1923 / 68 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Mar 1923 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

(Fortsetzuna aus dem Hauptblakk.)

Preußischer Staatsrat. Sitzung vom 20. März 1923. 8— (Bericht dee Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

In der heutigen unter Vorsitz des Gräf abgehaltenen Vollsitzung wurde zunächst der Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Abänderung des Stempelsteuer⸗ gesetzes, beraten.

Der Verfassungsausschuß empfiehlt dazu bald mögliche Auf⸗ bung des Stempelsteuergesetzes, da es, wie der Berichterstatter einhard (Zentr.) ausführt, völlig unzeitgemäß und seine

Durchführung viel zu kostspielig sei. Zunächst sei aber eine Reform des Gesetzes nicht mehr zu vermeiden, da zurzeit der Staat auf die Stempelsteuereinnahmen immerhin noch nicht ver⸗ 28S könne. Mit den Bestimmungen des Entwurfs sei der Ausschuß im allgemeinen einverstanden, empfehle aber eine Reihe von Abänderungen.

Ein Vertreter der stimmt der Meinung zu, daß die Erhebungskosten in keinem Verhältnis zum Ertrage stehen und der Verkehr durch das Gesetz belästigt werde. Aus dem ersteren Grunde sei eine entsprechende Erhöhung der Sätze vorgeschlagen. Das Gesetz solle künftig einige Milliarden erbringen, es sei daher nicht aufzuheben, sondern zu verbessern. Die Staatsregierung bitte daher um Ablehnung der ntschließung.

Abg. Hallensleben (Arbgem.) tritt namens seiner Fraktion für den Abbau des Stempeltarifs und für Annahme der Ausschußentschließung ein.

Ein sozialdemokratisches und ein demokratisches Mitglied schließen sich gleichfalls dem Ausschußantrag an.

Das Gutachten des Ausschusses wird einstimmig an⸗ genommen und dem Gesetzentwurf zugestimmt.

Ohne Aussprache stimmt der Staatsrat zu: dem Gesetz⸗ entwurf zur Aenderung der Hinterlegungsordnung der Ver⸗ ordnung über eine Erhöhung der in der Besoldungsordnung ö Aufwandsentschädigungen vom 15. Januar 1923:

em Gesetzentwurf über die Aufhebung des Gesetzes, betreffend die Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnver⸗ waltung; der ersten Ergänzung der Besoldungsordnung für die planmäßigen Beamten der Preußischen Staatsbank und der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse sowie dem Gesetzent⸗ wurf, betreffend Deckung von Ausgaben im Haushalt für das Rechnungsjahr 1919.

Nächste Sitzung: Mittwoch, 21. März, Nachmittags 5 Uhr.

Schluß 6 ¼ Uhr. 1

Prreußischer Landtag. 223. Sitzung vom 19. März 1923. Nachtrag.

Die Rede, die der Minister für Volkswo lfahrt Hirt⸗ iefer im Anschluß an die von den Abgg. llich (Soz.), rau Poehlmann (D. Vp.), Dr. Quaet⸗Faslem (d. Nat.)

und Frau Arendsee (Komm.) begründeten Anfragen gehalten hat und die gestern wegen verspäteten Eingangs des Steno⸗ gramms nicht veröffenlicht werden konnte, lautet wie folgt:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Beantwortung der großen Anfragen, die sich in der Hauptsache mit der Not der Krankenkassen, der Aerzte, der Apolheker und der Heilberufe an sich beschäftigen, möchte ich im Anschluß an die eingangs gemachten Ausführungen einiges sagen.

Was zunächst die erste große Anfrage, die Anfrage der Herren Limbertz (Essen) und Gernossen betrifft, so habe ich dazu folgendes zu erklären. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß auch die Krankenkassen durch die fortwährende Geldentwertung in eine höchst schwierige Lage gekommen sind. Die Reichsregierung, der als Trägerin der Gesetzgebung in erster Linie die Verantwortung für den Bestand der Krankenversicherungsanstalten zufällt, hat sich dieser Entwicklung gegenüber meines Erachtens keineswegs un⸗ tätig verhalten; sie ist vielmehr bemüht gewesen, den Krankenkassen beizuspringen und den hervorgetretenen Unzuträglichkeiten abzu⸗ helfen. Zu diesem Zwecke ist die Höchstgrenze des Jahresarbeits⸗ verdienstes für die Personenkreise, deren Versicherungspflicht durch einen bestimmten Jahresarbeitsverdienst bedingt ist, ständig erhöht worden, um den Krankenkassen besonders wertvolle Versicherungs⸗ barleistungen zu erhalten. Außerdem ist unaufhaltssam dafür Sorge getragen, daß die für die Beiträge an Barleistungen maß⸗ gebenden Grundlöhne entspreihend erhöht sind. Damit dürfte auch wohl die zuletzt begründete große Anfrage erledigt sein. Auch wir haben stets versucht, in diesem Sinne tätig zu sein. Die Reichs⸗ regierung geht hierbei in ständiger Fühlung mit den Kassenhaupt⸗ verbänden vor, die als die maßgebenden Vertreter der Wünsche der Krankenkassen auf die Gestaltung der Gesetzgebung einen er⸗

heblichen Einfluß gewonnen haben. Nur in einem Punkte besteht zwischen der Reichsregierung und den Verbänden eine Meinungs⸗ 1 verschiedenheit. Die Krankenkassen beanspruchen für sich die Be⸗ fugnis, die ärztliche Behandlung durch die Satzungsbestimmungen als Sachleistung abzuschaffen und durch eine Barleistung zu er⸗ setzen, um sich von den mit der Teuerung wachsenden Ansprüchen der Aerzte und zugleich von der freien Arztwahl freizumachen, zu⸗ mal eine Verständigung zwischen Aerzten und Krankenkassen auf immer größere Schwierigkeiten stößt. Ich darf da auf das ver⸗ weisen, was ich eingangs meiner Rede gesagt habe: die Reichs⸗ regierung steht auf dem Standpunkt, daß eine solche Regelung höchst bedenkliche Folgen für die Volksgesundheit haben könnte, und hat sich daher nicht entschließen können, diesem Verlangen der Krankenkassen zu entsprechen. Im ührigen ist der Gesetzentwurf, der die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Aerzten neu eegeln soll, in Ausarbeitung. Soviel ich weiß, ist er bereits in der Beratung begriffen, und dabei ist ein Antrag angenommen worden, wonach die Kassen berechtigt sein sollen, ein Viertel ihrer Kosten auf die Versicherten abzuwälzen. Also es wird da wohl irgend⸗ ein Mittelweg gegangen werden müssen. Ich glaube, daß ein lches Verfahren der Krankenkassen der Volksgesundheit doch nicht itsprechen würde. Außerordentlich nachteilig, wenn nicht geradezu verhängnis⸗ voll für die Kassen ist die Tatsache, daß infolge der Steuergesetz⸗ gebung des Reiches die Gemeinden, die als Garantieverbände der rts⸗ und Landkrankenkassen gelten, außerstande sind, ihrer Ver⸗ pflichtung zur Zahlung von Zuschüssen nachzukommen. Aber auch ieser Notlage hat die Reichsregierung in gewissem Umfange Rechnung getragen, indem sie Vorsorge dafür getroffen hat, daß die Krar kenkossen, die ohne Verschulden in eine schwierige Lage ge⸗

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kommen sind, kurzfristige Darlehen aus Reichsmitteln erhalten können. Ich darf hinzufügen, daß wir bemüht gewesen sind, den Kassen nach Möglichkeit die Wege zu ebnen. Zurzeit liegt dem Reichsrat der Entwurf eines Gesetzes vor, der durch eine Reihe von Maßnahmen die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen erhalten will. Dazu gehört vor allem die Beseitigung kleiner Betriebs⸗ krankenkassen sowie die Erschwerung der Errichtung von Betriebs⸗ krankenkassen überhaupt. Auch sind Erleichterungen in der Ver⸗ waltung der Krankenkassen in Aussicht genommen. Es bedarf keiner besonderen Betonung, daß das Staatsministerium die Reichsregierung in dem Bestreben, die Krankenkassen leistungs⸗ fähig zu erhalten und den Fortbestand der überaus wertvollen Krankenversicherung zu sichern, nachdrücklichst unterstützt und ihr auch mit Ratschlägen soweit als irgend möglich zur Hand geht. Alle in meinem Ministerium eingehenden Wünsche und Vorschläge, von welcher Seite sie auch kommen mögen, werden dem Reichsarbeits⸗ ministerium zugeleitet.

Dem Vorschlag, Anweisungen an die Oberversicherungsämter dahin ergehen zu lassen, daß sie der furchtbaren Not der Kranken⸗ kassen erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden, steht zunächst das Be⸗ denken entgegen, daß die Oberversicherungsämter mit der Be⸗ aufsichtigung der Krankenkassen nichts zu tun haben. Die Aufsicht über die Krankenkassen führen lediglich die Versicherungsämter. Die Oberversicherungsämter sind nur Beschwerdeinstanz über An⸗ ordnungen der Versicherungsämter. Gegen entsprechende An⸗ weisungen an die Versicherüngsämter erhebt sich aber sofort das Bedenken, daß nach ausdrücklicher Vorschrift im § 30 RVO. die Aufsicht sich auf die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und Satzungsbestimmungen zu beschränken hat. Auch nach der Richtung hin kann also meiner Ansicht nach etwas Weiteres nicht geschehen.

Zur Beaufsichtigung nach Zweckmäßigkeitserwägungen ist nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Raum. Wenn also die Versicherungsämter Anordnungen wegen der Geschäftsführung der Krankenkassen treffen sollen, so muß eine gesetzliche Vorschrift oder eine Satzungsbestimmung verletzt sein. Die Staatsregierung ist nicht der Meinung, daß solche Verstöße in so erheblichem Umfange vorkommen, daß dadurch die Leistungsfähigkeit der Gesamtheit der Krankenkassen beeinflußt werden könnte. Es handelt sich vielmehr um unzweckmäßige Maßnahmen, die sich im Hinblick auf das weit⸗ gehende Selbswerwaltungsrecht der Krankenkassen einer Nach⸗ prüfung durch die Aufsichtsbehörde entziehen. Anregungen zur Sparsamkeit werden, wenn sie von den Behörden kommen, im all⸗ gemeinen von den Krankenkassen nicht gern gesehen, jedenfalls kaum befolgt. Sollten den Versicherungsämtern in dieser Be⸗ ziehung weitergehende Befugnisse eingeräumt werden, so bedürfte es dazu unter allen Umständen einer Aenderung des Gesetzes. Für diese Aenderung würde aber im Reichstage kaum eine Mehrheit azu haben sein.

So lange es bei der jetzigen Rechtslage verbleibt, muß von den Krankenkassen erwartet werden, daß sie aus sich selbst heraus auf eine möglichst sparsame Geschäftsführung bedacht sind und alle nicht unbedingt notwendigen Ausgaben unterlassen. Da die Versicherten selbst in den Organen der Krankenkassen das Uebergewicht haben, so kann damit gerechnet werden, daß sie selbst ihren Einfluß auf die Verwaltung der Krankenkasse in ihrem Sinne geltend machen. So⸗ weit den obersten Verwaltungsbehörden oder den Oberversicherungs⸗ ämtern für Einzelangelegenheiten die Befugnis zum Erlaß von Anordnungen oder zur Genehmigung von Beschlüssen der Kranken⸗ kassen übertragen ist, wird auf tunlichste Einschränkung der Aus⸗ gaben der Krankenkassen gehalten und wohl auch in Zukunft gehalten werden müssen. So habe ich auf Grund des § 363 Abs. 2 RVO. nunmehr die Anordnung getroffen, daß die Kassen zu den Versammlungen der Kassenverbände nicht mehr nach ihrer Größe bis zu 6 Vertreter, sondern nur bis zu 3 Vertveter entsenden dürfen. Ich bin der Ansicht, das ist eine Maßnahme, die sich vertreten läßt. Bei Genehmigung der Dienstordnungen haben die Oberversiche⸗ rungsämter meiner Anordnung entsprechend darauf hingewirkt, daß unbeschadet abweichender tariklicher Abmachungen zwischen Krankenkassen und ihren Angestellten die Regelung der Besoldungen sich in angemessenen Grenzen hält. Ich glaube nicht, daß ich es vertreten kann, auf der einen Seite fortwährend Deputationen, die von Krankenkassen zu mir kommen, um sie in ihrer Notlage zu unterstützen, auch meine Unterstützung angedeihen zu lassen, ohne auf der anderen Seite die Verpflichtungen, die mir durch den § 355 RVO. auferlegt sind, durchzuführen. Ich werde von einem solchen Verfahren vor der Hand nicht abgehen können. Ich bin nicht verlegen um diese Tätigkeit; durchaus nicht. Denn ich bin ja jetzt der Prellbock, der zwischen diesen beiden Kreisen steht. Aber so lange die Vorschrift des § 355 RVO. besteht, muß ich an der bisher geübten Praxis festhalten. Leider bin ich bei diesen Bestre⸗ bungen mehrfach auf den Widerstand der Vertretungen der Ange⸗ stellten, zum Teil auch der Krankenkassen selbst gestoßen, so daß in dieser Beziehung bisher nicht alles erreicht werden konnte. Ich kann Ihnen aber leider nicht versprechen, von der bisher geübten Praxis abzuweichen.

Trotz den ernstlichen Bestrebungen aller beteiligten Stellen, den Krankenkassen in ihrer Notlage zu helfen, darf der weiteren Entwicklung der Krankenkassen nicht ohne ernste Besorgnis ent⸗ gegengesehen werden. Bei dem engen Zusammenhange, der zwischen der allgemeinen Wirtschaftslage und der Sozialversicherung besteht, muß es als ausgeschlossen gelten, daß die Krankenkassen ihre Leistungen in dem Umfange beibehalten können, den sie bei einer guten Wirtschaftslage als selbstverständlich angesehen haben. Es wird meiner Ansicht nach ernstlich zu prüfen sein, ob unter anderem die Gewährung von Mehrleistungen wie im Jahre 1914 nur besonders leistungsfähigen Kassen gestattet werden soll, und ob auch sonst durch Aenderung der Gesetzgebung auf einen an⸗ gemessenen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen hingewirkt werden muß. Ich glaube aber nicht, daß auf einem anderen Wege diese wünschenswerte Aufrecht⸗ erhaltung und Sicherung unserer Krankenkassen möglich sein wird.

Zu der großen Anfrage der Abgeordneten Dr. von Campe, Held und Genossen über die Notlage der Aerzte und Apotheker erlaube ich mir folgendes zu bemerken: Ich habe zum Teil diese Dinge auch schon in meinen ersten Ausführungen berührt. Die Verelendung der Heilberufe verfolge ich, wie ich mir ebenfalls bereits eingangs auszuführen erlaubt habe, mit schwerer Sorge, da darin eine ernste Gefährdung der Volksgesund⸗ heit liegt. Namentlich befinden sich die Aerzte in sehr bedrängter Lage. (Zuruf links: Nicht alle!) Das darf man zugeben. Die Schuld daran trägt weniger die Ueberfüllung des Aerzte⸗

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strandes, über die auch schon vor dem Kriege gellagt wo Allerdings hat der Krieg durch die Notapprobation uns d 1 kehr der deutschen Aerzte aus den abgetretenen Gebieten ie Hein dem Ausland die Zahl der Aerzte erheblich vermehrt. wird sich diese Ueberfülle in nicht zu langer Zeit ausgle⸗

der Nachwuchs zurzeit stark nachläßt und eine bemrächäkichen 1 von Aerzten, durch die Not veranlaßt, den Beruf veugßt Zat

Auch das Verhältnis der Krankenkassen zu den Ae nicht in erster Linie für die derzeitige Notlage der 1e. wortlich zu machen. Wohl befinden sich auch die Kassen 1 einer großen wirtschaftlichen Bedrängnis, so daß sie * 8 nicht ausreichend oder doch wenigstens nicht schnell zahlen können. Auch sonst läßt das Verhältnis zwischen 8 b und Kassen zu wünschen übrig, so daß die ärzulche Versenn der Versicherten hier und da erschwert ist. Da die Gefägrnen der ärztlichen Versorgung der Kassenmitglieder zugleich drohung der Volksgesundheit bedeutet, so habe ich ein Guta , des Landesgesundheitsrats über diese Frage eingefordert PS dazu erforderliche Verhandlung im Landesgesundheitsrat 8 als Sachverständige auch Vertreter der großen Kassen⸗ verbände teilgenommen haben, fand am 20. d. M. statt und 8 zielte das Ergebnis, daß eine enge Arbeitsgemeinschaft b Kassenverwaltungen und Aerzten in allen Kassenbezirken be lich ist, um den Betrieb der Kassen für die Versicherten in die Zeit der Volksverarmung so ersprießlich und zugleich so ben wie möglich zu machen. Ich werde diese Angelegenheit mit 8 sonderer Sorgfalt verfolgen.

Was die preußische Gebührenordnung für approbierte Aers angeht, die ja von beiden Seiten angefeindet ist, so kann von einer fehlerhaften Grundlage derselben nicht die Rede sein. Dj Grundlage der Gebührenordnung hat nicht nur die Interessen 8 Aerzte, sondern auch die Verhältnisse der Bevölkerung und der Reichsversicherungsträger zu berücksichtigen. Die Bestimmungen der Gebührenordnung sind nach wiederholten, gemeinsamen B ratungen von Vertretern der Aerzte, der Reichsversicherungsträger und der Behörden des Reichs und Preußens festgesetzt worden. Die Gebührensätze werden allmonatlich im Hinblick auf die Teuerung geprüft und unter Anlehnung an den Reichsteuerungs indexzuwachs durch Teuerungszuschläge erhöht. Allerdings muß dabei beachtet werden, daß jede Erhöhung zurzeit die Zahl der jenigen vermindert, die den Arzt in Anspruch nehmen, und de nicht beschäftigten Arzt das habe ich schon einmal ausgeführt- nützt die höchste Erhöhung nichts, wenn er keine Gebühren b. kommt; dann kann die Gebührentaxe so hoch sein, wie sie will er hat davon keinen Vorteil. Die Vorschriften der Gebühren ordnung sind im übrigen nur gültig beim Mangel einer Ve einbarung, so daß die Aerzte überall in der Lage sind, Verein barungen zu treffen, die ihren Sonderwünschen entsprechen. 6 ist nur gewissermaßen eine Richtlinie für die Grundlage.

Die preußische Gebührenordnung und das darf doch wohl als für die Gebührenordnung sprechend hervorgehoben werden ist in den meisten deutschen Ländern anerkannt und übernommen

Indeste

worden. Ich glaube, daß es damit wohl auch festgestellt ist, daßt

sie neben den vielen Nachteilen, die naturgemäß ein Instrumen hat, das zwei verschiedenen Interessen dienen soll, doch auch außer ordentlich viel Vorteile hat.

Die Schuld an der Notlage der Aerzte trägt in der Hauptsache die allgemeine wirtschaftliche Not, die Verarmung der Bevölkerung die den Arzt nicht mehr rechtzeitig und ausreichend in Anspruch nimmt, da sie ihn nicht bezahlen kann. Eine wirksame Abhilfe wird nur geschaffen werden können, wenn der wirtschaftliche Druck, de auf der Bevölkerung lastet und die gesundheitliche Not bedingh gemindert wird.

Es ist zutreffend, daß die allgemeine wirtschaftliche Not auf die Apotheken, insbesondere kleinen und kleinsten Apotheken schwer getroffen hat. Hierüber ist schon im vorigen Jahr im Aus

schuß für Bevölkerungspolitik an der Hand umfangreicher, von mich veranlaßter eingehender Erhebungen von meinem Referenten be⸗

richtet worden. Leider haben wir namentlich in schwach bevölkerten ländlichen Gegenden viele kleine Apotheken, die schwer um ih Dasein ringen. Es ist aber nicht möglich, die deutsche Arzneitage eine Einheitstaxe, so zu gestalten, daß allen, also auch den kleinste Apotheken, eine angemessene Existenz gewährleistet wird, da sons einem sehr großen Teil der übrigen Apotheken ein Vortei erwachsen würde, der sich sachlich im Hinblick auf die allgemein Notlage der Krankenkassen sowie des weitaus größten Teils de nichtversicherungspflichtigen Bevölkerung nicht rechtfertigen lasse würde. Den kleinsten Apotheken muß daher unter Umständen vo den Gemeinden und Gemeindeverbänden geholfen werden, die al ihrer weiteren Existenz zur Vermeidung weiter Wege lebhaf interessiert sind.

Seit der sturzartigen Geldentwertung ist alles aufgebot⸗ worden, um die Arzneitaxe stets mit den jeweiligen Einkauss preisen der Arzneimittel in Einklang zu bringen. Naturgemah kann die Tagxe nicht täglich der Geldentwertung folgen. Dahes kommt es in derartigen Zeiten vor, daß vorübergehend die Preis der deutschen Arzneitaxe mit den Wiederbeschaffungspreisen nich im Einklang stehen. Hierbei ist jedoch nicht zu übersehen, daß de Apotheken stets angemessene Vorräte an Arzneimitteln haben un haben müßten. Da bei der Festsetzung der neuen Preise stets vo⸗ den neuen Einkaufspreisen ausgegangen wird und ausgegange werden muß, weil bis zur Zusammenstellung und Veröffentlichung der Nachträge zur Taxe mindestens vierzehn Tage vergehen, findet naturgemäß ständig ein Ausgleich statt. 6

Andererseits hat aber die schon erwähnte schwierige finanziel⸗ Lage der Krankenkassen an vielen Orten auch die Apoch große finanzielle Nöte gebracht, weil infolge der verspälee Zahlung der Rechnungen unter den heutigen Verhältnissen nur! außerordentlich großen Opfern die Mittel für den rechgs Einkauf neuer Waren beschafft werden können. doffentlih 8 hier bald Wandel ein, da es ein unerträglicher und höchst fährlicher Weg sein würde, die Arzneitaxe mit Rücksicht F. fer durch ihre Notlage bedingte verspätete Zahlung der Apothe rechnungen durch die Krankenkassen erhöhen zu müssen. ich fo

Meinen Ausführungen bitte ich zu entnehmen, daß i 8n gesetzt bestrebt bin, nach Möglichkeit auch den Apocheterhae 5 zu werden. Ich werde auch in Zukunft alles tun, um die Heilberufe zu mildern. ““

Deutschen Reichs Nr.

68. Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Preußischer Landtag. A.l. Sitzung vom 20. März 1923, Mittags 12 Uhr.

rcht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“*)

Das Haus erledigt zunächst die noch ö“ Ab⸗ mmungen über Anträge und Entschließungen imn Haushalt der Bergverwaltung. Der An⸗ 1— des Hauptausschusses wegen schnellster Vorlegung eines 2 eentwurfs zur obligatorischen Einführung von Gruben⸗ wolluren wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten abgelehnt. Im übrigen werden die vom zaupausschuß gestellten Anträge, u. a. wegen Sicherstellung r Kohlenlieferungen, Einführung des Hauerscheines, Ver⸗ virklichung der obligatorischen Berufsschulpflicht, und die von in vorgeschlagenen Entschließungen, betreffend die Entwick⸗ ung der Grubenholz⸗ und Eisenpreise und die planmäßige erranbiung von Hauern, angenommen. Die Anträge der Fommunisten werden abgelehnt. Der Betriebsbericht der bergverwaltung für 1921, der Bericht über die Prüfung der Eeitfahrteinrichtungen, die Uebersicht über die wegen Auf⸗ ließung von Steinkohlen abgeschlossenen Verträge und der Tätigkeitsbericht der Preußischen Landeskohlenstelle für 1921 werden durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.

Der Urantrag der bürgerlichen Parteien auf Annahme iines Gesetzentwurfs, Eh die Ver⸗ anlagung der Gewerbesteuer für 1 923, geht an den Ausschuß für Handel und Gewerbe, die Vorlage wegen gegründung von Provinzialschulkollegien in Dppeln und Schneidemühl an den Hauptausschuß.

Auch die Vorlage über die weitere Erhöhung von landesrechtlich festgelegten Geldbeträgen wird in einen Ausschuß verwiesen.

Den Entwurfeines Moorschutzgesetzesüber⸗ weist ds Haus an den Landwirtschaftsausschuß.

In zweiter und dritter Lesung nimmt das Haus den Ge⸗ bentwurf wegen Verjährung und Nachforderung von Steuern 8 Synagogengemeinden und sonstige jüdische Einrichtungen nach den Vorschlägen des Verfassungsausschusses an.

Es folgt die zweite Beratung der Vorlage, betreffend die weitere Erhöhung der Jagdschein⸗ gebühr. Im Entwurf war die Verzehnfachung der Ge⸗ bühren, die das Gesetz vom 19. Oktober v. Js. normiert, vorgesehen; die Gebühr sollte für den Jahresjagdschein 500, für den Tagesjagdschein 100 betragen. Der Ausschuß hat diese Sätze verfünffacht, es sollen Gebühren von 2500 bzw. 500 erhoben werden. Im Entwurf war die „erhöhte“ Ab⸗ gabe für Ausländer ebenfalls mit dem zehnfachen Betrage des seltenden Satzes, mit 10 000 bzw. 2000 angesetzt; auch diese geträge sollen nach dem Vorschlag des Ausschusses auf 50 000 löw. 10 000 heraufgesetzt werden. 8

In der zweiten Lesung nimmt das Haus die Erhöhungen nach dem Ausschußvorschlage ohne Erörterung an. Zur dritten Lesung liegt ein Antrag aus dem Zentrum vor, die Gebühren 8 7 eg nochmals zu verdoppeln und auf 5000 bzw. 900 zu normieren.

Abg. Stendel (D. Pp.) tritt diesem Antrag lebhaft ent⸗ gegen und weist insbesondere auf die Erschwerungen hin, die damit 4 * rEh im Osten und Westen wohnenden Aus⸗ indern bereitet würden.

„Abg. Bergmann (Zentr.), der den Antrag eingebracht hat, L13“ und 8 arüber aus, daß ser zsländer eine Lanze gebrochen werde.

Abg. Pete 18 (Soz) wendet sich ebenfalls gegen

Abg. Stendel und stimmt dem Zentrumsantrag zu.

Abg. Stendel legt gegen diese Vorwürfe Verwahrung ein b Bleünnant zur Prüfung der Ausländerfrage nochmalige Aus⸗

öberatung.

v. Nachdem noch Abg. Weissermel (D. Nat.) für den sschußantrag gesprochen, Abg. Jacoby⸗Raffauf (Soz.) en Antrag Bergmann befürwortet und Abg. Peters⸗ em dürche rgswiesen auch der Staatsrat eine wihr erhebliche“ Erhöhung der Gebühr für Ausländer ge⸗ wünscht hat, wird der Antrag des ö angenommen in dieser Fassung die Vorlage endgültig genehmigt. Pl,Es folgt die erste Beratung des Notgesetzes über di 1 8

er die Gemeindewahlen.

Abg. Haas (Soz.) erstattet den Ausschußbericht. Bis zum

e 1923 sind die Gemeindevertretungen der Städte⸗

C““

25. Nop⸗ be dt [8 8 E 8 it weren. Der Entwurf schlägt als Vörbedingun sechs⸗

d Wohnsitzdauer vor für Wahlrecht und Wählbarkeit.

88 aus den besetzten Gebieten haben das aktive und passive

b; da, wo sie sich am Wahltage aufhalten, ohne die

einer bestimmten Bohnsitzdauer. Durch feindliche

8; an der Ausübung ihres Wahlaufstandes oder ⸗amtes länahme können einen Vertreter erhalten. Aus feindlichen ndigt glnen, sollen Rechtsnachteile nicht entstehen. Nach § 10 vaheGeichzeitig mit der Wahlzeit der Gemeindevertretungen die in Nr er Bürgermeistewersammlungen in der Rheinprovinz gses so mezverfammlungen in der Provinz Westfalen. Das Not⸗ andrung 8 öt etwa die Arbeiten an Städte⸗ und Landgemeinde⸗ Entwürfe vnenme neemn 188 C“ b sollen diese vern 8h. Katz (Komm.) E das Gefet 8 8 sofortige seem zen. Minister Severing hat Neuwahlen spätestens in sse ja Frühjahr zugesagt. Dann haben die Mehrheitssozialisten, in Lann meisten Widerstand leisten, erklärt, erst müsse die Städte⸗ Eingeitef vemeindeordnung beraten werden. Jetzt schiebt man die in derbst nt gegen den Ruhreinfall vor. Auch der neue Termin

wand ist nicht ernst gemeint; man wird wieder einen neuen ge brn finden, die Wahlen weiter hinauszuschieben. Die Vor⸗ ein gt auch eine Verschlechterung des bisherigen Wahlrechts,

Ab sechsmonatige Wohnsitzdauer vorgesehen wiro. de Eoiaee her⸗ Griesheim (Soz.) weist den Vorwurf zurück, kann 8 mokratie fürchte den Wahlkampf. Im besetzten Gebiet nd gegen vet unmöglich Neuwahlen vornehmen. Auch wir wenden

Cen die Wohnsitzbestimmung, da sie fast ausschließlich Arbeiter

* .

der deMit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden Minister, die im Wortlaute wiedergegeben ind

Zweite Beilage

anzeiger und Preußischen Staats

Berlin, Mittwoch, den 21. März

trifft. Wir stimmen aber dem Gesetz zu, da diese Frage nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.

Abg. von Kries (D. Nat.): Seit Jahr und Tag ist meine Partei für Neuwahlen. Es ist aber die nationale Einheitsfront nicht nur eine leere Phrase. Im Interesse des Vaterlandes stimmen wir deshalb der Verschiebung zu. Das passive Wahl⸗ recht müßte besser an eine Wohnsitzdauer von einem vollen Jahre

knüpft werden; dafür hat sich auch der Städtetag ausgesprochen. ie Ausnahme für Verdrängte und durch feindliche Maßnahmen Behinderte begrüßen wir. Wir bedauern, daß die Listenverbindung abgelehnt wird. Im ganzen werden wir dem Gesetz zustimmen.

Abg. von Campe (D. PVp.) stimmt gleichk. 1s dem Gesetz

* Auch wir waren immer für sofortige Neuwahlen. Mit is t auf die notwendige Einheitsfront stellen wir den Wunsch zurück.

Damit ist die erste Beratung beendet.

In der zweiten Beratung wird der grundlegende § 1 unverändert gegen die Kommunisten angenommen. Bei § 2, der die Wahlberechtigung festlegt, wendet sich der

Abg. Katz (Komm.) erneut gegen die Festsetzung einer Wohnsitzdauer. Wir beantragen ferner, das Wahlalter auf 18 Pühe festzusetzen. Sämtliche Ausnahmebestimmungen lehnen wir ab.

Der § 2 wird unter Ablehnung sämtlicher Abänderungs⸗ anträge unverändert angenommen. Zu § 6 wird von den Kommunisten beantragt, für die Wahlen die Listenverbindung wiederherzustellen. Der Antrag wird gegen die Deutsch⸗ nationalen und die Antragsteller abgelehnt. § 12 wird in der von den Regierungsparteien beantragten Fassung an⸗ genommen, welche besagt:

„Die Stellen der besoldeten Bürgermeister, Magistrats⸗ mitglieder (Beigeordneten), Gemeindevorsteher und Schöffen dürfen von den bisherigen Gemeindevertretungen nur besetzt werden, wenn die Wahl eine Mehrheit von mindestens zwei Drittel der tatsächlich vorhandenen Mitglieder der Gemeinde⸗ vertretung ergeben hat. oweit die in Absatz 1 genannten Personen auf Grund einer Präsentation der Gemeindevertretung durch die Bürgerschaft gewählt werden, findet auf die Präsentation durch die Gemeindevertretung Absatz 1 Anwendung; die Wahl durch die Bürgerschaft erfolgt geheim durch verdeckte Stimmzettel.“

Nach § 15 findet das Gesetz auf die Stadtgemeinden Berlin keine Anwendung.

Abg. Lüdicke (D. Nat.) sieht darin eine ungerechtfertigte Ausnahmestellung der Stadt Berlin. Die Stadtverordneten⸗ versammlung von Berlin entspricht nicht der Auffassung der Berliner Wählerschaft. (Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.)

§ 15 findet unter Ablehnung eines deutschnationalen und eines kommunistischen Abänderungsantrages unverändert

Annahme.

Zu einer großen Reihe von Paragraphen lagen kom⸗ munistische Abänderungsanträge vor, die sämtlich abgelehnt werden. Anschließend wird das Gesetz in dritter Beratung gegen die Kommunisten in der Fassung der zweiten Lesung angenommen. (Lebhaftes Hört! hört! bei den Kommunisten. Rufe: Es lebe die Einheitsfrontl).

Hierauf setzt das Haus die zweite Beratung des Wohl⸗ fahrtshaushalts fort.

Abg. Frau Noack (D. Nat.): Die Grundlage der Volks⸗ wohlfahrt muß die freie Liebestätigkeit bilden, zu der sich alle Kreise der Bevölkerung, auch die neuen Reichen, vereinigen müssen. Der Staat schematisiert und schablonisiert zu viel. Zur Er⸗ haltung der Volksgesundheit gehört auch die Erhaltung eines wirtschaftlich freien Aerztestandes; ihm sollte auch durch Er⸗ mäßigung der übermäßigen Telephongebühren und durch Be⸗ freiung von der Umsatzsteuer Erleichterung gewährt werden. Zum Vorstande der Krankenkassen muß auch ein Arzt gehören: die heutige Verschleppung der E“ an die Aerzte seitens der Kassen muß bei der rapiden Geldentwertung geradezu ruinös wirken und hat aufzuhören. Das durchaus notwendige Zusammenwirken von Aerzten und Kassen muß auf gegenseitigem Vertrauen basieren. An der freien Arztwahl halten wir fest. Das Verschwinden der kleinen Betriebskrankenkassen wird be⸗ sonders auf dem Lande sehr unangenehm empfunden werden. Die kleinen Apotheken auf dem Lande sind unentbehrlich; also muß auch der Apothekerstand leistungsfähig erhalten werden. Die Seuchengefahr rückt näher; schon sind in Warschau und Mlawa Fälle von Cholera konstatiert worden; strengste Grenz⸗ kontrolle erscheint unerläßlich. Dringend geboten ist Verbilligung der Milch für Säuglinge, stillende Mütter und Schwangere. Die zunehmende Säuglingssterblichkeit erfordert die volle Aufmerksam⸗ keit der Verwaltung. Die skandalösen Zustände im Ruhrbezirk, wie sie die Franzosen auf dem Gebiete der Hygiene herbeigeführt haben, sind ein Hohn auf Menschlichkeit und Kultur. (Lebhafter

Beifall rechts.) . Abg. Frau Poehlmann 8 Vp.): Mit zunehmender Sicherheit übernimmt das Wohlfahrtsministerium die Führung auf dem Gebiete der Volksgesundheit, der Wohlfahrtspflege, des Wohnungs⸗ und Siedlungswesens. Bei seiner Begründung sind bedauerlicherweise zu wenig Beamte für das Ministerium an⸗ gefordert worden. Jetzt müssen wir, da äußerste Sparsamkeit ge⸗ boten, alle Anträge auf Einrichtung neuer Stellen leider ab⸗ lehnen. Das Ministerium hat eine erfolgreiche Sesecgegerische Tätigkeit entfaltt. Das Hebammengesetz ist in Kraft ge⸗ treten, das Tuberkulosegesetz wird demnächst fertig. Not⸗ wendig ist ein Irren⸗ und Apothekengesetz. Sehr wichtig ist die Schulgesundheitspflege, wobei Wert zu legen ist auch auf Schul⸗ zahnpflege und Leibesübungen aller Art nach der Schule. In Zusammenarbeit mit den Reichsbehörden ist für Verbreitung auf⸗ klärender Schriften aus der Ernährungs⸗ und Lebensmittellehre zu sorgen. Anfechtbar ist die lässige Bekämpfung des Alkohol⸗ mißbrauchs, der ungeheuerlichen Reklame des Alkoholkapitals und des Monopols.

Hierauf wird nach 5 Uhr die Fortsetzung der Beratung

auf Mittwoch, 12 Uhr, vertagt. Vorher kleinere Vorlagen.

8 Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Reichstags beschloß heute die Beratung des Postetats zu Ende zu führen, am Donnerstag die Inergelfazonen über die religiösen Feiertage zu behandeln und am Freitag und Sonnabend den Ernährungsetat zu erledigen. Hierauf wird eine Osterpause eintreten, die sich bis zum 11. April

erstrecken wird. altsausschuß des Reichstags wurde

Im Haus gestern die Etatsberatung über die deutschen Reichs⸗ bahnen fortgesetzt. Vor Eintritt in die Tagesordnung gab der Vorsitzende Abg. Heimann (Soz.) der allgemeinen Entrüstung der Ausschußmitglieder Ausdruck über die und völlig unbegründete Verhaftung des volksparteilichen Abgeordneten

uaatz durch die Franzosen. Inzwischen ist Dr. Quaatz frei⸗

gelassen worden, sodaß er an den Ausschußverhandlungen wieder teilnimmt. Bei Beginn der Etatsverhandlungen beantwortete der Reichsverkehrsminister Groener verschiedene Anfragen, die in der letzten Sitzung des Ausschusses gestellt worden waren. Ins⸗ besondere verbreitete sich der Minister über die Verminderung des Eisenbahnpersonals auf Grund seiner Erfahrungen. Im Jahre 1922 Je8 su seiner alten Ueberzeugung zurückgekehrt, daß in der Personalfrage den einzelnen Direktionen nicht volle Selb⸗ ständigkeit gewährt werden dürfe, so segensreich sich in anderen Fragen die ntralisation auch erweise. Jede eigenmächtige Neu⸗ einstellung von Personal sei grundsätzlich den Direktionen ver⸗ boten worden. Eine Neueinstellung leichgültig, ob als dauernde oder aushilfsweise Arbeitskraft sei nur statthaft nach Einholung der Unterschrift des Ministers oder des vertretenden Staatssekretärs. Immerhin sei zu beachten, daß der Schwerpunkt bei der Abbauaktion nicht in der Arbeiterfrage, sondern in der Beamtenfrage zu suchen sei. Was die Fürsorgemaßnahmen für die aus dem besetzten oder Einbruchsgebiet ausgewiesenen Eisen⸗ bahner betreffe, so werde in der großzügigsten Weise verfahren. Die Wohnungsfürsorge habe sich als zureichend erwiesen. Eisenbahnangehörige ohne Möbel werden untergebracht in Eisenbahnerholungsheimen oder bei Eisenbahnern, die freiwillig Zimmer zur Verfügung stellen. Dies reiche zurzeit bei weitem aus. Für die verdrängten Eisenbahner, die eigene Möbel mit⸗ gebracht haben, werden alle von der Eisenbahn kontrollierten Wohnungen, namentlich Neubauten, beschlagnahmt. Außerdem seien Geldmitel für den Ausbau von Wohnungen in vorhandenen Gebäuden bereitgestellt worden. Auch die Neubauten in Frank⸗ furt a. O. ständen zur Verfügung. Trotzdem also eine große Zahl von Wohnungen bereit stehe, seien nur wenige bisher in Anspruch genommen worden, weil die Eisenbahner ihre Ausweisung nur als eine vorübergehende Erscheinung ansähen und den natürlichen Wunsch hätten, in ihren alten Aufenthaltsort so bald als möglich zurückzukehren, sich deshalb also nicht gern auf lange Zeit anderswo einrichteten. Für Bayern bestände bezüglich aller dieser Fürsorge⸗ maßnahmen auf Wunsch der bayerischen Staatsregierung eine Sonderorganisation, die sich in Mannheim befinde. Ein Ver⸗ treter des Reichsverkehrsministeriums sprach als⸗ dann über die Aufrückungsmöglichkeiten der Techniker und Juristen bei der Reichsbahn. Die Besoldungsgruppe X, die erste plan⸗ mäßige Anstellungsgruppe für die akademisch gebildeten Beamten, erreichten Techniker und Juristen gleichmäßig nach einer Wartezeit von 5 ¾ Jahren. Während aber die juristischen Beamten nach kurzer Verwaltung eines Verkehrsamtes sofort in Direktionsstellen einrückten, kommen nur etwas über drei Fünftel der Techniker nach jahrelanger Verwaltung eines Betriebs⸗, Maschinen⸗ oder Werk⸗ stättenamts in Direktionsstellen. Die übrigen blieben in Amts⸗ stellen. Bei der Verteilung der Stellen der Besoldungsgruppen XI, XII und XIII seien seinerzeit die Direktionsstellen in erster Linie berücksichtigt worden, sie würden nach dem Anteilsverhältnis der einzelnen Fachgruppen an administrativen, bautechnischen und maschinentechnischen Mitgliedsstellen verteilt. Für die Amtsstellen seien die gesamten Stellen der Gruppe X, etwa die Hälfte der Xler und bis zu einem Viertel der XIIer Stellen verblieben. So kämen die juristischen Anwärter eher in die Stellen der XI. und XII. Gruppe als die Techniker, und es bestehe zurzeit zwischen dem jüngsten juristischen und dem jüngsten technischen Beamten der Gruppe XI ein Unterschied im Dienstalter von 5 ¼¾ Jahren zu⸗ ungunsten der Techniker, in Gruppe XII von 4 Jahren. Demnach müßte grundsätzlich auch für die Direktionsstellen die Zehnerstufe als Eingangsstufe festgesetzt und der Eintritt der administrativen Direktionsmitglieder in Stellen der XI. und XII. Gruppe erst zu⸗ gelassen werden, wenn auch die gleichalterigen technischen An⸗ wärter zum Einrücken in solche Stellen heranstehen. Das ließe sich aber erst nach mehr als zehn Jahren erreichen. Deshalb müßte der Aufstieg nach Gruppe XI durch vorübergehende Um⸗ wandlung von Stellen der Gruppe X in solche der Gruppe XI verbessert werden. Eine Herabminderung der Anwärterstellen des höheren technischen Dienstes, etwa bis zur Höhe einer Sicher⸗ stellung des Nachwuchses für die technischen Direktionsstellen, sei nicht beabsichtigt, denn auch in der Leitung der wichtigeren Be⸗ triebs⸗, Maschinen⸗ und Werkstättenämter seien Kräfte mit wissen⸗ chaftlicher Vorbildung erforderlich. Wohl aber solle ein Teil der emter, die noch von akademischen Kräften geleitet werden, den Kräften der Gruppen VII, VIII und IX zugänglich gemacht und damit deren Aufstiegsmöglichkeit verbessert werden. Bei der Um⸗ wandlung von Stellen der Gruppe X in solche der Gruppe XI. würden 360 Stellen in Frage kommen. Statt dessen könnte auch eine persönliche Ausgleichszulage an die gleiche Anzahl Techniker in Frage kommen, wie es der Abg. Schmidt⸗Stettin angeregt hat. Eine Gleichstellung der Techniker mit den Juristen der Reichs⸗ bahn liege auch im Interesse der Verwaltung, um nicht die besten Kräfte an die Industrie⸗ und Handelswelt zu verlieren. Ein Vertreter des Reichsfinanzministeriums warnte wegen ähnlicher Wünsche, welche natürlicherweise die Ver⸗ mehrung der Stellen in Gruppe XI bei anderen Ressorts zur Folge haben müsse, vor einer rein mechanischen Stellenvermehrung.

Ueber die Maßnahmen zur Kohlenersparung führte Geheimrat Anger 11“ aus: Mehr als 90 vH der von der Reichsbahn verwendeten Kohle verbrauche der Lokomotivdienst. Die Reichsbahn arbeite dauernd mit allen Mitteln daran, den Lokomotivkohlenverbrauch zu verringern durch Ver⸗ 5; n an den Lokomotiven, Beschaffung moderner, leistungs⸗ fähiger Lokomotiven sowie Ausmusterung nicht mehr wirtschaftlie arbeitender Lokomotiven. Durch die Anwendung von Heißdamp würden 20 bis 30 vH Kohlenersparnis erzielt. Mehr als 45 vH de Gesamtbestandes der Lokomotiven seien bereits mit Dampf⸗ überhitzern ausgerüstet. Sehr große Ersparnisse würden erhof von der Anwendung der Dampfturbine im Lokomotivbetriebe. Die erste Turbinenlokomotive sollte im Laufe dieses Sommers fertig⸗ gestellt und im Betriebe erprobt werden, wenn ihre Fertelene (bei Krupp) nicht durch die Ruhrbesetzung verzögert werde. Au⸗ an der Frage der Oellokomotive mit Verbrennungsmotoren werde ständi weiter gearbeitet. Voll auswirken könnten die erwähnten Vere. sereh gen im Lokomotivbau sich aber nur, wenn gleichzeitig die alten, zuviel Kohlen fressenden Lokomotiven aus dem Betriebe zurückgezogen würden. Im Jahre 1921 seien an 1849 Lokomotiven ausgemustert worden, 1922 weitere rund 1500 und 1923 sollen mindestens ebenso viele aus dem Betriebe entfernt werden. Auch bei den stationären Anlagen aller Art der Reichsbahn seien weit⸗ gehende Maßnahmen zur Ersparung von Kohle getroffen. Damit diese Maßnahmen in sachgemäßer und wirksamer Weise nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt werden, sei das Reichsbahn⸗ netz in elf Wärmewirtschaftsbezirke geteilt. Der Erfolg dieser groß⸗ zügig organisierten Arbeit werde sich bald in wesentlichen Kohler ersparnissen zeigen. Ueber weitere technische füͤh Redner ferner aus: Die Ausrüstung des gesamten Güter wagenparks mit der Kunze⸗Knorr⸗Bremse soll nach dem Bauprogramm Ende 1926 beendet sein. Vom Jahre 1927. ab würden Handbremser im allgemeinen nicht mehr ver⸗ wendet; dadurch würden mindestens 30 000 Köpfe erspart werden. Wenn die Ruhraktion nicht hindernd dazwischen gekommen wäre, würde die Einbauzeit der Güterzugbremse voraussichtlich um ein bis zwei Jahre verkürzt werden können. An Großgüterwagen von 50 Tonnen Ladegewicht seien insgesamt 180 bei 7 Wagen⸗ bauanstalten in Bestellung gegeben; sie sollen bis Ende Juni d. J.