1923 / 38 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Feb 1923 18:00:01 GMT) scan diff

I S 8 8 E11“ 11 2) für Brennstoffe aus dem Bezirk des Rhe Westfälischen Kohlensyndikats: 1. Bingen —Mainz-— Kastel Gustavs⸗ Kohlen Kok burg Gernsheim Worms Mannheim —Rheinau— Ludwigs⸗ baeakb ““ Frankfurt a. M. Mainkur Offen⸗ hach (einschl. Werft⸗ und Main⸗ kanalgebührenn) 36 821, 86147— Karlsruhe Speyer 41 466,— Kehl W1— 99 5 EEE““ .52 635,— Lauterburg (frei Schiff))) Z39 853,— 41 281,— Kehl Straßburg (frei Schiff) *) 48 006,— 49 540,— für Braunkoblenbhriketts des Rheinischen Braunkohlensyndikats: Bingen— Kostheim— Weisenau Frei⸗Weinheim Mainz Gustavsburg .30 704,— Mannheim Rheinau Worms -—Ludwigshafen 32 268,— Frankfurt a. M. Offenbach (einschl. Werft⸗ und Mainfanalgebühren) . . . . . .. 22 745 .Karlsruhe Spever— Leopoldshafeln 347 400,— Berlin, den 12. Februar 1923. 8 1 Alktiengesellschaft Reichskohlenverbannd. Keil. Löffler.

2. Ohne die vom Empfänger zu tragenden Valukazuschläge, die dem Schiffspersonal während des Aufenthalts in den Häfen von Elsaß⸗ Lothringen tarifmäßig zustehen.

55 901,—

8 8 8

Bekanntmachung 8

über die Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

Mit Ministerialentschließung von heute ist genehmigt worden, daß die Licht⸗, Kraft⸗ und Wasserwerke G. m. b. H., Kitzingen, mit 10 vH verzinsliche Schuldverschrei⸗ bungen auf den Inhaber im Gesamtbetrag von 80 Mil⸗ lionen Mark, und zwar Stücke zu 20 000, 10 000. 5000, 2000 und 1000 ℳ, in den Verkehr bringt.

München, den 12. Februar 1923.

Staatsministerium des Innern. J. A.: Graf von Spreti.

Bekanntmachung. Niachstehender Beschluß des Senats wird hierdurch zur öffentlichen Kunde gebracht. Bremen, den 13. Februar 1923. Regierungskanzlei.

„Auf Grund des § 14 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Jult 1922 (RGBl. 1 S. 585) wird die Natio⸗ nalsozialistische Deutiche Arbeiterpartei hiermit im bremischen Staatsgebiet verboten; ihre im bremischen Staatsgebiet bestehenden Ortsgruppen werden hiermit aufgelöst. Gegen dieses Verbot ist nach § 17 Abs. 3 des genannten Reichs⸗ gesetzes die Beschwerde binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung oder Veröffentlichung zulässig; sie hat keine aufschiebende Wirkung. Die Polizeibehörden werden mit der Zustellung beauftragt. Gleichzeitig ist dieser Beschluß amtlich zu veröffentlichen. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden gemäß § 19 Abs. 2 des genannten Reichsgesetzes bestraft. Beschlessen Bremen, in der Versammlung des Senats vom 13. Februar 1923.

Preußen.

Verordnung über Aenderungen des Beamtendiensteinkommens⸗ gesetzes.

Das Staatsministerium hat auf Grund des Artikels 55 der Verfassung des Freistaates Preußen vom 30. November 1920 in Uebereinstimmung mit dem im Artikel 26 der Ver⸗ fassung vorgesehenen Ständigen Ausschuß des Landtags folgende

Verordnung mit Gesetzeskraft erlassen:

Einziger Paragraph. Das Gesetz über das Diensteinkommen der unmittelbaren Staats⸗ beamten vom 17. Dezember 1920 (Gesfetzsamml. 1921 S. 135) in der Fassung des Gesetzes vom 21. November 1922 (Gesetzsamml. S. 431) und der Verordnung über Aenderungen des Beamtendiensteinkommens⸗ gesetzes vom 31. Jannar 1923 *) wird wie folgt, geändert: I. Im § 18 erhält Abfatz 2 folgende Faffung: (2) Der Ausgleichkszuschlag wird bis zur anderweiten Festsetzung durch den Staatshaushaltsplan oder durch be⸗ 8 sfonderes Gesetz für alle in Abs. 1 genannten Bezüge gleich⸗ mäßig vom 1. Februar 1923 ab auf 942 vH festgesetzt“. II. Im § 18 Abs. 3 wird die Zahl „7000“ durch die Zahl 12 000“ ersetzt. III. Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. ab in Kraft. 1““ Berlin, den 13. Februar 1923. Das Preußische Staatsministerium. Braun. von Richter.

*) In der Gesetzsammlung noch nicht veröffentlicht.

Ministerium für Wissenschaft, Kunst

und Volksbildung.

3 Die Berufung des Studiendirektors a. D. Geheimen Studienrats Dr. Herwig zum Oberstudiendirektor des Gymnasiums und Realgymnasiums in Bieleseld mit Wirkung vom 1. April 1920 ab, unbeschadet seiner zum 1. Oktober 1920 erfolgten Zurruhesetzung, und die Wahl des Studienrats Dr. Feigel an dem Real⸗ rogymnasium in Lichtenrade zum Studiendirettor derselben nstalt sind bestätigt worden.

1 Bekanntmachung. Auf Grund der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuverläfsiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 (RGBl. S. 603) abe ich dem Oberpostschaffner a. D. Franz Liermann in Berlin⸗Wi l[mersdorf, Sigmaringer Straße 13, durch Verfügung vom hbeutigen Tage den Handel mit Ge gen⸗ ständen des taͤglichen Bedarfs wegen Unzuverlässigkeit untersagt. Berlin, den 3. Februar 1923. Der Polizeipräsident. Abterlung W. J. V.: Dr. Hinckel. Bekanntmachung.

Dem Kaufmann Fritz Kuhmichel in Herborn habe ich auf Grund der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915 ⁴4GBl. S. 603), betreffend Fernhaltung unzuverlässiger Per⸗

.

. .36 328,— 39 376,—

8

onen vom Handel, den Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs, insbesondere dem Trödelbhandel mit Alteisen und Metallen, sowie jede unmittelbara Beteiligung an einem solchen Handel wegen Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb untersagt. Die Untersagung gilt für das Reichsgebiet. Dillenburg, den 9. Februar 1923. Der Landrat. Bartmann.

Deutsches Reich.

Die vereinigten Ausschüsse des Reichsrats für Volks⸗ wirtschaft, für Haushalt und Rechnungswesen, für Reichswehr⸗ angelegenheiten und für Rechtspflege, die vereinigten Aus⸗ schüsse für innere Verwaltung und für Rechtspflege, die ver⸗ einigten Ausschüsse für innere Verwaltung und für Volks⸗ wirtschaft, der Ausschuß für Rechtspflege sowie die vereinigten Ausschüsse für Volkswirtschaft und für Haushalt und Rechnungs wesen hielten heute Sitzungen.

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Die Telegrammanschrift des Reichsministeriums für (rnährung und Landwirtschaft lautet fortan: „Reichsland⸗ wirtschaftsministerium“.

Deutscher Reichstag. 298. Sitzung vom 12. Februar 1923. 1““ Nachtrag. ö 8 Die Rede des Reichswirtschaftsministers Dr. Becker zu dem Entwurf eines Notgesetzes, die gestern wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms nicht mitgeteilt werden konnte, hat folgenden Wortlaut:

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir in Abwesen⸗

heit des durch eine Dienstreise nach Süddeutschland verhinderten

Herrn Ministers des Innern, dem in ersten Linie die Vertretung dieses Gesetzes obliegt, einige einleitende und erläuternde Be⸗ merkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf! Ich bin der Auf⸗ fassung, daß diese einleitenden Bemerkungen, soweit fie wenigstens von der Regierung ausgehen, kurz sein können. Das, was zur Begründung zu sagen ist, finden Sie in der dem Entwurf selbst beigefügten gedruckten Begründung. Wenn es für irgendein Gesetz notwendig ist, im Ausschuß die eigentliche sachliche Arbeit zu leisten, eine sachliche Arbeit, die gewiß gründlich sein, die aber doch auch beschleunigt erledigt werden muß, so gilt das für den vorliegenden Gesetzentwurf. Er soll uns ja auf einzelnen Ge⸗ bieten, auf denen die Gesetzgebung zurzeit noch nicht ausreicht, schleunigst Mittel und Wafsen an die Hand geben in dem schweren Kampf, der uns aufgezwungen ist und der für uns ja nur ein Abwehrkampf sein kann.

Das Gesetz zerfällt, wenn ich das bei dem, was ich zu sagen habe, an die Spitze stellen darf, in drei sachlich nicht ganz gleiche Abschnitte. Es bringt zunächst eine Anzahl von positiven Vor⸗

schriften und schlägt vor, sie beschleunigt zu verabschieden, Vor⸗

schriften, die in dem Schankstättengesetzentwurf, der zurzeit dem

Reichsrat vorliegt, mit anderen Vorschriften zusammengefaßt das

ganze Schankstättenwesen nen regeln sollen. Es sind das die Vor⸗ schriften, die sich mit der Bedürfnisfrage für neue Wirtschaften, mit der Polizeistunde, mit der Konzessionsentziehung für be⸗ stehende Wirtschaften, mit dem Ausschank von Branntwein und anderen alkoholischen Getränken an Jugendliche und Betrunkene beschäftigen, und von denen die Regierung der Auffassung ist, daß sie möglichst rasch der Verabschiedung entgegengeführt werden müssen.

In die gleiche Klasse der positiven gesetzlichen Vorschriften, die im Gesetz selbst ihre Erledigung finden sollen, gehören die Bestimmungen in Art. III, die sich mit der Wucherbekämpfung befassen und den darüber bestehenden Vorschriften neue scharfe Maßnahmen hinzufügen sollen.

Die zweite Gruppe der Vorschriften des Gesetzentwurfs will der Regierung Ermächtigungen besonderer Art geben; sie soll danach Lustbarkeiten und andere Vergnügungen einschränken und neue Paßvorschriften erlassen dürfen.

Endlich gehören in den gleichen Abschmitt die Bestimmungen, die sich mit der Wohnungsfürsorge für Aus⸗ gewiesene beschäftigen. Wir wollen nicht und dürfen nicht wellen, daß diejenigen, die infolge der harten Maßnahmen der Franzosen nunmehr Haus und Hof verlassen müssen, im un⸗ besetzten Deutschland unter den gleichen einschränkenden Be⸗ stimmungen nach Wohnungen suchen sollen, die für die übrige Bevölkerung bestehen. (Bravol rechts.) Es wäre unerträglich, wenn zu all dem Leid, zu allen Mühen und Sorgen diesen Un⸗ glücklichen, die die Franzosen mit einer Frist von wenigen Stunden, allerhöchstens wenigen Tagen aus Haus und Hof ver⸗ trieben, nunmehr auch die Wohnungssorge im unbesetzten Gebiete auferlegt sein follte. (Bravo! rechts.)

Die wichtigste Bestimmung, die wohl auch im Ausschuß am stärksten besprochen werden wird und muß, ist die des Art. VI, die der Regierung eine allgemeine Ermächtigung geben will, Vor⸗

schriften zu erlassen, wie sie aus der Not der Zeit heraus sich

demnächst noch ergeben könnten. Es ist ganz felbstverständlich, daß heute niemand die Eutwicklung der nächsten Wochen und Monate voraussehen kann. Es ist selbswerständlich, daß sich aus dieser Entwicklung heraus die Notwendigkeit, der Zwang ergeben kann, besondere Vorschriften zu erlassen, ohne daß man dabei den normalen Weg der Gesetzgebung gehen kann. Wir haben in den letzten zwei bis drei Wochen schon schmerzlich eine allgemeine Er⸗ mächtigung der Regierung zum Erlasse solcher besonderen Vor⸗ schriften vermißt. (Sehr gut! rechts.) Es ist notwendig, glaube ich, daß wir für die Zukunft nicht in ähnliche Verlegenheiten kommen.

Die gesetzgebenden Faktoren sollen ja dabei nicht endgüktig ausgeschaltet werden. In dem Art. VI ist ausdrücklich vorgesehen, daß der Regierung nur die Errnschtigung gegeben wird. Vorschriften mit Zustimmung des Reichsrats zu erlassen, und im letzten Abfatz des Art. VI ist ferner gesagt, daß diese Verord⸗ nungen der Reichsregierung dem Reichstag unverzüg⸗ lich zur Kenntnis zu bringen und auf sein Ver⸗

langen außer Kraft zu setzen seien. Ich glaube, damit ist alles gewahrt, was man auch vom Standpunkt dieses Parlamentzs aus von solchen schleunigst zu erlassenden Vorschriften an parlamen⸗ tarischer Sicherheit zu verlangen in der Lage ist. Ich möchte danach dringend bitten, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß zu überweisen, ihn im Ausschuß beschleunigt zu verabschieden, damit uns die Waffen an die Hand gegeben werden, die diefer Gesetzentwurf der Regierung geben will.

Meine Damen und Herren! Wir stehen seit Wochen an der Ruhr und am Rhein in schwerem Kampf, in einem Kampfe, in

dem es gilt, alle Kräfte des deutschen Volkes zusammenzuhalten,

damit wir ihn zu einem günftigen Ende bringen. Der Ka

ist von uns nicht gewollt, er ist nicht von uns gesucht. So wie die früheren Regierungen sich jahrelang Mühe gegeben haben durch den Versuch der Erfüllung der Reparationsverpflichtungen die uns Friedensvertrag und Londoner Ultimatum auferlegt haben, mit unseren Gegnern zu einer Verständigung zu kommen, so hat die neue Regierung in wochenlangen Bemühungen versucht, die Grundlage dafür zu schaffen, ebenfalls auf dem Wege der Verständigung zu einer Vereinbarung über tragbare Lasten mit unseren Kriegsgegnern zu gelangen. Sie wissen, daß diese Ver⸗ suche gescheitert sind, nicht durchunsere Schuld, sondern durch die Schuld der anderen, insbesondere durch die Schuld Frankreichs (sehr wahr! rechts), dessen Ministerpräsident es nicht einmal für notwendig gehalten hat, sich Kenntnis von dem zu verschaffen, was wir als Verständigungsbasis anzubieten in der Lage gewesen wären. (Hört, hört! rechts.) Wir haben erlebt, daß man, nachdem man in Paris unseren Unterhändler nicht einmal angehört hatte, Gründe gesucht und konstruiert hat, mit denen man neue Sanktionen zu den alten ungerechtfertigten über uns verhängen konnte. Man ist mit brutaler Gewalt ins Ruhrgebiet eingedrungen, hat die dortige Bevölkerung mit Be⸗ satzungs⸗ und sonstigen Lasten in einer Art und Weise bedrückt, als ob wir uns mitten im Kriege mit Frankreich befänden. (Zu⸗ stimmung rechts.) Wir haben diesem organisierten Kriege, diesem kriegerischen Vorgehen, das Willkür, sadistische Grausamkeit dort von Tag zu Tag mehr gehäuft hat, nichts weiter entgegenzusetzen gehabt als unser gutes Recht und den geeinten Willen der Be⸗ völkerung im Ruhr⸗ und im Rheingebiet, in diesem Abwehrkampf bis zum letzten Mann zusammenzustehen. (Bravo! rechts.) Was sich dort an Beispielen von stillem Heldenmut in Arbeiter⸗, Unter⸗ nehmer⸗ und in den Beamtenkreisen aller Art vom obersten bis

zum untersten Beamten gezeigt hat, was man dort in den letzten

Wochen an Leiden ertragen hat, wie man all den Willkürmaß⸗ nahmen von der anderen Seite nicht die Gewalt auf unserer Seite, sondern nur den einigen und zähen Willen, in der Abwehr Widerstand zu leisten, entgegengesetzt hat, davon wird man später einmal erzählen, wenn wir die Möglichkeit haben, in die Welt hinauszuschreien, was in diesen Wochen von uns alles geleistet worden ist. Wir wollen in diesem Abwehrkampf auch in Zukunft nicht Gewalt der Gewalt entgegen⸗ setzen, sondern wir wollen den Abwehrkampf so führen, wie

wir ihn seither geführt haben, in dem ei ni gen, in dem ein⸗

mütigen, in dem entschlossenen Willen durch⸗ zuhalten bis zum Alleräußersten (Bravo! rechts), ohne Rücksicht auf parteipolitische Meinungsverschiedenheiten, ohne

Rücksicht auf alles das, was uns im übrigen wirtschaftlich und

politisch trennt. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte.) In diesem Kampfe und für diesen Kampf soll uns der vorliegende Gesetz⸗

entwurf neue Mittel zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie wiederholt, diesen Gesetzentwurf baldigst zu verabschieden, damit auch aus der beschlennigten und, wie ich hoffe, einmütigen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs drüben an der Ruhr und drüben am Rhein das Gefühl entsteht, daß das ganze deutsche Volk, daß der Deutsche Reichstag hinter den dort an der Front kämpfenden Brüdern steht (lebhaftes Bravo! rechts und in der Mitte), daß alle die Spekulationen, die man hente wieder im Auslande und namentlich in Frankreich auf die Uneinigkeit Deutschlands macht, zerschellen an dem einmütigen, an dem geschlossenen Willen des deutschen Volkes, in diesem Kampfe zu⸗ sammenzustehen und auszuhalten bis zum Aller⸗ ketzten. (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.)

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299. Sitzung vom 13. Februar 1923, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)*] Eingegangen ist ein elfter Nachtrag zum Reichs⸗ haushaltsplan für 1922.

Das Haus setzt die Beratung des Haushalis des Reichsjustizministeriums bei dem Gehalt des

Reichsjustizministers fort. Dazu liegen Ent⸗ schließungen der Sozialdemokraten, der Kom⸗ munisten und der Abgg. Ledebour und Wegmann vor. Die Sozialdemokraten beantragen, die Reichsregierung wolle auf die Begnadigung der wegen politischer Straftaten in Bayern im Jahre 1919 und der strafrechtlich und diszipli⸗ narisch wegen Teilnahme am Eisenbahnerstreik im Jahre 19 Verurteilten sowie auf Einstellung der aus dem gleichen Grund schwebenden Dißziplinarverfahren hinwirken. Die von den Kommunisten unterstützte Entschließung der Unabhängigen Ledebour und Wegmann geht dahin, die Reichsregierung auf⸗ zufordern, schleunigst die erforderlichen Schritte zu tun zur Amnestierung und Haftentlassung der sämtlichen wegen Be⸗ teiligung an vevolutionären Kämpfen oder an der Abwehr reaktionären Bestrebungen Inhaftierten und Verurteilten. Abg. Dr. Kahl (D. Vp.): Nachdem gestern die Aussprache über die überaus spannenden Vorgänge am Bahnhof in Gera si doch etwas zu stark dem Etat des Reichsverkehrsministeriums genähert hatte, darf ich in Erinnerung bringen, daß heute wieder vom Etat des Reichsiustizministeriums die Rede sein wird. Ueber den Haushalt im einzelnen zu sprechen, hat kaum einen Sinn, denn der ganze Zahkenunterbau des Etats ist Sumpf. In dem Grundsatz der Sparsamkeit find wir alle einig, aber gerade die Unberechenbarkeit und Uferlosigkeit der Etatszghlen und die Hoff⸗ nungslosigkeit, sie wieder in Ordnung zu bringen, verführt sehr leicht zu falschen Maßnahmen. Deshalb bedauere ich, daß auch der Justizetat an einzelnen Punkten dieser an sich gewiß be⸗ rechtigten Sparsamkeit zum Opfer gefallen ist. Ich weiß aus langjähriger persönlicher Erfahrung, mit welchem Aufwand von Arbeit und Pflichttreue gerade das Reichsjustizamt seine Auf⸗ gaben löst, deren Umkreis sich in den letzten Jahren außer⸗ ordentlich erweitert hat. Das fortwährende Nachflicken u

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehohenen Reden⸗ der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

.“ 88 *

iu der Gesetzgebung macht unendlich viel mehr Mühsal cesern rigteiten als eine einheitliche in einem Guß Justizresorm. Da sollte auch, wenn irgend möglich, am I1 nicht gespart werden. Leider ist es für 1923 nicht einen literarischen

8 —1 ast engewesen, dem Reichsjuftizminister

Prlch fonds aus Reichsmitteln zur Unterstützung juristischer

rfen. Wie die „Deutsche Strafrechts⸗ tung“ schon vor Jahren ihr Exscheinen hat einstellen müssen, befindet sich auch die „Deutsche Juristenzeitung“ in sehr zzer Notlage. Sie darf im Möcheinterese nicht untergehen, cg nicht eine Fachzeitschrift, sie hat einen aller⸗ ven mternationalen Rang erworben und eine große, jetzt lich sehr beeinträchtigte Verbreitung im Auslande ge⸗ wen. Sie kann für die allmähliche Wiederherstellung mnationaler Beziehungen unmöglich entbehrt werden. Franke dem Reichspräsidenten für das große Interesse, das er Frage zugewendet hat, ich danke auch dem Reichsjustizminister eine Bemühungen bei der Erörterung der Sache im Ausschuß. kingt es im Laufe des Jahres nicht, der Notlage Herr zu werden, 8 chalte ich mir besondere Anträge für den nächsten Etat vor. e rapide Geldentwertung wird sich auch bei der Reform des tefrechts, des Strafvollzugs und des Strafprozesses sehr hindernd den Weg stellen. Ich bringe vorweg noch meine Teilnahme für „Fotlage des Anwaltstandes zum Ausdruck. Für dessen Zukunft den ganz nene Entwicklungen gesucht und ganz neue Wege be⸗ biten werden müssen, sowohl auf dem Gebiete der Staatshilfe der Selbsthilfe und der Gesellschaftshilfe. Im Punkte der tmatshilfe wird ja als Gefolgschaft des neuen Gerichtskosten⸗ es die Revision der Gebührenordnung in die Erscheinung

positionsf 2 Feitchriften aus

Uen, aber was ist damit gewonnen? Die Erhöhung der Ge⸗

lären wirkt notwendig auf die Abnahme der Prozesse ein. Eine ere Staatshilfe wäre die Beseitigung der Hindernisse, die der wolatorischen Praxis bei den Kaufmanns⸗ und Gewerbegerichten icgegenstehen, die seinerzeit aus sozialpolitischen Gründen auf⸗ ichtet wurden, heute aber auf die Danuer angesichts der emeinen Lage nicht bestehen bleiben können. Neben den Haus⸗ et gehört der Hausanwalt für Beratungen von Familien bei den. wähligen Fragen rechtlicher Natur. Soll der Anwaltsstand auf ner bisherigen wissenschaftlichen Höhe erhalten werden, so ser auch rein wirtschaftlich bessergestellt werden. Nach langjährigen Vorbereitungen konnten wir annehmen, daß mit rgoßen Strafrechtsreform im Frühjahr 1917 begonnen werden inde. Diese Erwartungen sind zusammengebrochen, zunächst anten wir nur auf einzelnen Gebieten mit Novellen vorgehen. i Bedürfnis, jetzt auch das Gebiet der Abtreibung besonders zu eln, besteht aber nicht. Ich habe übrigens nicht den Eindruck, gerade unsere Zeit ruhig genug ist, um den vollen und reichen img der wissenschaftlichen Arbeit und der Praxis in befangener Weise in einem neuen Strafgesetzbuch zur ertung zu bringen. Die Politik darf gan gewiß hier nicht eechaltet werden, aber ihr Einfluß ist auf das Nötigste zu sarünken. Nun hat ja der frühere Justizminister Dr. Radbruch ien Gesetzentwurf ausgearbeitet, worin u. a. die Abschaffung der hesstrafe, des Zuchthauses und der Aberkennung der bürgerlichen enrechte enthalten sind. Diese drei Dinge sind mir besonders die Nerveu gefallen. Die Frage der Todesstrafe ist keine tinzipienfrage, sondern eine Se Machtfrage zwischen dem doat und dem Verbrecher. Schelten Sie mich einen Reaktionär, weit Sie wollen, ich bin dafür, daß die Todesstrafe gegen gewisse were Verbrecher und geegen die allergrößten Wucherer, die sich dr Gesamtheit verfündigen, ohne weiteres angewendet wird. ndie Empfindlichkeit der Verbrecherwelt zu schonen, darf nnicht scon den Namen Zuchthaus aufgeben. Die Aberkennung bürgerlichen Ehrenrechte darf man nicht in einem ttyunkt abschaffen, wo gerade Verbrecher aus gemeiner ehrloser einnung ein 1 Zug der Kriminalität sind. vofnung muß 523 aufgegeben werden, daß noch der jetzige icstag mit der Strafrechtsreform befaßt wird. Der Zusammen⸗ ugmit Oesterreich darf auch auf diesem Gebiet nicht verloren hen. bfitverständlich sind wir für jede Humanisierung des traf⸗ ings und die Kritik, die Herr Graef an einer Weihnachtsfeier Sträflinge geübt hat, ist mir unverständlich. In der Straf⸗ gseßordnung müssen wir schon aus finanziellen Gründen die inahme der Laien an der Strafrechtspflege einschränken, migstens in der unteren Instanz. Dagegen stimme ich auch für beseitgung der Schwurgerichte. Das wird mir zwar schwer, als geborener Bayer bin ich erblich belastet mit der Be⸗ g für die Schwurgerichte. Aber wir haben auch immer nuünscht, daß die Arbeiter dazu mit herangezogen werden. Es ein großer Fehler, daß man niemals den Mut gehabt hat, veine Reform der Schwurgerichte heranzugehen. Nun sind sie imereif geworden. In verschiedenen Fällen standen ihre Urteile gegensatz zur allgemeinen Meinung, zum Beispiel in der Sache Sittlichkeitsverbrechers Franzke in Charlottenburg. Das keliner Tageblatt“ berichtete vor einigen Tagen, daß die Be⸗ ungsbehörden in Offenburg sich für ihre Forderung, daß alle eiehle der Kommandanten ausgeführt werden müssen, auf Keichsgerichtsentscheidung berief, die allerdings nur für Wies⸗

den gilt. Ich kann glauben, daß eine solche Entscheidung er⸗

rren ist, und frage den Minister danach. Das Reichsgericht ist fellcstet die Senate beraumen Termine auf ein Jahr hinaus an; iner Ehescheidungssache ist Termin auf den Juni 1924 an⸗ raumt, das kommt auf eine Rechtsverweigerung hinaus. Das stzgericht ist überlastet zunächst durch die sinnlosen Prozesse ien die angeblichen Kriegsschuldinen Mögen nur mal die Fran⸗ en bei sich solche Prozesse vornehmen. (Sehr richtig!) Sodann tdas Reichsgericht nach der Verfassung über Verhältnisse ssccen dem Reich und den einzelnen Ländern zu entscheiden, nentlich Abhilfe zu schaffen für eine gewisse Eigenmacht der mnder. Ueber Thüringen und Braunschweig bestehen zum Bei⸗ d- lebhafte Klagen, namentlich bezüglich der Leistungen an die ige. Das Reichsgericht muß auch als Dißziplinarhof fungieren, tir könnten Bernfungsgerichte in den einzelnen Ländern er⸗ 1 werden. Das Reichsgericht als erste Instanz in gewissen efachen könnte ganz wegfallen. Endlich die Belastung aus dem ies zum Schutz der Republik. Meine Fraktion hält dafür, daß hes Gesetz entbehrlich geworden ist. Die Republitk ift gegenwärtig in Gefahr. Die Aufhebung dieses Gesetzes würde innen⸗ und senyolitisch der größte Erfolg sein. Wir streiten uns jetzt nicht e Staatsform, denn es geht jetzt um das Ganze, das Reich. e jett nicht den Staat schützen will, würde auch mit den nffeen Strafbeftimmungen dieses Gesetzes nicht genügend be⸗ merden. Die Aufhebung des Gesetzes würde das Bewußtsein nmefinigkeit im Reich ungemein stärken. In der Frage der mnͤtijen haben wir immer Zurückhaltung geübt, aber gegen⸗ 4. lann man aus allgemeinpolitischen Gründen dem Amnestie⸗ I. nähertreten, namentlich für die Eisenbahner. Aber es 4 gene von einer paritätischen Amnestie die Rede sein. In sen Lit⸗ wo unser Recht schamlos mit Füßen getreten wird, 4* die uns darauf halten, daß das Recht im eigenen Hause in cajrfenung sich befinde. Wir haben volles Vertrauen zu dem mmier izminister, daß es bei ihm in guter Hand ist, nicht weil eihn Parteigenosse ist, sondern weil er das Augenmaß für das ik l rre und Notwendige hat. Deshalb hoffen wir, daß er noch uge an der Spitze steht. (Beifall rechts.)

ün Beodauf (Dem.): Die Justiz, welche die Franzosen

bnach öͤlkerrechtswidrig befetzten Ruhrgebiet ausüben, ist eine Er und Schande für die „grande nation“, die vorgibt, an derleid der Zivilisation zu marschieren. Wir bringen den so em A e Volksgenossen am Rhein und an der Ruhr auch aus des Aaß unsere innigste Sympathie entgegen. Die Not⸗ hicdert nwaltstandes ist gestern und heute durchaus zutreffend worden. Auch wir halten den Ausschluß der Anwälte ondergerichtsbarkeit für nicht länger haltbar. Die Zu⸗

der Amts⸗ und der Landgerichte muß anders abgegrenzt

ist eine Regelung anzustreben, welche die Geld⸗

8- in Line automatische Verbindung mit dieser Grenze rfreulich ist, daß in neueren Erkenntnissen die Gerichte

die Berücksichtigung der Geldentwertung zugunsten des Ver⸗ käufers einer Ware gelten lassen, wenn sie auch noch nicht den Wiederbeschaffungspreis zugestanden haben; es war doch eine geradezu unmögliche Zumutung an den Verkäufer, für gutes Geld gekaufte Ware für schlechtes an den Käufer abzugeben. Seit der vorigen Etatsberatung haben wir den Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik neu erhalten. Herr Graef hat die Prozeß⸗ leitung dort angegriffen, aber mit Unrecht. Wenn Dr. Kahl den Staatsgerichtshof für entbehrlich hält, so war er doch jedenfalls eine Saatsnotwendigkeit und wird es voraussichtlich noch längere Zeit bleiben. Die Schwurgerichte haben gestern von verschiedenen Seiten Kritik erfahren: man hat die Auswahl der Geschworenen, die Zusammensetzung der Geschworenenbank bemängelt; man hat den Harden⸗Prozeß vor dem Berliner Schwurgericht bekrittelt. An unserem gundsätzlichen Standpunkt können diese Kritiken nichts ändern. Dem Ausfall des Abgeordneten Graef gegen die Weihnachts⸗ feier in dem Thüringer Zuchthaus können wir nicht Beifall geben, freuen uns vielmehr, daß auch Dr. Kahl mit uns den.Vorgang durchaus sympathisch beurteilt. Das Verlangen einer Voraus⸗ entscheidung über die Reform des Ehescheidungsrechts, wie es die Sozialdemokraten geäußert haben, halten wir für berechtigt.

Die Rede des Reichsjustizministers Dr. Heinze, der hierauf das Wort ergreift, kann erst nach Eingang des Steno⸗ gramms veröffentlicht werden.

Abg. Dr. Beyerle (D. Vp.): Bei der Fülle der hier auf⸗ Probleme bleibt mir nur übrig, zu dem wichtigsten kurz

tellung zu nehmen. Die Hebung der Stellung des Reichsgerichts wird besonders bei der Besetzung der leitenden Stellen dadurch bewirkt werden können, daß man ihm ein Vorschlagsrecht einräumt. Die Reichsregierung müßte alles aufbieten, um auch außerhalb der Gebührenordnung der Notlage der Rechtsanwälte abzuhelfen. Wir sind gegen die völlige Gleichstellung der unehe⸗ lichen und der cher en Kinder und werden auch nicht die Hand dazu bieten, die Ehescheidung in der von den Sozial⸗ demokraten erstrebten Richtung zu erleichtern.

Abg. Dr. Herzfeld (Komm.); Der Klassenkampf ist in Deutschland gerade unter der Form der nationalistischen Einheits⸗ front nur noch schärfer geworden. Die jetzige Minderheitsregierung ist eine Vertreterin der ärgsten Klassenjustiz. Die Volksbeauftragten, wie Ebert, Scheidemann, Haase usw., haben es versäumt, die Justiz zeitgemäß zu reformieren, sie haben sich der vorrevolutionären Richter und Staatsanwälte bedient, um die Vorgeschrittensten unter den Revolutionären in die Kerker zu bringen, und jetzt haben wir als Frucht das reaktionäre Kabinett Cuno und den reaktionären Justiz⸗ minister Dr. Heinze, der heute eine reaktionäre Rede hält, der mit dürren Worten erklärt, Ehescheidungserleichterung gibt es nicht, Strafgesetzbuchreform gibt es nicht, kurz alles gibt es nicht, was von der Revolution als selbstverständlich erwartet worden ist. Da⸗

gegen will man die Sondergerichtsbarkeit der Kangfmanns⸗ und

Gewerbegerichte aufheben. Auf diese Weise soslen die Anwälte ver⸗ sorgt werden auf Kosten der Arbeiterklasse. Der Staatsgerichtshof hat sich zu einem Instrument gegen die Republik entwickelt. Er hat sogar Angeklagte, die ihre Freude über die Ermordung Rathenaus ausgesprochen haben, für unschuldig erklärt. Im Reiche herrscht jetzt Bayern, selbst beim Staatsgerichtshof hat man bayerische Senate geschaffen und die Reichsjustiz ausgeschaltet. Der baverische Senat hat faktiich dahin entschieden, daß Bayern tun kann, was es will. Die Amnestie auch in Bayern könnte er⸗ zwungen werden, wenn die Sozialdemokratie sich mit uns zu einer proletarischen Einheitsfront verbinden wollte, gegen die Einheits⸗ front der Kapitalisten (Gelächter bei den Sozialdemokraten), aber sie hat bisher die proletarische Einheitsfront sabotiert. Unseren Entschließungsantrag bitten wir, dem Rechtsausschuß zu über⸗ weisen. Auch die Eisenbahner fallen unter unseren Antrag, denen ja Herr Ebert jetzt wieder das Streikrecht abstreitet, das er ihnen im November 1918 ausdrücklich zugesprochen hat. Für die Demonstrationen aus Anlaß des Rathenaumordes sind über 100 Personen bestraft worden, obwohl sie dem Schutze der Republik dienen wollten. Redner führt eine Reihe dieser Beenafangen im einzelnen an. Im Oktober hielt der Bund für reiheit und Ordnung im irkus Busch eine große monstrationsversammlung ab. a hieß es: Nieder mit den Juden! Wir wollen unsern Kaiser wiederhaben! Vor dem Jirkus kam es zu Zusammenstößen mit den Kommunisten. nächsten Tage wurden viele Führer der Kommunisten verhaftet, und es begann eine wahre 8 gegen die Kommunisten. Es ever eag jetzt Prozesse gegen diese Arbeiter wegen Landfriedens⸗ ruch. Auch diese Leute müssen amnestiert werden. Der Hunger⸗ streik der Gefangenen in Zuchthäusern wird durch die Art des Strafvollzugs hervorgerufen. Die Aeußerung gegen die Weihnachtsfeier der Gefangenen wird Herrn Graef⸗Thüringen unsterblich machen. Ein Redakteur der „Mecklenburger Volkswacht“, die vom Gericht als höchst staatsgefährlich bezeichnet wurde, ist in der Haft behalten worden, lediglich deshalb, weil er zu einem Termin nicht erschienen war, und es ist ihm nicht einmal seine E estattet worden. Die Ausweisungen aus Deutschland aben in letzter Zeit drei kommunistische Redakteure betroffen, Süßkind in Berlin, Heine in Bremen und einen Redakteur in Breslau. Das neue Notgesetz will noch weiter die Paßerteilung erschweren und von der Willkür der Behörden abhängig machen.

Dieses Gesetz ist ein neues vormärzliches üeissmecü-vele. Mit i

olchen Gesetzen wird Herr Heinze die Sowjetrepu in utschland errichten.

Abg. v. Graefe (Deutschvölk. Freiheitspartei): Der Minister Fröhlich hat die Geraer Vorgänge falsch dargestellt. Wir werden ja beim Etat des Ministeriums des Innern sehen, ob der Minister des Innern den eigenartigen Stolz des thüringischen Ministers darüber teilen wird, daß man deutsche Staatsbürger in solcher Weise der Freiheit beraubt hat.

Abg. Ledebour (Unabh.) befürwortet seinen Amnestie⸗ antrag, der den Vorzug vor dem sozialdemokratischen Antrag ver⸗ diene. Mein Antrag, so bemerkt Redner, entscheidet eine prinzipielle Frage, und wir wollen eine Ausschußberatung. Lehnen Sie den Antrag ab, so steht das im Widerspruch zu allen Ihren groß⸗ spurigen Redensarten über die Einheitsfront. Von den Laien wissen 99 Prozent noch gar nicht, daß der religibse Eid nicht mehr nötig ist. Um so mehr ist der Richter verpflichtet zu einer Aufklärung darüber. Der Justizminister aber gibt hier eine Erklärung ab. die das geradezu verhindert. Auf der Rechten ertönen Pfui⸗Ruse, als Redner ausführt, Hindenburg und Ludendorff seien schuld daran, abgesehen von dem geistig minderwertigen Hinter⸗ mann Wilhelm II., daß in Nordfrankreich und Belgien sinn⸗ lose Zerstörungen angerichtet seien. (Die Erregung über diese Aeußerungen des Redners dauert längere Zeit an. Im Zentrum wird gerufen: Daran werden die Franzosen ihre Freude haben!) Kommunistische Redner drängen nach rechts vor. Die Zurufe auf beiden Seiten dauern fort. Aus der Mitte wird dem Redner ugerufen: Sie Subjekt! (Großer Lärm links.) Der Redner fcr Wie heißt der Mann, der das gerufen hat? (Gelächter.)

enn er sich nicht nennt, muß ich ihn als einen elenden ver⸗ leumderischen Schuft bezeichnen. (Gwoße Unruhe vechts und im Zentrum. Glocke des Vizepräsidenten. Vizepräsident Dr. Bell ersucht, die Zwischenrufe zu unterlassen und zu bedenken, daß die Augen der ganzen Welt auf den Reichstag ichtet seien. Der Lärm dauert nichtsdestoweniger noch geraume Zeit an.) Der Redner kommt weiterhin auf England zu sprechen. Macdonald, der Führer der Opposition, ist ein uneheliches Kind. Was sagt Herr Heinze dazu? Die englische Opposition macht scharf Front gegen Frankreich. (Zuruf rechts: Die englische Opposition würde sich nicht so benehmen wie Sie!) Reden Sie (nach rechts) doch nicht so dummes Zeug! (Bizepräsident Dr. Bell: Hier wird kein dummes Zeug geredet. Heiterkeit.)

Thüringischer Staatsminister Fröhlich: Der Abgeordnete von Graefe⸗Mecklenburg hat erklärt, auf die Gerager Angelegen⸗ heit bei der Beratung des Haushalts des Reichsministeriums des Innern zurückkommen zu wollen. Er hat hier 1 thüringische Regierung a riffen, ohne für seine Angriff eweise zu er⸗

Am

bringen. Diese Methode der Angriffe gegen Thüringen ist schein⸗ bar Uebung geworden. Ich hätte es für richtiger gehalten, daß er mindestens angedeutet hätte, in welcher Richtung ich „irre⸗ führende“ Ausführungen gemacht hätte. Es ist leider eine Tat⸗ sache, daß, bloß weil Thüringen eine sozialistische Regierung hat, alle möglichen Angriffe gegen sie von einer gewissen Seite in die Presse lanziert werden und leider von allzuvielen geglaubt werden. Die Art der Angriffe des Herrn von Graese ist so dehnbar, daß man daraus alles oder nichts machen kann: jeder, der nicht denkt, der nur die Worte hört, kann alles daraus herauslesen; für den objektiven Beurteiler wird sich daraus ergeben, daß man so nicht arlamentarisch kämpfen sollte. Jedenfalls ist die thüringische egierung nicht geneigt, auf diesen Boden zu treten; wir sind gewohnt, offen zu sagen, was wir wollen und wie wir arbeiten. (Große Unruhe rechts.) Ich stehe hier als Vertreter eines Landes und einer Landesregierung, und ich erwarte von Ihnen allen, da meine Regierung wie jede andere anerkannt wird. (Unruhe un Zurufe rechts.) Ich bin bereit, jederzeit zu antworten. Meine Ausführungen über den Vorgang in Gera, die Herr von Graefe unerhört genannt hat, beruhen auf amtlichen Feststellungen. Herr von ee. auch von dem Stolz der thüringischen e⸗ prochen. Wir werden in diesem Gefühl des Stolzes jederzeit daftr orgen, daß die deutsche Republik gesichert wird Hierauf wird die Fortsetzung der Beratung auf Mittwoch,

2 Uhr, vertagt; außerdem Anfragen, elfter Nachtragsetat, ] des Postscheckgesetzes und erste Lesung der Vorlage betr. die Erwerbslosenversicherung.

Schluß 6 ½ Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags setzte gestern die Beratung über den Etat des Reichswehr⸗ ministeriums fort. Abg. Stücklen (Soz.) brachte laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins Deutscher Zeitungs⸗ verleger einige Fälle zur Sprache, in denen, durch widersinnige Anordnungen der Interalliierten Militärkommission bereits be⸗ stehende Einrichtungen der Reichswehr nicht benutzt werden dürfen und deshalb durch koftspieligen Aufbau neuer Einrichtungen unnütze Ausgaben verursacht werden. Im Etat selbst würden in der Haupt⸗ sache an den Positionen für Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräßte eriche gemacht. dabei aber ausdrücklich betont, daß mög⸗ lichst sofortige Entlassungen nicht vorgenommen werden sollen, sondern daß lediglich der normale Abgang an Stellen nicht wieder neu besetzt werden dürfe. Abg. von Gallwitz (D. Nat.) be⸗ eine bessere Bezahlung der Handwerksmeister. Von

egierungsseite wurde darauf erwidert, daß die Bestim⸗ mungen der Entente leider männliche Angestellte bei der Reichs⸗ wehr nicht dulden, weshalb die Handwerksmeister als Arbeiter, und zwar als Vorhandwerker in Stufe I eingestuft werden müssen. Das Interesse der Heeresverwaltung bleibe ihnen aber nach wie vor zugewendet und der Reichswehrminister werde durch Ge⸗ Gewährung von Zulagen versuchen, ihren Notstand zu mildern. Abg. Künstler (Soz.) kritisierte die Vor⸗ nahme zu umfangreicher und militärisch nicht durchaus notwendiger Uebungsfahrten der Kraftfahrtruppen. Reichswehrminifter Dr. Geßler versicherte, daß auf möglichste Sparsamkeit im Benzinverbrauch gesehen werde, aber Probefahrten und Uebungs⸗ fahrten ließen sich nicht vermeiden, um Personal und Wagen betriebsfähig zu erhalten. Abg. Dr. Moses (Soz.) wies auf die vielen Unglücksfälle hin, die sich auf dem Schießplatz Kummers⸗ dorf ereignet hätten und forderte geeignete Maßnahmen zur Ver⸗ hütung solcher Unfälle. Reichswehrminister Dr. Geßler er⸗ widerte, daß die Verunglückten in der Mehrzahl der Fälle zur Hebung der Munition gar nicht berechtigt seien, es handle sich um sogenannte wilde Sucher, die trotz allen Warnungen und Verboten aus Gewinnsucht das hochwertige an den Geschossen befindliche Kupfermaterial in ganz unsachverständiger Weise ausgraben und dabei verunglücken. Abg. Kuhnt (Soz.) bemängelte es, daß die Militärmusiker mit ihrem relativ guten Amtseinkommen den in großer Not befindlichen Zivilmusikern Konkurrenz machen, indem sie Konzerte veranstalten und auch sonst gewerbsmäßig aufspielen. Reichswehrminister Dr. Geßler verwies auf die örtlichen Schlichtungskommissionen zwischen Militär⸗ und Zivilmusikern, die ausgleichend wirken sollen. Damit war der Etat des Reichswehr⸗ ministeriums erledigt.

Der Ausschuß wandte sich darauf dem Haushalt der Marine zu. Abg. D. Schreiber (Zentr.) anerkannte das Entgegenkommen der Marineverwaltung, aus ihrem Areal für die Jugendvereinigungen an der Küste geeignetes Gelände zu Sportzwecken zur Verfügung zu stellen. Das habe sich bisher sehr gut bewährt und müsse weiter gefördert werden. Abg. Brü⸗ ninghaus (D. Vp.) sprach für eine Verbesserung der Stellung der technischen Marinesekretäre. Die verschiedenen Ressorts be⸗ die technischen Sekretäre, besonders hinsichtlich der

Prüfungsfrage, verschieden. Auch Abg. Wieland (Dem.)

hielt eine allgemein gültige definitive Regelung dieser Frage für notwendig. Ein Vertreter der Reichs regierung erklärte, daß eine solche Regelung bereits erfolgt sei, indem jetzt allgemein beim Uebergang von Stufe VI. zu VII von den Assistenten resp. Sekretären die Peblegung einer Prüfung verlangt werde. Abg. Hünlich (Soz.) verlangte eine mehr kaufmännische Organisation der Marinewerften und Arsenale. Abg. Ersing (Zentr.) gab u erwägen, daß für den Fall kaufmännischer Organisation solcher Betriebe auch grundsätzlich ihre Wirtschaftsform umgestaltet werden Innerhalb des bürokratischen Charakters einer Behörde

müsse. ne Hierauf ver⸗

ließe sich derartiges mit Erfolg nicht durchführen. tagte sich der Ausschuß auf heute.

Der des Reichstags etzte gestern die zweite Beratung des Gesetzes über Mieter⸗ daR. Wund Mieteinigungsämter fort und beschloß entgegen der bisherigen Fassung des § 7, daß die Bestellung der Beisitzer an den amtsgerichtlichen Schiedsgerichten nach den Vor⸗ schlägen der örtlichen Vermieter⸗ und Mietervereinigungen vor⸗ genommen werden soll. Diese neue Fassung werde dazu führen daß auch an kleinen Plätzen Vermieter⸗ und Mietervereine sich bilden werden. Eine Reihe weiterer Paragraphen wurde im Sinne der ersten Lesung erledigt. Die Fortsetzung der Beratung

wurde vertagt.

Der Sozialpolitische Ausschuß des Reichs⸗ tags erörterte gestern die Frage der Betriebskranken⸗ kassen. Die Abgg. Lambach (D. Nat.), Moldenhauer (D. Vp.), Fick (Dem.) traten für die Betriebskrankenkassen ein, die sich als besonders leistungsfähig erwiesen hätten. Ihre Beseitigung vernichte wertvolle Einrichtungen für die Arbeit⸗ nehmer, ohne daß den Ortskrankenkassen damit ein Nutzen erwiesen werde. Sie seien aber damit einverstanden, die Einrichtung neuer Betriebskrankenkassen von der Zustimmung der Versicherten des Betriebes abhängig zu machen. Die Regierungsvorlage wurde mit der Mehrbeit des Zentrums und der Linken angenommen; ein sozialdemokratischer Antrag auf völlige Beseitigung der Betriebs⸗, Innungs⸗ und Landkrankenkassen wurde mit bürgerlicher Mehrheit abgelehnt.

Der Unterausschuß des Steuerausschusses ührte gestern die Verständigung über die Bewertungsvor⸗ e für die Einkommensteuereinschätzun zu Ende. Für Warenbestände und solche Devisen, die geschäätli erlaubt und erforderlich sind, sollen unter teilweiser Bezugnahme auf den Jahresanfangspreis Abschläge für die Steuerbilanz er⸗ laubt sein. Auch die Steuerfreiheit der Aufwendungen für Neu⸗ anschaffungen bis zu drei Viertel des Betrages fand die Billigung der Mehrheit.

Im 24. Ausschuß (Entschädigungsgesetze erstattete der Direktor der Deutschen Aktiengesellschaft für Landes kultur, Dr. Büsselberg, ein Gutachten über wertbeständig S ldve chreibungen und örterte di öglichkeit, d