschweigen, der aus diesen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Emminger herortrat wie aus dem Rufe aus Regensburg, wohl instruiert von dortigen führenden Persönlichkeiten. (Sehr richtig! und Zurufe links.) Es wird hier vermerkt:

Das Bürgertum in Bayern

satzlosen Sozialdemokratie

(Lachen links) i“ politisch keine Geschäfte zu machen sind, nie und nimmer. Der Traum einer Erweiterung der Regierungskoalition in Bayern nach links muß nunmehr auch bei den Parteien ausgeträumt sein, die bisher mit ihm geliebäugelt haben.

Das ist der tiefste Gegensatz, der sich zwischen Bayern und dem Reich auftut. Es ist gar nicht der Gegensatz, als ob der Norden nun die bayerischen Stammeseigentümlichkeiten vernichten wollte, es ist die große Frage, die sich erhebt: kann überhaupt in Deutsch⸗ land und kann in Bayern auf die Dauer gegen eine Klasse unserer Bevölkerung regiert werden, ohne sie zur politischen Verantwortung zu ziehen? (Sehr richtig links. Zurufe rechts.) Dieser Gegensatz, der hier herausgearbeitet ist, der in Bayern zu einer Vertiefung der Gegensätze geführt hat, die unausbleiblich für das Reich Schwierigkeiten bringen muß, dieser Gegensatz besteht in Wirklich⸗ keit gar nicht. Es ist unmöglich, auf die Dauer Reichspolitik zu führen, wenn schon hier die Zusammenarbeit mit der Sozialdemo⸗ kratie uns im Süden als eine Reichsfünde angerechnet wird. Diese Betrachtungen lehnen wir absolut ab! Wir sind uns klar, daß das Werk der Rettung Deutschlands nicht das Werk einer Klasse sein kann, nicht das Werk der Arbeiterklasse allein; es ist die Zusammen⸗ arbeit aller Schichten unseres Volkes notwendig. (Zustimmung im Zentrum. Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.) Dieses Werk zu beginnen und wir haben es begonnen und glücklich weiterzuführen (Zuruf von den Deutschnationalen: Aber der Feind steht rechts!) ja, wenn diese Zusammenarbeit in frivoler Weise gestört wird, wenn, wie ich im Auswärtigen Ausschuß Gelegenheit gehabt habe, Ihnen zu zeigen, in den „Konservativen Monats⸗ heften“ ich kann es herausziehen, wenn es Ihnen beliebt wegen des Rapallo⸗Vertrages der Minister Dr. Rathenau in der unerhörtesten Weise als ehrlos beschimpft wird, wo gesagt wird daß in den Händen dieses Mannes, der Jude ist, die deutsche Ehre zerrinnt (entrüstete Zurufe im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und links), wenn das Männer schreiben, die noch in Ihren (zu den Deutschnationalen) Kreisen sitzen (sehr wahr! bei den Sozialdemokraten) und die abzuschütteln Sie den Mut nicht

gehabt haben (lebhafte Zustimmung im Zentrum, bei den Deutschen

geordneter Emminger, gerade von Ihrer Seite hätte ich diesen Gruppen und Schichten unseres Volkes, die zum Rettungswerk be⸗ Sozialdemokraten.) Sie haben ja deutlich gesehen (Zuruf von den Deutschnationalen) ich weiß nicht, was Sie von mir sagen: Sie werden mich nächstens 2 (Erneuter Zuruf von den Deutsch⸗ nationalen: Abschütteln!) Daß ich von Ihnen abgeschüttelt werde, das nimmt mich nicht wunder. geschüttelt werde, das überlassen Sie, bitte, meiner Fraktion! (Leb⸗ hafte Zustimmung im Zentrum.) Ich bin überzeugt, wenn ich gegen einen Mitmenschen und auch, wenn es ein Jude ist einen so frivolen Satz geschrieben hätte wie einer Ihrer Kollegen, e, könnte keinen Tag mehr in meiner Fraktion bleiben. (Stůür⸗ mische Zustimmung im Zentrum und Beifall bei den Deutschen Demokraten und den Sozialdemokraten.) Sie (zu den Deutsch⸗ nationalen) haben trotz der Beschwörungen von allen Seiten diesen

ctmosphäre in Deutschland begünstigt und hervorgerufen haben.

hinweggehen will wie ein Schüler mit seinem Schwamm über

1.“ Zweite Beilage 1 en Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Sonnabend, den 15. Fuli

1922

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Demokraten und links), dann ist diese Zusammenarbeit aller großen

rufen sind, eine politische Unmöglichkeit. (Sehr wahr! bei den

Ob ich von meiner Partei ab⸗

Strich noch nicht gezogen gegen diejenigen, die die politische Mord⸗

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Ich sage also, meine Damen und Herren: Diese Mitarbeit aller Klassen unseres Volks ist jetzt so notwendig wie noch nie (sehr richtig!), und ich bitte Sie, eines zu bedenken. Wenn wir Tage und Wochen in der Entgiftung der Atmosphäre des deutschen Volkes versäumen und ein neues Unglück bricht über uns herein, so besteht eine ungeheure Gefahr, die staatliche Ordnung in Deutschland über⸗ haupt aufrechtzuerhalten. (Sehr wahr!) Wir spüren doch den Druck von innen und außen. Das Reparationsproblem (Zuruf von der Deutschen Volkspartei: Malen Sie nicht den Teufel an die Wand!) Ich glaube, Sie haben gewünscht, wenn ich das Wort „Reparationsproblem“ nenne, daß man diesen Teufel an die Wand malt. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei und den Deutschnationalen.) Dann machen Sie beine so sinnlosen Zwischenrufe, um Ihre eigenen Leute nicht zu stören! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Das Reparationsproblem drückt uns mit ungeheurer Wucht von außen, die politische Spannung zermürbt unser Volk im Innern, die Preisrevolution, die gerade vor unseren Augen sich vollzieht, reißt unser Volk doch unwillkürlich zu gefährlichen Klassengegensätzen hin. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemo⸗ kraten und auf der äußersten Linken.) Wann war je ein Volk so in Not wie gerade zur Stunde das deutsche Volk. (Lebhafte allgemeine Zustimmung.) Weil das ist und weil wir das erkannt haben, haben wir das politische Rezept des Herrn Abgeordneten Emminger nicht befolgen können, der vorhin gesagt hat, daß die Art, wie die Regierung dieses Gesetz eingebracht habe, übereilt und überhitzt sei. Nein, Herr Abgeordneter Emminger, die politische Atmosphäre ist überhitzt (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), sie ist, wie Sie selbst gesagt haben, zu einer Hochspannung empor⸗ geschossen; und in diesem Augenblick zu zögern, eine Verordnung zu erlassen oder mit dem Gesetz etwa lange Tage zu warten, meine Herren, das hätte gerade die auf den Plan gerufen, die in unserer Verfassung nicht als politischer Faktor vorgesehen sind. (Zu⸗ stimmung.)

Sie beklagen sich doch über Nebenregierungen, die dann und wann sich geltend gemacht haben. Diese Nebenregierungen, wenn sie überhaupt dagewesen sind, sind in dem Augenblick ausgeschaltet, wo die Regierung rasch und entschlossen handelt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten.) Das haben wir getan, und da hätte ich von einem ehemaligen Staatsanwalt keinen Angriff, sondern Verteidigung erwartet. (Heiterkeit und Zurufe Unks: Das ist er noch! Damit ist er hoffentlich abgesägt!)

Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Emminger hat hernach in Aussicht gestellt, daß bei gewissen Einigungsverhandlungen, die er vorgeschlagen hat, seine Partei

sogar schließlich gesonnen sei, für das Gesetz zu votieren. Ich be⸗ grüße das, Herr Abgeordneter Emminger, und wir wollen uns zwischen der zweiten und dritten Lesung die Frage noch einmal reiflich übelregen. Das allerdings wird in Deutschland die größte Beruhigung hervorrufen, wenn wir mit Ihnen Gur Bayerischen Volkspartei) wirklich aufrichtig den Schutz der Deutschen Republik gewährleisten können. (Lachen und Zuruf von den Kommunisten: „Aufrichtig“?!) .

Ich bin mit dem Herrn Abgeordneten Emminger der Ueber⸗ zeugung ich spreche das offen aus —, das hat noch niemand geglaubt, daß wir mit diesem Gesetz Republikaner großziehen. Das ist nicht der Sinn des Gesetzes, sondern der Sinn des Ge⸗ setzes ist die Abwehr gegen die, die mit Gewalt und Verleumdung der Deutschen Republik ans Leben wollen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokvaten.) Da können Sie (zur Bayerischen Volks⸗ partei) mit uns durchaus arbeiten, wenn es Ihnen glückt da und dahin geht meine Bitte —, in Ihrer Heimat die Atmasphäre zu zerstören, als ob wir hier, die wir an verantwortlicher Stelle dastehen, nichts anderes zu tun hätten, als dem bayerischen Volk das Leben sauer zu machen.

Herr Abgeordneter Emminger hat mitunter auch Humor in seine Rede einfließen lassen. Ich würde ihm gern auf diese Bahnen folgen. Ich verfüge vielleicht auch noch über eine Dosis gesunden Humors; sonst könnte man es überhaupt nicht aus⸗

halten. (Sehr gut! und Heiterkeit.) Der Herr Abgeordnete Emminger hat mit etwas leichter Hand vom „großen Be⸗ lagerungszustand“ gesprochen und hat dann ausgeführt, daß man gewiß auch Gelegenheit hätte, Vergnügungsstätten ich nehme an, daß er damit auch die Wirtshäuser gemeint hat für einige Tage ab 9 Uhr abends zu verbieten. Herr Abgeordneter Em⸗ minger, wenn wir das für Bayern oder München getan hätten!

kleinlich zu sein. (Zuruf von der Bayerischen Volkspartei: Das haben wir monatelang ausgehalten.) Aber Sie haben ja die Anregung gegeben! Berlin gekommen wäre, dann würden sie es nicht aushalten! Große Heiterkeit.) Von Berlin, ja, das ist gewiß! Meine Herren, wenn wir für München etwas Derartiges verlangen würden, das würde verhängnisvoller sein als die schwerwiegende Verordnung auf Grund von Artikel 48. (Zustimmung und große Heiterkeit.)

und ich möchte ihn gerade nach der Richtung bitten, seinen Einfluß in seiner Partei geltend zu machen, daß eine solche Auf⸗ fassung, wie er sie hier vorgetragen hat, eben gar nicht ver⸗

(Zuruf aus dem Zentrum: Wenns von

Der Herr Abgeordnete Emminger ist deshab im Irrtum,

treten werden kann. Sie haben wörtlich gesagt, das sei der „Kampf um die letzten Reste der Selbständigkeit der Länder“. (Lachen links.) Nein, meine Damen und Herren, davon kann gar keine Rede sein. (Sehr richtig! im Zentrum.) In der Frage Schutz der Republik wäre geradezu ein Wettlauf der Länder ver⸗ ständlich gewesen, der Reichsregierung zu helfen (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), die Verbrecher zu fassen, auf die es an⸗ kommt. In Württemberg und Baden, in Hessen und in Sachsen und in Thüringen sind auch Leute, die sehr wohl verstehen, die Selbständigkeit ihrer Länder zu wahren. Aber diesen Vorwurf in dem Augenblick zu erheben, daß wir die Reste der Selbständig⸗ keit der Länder vernichten wollen, wo es doch darauf ankommt, das Reich, seine Einheit und die staatliche Ordnung zu retten, das zeigt, Herr Abgeordneter Emminger, daß Sie hier übertrieben haben. (Zustimmung und Zurufe.) Wir wollen uns gern der großen Aufgabe widmen, in gewissen strittigen Fragen mitein⸗ ander zu sitzen und über die Art, wie die großen bürokratischen Maschinen des Reiches und der Länder zu arbeiten haben, mit⸗ einander verhandeln. Dieser Aufgabe sind die Minister der Finanzen, der Eisenbahnen und der Post bereit, sich jederzeit zu widmen. Ich lade jede Regierung ein, hier in Berlin mit uns über diese Probleme Rücksprache zu nehmen, ebenso über die Probleme der Gestaltung der Finanzen der Länder.

Aber glaubt denn irgend jemand in der Welt, daß das ewige Berühren, das Verneinen denn das ist es doch im Kern der Weimarer Verfassung unser Volk weiterbringen kann? Das führt zu Differenzen, die das Reich in den inneren Fugen er⸗ zittern machen. Meine Damen und Herren! Ein solcher Notstand, der unser Reich und Volk im Innern erzittern läßt, liegt vor. In einem solchen Zustand der Erregung müssen wir zusammenhalten, und da müssen gerade aus dem Süden des Reichs die festesten Bekennt⸗

nisse zum Reiche erfolgen.

können (sehr richtig! links), tatsversuch da, das Attentat Scheidemann. In diesem Augenblick,

werden Sie sagen, hätte man Kraft setzen können. Wer hätte das verstanden? Meine Freunde hätten es verstanden, aber von rechts hätte man gesagt: Klistier⸗ spritze, Gummiball, lächerlich, den Ausnahmezustand zu verhängen! Und so wäre es weiter gegangen und so ist es weiter gegangen

bis zur nächsten Mordtat. er g mit wir auf das Abschwellen und auf das allmähliche Wieder⸗

anschnellen solcher Bewegung eingerichtet sind, deshalb brauchen wir ein solches Dauergesetz. (Sehr richtig! links.)

und eines Tages ist der neue Atten-⸗

ja wieder den Belagerungszustand in

Damit das nicht wieder geschieht, da⸗

Und jetzt muß für einen Augenblick die Szene zum Tribunal oder besser zum Auditorium werden. Der Herr Kollege Emminger

hat den Gesetzentwurf, um eine früher von mir gebrauchte

Wendung in anderem Zusammenhange zu wiederholen, ausgelegt wie der Teufel die Bibel, und als Gesetzgeber hat er damit voll⸗ kommen Recht gehabt. Kant sagt einmal, ein gutes Gesetz müsse so beschaffen sein, daß es auch in einer Welt von Teufeln gelten könnte, in einer Welt von Teufeln, die so bös sind, daß sie jede Lücke des Gesetzes durchschlüpfen, und so klug, daß sie jede Lücke des Gesetzes merken. Ich weiß nun nicht, ob der Kollege Emminger gerade zur Gattung dieser klugen Teufel in diesem Falle gehört hat. (Heiterkeit.) Man merkte es seinen Ausführungen gar zu sehr an, daß er nur zeitweise den Ausschußverhandlungen bei⸗ gewohnt hat und daß er auch nicht hier im Plenum den aus⸗ gezeichneten Ausführungen des Herrn Berichterstatters, welche die meisten Einwände, die er gemacht hat, bereits im voraus erledigt haben, mit der erforderlichen und üblichen Aufmerksamkeit ge⸗

folgt ist.

Herr Kollege Emminger hat zunächst in bezug auf den § 1 des Gesetzes gerügt, daß dort gar nicht die Rede davon sei, daß der Täter gewußt haben müßte, daß es sich um eine Mord⸗ organisation handle. Herr Kollege Emminger, ist Ihnen un⸗ bekannt, daß in einer ganzen Reihe von Strafgesetzparagraphen der Vorsatz nicht ausdrücklich vorkommt, daß es in diesen Fällen selbst⸗ verständlich ist, daß Vorsatz erforderlich ist? Wir haben nach langen Erwägungen diese Fassung gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, daß jede Form des Vorsatzes genügen solle einschließlich des Eventualvorsatzes; und die Kenntnis von den Bestrebungen der Organisation, die wir im zweiten Absatz besonders gekennzeichnet haben, haben wir nicht etwa aus einer nachlässigen Ungleich⸗ mäßigkeit in den beiden Absätzen hervorgehoben, sondern eben, um zu zeigen, daß hier nicht jeder Vorsatz, nicht auch der Eventual⸗ vorfatz genügen soll, sondern nur die Wissentlichkeit.

Dann ist der Kollege Emminger auf den § 1a übergegangen.

Wir haben Gelegenheit geboten, auch den Bayern unsere Hand hinzureichen. Ich wiederhole das heute. Wir sind ja gar nicht Preußen, die wir zurzeit die Verantwortung in den Aemtern zu führen haben. (Sehr richtig!) Wir verstehen unser süddeutsches Land, wir lieben es, wir achten es, und keiner von uns in Süd⸗ deutschland, am allerwenigsten wir haben je gegen den bayerischen Stamm als solchen irgend etwas tun wollen oder gar wollen wir jetzt etwas unternehmen. Aber wir Süddeutsche bilden ja selbst ein Bild der buntesten Mannigfaltigkeit. Wir haben in Baden Alemannen, wir haben Franken, wir haben Pfälzer genau wie Sie, meine Herren von Bayern. Es ist eben eine große, geschicht⸗ lich gewordene bunteste Mannigfaltigkeit, über die man nicht hinweggehen darf. Wenn Sie deshab in die Lage versetzt sind, wie die andern Parteien des Hauses mit uns zu einem Einvernehmen zu kommen, das wäre das größte Glück bei der Verabschiedung dieses Gesetzes für unser ganzes deutsches Vaterland. (Stürmischer Beifall im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und links. Händeklatschen auf den Zuschauertribünen.)

Reichsjustizminister Dr. Radbruch: Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Emminger hat gefragt: warum nicht ein Vorgehen nach Art. 48, warum nicht, wenn wir ihn schon hätten, den kleinen oder den großen Belagerungszustand, warum denn ein Gesetz zum Schutz der Republik? Ich will dem Herrn Kollegen Emminger einmal erzählen, wie es kommen würde, wenn wir nicht ein Gesetz machten, sondern uns mit einer Ausnahme⸗ verordnung, mit einem Belagerungszustand, etwa beruhigen wollten. Es würde wieder so kommen wie nach dem Falle Erz⸗ verger. Der Erzberger⸗Mord, die Ausnahmeverordnung und in⸗ folge der Ausnahmeverordnung eine wundervolle Wirkung: in der rechtsradikalen Presse wird es plötzlich still, wird es plötzlich an⸗ ständig. (Abg. Emminger: Ich wollte schon vor einigen Monaten ein Gesetz!) Ja, ein Gesetz zu Art. 48, aber ein Gesetz über den Belagerungszustand, der dann aber nur für Zeit in Kraft gesetzt worden wäre. Ich will Ihnen gerade schildern, wie es dann kommen würde. Es wäre wie nach dem Erzberger⸗Mord nach einiger Zeit unter dem Einfluß dieses Gesetzes in der Presse still geworden, und sehr bald hätte man gesagt, es geht ja nichts vor, der Belagerungszustand muß wieder aufgehoben werden. Diesem Drängen hätte gefolgt werden müssen auf Grund des Art. 48, der nur bei aktueller Gefahr einen solchen Belagerungszustand zu⸗ läßt. Inzwischen wird aber bei äußerer Stille unter der Erde weitergewühlt. Es werden Briefe gewechselt, wie uns einer in die Hand gefallen ist, in denen deutsche Menschen eingeteilt werden in Brüder und Feinde. In diesem Briefe heißt es:

Der Bruder Nr. 14 und der Bruder Nr. 15 haben den Feind Nr. soundso erledigt chört! hört! links) Sie wissen, wer dieser Feind ist und sind aus der aktiven Liste gelöscht worden. Auf Abruf d. Bruder Nr. soundso werden die Feinde Nr. soundso durch In⸗ fektion erledigt chört! hört! links), sie wissen auch, wer mit diesen durch Infektion zu Erledigender gemeint ist. Dann wird es allmählich in der rechtsradikalen Presse wieder laut und die Wulle und die Henning

(Andauernde Unruhe. Glocke des Präsidenten!)

Es heißt da: „wenn die Verbindung eine in § 1 genannte Bestrebung verfolgt.“ Diese Fassung ist gewählt, um zum Aus⸗ druck zu bringen, daß es sich hier um eine sogenannte Bedingung der Strafbarkeit handelt, die vom Vorsatz des Täters nicht umfaßt sein müssen; es soll zum Ausdruck gebracht werden und das ist der von Herrn Kollegen Emminger vermißte Unterschied zu den Fällen des § 1 —, daß hier nur die Kenntnis erforderlich ist, daß der Täter einer geheimen oder staatsfeindlichen Verbindung an⸗ gehöre, aber nicht die, daß es sich um einen Mörderklub handele. Der Kollege Emminger hat weiter gefragt, warum der Rück⸗ tritt vom Versuch durch Anzeige an die Behörde nur in § 1b erwähnt sei und nicht auch in anderen Fällen. Mit vollem Be⸗ wußtsein und aus kriminalpolitischem Grunde! Wir haben diese Anzeige deshalb besonders erwähnt, um dadurch ein Motiv zum Austritt aus einer solchen Verbindung zu schaffen, und deshalb nur da, wo es sich um Teilnehmer an Mörderklubs handelt.

Ich will nicht auf alle Irrtümer, die der Herr Kollege Emminger vorgebracht hat, eingehen, sondern nur kurz erwähnen, daß, wenn er im Ausschuß gewesen wäre, auch wüßte, daß über die Frage, ob denn etwa jemand 90 Jahre sitzen solle, wenn er die einigen Millionen Mark Geldstrafe nicht gezahlt habe, ausdrück⸗ lich im Ausschuß gesprochen worden und festgestellt ist, daß hier das gewöhnliche Höchstmaß der subsidiären Freiheitsstrafen, näm⸗ lich ein Jahr, gelten solle.

Meine Damen und Herren! Verzeihen Sie, daß ich Sie mit diesen Dingen gelangweilt habe, aber ich hielt es für meine Ver⸗ pflichtung, nicht etwa gegenüber den Herren meines Ministeriums, deren Arbeit zu rühmen mir nicht ziemt, aber wohl gegenüber den beiden Ausschüssen, die mit ungeheuerer Aufopferung an Zeit und Arbeit sich dem großen, freilich traurigen Werke gewidmet haben. Der Rechtsausschuß des Reichsrats und der Rechtsausschuß des Reichstags haben sich durch ihre schnelle und wie ich gegenüber dem Herrn Abgeordneten Kahl wie gegenüber dem Herrn Ab⸗ geordneten Emminger hervorheben möchte gründliche Arbeit den Dank der Reichsregierung verdient, und ich glaube, im Sinne des ganzen Hauses zu handeln, wenn ich diesen Dank der Reichs⸗ regierung besonders der unermüdlichen Tatkraft des Herrn Vor⸗ sitzenden unseres Rechtsausschusses zuteil werden lasse. (Bravol)

Abg. Dr. Herzfeld (Komm.): Die Verfassung ist gerettet worden durch die organisierte Arbeiterschaft nach dem Kapp⸗Putsch, nach dem Erzbergermord sowie auch diesmal. Das vorliegende Gesetz vermeidet schon in emnen Namen zu zeigen, daß es sich gegen die Monarchie richtet. In keinem einzigen Paragraphen wendet es sich Fern die Monarchisten. (Zustimmung links.) Das Gesetz ist ein etz zur Beruh en der breiten Masse im Innern, nach außen ein Instrument der 8 ungspolitik. Für die Arbeiterklasse ist es der der großen Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Klassen. Angeblich sind die en dgn. gegen eine Verbreiterung der Koalition nach rechts. Es werden aber auch andere Stimmen laut, der tiefste Grund für unsere Zustände ist die Koalitionspolitik, in der die Sozialdemokvatie eine führende Rolle spielt. Die Handlungsweise 58 Heeiawen Fraie aft eine ee 288 relce. 8 i „Er der iti Die Einheitsfront haben wir Kommunisten seit Mongten als Parole ausgegeben. Unter dem Eindruck der Ermordung Rathenaus haben wir das Schauspiel sehen, daß die Sozialdemo unter nichtigen Vorwänden die

(Große Heiterkeit.) Herr Abgeordneter Emminger, Sie wehren

jetzt selbst ab. Es scheint Ihnen vielleicht meine Bemerkung

schreiben wieder, wie nur die

reiben Verbrechen

Einheit tt zerb ben. Das ist in dieser historischen Situation inheitsfron e. 12 neeh 1hg z 8 1 d 8 8

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