1922 / 273 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Dec 1922 18:00:01 GMT) scan diff

Haftbefehl an der Ausübung seines Mandats schon seit Februar dieses Jahres gehindert.

Der Geschäftsordnungsausschuß (Berichterstatter Dr. Rose nfeld) beantragt, die Genehmigung zur Inhaftierung des Abgeordneten Eberlein zurückzuziehen. Der Antrag des Ausschusses wird ohne Debatte angenommen.

Die Genehmigung zur Strafverfolgung der Abgeordneten Wende ⸗Berlin (D. Nat.), Dr. Bredt (Wirtschaftsp.) und Mertins (Soz.) wird entsprechend dem Beschluß des Ge⸗ schäftsordnungsausschusses nicht erteilt.

Nunmehr wird fortgesetzt die gemeinsame Beratung des Antrags der Deutschnationglen, betreffend Auflösung des Jungdeutschen Ordens, der großen Anfrage der Deutschnationalen über Ver⸗ bot des Deutschvölkischen Schutz⸗ und Trutzbu ndes, der großen Anfrage der Kommunisten über Veranstaltungen monarchistischen

Charakters, des Antrags der Kommunisten über monarchistische Kundgebungen beim Ba⸗ such Hindenburgs in Ostpreußen und der großen Anfrage der Kom munisten über Durch⸗ führung der Verordnung zum Schutze der Republik.

Abg. Meier⸗Berlin (Soz.): Ich will dem Abgeordneten Dr. Koch auf dem Wege, hier eine Antisemitendebatte zu entfesseln, nicht folgen. Der Abgeordnete Dr. Cohn hat mit seinen Aus⸗ führungen recht. Der Abgeordnete Koch gehört zu den unange⸗ nehmen Blüten der streitbaren Geistlichen. Ich bedauere die ihm anvertrauten Gemeindeglieder. Dieser pharisäerhafte Hochmut eines Geistlichen ist ein unerträglicher Hohn. Das Material àber den Jungdeutschen Orden werde ich heute nach Möglichkeit nach⸗ tragen. Der erste und zweite Großmeister des Ordens haben ein⸗ gestandenermaßen Revolver bei sich gehabt, und auch bei den andern Mitgliedern des Ordens ist das Waffentragen nachgewiesen. Die Darstellung meines Freundes Rabold bezüglich der Rolle Ankermanns bei dem Anschlag auf Harden halten wir auch ent⸗ gegen den Ausführungen des Abgeordneten Koch⸗Oeynhausen auf⸗ recht. Der Deutschnationale Zimmermann, der in München wegen Landesverrats zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist, ist weniger aus diesem Grund mit der schweren Strafe belegt worden, sondern weil er bezüglich bewaffneter Uebungen der jungdeutschen Organisationen im Schwarzwald aus der Schule geplaudert hat. Bei einer Totenfeier in der Hochschule für Mustk hat jetzt wieder einmal der berüchtigte Bandenführer Ehrhardt eine seiner monarchistischen antirepublikanischen Hetzreden gehalten. Ehrhardt⸗ bilder und Hakenkreuze wurden da zahlreich verkauft. (Zuruf rechts: Das ist ja furchtbar! Sowjetsterne dürfen aber getragen werden!) Die Tatsache, daß Sie (zur Rechten) es schon wagen, hier einen solchen Antrag einzubringen, beweist, wie stark Sie sich bereits fühlen, die Republik zu stürzen. (Zuruf rechts: Huhu!) Wir werden die Republik mit allen Mitteln schützen.

1 Abg. Schmelzer (Zentr.) wendet sich gegen die politische Betätigung des Generals Ludendorff. Er gibt zu, daß er hinsicht⸗ lich des Jungdeutschen Ordens früher einen andern Standpunkt vertreten habe, jetzt aber auch, besonders nach den Darlegungen am Donnerstag, für Aufrechterhaltung des Verbotes eintreten müsse. Gestern sei in das Geschäftszimmer der Zentrumsfraktion ine Deputation des Jungdeutschen Ordens eingedrungen, um den Abgeordneten Dr. Schwering wegen seiner Kritik an dem Orden zur Rede zu stellen. Die Herren hätten natürlich die ge⸗ bührende Antwort erhalten. (Beifall in der Mitte.) 1

Abg. v. Lindeiner⸗Wildau (D. Nat.): Die Ausführungen des Abgeordneten, Schwering bedeuten doch eine recht billige Ver⸗

höhnung der Organisation des Jungdeutschen Ordens. Mit diesen alten Ladenhütern, die er aus der Oberschlesischen Agitationskiste hervorgeholt hat, sollte er uns doch hier zufrieden lassen. Ueber den General Ludendorff ist nicht das Urteil des Abgeordneten Schmelzer, sondern das Urteil des deutschen Volkes maßgebend. Herrn Nuschke darf ich wohl daran erinnern, daß es eine Zeit gegeben hat, wo das deutsche Verbindungs⸗Studententum und insbesondere die deutsche Burschenschaft doch allerlei geleistet hat. (Widerspruch und großer Lärm links.) Die Mitglieder des Jung⸗ deutschen Ordens in Thüringen waren systematisch Gewalttaten und Ueberfällen ausgesetzt. Die thüringischen Zeitungen haben sich dieser Gewalttaten sogar gerühmt. In einem Orte sollte nun wieder ein Ueberfall erfolgen. Da haben sich die 36 Mitglieder des Jungdeutschen Ordens in diesem Orte versammelt, um wenigstens nicht einzeln wie die tollen Hunde sich totschlagen zu lassen. Ich glaube nicht, daß der Abgeordnete Meier bereit ist, sich einfach totschlagen zu lassen. Dann kann er das aber auch von anderen nicht verlangen. Die falschen Angaben über das Erscheinen Ankermanns auf dem Parteibüro der Deutschnationalen Volks⸗ partei sind bereits in der Julinummer der Deutschnationalen Parteikorrespondenz widerlegt worden. (Der Redner übergibt dem Abgeordneten Meier⸗Berlin die betreffende Nummer der Kor⸗ respondenz. Abg. Meier ruft, nachdem er Einsicht genommen hat: Woher soll man das wissen?) Ja, Herr Meier, dorauf kann man abonnieren. (Schallende Heiterkeit.) In den Richtlinien des Staatsgerichtshofes ist erneut darauf hingewiesen worden, daß nur ganz konkrete Tatsachen herangezogen werden dürfen. Wie hat man danach gehandelt? Die derzeitige preußische Regierung scheint darauf zu verzichten, auch nur den Schein zu wahren, daß in Preußen Recht und Gerechtigkeit waltet. (Großer Lärm und Zwischenrufe links.) Haben Sie doch wenigstens den Mut, das offen auszusprechen, wie es der Abgeordnete Moses im Reichstag getan hat, der sagte, es ist besser, daß die Republik verfassungs⸗ vwidrig lebt, als das die verfassungsmäßige zugrunde geht. Es grenzt an Pharisäertum, wenn Sie de anderen Parteien vor⸗

erfen, sie stehen nicht treu genug zur Verfassung, die mit Füßen zu treten Ihr System zu sein scheint. Wenn Sie so weiterarbeiten, wird das deutsche Volk und insbesondere die deutsche Jugend hnen darauf die Antwort geben. (Lebhafter Beifall rechts, Lärm und Zischen links.)

Abg. Nuschke (Dem.) stellt fest, daß der Geschäftsführer des deutschvölkischen Schutz⸗ und Trutzbundes die Nacktphotographien, von denen er gestern gesprochen habe, in Verwahrung gehabt habe, (Lebhaftes Hört, hört! links.) Also nicht, wie der Vorredner sagte, irgendein beliebiger Mensch. Ich habe mich auch, fährt der Redner fort, auf Walter Bloehm berufen. (Zurufe rechts: Der wird überall abgelehnt.) Ich wollte damit zeigen, daß das deutsche Verbindungswesen zum Teil vollständig verkalkt und versteinert ist. (Sehr wahr! links.) Wir sollen die Verfassung nicht achten, so sagte der Vorredner. Der deutschnationale Antrag aber will den Landtag zum Konvent erniedrigen. (Zurufe rechts.) Er will ein⸗ greifen in ein Verfahren, und diese Herren stellten sich hin als Schützer der Verfassung.

Bei der Staatshaushaltsberatung war der Antrag des Hauptausschusses, bei Aufnahme von Zöglingen in eine Fürsorgeanstalt sowie bei jeder Veränderung ihres Aufenthalts durch Ueberführung auf das Land oder in eine andere Anstalt den Angehörigen sofort sachlich begründete Mitteilung zu machen, dem Ausschuß für Bevölkerungspolitik überwiesen worden. Der Antrag dieses Ausschusses, den Hauptausschuß⸗ antrag unverändert anzunehmen, wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Kommunisten abgelehnt.

Der Urantrag sämtlicher Parteien mit Ausnahme der Kommunisten wegen Bewilligung von Mitteln zur Erhaltung der photographischen Lehr⸗ anstalt des Lette⸗Vereins geht an den Haupt⸗ ausschuß, ebenso mit sämtlichen Abänderungsanträgen der U rantrag des Zentrums, der Demokraten und der Deutschen Volkspartei auf Unterstützung privater gemeinnütziger Wohlfahrts⸗ und Wohl⸗ tätigkeitsanstalten.

Nach dem Antrage des Hauptausschusses gelangt der

Prantrag aller Parteien, mit Ausnahme der Deu.schnationalen und der Kommunisten, wegen Abhilfe der Notlage der Privatdozenten zur Annahme. Bei der Beratung des Haushalts der Gestütsverwaltung hatte dem Hause ein Antrag des Hauptausschusses vorgelegen, der das Vorwerk Strubbergshof, zum Hauptgestüt Neustadt an der Dosse gehörig, dem Landeskulturamt zu Siedlungs⸗ zwecken für die anliegenden Landwirte und Besitzer der Ge⸗ meinde Sieversdorf (Kreis Ruppin) pachtweise zur Verfügung zu stellen, empfahl. Der Antrag war dem Ausschuß für Siedlungs⸗ und Wohnungswesen zur Nachprüfung über⸗ wiesen worden. Dieser Ausschuß hat einstimmig die Ab⸗ lehnung des Hauptausschußantrages beschlossen. Nach einer Auseinandersetzung zwischen den Abgg. Barteld (Dem.) und Dr. Kaufhold (D. Nat.), in welcher die Betätigung des Bauernbundes für die Förderung der Kolonisation den Hauptgegenstand der Erörterung bildet, tritt das Haus dem Antrage des Siedlungsausschusses bei.

Hierauf wird um 2 Uhr die namentliche Abstimmung über den Antrag der Deutschnationalen wegen Aufhebung des Verbots des Jungdeutschen Ordens vorgenommen. Die absolute Mehrheit beträgt zurzeit 204. An der Abstimmung beteiligen sich 282 Mitglieder, der Antrag der Deutsch⸗ nationalen wird mit 185 gegen 97 Stimmen abgelehnt. (Lebhafter Beifall links.) Der Urantrag des Abg. Scholem (Komm.), betreffend die monarchistischen Kundgebungen, fällt gegen die Stimmen der Kommunisten.

Es folgt der Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe über den sozialdemokratischen Antrag, betreffend Stillegung der Zeche Maximilian und die allgemeine Stillegung von Bergwerksunternehmungen, in Verbindung mit dem Bericht desselben Ausschusses über den Antrag des Abg. Limbertz (Soz.), betreffend die Teilung größerer Bergreviere. Den Antrag Limbertz hat der b unver⸗ ändert angenommen. Zu dem Antrag über Stillegung von Bergwerken schlägt der Ausschuß folgendes vor:

1. einen Gesetzentwurf einzubringen, der die Stillegung von der Zustimmung der Bergbehörden abhängig macht, soweit nicht eine reichsgesetzliche Regelung erfolgt ist;

2. bei der Reichsregierung auf Vorlegung eines Gesetzentwurfes zu dringen, der im Falle der Stillegung die Enteignung der Gerechtsamen zugunsten des interessierten Gliedstaates ermöglicht;

3. zu prüfen, ob und inwieweit die im sechsten Titel des all⸗ gemeinen Berggesetzes vorgesehenen Fristen abgekürzt und das Verfahren beschleunigt werden könne, und gegebenenfalls einen entsprechenden Gesetzentwurf schleunigst vorzulegen.

Abg. Dr. v. Waldthausen (D. Nat.) wendet sich ins⸗ besondere gegen die zweite Forderung des Ausschusses. Wir haben, so hemerkt der Redner, gar keine Veranlassung, die Reichsregierung anzurufen, sich auf einem Gebiet zu betätigen, das bisher Sache der preußischen Regierung war. Die Frage, ob die größeren Sach⸗ verständigen für Bergbau im Reiche oder in Preußen zu suchen sind, ist zugunsten Preußens zu beantworten. Den dritten Vor⸗ schlag des Ausschusses haben meine Freunde selbst beantragt.

Abg. Dr. Pinkerneil (D. Pp.) äußert ebenfalls Bedenken gegen den zweiten Vorschlag des Aiesschünßhe Abg. Osterroth (Soz.) tritt für die Ausschußanträge ein, ebenso Abgeordneter Schulz⸗Neukölln (Komm.), der sich aber für später Anträge auf Enteignung des gesamten Grubenkapitals vorbehält.

Die Anträge des Ausschusses zur Frage der Stillegung und zum Antxrag Limbertz werden angenommen.

Es folgt der Bericht des Ausschusses für Bevölkerungs⸗ politik über die Anträge der Sozialdemokraten zur Apothekenfrage. Der erste Antrag ersucht das Ministerium um beschleunigte Vorlegung eines Gesetzentwurfes, der den Gemeinden, Krankenkassen und Krankenanstalten das Recht zur Errichtung eigener Apotheken sichert. Der zweite Antrag verlangt eine Ein⸗ wirkung auf die Reichsregierung im Sinne einer Abänderung der Reichsversicherungs⸗ ordnung dahin, daß die Krankenkassen be⸗ rechtigtsind, wegen Lieferung von Arzneimit Apothekern Vorzugsbedingungen zu verein⸗ baren und Arzneiund Heilmittelselhst andie Mitglieder abzugeben. In diesen Fällen sollen die Kassen berechtigt sein, abgesehen von dringenden Fällen, die Bezahlung der von anderer Seite gelieferten Arznei⸗ und Heilmittel abzulehnen. Die Apotheker sollen verpflichtet sein, den Krankenkassen für Arzneien einen Abschlag von den Preisen der von der Reichsregierung festgesetzten Arzneitaxe zu gewähren. Der Ausschuß hat beide Anträge abgelehnt.

Abg. Dr. Weyl (Soz.) nimmt die Anträge wieder auf und führt aus: Die Arzneipreise sind zu schwindelhafter Höhe gestiegen und es wird Wucher getrieben. Wir haben hier nicht die Interessen der Aerzte und Apotheker wahrzunehmen, sondern die Interessen der großen Masse der Bevölkerung. Die Apotheker sind keineswegs in einer Notlage, wie es der Regierungsvertreter im Ausschuß behauptet hat. Das wäre geradeso, als wie man von notleidenden Agrariern spricht. Wirksame Abhilfe kann nur die Sozialisierung der Apotheken nach Durchführung der Sozialisierung des Yerztewesens bringen.

Abg. Dr. Quaet⸗Faslem (D. Nat.): Die Not der Aerzte und Apotheker ist notorisch. Gleichwohl macht der Vorredner den Apothekern den schweren Vorwurf des Wuchers. Das muß zurück⸗ gewiesen werden. Die Preise sind durch die amtliche Arzneitaxe vorgeschrieben. Wir sind nach wie vor gegen die Sozialisierung des Heilwesens, die Anträge lehnen wir ab.

Ministerialrat Dr. Juckenack: Die Arzneitaxe wird vom Reichsgesundheitsamt mitberaten. Die Apotheken müssen lebens⸗ fähig erhalten werden. Der Minister für Volkswohlfahrt hat eine neuerliche Beratung über diese Fragen in Aussicht genommen, zu der auch Vertreter der Fraktionen zugezogen werden sollen.

Abg. Frau Dr. Kemper (D. Vp.): Durch Gemeinde⸗ apotheken kann keine Verbilligung, keine schnellere und zu⸗ verlässigere Belieferung mit Arzneimitteln erfolgen. Um so weniger wird das der Fall sein, da Gemeindeapotheken im all⸗ gemeinen nicht rentabel sein werden. Dr. Weyls Behauptung, daß die Apotheker Wucher treiben, muß entschieden zuruͤckgewiesen werden. Der Apothekerstand hat zurzeit den schwersten Kampf um seine Existenz zu führen. Er bedarf der Hilfe vor allem in der Richtung, daß die Krankenkassenrechnungen mit möglichster Be⸗ schleunigung bezahlt werden. 6

Abg. Hartmann (Dem.) will im gleichen Maße, wie auf die Not der Aerzte und Apotheker, auf die Not der Krankenkassen und Gemeinden hingewiesen wissen. Wir glauben nicht, fährt er fort daß eine solche Umwandlung den Kassen und Gemeinden von Nutzen sein würde. In Hessen ist seit 1913 keine neue Gemeindeapotheke geschaffen worden. Die Gemeinden wollen eben das Risiko nicht übernehmen. Die Krankenkassen befinden sich in nicht geringer Notlage. Es wird den Kassen auch nicht gelingen, eine wese ntliche Verbilligung der Hcilmittel durchzuführen, weil sie gleichfalls von den Lieferanten und Produzenten abhängig sind. Wir sind also gegen die geplante Umwandlung, erkennen dabei aber die Not⸗ wendigkeit einer neuen Apothekenordnung, deren Bestimmungen teilweise bis ins Jahr 1821 und 1814 zurückgehen, an.

Abg. Dr. Stemmler (Zentr.): Das Licht, das uns Dr. Weyl hier aufgesteckt hat, hat er auch im Ausschuß schon aufgesteckt. Gerade deswegen werden wir aber den Antrag ablehnen. In Bevlin kehrt man ja heute zu den gemischtwirtschaftlichen Betvieben zurück. Von einer Sozialisierung der Aerzte und Apotheken hat Dr. Weyl auch nichts mehr gesagt. Gebt den Aerzten Arbeit.

Abg. Dr. Weyl (Soz.) verliest eine Liste medizinischer Be⸗ darfsartikel aus dem Jahre 1920, deren Preise bei den Kranken⸗ kassen billiger sind als in den Apotheken. Die Apotheken, fährt der Redner fort, werden auch heute noch außer⸗ ordentlich teuer gekauft, infolgedessen ist ihre Zinsen⸗ last ganz erheblich. Ihre Inhaber würden sich im Dienste des Staates und der Gemeinden viel besser stehen. Auch heute noch steht die gesamte sozialdemokratische Partei hinter den An⸗ trägen auf Sozialisierung des Heilwesens. Die Aerzte sollen Ge⸗ sundheitsbeamte werden, sollen die Aufsicht in gesundheitlicher Be⸗ ziehung führen. Dazu würden die vorhandenen 30 000 Aerzte noch gar nicht ausreichen.

Bei der Abstimmung werden sämtliche Anträge gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Damit sind die Ausschuß⸗ anträge angenommen.

Den Antrag der Kommunisten, die Eltern, Lehrer⸗ und Schülerbeiräte obligatorisch zu machen, hat der Unterrichtsausschuß abgelehnt.

Abg. Scholem (Komm.) protestiert gegen die Niederstimmung dieses Antrags durch die Kulturreaktion im Ausschuß. In Thüringen und Hamburg hätten sich die obligatorischen Beiräte ebenso wie die Erweiterung der Rechte der Elternbeiräte durchaus bewährt. (Lachen rechts.) 8 1 Das Haus lehnt den Antrag der Kommunisten ab.

Abg. Jacoby⸗Raffauf (Zentr.) bedauert, daß der Ver⸗ kehrsausschuß seinen Antrag vom 21. April 1921, das Staats⸗ ministerium zu ersuchen, bei der Reichsregierung dahin zu wirken, daß der im Jahre 1914 begonnene rechtsseitige Moselbahnbau von Koblenz über Dreis bis Eller fertiggestellt wird, abgelehnt hat. Damit habe man der Landwirtschaft einen sehr schlechten Dienst erwiesen. Die Rücksicht auf die Rentabilität dürfe nicht ausschlag⸗ gebend sein.

Abg. Wallraf (D. Nat.): Bei diesem Bahnbau dürfen sich früher gemachte Fehler nicht wiederholen. Das Projekt der Ver⸗ waltung wird die Landschaft völlig verschandeln. Eine bessere Verbindung kann auch ohne solche Mängel hergestellt werden.

Abg. Jacoby⸗Raffauf (Zentr.) sieht in dieser Rücksicht nur eine weitere Verschleppung der so notwendigen Bauaus⸗ führung. 8

Abg. Knoth⸗Frankfurt (Komm.): Das Verkehrswesen muß doch für den Aufschluß wirtschaftlich wichtiger Gebiete sorgen. Dieser Aufschluß muß baldigst erfolgen. Seit 1919 machen sich Versuche bemerkbar, hier Sabotbage zu üben. Dem muß die Ver⸗ waltung entgegentreten. Wir sind für die tunlichste Beschleunigung des Baues und beantragen Zurückverweisung an den Ausschuß.

Ein Vertreter des Handelsministers bemerkt, daß die Schwierigkeit der Ausführung des Projekts hauptsächlich bei der Entente liege, die die Bahnlinie als eine strategische ansieht und gegen ihren Bau Einspruch erhoben hat.

Abg. Kleinmeyer (Soz.): In ihrem zweiten Projekt hat

die Eisenbahnverwaltung auch der Erhaltung der Schönheit der

Landschaftsbilder Rechnung getragen. Wir sind für jede tunliche Beschleunigung des Baues, es sind aber noch starke verkehrs technische Schwierigkeiten zu überwinden. Wir treten 1 A

auf Zurückverweisung an den Ausschuß bei.

Das Haus beschließt demgemäß.

Abg. Dr. Preyer (D Nat.) berichtet namens des Verkehrs⸗ ausschusses über Anträge der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei, welche sich mit der Notlage Ostpreußens beschäftigen. Der Ausschuß will diese Anträge dem Staatsministerium als Material überweisen, beantragt aber außerdem, das Staats⸗ ministerium zu ersuchen, mit allem Nachdruck auf die Reichs⸗ regierung in dem Sinne einzuwirken, daß dem besonderen wirt⸗ schaftlichen Leben und den Verkehrsschwierigkeiten Ostpreußens durch großzügige Maßnahmen Rechnung getragen werde.

Ohne Aussprache wird demgemäß beschlossen.

Weiterhin werden, entsprechend den Ausschußbeschlüssen, Entschließungen angenommen, wonach bei der Reichs⸗ vegierung auf weitere Einschränkung des Kreises der Gegen⸗ stände hingewirkt werden soll, die im Hausierhandel verkauft werden dürfen, und der Wandergewerbeschein nur gut be⸗ leumundeten deutschen Staatsangehörigen zu erteilen ist. Angenommen wird der Antrag, das Ministerium zu ersuchen, mit der Reichsregierung wegen Herstellung einer Zufahrts⸗ rinne zum Elbinger Hafen von 4 Meter Tiefe und wegen weiterven Ausbaus des oberländischen Kanals einschließlich Verlängerung bis Allenstein in Verbindung zu treten. Be⸗ schlossen wurde ferner, die Vorsitzenden der Spruchkammern der Berggewerbegerichte, rückwirkend vom 1. April 1921 ab, für ihre Tätigkeit zu entschädigen.

Nächste Sitzung Sonnabend, 11 Uhr (Anträge und Inter⸗ pellationen, u. a. kommunistische Interpellationen wegen Verbots der „Roten Fahne“ und Antrag der Kommunisten betreffend Auslieferung von Italienern).

Schluß 4 ³ Uhr.

„Veröffentlichungen des Reichs⸗ gesundheitsamts“ vom 22. November 1922 hat folgenden In⸗ halt: Gang der gemeingefährlichen Krankheiten. Zeitweilige Maßregeln gegen gemeingefährliche Krankheiten. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Deutsche Arzneitaxe, dritter Nachtrag zur elften abgeänderten Ausgabe 1922. (Preußen.) Ausländisches Schlachtvieh. Einfuhrschlachthöfe. (Bayern.) Ausländisches Schlachtvieh. Bäder. Badeordnung. (Württemberg.) Tier⸗ ärztliche Obergutachterstelle. (Thüringen.) Ausländisches Schlacht⸗ vieh. (Großbritannien.) Einfuhr von Vieh. (Polen.) Zwangs⸗ schutzimpfeng gegen Pocken. Hauptsanitätsgesetz. Tierseuchen in Norwegen, 1920. Vermischtes. (Deutsches Reich.) Aerztliche Approbationen, 1919/20. Zahnärztliche Approbationen, 1919/20. (Sachsen.) Vetermärwesen. Geschenkliste. Wochentabelle über die Geburts⸗ und Sterblichkeitsverhältnisse in den 46 deutschen Orten mit 100 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in einigen größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen an übertragbaren Krankheiten in deutschen und außerdeutschen Ländern. Witterung. Beilage B, Bd. VIII: auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege (Tierseuchen).

Nr. 47 der

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat Mengering in Berlin. 1

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32. 1

Vier Beilagen

nd Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage

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Verlin, Sonnabend, den 2. Dezember

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Berlin, den 1. Dezember 1922.

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Eichberg⸗Film G. m. b. H.,

8 Der Titel ist geändert und heißt jetzt „Das Lebensroulette“.

1922, November

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Bonifacius Trott: Bonifacius und die Bonifacius Trott: Er wird ein reicher Geldschranktransvort in Braunschweig Flüssige Kristalle und ihr scheinbares

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Sammlung gerichtlicher Entscheidungen

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1922, November

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15. bis einschließlich 28. November 1922.

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Münchner Bilderbogen Nr. 3, 2. Jahrg.: Tabaksdose und Strumpfband ... viebs Vor und Teufel...

1 Möve⸗Filmges. m. b. H. Orbisfilm A.⸗G., München Münchner Lichtspiel⸗Kunst Sterbende Völker. II. Teil: Brennendes

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Monumentalfilm⸗Werke

G. m. b. H., München München, den 28. November 1922.

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Parlamentarische Nachrichten.

Der Hc p g sschn des Reichstags setzte gestern die Beratung des 7. Nachtrags zum Reichshaushalts⸗ plan beim Etat des Reichsjustizministeriums fort. Der Unterausschuß beantragte nach dem Bericht des Nachrichten⸗ büros des Vereins Deutscher Zeitungsverleger, die geforderten Stellen für einen Dirigenten, drei Oberregierungsräte, einen Regierungsrat und einen Ministerialamtmann mit Ausnahme eines Oberregierungsrats sämtlich zu streichen. Staatssekretär Joel wies auf das Mißverhältnis zwischen planmäßigen Stellen und Hilfsarbeitern (14:12) hin, das eine Vermehrung der plan⸗ mäßigen Stellen dringend geboten erscheinen lasse, zumal eine finanzielle Mehrbelastung daraus nicht resultiere. Abg. Hoch (Soz.) erkannte diese Schwierigkeiten durchaus an, sie lägen aber bei allen anderen Ministerien ebenso; wollte man hier Aenderungen eintreten lassen, so würden aus allen anderen Ministerien Be⸗ rufungen kommen. Abg. Qugatz (D. Vp.) verteidigte die Strei⸗ chungsanträge des Unterausschusses. Bei den Au gaben des Justizministeriums handele es sich vielfach um vorübergehende Rufüsben, die man nicht durch planmäßige Beamte ausführen lassen solle. Der Reichstag habe sich schon früher gegen das über⸗ handnehmende Entstehen neuer Abteilungen durch Schaffung von Dirigentenstellen gewandt. Staatssekretär Joel bestritt, daß die Aufgaben des Reichsiustizministeriums nur vorübergehender Natur seien; das Reichsjustizministerium sei Justitiar für sämtliche anderen Reichsbehörden. Für vorübergehende Aufgaben würden nur Hilfskräfte eingestellt. Ministerialdirektor v. Schlieben

1922, November

G. m. b. H., München

Bayer Filmges. m. b. H. Orbisfilm A.⸗G., München Münchner Lichtspiel⸗Kunst

Monumental⸗Filmwerke

G. m. b. H., München 8 5 Filmprüfstelle München. Dr. Leidig.

(Finanzministerium) betonte gleichfalls, daß beim Justizministerium die Dinge, ähnlich wie beim Finanzministerium, von anderer Seite an das Ministerium herangebracht würden, denen man sich nicht entziehen könne. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. S chultz⸗ Bromberg (D. Nat.) und Hoch (809) stimmte der Ausschuß den Streichungsanträgen des Unterausschusses zu. Auch die übrigen Streichungen wurden im wesentlichen genehmigt.

Beim Reichsgericht und beim Patentamt ebenfalls eine Reihe von Streichungen vorgenommen.

Beim Verkehrsministerium (Verwaltung der Reichs⸗ bhahnen) wies Staatssekretär Stieler darauf hin, daß die Personentarife heute das 90 fache des Friedenspreises betragen, ab 1. Januar in der vierten und dritten Klasse das 200fache, in der zweiten Klasse das 266fache und in der ersten Klasse das 343fache. Die Gütertorife betrugen bisher das 673fache, ab 1. Dezember das 1680fache. Demgegenüber sei der Preis für in⸗ ländische Kohlen auf das 2390 fache, für englische Kohle auf das 4248fache, im Durchschnitt der Kohlen auf das 2740 fache gestiegen. Die Schwelle kostete vor dem Kriege 3 ℳ, 3 ½ ℳ, 4 und 4 ¼ ℳ, jetzt 15 000 N. Am 15. November waren die Selbstkosten auf das 1633fache, am 1. Dezember auf das 2140 fache gestiegen. Der Verkehr hat die Steigerungen glatt aufgenommen. Die Ein⸗ nahmen sind stärker gestiegen als die Tariferhöhungen. Die Tarife für Obst und Kartoffeln sind seit September nicht erhöht worden; dadurch ist der Reichskasse ein Ausfall von 20 bis 30 Milliarden entstanden. Die Belastung auf den Kopf der Bevölkerung durch die Gütertarife beträgt jetzt 9000 gegen 31 im Frieden. Abg. Wieland (Dem.) wünschte Aufklärung über die Spar⸗ maßnahmen der Eisenbahn. Abg. Stückle n (Soz.) wandte sich gegen eine angebliche Ausdehnung des Schlafwagenverkehrs der Mitropa. Staatssekretär Stieler teilte mit, daß das Personal von 1 121 745 im Jahre 1919 auf 1 026 960 im resdurchschwitt

wurden

1922 zurückgegangen ist. Die Leistung des Personals ist durch Dienstdauervorschriften gesteigert worden. Das Personal des Ministeriums ist von 185 Köpfen auf 152 Köpfe zurückgegangen. Der Kohlen⸗ und Oelverbrauch der Lokomotiven ist um 18 vH ver⸗ mindert worden. Im ganzen sind durch Sparmaßnahmen 20 bi

25 vH der Gesamtausgaben erspart worden. Der Mitropa sollen keine weiteren Reisekurse zugewiesen werden. Abg. Morath (D. Vp.) beschwert sich darüber, daß die Eingaben an das Ver

kehrsministerium so langsam beantwortet würden. Abg. Schultz⸗ Bromberg (D. Nat.) klagte über die Teuerung auf den Bahnhöfen und im Speisewagen. Abg. Frau Dr. Wurm (Soz.) wünschte eine Erhöhung der Fahrpreise für Ausländer; mit den Platzkarten würde vielfach offenbarer Mißbrauch getrieben. Staatsseketär Stieler betonte, daß der Minister sich jede Eingabe von Ab

geordneten vorlegen ließe, und wies auf die Schwierigkeiten in der Ausländerfrage auf den Eisenbahnen hin. Abg. Schuldt (Dem.) hob gleichfalls den Mißbrauch mit den Platzkarten hervor. Abg. v. Gusrard (Zentr.) beschwerte sich über die Bevorzugung der Ausländer auf den Eisenbahnen im besetzten Gebiete. Abg

Dr. Quaatz (D. Vp.) schloß sich dem an. In der Eisenbahn⸗ verwaltung müßte in dem besetzten Gebiete eine etwas andere Haltung gegenüber den Ententebehörden eintreten, insbesondere seien For⸗ einige Beamte der gegnerischen Eisenbahnverwaltung zugeteilt, die zu sehr dazu neigen, die Auffassung der fremden Völker zu vertreten. Redner trat sodann für eine energische Dezentralisation der Verwaltung ein. Abg. Deglerk (D Nat.) erkundigt sich nach den Einnahmen, die die Eisenbahnverwaltung aus ihren Kleintierhöfen und Kleintierfarmen erzielt habe, und wünschte Auskunft über die Zahl dieser Anlagen. Die Abgg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.), Wieland (Dem.) und Ditt⸗ mann (Soz.) wiesen nochmals auf die Notwendigkeit hin, einen Weg zu finden, wie man die Ausländer in gerechter Weise auf