1922 / 272 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Dec 1922 18:00:01 GMT) scan diff

zum Deutsch

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Erste Beilage sanzeiger und Preußis

Berlin, Freitag, den 1. Dezember

1I1]

iger

ekan n t m a chung. Schließlich erklärte sich der Reichsrat einvers m Metzhermeister K. Aufderheide an; „(AFAenderungen des Gerichtskostengesetzes dreer habe ich die Wiederaufnahme des H mit Erhöhung der Einnahmen des Staates aus B“ Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs gest Erhöhung der Einnahmen des Staates aus den Gerichtskosten be⸗ 98 2. zen Lebensbedarfs gestattet. zwecken. Sämtliche Gebührensätze sind entsprechend Bochum, den 21. November 1922. entwertung erhöht worden. Dann aber sollen auch organische Der Kreisausschuß des Landkreises Bochum. Fencserhages im Gerichtskostenwesen vorgenommen werden, die Der Vorsitzende, k. Landrat Stühmeyer, darauf abzielen, eine Vereinfachung des Geschäftsbetriebes der 3 kassenmäßigen Behandlung herbeizuführen, wodurch Versonal er⸗ I1“ spart werden kann. Besonders werden die außerordentlich großen Bruchteilsgebühren Fanz beseitigt. Ferner werden Bestimmungen getroffen, die eine bessere Erfassung der Gerichtskosten gewähr⸗ leisten sollen. Als Hauptmittel wird eingeführt die Vorauszahlung

betreffend Ausgabe von Schuldverschreibungen v . 1 auf den Inhaber. 1 aatsanze

Der Bayerischen Hypotheken⸗ und Wechselbank in München wurde die Genehmigung erteilt, innerhalb der gesetzlichen und satzungsmäßigen Umlaufsgrenze nachstehende auf den Inhaber lautende, in Stücke zu 10 000 und 5000 eingeteilte Schuldverschreibungen in den Verkehr zu bringen: .60 Millionen Mark 4 % ige seitens des Inhabers un⸗ kündbare, seitens der Bank vierteljährig kündbare jedoch in den ersten 10 Jahren vom Ausstellungstage an seitens der betr.

der Geld⸗

Unnninasßonnggag....— 16“

nicht gründlich gewesen sein kann. Wir haben volles Vertrauen zu dem Jungdeutschen Orden und zu dem ihn beherrschenden Geist, wir fordern die Aufhebung des Verbots, und wenn das

kanische Agitation entstandenen Gefahren sind am 12. Juni, also vor dem Rathenau⸗Morde, eingebracht worden. Hätte die Regie⸗ rung damals durchgegriffen, hätte sie die am Königsberger Blutbad

Bekanntmachung. Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915 Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel (¹GBl.

Bank nicht rückzahlbare Pfandbriefe, und zwar: 5000 Stück Lit. NN zu je 10 000 und 2000 Stück Lit. G G zu je 5000 ℳ. München, den 27. November 1922. Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerhe. J. A.: Mößmer.

S 8 8 86

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 78

des Reichsgesetz blatts Teil I enthält das Gesetz zur Verlängerung Weine des Jahrgangs 1922 vom 17. November 1922,

eine Verordnung treibenden vom 16. November 1922,

eine Verordnung über künstliche Düngemittel vom 17. No⸗

vember 1922, eine Verordnung über künstliche Düngemittel vom 20. No⸗ vember 1922, eine Verordnung über das Inkrafttreten des Kapitalver⸗ kehrsteuergesetzes vom 23. November 1922, eine Verordnung zur Aenderung der Postordnung v 16 0 g zur A. g ; om 20. November 1922, eine Verordnung, betreffend Aenderung der Postordnung vom 24. November 1922, und 8 eine vierte Verordnung, betreffend die Gebühren der Rechts⸗ anwälte vom 25. November 1922. X““ Berlin, den 30. November 1922.

Gesetzsammlungsamt. Krüer.

1 ie bisherigen Rechnungsrevisoren beim Kammergericht Benn, Pfitzner und Salzwedel sowie der bisherige Bezirks⸗ revisor vom Hofe aus Hamm und der bisherige Regierungs⸗ obersekretär a. B. Schirrmeister aus Stettin sind zu Revisoren bei der Oberrechnungskammer ernannt worden. 3

Bekanntmachung.

Der § 4 der Vorschriften, betr. die Abgabe stark wirkender Arzneimittel sowie die Beschaffenheit und Bezeichnung der Arzneigläser und Standgefäße in den Apotheken, vom 22. Juni 18965 M. 11 025 (Ministerialblatt für die innere Verwaltung S. 123) erhält als Absatz 3 folgenden Zusatz: „Die wiederholte Abgabe von Kokain und dessen Salzen, Heroin und dessen Salzen sowie von Arzeneien, die Kokain oder Heroin oder deren Salze in solchen Mengen enthalten, daß der Gesamtgehalt der Arznei an Kokain oder dessen Salzen 0,03 g, an Heroin oder dessen Salzen 0,015 g;, übersteigt, zum äußeren Gebrauch ist ohne jedesmal erneute schriftliche, mit Datum und Unterschrift versehene Anweisung eines Arztes oder Zahnarztes nur gestattet, wenn die be⸗ stimmungsgemäße Anwendung aus der Anweisung zu ersehen ist. Die wiederholte Abgabe ist ohne erneute ärztliche oder zahnärztliche An⸗ weisung nicht gestattet, wenn diese Mittel oder Arzneien zur Ein⸗ führung in die Nase bestimmt sind.“ Berlin, den 21. November 1922. Der Preußische Minister für Volkswohlfahrt. J. A.: Gottstein.

5 ““ 8 8 Bekannimachun

betreffend Diplomprüfung für den mittleren Bibliotheksdienst usw.

Die nächste Prüfung findet Montag, den 5. März 1923 und an den folgenden Tagen in der Preußischen Staats⸗ bibliothek zu Berlin statt.

Da eine große Zahl von Prüflingen zu erwarten ist, wird es wieder nötig werden, die Prüfung in zwei unmittelbar aufeinander folgende Teile zu zerlegen; Beginn der zweiten Prüfung etwa am 15. März 1923.

Gesuche um Zulassung zu einem der beiden Termine sind nebst den erforderlichen Papieren (Prüfungsordnung vom 24. März 1916, § 5) spätestens am 5. Februar 1923 dem unterzeichneten Vorsitzenden, Berlin NW. 7, Unter den Linden 38 einzureichen. Die Verteilung der Prüflinge auf die beiden Termine bleibt vorbehalten.

In den Gesuchen ist auch anzugeben, auf welche Art von Schreibmaschine der Bewerber eingeübt ist. Für dee Prüfung können nur Maschinen der Systeme Adler (Universaltastatur) und Smith Premier zur Verfügung gestellt werden. Bewerber, die eine andere Maschine benutzen wollen, haben sich diese auf ihre Kosten selbst zu beschaffen.

Berlin, den 1. Dezember 1922. b

Der Vorsitzende der Prüfungskommission Kaiser.

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Bekanntmachung.

Gemäß § 46 des Kommunalabgabegesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsamml. S. 152) wird hiermit bekanntgegeben, daß der im laufenden Steuerjahr zu den Kommunalabgaben ein⸗ schätzbare Reinertrag aus dem Betriebsjahre 1920/21 der Stendal⸗Tangermünder Eisenbahn⸗Gesellschaft auf 78 500 festgestellt worden ist. 8

Magdeburg, den 29. November 1922.

8 Der Eisenbahnkommissar. J. V.: Holzbecher.

der Zuckerungsfrist der

über die Versicherung der Hausgewerb⸗

frau Alex Dinger in Langendreer, Ausübun

waren, wegen Unzuverlässigkeit untersagt. sofort in Kraft. Bochum, den 20. November 1922. Der Kreisausschuß des Landkreises Bochum.

Der Vorsitzende, k. Landrat Stühmeyer.

.8 Bekanntmachung. Auf Grund der Verordnung vom 23 S. 603), betreffend die Fernhaltung

unbekannten Aufenthalts, unterm 21. d. M. der

sagt bezw. die am 12.

b. die 1919 erlaubnis für

12. Septemder erteilte Auslandsbutter mittel entzogen. im hiesigen Kreishaus, Zimmer 6a, zur Empfangnahme bereit. Geldern, den 24. November 1922. Der Landrat. von Keßeler.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 51 Preu ßischen Gesetsammlung enthält unter 8 M i über Aenderungen der Dienst⸗ und Versorgungsbezüge der unmittelbaren Staatsbeamte gungsbezüg r en, p 21. November 1922. 1 Berlin, den 30. November 1922.

Gesetzsammlungsamt. Krüer.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich. 9 8 Der Reichsrat hielt am gestrigen Abend unter dem Vor⸗ sitz des Ministers Oeser eine öffentliche Sitzung ab.

Laut Bericht des Nachrichtenbureaus des Vereins Deutscher Zeitungsverleger erklärte sich der Reichsrat mit der Satzungs⸗ änderung der Mecklenburgischen Hypotheken⸗ und Wechselbank in Schwerin einverstanden, wonach die Bank in Zukunft nur noch eigentliche Hypothekenbankgeschäfte betreiben will und deshalb nunmehr Pfandbriefe ausgeben darf bis zum fünfzehnfachen Betrag des Grundkapitals.

688 Baden hatte sich heim Reichsrat beschwert über eine in Württemberg mit Zustimmung des Reichsernährungsministers getroffene Anordnung, wonach für den Kartoffelversand bei Wagenladungen auf der Bahn und beim Schiffstransport eine behördliche Abstempelung der Beförderungspapiere zu erfolgen hat Von dieser Anordnung befürchtet Baden eine Gefährdung der Kar⸗ foffelversorgung der angrenzenden Länder. Baden beantragte, die Reichsregierung zu ersuchen, auf eine Aufhebung dieser Anordnung hinzuwirken, wie sie übrigens in gleicher Weise auch in Bayern be⸗ steht. Nach Ansicht der württembergischen und bayerischen Re gierung machen die besonderen Verhältnisse dieser Länder jene An⸗ ordnung möglich, ohne daß dadurch die Versorgung der Nachbar länder beeinträchtigt würde; der gleichen Ansicht ist das Reichs⸗ ernährungsministerium. Der Reichsratsausschuß ist der Aufsassung Badens beigetreten, und die Vollversammlung nahm mit Mehr⸗ heit eine Entschließung an, die Reichsregierung zu ersuchen, die Aufhebung jener Anordnung herbeizuführen.

Angenommen wurde eine Verordnung über Versiche⸗ rungspflicht und Grundlöhne in der Kranken⸗ versicherung, die im wesentlichen einem Beschluß des Reichs⸗ tagsausschusses für Sozialpolitik entspricht. Die Versicherungs⸗ grenze wurde auf 732 000 Mark erhöht. Für die obligatorische Versicherung, werden die Grundlöhne auf 600 Mark und für die fakultative Versicherung auf 1800 Mark erhöht. Künftig werden die erhöhten Leistungen erst vom 43. Tage nach Inkrafttreten der Satzungsänderungen der Krankenkassen bewilligt werden.

Ferner wurde ein Gesetzentwurf angenommen zur Abände⸗ rung der Gewerbeordnung derart, daß der Deutsche Handwerks⸗ und Gewerbekammertag nunmehr den Charakter einer öffentlich⸗rechtlichen Körperschaft erhält mit den Rechten und Pflichten der Handwerkskammern. Zugleich wird ihm ein Besteue⸗ rungsrecht gegenüber seinen Mitgliedern gewährt. Es handelt sich hierbei um ein Notgesetz, dessen grundlegender Artikel mindestens drei Monate nach Erlaß eines Gesetzes über die Berufsvertretung des Handwerks außer Kraft treten soll.

Mit Rücksicht auf die gestiegene Teuerung wurde eine aber⸗ malige Erhöhung der Sätze der Tage⸗ und Ueber⸗ nachtungsgelder bei Dienstreisen der Reichsbeamten genehmigt, die den letzten Sätzen gegenüber 60 Prozent beträgt.

Genehmigt wurde ein Gesetz zur Abänderung der Reichsabgabenordnung. Die Abgrenzung der Bezirke der Landesfinanzämter und die Bestimmungen über ihren Sitz sollten durch Reichsgesetz spätestens bis zum 1. April 1921 festgesetzt werden. Diese Frist, die nicht innegehalten werden konnte, ist schon mehrfach gesetzlich verlängert worden und soll nunmehr nach dem Beschluß des Reichsrats sich bis zum 1. April 1926 erstrecken, während die Regierungsvorlage überhaupt jede Befristung streichen wollte. Ferner wurde die Frist, innerhalb deren vom Reichs⸗ finanzhof Hilfsrichter zugezogen werden können, bis zum 1. April 1995 verlängert. Der Reichsrat erklärte sich einverstanden mit dem Gesetz⸗ entwurf, der gewisse im Handelsgesetzͤbuch und in der Gewerbe⸗ ordnung vorgesehene Gehaltsgrenzen bezüglich Zu⸗ lässigkeit von Kündigungsbeschränkungen, Wirk⸗ samkeit des Wettbewerbverbots und Wegfall der Karenzentschädigung mit Rücksicht auf die fortschreitende Geldentwertung bedeutend erhöht. Festgesetzt wurden nunmehr

S. 603) sowie der Ausführungsbekanntmachung zu dieser V.

5. 603) so Ausfüh sbek, me g zu dieser Verordnun vom 27. September 1915 und 2. August 1916, habe ich der Sben 8 Bockholtstraße, die 1 n des Handels mit Gegenständen des täg⸗ lichen Lebensbedarfs, insbesondere mit Fleisch⸗ und Wurst⸗ Die Untersagung tritt

23. September 1915 (RGBl. unzuverlässiger Personen vom O 8 8 . 8 1 Handel, wurde dem Kaufmann F. H. Reinermann , zurzeit H— 92 unbe en Handel mit Lebens⸗ und Futtermitteln wegen Unzuverlässigkeit unter⸗ Handels⸗ 3 ir Au ter und ⸗Fette, Auslandsfleisch und Mehl, Auslandskartoffeln, Speiseöle, Schokolade, Kakao, Kaffee, Ge⸗ müse, Obst, Hafer, Kleie, Lein⸗ und Rapskuchen, Melasse und Dünge⸗ Der für Reinermann bestimmte Bescheid liegt

der Gebühren, besonders an Stelle der bisherigen Verhandlungs⸗ gebühren, die nur im Falle kontradiktorischer Verhandlungen erhoben werden, soll eine Prozeßgebühr erhoben werden, die voraus zu zahlen ist. Die Vorausbezahlung ist die Voraussetzung der An⸗ beraumung eines Klagetermins oder einer Berufungsverhandlung.

Die vereinigten Ausschüsse des Reichsrats für Volks⸗

wirtschaft, für Haushalt und Rechnungswesen und für Nechts⸗ pflege hielten heute eine Sitzung.

Für die Ausfuhr von Benzaldehyd bestehen ab 1. De⸗ zember Mindestpreise. Das Ausfuhrkontingent für Chrom⸗ alaun ist erweitert. Alle Preise für Zinkweiß wurden geändert. Näheres durch die Außenhandelsstelle Chemie in Berlin W. 10.

Parlamentarische Nachrichten.

L“ Haushaltsausschuß des Reichstags setzte gestern seine Beratung über die Nachtragsetats des Rech nungsjahres 1922 fort. Ueber den Haushalt des Auswärtigen Amtes berichteten die Abgg. Dr. Hoetzsch (D. Nat.) und Dr. Pachnicke (Dem.). Bei der Einnahmeposition der Gebühren der gesandtschaftlichen Behörden, der Vertretungen des Reichs und der Konsulate wurde von den Abgg. v. Guérard (Zentr.) und D. Schreiber (Zentr.) be⸗ mängelt, daß hier nur eine schätzungsweise Höhe der Einnahmen mit ungefähr 524 Milliarden Mark angegeben sei, und zwar nach den bisherigen Einnahmen und der Kursentwicklung. Damit dem Parlament eine nähere Einsicht in die finanztechnische Verwaltung und die Wiederverwendung der einkommenden Devisenbeträge möglich sei, wurde eine Unterkommission, bestehend aus je einem Mitglied der Fraktionen, vom Hauptausschuß ernannt. An⸗ Prsonalien im Auswärtigen Amt sowohl wie bei der Presseabteilung wurden zahlreiche Abstriche gemacht. Be⸗ treffs der Reichszentrale für Heimatdienst befür⸗ wortete Abg. Dr. Pachnicke (Dem.) die angeforderte Erhöhung der Ausgaben. Die Reichszentrale für Heimatdienst habe sich als ein nützliches Instrument einer unparteiischen Volksaufklärung erwiesen und müsse, solange sie bestehe, in voller Arbeitsfähigkeit erhalten werden. Abg. D. Mumm (D. Nat.) betonte, daß die

Reichszentrale für Heimatdienst nur staatspolitisch, nicht partei⸗ politisch wirken soll, nicht Instrument der jeweiligen Regierung sein soll, sondern nur den dauernden Staatsnotwendigkeiten Rechnung tragen soll. Bei Be⸗ handlung der Ausgaben für die Gesandt⸗ schaften, Konsulate usw. verwies Abg. Dr. Hoetzsch (D. Nat.) auf das bei einigen Beamtengruppen des Auslands⸗ dienstes schon seit mehreren Jahren bestehende System der fliegenden Stellen, das sich bestens bewährt habe. Die Prüfung dieses Systems ins Einzelgehende könne eine dankbare Aufgabe der Unterkommission sein. Es scheine so, als ob das System der Personalverwaltung eine größere Bewegungsfreiheit gebe, eine bessere und sachlichere Ausnützung der Kräfte gestatte und die Er⸗ zielung von Ersparnissen ermögliche. Abg. D. Schreiber (Zentr.) bemängelte die allzu häufige Versetzung der Auslandsbeamten, die schon aus finanziellen Gesichtspunkten zu vermeiden sei. Abg. Dauch (D. Vp.) hielt es im Interesse der Erwerbung und nütz⸗ lichen Verwertung von Spezialkenntnissen für wünschenswert, daß die Versetzungen der Auslandsbeamten nach Möglichkeit derart erfolgen sollten, daß gleichgeartete Gebiete immer mit denselben Personen besetzt werden, die durch jahrelangen Aufenthalt mit allen Eigenheiten der Umwelt und auch mit vielen persönlichen Be⸗ ziehungen ausgestattet seien. Abg. Dr. Hoetzsch (D. Nat.) betonte die politische Wichtigkeit der deutschen Botschaft beim Vatikan und beantragte Wiedereinsetzung des Etatspostens eines Botschaftsrats zur Unterstützung des deutschen Botschafters. Abg. Dr. Qugatz (D. Vp.) verlangte die Einführung einer Kassenordnung und eines Kassenrevisionssystems für die deutschen Stellen im Auslande. Vom Ministerialdirektor Gneist (Ausw. Amt) wurde demgegenüber darauf aufmerksam gemacht, daß Kassenordnungen bei allen Aus⸗ landsbehörden bereits bestehen und daß überdies der Chef der Auslandsbehörde mit seinem eigenen Vermögen für jeden Verlust haftbar sei, der insolge schuldhafter Vorgänge in seinem Dienst⸗ bereich sich ereignen sollte. Revisionen werden, soweit wie möglich, vorgenommen. Angenommen wurde ein Antrag des Abg. D. Schreiber (Zentr.), wonach das Auswärtige Amt dent Reichstag eine Statistik der im Jahre 1921 und 1922 vor⸗ genommenen Versetzungen seiner höheren und mittleren Beamten vorlegen soll, die das Verhältnis zu den vorhandenen Beamten berücksichtigt. Der vom Abg. Dr. Hoetzsch (D. Nat.) beantragte Posten eines Botschaftsrats bei der deutschen Botschaft beim Vatikan wurde vom Haushaltsausschuß bewilligt. Gestrichen wurden dagegen auf Antrag der Abgg. D. Schreiber (Zentr.) und Hoetzsch (D. Nat.) die Etatspositionen für die Konsulate Salzburg und Libau. Abg. D. Schreiber (Zentr.) sprach sein Lob über die weitsichtige Leitung der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes aus und wies auf die große Wichtigkeit hin, die gerade nach dem ver⸗ lorenen Kriege dieser Abteilung in der Anknüpfung und Wieder⸗ berstellung internationaler, wissenschaftlicher und künstlerischer Beziehungen zufalle. Auf den Nachtragsetat des Auswärtigen Amtes folgte die Etatsberatung des Reichsfinanzministeriums, deren vollständige Erledigung auf heute vertagt wurde. .

Der Reichstagsausschuß für Bevölkerungs⸗ politik setzte gestern die Beratung des Gesetzes zur Be⸗ kämpfung der Geschlechtskrankheiten fort. Ins⸗ besondere wandte sich die Aussprache der Frage zu, inwieweit Beamte oder Angestellte einer Beratungsstelle von ihrer Schweige⸗ pflicht entbunden sind. S

(Fortsetzung

Beträge von 840 000, 260 000 und 1 200 000 ℳ. Außerdem wird die Regierung ermächtigt, künftig weiter notwendig werdende Er⸗ höhungen im Verordnungswege mit Zustimmung des Reichsrats und des zuständigen Reichstagsausschusses vorzunehmen.

Angenommen wurde eine Verordnung über die Steuer⸗ befreiung der Entschädigungen zur Abfindung von Liquidationsgläubigern. Das betreffende Gesetz beschäftigt noch den Reichstagsausschuß. Bis es verabschiedet ist,

sollen nunmehr im Verordnungswege Steuerbegünstigungen für

ca gattengzelaa rr des Reich⸗

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eingeführt werden, wo es sich

(einschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 104 A u. B) 8 und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗Beil on 8

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat Mengering in Berlin. 1 Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. - Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin. Wilhelmstr. 32.

Sieben Beilagen

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Preußischer Landtag.

189. Sitzung vom 30. November 1922, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“*).)

Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 15 Minuten.

Ohne Aussprache werden in erster und zweiter Beratung angenommen die Gesetzentwürfe über Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Osterode und Hohenstein, Deutsch Krone und Schneide⸗ mühl, Kirchberg, Traben ⸗Trarbach, Wittlich und Zell a. d. Mosel.

Das Haus tritt dann in die Beratung der Anfrage der

itschnationalen über Auflösung des

kungdeutschen Ordens und über das Verbot

es Deutschvölkischen Schutz⸗ und Trutz⸗

üundes, sowie der Anfragen und Anträge der Kommunisten über Veranstaltungen monarchistischen Charakters und über die Durchführung der Verordnung zum Schutze der Republik ein.

Abg. v. Lindeiner⸗Wildau (D. Nat.): Wir wünschen Aufhebung der Auflösung des Jungdeutschen Ordens. Er ist nach der Revolution gegründet. Auch Mitglieder des Zentrums und der Gewerkschaften waren ihm beigetreten. Abg. Dr. Strese⸗ mann hat in Breslau warme Worte für den Orden gefunden. Auch vom Zentrum ist die Bitte eingegangen um Aufhebung. Der Minister des Innern hat uns an den Staatsgerichtshof ver⸗ wiesen. Das Verbot ist ungerechtfertigt. Die Begründung des Verbotes gibt zu, daß der Orden der Verfassung nicht widerspricht. Nachdem der Verband nationalgesinnter Soldaten aufgehoben war,

at der Orden alle Verbindungen mit ihm abgebrochen. Trotzdem tützt sich die Begründung auf die Behauptung, es bestünden noch solche personellen Verbindungen. Nicht in einem einzigen Falle ist das für leitende Stellen der Fall. Herr Lindemann in Thürin⸗ gen scheint einen Engrosbetrieb eingerichtet zu haben zur Beschaffung von Material gegen nationale Verbände. Durch seine Veran⸗ lassung wurden Leute ohne Grund verhaftet, sie sind wochenlang festgehalten worden, ohne verhört zu werden. (Lebhaftes Hört, hört! rechts.) Man weigerte sich auch, ihren Aufenthalt mitzu⸗ teilen. Sie wurden schließlich als unschädlich entlassen; an⸗ eblich sollten sie mit Waffenfunden in Verbindung gestanden haben. Herr Freund aber bringt den Jungdeutschen Orden damit in Zu⸗ sammenhang. Der Minister des Innern spricht vom einem Zirku⸗ lar, unterschrieben Gefechtsstand Nordheim. Daraus hat der Minister Füchlossen, daß verbotene Gefechtsübungen stattgefunden ben. (Der Redner gibt eine Darstellung der Vorgänge in Nordheim.) Aus welchen Gründen hat man den Deutschvölkischen Schutz⸗ und Trutzbund verboten? Man hat sich auf geradezu lächerliche Gründe gestützt. Allgemeine Verdachtsgründe genügen nicht, sondern es muß ein konkreter Tatbestand vorliegen, um ein Verbot zu berechtigen. Man beruft sich darauf, daß Mitglieder beim Rathenau⸗Mord Hilfe geleistet haben. Die beiden in Frage Kom⸗ menden sind aber vom Oberreichsanwalt außer Verfolgung gesetzt. Dann darf man aber beim Verbot des Bundes nicht damit arbeiten. Herr Ilsemann ist überhaupt nicht Mitglied. Man hat sich auf Tatsachen gestützt, die nicht wa ör sind. (Andauernde Zwischenrufe links.) Der Bund soll die schärfste Bekämpfung des Nudentums, den Kampf gegen die Staatsform und den Revanche⸗ krieg auf die Fahne geschrieben haben. Daß der Bund seine Ziele auf geradem, verfassungsmäßigem Wege erstrebt, hat er in den Satzungen und in Kundgebungen niedergelegt. Revanchekrieg! Lesen Sie alle Kundgebungen durch: Nicht einmal ist vom Revanchekrieg die Rede! Der Bund will zur Wehrhaftigkeit er⸗ iehen und zur körperlichen Ertüchtigung. Wollen die sozialistischen urnvereine nicht auch zur Ertüchtigung beitragen. Daraus zu schließen, es werde der Revanchekrieg gepredigt, dazu gehört ein großes Maß von Uebelwollen und Unlogik. Der Bund will auch zur Wahrung unseres deutschen Volkstums erziehen. Die völkische rage ist für uns in erster Linie eine Frage der Selbsterziehung; jeder muß sie zunächst in sich lösen. Gibt es denn nicht auch bei den jüdischen Volksteilen ein völkisches Bewußtsein? rr Rathenau hat doch auch von den 400 Fremdlingen gesprochen, die unser deutsches Volk beherrschen. (Zuruf links: Aha, die Weisen von Zion!) Nein, ich spreche von Rathenaus Schriften. Unser deutsches Volk befindet sich in großer Gefahr. Wir wünschen nicht, daß es noch mehr unter jüdischen Einfluß kommt. Damit verlangen wir nicht mehr, als was der jüdische Bevölkerungsteil schon immer für sich in Anspruch genommen hat: Betätigung der freien Ueberzeugung. Nur wenn man Republik und Judentum als identische Begriffe ansieht, kann man zur Begründung des Verbots des Ordens mit Argumenten der Bekämpfung des Juden⸗ ums arbeiten. (Sehr gut! rechts.) Gegenüber den Gesetzen zum Schutze der Republik versagen alle Rechtsgarantien. Der Minister behauptet, er habe keine Aufsicht über die Te lortz, als man ihn als letzte Instanz für die Aufhebung anrief. Das ist doch eine recht bedenkliche Aenderung gegenüber dem früheren Rechts⸗ zustande. (Sehr richtig! rechts.) Man ist also gegen Anordnungen des Ministeriums des Innern völlig rechtlos. Nun verweist man auf den Staatsgerichtshof. Diese ganzen Schutzgesetze aber, auf die auch die Schaffung dieses Gerichtshofes zurückgeht, sind ver⸗ fassungs⸗ und rechtswidrig. (Sehr wahr! rechts. Widerspruch kinks.“ Man kann nicht Gesetze erlassen, die Bestimmungen der Verfassung widersprechen und sich dabei auf die qualifizierte Mehr⸗ helr im vorliegenden Fall berufen. Man muß vielmehr, wenn man Aenderungen will, auch die grundlegenden Bestimmungen ändern. Der Staatsgerichtshof ist aber nicht nur verfassungs⸗ widrig, er ist auch abhängig. Um eine Parallele zu finden, muß man bis zu Metternich zurückgehen. Die Zusammensetzung dieses Gerichtshofes bietet keine Gorantie für eine objektive Recht⸗ sprechung. Wie es mit einer solchen aussieht, geht aus der S5. sache hervor, daß der höchste Richter, ehe er das Material noch kannte, sich bereit erklärt hat, die Gesetze scharf anzuwenden. 88. Herren, die bei diesem Gerichtshof tätig sind, sind ausgewählt, uUm politische Anschauungen zu vertreten. Damit macht man keine moralischen Eroberungen. Immer noch wird der Grundsatz zu Recht bestehen bleiben: Justitia fundamentum regnorum! Lebhafte Zustimmung rechts.) Man arbeitet hier mit untaug⸗ schen Mitteln, um nationale Bewegungen niederzuhalten und zu zerschlgaen. Der aber, der sich dieser nationalen Entwickelung in den Weg stellt, über den wird sie hinweggehen. (Lebhafter anhal⸗ tender Beifall rechts. Unruhe, Lärm und Zischen

Abg. Scholem (Komm.): Unsere Große Anfrage und unser

i. me über die durch die monarchistische und die antirepubli⸗

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

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vom 11. Juni schuldigen Offiziere sofort zur Verantwortung ge⸗ zogen, hätte sie die Selbstschutzorganisationen aufgelöst und ent⸗ waffnet, die Schupo entmilitarisiert, es wäre nicht zum Rathenau⸗ morde gekommen. Jetzt erst, nachdem Gras über jene Vorkomm⸗ nisse gewachsen au sein scheint, tritt das Parlament in die Be⸗ sprechung ein. Da ist es kein Wunder, wenn der Vorredner über den furchtbaren Ernst der inneren Lage so wegwerfend sich äußert. Immer frecher hat trotz der Schutzgesetze, angesichts der schlaffen Haltung des Innenministers die Reaktion ihr Haupt erhoben. Was er an Taten aufbringt, richtet sich gegen ganz andere Kreise als gegen die Reaktion. Noch in den letzten Tagen hat der sozial⸗ demokratische Minister Severing einen regelrechten Feldzug gegen die Arbeiter begonnen, die sich durch Kontrolle des Marktes gegen den schamlosen Wucher zu schützen suchen; er verbietet die Kontroll⸗ ausschüsse und läßt ihre Mitglieder in die Gefängnisse werfen. Er beruft sich darauf, daß diese Kontrolle Sache des Staates ist; ganz recht, aber wo ist der Staat, der gegen den Wucher einschreitet? Hat er sich nicht als durchaus ohnmächtig und hilflos erwiesen? In Wunstorf bei Hannover hat er auf diesem Wege die gesamte Arbeiterschaft gegen sich auf den Plan gerufen. Sie hatte dafür gesorgt, daß die aufgetriebenen Schweine zu wirklich angemessenen Preisen verkauft wurden. Wenn es gegen links geht, ist plötzlich die Energie da, die die Regierung gegen die Reaktion stets ver⸗ missen läßt. Herr Noske und Herr Severing Arm in Arm gegen die Arbeiter und ihre Wucherabwehr! Gegen die hungernde Arbeiterschaft stellen sie ihren Beamtenapparat ein; sie handeln als Beauftragte des Großkapitals, das diesen schamlosen Wucher erst ermöglicht. Herr Noske hat vas Verbot des „Jungdeutschen Ordens“ in Uslar wieder aufgehoben, gestern aber auf drei Wochen unser Parteiorgan, die „Niedersächsische Arbeiterzeitung“ verboten! Herr Noske verbietet mit Ach und Krach die nationalsozialistische Partei; sie taucht nach ein paar Tagen als „Großdeutsche Arbeiter⸗ partei“ wieder auf und bleibt unbehelligt! Nach außen hin erscheinen die Orgeschorganisationen als aufgelöst; natürlich existieren sie fröhlich weiter, und von Entwaffnung ist keine Rede, überall werden Waffenlager gefunden, in den Städten wie beson⸗ ders auf den Rittergütern auf dem Lande! In Ostpreußen schreiten merkwürdigerweise die Landräte nicht ein, wenn bezügliche Anzeigen kommen, die Waffen werden nicht beschlagnahnit, sondern man läßt es zu, daß sie fortgeschafft werden. Dem Blutbad in Königs⸗ berg, das sich an die monarchistische Geschästsreise Hindenburgs anschloß, ist in Bayern ein neuer Hindenburg⸗Rummel gefolgt. Hat die Regierung alles getan, um die Wiederholung solchen Unfugs zu verhüten? Der Minister muß durch unsere Aufragen gezwungen werden, sich als ein Minister der reaktionären Praxis zu enthüllen. Ihm ist es schon peinlich, wenn auf die Gefahr einer Konter⸗ revolution hingewiesen wird. Wenn Herr Severing mit seinen Kollegen in ein Auto steigen wird, um auf dem Umweg über Dresden nach Stuttgart zu flüchten, werden wir ihn an unsere von ihm überhörten Warnungen erinnern. (Zurufe rechts.) Das deutsche Volk ist noch immer von seinen eigenen Tyrannen am meisten geknechtet worden. Gegen die Rechte geschieht nichts, ihre Redner tun nur so, um ihre Begünstigung durch die Regierung unverändert sich zu erhalten, und da lachen ja die Hühner, wenn der Vorredner von der „NKlassenjustiz“ des Staatsgerichtshofs spricht! Klassenjustiz hat die „demokratische“ deutsche Republik nur gegen das Proletariat. Ueber die antisemitischen Meußerungen des Herrn v. Lindeiner kann man nur zur Tagesordnung übergehen.

Die Rede des Ministers des Innern Severing kann wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst morgen im Wortlaut veröffentlicht werden.

Abg. Rabold (Soz.): Die Programme der orgeschartigen Organisationen haben nur den Zweck, ihnen ihr Dasein zu sichern; sie mögen alle möglichen Ziele haben, nur nicht das der Sicherung der Verfassung, sie bezwecken alle, die Verfassung zu beseitigen, und zwar auf gewaltsamem Wege. Der „Jungdeutsche Orden“ hat zahlreiche Waffenschiebungen auf dem Gewissen, ganz be⸗ sonders in Thüringen. Herr v. Lindeiner verlangte die Aufhebung der Gesetze zum Schutze der Republik, damit will man den Meuchel⸗ mörderbanden wieder freie Bahn schaffen, die monarchistische Hetze wieder hemmungslos betreiben können. Jene Vereine und Ge⸗ sellschaften sind gesetzwidrig und können daher ohne weiteres auf Grund der Verfassung verboten werden. Wer den Schutz⸗ und Trutzbund verteidigt und decken will, macht sich für den Rathenau⸗ Mord mit verantwortlich. War die Maschinenpistole, mit der Rathenau umgebracht wurde, etwa nicht in Mecklenburg bei einem Mitgliede des Schutz⸗ und Trutzbundes in Verwahrung? Dieser Bund ist das organisierte Kernstück der nationalistischen Mörder⸗ zentrale. Den Mordanschlag gegen Harden hat der deutschnationale Redner sich wohl gehütet, zu erwähnen; denn einer der Mord⸗ gesellen hat sich nach der Tat auf das Büro der Deutschnationalen Partei begeben, um sich nach „befehlsgemäß“ verübter Tat Reise⸗ geld zu holen (Unruhe rechts); und statt ihn dort zu verhaften, gab man ihm Gelegenheit zu verschwinden. (Lärm rechts, Rufe: Lüge! Gegenrufe links: Lügner! Rüge des Präsidenten.) Um die Deutschnationale Partei muß ein Pestkordon gezogen werden, bis sie von diesem Verdacht gereinigt ist. Die Urteile des Staats⸗ gerichtshofes springen mit den Hochverrätern sehr viel milder um als die preußischen Gerichte mit den Arbeitern oder die bayerischen Volksgerichte mit den Journalisten, die für ausländische Blätter korrespondiert haben. Gewiß ist auf die Dauer nicht mit Polizei⸗ verboten zu regieren, aber das Schutzesetz für die Republik richtet sich ja gegen die Gruppen, welche Gewalt und Verbrechen auf ihre Fahne schreiben. Die Festlegung des republikanischen Gedankens muß schon in der Schule beginnen, bei der Jugend muß man an⸗ fangen; und hier liegt noch fast alles im Argen. Die Republik muß das Recht haben, sich zu wehren; nicht Aufhebung der Schutz⸗ gesetze, sondern Fortbestehen der ergangenen Verbote. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Dr. Pinkerneil (D. Vp.): Wir haben im Sommer an den Schutzgesetzen für die Republik legal mitgearbeitet, da wir den festen Willen hatten, gegen jede einseitige Handhabung die schärfsten Mittel anzuwenden. Es ist nicht abzustreiten, daß in der Fieberzeit nach dem Rathenau⸗Mord gewisse Regierungsstellen von einer Art Genickstarre befallen worden sind, die es ihnen an⸗ scheinend unmöglich machte, nach links zu sehen. Beweis dafür ist das Verbot des „Jungdeutschen Ordens“. Diese Verbindung wollte im Gegensatz zu allen aktivistischen Organisationen nichts anderes als die Erziehung zur Volksgemeinschaft. (Unruhe bei den Kommunisten.) Ich kann das bezeugen, ich habe diesen Orden in Marburg näher kennengelernt. (Zuruf des Abg. Schulz⸗ Neukölln: Dann waren Sie wohl an den Marburger Morden beteiligt? Große Unruhe rechts. Vizepräsident Ga rnich bittet den Abg. Schulz, solche törichten Bemerkungen zu unterlassen. Abg. Schulz⸗Neukölln: Ich verbitte mir von Ihnen solche Bemerkungen! Halten Sie Ihren Mund! Vizepräsident Garnich ruft den Abg. Schulz⸗Neukölln zweimal zur Ordnung und macht ihn darauf aufmerksam, daß er beim dritten Ordnungs⸗ ruf gegen ihn von allen Mitteln der Geschäftsordnung Gebrauch machen wird. (Lebhafter Beifall rechts.)) Ich bitte Sie, sich selbst zu ehren, indem Sie sich auf Zwischenrufe des Abg. Schulz⸗

Neukölln nicht einlassen. Bei dem Verbot hat man sich auf 1bloßen Anschein und auf Angaben gestützt, deren Nachprüfung

Parlament unsern Antrag nicht annehmen sollte, so hoffen wir, daß der Staatsgerichtshof Recht sprechen wird. Bei dem Verbot des Deutschvölkischen Schutz⸗ und Trutzbundes hat man mit Kanonen nach Spatzen geschossen. Die Spatzen sind fortgeflogen, sie sitzen jetzt auf anderen Bäumen und schimpfen dort noch ärger. Wir sind Gegner jedes Radauantisemitismus, in welcher Form er auch auftreten möge. Wir führen mit Energie den Kampf gegen jeden, der unser Volksgut schädigt. Ich kenne nur einen wirk⸗ samen Antisemitismus: Tüchtiger sein als der Jude, das Vater⸗ land heißer lieben als der Jude. (Lebhafter Beifall rechts.) Dex Antisemitismus, der energisch angeht gegen jede Zersetzung durch Fremdkörper, gegen Bewucherung und Anmaßung, wird manchen ehrlich deutschen Juden an seiner Seite finden. Man soll die Leute im Schutz⸗ und Trutzbund nicht zu Märtyrern machen. Wir unterstützen den Minister in seinen Maßnahmen gegen die milde Handhabung der Preis⸗ und Produktionskontrolle. Wir haben unter den heutigen Verhältnissen im Innern absolute Ruhe nötig. Wir verlangen, daß mit gleichem Maße gemessen wird. Jede Ausnahmegesetzgebung nimmt am Volke bittere Rache. Wer Privilegien säet, wird Revolutionen ernten. Je früher die Schutz⸗ gesetze auf ehoben oder abgebaut werden, desto besser für den Staat, jeder Minister, der einseitig vorgeht, muß und wird fallen. (Beifall bei der Deutschnationalen Volkspartei.)

Abg. Dr. Schwering (Zentr.): Für mich ist in der gegen⸗ wärtigen Situation die Aufhebung des Verbots des Jungdeutschen Ordens unmöglich. Herr v. Lindeiner meinte, man müsse, um das Schutzgesetz zu verstehen, bis in die Zeiten Metternichs zurück⸗ gehen; er vergißt dabei, was die Konservativen in dem Kampf gegen die Polen und im Kulturkampf geleistet haben, und wie das Fundament der Reiche, die Gerechtigkeit in dem Kampf gegen die Katholiken zusammengebrochen ist. Der Abg. Scholem hat uns eine der üblichen kommunistischen Reden gehalten. Richtig darin war, daß dem Staate Gefahren drohen. Gefahren drohen uns allerdings im Innern, aber nicht von der Reaktion, sondern von einer neuen Revolution, so gespannt sind jetzt die inner⸗ deutschen Verhältnisse. Die Aufhebung der Verbote ist nicht möglich. Daß die Republik die beste Staatsform sei, dieser Nach⸗ weis ist noch keiner Republik gelungen. Der Minister hätte das Verbot aber mit besseren Gründen belegen müssen. Der wahre Geist des Jungdeutschen Ordens zeigt sich in seinen Sitzungen. Man muß sich einmal die sogenannten Ordenskapitel des Jung⸗ deutschen Ordens ansehen. (Zuruf rechts: uch Zentrums⸗ mitglieder sind Anhänger des Ordens!) Der größte Prozentsatz wird von den Rechtsparteien gestellt. Einen ganz geringen stellt das Zentrum, und interessant ist es, daß auch von der sozigl⸗ demokratischen Partei Mitglieder sich in ihm befinden. Dabei habe ich mich noch heute morgen bei führenden Mitgliedern der sozialdemokratischen Partei darüber informiert, daß die Partei noch immer auf dem Standpunkt des Klassenkampfes steht. (Soilter⸗ keit.) Vom Christentum aus gesehen, bietet der Orden vielerlei Bedenkliches. Ludendorff hat den Orden als die beste und stoß⸗ kräftigste Omganisation Deutschlands bezeichnet. (Hört, hört! links. Lachen und Zurufe rechts: Da kviegen Sie es wohl mit der Angst!) Den Namen Ludendorff als Soldat in Ehren! Aber die parteipolitische Einstellung und Tätigkeit Ludendorffs lehne ich ab. Was die Frage „Republik oder Monarchie“ angeht, so ist mir eine gut geleitete Monarchie lieber als eine schlecht geleitete Republik. Um die Frage zerschlagen wir uns im Zentrum aber nicht die Köpfe. Wir stützen die vorhandene Staatsform. Wir sollen alles Trennende vergessen und alles Zusammenführende pflegen zum Aufbau des deutschen Volkes.

Abg. Nuschke (Dem.): Seit dem 27. September ist der Landtag versammelt. worden. Dieselbe Angelegenheit behandeln wir heute zum dritten Male. So darf man mit der Arbeitskvaft des Parlaments nicht Schindluder treiben. Wir müssen endlich aus dieser unfruchtbaren Debatte heraus. Wir haben doch die Schutzgesetze und den darin gegebenen Rechtsweg: die Deutschnationalen aber verlangen vom Parlament die Aufhebung des Vervots des Jungdeutschen Ordens, und selbst ein Mitglied einer Regierungspartei, Herr Pinkerneil, stimmt dem zu. Wo kommen wir damit hin? Ueber den Jung⸗ deutschen Orden hätte sich ja freilich der Minister etwas näher auslassen sollen. Wenn Dr. Pinkerneil auf seine Erfahrungen in Marburg sich bezog, so kann ich bezeugen, daß dort der Zusammen⸗ hang zwischen Studentenschaft und Landbevölkerung immer vor⸗ handen war, daß sich aber die korporierten Studenten davon aus⸗ schlossen. (Zurufe rechts.) Für den Jungdeutschen Orden ist auch Verschwiegenheit als deutsche Tugend ein Programmpunkt, und es wird darin auch das Bekenntnis zum Antisemitismus ab⸗ gelegt, indem von der deutschvölkischen Einheitsfront die Rede ist. Die „Richtlinien“ verweisen auch ausdrücklich oucf die „Deutsche Zeitung“, das Blatt, welches den traurigen Mut hatte, zu schreiben, daß es eigentlich Edelsinn sei, was die Rathenau⸗Mörder zu Ver⸗ brechern machte. Erstaunlich ist aber noch mehr, daß man es rechts fertig bekommen hat, über das Verbot des „Schutz⸗ und Trutz⸗ bundes“, von dem man in den ersten Tagen nach dem Mord so scharf abrückte, zu interpellieren. Küchenmeister, Techow, Bader, alle waren sic Mitglieder dieses Bundes, und der Fall Harden belastet ihn gleichfalls schwer. Herr Gräf⸗Anklam hätte nicht „Lüge!“ rufen, sondern seinen Parteifreund Dryander veranlassen sollen, sich hier über die erhobenen Beschuldigungen zu äußern. Wo die Staatsautorität sich lasch treiben läßt, wuchern diese Ge⸗ heimorganisationen. Es handelt sich hier um gefährliche Krank⸗ heitserscheinungen. Und der enge Zusammenhang zwischen Rechts⸗ und Linksradikalen darf doch auch nicht übersehen werden. Der Bund „Oberland“ hat an Kommunisten große Summen gezahlt, in Oberschlesien haben beide Richtunge, zusammengearbeitet. In München hat ein rechtsradikaler Retneer geradezu erklärt: „Wir lieben die Kommunisten!“ (Große Kiteerkeit.) Bei allen Putschen haben sich ja die Extreme allemal du Hand gereicht. Wir müssen uns für diese Politik allerbestens bedanken. Dieselben Individuen treten unter verschiedenen Namen auf, und jede verbotene und aufgelöste Organisation taucht alsbald wieder unter anderem Namen auf. Len Schwindel kennen wir zur Genüge. In ülden⸗ burg fand man bei einer Haussuchung auch eine Sammlung von Photographien des deutschvölkischen Nacktklubs. (Stürmische Heiterkeit.) Herr v. Lindeiner meinte, die deutschen Staatsvechts⸗ lehrer seien einig, daß die Schutzgesetze verfassungswidrig seien; das Gegenteil ist der Fal Auch den Vorwurf dieses Redners gegen meinen Parteifreund Hartmann als Mitglied des Staats⸗ gerichtshofs lehne ich aufs Zestimmteste ab. Die Aufrechterhaltung der Ordnung ist Sache T.: Behörden, daher ist jeder Selbstschuttz ungesetzlich. Wie war e möglich, im Reichswehr ministerium eine vom verbotenen Verb o nationalgesinnter Soldaten angeregte Feier zum Aushang 48 bringen? Wer heute nationale Politik treiben will, kann FFemnur treiben im Rahmen der deutschen Republik. (Beifall en Demokraten.)

Abg. Schulz⸗Neutölln (Komm.) kritisiert zunächst die Ein⸗ ladung nationaler Verbände zu einer Heldengedächtnisfeier in der Kaiser⸗Wilhelm⸗Ge schtniskirche. Hier würden sich die Leute treffen, die sich in. Etappe so wohl gefühlt hätten. Es ist recht bezeichnend, daß Minister Severing mit einem Puttkamer⸗Gehirn unsere Kontrollo usschüsse, die sich gegen Wucherer und Schieber

liem ist kein größeres Gesetz verabschiedev“

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