Bekanntmachnung.
Dem Althändler Christovh Kastner, geboren am 25. Dezember 1885 in Kulmann wohnhaft in Frankfurt a. M., Sindlinger Straße Nr. 5, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der Handel mit Gegenstaͤnden des täglichen Be⸗ darfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt.
Frankfurt a. M., den 24. November 1922.
Der Polizeipräsident. Ehrler.
111“ Bekanniwhsbhnng.— Dem Althändler August Röbrig, geboren am 14. September 1892 in Rödelheim, wohnhaft in Frankfurta. M., Adalbertstr. 6 b, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und ALeuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a. M, den 24. November 1922. 6
Der Polizeipräsident. Ehrler.
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1 HWekanynimwmachung. 1“
Hem Althändler Fritz Schenk, geboren am 21. Sep⸗ 1839 in Frankfurt a. 1“ in Frankfurt a. M., Oppenheimer Landstraße 54, Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. 8
Frankfurt a. M., den 24. November 1922.
Der Polizeipräsident. Ehrler.
— —
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. Bekanntmachung. 6 Dem Wirt Andreas Wegmann, geboren am 18. De⸗ ember 1865 in Thalhenn, wohnhaft in Frankfurta M., Mosel⸗ traße Nr. 45, Geschäftslokal „Cafs Frankfurt“, Moselstraße Nr. 45, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des tägg⸗ lichen Bedarfs, insbesondere Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an einem solchen Handel wegen Un uverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbe⸗ betrieb untersagt und seine Wirtschaft geschlossen. Frankfurt a. M., den 24. November 1922. 1“ Der Polizeipräsident. Ehrler.
—.
Bekanntmachung. 8
Dem Althändler Erwin Lieser. geboren am 20. No⸗ vember 1900 in Altenwald, wohnhaft in kfurt a. M., aidestraße 56, Geschäftslokal Haidestraße 34, wird hiermit der mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteilig ung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb
untersagt. 9 Frankfurt a. M., den 24. November
DOer Polizeipräsident.
1922. Ehrler. —
Bekanntmachung.
em Althändler Sally Stern, geboren am 11. De⸗ . 1870 in Friedberg, wohnhaft in Frankfurt a. M., Mainzer Landstraße Nr. 284. Geschäftslokal ebenda, wird hierdurch der Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere Altmetallen, Nahrungs⸗ und Futtermitteln aller Art, ferner rohen Naturerzeugnissen, Heiz⸗ und Leuchtstoffen sowie jegliche mittelbare oder unmittelbare Beteiligung an geinem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. Frankfurt a. M. den 27. November 1922.
Der Polizeipräsident. Ehrler.
Nichtamtliches.
8 Deutsches Reich.
1 er Reichsrat versammelte sich heute zu eit die vereinigten Ausschüsse für Volks⸗ wirtschaft und für Haushalt und Rechnungswesen, die ver⸗ einigten Ausschüsse fuͤr Rechtspflege und für Volkswirtschaft, der Ausschuß für Verfassung und Geschäftsordnung, die ver⸗ einigten Ausschüsse für Haushalt und Rechnungswesen und für innere Verwaltung sowie die vereinigten Ausschüsse für Steuer⸗ und Zollwesen und für Volkswirtschaft Sitzung ab. Nach der Vollsttzung fand eine Sitzung des Ausschusses für Verfassung und Geschäftsordnung statt.
Grunbmiete die iv der großen Anfrage angegebenen Hundertsätze im wesentlichen nicht zu überschreiten. Selbstwerständlich sind die im Juni 1922 gezogenen Grenzen heute nicht mehr zutreffend und waren auch bei Stellung der großen Anfrage am 24. Oktober nicht mehr zutreffend. Ich habe entsprechend den gestiegenen Preisen unter dem 10. August 1922 die Regierungspräsidenten er⸗ mächtigt, für die laufenden Instandsetzungsarbeiten 1⁰00 vH und für die großen Instandsetzungsarbeiten in einzelnen Fällen Zu⸗ schläge bis zu 150 vH zuzulassen. Ferner sind in zahlreichen Einzelfällen auf Bericht der Regierungspräsidenten andere An⸗ ordnungen von mir genehmigt, die die Festsetzung der Zuschläge anderweit regeln oder die Festsetzung von Zuschlägen durch Ge⸗ meinde⸗ oder Kommunalaufsichtsbehörden im wesentlichen un⸗ nötig machen. Eine allgemeine Anordnung ist aber seit dem 10. August nicht mehr hinausgegangen, das möchte ich ausdrücklich feststellen. Aber weit über einen Monat verhandeln wir mit Mietern und Vermietern, und ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, gleich die Zuschläge bekanntgeben, die Neuregelung der Dinge, die heute noch den Regierungspräsidenten bekannt⸗ gegeben werden soll. Ich habe bereits angeordnet, wenn ich das kurz sagen darf, daß eine allgemeine Heraufsetzung der Sätze stattfindet, und zwar wie folgt: für Zinsensteigerungen sollen zugelassen werden bis zu 40 vH (hört, hört! links), weil insbesondere in der letzten Zeit tatsächlich eine wesentliche Heraufsetzung der Hypothekenzinsen stattgefunden hat. Diejenigen Stadtgemeinden, auch Land⸗ gemeinden und Landkreise, die glauben, mit einer Zinsensteige⸗ rung von 40 vH nicht auskommen zu können, sollen das Recht haben, die Zinsen einfach umzulegen, genau so, wie die Betriebs⸗ kosten umgelegt werden. Ich hoffe, daß auf diese Weise dieser Streitpunkt endgültig beseitigt sein wird. Für laufende Instandsetzungsarbeiten sollen bei der An⸗ wendung unserer Auffangverordnung, auf die ich mir erlauben werde, gleich noch kurz einzugehen, bis zu 200 vH, da, wo diese Auffangverordnung nicht angewandt wird, bis zu 300 vH zu⸗ gelassen werden. Für große Instandsetzungen sollen nach wie vor im allgemeinen bis 150 vH zugelassen werden. Ver⸗ schiebungen innerhalb der Hundertsätze je nach der Abgrenzung der laufenden und großen Instandsetzungsarbeiten sind ebenfalls zu⸗ gelassen. Für Verwaltungskosten haben wir bis zu 200 vH der Grundmiete zugelassen. (Hört, hört! links.) Dann ist in unserer Anordnung, die wir — und ich glaube, da darf ich wohl sagen: den Wünschen des größten Teiles des hohen Hauses entsprechend — erlassen haben, gesagt, daß wir möglichst wenig zwangsweise eingreifen wollen, sondern den großen Kommunen in großem Umfange das Recht lassen, selbst die Dinge zu regeln; so haben wir diese sogenannte Auffang⸗ verordnung nicht zwangsweise eingeführt, sondern den Kom⸗ munen anheimgegeben, sie einzuführen. Dadurch werden im § 1 den Mietern sämtliche Instandsetzungskosten innerhalb der Woh⸗ nung aufgebürdet, so daß sie zunächst einmal die Instandsetzungs⸗ kosten innerhalb der Wohnung selbst zu tragen haben. Sie haben dann weiter die gesamten Betriebskosten zu tragen, die ja nach unserer Ausführungsanweisung ebenfalls einfach umgelegt werden. Bezüglich der laufenden und großen Instandsetzungskosten haben wir folgende Anordnung getroffen: Die laufenden In⸗ standsetzungskosten gehen bis zu 200 vH., und was an Instand⸗ setzungen aller Art über den zweijährigen Satz von 200 vH. hinausgeht, soll dann ohne weiteres ohne Begrenzung große In⸗ standsetzung sein. Ich weiß nicht, was dann noch für große Streitpunkte übrig bleiben sollen. Zu welchen Ergebnissen wir dabei kommen, zeigt Ihnen Berlin. Ohne diese neue Anordnung würden wir nach den Vorschlägen in Berlin mehr als die 30fache Grundmiete bekommen. Dazu kommt die Wohnungsbau⸗ abgabe. Ich glaube, daß dann schon in außerordentlich großem Umfang den tatsächlichen Verhältnissen wirklich Rechnung ge⸗ tragen ist. Ich möchte nochmals bitten, doch die Dinge, die im Juni oder August gemacht worden sind, nicht zum Gegenstand der Debatte zu machen, sondern das, was tatsächlich gegenwärtig ist. Das ist doch im letzten Grunde entscheidend. (Zuruf bei den Deutschen Demokraten.) — Wenn der Erlaß nicht ausgeübt wird, bedarf es nur irgendeiner Beschwerde an das Ministerium, um zu erreichen, daß er ausgeübt wird. (Zuruf bei den Deutschen Demokraten: Der Erlaß geht doch erst morgen hinaus!) — In⸗ folgedessen konnte der bisher überhaupt nicht ausgeübt werden. (Heiterkeit und Zuruf: Dann ist doch die Anfrage zeitgemäß!) — Ich darf aber doch sagen, was ich bereits im Oktober gesagt habe, daß wir bestrebt sind, den Dingen nachzukommen, daß aber niemand diese ungeheure Geldentwertung voraussehen konnte, daß wir jedenfalls im Juli oder August auch nicht vorauswissen konnten, daß der Dollar gestern auf über 8000 stand; sonst würden wir auch den Dingen mehr Rechnung getragen haben.
Prreußischer Landtag. 187. Sitzung vom 28. November 1922. Nachtrag. “
In Beantwortung der Großen Anfrage der Demo⸗ kratisgen Partei über die Zuschläge zur Grundmiete und der Großen Anfrage der Deutschnationalen Partei über Aenderung der vesenss hen Wohn⸗ und Miet⸗ vorschriften hat der Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer folgendes ausgeführt: 1 Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Beantwortung der letzten Anfrage, die sich allerdings auch zu unserm Bedauern sehr weit hinausgezögert hat, vorwegnehmen und sagen, daß die preußische Staatsregierung seit mehr als zwei Jahren dahin gewirkt hat, daß eine Revisionsinstanz gegen die Entscheidungen der Mieteinigungsämter geschaffen wird. Wird der gegenwärtig vom Reichstag beratene Gesetzentwurf über Mieter⸗ schutz und Mieteinigungsämter angenommen, so werden die gegen⸗ wärtig teilweise gewiß als nicht unberechtigt anzuerkennenden Beschwerden wohl im größten Umfange behoben werden können, an unserer Mitwirkung dabei hat es wirklich nicht gefehlt; wir müssen die Schuld dafür ablehnen, daß dieser Gesetzentwurf so lange beraten wird. Was dann die zweite Anfrage, die große Anfrage Nr. 171, anlangt, so habe ich dazu zu bemerken: es ist zutreffend, daß ich durch eine innere Dienstanweisung vom 16. Juni 1922 die Re⸗
1922
Ich kann aber weiter darauf hinweisen, daß ich durchaus dem Hausbesitz das geben will, was er haben muß, was Herr Abg. Dr. Höpke⸗Aschoff von mir verlangt hat. Strittig ist aber, was es sein muß. Daß darüber die Meinungen auseinander⸗ gehen, wird auch in absehbarer Zeit so bleiben.
Ich kann unmöglich alles, was von mir verlangt worden ist, auch nur einigermaßen genehmigen, selbst dann, wenn Mieter und Vermieter sich einig geworden sind. Ich darf Ihnen mitteilen, daß vor vier Wochen aus einer großen westdeutschen Stadt Mieter und Vermieter nach Angabe der Betreffenden, was aber nachher von den Mietern der betreffenden Stadt bestritten worden ist, dahin einig geworden sind und folgenden Vorschlag dem Mini⸗ sterium zur Genehmigung eingereicht haben: Für Zinssteigerung 59 vH., für Verwaltungskosten 226 vH., für laufende Instand⸗ haltung 550 vH. und für große Instandsetzung 1100 vH. Damit wären wir auf die 19 1( fache Friedensmiete gekommen. Daß das nicht in einer Stadt ohne weiteres festgesetzt werden kann, das sollten Sie doch im letzten Grunde auch verstehen.
Dann möchte ich dringend bitten, daß endlich das Schlagwort von dem Geheimerlaß begraben wird. Ich habe schon am 25. Oktober 1922, also vor einem Monat, hier im Hause aus⸗ geführt:
Dann darf ich noch kurz auf die berühmten, oder ich möchte beinahe sagen: berüchtigten Geheimerlasse eingehen, die in der letzten Zeit in der Agitation der Hausbesitzer gegen das Wohl⸗
bleibenden Gebiete festzuseten. In einer einfachen Denst⸗ anweisung habe ich den Regierungspräsidenten mitgeteilt: bis
zu der und der Höhe könnt ihr ohne weiteres genehmigen,
darüber hinaus behalte ich mir das Genehmigungsrecht vor.
Wie sollte ich das sonst machen? Das ist der ganze Geheim⸗
erlaß mit all dem, was man daraus und darum gemacht hat.
Das unterstreiche ich auch heute. Deswegen darf ich bitten, daß nun diese Geheimerlasse endlich das Begräbnis erster Klasse be⸗ kommen, das sie tatsächlich verdienen. (Abg. Ladendorff: Na, na!)
— Herr Ladendorff, darüber werden wir höchstwahrscheinlich nie⸗
mals einig werden. Das nehme ich Ihnen aber nicht übel. Dami
können Sie ruhig weiter krebsen gehen. Sie können die Geheim⸗
erlasse weiter gegen das Wohlfahrtsministerium ausspielen, das nehme ich Ihnen nicht krumm.
“ darf ich hier weiter darauf hinweisen, daß Herr Ab⸗- geordneter Dr. Höpker⸗Aschoff sagte, die Verwaltungskosten spielten in der Provinz nicht die große Rolle. Ich muß ihm mitteilen, daß mir leider gerade immer aus der Provinz das Gegenteil mitgeteilt wird, daß ich die Verwaltungskosten nicht hoch genug setzen kann. Hier klafft also ein Widerspruch, den ich mir nicht ohne weiteres erklären kann. 1 Dann sollten wir endlich die Debatte darüber schließen, welchen Teil seines Einkommens jemand für die Miete ausgibt, denn wir haben überhaupt nicht eine Möglichkeit, Vergleiche zwischen den gegenwärtigen Zuständen und denen vor dem Krieg herzustellen. Das sollte endlich einmal Gemeingut geworden sein. Denn wenn Herr Abgeordneter Dr. Höpker⸗Aschoff sagt: Es ist gleichgültig, ob jemand das vierzig⸗, fünfzig⸗ oder sechzig⸗fache der Friedensmiete bezahlt, dann sage ich: nein, das ist nicht gleich⸗ gültig, sondern das hat unsere gesamte Volkswirtschaft zu tragen,
gültig, wie es Herr Abgeordneter Dr. Höpker⸗Aschoff hinzustellen versucht hat, doch nicht. Das geschieht nicht auf Kosten des Haus⸗ besitzes, sondern ich sage noch einmal, verehrter Herr Abgeordneter, ich will dem Hausbesitz durchaus das zukommen lassen, was er für die Rente seines Kapitals, für die Instandsetzung und Instand⸗ haltung seines Hauses nötig hat. (Zuruf.) — Seine Arbeit lieg in den Vevwaltungskosten, da habe ich sie ihm schon zugelassen; Sie werden zugeben, daß das bei manchen einen ganz erheblichen Betrag ausmachen wird. Ich sage: auch das soll er haben. Da sind wir auch wohl alle einig. Aber daß ich da den Interessen der⸗ jenigen Hausbesitzer, die sich als die Führer der Hausbesitzer auf⸗ gespielt haben oder gerieren, und allen ihren Wünschen nachkommen kann, das halte ich für ausgeschlossen, und ich jage noch einmal: das wird unsere Volkswirtschaft nicht tragen können. 1
Ich darf nun auch noch auf folgenden Widerspruch hinweisen. Herr Abgeordneter Dallmer sagte heute wieder, sie hätten im Osten viele Reparaturen, die die westlichen Länder nicht hätten. Ich muß leider auch da feststellen, daß von den Vertretern der westlichen Länder immer das Gegenteil gesagt wird. Ich stelle nur die Tatsache fest, ich will nicht sagen, daß Sie Unrecht haben, Herr Abgeordneter Dallmer; ich will das nicht untersuchen. Die Ver⸗ treter der westlichen Länder sagen immer, bei ihnen würde leichter gebaut, und deshalb hätten sie viel größere Reparaturen als im Osten. Festzustellen, was da richtig ist, das muß ich den Herren vom Hausbesitz überlassen.
Ich muß auch bitten, mit den berühmten Einzelbeispielen doch sehr vorsichtig zu sein. Ich kann mir z. B. denken, daß in einem Hause der Lichthof verkehrt angelegt ist, und deshalb dort größere Unkosten vorhanden sind, als da, wo der Lichthof richtig angelegt ist. Wir können aber unmöglich unsere ganze Mieten⸗ gesetzgebung lediglich darauf einstellen, ob die Anlagen richtig angelegt sind. Lassen Sie also bitte die Einzelbeispiele fort, damit kommen wir nicht weiter. Wir können nicht anders handeln als mit den Durchschnittswerten, die in Frage kommen, zu rechnen. Und da sage ich nochmals: ich werde gern bereit sein, nach Mög⸗ lichkeit den wirklichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, und habe auch die Dinge jetzt in außerordentlich großem Umfange geregelt. Genügend oder allen Wünschen entsprechend die Regelung zu ge⸗ stalten, das werde ich nie können. Ich kann nur den durchschnitt⸗ lichen Bedürfnissen Rechnung tragen.
Wenn die gesamten Betriebskosten von den Mietern getragen werden, wenn die Zinsen, sobald sie 40 Prozent übersteigen, ebenso umgelegt werden, dann bleiben nur die Verwaltungskosten und die Instandsetzungsarbeiten strittig. Da haben wir die Auffang⸗ vorrichtung, die wir in jeder großen Kommune einrichten können; kommen die Hausbesitzee damit in zwei Jahren nicht aus, dann ist alles darüber hinaus große Instandsetzung. Wie es da noch möglich sein soll, daß Vermieter nicht auskommen, ist mir vor⸗ läufig nicht klar; jedenfalls müssen wir uns darüber in dem letzten Grunde verständigen, müssen aber die Auswirkung dieser An⸗ ordnung zunächst einmal abwarten.
Daß die Mieteinigungsämter in der letzten Zeit infolge der Reichsmietengesetzgebung, wegen der Festsetzung der gesetzlichen Miete und was damit zusammenhängt, stark in Anspruch ge⸗ nommen waren, gebe ich ohne weiteres zu. Jetzt müssen wir aber zunächst abwarten, in welchem Umfange diese neue Anordnung überhaupt die Mieteinigungsämter beeinflußt. Ich stehe selbst⸗ verständlich zu jeder Zeit zu neuen Verhandlungen darüber zux Verfügung. Das muß ich aber doch Herrn Abgeordneter Dallmer gegenüber sagen, wir haben über die Kosten der Mieteinigungs⸗ ämter und der Wohnungsämter bisher keine Ueversicht. Ich möchte aber doch hinzufügen: daß sind Einrichtungen, die sich nicht einfach nach Mark und Pfennig bewerten bassen. Das möchte ich unter allen Umständen unterstreichen. Wenn wir bisher den Mieter⸗ schutz durchgeführt haben, dann müssen wir das auch in Zukunft vorläufig beibehalten. Daran werden wir nicht vorbeikommen, nicht weil dadurch Kosten entstehen, sondern obgleich Kosten dadurch entstehen. Wir haben ja unsere Stadtverwaltungen und sonstige Verwaltungen, obgleich dadurch auch Kosten entstehen; wir müßten ja sonst diese alle auch abschaffen, weil dadurch Kosten entstehen. Das kann man nicht machen. Wir können in gegen⸗ wärtiger Zeit nicht an eine Beseitigung des Mieterschutzes denken, das ist absolut ausgeschlossen. Wir können nur erreichen, daß ein möglichst vernünftiger Ausgleich zwischen den Interessen der Mieter und Vermieter herbeigeführt wird. Ich sage noch einmal: ich bin bisher bestrebt gewesen, das zu tun, und ich werde auch bestrebt sein, das in Zuknuft zu tun. Leider habe ich nicht die
fahrtsministerium eine so große Rolle gespielt haben. Auf Grund des Reichsmietengesetzes hat die oberste Landesbehörde
bes den Zuschlögen zur G“
das Recht, Zuschläge in Hundertsätzen für die noch übrig⸗ h““ 8
Aussicht, daß ich d Ha C
das muß wieder herausgeholt werden. Deshalb ist es so gleich⸗
Nahrung in Deutschland finden.
daß die Juden auf der Ausreise nach Amerika bei uns
“
188. Sitzung vom 29. November 1922, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“).)
Präsident Leinert eröffnet die Sitzung um 12 ¼ Uhr. Der Antrag der Kommunisten, die gestern abgesetzte Beratung über die Ausweisung des italienischen Kommunisten Ghezzi usw. heute an erster Stelle vorzunehmen, damit das Parlament noch vor der Auslieferung Stellung nehmen könne, wird gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Auf Antrag des Abg. Müller⸗Hannover (Soz.) wird vorweg der Gesetzentwurf wegen Aenderung des Beamtendiensteinkommengesetzes in allen drei Lesungen ohne Aussprache verabschiedet. Es soll dadurch ermöglicht werden, den Beamten die erhöhten Bezüge schon zum 1. Dezember auszuzahlen.
Die Deutschnationalen haben eine große An⸗ frage über die Einwanderung der Ostjuden nach Deutschland eingebracht und fragen das Stoats⸗ ministerium, was es zu tun gedenkt, um unerwünschte Gäste abzuschieben und eine schärfere Kontrolle durchzuführen.
Abg. Dr. Kähler⸗Greifswald (D. Nat.): Die Ostinden⸗ frage ist seit der Revolution nicht zur Ruhe gekommen. Es ist eeine politische, sondern eine wirtschaftliche und kulturelle, sogar eine hygienische Frage. Der ganzen Bevölkerung hat sich über die in den letzten Wochen und Monaten überaus stark an⸗ geschwollene Einwanderung dieser fremdländischen Elemente eine geohe Erregung bemächtigt. Die „Deutsche Tageszeitung“ meint, Wien sei jetzt nicht mehr das Ausfallstor für die Juden nach dem Orient, sondern die Einfallspforte nach Deutschland. Die
ölnische Zeitung“ hat in diesem Jahre schon zweimal die Frage ehandelt, sie hat von der doppelten Einwanderung nach Berlin, der russischen und der ostjüdischen, gesprochen und die letztere als die gefährlichere erklärt. Schon die Nationalversammlung in Weimar hat 1919 eine sehr scharfe Entschließung gegen diese Ein⸗ wanderung angenommen. Es handelt sich in eminentestem Sinne um ein preußisches, ja um ein Berliner Problem, aber nicht bloß um ein Berliner Problem, denn auch zum diese außerordentlich bedenk⸗
Beispiel in Pommern macht sich liche Einwanderung bemerkbar. Jetzt ist die Frage auch ein bayerisches Problem geworden. Wir machen aber einen Unter⸗ schied zwischen Ausländern und Ausländern. So wünschen wir
nicht, daß z. B. die Wolgadeutschen mit den ostjüdischen Ein⸗ wanderern äuf eine Stufe gestellt werden. (Lebhaftes Sehr richtig!
rechts.) Daß andererseits Leute, die sich gegen die Meldepolizei⸗ bestimmungen vergehen, ausgewiesen werden müssen, ist trotz ,28
Einwendungen des Sozialdemokraten Limbertz im Interesse des Staates selbstverständlich. Recht lehrreich ist das Veispet wie
die Ostjuden. denen die Einwanderung nach Danzig nicht gelingt,
den Weg über Preußen nehmen und dann ihr Ziel erreichen.
(SHört, hört! rechts.) Von antisemitischer Hetze kann bei unserer
8 Forderung keine Rede sein. Diese Forderung wird weit über
8 unsere Partei hinaus von den weitesten Kreisen vertreten. Diese
Kreise lehnen eben den „hygienischen Bolschewismus“ ab. Hat
doch selbst Dr. August Müller im „Achtuhr⸗Abendblatt“ treffend
geschildert, wie diese „Aasgeier“ aus dem Osten immer neue ahrung ; 1. (Unruhe bei den Kommunisten.)
Die Westjuden schaden ihren eigenen Interessen, wenn sie restlos
für die Ostjuden eintreten. Als Arbeiter betätigen sich die Ost⸗
8 juden nur zu einem verschwindenden Prozentsatz. Die Presse,
auch der „Vorwärts“, hat der Frage längere Artikel gewidmet.
Es bestätigt sich das Wort von Karl Emil Franzos: Jedes Land hat die Juden, die es verdient. Wir wünschen nicht, üß 1d 3 — Zmerika b dängen
bleiben. Sie sollen dahin gehen, wo sie vielleicht mehr Ver⸗ wandtschaft finden. Aus kulturellen, völkischen, wirtschaftlichen und hygienischen Gründen, so wiederhole ich, erhellt die Be⸗ rechtigung unserer Forderung. (Lebhafter Beifall rechts.)
Minister des Innern Severing: Meine Damen und Herren! Ich bin mit dem Herrn Vorredner der Mein ung, daß es sich bei der Erörterung des Fremdenproblems um eine ernste Sache handelt, die die Beachtung der Staatsregierung im höchsten Maße verdient. Aber gerade weil ich dieser Meinung bin, kann ich mich
eer Argumentation meines Herrn Vorredners nicht anschließen.
Der Herr Vorredner leitete die Begründung der großen Anfrage mit dem Hinweis auf Stimmungen und Verstimmungen ein, denen man heute in den weitesten Volksschichten begegnen könne. Ich bin der letzte, der die große psychologische Bedeutung von Stim⸗ mungen und Verstimmungen in der Politik verkennt. Stimmungen m Volksleben sind ein Faktor, der in der Politik ausgewertet
erden muß, aber doch nur dann, wenn diese Stimmungen natürlich sind und nicht unnatürlich angefacht werden. (Heiterkeit rechts. Zuruf: Elementares Gefühl.) Wenn man aber weiß, meine
Damen und Herren, daß viele Zeitungen und viele Versammlungs⸗
redner, besonders solche Redner, die in den rechtsradikalen Organi⸗ ationen ihre politische und völkische Interessenvertretung erblicken, lles darauf anlegen, um die Juden für das wirtschaftliche und poli⸗ ische Elend verantwortlich zu machen, unter dem wir heute leiden,
dann, glaube ich, darf man diese Stimmungen nicht allzu hoch werten. Sehr richtig! links.)
Und wenn sie auf die Eisenbahnfahrten verweisen, dann mache ich darauf aufmerksam, daß es nicht allein D⸗Züge gibt, die von Wien nach Berlin kommen, sondern es kommen D⸗Züge auch aus dem Westen nach Berlin, und in diesen Zügen spielt sich ungefähr dasselbe Bild ab, das in der Tat wenig erfreulich ist, das Bild, das Sie auf der Route Wien— Berlin wahrgenommen haben, das scheint mir ein Beweis dafür zu sein, daß es nicht Erscheinungen, ausschließlich durch Juden hervorgerufen, sind, sondern daß auch waschechte Arier sich an diesen Dingen beteiligen. (Sehr gut! links.) Ich weiß, daß in D⸗Zügen in der Tat schon auf der Fahrt um Deutschlands Wirtschaft sozusagen gewürfelt wird, daß schon auf der Fahrt zahlreiche Aasgeier sich be⸗ mühen, große Gewinne einzuheimsen. Aber ich füge hinzu: das ist keine Spezialität der Juden, sondern daran sind auch Arier in hervor⸗ ragendem Maße beteiligt, (Zuruf rechts: Auch!) — Ja, meinen Sie, meine Herren, ich wäre so sehr in die Juden verliebt und vernarrt, daß ich in Abrede stellen möchte, daß auch Juden dabei sind? „Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms. .“ (Sehr wahr! links.)
Es will auch nicht viel sagen, was der Herr Vorredner an Zeitungsstimmen hier vorgetragen hat. Diese Zeitungsstimmen sind nur der Niederschlag der Stimmung, die wir jetzt häufig in ver⸗ schiedenen Volksschichten, auch in Arbeiterschichten, antreffen. Meine Damen und Herren, die Volksvertretung und die Regierung hat aber die Verpflichtung, sich auf einen streng sachlichen Standpunkt zu stellen.
Im Zusammenhang mit Pressemeldungen möchte ich auf eine Mitteilung aufmerksam machen, die in den letzten Tagen hier bekannt⸗ geworden ist. Jüdische Zeitungen berichten, daß die ungarische Regierung die Absicht habe, eine größere Anzahl von jüdischen
Familien aus Ungarn auszuweisen. (Zuruf rechts.) Es wird an diese Meldung die weitere Mitteilung geknüpft, daß in diesem Falle ein größerer Teil der Ausgewiesenen sich nach Deutschland und besonders nach Preußen wenden würde. Ich möchte an dieser Stelle den Völkerbund darauf aufmerksam machen (Heiterkeit und Zurufe rechts), daß Deutschland und Preußen nicht in der Lage ist, diesen Flüchtlings⸗ strom aufzunehmen. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ja, da sind wir ja einig. Wenn die Einrichtung des Völkerbundes überhaupt einen Sinn haben soll (Zurufe rechts: Hat sie nicht! Hat sie nie gehabt!) dann müßte sich der Völkerbund mit dieser eminent praktischen Auf⸗ gabe jetzt beschäftigen.
Jedenfalls sind die derzeitige Ernährungslage, die derzeitigen Er⸗ scheinungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt und die augenblickliche Ausficht auf den Wirtschafts⸗ und Arbeitsmarkt nicht dazu angetan, daß wir noch Ausländer zu uns hereinnehmen können. (Sehr richtig! bei d. D.⸗Nat. V.⸗P.) Sie sehen, meine Herren, wenn wir sachlich diskutieren, dann finden sich mindestens viele Berührungspunkte. Ich bin froh darüber, daß wir mit Ungarn keine politischen Grenzen haben, daß, wenn sich wirklich Ungarn nach Deutschland begeben sollten, sie nicht zunächst preußisches Gebiet berühren. Es wird sich dann herausstellen, ob andere Länder wachsamer sind und sich besser gegen diesen Fremdenzustrom abschließen können, den Sie besonders Preußen zugeschrieben haben.
Mein Herr Vorredner wies darauf hin, daß der kleine Gesetz⸗ entwurf, der jetzt dem Hause vorliegt und der die Einrichtung der Grenz⸗ kommissariate bezweckt, ein Eingeständnis dafür sei, daß die preußische Regierung über Mittel verfüge, um den Fremdenzustrom hintanzu⸗ halten. Er bemängelte aber, daß diese Einrichtung nicht schon früher getroffen sei. Der Herr Vorredner weiß ebenso gut wie ich, daß die Grenzen Preußens im Osten eigentlich jetzt erst gezogen sind. Was Oberschlesien anlangt, so haben wir infolge der durch die Abstimmung eingeleiteten Entscheidung der Entente jetzt erst fertige preußische Grenzen; ja, sie sind noch nicht einmal ganz gezogen. Auch an der Weichsel sind noch einige Linien zu berichtigen. Die Grenz⸗ kommissariate als Dauereinrichtung mußten selbstverständlich auf die endgültigen Grenzen Bezug nehmen. Sie hätten recht, Herr Ab⸗ geordneter Dr. Kaehler, wenn in dieser ganzen Zeit eine Abschnürung der Grenzen unterblieben wäre, wenn nicht andere behördliche Organe vorübergehend diesenigen Funktionen übernommen hätten, die jetzt den Grenzkommissariaten zugeschrieben werden. In dieser Beziehung ist aber nichts versäumt worden. Sie alle wissen, daß wir aus finanziellen Gründen und durch die Diktate der Entente verpflichtet sind, unsere Polizeiziffer möglichst niedrig zu halten. Nun kann man mit dem Polizeisäbel gewiß vieles ausrichten, aber bei solchen Eruptionen, wie sie der Weltkrieg gebracht hat — auch Herr Professor Kaehler ist darauf eingegangen —, ist der Polizeisäbel kein Allheilmittel. Die lange grüne Grenze von Ostpreußen bis nach Oberschlesien kann nicht dauernd durch einen festen Kordon von Polizeibeamten abgesperrt werden. Ich habe mich darüber gefreut, daß Herr Dr. Kaehler den Erlaß meines Herrn Amtsvorgängers als brauchbares Mittel bezeichnet hat, um des Fremdenunwesens Herr zu werden oder dieses Un⸗ wesen doch erheblich einzuschränken. Wenn er gewußt hätte, daß mein erster Herr Amtsvorgänger, Herr Minister Heine, diesen Erlaß in seinen Grundzügen festgelegt hat und daß Herr Dominicus nur einige ganz kleine Abänderungen getroffen hat, dann wäre er glaube ich, nicht so objektiv gewesen, zu sagen, daß auch ein sozial⸗ demokratischer Minister ein brauchbares Abwehrmittel — — (Zuruf des Abg. Dr. Kaehler [Greifswald]. Sie haben zum Schluß Ihrer Ausführungen einen Gegensatz zwischen dem amerikanischen Ein⸗ wanderungskommissar und dem preußischen Innenminister konstruiert. Ich habe den Erlaß meines Amtsvorgängers Heine verschärft. Nur einige ganz kleine Abänderungen sind durch meinen Amtsvorgänger Dominicus hinzugekommen, die nicht durchweg Verschärfungen, sondern in einigen Punkten Milderungen gewesen sind. Des⸗ halb wundere ich mich einigermaßen, daß Sie diesen Ein⸗ wanderungskommissar in einen Gegensatz zu mir gestellt haben. Soweit das deutsche und das preußische Interesse eine Abschnürung unserer Grenzen erforderlich macht, und soweit wir die Bestimmungen der fremden Erlasse mit allgemein menschlichen Grundsätzen in Einklang bringen können, soweit bin ich gern bereit, alles, was Sie gefordert haben — die strengste Innehaltung der Meldevorschriften und auch die Kontrolle darüber, durchzuführen. (Zuruf rechts: Dann sind wir wieder einmal einig!)
Herr Abg. Kaehler hat mir dann unterstellt, daß ich, vielleicht
nur um freundliche Gesichter der auswärtigen Diplomaten zu bekommen, zu einer Praxis gekommen sei, die doch mindestens
gegeben werden, dann von den Polen eine glimpflichere Behandlung für unsere Arbeiter, unsere Stammesangehörigen zu erwarten hätten?
Das ist das, was mich veranlaßt, auch auf das Ausland Rücksicht zu nehmen.
Dann gibt es noch so etwas wie einen Versailler Friedensvertrag. Wie man sich zu seinen Bestimmungen stellt, ist ganz gleichgültig, — Tatsache ist, daß er auch in bezug auf die Handhabung des Fremden⸗ rechts einige Vorschriften enthält, die wir beobachten müssen, wenn wir nicht neue Repressalien über unser ganzes Land und besonders über die im Ausland lebenden Deutschen heraufbeschwören wollen.
Und nun, Herr Dr. August Müller! Wenn Sie Dr. August Müller als Kronzeugen der Sozialdemokratie anführen — ich weiß, daß ich diese Ausführung gegen einen Parteigenossen mache —, dann muß ich aber doch sagen: Den Dr. August Müller, de n schenke ich Ihnen! (Sehr gut! links. — Hört, hört! rechts.) — Ich bin der Meinung, daß das, was prominente politische Persönlichkeiten in Zeitungsartikeln einer größeren Oeffentlichkeit zum besten geben, sie auch im einzelnen behaupten und verteidigen müssen. Sie müssen zu dem stehen, was sie schreiben. Diesen Artikel, den Herr Abg. Dr. Kaehler hier vorgelesen hat, oder aus dem er einige
nicht irre, war in ihm auch eine der „Kapitalshyänen“ genannt, der Italiener Castiglioni. Stimmt das? (Abg. Dr. Kaehler: Jawohl!
Als vor einigen Wochen nach einem neuen Marksturz die Behaup⸗ tung aufgestellt wurde, daß Wiener Spekulanten sich in große
Scharen nach Deutschland begeben hätten, wurde unter anderen auch der Name Castiglioni genannt. Diese Behauptung, daß eben die Wiener Schieber nach Berlin kommen würden oder gekommen seien, trat so häufig auf und wurde so lebhaft weitergetragen, daß ich mich bemüht habe, einige dieser sogenannten Kapitalshyänen kennen zu lernen. Sie dürfen überzeugt sein, ich hätte sie gern ausgewiesen, um zu beweisen, daß die preußische Polizei keinen Respekt vor der
Geldsäcken dieser Herren hat. Um festzustellen, was dieser Castigliont auf dem Gewissen hätte und ob er sich tatsächlich an den Schiebungen beteiligt hätte, die ihm in dem Artikel von Herrn Dr. Müller zur Last gelegt waren, habe ich mich telephonisch und brieflich an Herrn Dr. August Müller gewandt mit der Bitte, mir alles, was er über Castiglioni wisse, mitzuteilen. Ich habe bis heute keine Antwort erhalten. (Hört, hört!) Wenn man so vorgeht, können leicht Artikel geschrieben werden, die Stimmung oder Mißstimmung erregen, aber man trägt nicht dazu bei, dieses schwierige Problem seiner Lösung entgegenzuführen. (Sehr gut! bei der V. Soz. P.)
Und nun ein paar Ziffern. Ueber die Zahl der nach dem Kriege zugewanderten Ostjuden konnte der Polizeipräsident von Berlin, an den ich mich gewandt habe, keine genauen Angaben machen (hört, hört! rechts), weil bei den Anmeldungen nicht das Glaubensbekenntnis angegeben wird. Die Ziffern, die ich Ihnen mit⸗ teilen kann, beziehen sich deswegen nur darauf, ob die Zugewanderten Ostausländer oder Ausländer schlechthin sind. Ich will dabei gern zugeben, daß die vom Polizeipräsidenten geführte Statistik, aus der ich Ihnen einige Zahlen mitteilen werde, einen Anspruch auf absolute Genauigkeit nicht macht, weil — ich stimme dem durchaus zu, was der Herr Vorredner gesagt hat — ein Teil der Zugereisten sich nicht anmeldet und ein Teil der Abgereisten sich nicht abmeldet; aber als um 10 vH werden die Ziffern nicht differieren nach der einen oder anderen Seite. Das ist ein Erfahrungsgrundsatz.
Nach dem Stande vom 3. Juni 1922 waren von Ostausländern als anwesend gemeldet: Finnländer 1140, Lettländer 3125, Litauer 2563, Polen 26 305, Russen 16 668, Ukrainer 3631, Estländer 1759, Georgier 297, insgesamt 55 482 (Zuruf rechts), — in Berlin. Ins⸗ gesamt sind von der Statistik des Berliner Polizeipräsidenten am 31. Mai 1922 141 222 Ausländer überhaupt erfaßt worden. Wenn man nun der Meinung ist, daß diese Ziffer zu niedrig gegriffen sei und sich für berechtigt hält, 10 bis 15 vH hinzuzuzählen, so bleibt auch diese Ziffer wesentlich hinter den Angaben zurück, die geflissentlich in der Presse wiederkehren und die die Stimmung oder Versttmmung erregen, von der mein Herr Vorredner wiederholt gesprochen hat.
Ich bin der Meinung, daß man von den Verhältnissen in Berlin nicht auf ganz Preußen schließen darf. Ich gebe Ihnen als Stich⸗ probe für die Dinge in der Provinz auch noch einige Zahlen. Nach einer Meldung des Polizeipräsidenten in Königsberg vom 23. Juni 1922 sind seit Kriegsende der Stadt Königsberg 368 Ostjuden und 688 andere Osteuropäer zugewandert. Neoch dem Bericht des Regierungspräsidenten in Breslau vom 10. Juli sind im Re⸗ gierungsbezirk Breslau außerhalb der Stadt Breslau seit Kriegsende 296 Ostjuden und 3191 andere Osteuropäer eingewandert. In der Stadt Breslau sind gezählt worden in diesem Jahre 2229 Ostjuden
sehr milde genannt zu werden verdient. Meine Ausführungen, die ich gelegentlich anderer Erörterungen in diesem hohen Hause zu dem gleichen Gegenstand gemacht hätte, daß man das Ausland animos machen würde, wenn wir schärfere Praktiken einführten, hat er so gedeutet, als ob sie diktiert seien von dem Haschen nach Wohlwollen des Aus⸗ landes. Das ist durchaus irrig, Herr Kollege! (Abg. Dr. Kaehler [Greifswald]: Das freut mich!) Wir sind aber trotzdem verpflichtet, auf das Ausland gebührend Rücksicht zu nehmen. Wir haben in der Kriegszeit und ich habe in der Nachkriegszeit darauf hingewiesen, daß, wenn es uns nicht gelänge, die wirtschaftliche Entwicklung Deutsch⸗ lands wieder zum Besseren zu lenken, dauernd Aufträge vom Ausland zur Ausfuhr industrieller Produkte zu bekommen, wir für Waren Menschen ausführen müßten, daß ich ferner in der Sorge bliebe, daß, wenn die ersten Anzeichen auf dem Arbeits⸗ markt, die sich jetzt schon zeigen — Anzeichen, die darauf schließen lassen, daß wir in den nächften Monaten mit einer größeren Arbeitslosigkeit zu rechnen haben —, wenn diese Anzeichen nicht trügen, sondern sich weiter in derselben Schwere zeigten, wir in einigen Jahren ernsthaft daran denken müssen, Millionen von deutschen Arbeitern durch Auswanderung zu verlieren. (Zuruf rechts.) — Wohin sich die deutschen Arbeiter dann wenden werden, weiß ich nicht. Ich wünschte, daß ich zu schwarz sähe. Aber wenn wir nicht in der Lage sind, mehr Waren zu produzieren und auszuführen, müssen wir Menschen ausführen; darüber besteht wohl gar kein Zweifel im Hause. Und glauben Sie nun, wenn wir jetzt in dieser Zeit durch eine Härte in der Fremdenpolizei uns das Odium der Barbaren zuziehen (Widerspruch rechts), glauben Sie, daß dann unsere Landsleute anders behandelt werden? (Sehr gut! links.) Es leben heute noch gute Deutsche, Zehntausende, in den Landesteilen, die wir an Polen abtreten mußten. Glauben Sie, das wir, wenn wir die in Berlin lebenden Polen und die im Ruhrrevier
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
arbeitenden polnischen Bergarbeiter ausweisen würden (Zuruf rechts:
und 907 Osteuropäer. In der Provinz Ostpreußen hielten sich im März d. J. 19 238 Ausländer, darunter 1712 Ostjuden, auf. Zuruf rechts: Und in Beuthen?) Ich bin gefragt, ob ich auch Ziffern aus Beuthen habe. (Zuruf links: Knüppelkunze hat sie alle erschlagen! 8 — Heiterkeit.) Nein, das ist nicht richtig, erschlagen hat Herr 8 Kunze die Juden nicht. Aber Herr Kunze hat in Oberschlesien eine Saat gesät, die sehr üble Früchte zeitigen kann. (Sehr wahr!) Gestern war eine Deputation aus Beuthen bei mir und machte darauf aufmerksam, daß in Beuthen und Hindenburg sich jetzt etwas wie eine Judenprogromstimmung bemerkbar mache. (Zuruf rechts.) Ich bin der letzte, der Herrn Kunze der Deutschnationalen Volks⸗ partei an die Rockschöße hängen will, und ich erkenne sehr gern an⸗ daß der Herr Vorredner sich bemüht hat, mit aller Sachlichkeit sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Aber darauf darf ich aufmerk⸗ sam machen, daß auch in zahlreichen Versammlungen der Deutsch⸗ nationalen und in zahlreichen Organen der Deutschnationalen diese Lesart wiederkehrt, als ob für alles wirtschaftliche Elend die Juden verantwortlich seien. Und diese Hetze trägt zu der Stimmung bei, die sich, wenn wir nicht Militär und Schutzpolizei in stärkerem Maße nach Oberschlesien entsenden, sicherlich in Ausschreitungen entladen wird, wie wir sie früher in Rußland und in Polen in größerem Umfange gewohnt waren.
Herr Dr. Kähler hat dann ein Bild herangezogen, indem er sagte, daß nach dem Ausdruck — ich weiß nicht, ob des Dr. Nathan oder des „Vorwärts“ — Deutschland die „Brücke“ bilde für den Zuzug der Ost⸗ europäer nach dem Westen. (Zuruf rechts.) Ich akzeptiere dieses Bild im Augenblick. Aber Sie haben nicht recht, Herr K ollege Dr. Kähler, wenn Sie glauben, daß die Behörden und die jüdischen Organisationen nicht für eine Zirkulation der Brückenpassanten gesorgt hätten. Die Passanten bewegen sich sehr erheblich, wie einige Zahlen beweisen mögen. Nach einer Statistik des Arbeiterfürsorgeamts einer jüdischen Organisation, die anzuzweifeln ich keinen Anlaß habe nach meinen
o 11191 Elnnen
Darum handelt es sich nicht!), nach den Rezepten, die uns so oft
Erfahrungen mit dieser Organisation, haben sich 1921 3810 neu ein,
Stellen zitiert hat, habe ich mit Aufmerksamkeit gelesen. Wenn ich