1922 / 241 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Oct 1922 18:00:01 GMT) scan diff

ise vollbeschäftigte Lehrer und Lehrerinnen. (1) 8 1 4 8 4 ) Lehrpersonen, welche die Anstellungsfähigkeit als Gewerbe⸗ 8 oder Jendeeresagin erworben haben, erhalten ahrend der Zeit, in der sie voll beschäftigt, aber noch nicht . mäßig angestellt sind, bis dicn vlan

folgende Grundvergütungsfätze: vom 1. April 1920 bis 30. September 1921: 5320 6080 6460 6840 7220 ℳ, vom 1. Oktober 1921 bis 31. März 1922: 4 700 16 800 17850 18 900 19 950 vom 1. April 1922 ab:

17 500 20 000 21 250 22 500 23 750 ℳ; Handelslehrerinnen erhalten die Sätze der Grundvergütungen um 10 vH gekürzt, solange nicht für Handelslehrer und Handels⸗ lehrerinnen dasselbe Arbeitsmaß festgefetzt ist. Lehrerinnen, welche die Anstellungsfähigkeit als Gewerbelehrerin erworben haben, erhalten während der Zeit, in der sie voll besckäftigt, aber noch nicht plan⸗ mäßig angestellt sind, bis zur Vollendung des 5. Dienstjahres folgende Grundvergütungssätze:

vom 1. April 1920 bis 30. September 1921: 4760 5440 5780 6120 6460 ℳ, vom 1. Oktober 1921 bis 31. März 1922: 12 600 14 400 15 300 16 200 17 100 ℳ, b vom 1. April 1922 ab: 15 400 17 600 18 700 19 800 20 900 ℳ.

Auf die Berechnung des Ortszuschlags 8) ist die Kürzung der Grundvergütung ohne Einfluß. Ist bis zum Ablauf des 5. Dienst⸗ jahres die planmäßige Anstellung aus Gründen, die nicht in der e des Lehrers (der Lehrerin) liegen, nicht erfolgt, so bezieht der edrer (die Lehrerin) eine Grundvergütung in Höhe der Grundgehalts⸗ sätze des endgültig angestellten Lehrers (Lehrerin).

(2] Auftragsweise vollbeschäftigte Lehrer und Lehrerinnen an öffent⸗ lichen Berufsschulen, auf welche die Voraussetzung des Abs. 1 nicht zutrifft, erhalten eine Grundvergütung in Höhe von 80 vH des

Grund gehalts, das sie erhalten würden, wenn sie als Gewerbe⸗ oder Handelslehrer (⸗lehrerinnen) an öffentlichen Berufsschulen planmäßig angestellt wären. Im besonderen Fall ist eine Abweichung hiervon mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde zulässig.

. (1) Zur Grundvergütung tritt als weiterer Bestandteil des Dienst⸗ einkommens ein Ortszuschlag.

(2) Hinsichtlich der Höhe des Ortszuschlages, der den im § 7 Abs. 1 genannten Lehrpersonen gewährt wird, finden die für die Staatsbeamten jeweils geltenden Vorschriften sinngemäß Anwendung. Die in § 7 Aks. 2 genannten Lehrer (Lehrerinnen) erhalten einen

Ortszuschlag, dessen Höhe sich nach dem Betrage der jeweiligen

Grundvergütung richtet. Für seine Bemessung sind die Vorschriften des Beamtendiensteinkommensgesetzes maßgebend.

II. Kinderbeihil fen.

Außer dem Diensteinkommen erhalten die Leiter (Leiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) Kinderbeihilfen nach den Bestimmungen des Bcamtendiensteinkommensgesetzes.

III. Ausgleichszuschlag. § 10.

(1) Zur Anvpassung an die Veränderungen in der allgemeinen Wrrtschaftslage wird zum Grundgehalt, zur Grundvergütung und zum DQuszuschlag sowie zu den Kinderbeihilfen ein veränderlicher Aus⸗ gloichszuschlag gewährt.

(2) Die für die unmittelbaren Staatbsamten nach dem Beamten⸗ diensteinkommensgesetz jeweils geltenden Bestimmungen über Art und

öhe des Ausgleichszuschlagssatzes gelten auch für die Leiter Leiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) an öffentlichen Berufsschulen. Ebenso finden die für die unmittelbaren Staatsbeamten jeweils geltenden Bestimmungen über die Gewährung eines weiteren Aus⸗ leichszuschlags und eines besonderen Ausgleichszuschlags (Frauen⸗ eihilfe) sinngemäße Anwendung.

IV. Ruhegehalt, Hinterbliebenenversorgung, Gnadenbezüge.

§ 11.

(1) Die Gewährung von Rubegehalt und Hinterbliebenen⸗ versorgung erfolgt nach den für die Volksschullehrer geltenden Grundsätzen.

(2) Die Schulträger haben diese Bezüge sicherzustellen. Der Handelsminister bestimmt im Einvernehmen mit dem Finanzminister, unter welchen Voraussetzungen die Sicherstellung als genügend an⸗ zusehen ist.

§ 12.

Für die Gewährung von Gnadenbezügen finden die Bestimmungen der §§ 29 und 30 des Volksschullehrerdiensteinkommensgesetzes sinn⸗ gemäß Anwendung.

V. Zahlung des Diensteinkommens und Rechtsweg.

Die planmäßig angestellten Leiter (Leiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) erhalten ihre Dienstbezüge, soweit sie ihnen in festen Barbezügen zustehen, monatlich, bei Ueberweisung auf ein Konto vieneljährlich im voraus, Die einstweilig angestellten oder auftrags⸗ weise beschäftigten Lehrkräfte erhalten ihre baren Dienstbezüge monat⸗ lich im voraus doch kann auch eine vierteljährliche Zahlung bei Ueberweisung auf ein Konto zugelassen werden.

Ueber die Gehaltsansprüche der Leiter (Leiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) an den öffentlichen Berufsschulen findet der Rechtsweg mit folgender Maßgabe Anwendung:

1. Die Klage ist gegen den Schulträger zu richten.

2. Bei der richterlichen Beurteilung sind die von der Schul⸗ aufsichtsbehörde auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Fest⸗ setzungen über das Diensteinkommen der Stelle, insbefondere über die Höhe des Grundgehalts, des Ortszuschlags der Kinder⸗ beihilfe und des Ausgleichszuschlags, über Dienstwohnung, über etwaige Sachleistungen und über die Anrechnung von Dienst⸗ bezügen auf das Grundgehalt zu Grunde zu legen.

VI. Aufbringung der Kosten.

§ 15. 1

Pflichten der Schulträger. Ddie Schulträger sind verpflichtet, die persönlichen und sächlichen Kosten der von ihnen errichteten Schulen aufzubringen.

§ 16. Schulbeiträge.

(1) Zur Deckung der Schulunterhaltungskosten haben die Ge⸗

meinden oder weiteren Kommunalverbände 21) von den Arbeilgebern der zum Besuche der Schule ver⸗ pflichteten Schüler und Schülerinnen Schulbeiträge zu erheben und b) sämtliche Gewerbebetriebe des Bezirks, die in der Regel mindestens fünf Arbeiter beschäftigen, zur Leistung von Schulbeiträgen heranzuziehen.

(2) Für jeden Schüler und jede Schülerin, die bei gewerbe⸗ steuerfre veranlagten Gewerbetreibenden oder bei Gewerbetreibenden der Gewerbesteuerklasse 1V beschäftigt sind, ist ein Schulbeitrag von 30 ℳ, für die übrigen Schüler Schülerinnen ein Schulbeitrag von mindestens 50 jährlich zu erheben. Es ist zulässig, für einzelne Gruppen der Schüler und Schülerinnen verschieden hohe Beiträge festzusetzen.

(3) Für Schulen, deren Träger Gemeinden oder Gemeinde⸗ verbände sind, ist die Höhe der Schulbeiträge durch Ortssatzung fest⸗ zusetzen. Ist die Schulpflicht durch statutarische Bestimmung eines weiteren Kommunalverbandes eingeführt, so ist dieser im Benehmen

zur Vollendung des 5. Dienstjahres

mit den Schulgemeinden berechtigt, die Höhe der Schulbeiträge fest⸗ zusetzen. Diese Schulbeiträge sind Kommunalabgaben im Sinne des Gesetzes vom 14 Juli 1893 (Gesetzsamml. S. 152).

(4) Für Schulen, deren Träger Handelskammern oder andere Körperschaften öffentlichen Rechtes sind, ist die Höhe der Schulbeiträge durch Beschluß des Schulträgers festzusetzen. Dieser Beschluß unter⸗ liegt der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde.

(5) Gewerbebetriebe, die in der Regel mindestens fünf Arbeiter beschäftigen, haben für jedes angefangene Zehnt der Arbeiter an den Träger der Pflichtberufsschule des Ortes den Schulbeitrag für einen Berufsschüler zu entrichten, soweit die Zahl der beschäftigten Jugendlichen unter 18 Jahren weniger als 10 vH der Arbeiter beträgt.

(6) Gewerbebetriebe, die für ihre jugendlichen Arbeiter eigene, staatlich anerkannte Werkschulen eingerichtet haben, haben die Schul⸗ beitraäge nur insoweit zu entrichten, als die Zahl der die Werkschule besuchenden Jugendlichen unter 10 vH der beschäftigten Arbeiter bleibt.

(7), Von den an dem Unterricht freiwillig teilnehmenden Schülern und Schülerinnen ist ein Schulgeld zu erheben, dessen Höhe, nach Stunden berechnet, im Verhältnis mindestens dem an der Schule zur Erheb g gelangenden Schulbeitrage entspricht.

Staatszuschüsse. (1) Für jeden am 1. Juni des Jahres vorhandenen schulpflichtigen Schüler und jede schulpflichtige Schülerin zahlt der Staat dem Schulträger eine Beihilfe von 10 ℳ.

(2) Zur Gewährung dieser Beihilfen und von Ergänzungs⸗ zuschüssen werden für jeden am 1. Juni des Vorjahrs vorhandenen schulpflichtigen Schüler und jede schulpflichtige Schülerin 40 durch den Staatshaushalt bereitgestellt.

.63) Ueber die Verwendung dieser Mittel entscheidet der Handels⸗ minister im Einvernehmen mit dem Finanzminister. Die Grundsätze für die Verwendung der Mittel werden von den beteiligten Ministern nach Anhörung der Vertretungen der beteiligten Gemeinden festgesetzt. 61 Voraussetzung für die Gewährung von Staatszuschüssen ist, daß die Einrichtungen und die Lehrpläne der Schulen den Be⸗ stimmungen des Handelsministers entsprechen.

VII. Anstellung und Versetzung.

1 § 13.

8 1) Die Schulleiter (Schulleiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) an den öffentlichen Berufsschulen werden von den Schulträgern unter Ausfertigung einer Ernennungsurkunde für den Berufsschuldienst ihrer Bezirke angestellt. Wo bisher schon Körperschaften mit der Verwaltung von Berufsschulen im ganzen Bezirk betraut waren, kann ihnen auch fernerhin die Anstellung von Lehrpersonen durch den Handelsminister übertragen werden.

(2) Die Anstellung der Lehrer (Lehrerinnen) bedarf der Be⸗ stätigung der Schulaufsichtsbehörde, die der Schulleiter (Schul⸗ leiterinnen) der des Handelsministers.

(3) Für das Disziplinarverfahren finden die für die unmittelbaren Staatsbeamten geltenden Bestimmungen Anwendung.

(4) Sind an den Schulen eines Schulträgers vier und mehr Schulstellen vorhanden, so hat die Schulaufsichtsbehörde das Recht, für jede vierte freiwerdende Stelle nach Anhörung des Schulträgers einen Bewerber zu benennen; dieser ist von dem Schulträger spätestens zum nächsten Vierteljahresersten anzustellen. Macht die Schulauf⸗ sichtsbehörde von ihrem Recht innerhalb von vier Wochen, nachdem ihr vom Schulträger das Freiwerden der Stelle mitgeteilt ist, keinen Gebrauch, so wird die Stelle von dem Schulträger besetzt.

65) Planmäßig angestellte Schulleiter (Schulleiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) können an eine andere Schule berufen werden, nachdem die für den neuen Schulort zuständige Schulaufsichtsbehörde ihre Zu⸗ stimmung dazu gegeben hat. Die Umzugskosten sind von dem be⸗ rufenden Schulträger nach den für die Volksschullehrer (Volksschul⸗ lehrerinnen) geltenden Vorschriften zu erstatten.

§ 19.

(1) Schulleiter (Schulleiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen), deren Versetzung der Handelsminister aus dienstlichen Gründen für not⸗ wendig erklärt, können von ihm an eine andere Schule versetzt werden, nachdem der Schulträger seine Zustimmung gegeben hat, bei dem der zu Versetzende bisher beschäftigt war.

(2) Bei solchen Versetzungen an einen anderen Ort wird eine Vergütung für Umzugskosten nach den für die Volksschullehrer (Voltsschullehrerinnen) geltenden Grundsätzen gewährt.

(3) Erfolgt die Versetzung auf Wunsch oder Antrag oder unter sonstiger Mitwirkung des Schulträgers, so hat dieser die Kosten des Umzugs allein zu tragen. In allen anderen Fällen tragen der Staat und der den Lehrer abgebende Schulträger je die Hälfte. Der Staat leistet seinen Beitrag aus den für Zuschüsse 17) bereitgestellten Mitteln.

VIII. Uebergangs⸗ und Schlußbestimmungen.

§ 20.

(1) Die Gehaltsordnungen sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes neu aufzustellen.

(2) Lehrer und Lehrerinnen, die zurzeit der Verkündung dieses Gesetzes bereits planmäßig angestellt sind und ein vor der Vollendung des 27. Lebensfahres liegendes Besoldungsdienstalter haben, sind unter Feststellung thres Besoldungsdienstalters auf die Vollendung des 27. Lebensfahres in die entsprechenden Gehaltsstufen einzureihen.

(3) Das Besoldungsdienstalter der Schulleiter (Schulleiterinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) ist nach den Vorschriften des § 3 neu fest⸗ zusetzen.

§ 21.

„Vom 1. April 1923 ab erhalten die Gewerbelehrerinnen die gleichen Dienstbezüge wie die Handelslehrerinnen; die entgegen⸗ stehenden Bestimmungen dieses Gesetzes treten mit diesem Zeitpunkt außer Kraft.

§ 22.

Im übrigen finden die Bestimmungen der Gesetze vom 24. No⸗ vember 1921 über eine Aenderung der Dienst⸗ und Versorgungs⸗ bezüge der unmittelbaren Staatsbeamten (GS. S. 553) und vom 19 April 1922 über Aenderungen in der Beamtenbesoldung (GS. S. 83) sinngemäß Anwendung.

§ 23.

Die Gesetze vom 4. Mai 1886 (GS. S. 143), 24. Februar 1897 (GS. S. 41), 1. August 1909 (GS. S. 733) und 29. Juli 1916 (GS. S. 115) werden aufgehoben.

Die Vorschriften der Abschnitte I bis IV dieses Gesetzes treten rückwirkend vom 1. April 1920 in Kraft, im übrigen tritt das Gesetz am 1. April 1921 in Kraft mit der Maßgabe, daß Schulbeiträge gemäß § 16 für die Zeit vom 1. Januar 1921 ab zu erheben sind.

§ 25. Mit der Ausführung dieses Gesetzes werden der Handelsminister und der Finanzminister beauftragt.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Versetzt sind:

die Studienräte: Dipl.⸗Ing. Bräuer von Nienburg nach Barmen, Professor Issel von Magdeburg nach Erfurt, Dipl.⸗ Ing. Masurek von Cörlitz nach Deutsch Krone, Höhmann von Idstein nach Cassel, Koch von Deutsch Krone nach Nien⸗ burg, Baacke von Barmen nach Königsberg i. Pr., Dr.⸗Ing. Dipl.⸗Ing. Lemp von Frankfurt a. M. nach Idstein, Professor Husung von Rendsburg nach Stettin,

die Probelehrer: Dipl.⸗Ing. Tillinger von Münster nach Barmen, Dipl.⸗Ing. Wolfrom von Magdeburg nach Deutsch Krone, Dr.⸗Ing. Zschaller von Deutsch Krone nach Görlitz.

Ministerium bes Innern. Das Preußische Staatsministerium hat auf Grund des § 28 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) den Regierungsrat Dielitz in Stertin zum Stellvertreter des ersten Mitglieds des Bezirksausschusses in Stettin auf die Dauer seines Hauptamtes am Sitze des Bezirksausschusses ernannt.

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Ministerium für Volkswohlfahrt. 8

Der Kreismedizinalrat Dr. Pusch ist zum Regierungs⸗ und Medizinalrat bei der Regierung in Oppeln ernannt worden.

Ministerium für Wissenschaft, Kunst

und Volksbildung.

Das Preußische Staatsministerium hat den Oberschulrat Dr. Müller in Berlin zum Abteilungsdirigenten bei einem Provinzialschulkollegium ernannt. Als solchem ist ihm die Stelle des Abteilungsdirigenten bei dem Provinzialschulkollegium in Breslau übertragen worden.

Der Oberstudiendirektor Dr. Boesch am Kaiser⸗Wilhelm⸗ Gymnasium in Hannover ist zum Oberschulrat ernannt und als solcher dem Provinzialschulkollegium in Hannover über⸗ wiesen worden.

Bekanntmachung, betreffend die Felix Mendelssohn⸗Bartholdy⸗ Stiftung.

Das diesjährige Felix Mendelssohn⸗Bartholdy⸗Staatsstipendium für ausübende Tonkünstler wurde geteilt und erhielten je 750 die Studierenden der Staatlichen akademischen Hochschule für Musik, Violoncellist Walter Lutz und Pianist Kurt Ruhrseitz. Durch Mit⸗ verwendung einer Sonderspende der Herren Paul und Franz von Mendelssohn konnte diesen beiden Stipendiaten je ein Betrag von 3750 überwiesen werden.

Staatsstipendium für Komponisten konnte nicht verliehen werden. 1

Außerdem wurden 6 ausübende Tonkünstler mit Stipendien von zusammen 7200 bedacht, ebenfalls unter Mitverwendung einer Spende der vorgenannten Herren von Mendelssohn. Letztere 6

Stipendiaten sind: 1. Pianist Hermann Hoppe, von der Staatl. Hochschule für Musik in Berlin.

2. Violinist. Stefan Frenkel 3. Violinistin Gertrud Höfer, vom Konservatorium der Musik in Köln.

Pianistin Alice Schmuckler, .Violinistin Josefa Kastert

Pianist Gerhard Münch vom Konservatorium für Musik und Theater in Dresden.

Charlottenburg, den 21. Oktober 1922. Der Vorsitzende. Schreker.

Nichtamtliches. DSDSeeutsches Reich. Die vgtain gig Ausschüsse des Reichsrats für

Verfassung und Geschäftsordnung und für Haushalt und Rechnungswesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Verkehrs⸗ wesen, fürdaushalt und Rechnungswesen und für Volkswirt⸗ schaft hielten heute Sitzungen.

Für Zündpillen traten Ausfuhrmindestpreise in Kraft. Die Ausfuhrmindestpreise 8 inkweiß Rotsiegel und die Zuschläge für Erdfarben nach schwachvalutarischen Ländern wurden geändert. Näheres durch die Außenhandelstelle Chemie in Berlin W. 10.

Deruutscher Reichstag. 264. Sitzung vom 24. Oktober 1922, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht des Nachrichten büros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Auf der Tagesordnung stehen zunächst kleine An⸗ fragen.

Auf Anfrage des Abg. Dr. Kahl (D. Vp.) wird von der Regierung erwidert, daß eine Denkschrift, die eine Zusammen⸗ stellung der Ausschreitungen der Besatzungstruppen enthalte, dem Reichstag in allernächster Zeit vorgelegt werden würde.

Auf Anfroge Giebel (Soz.) über die Zurückhaltung von Kartoffeln durch die Landwirte erwidert Oberregierungsrat Heinitz, daß nach den amtlichen Ziffern im September und Oktober dieses Jahres bedeutend mehr Kartoffeln auf der Eisen⸗ bahn abgerollt worden wären, als in den Vorjahren Von einer absichtlichen Zurückhaltung der Kartoffeln durch die Landwirtschaft sei dem Winisterium nichts bekannt.

Die Interpellation der Demokraten über die ge⸗ setzliche Regelung der Lehrerbildung wird eg der geschäftsordnungsmäßigen Frist beantwortet werden.

Die Verordnung über die vierte Er⸗ der Besoldungsvorschriften vom .Oktoberds. Js. geht an den Ausschuß.

Der Gesetzentwurf, betreffend Aenderung der Vorschriften über Pfändbarkeit von Ge⸗ haltsansprüchen (Beamtengehälter bis 120 000 un⸗ pfändbar), wird in erster und zweiter Lesung ohne Debatte er⸗ ledigt, ebenso in dritter Lesung der vom Abg. Stresemann (D. Vp.) eingebrachte Gesetzentwurfüber Verlänge⸗ rung der Zuckerungsfrist für Weine des Jahrgangs 1922.

Es folgt die dritte Beratung des von den Sozial⸗ demokraten und der bürgerlichen Arbeits⸗ eingebrachten Gesetzentwurfs v

enderung des Artikels 180 der Verjassung wonach die Amtsdauer des Reichsprä denten bis 30. Juni 1925 verlängert werde soll. Dazu liegt vor der Antrag der Deutschnatio⸗ nalen, die müchst⸗ Wahl des Reichspräsidenten am 3. De⸗ zember 1922 stattfinden zu lassen, sowie der Antrag der Deutschnationalen, auf Aussetzung der Verkündung des Gesetzes über die Verlängerun der Amtsdauer des Reichspräsidenten; die Verkündung soll für zwei Monate aus⸗ gesetzt werden. Eine Debatte findet nicht mehr statt. Präsident Löbe teilt mit, daß er die dazu beantragte namentliche Ab⸗ stimmung zwischen 12 ½* und 1 Uhr vornehmen lassen werde.

1

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sinad.

Almerikanisierung des Beamtentums.

Angestellten nicht.

dingungslose

8

Auch zur dritten Beratung des Gesetzentwurfs über die Getreideumlage wird das Wort nicht mehr genommen. Die einzelnen Artikel werden angenommen. Die Gesamtabstimmung wird namentlich sein und wird gleichfalls für eine spätere Stunde ausgesetzt.

Darauf soll die dritte Beratung des Gesetzentwurfs über Aenderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte vorgenommen werden. Der Präsi⸗ dent bemerkte noch, daß infolge der unerwartet schnellen Er⸗ ledigung der bisherigen Tagesordnung die Vertreter des Mini⸗ steriums zu diesem Gegenstand noch nicht anwesend sind, und

vertagt deshalb um 11 ½ Uhr die Fortsetzung der Sitzung auf

12 Uhr.

Nach Wiederaufnahme der Sitzung wird zunächst das neue Versicherungsgesetz für Angestellte in britter Lesung beraten. Eine allgemeine Besprechung findet nicht statt. 1

In der Einzelberatung liegt zu § 101 der in zweiter Lesung abgelehnte Antrag wieder vor, die Ernennung der Beamten und Direktionsmitglieder und der übrigen etatsmäßigen Mitglieder der Ver⸗ sicherungsanstalt durch den Reichspräsiden⸗ tennach VorschlagdesReichsratsauf Lebens⸗ zeit erfolgenzu lassen. H 1

Ein Eventualantrag des Zentrums will die Wider⸗ ruflichkeit für die ersten drei Jahre festsetzen.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns bittet, die Regierungs⸗ vorlage wieder herzustellen, d. h. die Grundrechte der Beamten nicht zu gefährden, die ihnen die Verfassung gewähre. Dazu gehöre die lebenslängliche Anstellung. Anderenfalls kämen wir zu einer Mit dem Eventualantrag könne sich die Regierung befreunden.

Abg. Andre (Zentr.) empfiehlt den Antrag, betr. lebens⸗ längliche Anstellung, im Interesse einer unparteiischen Geschäfts⸗

rung. fah Abg. Giebel (Soz.) führt aus, es gäbe doch auch andere nicht lebenslänglich angestellte Beamte, die unparteiisch ihr Amt ver⸗ walteten. (Abg. Andre [Zentr.]: Wir haben an dem unabhängigen Bürgermeister genug!) Es handele sich ja auch nicht um eine Reichsbehörde. Redner lehnt auch den Eventualantrag ab.

Abg. Erkelenz (Dem.): Ein demokratischer Staat kann nur durch weitgehende Selbstverwaltung bestehen. Deshalb lehnen wir in unserer Mehrheit den Antrag auf lebenslängliche An⸗ stellung ab. Eine staatlich⸗bürokratische Sozialpolitik wollen die

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Man soll doch hier nicht mit Schlagworten operieren, sondern rein sachlich vorgehen.

Abg. Malzahn (Komm.) erklärt sich im Interesse der Selbstverwaltung gegen die lebenslängliche Anstellung.

Abg. Thiel (D. Vp.) spricht sich für den Eventualantrag aus. Drei Jahre Prüfungszeit würden durchaus genügen, um zu be⸗ urteilen, ob ein Beamter für lebenslängliche Anstellung geeignet

9„† el.

neber den Zentrumsantrag, betreffend be⸗ lebenslängliche Anstellung, wird namentlich abgestimmt.

Der Hauptantrag des Zentrums wird mit 210 gegen 182 Stimmen abgelehnt. Auch über den Eventualantrag (Wider⸗ ruf der Anstellung nach drei Jahren) wird namentlich abge⸗ stimmt. Der Eventualantrag wird mit 207 gegen 174 Stimmen angenommen.

Bei der Gesamtabstimmung über die Novelle zum Ver⸗ sicherungsgesetz für Angestellte wird die Vorlage einstimmig

angenommen.

Es soll nunmehr die namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf über die Verlängerung der Amtsdauer des Reichspräsidenten stattfinden.

Abg. Koenen (Komm.) beantragt, die Debatte über diesen Gegenstand wieder zu eröffnen (Lachen), und zwar aus formellen

Gründen. Der Redner seiner Partei sei vorhin, als dieser Punkt

der Tagesordnung aufgerufen wurde, nicht im Saale, sondern zu einer Besprechung im Fraktionszimmer gewesen, und es sei nicht das sonst übliche Signal nach den Zimmern gegeben worden. Redner beantragt auch für die Getreideumlage die Wiedereröffnung

der Debatte. 8

Abg. Ledebour (U. Soz.) verlangt gleichfalls die Wiedereröffnung der Debatte. Es liege noch der deutschnationale Antrag auf Aussetzung der Verkündung des Gesetzes vor, der noch nicht einmal begründet sei. Der Sinn des Parlaments sei Rede und Gegenrede, das Wesen des Parlamentarismus sei aber den Herren noch nicht in ihre hohlen Schädel eingegangen. (Große Heiterkeit.) Es habe eine Verabredung zwischen den Koalitions⸗ varteien stattgefunden, keine Debatte mehr zu machen. Damit ruinierten sie das Parlament und die Republik. (Gelächter.) Da müsse man an die Wählermassen appellieren. (Heiterkeit.)

Abg. Müller⸗Franken (Soz.) stellt fest. daß keinerlei Abrede

vwischen den Parteien stattgefunden habe. Der Präsident sei ge⸗ cchäftsordnungsmäßig richtig verfahren. Es sei oft vorgekommen,

daß in der dritten Beratung nicht wiederholt wurde, was schon in

der zweiten Lesung gesagt war. Wenn die Fraktion Ledebour gegen

die Vereinigte Sozialdemokratie an die Wählermassen appellieren wolle, so könne dem mit Ruhe entgegengesehen werden.

Der Antrag auf Wiedereröffnung der Diskussion wird gegen die Stimmen der Kommunisten, des Abg. Ledebour und einiger Deutschnationaler abgelehnt.

Die namentliche Abstimmung über die Verlängerung der Amtsdauer des Reichspräsidenten bis 30. Juni 1925 ergibt die Annahme mit 314 gegen 76 Stimmen (Deutschnationale und Kommunisten) bei einer Stimmenthaltung.

Präsident Löbe: Ich stelle fest, daß die für Verfassungsände⸗ rungen erforderliche Anzahl von zwei Dritteln der Mitglieder des Keichstags anwesend sind und von den Antwesenden mehr als zwei Drittel mit ja gestimmt haben. Das Gesetz ist also zustande ge⸗ kommen. Der Reichstag hat damit das bisherige Provisorium beendet und den Reichspräsidenten ersucht, sein Amt als erster Präsident der Republik bis 30. Juni 1925 weiterzuführen.

Durch die Abstimmung ist der deutschnationale Antrag auf Vornahme der Neuwahl am 3. Dezember 1922 erledigt.

Vor der Abstimmung über den deutschnationalen Antrag auf Aussetzung der Verkündung dieses Beschlusses auf zwei Monate, der gestellt ist, um einen Volksentscheid zu ermög⸗ lichen, bemerkt

Abg. Ledebour: Wir können doch nicht über einen Antrag entscheiden, der noch nicht einmal begründet ist. (Heiterkeit.) Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.): Ich bemerke dem Abg. Ledebour, daß der Abg. Hergt den Antrag in seiner Rede ausführ⸗ lich begründet hat. (SHeiterkeit.)

In namentlicher Abstimmung wird der deutschnationale Antrag mit 310 gegen 77 Stimmen (Deutschnationale und Kommunisten) abgelehnt. 10 Stimmen enthalten sich.

Präsident Löbe: Die Abstimmung hat das nach Artikel 72 der Verfassung erforderliche eine Drittel der Stimmen nicht erreicht. Der erste Beschluß des Reichstages tritt damit sofort in Wirksam⸗ keit. Das Präsidium des Reichstages wird sich unmittelbar nach dem Schluß der Sitzung zu dem Herrn Reichspräsidenten begeben, ihm von dem Beschluß des Reichstages Mitteilung machen und ihn fragen, ob er dem Ersuchen stattgeben will. (Lebhafter Beifall.) Abg. Höllein (Komm.) ruft: Es lebe die Republik und ihr Prä⸗ sdent] (Heiterkeit.) 88

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Es soll nunmehr die namentliche Abstimmung über das Gesetz über die Getreideumlage stattfinden.

Abg. Koenen (Komm.) beantragt zur Geschäftsordnung, die Debatte über die Getreideumlage wieder aufzunehmen. Wenn es der Sozialdemokratie ehrlich sei mit dem Kampf gegen den Ge⸗ treidewucher, müßte sie für den Antrag stimmen. Auch die Re⸗ gierung müßte sich nochmals vernehmen lassen. Der Reichs⸗ 1 sei ja anwesend, und wegen der Umlage bestehe ja eine Krisis.

Abg. Ledebour (U Spoz.) schließt sich dem Antrage an. Es schienen Abmachungen hinter den Kulissen getroffen zu sein, über die man doch Auskunft erhalten müsse. Eine große Rede des Reichskanzlers sei angekündigt worden (Redner wird wiederholt vom Präsidenten QLöbe unterbrochen, einmal mit der Bemerkung: „Herr Ledebour, Sie werden sachlich“, was im Hause große Heiter⸗ keit hervorruft.)

Abg. Dittmann (Soz.) erklärt namens seiner Fraktion, daß bei Erledigung der Tagesordnung alles korrekt zugegangen sei. Niemand habe sich bei dem betreffenden Gegenstand zum Wort gemeldet, weder ein Kommunist noch Herr Ledebour. Die Sozial⸗ demokraten würden den Antrag auf Wiederaufnahme der Debatte ablehnen.

Nachdem Abg. Koenen nochmals seinen Antrag empfohlen, erklärt

Präsident Löbe, daß zu dem betreffenden Gegenstand der Tagesordnung weder Anträge noch Redner angekündigt seien.

Der kommunistische Antrag wird abgelehnt.

In namentlicher Gesamtabstimmung wird die Vorlage über Erhöhung der Preise des Umlage⸗ getreides mit 236 gegen 160 Stimmen angenommen. Da⸗ gegen stimmten Sozialdemokraten und Kommunisten.

Der Abg. Ledebour (U. Soz.) beantragt nunmehr zur Ge⸗ schäftsordnung, daß sich das Haus auf eine Stunde vertagt und der Reichskanzler benachrichtigt werde, daß der Reichstag ihn in einer Stunde erwarte, damit er Auskunft gebe, auf welche Parteien er fortan seine Regierung zu stützen gedenke. Die eben vorgenommene Abstimmung habe in einer lebenswichtigen Frage des Volkes ent⸗ schieden. Seien die Sozialdemokraten etwa geschäftsmäßige Kuh⸗ händler, daß sie an ihren Ministersesseln klebten?

Abg. Höllein (Komm.) unterstützt den Antrag des Vor⸗ redners.

Der Antrag Ledebour wird gegen die Stimmen der Kommunisten und des Abg. Ledebour abgelehnt.

Die Vorlage, betreffend anderweite Fest⸗ setzung der Grenzendespfändbaren Gehalts, wird in dritter Lesung debattelos angenommen.

Ueber den Antrag Hergt, betreffend Auf⸗ hebungder Inseratensteuer, konnte noch nicht ver⸗ handelt werden, da die Arbeiten des Steuerausschusses noch nicht abgeschlossen sind.

Der Präsident beraumt hierauf die nächste Sitzung auf Dienstag, den 7. November, 3 Uhr, an. Die Festsetzung der Tagesordnung bleibt dem Präsidenten überlassen, der eventuell auch, wenn nötig, schon früher das Haus zusammen⸗ berufen darf.

Preußischer Staatsrat.

Sitzung vom 24. Oktober 1922. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Staatsrat stimmte in seiner Sitzung am Dienstag⸗ abend zunächst den Uebergangsvorschriften zur preußi⸗ schen Pachtschutzordnung zu, die gewisse in letzter Zeit aufgetretene Unstimmigkeiten beseitigen soll. Auch dem Ver⸗ ordnungsentwurf über Ausdehnung der Pachtschutz⸗ ordnung auf Jagdpacht, Fischereipacht und Abbau⸗ verträge wurde ohne Aussprache zugestimmt.

Ebenfalls ohne Aussprache erklärte sich der Staatsrat mit einem Gesetzentwurf über die Schulversäumnisse in den vormaligen Fürstentümern Hohenzollern⸗Sigmaringen und Hohenzollern⸗Hechingen einverstanden.

Schließlich fand auch der Gesetzentwurf über die sofortige Bereitstellung von Mitteln zur Vermehrung und Ausgestaltung derstaatlichen Grenzkommissariate gegen die Stimmen der Kommunisten Annahme. Danach wird die Zahl der im Haushaltsplan vorgesehenen plan⸗ mäßigen Stellen vorübergehend um einen Kriminaldirektor, 7 Polizeiräte, 25 Grenzkommissare, 29 Kriminalsekretäre, 106 Kriminalassistenten, 661 Kriminalbetriebsassistenten und 26 Polizeisekretäre verstärkt.

Der Staatsrat vertagte sich darauf bis zum 28. November, um dann die zweite Lesung der Entwürfe einer neuen Stadt⸗ und einer neuen Landgemeindeordnung vorzunehmen.

Preußischer Landtag.

180. Sitzung vom 24. Oktober 1922, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“))

Präsident Leinert eröffnet die Sitzung nach 12 % Uhr.

Die gemeinsame Besprechung der neun Großen An⸗ fragen, betreffend die Zustände im besetzten Gebiet und im Saarland wird fortgesetzt.

Abg. Bachem (D. Nat.): Die Bedeutung unserer rheinischen Angelegenheiten wird noch immer nicht geunug gewürdigt; wir müssen allmonatlich Kundgebungen herbeiführen, um dem deutschen Volk zu zeigen, um was es geht. Das Ziel Frankreichs ist die Vernichtung, der Ruin Deutschlands; das sprechen französische Mit⸗ glieder der Interalliierten Rheinlandkommission ebenso offen aus, wie andererseits die äußerste Linke in Frankreich es in der „Humanité“ bestätigt. Das Rheinland ist der Punkt, wo Frank⸗ reich den Hebel ansetzt. Unsinnig ist es, zu glauben, daß die Besetzung der Rheinlande Frankreich vor einem neuen deutschen Angriffskriege schützen soll, ebensowenig hat sie den Zweck, die Er⸗ füllung der Reparationen zu sichern. Was die Expansionspolitik Frankreichs beabsichtigt, wird am Rhein ausgetragen. Daher der Plan Barthous, die Zollgrenze usw., gleichviel, ob in diesem Plan die Rheinlande erwähnt sind oder nicht. In dieses System paßt auch vortrefflich die französische Behauptung, daß die Besatzungs⸗ frist überhaupt noch nicht zu laufen begonnen hat; man will sie verewigen und so Herr der Rheinlande werden. Das Besatzungs⸗ heer verschlingt mehr als das ganze deutsche Heer im Frieden ge⸗ kostet hat. Unerträglich sind die Gewalttaten, die dieses Besatzungs⸗ heer in seinem Erobererdünkel in wachsender Zahl und in wachsender Schwere an der rheinischen Bevölkerung verübt. Willkürlich wird auch auf das unbesetzte Gebiet übergegriffen. Die belgischen Besatzungsbehörden überbieten vielfach noch die französischen. Kann man sich der Bestrafung der Schuldigen nicht entziehen, so fallen die Strafen oft lächerlich gering aus. Auf der andern

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

worden

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Seite schickt man diejenigen, welche über die Stärke der Besatzungs⸗ truppen der Oeffentlichkeit Mitteilung machen, wegen Spionags ins Gefängnis! Frau Schiffgeas, die Vertreterin der Sozial⸗ demokraten, hat die Franzosen für diese Greuel des französischen Militarismus zu entschuldigen versucht, indem sie sie als unsere elehrigen Schüler bezeichnete. (Pfuirufe rechts.) Gegen diese schmatliche Beschimpfung erinnere ich an das Gegenstück von 1873, wo der kommandierende General der besetzten französischen Ge⸗ biete, Herr v. Manteuffel, nach beendeter Okkupation von Frank⸗ reich ein Ehrengeschenk erhielt. (Lärm bei den Kommunisten.) Würdig der Militärwillkür zur Seite stellt sich die Zivilbehörde, die Rheinlandkommission, die sich eine Ungesetzlichkeit nach der andern herausnimmt. Die Beamtenabsetzungen sprechen selbst dem Rheinlandabkommen Hohn. Der Fall des Regierungspräsidenten Memm ist unerhört. Die Belästigungen der Immunität der Ab⸗ geordneten und sogar unserer Minister mehren sich fortgesetzt. Der deutschen Vorhut im Saargebiet können wir nur in tieser Dankbarkeit gedenken. (Lebhafte Zustimmung.) An ihr prallen alle Französierungsversuche ab. Die Einführung der Franken⸗ währung läßt schon jetzt erkennen, daß die Durchführung einer Zollgrenze einfach unerträglich sein würde. Gegen die Spott⸗ geburt von Dreck und Feuer, den Landesausschuß und den Lande rat, wendet sich einmütig die ganze Saarbevölkerung. Der B bund hat dem Saargebiet und Deutschland nicht helfen können; die Kräfte, die uns helfen können, müssen aus uns selbst heraus⸗ wachsen. Manche unserer Behörden haben nicht verstanden, volks⸗ tümliche Peolitik zu treiben; das Auswärtige Amt hat sich die Sympathien wieverholt verscherzt. Mehrfach erschwert auch die Politik der einzelnen Parteien das Zusammengehen; das darf nicht mehr vorkommen, auch nicht, daß man bei der Aemterbesetzung im besetzten Gebiet gewisse Parteien zu stark bevorzugt, auch nicht, daß man bei Volkskundgebungen dort nur die Koalitionsparteien reden läßt. Wir fordern nes sege 8b die Politik der Ein⸗ heitsfront aller Parteien. eifall rechts. b Abg. Dan 1 Near (D. 8 9 Die Fragen des besetzten Gebietes sind Fragen des deutschen Volkes. Sie dürfen nicht für perei⸗ politische Zwecke mißbraucht werden. Die Besatzungsbe 2. bven müssen dafür sorgen, daß Vorfälle, wie in VI“ Fcl, Duisburg und Hamborn im Interesse der Sicherheit der Ve⸗ völkerung in Zukunft unmöglich gemacht werden. Immer wieder muß die Forderung der Zurückziehung der Farbigen erhoben werden. Dringend notwendig ist eine Erhöhung der Quartiergelder, damit der Zwangsvermieter neben der Wohnungsnot nicht auch noch materiell zu leiden hat. Groß ist die Not der Pensionäre im besetzten Gebiek. Sie müssen halbe und dreiviertel Jahre auf Er⸗ höhungen warten. Für das Saargebiet brauchen wir eine weit⸗ blickende Wirtschaftspolitik. Wir leiden im besetzten Gebiet nicht nur unter der Besetzung, sondern auch unter den Radikalen von rechts und links. Wer heute eine Aenderung der Regierungzform gewaltsam erzwingen will, begeht ein Verbrechen am Durch die Radikalen von ördert worden. (Lärm der Kommunisten. 8 8 Ein Regierungsvertreter erklärt, daß zur Besserung der Milchversorgung im Aachener Gebiet bereits Maßnahmen er⸗ griffen seien. Ebenso sei Anweisung ergangen, die tertler⸗ entschädigung der Geldentwertung anzupassen. 8 Gegen den Jö⸗ verkauf sei bereits eine Polizeiverordnung erlassen. Auch das Zoll⸗ personal an der Grenze sei verstärkt worden.

Abg. Plenge (Komm.): Wie es mit der vom Minister⸗ präsidenten empfohlenen Schicksalsgemeinschaft steht, sieht man on der unerhörten Brotverteuerung. Die klassenbewußte Arbeiter⸗ schaft kann sich an einem Protest gegen Rechtsbeugung durch die Interalliierte Kommission nicht beteiligen; gegen sie ist das Fsch zu oft gebeugt worden. Wo war der Protest gegen den Mord an Rosa Luxemburg, an Liebknecht, gegen die Morde der „Offiziersbestie 7 Der hundertprozentige Patriotismus der Kreise um Feiiehe⸗ sichert sich immer mehr auch den politisch bestimmten Einfluß. Die Arbeiterschaft des besetzten Gebietes will mit den Separatisten nichts zu tun haben. Das Zentrum hat am 1. Juli 1919 die west⸗ deutsche Republik gefordert. Alles, was vom Zentrum über Treue zu Preußen und zum Reich gesagt wird, ist nur cemalc. elende Heuchelei. (Lärm im Zentrum.) Seinerzeit wurde ein Aufruf für die „Rheinische Republik“ erlassen, der u. a. von Trimborn, Spahn und Dr. Lauscher unterzeichnet war. (Zuruf der Kommunisten zum Zentrum: Wo ist nun der Unterschied mit Smeets ²)

Abg. Dr. Gottschalk (Dem.): Frankreich ist mit den Er⸗ gebnissen von Versailles nicht zufrieden; das ist die allgemeine Meinung drüben und Poincaré spricht nur aus, was jedermann in Frankreich denkt. Das Rheinland und das Saargebiet sollte ebenso wie Elsaß⸗Lothringen „befreit“ werden. Am Rhein wird das Schicksal Deutschländs entschieden. Man verlangt das linke Rheinufer als Generalhypothek auf Deutschland. Das Rheinland ist nach einer französischen Zeitung der Lebensnerv des Reiches. Deutschland soll zerschlagen werden, gegen die Einheit Deutsch⸗ lands richtet sich die französtsche Politik.é „Gebt Deutschland seine historische Zersplitterung wieder“, das ist das tägliche Gebet des französischen Imperialismus. Echte, deutsche Demokratie muß den Einheitsgedanken in die erste Linie stellen. Wahre National⸗ gesinnung gönnt auch den andern Völkern ihre Einheit. Die bistorische Rheinlandspolitik Frankreichs ist eine gerade Linie von Richelieun bis Poincars: Napoleon zerschlug die deutsche Einhert, Napoleon III. nannte sich den Schützer des nationalen Gedankens und schloß den Geheimvertrag mit Oesterreich, der Frankreich das linke Rheinufer sichern sollte! Heute sehen wir ganz dieselbe Politik. Außer dem Rhein aber will man das Ruhrgebiet. Richtig ist auf jeden Fall eine Politik, die darauf gerichtet ist, diesen heißen Wunsch Frankreichs nicht zu erfüllen, richtig auch dann, wenn sie Er⸗ füllungspolitik genannt wird. Das Saargebiet ist in der Ver⸗ waltung des Völkerbundes, der seinerseits ein Werkzeug in der Hand Frankreichs ist. Erfrischend ist die mannhafte Empörung der Saarbewohner gegen das sogenannte ‚Sagr⸗ parlament. Man hat eine besondere Saarlandangehörigkeit konstruiert, französische Behörden herrschen und französische Sprache. Alles gegen die Natur und gegen die Verträgel Die Saarländer sind entschlossen, sich für ihr Vaterland zu opfern; ihr Mut ist bewundernswert. Nicht die Unnatur und das Unrecht, sondern die Natur und das Recht werden siegen. Auch die Leiden, die das Rheinland erdulden muß, sind hart und schwer. Aber Sanktionen und Retorsionen werden es nicht mürbe machen; auf diesem Wege macht man keine moralischen Eroberungen. Der Rheinländer war auch stets stolz auf seine eigene rheinische deutsche Kultur. Er sieht nicht in Paris das Mekka aller Kultur. Un⸗ erträglich sind die Wohnungsschikane und die Einquartierungslast, unerträglich die Uebergriffe der Besatzungstruppen usd die schwarze Schmach. Genug der Greuel! Die Anmaßungen der Zivilbehörden sind unglaublich; jüngst nahm man sich heraus, zu bestimmen, wer in Bonn Oberbürgermeister werden soll! Alle Kreise im Rheinland, auch das Proletariat, wissen, was es mit dem französischen Imperialismus auf sich hat. Der Granitboden der rbeinischen Volksseele wird nicht erschüttert werden. Das Rheinland wird an deutscher und preußischer Treue Oberschlesien nicht nachstehen. Die Kreise, welche früher zwar beim Reich bleiben, aber los von Preußen wollten, wollen letzteres heute nicht mehr, weil Frankreich es so heiß ersehnt. Smeets hätten unsere Vorfahren in den Sumpf gesteckt, mit dem Kopf nach unten: diese Kreatur hat keine Gefolgschaft. Die rheinische Frage ist letzten Endes eine moralische Frage; Recht und Moral aber sind auf unserer Seite. Der rheinische Geist, die Macht der Idee wird die rheinische Frage entscheiden. Aber das Rheinland kann auch eine geschlossene Phalanx, ein einiges Vaterland hinter sich erwarten. In der Stunde der Not muß auch in der Opposition die Partei⸗ schablone zersprengt werden. Wir sind einiger, als es dem Aus⸗ land scheint. das nur nach solchen Dingen wie den Zirkus⸗ vorgängen am 15. Oktober urteilt, die schließlich wirklich nicht viel mehr waren als eine solenne Keilerei. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Dr. Schwering (SZentr.) legt Verwahrung ein gegen die Angriffe des Abg. Plenge auf die rheinische Zentrumspartei. Seine Beweise lägen bis zu vier Jahren zurück. Die Zentrums⸗

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