1922 / 242 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Oct 1922 18:00:01 GMT) scan diff

VBierte und Schlußklasse.

Erneuerung am Dienstag, den 3. April 1923.

Ziehungstage: 10. bis 14., 16. bis 21., 23. bis 28., 30. April, 1. bis

1 5., 7. bis 9., 11. und 12. Mai 1923. 1

Größter Gewinn im günstigsten Fall auf ein Doppellos 9): 25 Millionen Mark.

im günstigsten Fall auf ein ganzes Los 9): 12 ½ Millionen Mark.

5 000 000 2 500 000

25 000

Größtr Gewinn

8 2. 10 000 000 5 000 000 500 000

24

1

Gewinne 8 3 000 0090

2 000 000 1 000 000 500 000 250 000 125 000 100 000 75 000 50 000 40 000 25 000 20 000 15 000 10 000

6 000

3 750

20 000 000 12 099 000 8 000 000 4 000 000 2 000 6000 1 500 000 1 250 000 2 090 000 3 750 000 5 000 009 6 000 000 10 000 09 12 000 000 22 500 000 30 000 000 129 228 000

797 272 500

1 082 000 500

1 500

3 000 21 538 8 212 606 8

240 000 Gewinne 24 Prämien Abschluß.

Einnahme.

Anzahl Einsatz abzüglich Schreib⸗ der zu begebenden gebühr und Lotteriesteuer Lose %

750 000 730 000 710 000 690 000

und

262 500 000 340 666 667 331 333 333 322 000 000 500

1 256 500 500

Staatszuschuß

Ausgabe.

Gesamtbetrag der Gewinne und Prämien

1256 500 500 Oktober 1922. Generallotteriedirektion. Gramms. Pons.

Ueberhaupt Verlin, den 25.

Hetlaninnimachung.

Der gegen den Kaufmann Josef Bingen, ütticher Straße 33/35, auf Grund der YVerordnung vom

Körn,

23. Sep⸗

Handels mit allen Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbe⸗ sondere Tabakwaren, wird hiermit aufgehoben. Die Kosten dieser Veröffentlichung sind von Josef Bingen zu tragen.

Köln, den 19. Oktober 1922.

Deer Oberbürgermeister. J. V.: Schäfer.

Bekanntmachung.

Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915, etreffend Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel, wird em Kaufmann Karl Schotters, Köln, Hahnenstraße 1 a,

Handel mit sämtlichen Gegenständen des täg⸗

lichen Bedarfs, insbesondere mit sämtlichen Lebensmitteln, Ernußmitteln und Futtermitteln, untersagt. Diese Handels⸗ untersagung umfaßt auch die Betätigung als Angestellter in einem mit den Gegenständen des täglichen Bedarfs handelnden Geschäft. Die durch das Verfahbren entstehenden baren Auslagen, insdesondere die Kosten für die Veröffentlichung des Handelsunter⸗ sagungsbeschlusses, sind von Schotters zu tragen.

Köln, den 19. Oktober 1922.

Der Oberbürgermeister.

erben

JI. W.: Schäfer.

˙‧

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Der Reichsrat versammelte sich heute zu einer Voll⸗ sitzung: vorher hielten der Ausschuß für Verfassung und Ge⸗ schäfftsordnung, die vereinigten Ausschüsse für Haushalt und Rechnungswesen und für innere Verwaltung, die vereinigten Ausschüsse für Haushalt und Rechnungswesen, für Rechtspflege nd für Volkswirtschaft sowie die vereinigten Ausschüsse für Rechtspflege und für Volkswirtschaft Sitzungen.

G Nr. 55 des „Zentralblatts für Reich“, herausgegeben im Reichsministerium des Innern am 20. Oktober 1922, hat folgenden Inhalt: 1. Maß⸗ und Gewichts⸗ wesen: Bekanntmachung, betressend Aenderung des Gebührenzuschlags der elektrischen Prüfämter. 2. Statistik: Verordnung betreffend die Statistik der Seeschiffahrt. 3. Steuer⸗ und Zollwesen: Preise für Monovoltrinkhranntwein. Nachweisung über Branntwein⸗ bestände, Zuaang und Absatz an unverarbeiteten Branntwein für September 1922. Bekanntmachung üher die Verkaufspreise für

esondere Branntweinsorten und über die Kleinhandelspreise im Be⸗ friebsahr 1922/23. 4. Versicherungswesen: Berichtigung. 5. Versorgungswesen: Berichtigung zu dem Erlasse, betreffend den Uebergang der Tätigkeit der Pensionsregelunasbehörden auf die Haupt⸗ versorgungsämter usw Ungültigkeitserklärung von in Verlust ge⸗ ratenen Zivilversoraungsscheinen. Druckfehlerberichtigung. 6. Kon⸗ sulatwesen: Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandshandlungen. Exeqnaturerteilung. 7. Justizwesen: Ernennungen. 8. Polizei⸗ wesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.

das Deutsche

der Rohsolleinnahme an Gesellschaftssteuer und

an Reichsstempelabgabe

isung

esellschaftsverträge und für Wertbapiere.

Gegenstand der Besteuerung

S5

April 1922 bis Juli 1922 2

April 1921 bis Juli 1921

Juli 1922

. 3

A. Gesellschaftssteuer. I. Kapitalgesellschaftten..

Gund Wertpapiere. vom 26. Juli 1918.)

Aktien und Zwischenscheine.

Ausländische Aktien und

Mo 81e:

. . . * . . 8

III Zwischenscheine.

x.

lauten oder die durch Indossament übertragbar sind, und Zwisch

pfandbrief⸗ oder Schiffsbeleihungsbanken oder gesellschaften oder inländischer Eisenbahngesellschaften, Pavpiere mit staatlicher Genehmigung ausgegeben sind.. V. anderer inländischer Schuldner... VI. Eo8“ VII. anderer ausländischer Schuldner .. . . . .. VIII. Bergwerksanteilscheine und Einzahlungen auf solche oc“

. . 8 .

(Nach dem Kapitalverkehrssteuergesetz vom 8. April 1922.)

B. Reichsstempelabgabe für Gesellschaftsverträge (Nach dem Reichsstempelgesetz vom 3. Juli 1913, Abänderungsgesetz

II. Gesellschaftsverträge und inländische nach dem bisherigen Gesetz versteuerte

zerzinsliche Schuldperschreibungen sowie Rentenverschreibungen, sofern sie auf den Inhaber lauten oder sofern sie entweder durch Indossament übertragbar oder in Teilabschnitten ausgefertigt und mit Zinsscheinen oder Rentenscheinen versehen sind. die nicht auf den Namen

9 8

7. inländischer Gemeinden, Gemeindeverbände und Gemeindekreditanstalten, inländischer Körperschaften ländlicher oder städtischer Grundbesitzer oder inländischer Grundkredit⸗ und Hypothekenbanken oder inländischer Schiffs⸗

inländischer Siedelungs⸗

sofern diese

ausländischer Staaten, Gemeinden oder Gemeindeverbänden und

Statistisches Reichsamt.

G 396 624 257

28 942 155 191/91

14 066 57653 853 11080

. . .

747 718 514 % 3 1 487 2567

nscheine:

ö6 1 2 505 07975 6 167 355 27 13 000 540/ 30 51 141 802 30

Eisen⸗ 1 193 435 50 876 122 1. 125 250—

1423 759 20 204 406 —8 2740 650 40 302 098—-

2 538 1 752 714 241/11]

C 82 —S 00α Sdbd 0 .

00

.— 18 —0

22

427 493 703,36

Delbrück.

Preußischer Landtag.

181. Sitzung vom 25. Oktober 1922, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Das Haus berät zunächst in erster Lesung über den Ge⸗ setzentwurf, der das Dispensierrecht homöo⸗ pathischer Aerzte und das Halten ärztlicher Hausapotheken neu regelt.

„Deurch das vorgeschlagene Gesetz wird das Reglement über ie Befugnis der approbierten Medizinalpersonen zum Selbst⸗ jspensieren, der nach homöopathischen Grundsätzen bereiteten Arzneimittel vom 20. Juni 1843 aufgehoben und der Minister für Volkswohlfahrt ermächtigt, neue Bestimmungen über das Dispensierrecht der homöopathischen Aerzte sowie über die Be⸗ dingungen, unter denen Aerzten das Halten von Hausapotheken gestattet werden kann, zu erlassen.

Abg. Dr. Weyl (Soz.) wendet sich gegen den Entwurf und be⸗ merkt: Wir wünschen nicht, daß das Dispensierrecht eingeengt, viel⸗ mehr, daß es erweitert wird. Die Zentralbehörde soll auch nicht allein entscheiden, da nach unserer Ansicht hierbei weniger die öffent⸗ lichen Interessen, als die Interessen der Apothekenbesitzer berück⸗ sichtigt werden. So sehr wir die mißliche Lage der Apotheken⸗ besitzer anerkennen, so darf doch aus Gründen der Besserung dieser Lage nicht die breite Masse der Bevölkerung den Schaden haben. Gerade in den kleineren Städten ist es notwendig, Hausapotheken zu halten. Die beste Lösung wäre die Schaffung eines Reichs⸗ apothekengesetzes. Damit könnte der ganze großkapitalistische Aufzug unserer Apothekenorganisation beseitigt werden. Wir Aerzte wollen nicht länger von der chemischen Industrie ab⸗ hängig sein. Ich beantrage Ueberweisung des Entwurfes an den Ausschuß für Bepölkerungspolitik.

Die Abag. Dr. Quaet⸗Faslem (D. Nat.) und Dr. Faß⸗ bender (Zentr.) sind gleichfalls für Ausschußberatung. Ein Regierungsvertreter erklärt, daß von Beseitigung des Dispensierrechtes keine Rede sein könne. Der Entwurf wird dem Bevölkerungsausschuß überwiesen. Ohne Aussprache überweist hierauf das Haus den ge⸗ meinsamen Antrag der Parteien auf Wahr⸗ nehmung der Interessen Preußens bei der Beratung des Landessteuergesetzes dem Hauptausschuß.

Eine Reihe von Anträgen, betreffend strafgericht⸗ liche Verfolgung von Abgeordneten, wird nach den Ausschußvorschlägen erledigt, ebenso eine große Anzahl von Eingaben.

Darauf wird die allgemeine Aussprache zu der großen Anfrage der Deutschen Volkspartei über den Verkauf städtischen Hausbesitzes an Aus⸗ länder fortgesetzt.

Abg. Dominicus (Dem.): In dem kleinen Bezirk Schöne⸗ berg hat sich der Uebergang der Häuser in ausländische Hand in besonders umfangreichem Maße vollzogen. Daraus ergibt sich u. a. auch eine bedeutende Erschwerung der Verwaltung sowie die Steigerung der Gefahr der Entwendung wertvoller Bestandteile und Materialien. Es wäre zu erwägen, ob nicht die Bestellung einer Pflegschaft für solche Häuser eingeführt werden muß. Die Genehmigungspflicht und das Verkaufsrecht, die die Regierung einführen will, sind in der Idee gewiß Verbesserungen be⸗ klagten jetzigen Zustandes, aber sie erschweren ebenfalls die Ver⸗ waltung und sie kurieren nur an Symptomen herum. Das Grund⸗ übel ist, daß der Hausbesitz unrentabel geworden ist, eine bescheidene Rentabilität muß dem Hausbesitz gesichert werden. Sehr auffällig ist das Vorgehen des Oberpräsidenten und des Ministeriums gegen den Vorsteher des Wohnungsamts Schöneberg, den man vom Amte suspendiert hat, weil er das Interesse des heimischen Hausbesitzes gegenüber den Ausländern besonders eifrig wahrgenommen hat. Jedenfalls ist hier gegen einen städtischen Beamten disziplinarisch eingeschritten worden, ohne daß er oder der Oberbürgermeister gebört worden wäre. Eine solche bürokratische Maßnahme ist selbst unter dem früheren Regime nicht vorgekommen, es ist ein⸗ fach unerhört!

Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer: Meine sehr ver⸗ ehrten Damen und Herren! Ich bin leider nicht in der Lage, auf die Einzelheiten des von dem Herrn Abgeordneten Dominicus vorgebrachten Falles zurzeit einzugehen, da das Disziplinarver⸗ fahren gegen den Leiter des Schöneberger Wohnungsamtes noch schwebt und es nicht den Gepflogenheiten des Hauses entspricht, vom Ministertisch aus in schwebende Verfahren vorzeitig einzu⸗ greifen. (Zurufe bei den Deutschen Demokraten: Ist auch gar nicht geschehen!) Bitte, ich habe auch nur feststellen wollen, was ich in dieser Sache tun kann, verehrter Herr.

einer

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Ich muß aber doch sagen: bezüglich zwei Dinge unterscheiden. Wir müssen zwischen Ausländern, die sich hier zum vatem Interesse aufhalten, und solchen Ausländern, die beruflich und dienstlich, insbesondere im Dienste anderer Staaten hier weilen. (Zuruf.) Darüber ist kein Streit; es freut mich außer⸗ ordentlich, das feststellen zu können. Dann darf ich wohl sagen, daß die zuletzt erwähnten Ausländer, die sich im Dienste anderer Staaten hier aufhalten, in erster Linie die Rechte internationaler Höflichkeit, dann aber auch den Schutz des Völkerrechts genießen, das wir im Artikel 4 der Weimarer Verfassung wie unser eigenes Recht anzuerkennen uns verpflichtet haben, und von dem wir selbstverständlich in anderen Staaten für unsere Beamten eben⸗ falls Gebrauch machen. Wir müssen dies um so mehr bedenken, wenn es sich um den Beamten einer diplomatischen Stelle handelt, deren Leiter uns gegenüber so loyal entgegenkommend handelt, wie es der italienische Botschafter Frascati von Anbeginn seiner Tätigkeit an getan hat.

Ich habe es für notwendig gehalben, das hier anzuführen, um nachzuweisen, daß die Sache doch nicht so einfach liegt, wie es vielleicht nach den Worten des Herrn Abg. Dominicus den An⸗ schein haben könnte. 1

Was die Form anlangt, so darf ich mir gestatten, darauf hin⸗ zuweisen, daß es sich im außenpolitischen Interesse um eine außerordentlich eilige Sache handelte. Als die außenpolitische Spannung nicht mehr bestand, ist ja auch sofort den Dingen Rech⸗ nung getragen worden, wie der Herr Abg. Dominicus mitgeteilt hat, indem die Amtsenthebung nachher aufgehoben wurde. (Zuruf.) Den Weitergang müssen wir abwarten. Der Verlauf des Diszi⸗ plinarverfahrens wird nun ergeben, in welchem Umfange hier Schuld und Unschuld verteilt werden muß.

Abg. Hemming (D. Vp.): Gerade der Abg. Hirsch ist es gewesen, der diese hochwichtige Staatsangelegenheit zu einer Haus⸗ besitzersache gemacht hat. Es handelt sich um die Zertrümmerung unseres Volksvermögens. Darum ist die heuntige Wohnungs⸗ politik so gefährlich. Auch die Antwort des Ministers war sehr dürftig; er ist offenbar durch seine Geheimräte sehr einseitig unter⸗ richtet. Herr Hirsch meinte, es spiele hier nur die Valuta mit. Es mag ja sein, daß sie mit ins Spiel kommt, aber im Durchschnitt ist es einfach die wirtschaftliche Not, die den Hausbesitzer zum Ver⸗ kauf zwingt. Herr Limbertz hat dem Mittelstand Unverschämt⸗ heit vorgeworfen; diese Wohnungspolitik ist auch eine Unverschämt⸗ heit und ein Wucher; sie ist aber noch mehr, sie ist ein ungeheurer Fehler. Herr Hirsch meinte, der Hausbesitzer wolle an seinen Mietern verdienen. Ja, leben wir denn nicht alle von dem, was wir an unseren Mitmenschen verdienen? Warum sollen die Haus⸗ besitzer davon ausgenommen sein? Oder wollen Sie den Haus⸗ besitz in die Hand des Staates überführen? Das Reichsmieten⸗ gesetz muß man schon mit den Augen des n Hirsch ansehen, um einen Vorteil für den Hausbesitzer herauszulesen. Die Aus⸗ führungsbestimmungen des Wohlfahrtsministers haben zudem die Vorteile des Gesetzes für die Hausbesitzer fast durchweg wieder aufgehoben. Während des Krieges haben die Hausbesitzer nicht Unterstützungen erhalten, wie Herr Hirsch meinte, sondern höchstens Almosen. Andererseits ist die Wohnungsbauabgabe genau so roh wie die ganze Wohnungspolitik; ihr Ertrag ist einfach weg⸗ geworfen; denn schon heute kostet eine Dreizimmerwohnung un⸗ gezählte Hunderttausende. Bei uns im Westen sind es leider wieder Deutsche, die die Schlepper spielen. Nur mit dem Egois⸗ mus des einzelnen kann man einen Staat regieren. Die Woh⸗ nungsnot wird noch viel entsetzlicher werden, wenn erst der ganze Hausbesitz in die Hände der Ausländer gefallen ist. Verweisen Sie die Sache an den Ausschuß für Handel und Gewerbe. Kommt nicht rasch Abhilfe, dann Gnade uns Gott! (Beifall rechts.)

3 Abg. Ladendorff (Wirtschaftsp.): Alle Maßnahmen gegen die Wohnungsnot haben den Nachteil, daß sie, wenn sie wirksam werden, durch die Zeit schon weit überholt sind. Die preußischen Ausführungsbestimmungen zum Reichsmietengesetz atmen den⸗ selben Geist wie die preußische Höchstmietenverordnung. Unter diesen Umständen und angesichts der kürzlichen Rede des Wohl⸗ fahrtsministers muß man leider alle Hoffnungen auf Besserung aufgeben. Es ist richtig, aber zugleich äußerst bedauerlich, daß es dem Mietertum gelungen ist, den Hausbesitz aus der allgemeinen Entwicklung herauszuhalten. Die Folge davon ist, daß 90 Prozent der Hausbesitzer zahlungsunfähig geworden sind. Nicht zum Schutze der Mieter, um den Hausbesitz vor Valuta⸗ spekulationen zu schützen, haben wir die vielen Gesetze und Ver⸗ ordnungen für den Mieterschutz. Die Baugenossenschaften wirt⸗ schaften viel teurer, als die Privatunternehmungen. Die Höhe des Kapitals spielt gar keine Rolle. Die Baugenossenschaften wären ohne die weitgehenden staatlichen Erleichterungen bezüglich des Zinsendienstes längst erledigt. Die Behauptung, daß wir auch vor dem Kriege große Wohnungsnot hatten, trifft nicht zu. Wir

etwa

der Ausländer müssen wir einen Unterschied machen Vergnügen oder aus pri⸗

sondern

. . 9. hatten 1913 an leerstehenden Kleinwohnungen in Berlin 20 500, welche Zahl sich bis zum 1. August 1914 noch auf über

flowake bei mir (Abg. Dr. Weyl (Soz.) ruft ironisch:

verwenden.

28 000 erhöht hat. ngt die Hausbesitzer, ihre Häuf an Ausländer zu verkaufen. Der Minister sagt dagegen, die Sucht nach Dollars sei schuld. einister ist nicht imstande, den Beweis für diese Behauptung zu erbringen. Wir legen entschiedene Verwahrung dagegen ein. Man kann es den Hausbesitzern nicht

verdenken, wenn sie ihre Häuser verkaufen, ehe sie für die Sünden

der Behörden ihre Kinder verhungern lassen. Der Hausbesitz will 88 her 8 . e⸗ 8 35 . 82 2„ 2 △ᷣ 8 als eine angemessene Verzinsung des eigenen Kapitals. Der

2%

Miinister soll einmal den Beweis für seine Behauptung erbringen,

daß die Zuschläge von den Hausbesitzern nicht für Instandsetzungs⸗ arbeiten verwendet werden. Die Mietsdrosselungspolitik ist die Hauptursache für den Hausverkauf. In Berlin werden monatlich mindestens 200 Häuser an Ausländer verkauft, am letzten Dienstag allein 87. Wir haben in Berlin etwa 300 Gesellschaften mit schönen „deutsch“klingenden Namen, die sich lediglich mit der Ver⸗ schacherung des Hausbesitzes beschäftigen. Man kauft die Häuser, ohne sie überhaupt anzusehen. Am Montag war ein Tse

Pfui Dei und versicherte, daß er bei einem Hauskauf um 24 Quadratfuß trogen worden ist. So blindlings V

bell, 8

De⸗ es⸗ uS⸗

wird drauflos gekauft. In Wi haden befinden sich von 4100 Häusern 1100 im Besitz von Aus ländern. (Lebhafte Zurufe links: Dollarnoten hat man dafür ein⸗ getauscht!) Nein, ohne die Mietsdrosselungspolitik hätte kein Haus⸗ besitzer sein Haus verkauft! Von einem leistungsfähigen Hausbesitz ist die Wiederaufrichtung unserer gesamten Wirtschaft abhängig. Auch der deutsche Hausbesitz verlangt keine Regelung nach Angebot und Nachfrage. Aber er will einen Mieterschutz, der den deutschen Mieter schützt und nicht den valutastarken Ausländer. Wozu brauchen wir in Verlin noch zwanzig Wohnungsämter? Nicht der zehnte Teil der Vermietungen wird heute durch die Wohnungsämter reguliert. Das Geld dafür sollte man lieber für Wohnungsbauten

Die ganze Mieterschutzgesetzgebung ist der hellste Wahnsinn. Man entschließe sich endlich zu einem Abbau der Wohnungszwangswirtschaft. Der praktischen Mitarbeit von Handel und Handwerk darf man nicht weiter entraten. Hoffent⸗ lich lernt der Minister aus dem Irrtum.

Hierauf nimmt abermals der Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer das Wort, dessen Ausführungen wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden.

Abg. Hirsch (Soz.): Wenn es dem Hausbesitz nur darauf ankäme, das Eigenkapital angemessen zu verzinsen, so würden wir uns im Ausschuß bald einigen. Es handelt sich aber um einen Vorstoß der organisierten Hausbesitzer gegen jeden Mieterschutz. Ferr Hemming nennt das noch eine nationale Angelegenheit. Warum erfolgen dann die Hausverkäufe nicht auch an reiche In⸗ länder? Weil man am Ausländer mehr verdient. Wir wollen nicht, daß die Mietszuschläge den Hausbesitzern zufallen, damit sie sich an den Mietern bereichern. Sie sollen ebenso wie die Wobhnungsbauabgabe zum Neubau von Wohnungen verwendet

M'

Ern

Zu diesem Zweck kaufen sie aber die Ausländer nur. Wohin ein Abbau der Zwangswirtschaft führen würde, wissen wir. In einem Hause, das augenblicklich in Charlottenburg gebaut wird, würde die Miete für Stube und Küche ohne jede Heizung jährlich 60 000 Mark betragen. (Hört! Hört! links.) Wir werden alles tun, um die Mieter vor Ausbeutung zu schützen.

Abg. Dominicus (Dem.) wendet sich gegen die Form der Erledigung des Falles des Schöneberger Wohnungsamtes im Ministerium für Volkswohlfahrt. Man hätte auch den betreffenden Boamten hören müssen. Wenn der Minister als Entschuldigung anführte, die Sache hätte schnell aus der Welt geschafft werden müssen, so kann man sich auch in 24 Stunden die genügenden Informationen verschaffen.

Die Große Anfrage der Deutschen Volk über den Verkauf städtischen Hausbesitzes an Auslände dene Wohnungsausschuß überwiesen.

Es folagt die gemeinsame Beratung der Großen An⸗ frage der Abgeordneten Limbertz (Essen), Lei d und Ge⸗ nossen (Soz.) über den im Prozeß wegen der Ermordung des Reichsministers Dr. Rathenau genannten Primaner Stubenrauch in Steglitz, und der Großen Anfrage der Abgeordnesen Frau Lehmann, Oelze, Pflug, D. Reinhard und Gonossen (D. Nat.) über die im Prozeß wegen der Ermordung des Reichsministers Dr. Rathenau er⸗ hobene Beschuldigung gegen höhere Lehran⸗ stalten (Fall Stubenrauch).

Abg. Frau Dr. Wegscheider (Soz.) begründet die sozial⸗ demokratische Anfrage: In dem Prozeß wegen der Ermordung Rathenaus ist in Leipzig zur Sprache gekommen, daß Heinz Stubenrauch, der wiederholt Mordabsichten gegen Rathenau ge⸗ äußert und Mordpläne entworfen hat, noch jetzt Primaner des staatlichen Realgymnasiums zu Steglitz ist. Wer trägt die Schuld daran, daß gegen ihn nicht einmal im Wege der Schulzucht ein⸗ geshritten worden ist? Wen trifft die Aeußerung des Beisitzers Febrenbach im Staatsogerichtshof, daß es bezeichnend ist für die Zustände an manchen Schulen, die geradezu gemeingefährlich für Deutschland zu werden drohen? In unseren höheren Schulen gibt es Herde. die vergiftend wirken für die deutsche Republik. Der Schäler Stubenrauch hat noch die Kühnheit gebabt, auszusagen, nach der Lektüre des Testaments Friedrichs des Großen entspreche die Tat seinen Ansichten. Wir haben gehört, daß an dem „Nest⸗ abend“ einer der Täter erschienen ist. Man sagt, man habe ihn 8 IWII . 77 . Sa 0 im Spaß Mörder genannt. Dieser „Spaß“ spricht Bände! Im Lynzeum in Wilhelmsburg werden Schüler, die schwarz⸗rot⸗goldene Bänder an der Mütze tragen, als Verräter am Vaterlande be⸗

Bzimpft. Sonst trägt man dort seit 1922 schwarz⸗weiß⸗rote Bänder an den Schülermützen. In der Geschichtsstunde ist das Wort ge⸗ fallen, am Verlust Elsaß⸗Lothringens seien die sozialdemokratischen Landesverräter schuldig. (Lebhaftes Hört, Hört! bei den Sozial⸗ demokraten.) Sondarbarerweise hat sich in Steglitz keine Mutter gefunden, die dagegen

protestiert hätte, daß ihre Kinder mit einem Menschen wie Stubenrauch auf der Schulbank sitzen. Sehr beeinflußt wird die Jugend durch die Jugendbünde. Der Ingend⸗ bund „Bismarck“ verfolgt nach seinen Satzungen deutschvölkische Ziele. (Hört, Hört! links.) An der Spitze seines Organs steht das Motto: „Mit Gott für Kaiser und Reich“. Dieser Bund besitzt sogar goldene Abzeichen. Mit einem von diesen ist der Abg. Kauff⸗ mann beglückt worden. (Aha⸗Rufe links. Lachen rechts.) Unter anderen existiert auch ein Jugendbund der Deutschen. Volkspartei, alles an sich harmlose Bünde. (Zuruf rechts: Arbeiterjugend!) Die Arbeiterjugend arbeitet überhaupt nicht parteipolitisch. Es wird dort nur die Treue zum Reich und zur schwarz⸗rot⸗goldenen Fahne vertreten. (Lachen und Zurufe rechts.) Eine Sonderrolle spielt der Deutschnationale Jugendbund. Seine Anhänger tragen den Gardestern mit den schwarz⸗weiß⸗roten Farben. Das ist in der heutigen Zeit eine schwere Provokation. (Lebhafte Zu⸗ stimmung links. Stürmische Rufe rechts: „Die Rote Fahne“.) Im Organ des deutschnationalen Jugendbundes wird unaufhörlich gehetzt. Die Konferenz von Genua wird der zionistische Kongreß von Genua genannt. (Hört, hört! links.) Auch die nationale

s an

Jugend von Steglitz nennt sich unpolitisch, veranstaltet

Bism eine Sonnenwendfeier. (Große Heiterkeit rechts.) Ich würde auch Schülervereine ablehnen, die provokatorisch 32 Sowjetstern an der Mütze trügen. (Zurufe des Abg. Scholem.) Vier Jahre hat die Republik vergeblich versucht, den Gedanken des Volksstaates in den höheren Schulen lebendig zu machen. Wir haben eben dort eine systematische Tötung des Staatsgedankens. Stürmischer Widerspruch rechts.) Dafür kann nur der Minister verantwortlich gemacht werden. (Zuruf des Abg Koch (D. Nat.): Denunzieren Sie man weiter!) Wenn ein Abgeordneter etwas ) e8 .

ah von einem Mißstande zeugt, dann muß er es an die effentlichkeit bringen. Mit dem Wort „Denunziation“ wollen ie (nach rechts) eine absichtliche Täuschung. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Echt chriftlich pfui!) Wir brauchen endlich

werden. Unsere Häuser dürfen nicht Spekulationsobjekte werden.

Por ber

nl

iter 2. rt, was

8 8 8 Gesch . ir unsere Jugend, die uns nicht mehr lächerlich machen. Aber man weiß ja, daß die wahre Liebe des Ministers nicht der Republik gehört. Die Koalition darf den Parteien nicht die Freiheit der Kritik nehmen. Eine parteipolitische Schule können wir nicht brauchen, dafür aber Staats⸗ und Volksgesinnung. Fort mit der Alkohol⸗ und Tabakpest auch in unserer Jugend! Auch in das Ressort des Kultusministeriums müssen Beamte hinein, die politische Verantwortung tragen. (Lebhafte Zurufe rechts: Aha, aha! Sozialdemokraten!) Dem darf sich der Minister nicht ver⸗ schließen. (Beifall bei den Sozialdemokraten. Lebhafte Zurufe rechts: Und der Fall Stubenrauch?)

Die Große Anfrage der Deutschnationalen knüpft an den Wortlaut der Aeußerung des Staatsgerichtshofbeisitzers

Fehrenbach zu dem Zeugen Stubenrauch an, die mit den Worten schloß, daß „in solchen Erziehungsanstalten Zustände herrschen, die geradezu ge. eingefährlich sind für das deutsche Volk“, und fragt, was das Staatsministerium tun will, um dieser haltlosen Beschuldiaung der seiner Obhut anvertrauten höheren Lehranstalten wirksam zu begegne

Abg. Oelze (D. Nat.): Die leidenschaftlichen Darlegungen der Vorrednerin haben alles Mögliche berührt, nur nicht den Fall Stubenrauch (lebhafte Zustimmung rechts; Abg. Frau. Dr. Weg⸗ cheider ruft; Sie haben nicht zugehört!). Wir befinden uns in

3 8. 4 .2 8 8 888 8 vAAA ganz ähnlicher Lage wie vor hundert Jahren nach den Befreiungs⸗ kriegen; es scheint aber leider, als ob die aus einer Zeit zu ziehende Lehre ganz ungenutzt bleiben soll. Die beherzigenswerten Worte Treitschkes zur Ermordung Kotzebues finden anscheinend heute bei den herrschenden Parteien keinen Widerhall. Auch heute werden ver⸗ einzelte Fälle in verhängnisvoller Weise verallgemeinert, selbst ein Freiherr vom Stein, selbst ein Gneisenau erschienen damals ver⸗ dächtig. Hat Stubenrauch nur törichte Reden geführt, dann soll man diese nicht zum Anlaß nehmen, eine jugendliche Existenz in ihrer Entwicklung zu knicken. Im Jahre 1919 wurde in Berlin ein Sohn Liebknechts festgenommen, der sich am Aufstand beteiligt hatte; aber damals ist man gegen diesen Oberprimaner Liebknecht nicht eingeschritten (Rufe rechts: Was sagen Sie nun ?). Der vor⸗ malige Reichskanzler Fehrenbach hat im Reichstag am letzten Freitag sich ausdrücklich zu seiner Leipziger Aeußerung bekannt. Wer waren die „man“, die wußten, welche Rolle Stubenrauch spielte? Die Schüler lehnen diese Wissenschaft entschieden ab. Ebensowenig können die Lehrer dafür in Anspruch genommen werden. Nach der Untersuchung war ja das Verfahren gegen Stubenrauch ein⸗ gestellt worden; es ist auch durchaus verständlich, „wenn ein 2 19 8 85 . 8 nn . Irö.; 8 Püdagoge einem schwachen Schüler nicht die Möglichkeit rauben will, für seine Versetzung weiter am Unterricht teilzunehmen, um doch vielleicht noch seine Versetzung zu erreichen. Wenn aber selbst die Verdächtigung des Paulsen⸗Realgymnasiums zuträse, wie läßt sich die Verallgemeinerung beweisen, die Herr Fehrenbach beliebt hat, welches sind die anderen Erziehungsanstalten, hinter deren Gemeingefährlichkeit „man“ gekommen ist? Mit aller Entschieden⸗ heit weise ich den Vorwurf zurück, daß an den höheren Lehranstalten eine bewußte Verhöhnung des Staatsgedankens betrieben wird. Staatsgedanke und Stagtsform werden hier verwechselt. „Herr Fehrenbach hat unbewiesene Behauptungen aufgestellt, er ist das Opfer falscher Informationen gewesen. Er war aber kein Gewöhn⸗ licher, der das aussprach, es war ein alter führender Parlamen⸗ tarier und ein früherer Reichskanzler. Um so mehr hätte er Wert darauf legen müssen, daß seine Worte nicht Mißdeutungen unter⸗ liegen. Ich kann die Aeußerung nur erklären aus einer gewissen

838 . . 7 . qm;A. Infektion durch die Psychose unserer Zeit, durch das Wirthsche

b ; 2u D; 1 zosos Wor Wort: „Der Feind steht rechts“. Die Hetze, die sich an dieses Wort angeschlossen hat, hat auch diesen Niederschlag gezeitigt. Um aus dieser Atmosphäre herauszukommen, muß die Schuljugend ent⸗ politisiert werden. die Schuliugend überhaupt, nicht nur die der höheren Lehranstalten. Mit der Volksgemeinschaft verträgt sich der Klassenkampf nicht. Frau Wegscheider bezeichnet die Farben, unter denen das Deutsche Reich zustande kam, als provokatorisch! Weiter verlangen wir größere Vertiefung des Unterrichts in der Geschichte, zumal ihrer religiösen, christlichen Grundlage; keine Betonung des Materialismus!

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Boclitz: Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es der Sachlichkeit unserer Verhandlungen am besten dienen wird, wenn ich Ihnen zu⸗ nächst den Tatbestand des sogenannten Falles Stuben⸗ rauch nach den amtlichen Feststellungen mitteile, die wenigstens zu einem vorläufigen Abschluß gekommen sind. Ich verlese Ihnen dabei den Wortlaut der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 660 der Abgeordneten Dr. Steffens und Buchhorn vom 17. Ok⸗ tober 1922 auf Druckseite Nr. 3716 über den Fall des in den Rathenauprozeß verwickelten Schülers Stubenrauch, wie er im Ministerium am vergangenen Freitag festgestellt worden war:

„Der Schüler der Unterprima des städtischen Paulsen⸗Real⸗ gymnastums in Berlin⸗Steglitz Heinz Stubenrauch fehlte am 28. Juni d. J., zunächst unentschuldigt, im Unterricht. Bevor die äbliche Anfrage an die Eltern nach dem Grunde der Schulversäumnis hinausgegangen war, wurde am 29. Juni Nachmittags dem Direktor bekannt, daß Stubenrauch in die Strafsache wegen Ermordung des Reichsministers Dr. Rathenau verwickelt und am 27. Juni Nach⸗ mittags verhaftet worden sei. Erst am 21. Juli ging in der Anstalt eine amtliche Mitteilung des Oberreichsanwalts ein, daß gegen Stubenrauch durch Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung die öffentliche Klage erhoben worden sei. Von dieser Mitteilung machte der Direktor dem Provinzialschulkollegium sofort Meldung. Am 19. August brachte der Vater des Schülers diesen zu dem Direktor, legte ihm den Schein über die Entlassung aus dem Untersuchungsgefängnis vor und bat um Wiederzulassung des Schülers zum Unterricht, damit er noch seine Versetzung erreichen könne. Der Direktor gestattete dem Schüler, vom 21. August ab wieder die Schule zu besuchen, indem er ihm die äußerste Zurückhaltung seinen Mitschülern gegenüber zur Pflicht machte; zugleich erstattete er Meldung an das Provinzialschulkollegium. Unter dem 18. September zeigte der Vater des Schülers dem Direktor an, daß seiu Sohn nach

einer Mitteilung seines Verteidigers durch Beschluß des Staats⸗ gerichtsbdofs vom 11. September 1922 außer Verfolgung gesetzt worden sei. Nach den Herbstferien fehlte der Schüler dann wieder bei Beginn des Unterrichts und wurde von dem Vater damit ent⸗ schuldigt, daß er zur Zeugenvernehmung nach Leipzig geladen sei. Sobald dem Direktor dann aus den Zeitungsberichten über die Prozeßverhandlungen bekannt wurde, welche Rolle der Schüler in der Mordsache gespielt habe, ersuchte er nach Vortrag im Provinzialschul⸗ kollegium den Vater, seinen Sohn bis auf weiteres nicht zur Schule zu schicken und eine Entscheidung des Provinzialschulkollegiums ab⸗ zuwarten. Secitdem hat Stubenrauch die Schule nicht mehr besucht.

Bei dieser Sachlage ist festzustellen, daß seit dem Prozeß vor dem Staatsgerichtsbof, aus dem die Rolle des Unterprimaners Stubenrauch in der Strafsache infolge seiner öffentlichen Vernehmung zum ersten Male genauer bekannt wurde, sofort, noch vor Einsetzen der Presseangriffe, das Nötige geschehen ist, um den Schüler vom Unterricht vorläufig fernzuhalten. Ihn von der Anstalt zu verweisen, solange er in Untersuchungshaft war, lag keine Möglichkeit vor, da die Verhaftung als solche noch keinerlei objektive Feststellung der Schuld oder Unschuld bedeutet. So ent⸗ schieden ich der Auffassung bin, daß ein Schüler, der Mordpläne faßt

oder auch nur äußert, auf der Schule nicht weiter belassen werden darf, auch dann nicht, wenn er strafrechtlich nicht belangt werden kann (sehr wahr!), so deutlich muß anderseits festgestellt werden, daß ein bloßer Verdacht einer solchen Handlung noch keine ausreichende Unterlage einer Verweisung von der Anstalt bietet.

Anderseits sind in der Behandlung der Angelegen⸗ heit zweifellos Fehler gemacht worden. (Sehr richtig!) Der Direktor hätte, als ihm die Verhaftung des Sch Kers bekannt wurde, sofort dem Provinzialschulkolleginm Meldung erstatten sollen. Die Unterlassung der Meldung hat einen praktischen Schaden nicht nach sich gezogen, indes immerhin zur Folge gehabt, daß das Provinzialschulkollegium nicht rechtzeitig unterrichtet war. Als der Schüler aus der Haft entlassen worden war, hätte der Direktor ihn vorläufig unter allen Umständen vom Schulunterricht aus⸗ schließen müssen. Wenn es ihm nicht bekannt war, daß Haft⸗ entlassung nicht gleichbedeutend mit Unschuld ist, so hätte er die Entscheidung seiner vorgesetzten Behörde anrufen sollen. Auch das Provinzialschulkollegium hat darin falsch gehandelt, daß es auf die Meldung des Direktors, der Schüler sei wieder zum Unterricht zugelassen worden, nicht sofort das Nötige veranlaßt hat. Gegen das Provinzialschulkollegium und gegen den Direktor wird mit allem Nachdruck auf disziplinarem Wege eingeschritten werden.“

So beabsichtigte ich die Kleine Anfrage am Freitag ver⸗ gangener Woche zu beantworten und die von mir vorgesehenen Maß⸗ nahmen hinausgehen zu lassen. Damit wäre auch der wesentlichste Teil der Großen Anfrage der Ver. Soz.⸗Dem Partei beantwortet gewesen. Inzwischen sind aber neue Momente bekannt geworden. Der Reichstagsabgeordnete Fehrenbach hat wenigstens nach Pressemeldungen ich stütze mich dabei auf die „Germania“ in einer Reichstagsrede vom 20. Oktober mitgeteilt, daß Stuben⸗ rauch über die Mordpläne gegen Rathenau in Schülerkreisen gesprochen habe. Dieser Umstand war bisher weder durch die Ermittlungen des Direktors, noch durch die des Provinzialschulkollegiums, noch bei den Verhandlungen in meinem Ministerium festgestellt worden. Ich habe es deshalb für angebracht gehalten, ein Mitglied meines Ministeriums nach Leipzig zu entsenden, um dort die Akten des Staatsgerichtshofs einzusehen und festzustellen, welche Aussage der Primaner Stubenrauch in dieser Hinsicht gemacht hat. Der von mir entsandte Beamte ist in dieser Nacht zurückgekehrt; er hat in Leipzig nur die Aussagen de Stubenrauch in der Voruntersuchung einsehen können, während das Stenogramm der Hauptverhandlung, soweit es die Aussage Stuben⸗ rauchs angeht, noch nicht übertragen worden war. Bei dem Vortrag des von mir entsandten Beamten erhielt ich vom Provinzialschul⸗ kollegium die Nachricht, daß das Lehrerkollegium des Paulsen⸗Real⸗ gymnasiums auf Anordnung des Herrn Oberpräsidenten gestern zu dem Fall Stubenrauch Stellung genommen und sich gegen seine Ver⸗ weisung von der Anstalt, dagegen für eine stille Entfernung ausge⸗ sprochen habe. Ich habe mich darauf sofort mit dem Herrn Ober⸗ präsidenten in Verbindung gesetzt und trete seiner Meinung bei, daß eine Ausführung dieses Beschlusses vor Meldung des Beschlusses an den Herrn Oberpräsidenten nicht in Frage kommen könne. Der Herr Oberprösident teilt mir soeben telephonisch mit, daß er die Ausführung des Beschlusses des Lehrerkollegiums inhibiert habe. 1

Meine Damen und Herren, Sie dürfen überzeugt sein, daß ich mit aller Strenge vorgehen werde und daß ich selbstverständlich auf dem Standpunkt stehe, daß ein Schüler, der solche Mord⸗ pläne auch nur äußert, unter keinen Umständen auf der Schule bleiben darf. Der von mir mit den Feststellungen in Leipzig betraute Beamte hat sich noch heute morgen in meinem Auftrage zum Provinzialschulkollegium begeben, vamit dort die weiteren Maßnahmen in die Wege geleitet werden können.

Was die Große Anfrage der deutschnationalen Fraktion angeht, die von einer Beschuldigung der meiner Obhut anvertrauten höheren Lehranstalten und der Lehrerkollegien durch den ehemaligen Reichskanzler Fehrenbach als Beisitzer des Staatsgerichts⸗ hofes spricht, so muß ich erklären, vom preußischen Staats⸗ ministerium nicht erwartet werden kann, daß es zu einer Aeußerung eines Betsitzers des Staatsgerichtshofs irgendwie positiv oder negativ Stellung nimmt. (Sehr richtig! bei der D. Vp. Unruhe bei der Dnat. Vp.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, bevor ich die ganze Angelegenheit in einen größeren Zusammenhang stelle, kurz auf einige Einzelheiten eingehen, die die Abgeordnete Frau De. Wegscheider in der Begründung der Interpellation soeben hier berührt hat.

Sie sprach davon, daß seit dem Rathenauprozeß im Ministerium die Eingaben sehr schleppend behandelt würden, ja, daß eine große Anzahl von Eingaben bis heute nicht beantwortet worden sei; sie erwähnte dabei eine angebliche Eingabe, die eine Angelegenheit des Lyzeums in Wilhelmsburg betrifft.

boarn

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Ich habe soeben vor der Registratur meines Ministeriums die Nachricht bekommen, daß eine solche Eingabe im Ministerium nicht vorliegt. (Hört, hört! und Heiterkeit rechts.)

Dann hat sie den Fall des von der Anstalt verwiesenen Primaners Svringstubbe in Stargard berührt. Es wäre zweckdienlich ge⸗ Interpellantin vorher

swesen, wenn ich von der Frau darauf aufmerksam gemacht worden wäre, daß dieser Fall hier behandelt werden solle. Ich hätte dann aus. führlicher darüber berichten können. (Lebhafte Zustimmung rechts.) So kann ich heute leider nur so viel sagen, daß es sich um einen Schüler handelt, der durch einmütigen Beschluß des Lehrerkollegiums, durch einmütigen Beschluß des Provinzialschulkollegiums von der Anstalt verwiesen worden ist (hört, hört! rechts Lachen und Zurufe b. d. Komm.), und daß sich jetzt das Ministerium mit der Nachprüfung dieser Angelegenheit befaßt.

Wenn die Abgeordnete Frau Dr. Wegscheider ferner darauf hin⸗ weist, daß der Direktor des Steglitzer Realgymnasiums und auch „die anderen Faktoren“, die mit der Angelegenheit zu tun gehabt haben damit muß wohl das Provinzialschulkollegium gemeint sein —, in dieser so eminent wichtigen volitischen Frage versagt hätten, so lassen Sie mich ein Wort wenigstens für den Direktor sprechen, von dem ich den Eindruck habe, daß er eine vollkommen unpolitische Persönlichkeit ist, viellecht auch für das betreffende Mitglied des Provinzialschulkollegiums von dem ich das nicht weiß. Aber, Frau Abg. Wegscheider, wenn Sie damals Sie sind doch Mitglied dieser Behörde (lebhafte Rufe rechts: Hört, hört!) diese eminent politische Bedeutung dieses Falles erkannt haben, warum haben Sie sich damals nicht sofort an Ju⸗en

Herrn Kollegen, den Dezernenten der Anstalt, warum nicht an den