nisten), wefl sie nicht davon skberzeugt stnd, daß die Aufträge auch pünktlich ausgeführt werden. (Lachen und Zurufe bei den Kom⸗ munisgn.) Als sich die Interessenten in den skandinavischen Ländert nach den Ursachen dieser Zurückhaltung erkundigten, hoben die Auftraggeber übereinstimmend erklärt, daß man, wenn in den deutschen Zeitungen Tag für Tag Putschgerüchte auftauchten, es den Ausländern nicht verübeln könnte, wenn sie sich nicht in die Gefahr begäben, gerade dem Lande Aufträge zu erteilen, zu dem sie nicht das Vertrauen haben, daß seine Industrie und seine Volkswirtschaft diese Aufträge auch pünktlich ausführen würden. (Sehr richtig! — Zurufe bei den Kommunisten: Was für Zeitungen jesen denn diese Ausländer!) Ich möchte Sie mit diesen mahnenden Worten nicht etwa zu einer Vogel⸗Strauß⸗Politik anhalten. (Sehr richtig! bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei.) Was ist, soll gesagt werden. Ich möchte aber dringend bitten, aus einer Maus keinen Elefanten zu machen und die Dinge nur so zu schil⸗ dern, wie Sie sie sehen und nicht durch die Vergrößerungsbrille, die Sie sich täglich aufsetzen. (Dauernde Zurufe bei den Kommu⸗ nisten.) — O, er hat vecht, die Dinge in Bayern ein wenig anders zu betrachten wie in Preußen. Eehr richtig! bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei.) Ich glaube, Herr Preck, Sie haben auch einen gewissen Unterschied zwischen Preußen und Bayern gemacht. (Zurufe bei den Kommunisten: Ostpreußen!) Ich habe Ihre Ausführungen aufmerksam angehört und habe besonders be⸗ gierig darauf gelauscht, was Sie von den Randprovinzen Preußens zu sagen hatten. In den ersten Passagen Ihrer Rede wiesen Sie darauf hin, daß Sie im Osten und im Rheinland ähnliche Beob⸗ achtungen gemacht hätten wie Ihre Freunde in Bayern. In den weiteren begründenden Ausführungen zu Ihrer Interpellation haben Sie Einzelheiten dafür nicht angegeben. Ich bin nun be⸗ gierig, von Ihnen zu erfahren, was Sie im Osten ausfindig gemacht und was Sie im Rheinland speziell beobachtet haben. (Zuvufe von den Kommunisten: Wofür haben Sie Ihre Organe! Sie brauchen nur die Rote Fahne zu lesen, ich habe es vergessen, es kann noch nachgeholt werden!) — Ich will ja von Ihnen erfahren, was Sie besonders in Erfahrung gebracht haben. (Zu⸗ ruf von den Kommunisten: Das können Sie noch!) — Ich ver⸗ wahre mich dagegen, von Ihnen als Schlafmütze eingeschätzt zu werden. Ich weiß, was in Ostpreußen vorgeht. Ich weiß, was im Rheinland vorgeht. Aber Sie gerade haben kein Recht, vom Rheinland zu sprechen. (Sehr gut! im Zentrum.) Denn wenn im Rheinland besonders nach den Vorkommnissen in Düsseldorf und Köln, in den Landkreisen Köln und Düsseldorf und den ongrenzenden Bezirken jetzt eine fascistische Bewegung entstehen würde oder etwas Aehnliches, was Sie später fascistische Bewegung nennen würden, dann tragen Ihre Presse, Ihre Versammlungs⸗ vedner und die Leute, die die Streiks und Ausschreitungen hervor⸗ gerufen haben, ein voll gerüttelt Maß Schuld daran. (Sehr richtig! im Zentrum. — Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten. — Gegen⸗ rufe bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei. — Glocke des Präsidenten.)
Herr Abgeordneter Pieck hat, als er die Erscheinungen in Italien besprach, darauf hingewiesen, daß doch — ich freue mich über diese Konzession, die er unseren Einrichtungen und unseren Verhältnissen gemacht hat — ein gewisser Unterschied zwischen Italien und Deutschland bestände. (Abg. Schulz⸗Neukölln: Die Arbeiterklasse ist schärfer organisiert!) — Ich koöomme noch darauf, Herr Abgeordneter Schulz.
Ich wollte hervorheben, daß man bei diesen Betrachtungen auch gebührend den Unterschied zwischen romanischen und ger⸗ manischen Volkscharakter in Rechnung stellen muß. Bei uns „macht“ man nicht so impulsiv Revolution, wie sie die romanischen Völker „machen“. Dann aber haben die politischen Freunde des Herrn Abgeordeten Pieck und Schulz kein Verdienst daran, daß Italien und Deutschland sich nicht in einem Atemzug nennen lassen. (Sehr richtig!') Ihre Vorentschuldigungen, Ab⸗ geordneter Pieck, Ihre Polemik gegen den Chefredakteur der „Welt am Montag“, Herrn von Gerlach, beweist mir, daß Sie in diesen Dingen ein nicht ganz reines Gewissen haben. Die kommu⸗ nistischen Ausschreitungen in Italien haben in der Tat den Fascismus erst wachgerufen. (Sehr richtig! — Zurufe bei den Kommnunisten.) Auf Druck folgt Gegendruck, das werden Sie nicht wegdiskutieren können. (Zurufe bei den Kommunisten: Damals gab es gar keine Kommunisten in Italien!) — In Deutschland sind die Expercimente am Volkskörper nicht gemacht worden, die von italienischen Kommunisten, besonders im Jahre 1920, versucht worden sind. (Zuruf bei den Kommunisten: Das waren ja sozialdemokratische Gewerkschaftsführer.) — Die sozial⸗ demokratischen Gewerkschaftsführer haben mit den italienischen Syndikalisten nichts zu tun. Die Syndikalisten stehen Ihren politischen Freunden sehr viel näher. Sie haben den Syndikalisten Boldring als Ihren Mann reklamiert. (Lebhafte Zuruse bei den Kommunisten.)
Man darf auch nicht vergessen, daß die Zersplitterungsversuche in der Arbeiterbewegung in Italien Erfolge gehabt haben, in Deutschland erfreulicherweise nicht in dem Umfange. (Sehr richtig! — Zurufe bei den Kommunisten.) Ich weiß nicht, ob meine privaten und amtlichen Bemühungen dazu beigetragen haben, die Einigkeit der deutschen Arbeiterschaft zu erhalten. Jedenfalls habe ich mich darum bemüht und darf mir vielleicht auch einen Teil dieses Erfolges zuschreiben.
Nun Ihre Anfrage! Sie sprechen von „Tatsachen“, daß führende Männer des Putsches, u. a. Mussolini selbst, erst kürzlich in Berlin gewesen sind, von einer weiteren „Tatsache“, daß die italienischen, ungarischen und russischen Konterrevolutionäre untereinander in dauernder Verbindung stehen. (Abg. Katz: Darüber ist Ihnen nichts bekannt!) Nein, ich muß ehrlich gestehen, davon ist mir nichts bekannt. Gewiß, ich gebe die Möglichkeit zu, Mussolini, der ein gebildeter Mann ist, wird auch einmal in Deutschland gewesen sein. Ich habe mich nicht darüber informtert, ob Herr Mussolini vom Reichskanzler Wirth empfangen worden ist. Aber seien Sie doch nicht, neidisch: Herr Krassin ist auch vom Reichskanzler empfangen worden und Herr Radeck auch. (Zuruf links: Ist aber kein Banditenhäuptling!) — Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht ob es nicht Gruppen in Deutschland gibt, die die Bezeichnung, die Sie Herrn Mussolini angedeihen lassen, auf Herrn Radeck übertragen möchten. Ich habe gar keinen Anlat, Herrn Mussolini in Schutz zu nehmen (Zuruf links). — noch weiß ich nicht, welche Entwicklkung Herr Krassin und 8 Radek 8 nommen haben oder später einmal nehmen d
“ ein sehr radikaler Sozialist in
Mussolini war ja doch einmal früheren Jahren.
Ich weiß also nicht, mit welchen „Tatsachen“ Sie auf⸗ warten können. Ich kann nicht behaupten, daß ungarische, italienische und russische Konterrevolutionäre gemeinsame Sache machen wollen. Ich kann insbesondere nicht behaupten, daß das auf preußischem Boden geschieht. Wo solche Feststellungen von mir getroffen werden können und getroffen werden, da werden sie Anlaß geben, das Notwendige in die Wege zu leiten. (Lachen links.) Ich komme darauf später, wenn ich Ihre Anklagen der verschiedenartigen Behandlung der Ausländer in Preußen zu ent⸗ kräften habe.
Dann begründen Sie Ihre Interpellation in Hinblick auf die Ankündigung des deutschnationalen Parteiführers Hergt auf dem Parteitage in Cörlitz. (Abg. Katz: Den nehmen Sie natürlich nicht ernst! — Heiterkeit.) — Sehen Sie, Sie haben mich schon verstanden. (Abg. Katz: Sie sind erkannt! — Heiterkeit.) Ich nehme Herrn Abgeordneten Hergt durchaus ernst. Aber wenn er auf einer solchen Tagung davon spricht, daß die Deutschnationalen auch auf die Straße gehen wollen (Zuruf recht: Hat er nicht gesagt!), — oder ins Volk (Zuruf rechts: Das ist nicht dasselbe!) — für meine Beurteilung ist es ganz gleichgültig, denn ich nehme weder die eine noch die andere Lesart besonders ernst. Wenn Sie (rechts) sagen, Sie wollen ins Volk gehen (Zuruf: Das ist ernst gemeint!), — ja, gewiß. (Zuruf rechts: Das Volk ist mit dem Parlament sehr unzufrieden!) Das Volk hat recht. (Bravo! rechts und Zuruf: Auch mit Severing unzufrieden!) Da hat es schon weniger recht! (Heiterkeit.)
Meine Herren, ich habe ja wiederholt, gerade wenn ich mit Ihnen (rechts) in Polemiken geriet, darauf aufmerksam gemacht,
s 1
daß Sie noch nach Kräften zur Diskreditierung des Parlamen⸗ tarismus beitragen. Ihre endlosen großen und kleinen Anfragen, die endlosen langen und manchmal nicht gerade gehaltreichen Reden, die endlosen Wiederholungen zu allen möglichen Themen können unmöglich im Lande die Respektierung des Parlamen⸗ tarismus erzielen. Das ist ganz ausgeschlossen. Also da sind wir ganz einig. (Heiterkeit links.) Ich glaube aber, Sie stellen Ihrer früheren Tätigkeit ein sehr schlechtes Zeugnis aus, wenn die Ankündigung des Herrn Hergt, ins Volk zu gehen, eine neue Aera für Sie einleiten soll, denn Sie haben ja bisher den Anspruch erhoben, durch Ihre Zeitungen und Versammlungsreden mit dem Volk verbunden zu sein. Wenn diese Ankündigung etwas Neues bedeuten sollte (Zurufe), dann muß man doch, glaube ich, der Auslegung der Rede des Herrn Hergt mehr Berchtigung zuerkennen, die da meint, daß Sie auch die Straßenkundgebungen und Demonstrationen in Anspruch nehmen, die doch bisher mehr Kampfesmittel der Linken gewesen sind. (Zurufe.) Nun meine ich aber, meine sehr verehrten Herren, daß die Herren von der Kommunistischen Partei gerade nicht berufen sind, den Deutsch⸗ nationalen deswegen Vorhaltungen zu machen. (Zuruf bei den Kommunisten: Wir machen ihnen keine Vorhaltungen!) — Aber warum begründen Sie denn Ihre große Anfrage im Hinblick auf die Ankündigung des deutschnationalen Parteiführers? (Zuruf bei den Kommunisten: Wir machen nur die Regierung auf⸗ merksam. — Große Unruhe und Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)
Der Herr Abgeordnete Pieck hat am Schlusse seiner Aus⸗
zuließ. (Rufe bei den Kommunisten: Nanulz Wollen Sie einmal hören, was die „Rote Fahne“ zu der Aus weisung von Süßkind und einigen anderen Redakteuren schrieb: Die Arbeiterschaft kann und wird es nicht dulden, daß das Asfplrecht zum Spott gemacht wird, daß revolutionäre Ausländer ausgewiesen werden, während russisches und anderes konter⸗ revolutionäres Gesindel unbehelligt in Deutschland bleibt! (Sehr richtig! bei den Kommunisten.) Sie wird den sozialdemokratischen Ministern deutlich zu ver⸗ stehen geben, daß man mit Arbeitern und Arbeitervertretern
anders verfährt.
(Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten. — Abg. Heilmann: Entweder drohen oder bitten, nur nicht beides!) Wenn ein sozial⸗ demokratischer Minister, überhaupt ein Minister, oder ein Polizei⸗ präsident vor einer solchen Sprache zurückweichen würde, dann müßte er im nächsten Augenblick aus seinem Amte gejagt werden. (Abg. Pieck: Sie werden es noch lernen oder gehen müssen!) — Aber, Herr Abgeordneter Pieck, Sie bringen es mir nicht bei. (Abg. Katz: Bis dahin sind Sie im Auslande und zehren von dem Geld, was die sammeln! — Große Unruhe.)
Meine Herren, die Sprache, die Sie überhaupt in Ihren Organen führen, ist nicht dazu angetan, solchen Wünschen, wie sie in der letzten Zeit wiederholt an mich herangetreten sind, irgend⸗ ein Entgegenkommen zu zeigen. (Abg. Katz: Ich habe mich auch in anderer Weise an Sie gewandt!)
Die „Kreuzzeitung“, die sich übrigens mit sehr liebevoller Sorgfalt
59 Berliner Zeitungen am ausfüthrlichsten darüber berichtet, bringt
lungsweise gar ni
dem Reichsbetriebsrätekongreß annimmt und von ollen
gestern die Auslassungen des Vorsitzenden des Reichsbetriebsräte⸗
kongresses oder des ersten Refereneen, der folgendes sagte: Die Betriebsrätebewegung habe ihre erste Kroftprobe
dem Generalstreik drohte, 8 Zirkus Busch verhafteten Ausschußmitglieder nicht frei gelassen würden, als dann ihre Freilassung darauf tatsächlich erfolgt sei. Soviel Worte, soviel Unwahrheiten. (Zurufe bei den Kommu⸗ nisten.) — Nein, das soll Grothe gesagt haben. (Abg. Katz: Das hat die „Kreuzzeitung“ entstellt! Soviel sollten Sie doch wissen, daß die „Kreuzzeitung“ keinen obiektiven Bericht erstattet!) — Also dann will ich mich sehr vorsichtig ausdrücken und sagen⸗ Wenn dieser Bericht der „Kreuzzeitung“ dem Referat entspricht, das
wahrheit. Die Entlassung der verhafteten Arbeiter ist von mir verfügt worden, ehe überhaupt ein Betriebsrätemitglied mit mir in Verbindung getreten ist. Ich habe auch später mit den Be⸗ triebsrätemitgliedern über die Entlassung kein Wort gesprochen. Wenn das die großen Erfolge der Betriebsrätebewegung sind, dan möchte ich erst einmal die kleinen sehen. (Heiterkeit. Sie werden es verstehen, daß bei einer solchen Sprache die Behörden gar nicht anders können als auf den Anweisungen zu bestehen, die gegen Ausländer getroffen sind. Herr Abgeordneter Pieck hat dann die polemischen Be⸗ merkungen hervorgehoben, die der bayerische Herr Innenministr gegen einige Verfügungen im Norden Deutschlands gebraucht hat. Ich weiß nicht — Preußen liegt ja eigentlich im Norden Deutsch⸗ lands —, ob Preußen damit besonders gemeint ist. Selbst wenn das der Fall sein sollte, habe ich keine Veranlassung, diese Polemitf
führungen auch auf den Reichsbetriebsrätekongreß verwiesen, und zurückzugeben; ich möchte nur den Norden Deutschlands gegen den
wenn die Zeitungsmeldungen über die Verhandlungen des gestrigen Eröffnungstages richtig sind, so hat Herr Pieck auch dem ersten Verhandlungstage beigewohnt. Es wird ihm denn nicht unbekannt sein, daß gestern den Teilnehmern des Kongresses Richt⸗ linien unterbreitet worden sind, in denen es unter anderem heißt: Um diese Forderungen — sie sind Ihnen ja bekannt — 3 durchzusetzen, muß die Bildung einer Arbeiterregierung, gestützt auf Arbeiterwehren, Betriebsräte und Kontrollausschüsse der mobilisierten gesamten werktäötigen Bevülkerung zur Verwirk⸗ lichung des Rettungsprogramms erkämpft werden. (Abg. Hoffmann: Die Forderung haben Sie selber einmal ge⸗ stellt! Heiterkeit.) Eine Arbeiterregierung ist ja etwas sehr schönes, aber die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten, im Reichstag und im preußischen Landtag, gestatten die Bildung einer Arbeiterregierung nicht. (Zurufe bei den Kommunisten.) — Wenn Sie die Arbeiterregierung trotz der parteipolittschen Konstellation in den Parlamenten erkämpfen wollen, so kann das doch nur außerhalb der Parlamente geschehen. (Erneute Zuruse bei den Kommunisten.) — Ich wollte nur den ungleichen Rechts⸗ boden feststellen, der zwischen Ihrer Propaganda und Ihrer moralischen Entrüstung über die Ankündigung des deutsch⸗ nationalen Parteiführers besteht. (Zurufe bei den Kommunisten: Wir ziehen die Konsequenzen aus dem, was wir sehen!)
Der Herr Abgeordnete Pieck hat dann die Ausländerpolitik der preußischen Regierung besprochen und gemeint, daß Deutsch⸗ land der Tummelplatz der Konterrevolutionäre sei, daß man zwar kommunistische Anhänger ausweise, aber denjenigen Ausländern gegenüber duldsam sei, die sich bemühten, eine enge Verbindung mit den italienischen, ungarischen und russischen Konterrevolu⸗ tionären herzustellen. Wir haben in Deutschland Hervn Sinowjeff, Herrn Radek und Herrn Losowski reden lassen. Wir haben sie
z1 Vorwurf verteidigen, als ob er nicht so frei, nicht so liberal das Vereins⸗ und Versammlungsrecht, das Recht der freien Meinungs⸗ äußerung handhabe wie das frecheitliche Bayern. Ich bin der Meinung, daß die Beibehaltung der Volksgerichte in Bayern nicht dafür spricht, daß ein besonders freiheitlicher Zug in diesem Lande herrscht. Ich bin nicht der Meinung, daß die Anregungen, die
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an preußische Behörden kommen, linksgerichtete Zeitungen zu ver⸗ bieten, ein Ausfluß besonderer Liberalität sind. (Zurufe bei den Kommunisten.) Ich glaube, daß Preußen, wenn es zu diesen von dem bayerischen Herrn Innenminister gemeinten Ländern gehörve sollte, in seiner Praxis, was freie Meinungsänßerung anlangt, sich neben der bayerischen sehen lassen kann. (Sehr richtig!) Herr Abgeordneter Pieck hat dann auch einige Bemerkungen über die Schutzrolizei gemacht und dabei einen Artikel herangezogen, der in einer sozialdemokratischen Beamtenzeitung veröfsentlicht worden ist. (Zuruf bei den Kommunisten.) — Dieser Artikel ist nicht mir, sondern dem Beamten unangenehm, der ihn geschrieben hat. (Zuruf bei den Kommunisten.) — Dieser Beamte wird für die Veröffentlichung dieses Artikels selbstverständlich zur Verant⸗ wortung gezogen werden. (Zuruf bei den Kommunisten.) — Meinungsfreiheit haben auch die Beamten; aber diese Meinungs⸗ äußerung darf nicht zu einer Lockerung der Disziplin der Schutz⸗ polizei führen. (Hört, hört! und Zuruse bei den Kommunisten.) Denn das muß jeder Beamte wissen, meine Hevrven, daß im Bezirk einer Abteilung Schutzpolizei eben diese Abteilung für Ruhe und Ordnung zu sorgen hat, nicht eine Abteilung aus anderen Bezirken (sehr richtig! bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei), und wenn nun zufällig das Rathaus und der Zirkus Busch im Bereiche dieser Abteilkung liegt, dann haben ganz selbstverständlich die Hundertschaften dieser Abteilung dafür zu sorgen, daß Ausschrei⸗ tungen am Rathaus und am Zirkus Busch nicht vorkommen. (Zurufe bei den Kommunisten.) Das würde ein schönes Durch⸗
nicht nur auf dem Haller Parteitage reden lassen, sondern Herr einander werden, wenn wir zur Bekämpfung von Unruhen vor dem
Sinowjeff sollte auch seinerzeit in der Hasenheide zu den Berliner Arbeitern sprechen. konnte, so hat doch die Polizei an diesem persönlichen Pech nicht schuld. Wir haben sowohl Herrn Süßkind von der „Roten Fahne“ wie Herrn Bermondt⸗Awalow von den „Weißgardisten“ aus⸗ gewiesen. (Zurufe bei den Kommunisten.) Dieser Kurs wird weiter beibehalten werden, daß alle diejenigen, aus dem preußi⸗ schen Staatsgebiet ausgewiesen werden, die das Asylrecht miß⸗ brauchen, gleichgültig, ob die Betroffenen nun politisch auf der äußersten Linken oder auf der äußersten Rechten oder in der Mitte stehen. (Zurufe bei den Kommunisten.) Wenn Ihnen daran liegt, einzelne russische Parteigänger oder überhaupt aus⸗ ländische Parteigänger in Preußen zu behalten, dann müssen Sie ganz andere Mittel anwenden. Die preußische Regierung hat die Ausweisungen, die Sie, Herr Abgeordneter Pieck, heute basonders kritisiert haben, nicht verfügt, um damit der Rechten einen be⸗ sonderen Dienst oder eine besondere Gesfälligkeit zu erweisen — in den Verdacht komme ich, glaube ich, bei Fhnen (nach rechte) nicht, (Rufe rechts: nein!), sie hat die Ausweisungen cufrecht⸗
erhalten, weil die Sprache in Ihren Organen eine andere Hand
1„ Nein;
—
4 EE11“ LI“ 8 1“ .
Rathaus die Polizei in Lichterfelde oder in Lichtenberg heran⸗
Wenn er das wegen seiner Heiserkeit nicht ziehen. (Zurufe und Gegenrufe links.)
Meine Herren, ich kann im allgemeinen zu beiden Inter⸗ pellationen nur erklären, daß die Stoaatsregierung nach wie vor alles aufbieten wird, um Terrorakte, ganz gleich von welcher Seite sie erfolgen, zu verhindern, um staatsfeindliche Organisationen schon im Keime zu ersticken. Ich will gar nicht im einzelnen anführen, was in dieser Beziehung bereits geschehen ist. In Preußen werden Selbftschutzorganisationen nicht geduldet. (Lachen bei den Kommu⸗ nisten.) Ich habe eine besondere Genugtuung darüber empfunden, daß mein bayrischer Herr Kollege in der vergangenen Woche in der bayrischen Kammer fast dieselbe Rede gehalten hat, die ich in der Polemik mit dem verehrten Herrn Kollegen von der Osten bereits im November 192 hier vorgetragen habe. Auch der bayrische Herr Innenminister kommt jetzt nach den Ausschreitungen der national⸗sozialistischen Partei, nach den Vorkommnissen in Koburg zu der Erkenntnis, daß Waffen nur derjenige tragen darf, der von
(Sehr richtig! bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei. Zurufe bei den Kommunisten.) ¹ Dann, Herr Pieck, noch eine Bemerkung an Ihre Adresse. In
reits glänzend bestanden, als die städtische Arbeiterschaft Berlin mit wenn die wegen der Vorgänge am
Herr Grothe gestern gehalten hat, dann ist jedes Wort eine Un⸗
11 8 6 9 Ihrer großen Anfrage fordern Sie eine Sicherheitswehr, die, nicht verseucht durch reaktionäre Elemente, geeignet ist, allen Putsch⸗ versuchen von vechts einen wirksamen Damm entgegenzusetzen. Zunächst: „Was suchest Du den Splitter in Deines Bruders Auge..“ (Lachen bei den Kommunisten.) Gibt es denn nur Putschversuche von rechts? Wir müssen doch auch Machtmittel des Staates haben, um eventuell — das „eventuell“ soll mich vor dem Verdacht schützen, daß ich Ihnen böse Absichten unterstellte — einem Putsch von links zu begegnen. (Zuruf links.) Ich verstehe die Herren von der Kommunistischen Partei nicht. Herr Pieck hat in seinem Referat gesagt, darauf komme es nicht an und das sei kein Mittel zur Besserung, daß man den Hitler⸗Garden Auer⸗Garden entgegenstellte. Ja, aber soweit darf man die Selbst⸗ verleugnung nicht treiben, — wenn ich hier vielleicht im Namen meiner bayerischen Parteifreunde spreche —, daß man an die Stelle von Auer⸗Garden, Pieck⸗Garden, Katz⸗Garden stellt — das meinen Sie doch. (Heiterkeit. — Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten.) Nein, auch davon kann keine Rede sein. Sind die Waffen in den Händen Unberufener, dann weiß man nicht, gegen wen sie gerichtet werden. (Erneute Zurufe bei den Kommunisten.) Sie vergessen eins. Wir haben 1920 die Einwohnerwehren, den Selbstschutz auflösen müssen. Der Auflösungsgrund war nicht die Erkenn tnis der preußischen Staatsminister allein, daß Selbstschutzorgani⸗ sationen überflüssig und schädlich seien, sondern der letzte Grund war das Diktat der Entente von Boulogne. Es mußten die Ein⸗ wohnerwehren aufgelöst werden, damit die Entente den Beweis erhielt, daß die Entwaffnung in Deutschland wirklich vor sich ging. Meinen Sie, daß die Entente, wenn sie die Einwohnerwehren abschaffen ließ, zulassen würde, daß Sicherheitswehren, Arbeiter⸗ wehren oder Bürgerwehren geschaffen würden? (Zuruf bei den Kommunisten.) Ich fürchte, daß der Abgeordnete Schulz nicht die Macht haben wird, die Entente zu einem anderen Standpunkt zu bekehren. (Zuruf bei den Kommunisten: In Verbindung mit Rußland sehr wohl!)
Heerr Pieck hat sich dagegen verwahrt, daß seine Parbei verant⸗
wortlich zu machen sei für die Plünderungen, die in den letzten
Wochen in den verschiedensten Orten Preußens und Deutschlands vorgelommen sind. Ich freue mich über diese Verwahrung und kann nur wünschen, daß sie in einer etwas deutlicheren Form erfolge. (Zuruf bei den Kommunisten.) — Das stimmt nicht, oder Sie sprechen in der „Roten Fahne“ zweierlei Sprache. Denn wenn Sie in der „Roten Fahne“ und in anderen kommunistischen Blättern unter der Spitzmarke: „Macht’s nach!“ davon berichten, daß in Städten und Landorten durch das Eingreifen der Kontroll⸗ ausschüsse und durch einen „sanften“ Druck der Arbeitermassen erreicht worden sei, daß die Landwirte ihr Korn billiger verkaufen (sehr gut! bei den Kommunisten), die Schuhmacher ihre Waren billiger abgeben (Bravo! bei den Kommunisten), dann sieht das nicht etva danach aus, als ob Sie jede Gewalttat verurteilen. (urufe bei den Kommunisten.)
Meine Herren, ich bin mit Ihnen ganz einig darin, daß die Staatsregierung und alle Behörden die Pflicht haben, dem Lebens⸗ mittelwucher und der Ausbeutung der Konfumenten mit allen Mitteln entgegenzutreten. Aber ich bin nicht der Meinung, daß
die Plünderungen und die Tätigkeit Ihrer Kon trollausschüsse geeig⸗ net sind, die Staatsregierung in diesem Bestreben zu unterstützen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokvaten und rechts. — Zurufe
bei den Kommunisten.) Meine Herren, Sie rufen in den Arbeiter⸗ massen, besonders in denen, die Ihnen nahestehen, ein Macht⸗ gefühl hervor, das in den tatsächlichen staatlichen und allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht begründet liegt. Sie lassen die Armen schuldig werden und kümmern sich nachher nicht um ihre Pein! (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und vechts. — Erregte Zuvufe bei den Kommunisten.) Ich kann Ihnen nur noch einmal auch von dieser Stelle mit aller Deutlichkeit erklären: die Staats⸗ regierung wird jede Hilfe willkommen heißen, die sich ihr zur⸗ Be⸗ kämpfung des Wuchers, zur Belämpfung des Schiebertums anbietet. Die Staatsregierung wird aber allen denen entgegentreten, die sich als Privatpersonen staatliche Befugnisse anmaßen (Lachen bei den Kommunisten), und wenn der Reichsbetriebsrätekongreß die Einsetzung von Kontrollausschüssen noch einmal besonders be⸗ schließen sollte, — diese Kontrollausschüsse werden in Preußen zu einer Wirksamkeit als Separatorganisationen nicht kommen. (Lachen und Zuruse bei den Kommunisten.) — Das bestimme, solange ich an dieser Stelle stehe, ich und nicht Ihr Betriebsrätekongreß. (Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten.)
Aber, meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen den Rat, daß Sie, wenn in Ihren Reihen Arbeiter, Angestellte vorhanden sind, die sich zur Mitarbeit in den Preisprüfungsstellen und anderen behördlichen Organen eignen, den Behörden Vorschläge unterbreiten mögen. Wir können nichts besseres tun, als uns in der Arbeit zur Bekämpfung des Wuchers auf alle Volkskreise zu stützen, und ich bitte SEie um diese Mitarbeit im Rahmen der allgemeinen Tätigkeit aller Volkskreise. (Unruhe bei den Kommu⸗ nisten.) Wenn Sie aber die Tätigkeit fortsetzen, die Ihre Kontroll⸗ ausschüsse als die allein richtigen Mittel praktizieren, dann tritt auch bei uns ein, was wir in Rußland gesehen haben. Die Hungersnot in Ru zuführen, sondern auf einen Rückgang der Aubaufläche.
(Sehr
wahr! bei den Sozialdemokraten und rechts. — Zurufe bei den -
Kommunisten.) Und glauben Sie, wenn Sie ihre Kontrollaus⸗ schüsse auf das Land bringen, wenn irregeleitete Arbeiter sich zu. Raubzügen auf das Land bereitfinden lassen, glauben Sie, daß dann die Landwirte geneigt sein werden, dieselbe Anbaufläche zu bestellen wie bisher? (Sehr wahr! rechts.) Wir kämen in ein noch größeres Elend hinein. (Erneute Zustintmung rechts.) Das ist die wirtschaftliche Seite, die wirtschaftliche Folge eines derartigen Vorgehens.
Und die politische Folge ist das, was Sie in Ihrer gooßen Anfrage beklagen und bekümpsen: die politische Folge ist ein Er⸗, starken jener Kräfte, die sich derartige Willkürakte nicht mehr länger geballen lassen wollen, — und dann bekommen wir das, was Sie Faszismus nennen. Wer das nicht will, der muß sich in eine Kampffront aller vernünftigen Leute einreihen. (Zurufe bei den Kommunisten.) Ich sage nicht, daß der Feind rechts steht; ich sage nicht, daß er links steht. Der Feind, der nach meiner festen Ueberzeugung in den nächsten Monaten unser Land sehr plagen wird, ist der Hunger! Wenn es angesichts der Zustände, denen wir entgegen gehen, Gruppen und Vereinigungen geben sollte, die da
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können, dann sieht der
unser gutes Recht.
den Fraktionen je eine Stunde Redezeit zur Verfügung, die
beschaffung bitten wir dringend,
wegen anderweiter B. b für die weiteren Lieferungstermine.
gungen, — und diesem Feinde vegierung. (Bravo! bei den S Kommunisten.)
185. Sitzung vom 25. November 1922, Vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)
Präsident Leinert eröffnete die Sitzung 11 Uhr 15 Minuten. 1
Die Besprechung der großen Anfragen der Deutschnationalen über die Terrovisie⸗ rung deutschnational gesinnter Arbeiter, sowie der Kommunisten über einen drohenden Rechtsputsch wird fortgesetzt.
Abg. Dallmer (D. Nat.) weist darauf hin, daß allerdings von allen Parteien Terrorakte gegen deutschnationalgesinnte Arbeiter in der Freitagssitzung zugegeben worden sind. Dabei haben sich in einer Sitzung im Reichsarbeitsministerium gerade die Sozialdemokraten so sehr aufgeregt über Terrorakte gegelt ihre Parteigänger. Es wird eben immer mit zweierlei Maß gemessen. Gesündigt wird jedenfalls auf beiden Seiten. Hier sollte das Solidaritätsgefühl der Arbeiter für Abhilfe sorgen; auch nicht⸗ sozialistisch eingestellte Arbeiter verdienen Schutz. Noch in bedeu⸗ tend größerer Zahl würden die Arbeiter sich zur deutschnationalen Sache öffentlich bekennen, wenn von sozialistischer Seite nicht der unerhörteste Zwang ausgeübt würde. Der Müinsier hat von außer⸗ parlamentarischen Mitteln gesprochen, die meine Partei anwenden wolle. Er irrt, wir wollen die Aenderung der schlimmen Ver⸗ hältnisse lediglich auf verfassungsmäßigem Wege. Ehe man nicht Gegenbeweise hat, hat man nicht das Recht, als anständiger Mensch solche Behauptungen aufzustellen. Wenn wir erklärt haben, daß wir das Volk aufklären wollen über die Mißstände des Parlamentarismus, wie er bei uns heute geübt wird, so ist das ht. (Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.) Wir sind tolerant (Lachen bei den Sozialdemokraten), weil wir von der inneren Wahrheit unserer Sache überzeugt sind, Sie (zu den Sozialdemokraten) sind es nicht, weil es bei Ihnen nicht der Fall ist. Wir rufen auf zu einer nationalen Einheitsfront. (Beifall bei den Deutschnationalen.)
Abg. ürgensen (Soz.): Sie (nach rechts) können die Leute, die Terror verübt haben, nicht von sich abschütteln. Sie tragen die Verantwortung. Sie haben aber nicht den guten Willen, die Folgen des Krieges wirksam zu beseitigen. Der gestrige Redner der Deutschen Volkspartei könnte von Bebel, den er herabzusetzen suchte, noch viel lernen, wenn er nur einmal seine Werke lesen wollte. Herr Dallmer ruft auf zu einer nationglen Einheitsfront. Dabei hat er es geradezu gebilligt, wenn die Ver⸗ trauensleute der Arbeiter terrorisiert worden sind. Und doch schreit er zeter und mordio, wenn ein schmutziges Subjekt von der Arbeiterschaft scharf angefaßt wird, das zum Verräter an ihr geworden ist. Mit Sumpfblüten à la Wiedemann kann kaum reibungslos in der Arbeiterschaft gearbeitet werden. Eine Wirt⸗ schaftspolitik, wie er sie vertritt, baut sich auf auf dem Elend der Arbeiter. (Lebhafter Widerspruch bei der Deutschen Volkspartei.) Die ganze gelbe Bewegung muß jeder anständige Mensch ver⸗ urteilen. Die deutsche Arbeiterschaft wird weder ihr, noch den Kommunisten ins Garn laufen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Damit ist die Aussprache beendet.
Das Haus tritt darauf ein in die Besprechung einer großen Reihe von Anträgen über Arbeitslosen⸗ fürsorge, Lebensmittelbeschaffung und
Rentnerfürsorge.
„Diese Anträge haben unlängst den Hauptausschuß be⸗ schäftigt, der eine zusammenfassende Formulierung der
Abhilfemaßnahmen beschlossen hat.
Für die gemeinsame Befprechung der Gegenstände steht
von einem oder Rednern wahrgenommen werden kann.
Als erster Redner erhält das Wort der
Abg. Milbera (D. Nat.): Zu den Arbeiten, die im Interesse eer Schaffung von Arbeitsgelegenheit in Angriff zu nehmen sind, ehört auch die Verbindung der Insel Fehmarn mit dem Fest⸗ ande durch eine Brücke. Der bezügliche Beschluß des Landtages ist schon ein Jahr alt, aber die Regierung hat in dieser Zeit nichts
zur Durchführung getan, sie erwägt noch, ob es nicht klüger wäre,
mehreren
ie bestehende Fährverbindung zu verbessern! Zur Lebensmittel⸗ unseren Antrag anzunehmen, daß nicht nur die Düngemittel, sondern auch die Lebensmittel zu besonders ermäßigtem Tarif auf der Reichsbahn befördert werden sollen. Die Verteuerung der Lebensmittel durch die gewaltigen Bahnfrachten ist ungeheuer und erschwert die Steigerung der Pro⸗ duktion ungemein. Wie die Verbilligung der Frachten erfolgt, ist Sache des Reichsverkehrsministeriums, daß sie erfolgen muß, ist augenscheinlich. Die Wagengestellung auch für Düngemittel ist unzureichend. Das landwirtschaftliche Bildungswesen muß aus⸗ gebaut werden. Der Preis für das Umlagegetreide muß ent⸗ prechend dem gesunkenem Geldwert allgemein erhöht werden; die ofortige Bezahlung muß den Gemeinden ermöglicht werden. Wir haben schließlich gebeten, und der Ausschuß hat zugestimmt, daß dem Volke über die Ursache der Teuexung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine den Tatsachen entsprechende Aufklärung gegeben wird. Es muß eine genaue Statistik über die Erzeugung, über die Erzeugerpreise usw. aufgestellt und publiziert werden, damit die Verbraucher erkennen, wie die von ihnen zu zahlenden Preise zustande kommen.
Abg. Riedel (Dem.)!. Die Abhilfe, die in der Fülle der vorliegenden Anträge gefordert wird, ist hauptsächlich Sache des Reiches, so in betreff der Arbeitslosenfürsorge. Was der Ausschuß vorschlägt, billigen wir; besonders unterstützen wir das Verlangen, daß das Reich durch Zuschüsse aus der produktiven Erwerbslosen⸗ fürsorge die landwirtschaftliche Melioration und die in Groß⸗ städten und Industriebezirken möglichen Notstandsarbeiten fördern möge. In der Eisenbahntariffrage, ist die Forderung des Vor⸗
vedners nach Ausnahmetarifen für Lebensmittel insofern unbe⸗
rechtigt, als die Erfahrung erwiesen hat, daß die tatsächlich von der Verwaltung bewilligten Tarifermäßigungen für Obst keines⸗
wegs eine Verbilligung der Produkte zur Folge gehabt haben, im
Gegenteil. Dem Abgeordneten Milberg ist auch entgegenzuhalten, daß noch nie auf den deutschen Bahnen soviel Düngemittel ge⸗ fahren sind, wie in den letzten zwei Monaten. Der Neubau von Lokomotiven hat einen neuen Aufschmwung genommen. Den Aus⸗ schußanträgen schließen wir uns im allgemeinen an, auch den Bemessung des Preises des Umlagegetreides 1 Den Sozialrentnern muß seitens des Reiches, des Staates und der Gemeinden die eifrigste Fürsorge zuteil werden, eine entsprechende Umgestaltung des Landessteuergesetzes, sowie eine Vereinfachung der Verwaltungs⸗ arbeit auf diesem Gebiet ist dringend notwendig. Die Kleinrentner können nicht auf das noch in weiter Ferne liegende Reichswohl⸗ fahrtsgesetz warten; für sie muß alsbald etwas geschehen. Agg. Brückner (Soz.): Unsere Gesellschaft hat alle Ursache, alles zu tun, um das heutige Elend einzudämmen. All unsere Not ist doch schließlich nur eine Folge des Krieges. Wenn wir hunderttansend Arbeitslose haben, so bedeutet das, daß über 600 000 dem Elend preisgegeben sind. Hinzu kommt, daß in vielen Industrien nur noch 24 Stunden gearbeitet wird. Hier mu vor ollem der Hebel angesetzt werden. Dringende Notwendigkeit ist der Ausbau der produktiven Erwerbslosenfürsorge. Es ist doch unerträglich, daß das Geld an die Erwerbslosen mit vollen
Händen herausgeworfen wird, während wichtige Notstandsarbeiten
——— —
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden
der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
behandeln,
“ 8 5 unterbleiben, weil die Mittel fehlen. Für Erhöhung unserer Produktion muß unsere Industrie selbst erst etwas tun. Dort herrfch, jetzt ein ungeheurer Schlendrian. Man denkt nur an ohe Dividenden und Valutageschäfte, während für eine Ver⸗ besserung der E“ und produktive Erhaltung unseres Volkes nichts übrig ist. Unsere Produzenten sind leider darauf bedacht, die Notlage des Volkes auszunutzen. Viele lebensnotwendige Güter werden jetzt schon zu verbilligten Tarifen befördert; von einer Verbilligung im Kleinhandel hat man noch nichts gemerkt. Besonders schwer ist das Los der Kleinrentner. Um stabilisierte Verhältnifse zu bekommen, brauchen wir vor allem Ruhe im Lande. Eine endgültige Besserung ist erst zu erwarten, wenn die sozialistische Gesellschaftsordnung errichtet ist.
Abg. Hagemann (ZStr.): Es sind schnelle Maßnahmen notwendig, um der für den Winter zu erwartenden Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Das erste Hilfsmittel ist die Steigerung der Produktion, besonders der Kohlenförderung. Weiter müssen Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden durch die Weiterführung von Kanal⸗ und Eisenbahnbauten, durch die Urbar⸗ machung von Mooren und durch Siedlungsarbeiten. Die produk⸗ tive Erwerbslosenfürsorge bedarf großzügigerer Ausgestaltung. Die Sätze der Arbeitslosenfürsorge entsprechen in keiner Weise den Verhältnissen. Für die Schwierigkeiten in der Lebensmittel⸗ versorgung kaunn man nicht vorwiegend die Landwirtschaft ver antwortlich machen. Auch das schlechte Wetter und die un⸗ genügende Ernte haben ungünstig gewirkt. Aber auch die Land⸗ wirtschaft muß dringend gemahnt werden, in den kommenden Monaten ihre Pflicht zu tun. Bei der Kartoffelversorgung sind Mißstände kaum zu verzeichnen. Sie liegen besonders auf dem Gebiet der Getreideversorgung. Auch die Arbeiter, Angestellten und der Mittelstand leiden schwer unter den Verhältnissen. Das muß die Landwirtschaft einsehen. Die Klagen über die große Verzögerung der Bezahlung des Getreides müssen verstummen. Insbesondere muß der Kreditnot der Gemeinden gesteuert werden. Besondere Aufmerksomkeit sollte die Regierung der Milchversorgung widmen. Die Preisbildung auf diesem Gebiet muß allgemeines Erstaunen hervorrufen. Wir erwarten, daß die Staatsregierung ebenso wie die Landwirtschaft und Arbeiterschaft alles tun, um uns über den schwierigen Winter hinwegzuhelfen. 1
Abg. Ere⸗ zu Stolberg⸗Wernigerode (D. Vp.) dringend die vom Einfuhr von Chile⸗
befürwortet in der Düngerfrage Landwirtschaftsminister angeregte salpeter und fordert Günstigerstellung der Frachten für Kalk und Mergel. Was die Kartoffelfrage angehe, so sei trotz der diesmaligen Rekordernte darauf Bedacht zu nehmen, 8 daß im Frühjahr noch genügend Kartoffeln vorhanden sind. Die Kartoffeln hielten sich in diesem Jahre sehr schlecht, der Verwertung in Brennereien und Trocknereien werde daher besonderes Augen⸗ merk geschenkt werden müssen. Der Kartoffelpreis im Vergleich mit dem Roggenpreis zeige, daß die Zwangswirtschaft nicht in der Lage sei, die Preise niedrig zu halten. Redner ist erfreut, über die gestrige Aeußerung des Reichskanzlers zur Zwangswirtschaft, be⸗ sonders aber darüber, daß die Sozialdemokratie durch Zustimmung zu der Note vom 13. November an die Entente erkennen lasse, daß auch sie endlich, wenn auch nur allmählich, zur Einsicht komme. Beim Bildungswesen werde besonders dahin zu streben sein, daß auch die Landarbeiter weitestgehende Ausbildung in landwirtschaft⸗ lichen Fragen erhalten. Solle die Kreditnot nicht noch weiter um sich greifen, so werde für die beiden letzten Drittel der Getreide⸗ umlage die Bezahlung sofort erfolgen müssen. Der Kredit⸗ gewährung an die Kommunen zur Beschaffung von Nahrungs⸗ mitteln stimme die Deutsche Volkspartei zu, aber nur unter der Bedingung, daß der legitime Handel, insbesondere der Kleinhandel, nicht geschädigt wird. Aufklärung des Volkes über die Preis⸗ verhältnisse sei ein dringendes Erfordernis; es herrsche z. B. in Konsumentenkreisen völlige Unkenntnis über die Getreidemengen, die der Landwirt für Saat⸗ und Deputatzwecke im eigenen Betriebe verwenden müsse. Bei einem Gut von 50 Hektar Roggenfläche z. B. blieben zum freien Verkauf nur ea. 170 Zentner übrig. Der Redner weist schließlich auf die Zusammenstellung im „Vor⸗ wärts“ am 10. Nobember über den „Goldlohn“ hin, aus der sich ergebe, daß auch die Landwirtschaft trotz der hohen Preise ihrer Seeeeee nicht mit Goldgewinnen arbeitet. Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Wen⸗ dorff: Meine Damen und Herren! Wenn ich an die letzten Worte des Herrn Vorredners anknüpfen darf, so bin ich mit ihm de Meinung, daß es durchaus erwünscht ist, wenn in weitestgehendem Maße für Aufklärung über unsere wirtschaftlichen Zusammenhänge Sorge getragen wird. Wenn allerdings der Herr Vorredner geglaubt hat, gegenüber der preußischen Staatsregierung den Vorwurf erheben zu können, daß sie es an dieser Aufklärung — wenn ich ihn richtig verstanden habe — nicht nur habe fehlen lassen, sondern sogar in unrichtiger Weise vorgegangen sei — (Zuruf des Abg. Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode) —, wenn es nicht der Fall ist, so begrüße ich es, dann habe ich es anscheinend falsch verstanden —, so möchte ich aber doch auch in objektivem Sinne diesen Vorwurf als nicht begründet ansehen. Den Beweis dafür hat auch der Herr Vorredner nicht erbracht. Jedenfalls bin ich mir bewußt — ich glaube auf die stenographischen Berichte dieses hohen Hauses verweisen zu dürfen —, bei jeder gegebenen Gelegenheit auf die Zusammenhänge der wirtschaftlichen Fragen hingewiesen, vor allen Dingen immer wieder und wieder betont zu haben, daß es eine irrige Ansicht ist, die bedauerlicherweise vielfach verbreitet wird, als ob Verbraucher⸗ und Erzeugerbelange sich widersprächen (sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei), als ob nicht gerade die Förderung der landwirtschaft⸗ lichen Erzeugung auch in erster Reihe im Sinne der Förderung der Belange der Verbraucherschaft läge (sehr richtig!), daß im übrigen unsere ganze wirtschaftliche Entwicklung leider einen zwangsläufigen Weg einschlagen muß unter den schweren Bedingungen des Versailler Vertrages und angesichts der Zerstörung unserer wirtschaftlichen Ver⸗ hältnisse infolge des Krieges und der Nachkriegszeit. Ich glaube, daß nach dieser Richtung doch einiges geschehen ist, stelle aber gern in Aussicht, daß, soweit es an mir liegt, auch weiter dafür gesorgt wird, Aufklärung zu schaffen, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß wir alle, Verbraucher und Erzeuger, Glieder einer Notgemeinschaft sind, daß sich die Belange beider durchaus decken und vertragen und jeder die Verpflichtung hat, deshalb zur Einigkeit und zum Zusammen⸗ halten zu machen. (Beifall bei der Deutschen Demokratischen Partei.) Meine Damen und Herren, ich gehe nunmehr auf einige der einzelnen Fragen ein, die hier in der Erörterung gestreift worden sind. So möchte ich zunächst mit einigen Worten die Maßnahmen die hinsichtlich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erforderlich sind. Mit Recht, scheint mir, ist von einigen der Herren Vorredner darauf hingewiesen worden, daß wir mit der Möglichkeit einer verstärkten Arbeitslosigkeit rechnen müssen, und daß sich daraus die Verpflichtung ergibt, Maßnahmen zu treffen und Wege vor⸗ zubereiten, die dieser Arbeitslosigkeit begegnen können. Dem ist seitens des Landwirtschaftsministeriums im weitesten Maße bereits Rechnung getragen. In dieser Beziehung weise ich auf die Zahlen hin, die ich im früheren Zusammenhange bereits hier vorgebracht habe, aus denen Sie haben ersehen können, in wie weitgehendem Umfange — es handelt sich um Hunderttausende von Hektaren — die Entwürfe für Moor⸗ und Oedlandkultivierung aufgestellt sind, für eine wie große Fläche diese Pläne in Vorbereitung sind, und wie tatsächlich seitens des Landwirtschaftsministeriums nach dieser Richtung hin nichts ver⸗
säumt ist. Ich darf in diesem Zusammenhange erneut der Hoffnung