Private Steinkohlenbetriebe in der Gegend
von Ibbenbüren: Glücksburg Förderkohlen Dickenberg Förderkohlen. Buchholz Förderkohlen.. „Zeche Hammerstein bei (Kreis Melle): Förderkohlen.. E11“
. 12 252,— ℳ
““
. 11 788,— „ Wellingholzhausen
17 774,— ℳ
Borgloher Bergwerks⸗Gesellschaft, G. m. b. H., . . 17 774,— ℳ Sülz“
CENEN6 eche Ilfeld:
Iburg:
Förderkohlenn. . . 2. Sülzhayner Steinkohlenbergwerk in
hayn (Südharz): Förderkohlen.. Gewerkschaft Wenzelz Förderko2hennnn. Hannover, den 16. November 1922. Niedersächsisches Kohlensyndikat.
Schlösser. Brust.
Preußen.
Dem Elektrizitätswerk Bretleben und Umgegend e. G. m. b. H. zu Bretleben wird hierdurch auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221) das Recht verliehen, das zum Bau einer Hochspannungsfernleitung von 50 000 Volt von Sangerhausen nach Bretleben in den Kreisen Eckertsberga und Sangerhausen erforderliche Grundeigentum im Wege der Enteignung zu erwerben oder, soweit dies aus⸗ reicht, mit einer dauernden Beschränkung zu belasten. Auf staat⸗ liche Grundstücke und staatliche Rechte an fremden Grundstücken findet dieses Recht keine Anwendung⸗
Gleichzeitig wird auf Grund des § 1 des Gesetzes über ein vereinfachtes Enteignungsverfahren vom 26. Juli 1922 (Gesetzsamml. S. 211) bestimmt, daß die Vorschriften dieses Gesetzes bei der Ausübung des vorstehend verliehenen Ent⸗ 3 eignungsrechts Anwendung zu finden haben.
Berlin, den 18. November 1922. Das Preußische Staatsministerium.
Der Minister für Handel und Gewerbe. W Faques.
Auf Grund des Gesetzes über die Enteignung von Grund⸗ eigentum vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221) in Ver⸗ bindung mit § 1 des Gesetzes über ein vereinfachtes Ent⸗ eignungsverfahren vom 26. Juli 1922 (Gesetzsamml. S. 211) wird hierdurch Zuckerfabrik Körbisdorf A.⸗G. in Körbis⸗ Kreis Merseburg, das Recht verliehen, die Gemarkung Rottmansdorf im Kreise Merseburg artenblatt 1 Nr. 42 und 141/1 sowie Gemarkung Blösien in demselben Kreise Kartenblatt 2 Nr. 1, 120/2, 121/2, 149/3, 150/3 und 151/3, soweit sie zur Erweiterung der Abraumhalde der der Zuckerfabrik Körbisdorf gehörigen Braunkohlengrube Otto bei Körbisdorf erforderlich sind, im Wege der Ent⸗ eignung zu erwerben oder, soweit dies ausreicht, mit einer
dauernden Beschränkung zu belasten, und b) bestimmt, daß bei der Ausübung des vorstehend verliehenen Enteignungsrechts das vereinfachte Enteignungs⸗ verfahren Anwendung zu finden hcttat. Berlin, den 20. November 1922. “
Das Preußische Staatsministerium. Der Minister für Handel und Gewerbe. J. A.: Reuß.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Nachträgliche Verleihung der Grade „Diplomland⸗ wirt“ und „akademisch geprüfter Landwirt“. Durch die Prüfungsordnung für Studierende der Land⸗
b an landwirtschaftlichen Hochschulen und mit land⸗
wirtschaftlichen Instituten ausgestatteten Universitäten vom
s(auli 1922 — 14 IIe 10 977 M. f. L./UI 2045
M. f. V. — erlangen die Bewerber, die die Diplomprüfung
bestanden haben, den akademischen Grad „Diplomlandwirt“,
während den Bewerbern, die die Prüfung für praktische Land⸗ wirte abgelegt haben, der Grad „okademisch geprüfter Land⸗ wirt“ verliehen wird.
Die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „Diplonn landwirt“ wird auf Antrag nachträglich allen denjenigen zuer kannt, die die Prüfung für das Lehramt der Landwirtschaft (Landwirtschaftslehrerprüfung) gemäß der Prüfungsordnung vom 29. Februar 1908 bestanden haben. Ebenso wird allen Landwirten, die die Prüfung gemäß der Ordnung der Diplom⸗ prüfungen für studierende Landwirte an höheren landwirtschaft⸗ lichen Lehranstalten in Preußen vom 20. März und 18. Mai 1909 abgelegt haben, nachträglich auf Antrag die Führung der Bezeichnung „akademisch geprüfter Landwirt“ zugestanden.
Dahingehende Anträge sind unter gleichzeitiger Einsendung einer Gebühr von 50 ℳ an die Stelle zu richten, die seinerzeit das Prüfungszeugnis ausgestellt hat. Dabei ist das Ausferti⸗ gungsdatum dieses Prüfungszeugnisses anzugeben. Die Ge⸗ nehmigung des Antrags hat lediglich die Verleihung des Grades „Diplomlandwirt“ oder „akademisch geprüfter Land⸗ wirt“ zum Ausdruck zu bringen; von der Ausstellung eines Diploms für die Diplomlandwirte ist abzusehen. Die erfolg⸗ reiche Ablegung der Landwirtschaftslehrerprüfung und der bis⸗ herigen Diplomprüfung berechtigt an sich nicht zur Führung der Bezeichnung „Diplomlandwirt“ und „akademisch geprüfter Landwirt“. Diese Berechtigung wird erst durch ausdrückliche Verleihung erworben. 8
Wer sich „Diplomlandwirt“ oder „akademisch geprüfter Landwirt“ nennt, ohne dazu berechtigt zu sein, macht sich nach § 360 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs strafbar. Es wird aus⸗ drücklich darauf hingewiesen, daß das Bestehen der Diplom⸗ prüfung gemäß der Ordnung vom 20. März/18. Mai 1909 nicht das Recht mit sich bringt, die Bezeichnung „Diplom⸗ landwirt“ oder „dipl. agr.“ zu führen. 1
Berlin, den 18. Oktober 1922.
Zugleich im Namen des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Dr. Wendorff.
An den Herrn Rektor der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin und Bonn⸗Poppelsdorf, den den Sfchenseäh kurator in Breslau, Göttingen, Halle a. S., Königs⸗ berg i. Pr. und Kiel⸗ 1
8
Bekanntmachung.
Der dem Lokomotivführer a. D. Fritz Kernbach in Allenstein, Alte Wartenburger Straße 1, am 27. Juni 1922 erteilte Sprengstofferlaubnisschein Nr. 7, Muster A, wird infolge Einstellung des Betriebes zurückgezogen.
Allenstein, den 17. November 1922.
Die Stadtpolizeiverwaltung. J. A.: Zußler.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Die vereinigten Ausschüsse des Reichsrats für Volks⸗ wirtschaft, für Rechtspflege und für innere Verwaltung sowie die vereinigten Ausschüsse für Haushalt und Rechnungswesen, ür Volkswirtschaft, für innere Verwaltung, für Verkehrswesen, ür Steuer⸗ und Zollwesen, für Rechtspflege, für Reichswehr⸗ angelegenheiten und für Seewesen hielten heute Sitzungen.
Das Reichsverkehrsministerium hat unterm 6. d. M. einige Aenderungen und Ergänzungen der Anlage C zur Eisenbahn⸗Verkehrsordnung verfügt. Das Nähere geht aus der Verordnung in Nr. 31 des RGBl. Teil II. hervor.
Für Haushaltfarben (Päckchenfarben) gelten ab 25. November neue Ausfuhrmindestpreise und ⸗bedingungen. Näheres durch die Außenhandelsstelle Chemie in Berlin W. 10.
Die Ausfuhrmindestpreisliste für Wäsche⸗ und Metallhosenknöpfe K. Wm. 2 ist mit Wirkung vom 25. November 1922 erschienen und zum Preise von 71 ℳ erkl. Porto bei der Außenhandelsstelle für Schnitz⸗ und Former⸗ stoffe und Knöpfe erhältlich. Bestellungen, denen der Betrag nicht beigefügt ist, können nur unter Nachnahme ausgeführt werden.
In Ergänzung des Verzeichnisses der mit dem Kontrollstempel versehenen ausländischen Inhaber⸗ papiere mit Prämien (vergl. Nr. 297 des Reichsanzeigers von 1909) wird nachstehend der 21. Nachtrag zu diesem Ver⸗ zeichnis bekanntgegeben.
H. Türkei. DOttomanische Prämienanleihe vo 1 (Türkische 3 % 400⸗Franken⸗Lose.) “ Seiten 259 ff.
Nrn. 53344 60205 80594 96393 161878 172052 216215 216 217306 372663 392392 476344 897 500682 501271 508521 536841 842 554048 049 050 556566 673943 750472 711 761462 781057 782839 792501 970 793014 802000 827873 833327 848691 922 866885 877095 1021455 12Ge. 1038722 1040462 1060866 1086472 1180232
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DSDeutscher Reichstag. 8 272. Sitzung vom 23. November 1922, Nachmittags 5 Uhr. (Bericht dee Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Das Haus setzt die Beratung des Entwurfs einer neuen Geschäftsordnung foft. Die Abstimmung über die Anträge, betressend Interpellattonen, bei der sich neulich Beschlußunfähigkeit herausgestellt hatte, wird ausgesetzt.
Die §§ 60—62 handeln von den kleinen Künftig sollen 30 Mitglieder zur Stellung einer kleinen Anfrage erforderlich sein, die dem Präsidenten schriftlich eingereicht wird. Die Anfragen werden vom Präsidenten der Regierung mit⸗ geteilt und auf die Tagesordnung gesetzt, wenn die Antwort nicht binnen vierzehn Tagen schristlich erfolgt ist.
Ein Antrag der Kommunisten will die Bestimmung über die 30 Mitglieder streichen. Ein Antrag des Abg. Geyer⸗Leipzig (Soz.) will die Zahl 30 durch 15 ersetzen.
6 Abg. Kuno (Soz.) befürwortet die Annahme des Antrags eyer.
Abg. Könen (Komm.) ersucht um Annahme des Antrags seiner Partei. Man solle es bei dem jetzigen Zustand belassen, der ohnehin der ganzen Einrichtung nicht guünstig sei. Was für nichtssagende Antworten bekomme man von der Regierung.
Abg. Geyer⸗Leipzig (Soz. bemerkt, das Zentrum sei seiner⸗ zeit dafür eingetreten, daß jeder einzelne Abgeordnete zur Stellung von Anfragen berechtigt sei.
Abg. Dr. Bell (Zentr.): Seit den Zeiten der? kationalversamm⸗ lung hat sich auch bezüglich der Anfragen manches geändert. Die Regierung ist mit einem wahren Trommelfeuer von Anfragen über⸗ schüttet worden. Wir werden aber für den Antrag stimmen, die Zahl der Mitglieder, die zur Unterstützung kleiner Anfragen erforder⸗ lich ist, auf 15 zu beschränken.
Abg. Külz (Dem.): Nichts dient so sehr dazu, den Parla⸗
mentarismus herabzusetzen, wie das bei den kleinen Anfragen hier so oft beliebte System. Wahre Bagatellen, deren sich eine Stadt⸗ verordnetenversammlung schämen würde, sind hier in den Anfragen behandelt worden. (Beifall.) Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Ledebour (u. Soz.), der zugibt, daß mit den kleinen Anfragen Miß⸗ brauch getrieben werde, aber vorwiegend von deutschnationaler Seite, Schmidt⸗Sachsen (Soz.), der für den Vorschlag der Ausschußvorlage eintritt, Dr. Everling (D. Pp.), der sich mit der Beschränkung auf 15 Mitglieder einverstanden erklärt, wird zunächst über die bisher zurückgestellten Anträge, betreffend Interpellationen, abgestimmt.
Abgelehnt wird der Antrag, nach dem Interpellationen nur von 15 Mitgliedern untersrützt zu werden brauchen, ebenso der Antrag, wonach die ve rechung bereits von 30 Mit⸗ gliedern beantragt werden lang.
Betreffs der „kleinen Anfragen“ wird der kommunistische Antrag abgelehnt, wonach jedes Mitglied Anfragen stellen darf. Angenommen wird dagegen nahezu einstimmig der Antrag Geyer, wonach 15 Mitglieder zur Unterstützung einer „kleinen Anfrage“ nötig sind. Im übrigen bleibt es bezüglich der Inter⸗ pellationen und „kleinen Anfragen“ bei den Vorschlägen des Ausschusses.
Zum Abschnitt „Petitionen“ (8§ 63—65) beantragt Abg. Dr. Bell (Zentr.) die Streichung der Vorschrift, daß die Ausschüsse über Eingaben in der Regel schriftlich berichten.
Abg. Eichhorn (Komm.) beantragt, die Bestimmung zu streichen, daß eine Besprechung von Ausschußanträgen zu Petitionen nur stattfindet, wenn sie vom Ausschuß oder von 30 Mitgliedern beantragt wird. Außerdem soll bereits ein Mitglied (nach der Vorlage 30) “ einer Eingabe verlangen dürfen, die für ungeeignet zur Verhandlung erklärt werden soll.
Abg. Külz (Dem.) bekämpft den Antrag Eichhorn und befür⸗
wortet einen Antrag seiner Partei, eine Bestimmung des Inhalts
einzufügen, daß die Ausschüsse mit Einstimmigkeit beschließen können, daß etwaige Anträge nur auf die Tagesordnung gesetzt, nicht aber im Druck verteilt werden. Man müsse vermeiden, daß der Reichstag durch Querulanten behelligt werde.
Die Abstimmung über diese Anträge wird ausgesetzt bis zur Erledigung des nächsten Abschnitts „Auskunft der Reichs⸗ regierung über Ausführung der Reichstagsbeschlüsse“ (§§ 67 bis 68). Hier wendet sich der “
Staatssekretär Freiherr von⸗Wekser gegen den Vorschlag, daß, wenn die Regierung einem Beschluß des Reichstags nicht bei⸗ tritt, sie dem Reichstag Auskunft binnen zwei Wochen nach ihrer Be⸗ schlußfassung geben soll. Besser wäre, daß in solchen Fällen der Weg einer Vereinbarung zwischen Reichstag und Regierung ein⸗ geschlagen würde.
Abg. Dr. Kahl (D. Vp.) bemerkt, es sei wohl ein Ueber⸗ schreiten der Aufgaben der Geschäftsordnung, der Regierung eine Frist zu setzen. Das könne nur ie Verfassung. Der Redner beantragt formell, die Festsetzung einer Frist einer Vereinbarung zu überlassen. 1
Zum Abschnitt „Petitionen“ wird der kommunistische An⸗ trag abgelehnt, dagegen der demokratische angenommen. 1
Der Abschnitt „Auskunft der Regierung“ wird dahin ge⸗ ändert, daß die Festsetzung einer Frist von 14 Tagen gestrichen wird.
Es folgt der Abschnitt „Sitzungen des Reichstags“. Hier werden eine Anzahl Paragraphen, zu denen keine Anträge
vorliegen, ohne Aussprache erledigt, worauf sich das Haus 8
vv 1 Nächste Sitzung Freitag,
Erklärung der Reichsregierung). Schluß 7 Uhr.
Preußischer Landtag.
“ ö 8 183. Sitzung vom 23. November 1922, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“*).)
Vizepräsident Dr. Porsch erö fnet die Sitzung um 12 ¼ Uhrn
Die Mitteilung des Finanzministers r d spruch des Reichsfinanzministers gegen Ziffer 156 der Preußischen Besoldungsvorschriften (betreffend Anrechnung der Anwärterzeit der Stenographen und Hüfar beamten beim Preußischen Landtag) geht an den Ausschu Beamtenangelegenheiten.
Gemeinsam werden beraten die Großen Anfragen der Unabhängigen Sozialisten vom 27. April 1922, betseffend die Nichtbestätigung von 12 Berliner Gemeindeschulrektoren durch das Provinzialschulkollegium, und der Kommunisten vom 31. Mai 1922, betreffend die bisher nicht erfolgte Bestätigung der am 1. Sktober 1921 erfolgten Wahl des Studienrats Dr. Lier zum Direktor der Diesterweg⸗Realschule.
Abg. Leid (Soz.) begründet die erstgenannte Große Anfrage Die Versagung der Pestärigung sei ein Mißbrauch des Aufsichts rechts und eine Verkümmerung des ohnehin schon minimalen kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Seit anderthalb Jahren bestehe nur ein Provisorium. Da es sich durchweg um Angehörige der sozialistischen Partei handle, sei die Angelegenheit eine hoch⸗ politische geworden. Der Minister habe die Wahlen den Bezirks ämtern übertragen und sei offenbar durch das Bezirksamt Tier garten zu diesem, dem Gesetz nicht entsprechenden Schritte veran⸗ laßt worden. Dann habe das Provinzialschulkollegium zwölf der Gewählten nicht bestätigt, und gegen die Bezirksämter sei der Vor⸗ wurf erhoben worden, sie hätten die Wahlen nach politischen Rück⸗
über den Ein
sichten vollzogen; man habe sie verständigt, daß sie die Gewählten .— 9L 2
auch nicht einmal provisorisch in das Amt einzuweisen hätten. Eine weitere Seltsamkeit sei, daß bei der Prüfung der Wahlen das Hauptgewicht darauf gelegt worden sei, die Gewählten als „un⸗ geeignet“ zu kennzeichnen. Weiter komme in Betracht, daß die Berliner Schuldeputation noch immer in ihrer alten Zusammen⸗ setzung fungiere, obwohl schon vor zwei Jahren die Stadwerord⸗ netenversammlung neu gewählt worden sei. Bemängelt worden sei gerade diesmal auch noch SG daß man die Meinung der Lehrerkollegien nicht eingeholt habe. Daß ein so wütender Sozialistenfresser wie der Schulrat Dr. Schepp nicht objektiv prüfen könne, sei für die Interpellanten selbstverständlich. Man müsse bei der Haltung des Provinzialschulkollegiums auf den Ver dacht kommen, daß die Religionslosigkeit der Gewählten der Haupt⸗ grund der Nichtbestätigung sei. Nicht sachliche, sondern rein politische Gründe seien für die Versagung der Bestätigung maß⸗ gebend gewesen; den Oberstadtschulrat Paulsen habe man von de Prüfung ausgeschlossen, wie ihm auch noch immer nicht die Schul⸗ aufsicht für ganz Groß Berlin übertragen worden sei. — Der Studienrat Dr. Otto Lier, der vom Magistrat und nachher noch mals vom Bezi ksamt Wedding zum Realschuldirektor gewählt sei, sei Kommunist und offenbar nur deshalb ebenfalls nicht bestätigt worden. Solle die unerträgliche Bevormundung der Gemeinden durch die Schulaufsichtsbehörden ewig so weitergehen? Die klein⸗ liche Klassenpolitik auf dem Schulgebiet müsse aufhören. 1
Abg. Schole m (Komm.) begründet die kommunistische An frage. Die Bestätigung oder Nichtbestätigung erfolgt lediglich von politischen Gesichtspunkten. Herr Boelitz ist der Gefangene der Reaktion und er ist es gern. Der Fall Dr. Lier gehört zu denen schwärzester Schulreaktion. Die Direktorstelle in der Diesterweg⸗ Realschule ist noch heute unbesetzt. Das Provinzialschulkollegium hatte Herrn Dr. Lier auf Grund seiner Zeugnisse zur Bestätigung vorgeschlagen. Herr Boelitz hat sich gewunden wie ein Aal. (Große Heiterkeit.) Erhebungen bei dem Direktor der Anstalt, an der Dr. Lier tätig war, sind überhaupt nicht erfolgt. Auch die Nicht⸗ bestätigung des Sozialdemokraten Lisserich ruft schärfsten Protest hervor. Einen Minister, der gegen die Verfassung arbeitet und systematisch die Reaktion unterstützt, lehnen wir ab.
Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Dr. Boelitz: Meine Da nen und Herren, die Angelegenheit der Nichtbestätigung der Berliner Direktoren hat die Oeffentlichkeit in Berlin vor einigen Monaten auf das lebhafteste beschäftigt. Ich bedauere, daß die Frage, die in meinem Ministerium zur endgültigen Ent⸗ scheidung lange reif ist, bis heute noch nicht abschließend hat erledigt werden können, weil, wie Sie wissen, die sozialdemokratische Fraktion gebeten hatte, keine Entscheidung zu treffen, bevor nicht die Möglich⸗ keit einer Aussprache im Parlament gegeben sei. Die Schuld liegt also nicht an mir und auch nicht am Provinzialschulkollegium, wie der Herr Abg. Leid soeben betonte, sondern sie liegt an der Geschäfts⸗ 86 des Hauses; diese hat es leider nicht zugelassen, daß die vor Pfingsten erhobene Bitte der sozialdemokratischen Fraktion erfüllt werden konnte. Wie Sie wissen, habe ich keine Möglichkeit, auf die Geschäftslage dieses Hauses einzuwirken. 1
Ich möchte numehr auf die hier gegebene Begründung der Inter⸗ pellation der damaligen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei vom 27. April d. J., die der Herr Abg. Leid soeben hier vorgetragen hat, mit einigen Worten eingehen.
Meine Herren, es ist richtig: am 1. April 1921 gab es in den Gemeindeschulen Alt Berlin 36 freie Stellen für Rektoren, * 3 ¹ Kh SHo 8 EIN 8 2 8 8 ) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind. b
1 Uhr (Entgegennahme einer
für
ziehen sind.
Leitung vorläufig zu belassen.
tür Lester und Leiterinnen von Volksschulen, und zwar handelt es sich um die Bezirke I bis VI der Stadtgemeinde Berlin. Ent⸗ sprechend der früheren Gepflogenheit hat die städtische Schuldeputation 36 Lehrer und Lehrerinnen in Berlin ausgewählt, hat diese Lehrer und Lehrerinnen auf ihre Eignung zur Leitung von Volksschulen durch die zuständigen Kreisschulräte sorgfältig prüfen lassen und hat dann zuch diese 36 Lehrer und Lehrerinnen dem Magistrat zur Wahl vor⸗ geschlagen. Dabei ging die Schuldeputation von der Annahme aus, daß das Wahlrecht nach dem Volksschulunterhaltungsgesetz nach wie vor dem Magistrat zustehe. Schließlich hatte die Schuldeputation diesen Damen und Herren auch bereits vertretungsweise die Leitung der betreffenden Anstalt übertragen. Ehe nun die Wahl von dem Magistrat vollzogen werden konnte, wurde festgestellt, daß nicht der Magistrat, sondern daß die Bezirksämter
zur Vollziehung der Wahl zuständig seien. Der
Herr Abg. Leid hat soeben darauf hingewiesen, daß diese Auffassung einer falschen Interpretation des Gesetzes über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Groß Berlin entspringe. Die von uns ver⸗ tretene Interpretation erscheint uns dagegen als die einzig richtige. Ich nehme an, daß dem Herrn Abg. Leid die Stellungnahme des vreußischen Kultusministeriums in dieser Angelegenheit bekannt ist. Wir haben unter dem 29. Novemder 1921 in dieser Frage einen Erlaß an das Provinzialschulkollegium in Berlin herausgehen lassen, den ich hier verlesen möchte, um Ihnen die Stellung des Ministeriums in dieser Angelegenheit noch einmal darzulegen. Der Erlaß lautet: Der § 46 des Gesetzes über die Bildung einer neuen Stadt⸗ gemeinde Berlin vom 27. April 1920 ordnet allgemein an, daß die Wahlen der Lehrer und Lehrerinnen einschließlich der Di⸗ rektoren und Rektoren für die höheren Schulen durch den Be⸗ zirksausschuß, für die Volks⸗ und mittleren Schulen durch die Bezirksschuldeputation vorzubereiten sind, während die Wahlen selbst, vorbehaltlich der Rechte der Schulaufsichtsbehörde, durch das betreffende Bezirksamt zu erfolgen haben. Da der § 58 Ziffer 13 des Gesetzes für den bisherigen Stadt⸗ bezirk Berlin einschließlich des Gutsbezirks Schloß Berlin und der Gemeinde Stralau außer der Abtei, also für die Ver⸗ waltungsbezirke I bis VI, nur die Einrichtung einer einheitlichen Bezirksschuldeputation und eines einheitlichen Bezirksschulausschusses anordnet, ohne daß auch abweichende Bestimmungen über die Zu⸗ ständigkeit für die Wahlen selbst getroffen sind, kann das Gesetz nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nur dahin ausgelegt werden, daß auch in den Verwaltungsbezirken I bis VI die gedachten Wahlen durch die einzelnen Bezirksämter erfolgen sollen. Der Magistrat hat demnach bei diesen Wahlen nicht mitzuwirken, so⸗ fern das Provinzialschulkollegium nicht dessen Heranziehung auf Grund des § 45 Abs. 3 für angezeigt erachtet. Nach Vorstehendem erscheint der Text des Gesetzes genügend klar, so daß formelle Schwierigkeiten sich nicht ergeben können. Die Entscheidung darüber, ob etwa für die Zukunft eine Gesetzesänderung erfolgen soll, muß vorbehalten bleiben.
Meine Damen und Herren, es ergibt sich hiermit mit voller Deutlichkeit, daß diese Wahlen von der Schuldeputation vorzunehmen und von den Bezirksämtern zuvoll⸗ Deshalb hat die Schuldeputation durchaus in richtiger Auslegung des Gesetzes die Vorschläge alsbald den Bezirks⸗ ämtern zugeleitet, damit diese dazu Stellung nehmen sollten.
Der Erfolg war nun folgender: in zwei Bezirken, in den Be⸗ zirken II und IV, wurden sämtliche von den Schuldeputationen Vor⸗ geschlagenen gewählt; in dem Bezirk I wurde von zwei einer gewählt; im Bezirk III von zehn vier, im Bezirk V von neun zwei und im
Bezirk VI wurden von sieben zwei gewählt. Im übrigen
wurden Persönlichkeiten gewählt, zu denen
die Schuldeputation noch keine Stellungnahme genommen deren fachliche Eignung (also von der hierzu gesetzlich berufenen (Stelle noch) nicht geprüft worden war. (Hört, hört! bei der D. Vp.)
hatte (hört! hört! bei der D. Vp.)
Hierzu kommt noch, daß sofort nach dieser Wahl durch die Bezirks⸗
amter die Lehrerkammer Berlin und eine große Anzahl der beteiligten Lehrkörper Beschwerde gegen diese Wahl eingelegt hatte. (Hört, hört!
bei der D. Vp. — Ahal links.) Das Provinzialschulkollegium stellte nun zunächst fest, daß auf die Lehrkörper keinerlei Rücksicht genommen
war, und zwar entgegen einem Erlaß des Herrn Ministers Haenisch (bört, hört! bei der D. Vp.), und deshalb ordnete das Provinzial⸗
schulkollegium eine Anhörung der Lehrkörper an. Das
Provinzialschulkollegium wollte sich vergewissern, wie sich die Lehr⸗ rörper in den einzelnen Fällen zu diesen Wahlen stellten, und nun ergibt sich, daß nur eine Schule und in dieser 15 Lehrer, 9 gegen 6,
sich für die vom Bezirksamt getätigte Wahl aussprachen, alle anderen Lebrerkollegien lehnten die Wahl der Rektoren und Rektorinnen ab und traten zum Teil mit großer Wärme für die zuerst von den Schuldeputationen Vorgeschlagenen ein. (Hört, hört! bei der D. Vp.)
Meine Damen und Herren, diese ablehnende Haltung der Lehrer⸗ schaft ist an sich zweifellos nicht ausschlaggebend — da trete ich dem Herrn Abgeordneten Leid bei —, es tönnen in der Tat Gründe vor⸗ liegen, über die man einfach hinwegsehen muß. Aber hier war es doch ein Grund mehr dafür, in eine sorgfältige Prüfung einzutreten, zumal sich ergab, daß eine Besichtigung dieser Kandidaten auf ihre fachliche Eignung vorher nicht stattgefunden hatte. Ferner sollten doch immerhin tüchtige Männer und Frauen verdrängt werden, denen die Schulleiterstellen vorläufig übertragen waren. Da ist dieser Standpunkt des Provinzialschulkollegiums durchaus berechtigt.
Das Provinzialschulkollegium stellte mehrere Erwägungen an. Zunächst: die Anordnung des Stadtschulrats rückgängig zu machen, nach der die von den Bezirksämtern Gewählten sofort in ihr Amt eintreten sollten, dieser Erwägung gab es Raum. Dann, den mit der vorläufigen Leitung betrauten Lehrern und Lehrerinnen diese Auch dieser Erwägung gab es Raum.
Schließlich trat es in Erwägungen darüber ein, ob nicht die ohne Mitwirkung der Schuldeputation zustande gekommenen Wahlen für ungültig zu erklären seien.
Von dieser dritten Erwägung nahm es Abstand. Das Pro⸗ vinzialschulkollegium beschloß, die von den Be⸗ zirksämtern in Uebereinstimmung mit der Schul⸗ deputation Gewählten zu bestätigen und bei den übrigen durch Dezernenten des Schulkollegiums durch Besuch und Prüfung festzustellen, ob sie sich für das Amt eines Leiters einer S chule eignen oder nicht. 8
Das Ergebnis dieser Besichtigung ist wenig erfreulich ge⸗ wesen. Vier Lehrer und Lehrerinnen erschienen nach ihrem Lehr⸗ geschick, nach ihrer Leistung und nach ihrer gesamtpädagogischen
1
als geeignet, das Amt der Leitung einer Schule zu versehen. Bei den übrigen zeigten sich erhebliche Mängel, ja zum Teil völlige Unzulänglichkeit für die Leitung eines solchen Amts. (Hört, hört! rechts. Zuruf links.) Dazu kommt noch, daß acht der von den Bezirksämtern Vorgeschlagenen aus der exvangelischen Landeskirche ausgetreten waren. (Hört, hört! links.) Aber auch bei sechs von diesen acht lagen erhebliche Bedenken gegen ihre fachliche Eignung für die Schulleitung vor.
Das Provinzialschulkollegium hat deshalb von den 17 in Ab⸗ weichung von den Vorschlägen der Schuldeputation Gewählten vier bestätigt und 13 nicht bestätigt. Ich möchte hinzufügen, daß der Be⸗ schluß des Proinzialschulkollegiums nicht nur in der Volksschulabteilung des Provinzialschulkollegiums gefaßt worden ist, sondern nach ein⸗ gehender Beratung und Prüfung einstimmig in der Voll⸗ versammlung des Provinzialschulkollegiums. (Hört, hört! rechts.) Es ist nicht richtig, was soeben Herr Abg. Leid sagte, daß an diesen Entschließungen kein Sozialist mitgewirkt hat. Auch in der Volksschulabteilung war ein sozialistischer Dezernent, der auch an den Erhebungen teilgenommen hat. (Hört, hört! rechts.) Ich freue mich, daß Herr Abg. Leid soeben dem Leiter der Volks⸗ schulabteilung im Provinzialschulkollegium, Herrn Oberregierungsrat Pretzel, seine vollste Obiektivität bezeugt hat; Herr Pretzel ist, wie gesagt, der Leiter dieser Abteilung. Das ausgesprochene Lob erstreckt sich somit auch auf die Entscheidungen, die seine Abteilung in dieser Frage getroffen hat. (Sehr richtig! rechts.)
Dieses Verfahren des Provinzialschulkollegiums ist von sozialistischer Seite scharf verurteilt worden. Man hat in der Presse erklärt, und auch heute haben die Herren Leid und Scholem darauf hingewiesen, daß es rein politische Erwägungen gewesen seien, die das Provinzial⸗ schulkollegium geleitet hätten, daß die Sozialisten mit anderm Maß gemessen würden, als andere. Ja, man hat darauf hingewiesen, daß ich überhaupt keinen Sozialisten bestätigen wollte. Das Provinzial⸗ schulkollegium, so sagt man, hätte verhindert, daß die von den Be⸗ zirksämtern Gewählten sofort in ihr Amt eintraten, die von den Dezernenten Besuchten seien Sozialisten, die übrigen seien nicht besucht worden, die Nichtbestätigten seien fast alle Sozialisten. Demgegenüber möchte ich zunächst bemerken, daß die Prüfung der nicht in Uebereinstimmung mit der Schuldeputation Gewahlten zweifellos nötig war. Denn diese waren überhaupt auf ihre sachliche Eignung als Rektor von niemand besichtigt worden, und die fachliche Tüchtigkeit muß feststehen, bevor die vorgesetzte Behörde ihre Genehmigung erteilt. (Sehr richtig! rechts.) Dazu kam, daß Zweifel an der Zugehörigkeit der Lehrer zur evangelischen Landeskirche auf⸗ tauchten und auch Proteste des evangelischen Elternbundes vorlagen. Was den Besuch des sozialistischen Bewerbers angeht, so stand eben bei den zuerst von der Schuldeputation Gewählten fest, daß sie bereits von zwei Stadtschulräten und Kreisschulräten besichtigt waren und über ihre sachliche und fachliche Eignung kein Zweifel bestand.
Die ganze Angelegenheit ist mir persönlich vorgetragen worden. Sämtliche Einzelberichte haben mir vorgelegen. Die Nachprüfung ist erkolgt. Bei den Besichtigungen sind die zuständigen Stadts chul⸗ räte und Schulräte zur Besichtigung zugezogen worden. (Zuruf links.) — Daß Herr Oberstadtschulrat Paulsen damit nicht betraut worden ist, erklärt sich daraus, daß dafür zunächst die Stadt⸗ und Kreisschulräte des betreffenden Bezirks in Betracht kommen⸗ Wenn die zuständigen Stadtschulräte zugezogen wurden, so sind die Instanzen damit bedacht worden, deren Heranziehung auch sonst üblich ist und die die Verantwor tung dafür tragen Im übrigen möchte ich das zurückweisen, was eben von Herrn Abg. Leid oder Herrn Abg. Scholem gesagt worden ist, daß nämlich das Provinzialschulkollegium Herrn Stadtschulrat Paulsen wegen dieser Angelegenheit einen schwere Vorwurf gemacht habe. Das betrifft eine ganz andere Sache. Der Stadtschulrat Paulsen hat, soweit ich mich der Sache entsinne, einen Artikel in einer Zeitung veröffentlicht der nach der Meinung des Provinzialschulk ollegimms sachlich Unrich⸗ tiges enthielt. Daraufhin hat das Provinzialschulkollegium sich mit Herrn Paulsen über diese Angelegenheit auseinandergesetzt.
Nach eingehender Prüfung dieser Vorgänge stelle ich fest, daß der Vorwurf der parteipolitischen Vorein⸗ genommenheit des Provinzialschulkollegiums vollkommen hinfällig ist. (Lachen und Widerspruch links, Zurufe.) — Ich komme gleich auf die Fälle zu sprechen. Das Pro⸗ vinzialschulkollegium hat sich durch rein sachliche und rechtliche Erwägungen leiten lassen. Für die Objektivität des Provinzialschul⸗ kollegiums spricht schon die Tatsache, daß unter den 23 bestätigten Rektoren fünf Sozialisten sind (hört! hört! rechts — Zurufe links) — vorhin wurde behauptet, es sei überhaupt kein Sozialist bestätigt worden —, und daß unter den vom Provinzialschulkollegium selbst ernannten Rektoren zwei Sozialisten sind. — Das wissen Sie nicht, Herr Abg. Scholem, aber es ist so —. Es wäre zweifellos richtiger gewesen, wenn das Provinzialschul⸗ kollegium sämtlichen Wahlen der Bezirksämter, bei denen die Vorschläge der Schuldeputation unberücksichtigt geblieben waren, die Bestätigung vorläufig versagt und angeordnet hätte, daß die Schuldeputation, der ja die Vorbereitung dieser Wahlen nach dem Geisetze obliegt, zunächst zu jeder Persönlichkeit, zu der sie noch nicht gehört war, Stellung genommen hätte. Aber davon abgesehen, kann ich nur billigen, was das Pro⸗ vinzialschulkollegium getan hat. Es hat die Wahlen sorgfältig nachgeprüft und hat die Bestätigung bei mangelnder Qualifikation versagt. Aus den Nachprüfungen hat sich ergeben, daß die Mängel, die sich bei der Besichtigung herausgestellt hatten, zum Teil ganz erheblich waren, und daß da, wo ältere Berichte vorlagen, die günstiger waren, diese älteren Berichte den neueren Berichten gegenüber nicht mehr ins Gewicht fallen konnten. In einem Fall zeigte sich in der Tat eine erhebliche Differenz zwischen der früheren und der jetzigen Beurteilung. Ich habe darauf veranlaßt, daß der Vonsitzende des Provinzialschulkollegiums, Herr Oberregierungsrat Pretzel, persönlich in eine erneute Nachprüfung eintrat, und zwar in Gegenwart des Kreisschul⸗ rats, der früher einen besseren Bericht ausgestellt hatte. Bei dieser Revision hat der zuständige Kreisschulrat zu⸗ gegeben, daß er seinen früheren Bericht nicht aufrechterhalten könne, und hat dem Bericht des Oberregierungsrats Pretzel zu⸗ gestimmt. (Hört, hört! rechts.) Ich glaube, es liegt kein Grund vor, an der sachlichen Beurteilung der Dezernenten des Provinzial⸗ schulkollegiums zu zweifeln. Eine nochmalige Besichtigung der Nichtbestätigten durch Ministerialreferenten vorzunehmen, halte ich nicht für erforderlich.
Noch ein Wort zu den Fällen, wo die Nichtbestäfigung aus⸗ gesprochen ist, weil die Betreffenden nicht mehr zur evange⸗ lischen Landeskirche gehört hatten. Ich glaube, daß das Provinzialschulkollegium nicht nur berechtigt, sondern auch ver⸗ pflichtet war, diese Frage zu prüfen, denn einmal lagen Proteste der Elternschaft vor, und ich meine, daß solche Proteste geprüft werden müssen. Zweitens aber war es die Sorge für die ihm unterstellten Schulen, die das Provinzialschulkollegium zwang, in eine Prüfung der Angelegenheit einzutreten.
Es ist richtig, daß der Artikel 136 Absatz 2 der Reichsverfassung besagt, daß die Zulassung zu öffentlichen Aemtern von dem religiösen Bekenntnis unabhängig ist (hört! hört! links), d. h. daß die Stellung des Menschen zur Religion — ob überhaupt und zu welcher Religion er sich bekennt — für seine Stellung als Staatsbürger völlig belanglos ist. Dazu kommt aber der Artikel 136 Absatz 3. Dieser Artikel sagt ausdrücklich, daß die Behörden insoweit das Recht haben, nach der Zu⸗ gehörigkeit einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen. Also für die Ausübung gewisser Rechte und Pflichten ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgesellschaft zweifellos Bedingung. (Zurufe und Widerspruch links. Solche Rechte und Pflichten sind ohne Zweifel mit der Leitung einer Schule verbunden, die gesetzlich als Schule eines bestimmten Bekenntnisses festgelegt ist. (Sehr wahr! bei der D. Vp. — Zurufe und Unruhe links.) Der Entwurf des Reichsgesetzes zu Artikel 146 Absatz 2 des Reichsschulgesetzes⸗ der augenblicklich vem Reichstage vorliegt, sagt deshalb ganz folgerichig, daß an Schulen eines bestimmten Bekenntnisses nur Lehrer dieses Bekenntnisses wirken können. (Sehr richtig! b. d. D. Vp.) Es ist zweifellos, daß diese Interpretation von dem Herrn Reichsminister des Innern und von dem zuständigen Staatssekretär, der, soviel ich weiß, der Urheber dieses Entwurfs ist, geteilt wird. Es ist also rechtlich unzulässig, nicht der evangelischen Kirche an⸗ gehörige Lehrer als Leiter von evangelischen Schulen anzustellen. (Widerspruch b. d. V. Soz.⸗Dem. P. und b. d. Komm.) Die in Frage kommenden Berliner Schulen sind konfessionelle evangelische Schulen; daran ändert auch der Umstand nichts, daß jüdische Kinder und Kinder von Dissidenten an diesen Schulen untergebracht sind. (Sehr richtig! b. d. D. Vp. — Widerspruch links.)
Die Unterrichtsverwaltung hat in den letzten Jahren seit der Umwälzung vereinzelt Rektoren und Lehrer, die aus der Kirche aus⸗ getreten sind, vorläufig möglichst in ihren Stellen gelassen, denn sie erwartete — (Zuruf des Abg. Scholem) — Reden Sie doch nicht immer dazwischen. (Abg. Scholem: Wenn Sie hier solche Phrasen loslassen, dann muß man dazwischen rufen! — Glocke des Präsidenten.)
Die Unterrichtsverwaltung hat also, wo nicht besondere Schwierig⸗ keiten bestanden, Lehrer und Rektoren, die aus der Kirche ausgetreten waren, vorläufig möglichst in ihren Stellen gelassen, denn sie er⸗ warteten ja das Reichsschulgesetz, das klare Verhältnisse in dieser Hinsicht schaffen muß; natürlich wollte die Unterrichtsverwaltung auch nicht ohne Not Nachforschungen über die Zugehörigkeit zur Kirche anstellen. Es handelt sich hier lediglich darum, Härten zu glätsen, die eingetreten waren. Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen kann es jedoch die Unterrichtsverwaltung nicht zulassen, daß Lehtern, die nicht mehr zur evangelischen Kirche gehören, die Leitung evange⸗ lischer Schulen übertragen wird. (Sehr wahr! bei der D. Vp. — Gegenrufe bei der V. Soz⸗Dem. P. und bei den Komm.) Ich bedaure außerordentlich, daß unter den acht dissidentischen Lehrern zwei anscheinend sehr tüchtige Lehrer nicht haben bestätigt werden können, weil sie eben der Landeskirche nicht angehörten; die übrigen sechs wären für die Bestätigung nicht in Frage gekommen. Ich hoffe, daß wir bald ein Reichsschulgesetz bekommen und daß uns dann durch die weltlichen Schulen die Möglichkeit gegeben wird, auch derartigen Lehrern die veitung solcher Schulen zu übertragen. Es ist beute so viel von der Verfassungstreue geredet worden und daß man die Verfassung beachten solle. (Lebhafte Unruhe und Zurufe bei der V. Soz.⸗Dem. P.)
Meine Damen und Herren, es steht im Artikel 174 der Ver⸗ fassung: „bis zum Erlaß des in Artikel 146 Absatz 2 vorgesehenen Reichsgesetzes bleibt es bei der be⸗ stehenden Rechtslage.“ Auch in diesem Punkte ist die Ver⸗ fassung zu achten (Sehr richtig! bei der D. Volksp.) und dafür zu sorgen, daß es bei der bestehenden Rechtslage bleibt. Meine Herren von der Sozialdemokratie, Sie kennen doch die Schwierigkeiten, die gerade dieser Artikel gemacht hat. Sie wissen doch, daß Herr Haenisch sein Amt damals zur Verfügung gestellt hat, weil er diesem
Artikel nicht zustimmen konnte, und Sie haben ihn gebeten, sein Amt weiter zu verwalten. Herr Minister Haenisch hat damals di Schwierigkeiten genau erkoant, die Sie jetzt nicht erkennen wollen. (Zuru bei der Ver. Soz.⸗Dem. P.: Und die Präambel zur Kirchenverfassung! Das ist eine andere Frage, auf die wir vielleicht in einem anderen Zusammenhange einmal eingehen werden. Hier handelt es sich um eine rechtliche Frage, deren Lösung uns nach der Verfassung und nach den bestehenden Gesetzen möglich ist.
Herr Kollege Leid hat soeben im Zusammenhang mit dieser An⸗ gelegenheit auf das Wort eines Politikers hingewiesen, das aus dem Jahre 1869 stammt. Dieser Politiker — ich glaube, er heißt Spindler — habe auf einen Konsistorialerlaß vom Jahre 1799 ver⸗ wiesen, in dem davon gesprochen sei, daß es besser sei, wenn der Religionsunterricht nicht mit der Schule verbunden wäre Herr Kollege Leid braucht sich nicht auf Spindler und den Konsistorial⸗ erlaß zu berufen, dasselbe hat auch Schleiermacher ausgesprochen. Aber es sind seitdem andere Verhältnisse eingetreten. Und nicht alles, was selbst kluge Männer der Vergangenheit gesagt haben, trifft ohne weiteres auf die Gegenwart zu. Herr Kollege Leid, Sie werden auch nicht alles das, was z. B. in der Vergangenheit gegen die Sozial⸗ demokratie gesagt worden ist, jetzt als richtig und erstrebenswert be⸗ zeichnen. Warum stellen Sie jetzt als erstrebenswert hin, was im Jahre 1799 über die Frage gesprochen worden ist? (Zurufe und Unruhe bei der Ver. Soz⸗Dem. Partei.) Inzwischen ist aber doch das Volksschulunterhaltungsgesetz vom Jahre 1906 ge⸗ kommen, das ist für mich und meine Verwaltung maßgebend. (Abg. Dr. Weyl: Das beweist, wie rückständig Ihre Auffassung ist). Herr Dr. Weyl, ich bin doch an die Gesetze gebunden, genau so wie Sie. Wir haben das Gesetz vom Jahre 1906 durchzuführen, darüber kommt man nicht mit parteipolitischen Reden hinweg. Das sind Gesetze und diese Gesetze sind durchzuführen. (Unruhe und Zu⸗ rufe links.)
Was die große Anfrage Nr. 130 der Abgeordneten Scholem und
Genossen vom 31. Mai d. J. angeht, so kann ich mich darauf be⸗ schränken, folgendes zu erklären. Die Bestätigung der Wahl des