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die Massen zum Kampf auf, denn. trotz Teilnahme der Sozial⸗ demokratie wird der kapitalistische Kurs weitergehalten, und weitere Verelendung der Arbeiter wird die Folge sein. Die Arbeiterschaft Hnre sich endlich zusammenfinden zu einem einheitlichen und ge⸗ chlossenen Kampf gegen den Kapitalismus. Wir Kommunisten verlangen eine Kontrolle aller Betriebe durch die Arbeiterschaft und Berstaatlichung der Großindustrie. (Beifall bei den Kommunisten.)
Um 7 Uhr wird die Weiterberatung auf Sonnabend 1 Uhr vertagt; außerdem kleine Vorlagen. . Fss
8 Preußischer Landtag. 249. Sitzung vom 8. Juni 1923, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“)
Vizepräsident Dr. von Kries eröffnet die Sitzun 1 Uhr 20 Minuten.
Auf der Tagesordnung steht Eerpchst die 2. Beratung des Etats des Preußischen Staatsministeriums und des Ministerpräsidenten für das Rech⸗ nungsjahr 1923.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt der Abg. Leinert (Soz.) eine Erklärung ab, die sich gegen kommunistische Angriffe gegen seine Person richten. In diesen Angriffen wird behauptet, er . sich als EE11““ von nnover drei Mal die Personalakten des Abg. tz vorlegen assen, der Stadtangestellter in Hannover war. Daher stamme das verleumderische Material gegen den Abg. Katz und die Be⸗ hauptung, er habe sich des Vatermordes schuldig gemacht und sei aus Gründen des § 51 des Strafgesetzbuches frei “ worden. Der Redner stellt demgegenüber fest, daß er e st niemals die gesehen habe, noch ein Wort daraus notiert habe. r habe sich lediglich die Vorgänge bei der früheren Entlassung des Abg. Katz vortragen lassen, als es sich um eine neue Ein⸗ Anfragen gegenüber habe er die Erklärung ab⸗
stellung handelte. b g ichtigkeit der Anschuldigung keine
Fgeben daß er selbst von der 8 G enntnis habe, daß ihm der Vorfall früher einmal geschildert es Herrn Katz Notwehr
worden sei in der eise, daß auf seiten vorgelegen habe und deshalb ein Strafverfahren gar nicht ein⸗ geleitet worden sei. Die Akten befinden sich beim Oberlandes⸗ deeet Celle, ihm, dem Redner, sei durchaus unbekannt, ob in den Akten über den angeblichen Vatermord des Herrn Katz irgend etwas enthalten sei, weil er an diesem Vorgange niemals irgend welches Interesse hatte. Demzufolge rühre auch die Weiter⸗ verbreitung des Gerüchts, daß Herr Katz aus Gründen des 5 51 freigesprochen sei, nicht vom Redner her. (Lärm bei den Kom⸗ munisten.)
Hierauf beantragt Abg. Schulz (Komm.), als ersten Gegenstand eine Reihe kommunistischer Anträge zu behandeln. Auf einen Zwischenruf erwidert er: Sie dummer Junge, Sie haben hier nichts zu reden! Als Zwischenrufer meldet sich der Abg. Grundmann (D. V.) Vizepräsident Dr. von Kries teilt mit, daß die von ihm nicht gehörte Aeußerung gelautet habe: Sie haben hier nichts zu fordern! Der Abg. Schulz erhält einen Ordnungsruf. Da Widerspruch gegen ander⸗ weitige Festsetzung der Tagesordnung erhoben wird, ist der kommunistische Antrag erledigt.
Das Haus tritt hierauf in die Beratung des Haus⸗ halts des Preußischen Staatsministeriums und des Ministerpräsidenten ein.
Mit der Beratung verbunden wird der Gesetzentwurf über
die einstweilige Versetzung der unmittel⸗ baren Staatsbeamten in den Ruhestand sowie die große Anfrage der Deutschnationalen über die Erhaltung deutscher Sprache und Kultur in Schleswig. G Abg. Schulz⸗Neukölln (Komm.) wird als Berichterstatter für die Beschlüsse des Hauptausschusses verschiedentlich zur Sache gerufen, da er in seinen Ausführungen immer wieder abschweift.
Das Wort nimmt hierauf der
Ministerpräsident Braun: Meine Damen und Herren, im Laufe der allgemeinen Besprechung werde ich noch Gelegenheit nehmen, auf einzelne hier zur Erörterung stehende Fragen zurückzukommen. Heute habe ich vorerst dat Bedürfnis, zu einer Frage Stellung zu nehmen, die alle Teile unseres Volkes nicht nur im Westen, sondern in allen Gauen unseres Vaterlandes auf das tiefste bewegt: es ist die Frage nach dem Schicksal der Rheinprovinz.
(Sehr richtig!) Das Diktat von Versailles hat auch bei loyalster
Alusführung durch die Gegner für das Rheinland und seine treudeutsche Bevölkerung langjährige schwere Bedrückungen und Lasten zur Folge
gehabt. (Sehr wahr! — Zurufe bei den Komm. — Gegenrufe: Ruhe!)
Nichts drückt ein selbstbewußtes freies Kulturvolk seelisch und materiell so herab, wie fremde militärische Besetzung, die es der Gewalttätigkeit,
der launischen Willkür militärischer Gewalthaber fast schutzlos preis⸗ gibt. (Sehr wahr!) Die Art aber, wie Franzosen und Belgier die Besetzung der Rheinlande von Anbeginn an geführt haben, geht weit über das selbst nach dem Friedensvertrag zulässige Maß hinaus. (Sehr richtig!) Es hat sich zu einer geradezu systematischen Quälerei
Einerseits Rheinländer los. Die separatistische Propaganda sollte die Bewohner der Rhein⸗ lande für die Loslösung von Preußen und dem Reiche und für den Anschluß an Frankreich gewinnen. Andererseits bedrücke und quälte man das Volk mit chikanösen Maßnahmen schlimmster Art und legte ihm kaum erträgliche Lasten auf: wahrlich, eine Behandlung, die an die Standhaftigkeit des rheinischen Volkes die allerhöchsten Das alles geschah unter dem „¶ Vorwande, daß es zur Sicherheit der schwerbewaffneten (Zurufe bei den Komm.) Wenn das Los der Rheinländer bereits vor dem Einbruche der Franzosen und Belgier in das Ruhrgebiet schlimm gewesen war, so ist es seit Be⸗ ginn dieses brutalen Gewaltakts noch wesentlich schlimmer geworden. Jetzt hat der französische Eindringling, der bisher durch verführerische Künste einer hochbezahlten Progaganda um die Seele der Rhein⸗ enthüllt und seiner rach⸗ Was seit dem Beginn des Ruhreinbruchs in den altbesetzten Rheinlanden vor sich geht, hat mit aller Klarheit die machtpoltischen annektio⸗ (Sehr wahr!) Was dort im Frieden gegen ein wehrloses Volk an Brutalität und Gewaltakten verübt wird, dürfte in der Geschichte der Kulturvölker wohl ohne⸗
entwickelt. (Sehr richtig!) Subjekte auf die
des rheinischen Volks ließ man bezahlte verächtliche
Anforderungen stellt. beuchler‘ 1 Besatzun 1
(Sehr richtig!)
pen notwendig sei.
länder warb, sein wahres Gesicht süchtigen Brutalität die Zügel schießen lassen.
(Sehr wahr!) nistischen Pläne Frankreichs offenbart.
gleichen dastehen. (Sehr richtig; — Zurufe bei den Kommunisten Belgien!) Beamte und Männer des öffentlichen Lebens wurden mi
einer kaum zu überbietenden Grausamkeit von Haus und Hof vertrieben
*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden
der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.
t
und zu Tausenden aus ihrer Heimat ausgewiesen. (Erneute Zurufe bei den Kommunisten: Denken Sie an Belgien!) — Billigen Sie die Geschehnisse in Belgien? (Zurufe bei den Kommunisten.) — Warum berufen Sie sich dann darauf? (Erneute stürmische Zurufe bei den Kommunisten. — Glocke des Präsidenten.)
Um diese Grausamkeit zu steigern, müssen gleichzeitig mit kurzer Frist oft in wenigen Stunden auch die Familienangehörigen, wehr⸗ und schutzlose Frauen, Kinder und Greise unter Zurücklassung ihrer Habseligkeiten ihr Heim verlassen und werden hinausgejagt in die Fremde. (Pfuirufe.) Viele werden auf Jahre hinaus in die Ge⸗ fängnisse geworfen. Und das alles, weil sie nicht Verräter an ihrem Vaterlande werden, dem Feinde nicht Dienste gegen Deutschland, gegen ihre eigenen Volksgenossen leisten wollen. (Sehr wahr!) Durch diese Unmenschlichkeiten drücken sich die derzeitigen französischen Machthaber vor aller Welt ein Schandmal auf die Stirn, von dem sie sich niemals vor der Geschichte werden reinigen können. (Sehr wahr! — Zuruf bei den Komm.)
Der rheinischen Bevölkerung aber, die das alles über sich ergehen lassen muß, die alle diese Leiden standhaft trägt, ohne in ihrem Deutschtum wankend zu werden, gebührt der unaus⸗, löschliche Dank der Volksgenossen im unbesetzten Gebiet. (Bravo!) Indem ich diesen Dank namens der Staatsregierung hier erneut zum Ausdruck bringe, verbinde ich damit die erneute Zusiche⸗ rung, daß alles in unsern Kräften stehende geschehen wird, um das schwere Los der Opfer der französischen Gewaltpolitik zu er, leichtern. (Bravol!) Es wird und muß Ehrenpflicht des ganzen deutschen Volkes sein, einzustehen für unsere Brüder am Rhein und an der Ruhr, die Opfer zu bringen, die notwendig sind, um die Wunden zu heilen, die französische Brutalität geschlagen hat. (Zuruf bei den Komm.) und noch täglich neu schlägt. (Bravo!) Den französischen Gewalthabern aber sei es gesagt, daß sie durch diese brutalen Kolonialmethoden ebenso wenig wie durch die ver⸗ logene Propaganda ihrer gekauften Subjekte (Zuruf bei den Komm.) — Subjekte (Sehr gut und Bravol) die rheinische Bevölkerung in ihrem Widerstand gegen französische Eroberungs⸗ pläne erschüttern und ihrem Vaterland abtrünnig machen können. (Sehr gut und Bravo! — Zuruf bei den Komm.).
Meine Damen und Herren, deshalb sind auch all jene Pläne, die immer wieder im Ausland auftauchen und dahin gehen, das Rheinland zu neutralisieren, Rechnungen, die ohne den Wirt, d. h. ohne die rheinische Bevölkerung gemacht werden. (Bravo!) Man spricht wohl vorsichtig erst von einer Loslösung der Rhein⸗ lande aus dem preußischen Staatsgefüge, von der Schaftung eines selbständigen Staats im Rahmen des Deutschen Reichs. Dieser selbständige Rheinstaat soll aber eine inter⸗ alliierte Kontrollkommission als Obervormund und vor allem als Machtmittel in der Hand dieser Kontrollkommission eine internationale Gendarmerie erhalten (hört, hört!), d. h. die Rheinländer sollen auf die Dauer unter die polizeiliche und militärische Diktatur Frankreichs und seiner Verbündeten gestellt werden. Wahrlich, eine blutigere Verhöhnung des Grundsatzes von dem Selbstbestimmungsrecht der Völker (sehr wahr!), für das die Alliierten im Kriege vorgaben zu kämpfen, ist wohl kaum denkbar. (Sehr gut!) Und daß das zur Sicherheit des bis an die Zähne bewaffneten Frankreichs gegen das entwaffnete, wehrlose deutsche Volk notwendig sein soll, wird man wohl kaum die Welt glauben machen können. (Sehr wahr!) Es ist daher durchaus zutreffend, was der Herr Reichsaußenminister in der Reichstagssitzung vom 16. April d. J. über diese Pläne und seine Stellung dazu ausführte. Ich wiederhole es hier:
Diese Pläne, die für die angeblich erstrebte militärische Sicherung Frankreichs wertlos und für jedes deutsche Empfinden unerträglich sind, haben nur dann einen Sinn, wenn Frankreich die Herauslösung der Rheinlande aus Preußen als erste Etappe einer Entwicklung anstrebt, an deren Ende die Trennung der Rheinlande vom Reich und die Errichtung eines autonomen Rheinstaates stehen soll. Zu einer solchen Entwicklung die Hand zu bieten oder auch nur Voraussetzungen zu schaffen, die dazu führen könnten, ist keine Regierung in Deutschland bereit. Die Rheinlande und die Rheinländer sind und bleiben deutsch.
(Bravo!)
Eine Loslösung vom deutschen Volks⸗ und Reichskörper, gleichviel ob sie sich als Entpreußung oder unter anderer Maske anbahnt, wird keine deutsche Regierung hinnehmen, und ebenso wenig an⸗ nehmbar ist für uns eine weitere Schmälerung unserer Hoheits⸗ rechte, in welcher Form auch immer sie angestrebt werden mag.
Was damals für die Reichsregierung erklärt wurde, gilt auch heute noch, und auch für die preußische Regierung erkläre ich, daß eine Aufgabe der Rheinlande für uns nie und nimmer in Frage kommt.
Auch der Gedanke, daß zur Erleichterung der Lösung des Repa⸗ rationsproblems das Rheinland und seine Bewohner ein Handels⸗ objekt werden könnten, kann und wird für die preußische wie auch für die Reichsregierung keinen Augenblick Gegenstand der Erwägung sein. (Bravol!) Die Treue, mit der die Rheinländer bisher zu Preußen und dem Reich gestanden haben und allen französischen Gewalttaten zum Trotz weiter stehen werden, wird stets mit gleicher unwandelbarer Treue und Hilfsbereitschaft vom ganzen preußischen und deutschen Volke erwidert werden.
Allen denen aber, die auch weiter noch Pläne schmieden zur Ver⸗ gewaltigung des Rheinlandes, die ihre gierigen Hände ausstrecken nach den schönen rheinischen Gauen, rufe ich auch von dieser Stelle zu: Hände weg vom Rheinland! Der Rhein und die Rheinländer waren deutsch, sie sind deutsch und werden deutsch bleiben. (Lebhafter langandauernder Beifall.)
Abg. Haas (Soz.): Auch wir sind der Meinung, daß es ein Gebot der Stunde ist, bei diesem Haushalt die Lebensfrage des deutschen Volks, die Rhein⸗ und hrfrage, zu besprechen. Die vor wenigen Tagen in Brüssel zwischen Frankreich und Belgien stattgehabte Hs een hat mit aller Deutlichkeit bewiesen, daß Herr Poincaré kurz vor dem Siege zu stehen glaubt. Da ist um o notwendiger, hier im preußischen Parlament mit aller Deutlich⸗ keit zu sagen, wie Preußen und Rheinländer darüber denken. Zu unserer Frenbe at der Ministerpräsident mit allem Nachdruck be⸗ tont, daß die Rheinlande in diesen Konfliktstagen niemals ein sie wie bisher auch weiter zu Seit 4 ½ Jahren leidet
1 abgeben können, da reußen und “ gehören sollen. das rheinische Volk unter dem Druck der Besatzungsheere; un⸗ zählige Male schon sind die Leiden, die die Bevö 8 erdulden
muß, an dieser Stelle besprochen worden, die Schandtaten der chwarzen Truppen, die veee. der Preßfreiheit, die Rück⸗ e
ichtslosigkeit der Requisitionen und der sogen. Sanktionen, die im Versailler Friedensvertrag nicht die Spur einer Stütze finden.
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Aber alles das war ein Kinderspiel gegenüber dem, was La 5 Volk am Rhein und an der Ruhr in den letzten fün⸗ r und nach dem Einmarsch der Franzosen in das Ruhrgebiet zu erdul 8 hat. Der Einmarsch sollte ausdrücklich ein „friedlicher“ sein ulden een Welt glaubte man, es glaubhaft machen zu können. loß eine Ingenieurkommission zu friedlichen Zwecken einge⸗ 8 ei. Aber welche furchtbaren Zwangsmaßnahmen sind ügetogen Zevölkerung in diesen fünf Monaten herniedergegangen! r die einer Brutalität 88 gleichen sind die Eisenbahner mit znült Familien ausgewiesen worden, in den letzten Wochen habei en sogar nur Minuten zugestanden erhalten, um ihre Wohnun se um Haus und Hof zu verlassen. Ungeheure Strafen sind 8— Reichs⸗, Staats⸗ und Kommunalbeamte sowie gegen Arbesen ausgesprochen worden, Versammlungs⸗ und Preßfreiheit sind 8* nichtet, Lohn⸗ und Unterstützungsgelder, Wohnungzeinrichtun 8 Warenbestände sind beschlagnahmt, nicht zu u“ die Ranb⸗ überfälle g2 offener die unzähligen Morde und das furchtbare Blutbad am Karsamstag bei Krupp. Der bruta b waltstreich des französischen Imperialismus stützt sich auf di stärkste Militärmacht Europas, er erinnert an die Barbareien rüherer 1“ er spottet jeder Zivilisation und ölkerrecht. Nicht auf Lieferung von Kohle und Holz war nn Absicht dieser mütäriscen Invaßon gefichtet, es geh vielmehr um die Erfüllung alter französischer Pläne, um den Besitz des Rheinlandes. Namens meiner Partei erkläre ich: Die Bevölkerun von Rhein und Ruhr wird bis zum Letzten gegen jeden Versuch einer Loslösung der Rheinlande vom Reich und von Preußen I (Lebhafter Beifall), sie wird sich mit derselben Ent⸗ schiedenheit wehren gegen jeden . einer Neutralisierung oder einer Unterstellung unter den Völkerbund. Es schrecken die Spuren des Saargebiets (Sehr wahr!), wo erst in diesen Tagen die Völler⸗ bundsregierung den berüchtigten § 153 der Gewerbeordnung, das segen die Arbeiter, wieder in Kraft gesetzt hat⸗ Die Rheinlande sind ja militärisch neutralisiert, die Festungswerke geschleift, deutsches Militär bis zu 40 Kilometer rechts des Rheins nicht vorhanden. Deutschland hat nur ein nicht zu Kriegszwecken ausgerüstetes Heer von 100 000 Mann, Frankreich dagegen ver⸗ fügt über 7⸗ bis 800 000 Mann, ausgerüstet mit den modernsten riegswerkzeugen. Da ist es geradezu ein Rätsel, von Ent⸗ militarisierung zu reden. Wir rufen über die Grenze hinüber: Fangt drüben an, zu entmilitarisieren und zu neekcseren laßt uns gemeinsam die Milliarden für die Besatzung zum Wieder⸗ aufbau Europas verwenden! (Beifall.) Nur der Geist der Völker kann den Frieden herstellen. Wir bieten Garantien, aber sie
müssen auf Gegenseitigkeit, auf wahrer Gleichberechtigung beruhen.
Wir begrüßen die erneute Erklärung der g. daß sie bereit ist, die Entscheidung einer unparteiischen internationalen Instanz über Deutschlands Leistungsfähigkeit anzuerkennen, und daß sie die Verpflichtung zu Reparationsleistungen erneut aner⸗ kannt hat. Was die wieöchaftichen Garantien e so haben leider noch nicht alle Kreise die beherzigenswerten Worte Strese⸗ manns, daß für uns die Politik vor der Wirtschaft stehen muß, daß uns für die Freiheit von Rhein, Ruhr und Saar kein wirt⸗ schaftliches Opfer zu hoch sein darf, gewürdigt. Namentlich auch im besetzten Gebiet haben unzählige Unternehmer das berechtigte Verlangen der Arbeiterschaft nach Lohnerhöhung zu erfüllen, ver⸗ weigert und damit unsere Front nach außen geschwächt. Anderer⸗ seits hat selbst die „Kölnische Zeitung“ am 27. Mai anerkannt, daß nur die Gewerkschaften das Ruhrgebiet retten können. Die Arbeitgeber müssen weit mehr als bisher die Gewerkschaften unter⸗ tützen, wenn deren Kraft nicht schließlich versagen soll. Unsere aktik des passiven Widerstandes wird von immer weiteren Kreisen als die einzig richtige erkannt. Möge die Regierung alles tun, was im Interesse Deutschlands und der Rheinlande notwendig ist! (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Dr. Porsch (Zentr.) gibt namens der Fraktion folgende Erklärung ab: Fvankreich will mit aller Macht und mit rücksichts⸗ loser Zähigkeit unter der Maske der Pfänderpolitik unter Sicherung vor kommenden deutschen Angriffen hia erreichen, das seit den Tagen E das gleiche geblieben ist, die Eroberung des Rheinstroms. Dafür sprechen alle Handlungen der Pariser Macht⸗ haber, die Ausweisungen, die Verurteilungen, ja sogar die An⸗ maßung des Rechts über Leben und Tod deutscher Männer und Frauen. Das Volk in den . Gebieten soll solange gemartert werden, bis es zermürbt und bereit ist, von Fvankreichs Gnaden die Erlösung aus menschenunwürdigen Dasein um den Preis der Aufgabe seiner Treue zum Deutschtum entgegen⸗ zunehmen. Sicher ist, daß in den nächsten Wochen oder Monaten ein entscheidender ritt vorwärts auf diesem Wege getan werden soll. Bei dieser Lage hält es die Zentrumsfraktion des Landtages einstimmig fur ein Gebot der Ehre und der Pflicht, feierlich zu erklären, daß sie allen Bestrebungen, die staats⸗ oder verwaltungs⸗ rechtliche Struktur des Rheinlandes zu ändemn, den äußersten Widerstand leisten wird. Nur nackte und brutale Gewalt und rücksichtsloser Terrvor kanm die Sie Frankreichs verwirkllichen. Frankreich, und nur Frankreich, soll die ganze Vewantwortung für eine Gewaltpolitik tvagen, che den & 8 des Unrechts an der Stirn trägt. Wir lehnen deshalb jede Erörterung über eine territoriale Umgestaltung deutschen Landes am Rhein einmütig und mit unbeugsamer e1.2 enheit ab; jeder Versuch einer 909. lösung ist für uns undiskutabel, jedem Gewaltakt werden wil äußersten Widerstand entgegen etzen. So denken auch unsen rheinischen Parteifreunde, und daran ändert auch nicht der Schutz und die offene densegag; die Frankreich den sogenannten Sonder⸗ bündlern zuteil werden läßt. Die rheinische Zentrumspartei sch den Treibereien dieser Vaterlandsverräter mit tiefstem A scheu
enüber. Die überwältigende Masse des rheinischen Volks wird ie sich trotz alledem vom Halse zu ten wissen. Dem rheinischen Volke geloben wir feierlichst, daß sein Leid unser Leid ist, wir schwören ihm Treue um Treue. Kein Opfer bann Deutschland im groß sein, wenn es gilt, die leidenden deutschen Brüder am Rbe zu unterstützen und zu befveien. Höher als Geld und Gut secht uns die Freiheit des Deutschen Reichs, für diese wird das deutsche Volk alles es An die Reesterung ten wir d
ohne Wanten und in unbeugsamer Entschlossenheit in die Tat umzusetzen. Geifall.) Abg. Wallraf (D. Nat.) gibt gleichfalls seiner Freude ge die Rede des Ministerpräsidenten und über den bisherigen Eo lebenden Verlauf der Sitzung Ausdruck. Die Songe um die 8 ltumg unserer staatlichen Existenz geht uns über alles. 88 5 in den Tagen des neuen deutschen Memorandums wird b2 Frage besonders vernehmlich. Schon oft schien es, als onh 8. auch in Frankreich endlich zu Einsicht gelange. Aber die schnei 8 8 Stimme Poincarés gibt immer wieder den Ton an. In dr zähligen Verhandlungen haben wir uns 85 mit der Frage 8 eperatonen und der Sicherungen beschäftigt. Eine Frage nen Sicherungen im französischen Sinne gibt es uns nicht. fal) deutschen Bodens werden wir jemals aufgeben. (Bei 9 Ueber diese Frage vns 8 Uebereinstimmung erz werden. Frankreich will die Rheingrenze und alles das, wa⸗ darüber hinaus noch bekommen kann. Seit der Besetgung; Rheinlande hat sich der 8.;⸗ Einfluß dauernd verstär beenden französische Trikolore herrscht unbeschränkt. Den treu Ausha 8 8 an hihemn und Ruhr müssen wir unferen Dank auch dadu mehr kunden, daß wir die Sorge für die Opfer des Kampfes noch nen in den Vordergrund stellen. (Lebhafte ö 8 hat Treuschwur der Rheinländer, deutsch zu sein und zu blei 1 sich ein zweiter gesellt: wir wollen preußisch sein und hnciste 18 bleiben! (Lebhafter Beifall. — Zwischenrufe der Kommun ülich Wenn der Brauch des französischen Parlaments auch hich nister wäre, so würde ich heute beantragen, daß die Rede des lleinste präsidenten überall öffentlich angeschlagen wird bis in 8c8, of. Wir können dem Ministerpräsidenten nur herzlich . (Lebhafter Beifall.) b 8 Abg. Dr. Heimann (D. Vp.): Keine deutsche. Staatsregierung kann Gebietsteile und deren Bevölkerun g kaufen. Fremde Gewalt mag das Rheinland rauben könn e nie kann sie die deutsche Seele der Rheinländer 16“ deutscher Stamm wird den Rheinstrom aufgeben und a
aber richte Forderung, diese Grundsätze auch ihrerseits
linstaaterei d
— nun allerdings die
achern. (Beifall.) Die rheinische Bevölkerung anke verhchch des Fechbln Bekenntnisses des Berufes ohne chörigkeit zu politischen Parteien in überwältigender, der For besclesemnen; klar und deutlich ihren unerschütter⸗ lücenlon lundgetan, fest im Verband des Deutschen Reiches en Wi Darüber 8 hält sie ebenso in Treue fest an bleiben. tt dem sie seit mehr als 100 Jahren politisch, wirt⸗ — eb kulturell verbunden ist, und erblickt in den von ver⸗ n iten .S Vorschlägen, die Rheinlande von Strnnen, nichts anderes, als die mehr oder weniger Versuche, durch eine lebensgefährdende Schwächung 3 auch die Einheit und den Bestand des Reiches zu zer⸗ freuen uns, daß das Bekenntnis zu 8822 in it auch von den anderen großen Fraktionen des 3 zum Ausdruck gekommen ist. gede 1ee Er⸗ sdtags 8 etwaigen nach Aenderung der innerdeutschen Stellung ng enlandes gerichteten Wunsches muß vhang⸗ unterbleiben, shen Mächte mit ihren Truppen den rheinischen Boden be⸗ 1 Füer Die Westmark erwartet und verlangt vom preußischen Kinisterium in Verbindung mit der Reichsregierung tat⸗ satsmt Unterstützun und volles Vertrauen. Sie ruft allen ge preußischen Provinzen und deutschen Stämmen zu: Treue . bis zum Tod! ( Seier Beifall.) Abg. Gottschalk (Dem.) gedenkt gleichfalls der furchtbaren der Rhein⸗, Ruhr⸗ und Saarbevölkerung. Nichterfüllung Feparationen schützt man vor; man will aber keine Erfüllung. Leistungsausfälle ind lächerlich gering. Pankes⸗ treibt seine historische heinlandpolitik weiter. Die Wellen des a aber tragen unser Geschick; der Jammer der deutschen ee arf nicht wieder über Deutschland hereinbrechen. zeldenlied ist groß genug, um die Treue unserer bedrängten segenossen zu preisen. Wir müssen uns dieser Treue würdig Die Autorität des Staates und die innere Einheit des bes zu stützen, muß die dringendste Aufgabe sein. Wir müssen en emigenden, sittlichen Willen ausbilden. Der Redner gibt ens seiner Fraktion eine Erklärung ab, die gegen alle Ab⸗ trerungen deutschen Bodens protestiert und den neuen Plan keinen Hohn auf die Selbstbestimmung bezeichnet. Wer den eden Europas wolle, dürfe nicht Millionen von Rheinländern vewaltigen. An der Vaterlandsliebe an Rhein und Ruhr den alle Pläne Frankreichs zerschellen. 8 8 Abg. Dr. Meyer⸗Ostpreußen (Komm.) erklärt, während das Haus leert, daß man alles unterschxeiben werde, wie man Persailler Vertrag unterzeichnet habe. Die arbeitende deutsche ölkerung werde die Rechnun bezahlen müssen. Deutschland e bereits nachgegeben. Die Politik Poincarés findet Wider⸗ d in Frankreich nur bei den Kommunisten. Der passive Wider⸗ ad werde des Gewinnes halber gebrochen von den Unternehmern. große Brand mit seinem Generalstreik im Ruhrgebiet habe
eisen.
Un der schlechten Entlohnung der Anbeiter seinen Grund ge⸗ 2 in 112 Tf
rar ds iziere hätten an deutsche Faszisten Waffen ge⸗ eit zur Bekäampfung der Kommunisten. Der Regierungspräsident erbeck habe an französische Waffen appelliert und müsse seines ies entsetzt werden. Inzwischen ist folgender Antrag der Koalitions⸗ rteien eingegangen: „der Landtag wolle beschließen, das Staatsministerium zu chen, daß die Rede des Ministerpräsidenten zur Rheinlandfrage Lande, insbesondere auch im besetzten Gebiet, möglichst weit breitet wird.“ Abg. Schu⸗ 88 Neukölln (Komm.) dagegen, daß die tonalistische“ Rede des Ministerpräsidenten angeschlagen wird versucht unter stürmischen Unterbrechungen der übrigen teien einen Antrag zu 812 wonach neben der Rede des isterpräsidenten eine andere ede unter der Ueberschrift „Ein finftes provokatorisches Schupodokument“ en soll. Präsident Leinert spricht dem Redner das Recht ab, diese verlesen und bittet, den Antrag schriftlich einzureichen. gig. Schulz⸗Neukölln (Komm.) versucht wiederholt von i, seinen Antrag zu verlesen, wird aber scließligh daran ge⸗ hert, vuin ihm der Präsident nach Ablauf seiner Redezeit das t entzieht. Ein Antrag auf Schluß der Geschäftsordnungsdebatte d angenommen.
Darauf findet auch der Antrag der Koalitionsparteien t die Verbreitung der Rede des Ministerpräsidenten die immung des Hauses gegen die Kommunisten.
Sonnabend 11 Uhr: Weiterbevatung des Haushalts des atsministeriums. Schluß 4 ¾ Uhr.
angeschlagen
1 Parlamentarische Nachrichten.
Im Untersuchungsausschuß des Reichstags für Markstützungsaktion teilte der Vorsitzende Abg. Lange⸗ hermann (Ztr.) gestern zu Beginn der Sitzung mit, daß am mnabend eine geschlossene Sitzung abgehalten werden soll, in der sich über das weitere Vorgehen einigen will. Dann soll b kvrze Hause in den Beratungen eintreten, weil der bstag sich in der nächsten Woche mit außerordentlich sigen Steuergesetzen zu beschäftigen hat. Der Ausschuß trat 8 in die Tagesordnung ein. Zunächst gab Geheimrat Frich (Reichsbank) laut Bericht des „Nachrichtenbüros ereins deutscher Zeitungsverleger“ eine Nachtragserklärung zu fvorgestrigen Mitteilungen über die Kontrolle der Devisen⸗ serung ab: Die Devisenablieferungskontrolle der Reichsbank be⸗ l nicht das ganze Gebiet, und es hat sich tatsächlich heraus⸗ - daß bei den Außenhandelsstellen, die gleichfalls mit der 8r betraut sind, fast täglich eine große Anzahl von Re⸗ ges. über unrechtmäßige Devisenkäufe vorkommen. Was abei berauskommt, entzieht sich der Kenntnis der Reichs⸗ or Zur Fragestellung war gestern die Reihe an dem Schr ber tz (Soz). Er erinnerte den Reichsbankpräsidenten an 5† vb vom 15. Mai an das Ministerium für Wiederaufbau aa as Finanzministerium, in dem auf die starke finanzielle Belastung bechzech 8g der Stützungsaktion und die große Verantwortung ). elg⸗ der Vermehrung der schwebenden Schuld hin⸗ 8⸗8 9 . Er fragte, ob der Präsident auch in den vorher⸗ ssbant onaten schon auf diese Gefahren hingewiesen habe. Lneghäfident Havenste in erwiderte, daß diese Frage in 8 sechungen mit den Ministern wiederholt zur Sprache ge⸗ dig 4 Auf eine weitere Frage, ob der Reichsbankpräsident he der gobegetzgeberische Maßnahmen und Strafandrohungen zum arf des andeswährung gegen Devisenkäufe über den wirtschaftlichen ho Hnenselnen hinaus gedacht habe, wie sie beispielsweise die enstenri letzt durchgeführt hat, entgegnete der Reichsbankpräsident hst hen de⸗ er habe nicht daran gedacht er habe vielmehr poche Deutschen Volk nur zum Bewußtsein bringen wollen, rechen Kisenkäufe der gegenwärtigen Lage Deutschlands nicht fen. demn as sei auch bis zu einem gewissen Grade erfolgreich der Devisenbedarf sei erheblich abgeflaut. Inzwischen
nicht so wern Devisenordnung ergangen. Allerdings gehe i89. Dr 8 wie das tschechische Gesetz. Auf eine weitere Frage und W sfer b gab der Reichsbantpräsident Auskunft über die 1 vird. ed in welcher der Devisenbedarf des Reichs die verschi er Devisenbeirat verteile die Exportdevisen 8 Geredechen Bedürfnisse In Frage kämen vor allen be reide⸗ und Kohleneinfuhr und die Begleichung der ellgemefnsabwechsel. Dazu kämen einige kleinere Beträge. 3 unmittelhiräten sich hier Aktiv⸗ und Passivsaldo der Handels⸗ Der A ar gegenüber, nur die Reparationssummen kämen senbedarf fusgleich geschehe an der Börse, doch komme der t S N ned die Reichseinfuhr an Kohle nicht an den freien 6 g. Dr. Hertz (Soz.): Soll er oder ist er nicht an
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den freien Markt gekommen? — Havenstein: Reichsbank habe sich früher Devisen auch selbst beschafft. Jetzt sei aber vereinbart worden, daß auch sie es nur über den Devisenbeirat tun solle. — Abg. Dr. Hertz macht darauf aufmerksam, daß es in der amtlichen Meldung über das Ergebnis der Dollaranleihe heißt, das Resultat sei durchaus befriedigend. Das stehe im Widerspruch zu den Aussagen der Sachverständigen. (Havenstein: Beruhigung!) Die Zeiten seien doch vorbei, wo man die Bevölterung durch falsche Nachrichten über die wahre Lage hinwegtäuschen konnte und dadurch schweren Schaden anrichtete. — Ein Vertreter des Finanz⸗ mini sterru ms machte demgegenüber darauf aufmerksam, daß das Zeichnungsergebnis bis zu dem Einspruch des französischen Delegierten in der Reparationskommission tatsächlich befriedigend gewesen sei. — Abg. Dr. Hertz (Soz.) fragte, ob bei der Stützungsaktion außer technischen Mitteln auch schon an andere sinanzielle und wirtschaftspolitische Maßnahmen gedacht worden sei. Er erinnerte daran, daß unmanterbar nach Beginn der Aktion die Kohlen⸗ steuer verringert und die Ausfuhrabgabe wesentlich herabgesetzt worden sei. — Staatssekretär Bergmann betonte, daß diese Maßnahmen erst erwogen worden seien, als die Stützungsaktion bereits vollen Erfolg zeitigte. — Abg. Dr. Hertz fragte, wie man einen Preisabbau vornehmen könne, wenn man sich von vornherein darüber klar sei, daß die Stützungsaktion nur sechs bis acht Wochen dauern werde. — Staatssekretär Bergmann: Es stellte sich heraus, daß der Erfolg der Stützungsaktion tatsächlich viel länger anhielt, als man von vornherein hätte erwarten können und im Vertrauen darauf wurden die weiteren Maßnahmen getroffen. Die erschwerenden Momente zeigten sich erst später, vor allem der Mißerfolg der Dollaranleihe. — Bankier Loeb machte darauf aufmerksam, daß die Stützungsaktion zweifellos auch indirekt politisch gewirkt habe. Hätten wir damals die Dinge geben lassen, so wären wir vielleicht auch heute politisch in viel ungünstigerer Lage. — Die hierauf vom Abg. Dr. Dern⸗ burg (Dem.) geäußerte Ansicht, daß es wohl vor allem darauf an⸗ gekommen sei, die Industrie exportfähig zu erhalten, bestätigte Staatssekretär Trendelenburg. Die Richtlinien mußten sein, daß unter allen Umständen die Devisen aus dem Exportgeschäft beschafft wurden. Darum mußte der Erport soweit als möglich befreit werden. Die Erxportausgabe selbst habe niemals eine finanzielle Bedeutung gehabt. — Abg. Dr. Dernburg (Dem.) machte darauf aufmerksam, daß die Reichsbank bis zum Kriege in der Hauptsache private Wechsel diskontiert habe. Auf seine Anfrage erklärte Reichsbankpräsident Havenstein, daß der gesamte Wechselumlauf der Reichsbank etwas über eine Milliarde in Gold betrage, während es im Frieden 8 ½ Milliarden gewesen seien. — Abg. Dr. Dernburg erklärte dies mit dem Rückgang der gesamten deutschen Wirtschaft. Die deutsche Produktion sei unter die Hälfte der Friedensproduktion gesunken. Heute sei der Noten⸗ umlauf der Reichsbank im wesentlichen auf Reichskredit basiert. Die Reichsbank gebe heute den Privaten nur einen außerordentlich viel geringeren Prozentsatz als früher, dagegen werde der Notenumlauf wesentlich gesteigert durch die Bedürfnisse des Reichs. — Abg. Dr. Hertz blieb dabei, daß mit dem Kredit der Reichsbank Devisen⸗ geschäfte gemacht würden, und führte dabei das Beispiel eines Ge⸗ treidehändlers an. — Die Abgg. Emminger (Bayer. Volksp.), Dr. Helfferich (D.Nat.) und Dr. Dernburg (Dem.) wandten sich gegen diese Darlegungen des Abg. Hertz.
Hieran schloß sich eine Auseinandersetzung zwischen dem Abg. Dr. Dernburg und dem Reichsbankpräsidenten Havenstein über die von der Reichsbank vorgenommene Kreditdrosselung. Abg. Dr. Dernburg suchte darin nachzuweisen, daß die frühere Kredit⸗ der Reichsbank keine über den Bedarf hinausgehende
ekulative Gütererzeugung zur Folge haben konnte, und daß die Reichsbank stets nur die seit 1853 bestehenden Richtlinien innegehalten hat. Der Wechselumlauf betrage ja auch nur noch 40 pH dessen, was eine blühende Wirtschaft früher an Wechseln begab. Geheimrat Kauffmann bestätigte, daß sogar Klagen darüber in großer Zahl aus der Industrie gekommen sind. Auf eine weitere Frage des Abg. Dr. Dernburg erklärte Bankier Loeb, daß tatsächlich die Diskontsätze für Wechsel erheblich unter dem Diskont für Effekten liegen, weil die Banken einen erheblichen Teil der Wechsel bei der Reichsbank weiter flüssig machen können. Aber die erstklassigen Banken nehmen nur ungern Reichsbankkredit in Anspruch und erhöhen ihren Diskont, um nicht ausschließlich Durchgangsstelle für Wechsel zur Reichsbank zu werden. — Ein Vertreter des Reichs⸗ wirtschaftsministeriums bestätigte ferner, daß eine Ver⸗ ringerung der Zinsrate auch geringere Möglichkeit zu höheren Löhnen gebe. Allerdings wirke dieses Moment stärker in Zeiten stabiler Währung als in Zeiten der Geldentwertung. — Staatssekretär Trendelen⸗ burg (Wirtschaftsministerium) stimmte dem Abg. Dr. Dernburg darin zu. düß während der Stützungsaktion die Industrie zum großen Teile Angebote des Auslandes nicht annehmen konnte, weil die deutschen Preise erheblich über den Weltmarktpreisen standen. Dr. Dernburg zog daraus den Schluß, daß durch Kreditrestriktionen und hohe des Rohmaterials die Exportfähigkeit aufhöre und der Beschäftigungsgrad abnehme. Staatssekretär Trendelenburg machte jedoch darauf aufmerksam, daß die Verhältnisse im besetzten und im unbesetzten Gebiet ans verschieden wären. — Auf Wunsch des Abg. Dr. Dernburg ußerte sich der Staatssekretär sodann eingehend über die Devisen⸗ zentrale. Ueber eine solche Einrichtung sei bei jedem Marksturz aus⸗ führlich verhandelt worden, auch mit dem Garantiekomitee wiederholt seit dem Londoner Ultimatum. Die Zentralisierung habe während des Krieges unter verhältnismäßig günstigen Umständen bestanden, als der Außenhandel auf ein Minimum herabgesetzt gewesen sei. Der größte Teil der Einfuhr ginge durch Organisationen des Reichs. Ferner bestände eine scharfe Postkontrolle. Diese Ueberwachung sei heute ausgeschlossen, da wir mit tausend Faden mit der Welt in Verbindung stehen müßten. Alle Teile der Wnrttsschaft häuen jetzt ihre Devisenkäufe zu melden, und es be⸗ stehe die Möglichkeit, einzuschreiten, wenn mißbräuchliche Käufe fest⸗ gestellt würden. Durch eine Devisenzentrale würden die jetzigen Represfiwmaßnahmen in ein System der Vorzenfur umgewandelt werden. Jeder einzelne würde bei der Zentrale kaufen müssen, die dann nicht einmal in der Lage wäre, auch nur den absolut legitimen Bedarf der deutschen Wirtschaft sicherzustellen. Für Nachforschungen nach der Legitimität würde sie gar keine Zeit haben. In Oesterreich beschäftige die Zentrale 750 Perfonen, in Deutschland müßten es mindestens 2000 bis 3000 sein. Man dürfe auch nicht berfefen, daß etwa ein Viertel des Reichsgebiets in fremder Gewalt stehe. Reichsbank⸗ beamte, Handels⸗ und Industrieangestellte würden in großer Zahl ausgewiesen, Briefe brauchten oft 14 Tage. Das Ausland könne aber nicht warten, wenn es Aufträge erteilen wolle, Oesterreich und die Tschecho⸗Slowakei seien sehr kleine Länder, dort sei die Zentrale möglich. Bei uns sei glücklicherweise nicht alles in Berkin kon⸗ zentriert, wir haben viele große Börsenplätze. In Ungarn bestehe die Devisenzentrale nur noch dem Namen nach. Die Reichs⸗ bank habe übrigens stets erklärt, daß sie vollkommen außer⸗ stande sei, die Geschäfte einer solchen Zentrale mit zu erledigen. — Geh. Rat Kauffmann: Ich würde es für einen idealen Zustand halten, wenn wir eine Devisenzentrale hätten, die einzig und allein Devisen kauft und verkauft und in der Lage ist, vor der abe zu prüfen, zu welchem Zweck die Devisen verwendet werden. Ich habe mich mit der Frage sehr eingehend beschäftigt, bin aber immer wieder zu dem Resultat gekommen, daß die technischen rig⸗ keiten derartig sind, daß an ein Zustandekommen garnicht zu denken ist. Das ist doch ganz erklärlich bei dem Material, das im Devifen⸗ handel bearbeitet werden muß. Es handelt sich nicht bloß um große Devisen, sondern selbst um halbe Gulden, um zehn Franken usw. Der Apvarat würde übera s schwerfällig werden. In sehr vielen Fällen wänden berechtigte Anforderungen nicht oder zu spät erfüllt werden können. Wenn man Devisengeschäfte betreiben will, muß man Beziehungen nicht bloß im Inland, sondern vor allem im Ausland haben, und nun denken Sie sich einmal die Beziehungen der ganzen deutschen Bankwelt im Ausland durch diese Devisenzentrale ebend, das ist volkommen ausgeschlossen. Es würde ein vollständiges Chaos werden, wenn alles durch eine Stelle ginge. Bisher haben wir bei jeder Maßnahme in bezug auf die Devisen immer beobachtet, daß die Neigung wächst, die Geschäfte aus dem unbesetzten Gebiet in das besetzte zu verlegen. Nach alledem müssen wir von dem Ideal⸗
Die
zustand absehen und uns mit den jetzt neugeschaffenen Kontroll⸗ maßnahmen begnügen, die ja ziemlich wirksam sind. Die Reichs⸗ bank, die mitten im Verkehr steht, eignet si sehr schlecht zum Polizeiorgan, darum ist es zu begrüßen, daß die Kontrolle in die Hände einer Stelle gelegt worden ist, die unabhängig ist von den laufenden Ges käften. — Abg. Dr. Dernburg (Dem) ist der Ansicht, daß durch Einführung einer Devisenzentrale es dahin kommen werde, daß das Publikum sich noch mehr von der Mark zurückziehen werde. Das sei die Folge einer starren Organisation. — Bankier Loeb bestätigte diese Ansicht. Wenn er auch die Vorteile einer Devisenzentrale nicht verkenne, so sei es doch unter den jetzigen Verhältnissen in Deutschland schon sehr fraglich, ob eine Devisen⸗ zentrale überhaupt durchführbar wäre, selbst wenn wir die volle Gesetzgebungsgewalt über das hanzs Reichsgebiet hätten. Heute aber seien wichtige Gebietsteile der Reichsgesetzgebung entzogen. — Die Abgeordneten Dr. Hertz (Soz.) und Lange⸗Heger⸗ mann (3.) wiesen auf die vom Finanzminister im Ausschuß zu⸗ gegebenen Fälle hin, in denen Firmen im besetzten Gebiet große Kredite in Anspruch genommen haben, um sie nicht zur Lohnzahlung, sondern zu spekulativen Geschäften in Holland zu verwenden. Abg. Lange⸗Hegermann erklärte, im besetzten Gebiet beständen viele nur zu solchen veer gegründete Schieberbanken. — Die Vertreter der eichsbank gaben die Möglichkeit solcher Miß⸗ bräuche zu und erklärten sich bereit, bestimmten An⸗ gaben nachzugehen. Im allgemeinen wären Kredite nur in der Höhe der erforderlichen Lohnsummen gegeben worden. Auf eine weitere Frage des Vorsitzenden Abg. Lange⸗Hegermann erklärte der Vertreter des Reichswirtschaftsmini⸗ steriums: Schon bei der alten Devisenverordnung vom Oktober habe man erwogen, ob die Fakturierung in ausländischer Währung nicht verboten werden könnte. Die starken Valutaschwankuugen hätten aber dahin gewirkt, daß die Kreise des Großhandels und der Industrie einfach nicht in der Lage wären, ihre Großkäufe und Ver⸗ käufe auf der Basis der Mark abzuschließen. Der Zwang zur Markfakturierung bei Verkäufe auf lange Sicht hätte zu einer weiteren Verzehrung der Substanz geführt. Darum habe man die Valutafakturierung freigegeben, aber die Regulierung der Geschäfte in Mark durchgesetzt. Diese Regelung sei auch auf die neue Devisen⸗ ordnung übernommen worden und es würde bei den heutigen Ver⸗ hältnissen ganz unmöglich sein, eine Aenderung durchzuführen. — Vor⸗ sitzender Lange⸗Hegermann: Ducch diese Bestimmung der Devisenordnung sei den Importeuren und dem Großhandel jedes Risiko des Markverfalls abgenommen worden. Das ganze Risiko werde da⸗ seher dem Detaillisten aufgebürdet, der nicht in Valuta fakturieren dürfe, ondern durch die Wuchergesetzgebung gehemmt werde. Dem Detaillisten wurden dann vom Konsumenten die Scheiben eingeschlagen. Das sei eine so furchtbare Ungeheuerlichkeit, daß sie unmöglich aufrechterhalten werden könne. — Die Abgg. Dernburg (Dem.) und Dauch (D. Vp.) hielten die in der Devisenordnung geschaffene Regelung für richtig, weil man unmöglich dem Großhandel das Risiko der Valutaverschlechterung aufbürden könne. Der Fehler sei nur, daß die Wuchergesetzgebung den Detaillisten hindere, sich der Geldentwertung anzupassen. (Abg. Dr. Hertz (Soz.)⸗ Dann soll also der Konsument die Geldentwertung allein tragen!) — Der Vorsitzende Lange⸗Hegermann suchte nunmehr die Frage der Zusammenarbeit zwischen der Reichsbank mit dem Bankhaus Mendelssohn zu klären, die in einer der letzten geschlossenen Sitzungen angeschnitten worden war. Dort hatte Bankier Loeb erklärt, mit Rücksicht auf die veränderte Lage habe die Reichsbank vom 28. März an Devisenabgaben in der Provinz nicht mehr durch das Haus Mendelssohn vornehmen lassen, sondern habe es für notwendig fehalten, selbst als Verkäufer aufzutreten. Der Sachverständige childerte jetzt in der öffentlichen Sitzung die Art des Zusammenarbeitens: In Berlin sowohl wie auch in der Provinz und namentlich in Amsterdam kaufte die Reichsbank Mark und verkaufte Devisen während der ganzen Stützungsaktion durch die Firma Mendelssohn, weil die Reichsbank selbst nicht den weitver⸗ zweigten Devisenhandelsapparat besitzt. Auf Anregung der Firma hörte das jedoch für Berlin und die Provinz auf, als der Andrang stärker wurde und die Aktion deshalb mehr als Intervention der Reichsbank selbst erscheinen sollte. — Abg. Dr. Hertz (Soz.) erblickte einen Widerspruch darin, daß Bankier Loeb in der geschlossenen Sitzung den Nachdruck auf das Nichtmehrabgeben gelegt habe, jetzt aber auf die vorhergegangene Verständigung. Es sei damals bereits das Gerücht aufgetaucht, daß das gute Verhältnis zwischen Reichsbank und Mendelssohn sich geändert habe. Er fürchtet einen Zusammenhang zwischen der Aenderung der Taktik und dem Scheitern der Stützungsaktion, die ja am 28. März so gut wie zu Ende ging. — Geheimrat Kauffmann erklärte, daß sich in dem Verhältnis zwischen beiden Banken in der langen Zeit bis heute nicht das Geringste geändert habe. Es sei heute noch dasselbe. — Bankier Loeb erwiderte, man habe am 28. März nur durch eine kleine technische Aenderung die bereits erkannte Wendung zum Schlechteren wieder zum Besseren kehren wollen. Aber gegenüber elementaren Aenderungen könne man eben nichts ausrichten. — Abg. Dr. Hertz sprach zum Schluß den Wunsch aus, daß die Frage in einer der nächsten Sitzungen noch genauer erörtert werden möchte. Darauf vertagte sich der Ausschuß vorläufig. Am Sonnabend soll in geschlossener Sitzung über das weitere Pro⸗ gramm verhandelt werden.
Der Hauptausschuß des Reichstags ö den Beschlüssen des Sozialpolitischen Ausschusses bezüglich der Wochenfürsorge zu. Danach wird der Pauschalbetrag bei Er⸗ stattung des Wertes der freien Arztbehandlung von 10 000 ℳ auf 50 000 ℳ erhöht; der Pauschalbetrag bei Entbindungen und Schwangerschaftsbeschwerden von 10 000 ℳ auf 50 000 ℳ, das Wochengeld von 100 ℳ auf 800 ℳ und bei Selbstversicherten auf mindestens 1000 ℳ und das Stillgeld von 240 ℳ auf 1200 ℳ bezw. 1500 ℳ; die Einkommensgrenze in der Wochen⸗ fürsorge wurde auf 300 000 ℳ und für jedes Kind auf 90 000 ℳ erhöht. Ebenso stimmte der Ausschuß den Beschlüssen des Sozial⸗ politischen Ausschusses bezüglich der weiteken Erhöhung der Unter⸗ stützung für Rentenempfänger der Invaliden⸗ und Angestelltenversicherung zu. Danach sollen diese Sätze für den Mai verdoppelt und ab 1. Juni verdreifacht und für die Kinder und erwerbsunfähige Frauen verfünffacht werden. Die 9. Ergänzung des Besoldungsgesetzes mit den neuen Genndebittern wurde dem schon gewählten Unterausschuß überwiesen, dessen Mitgliederzahl verdoppelt wurde. 8
— Der Rechtsausschuß des Reichstags setzte gester die Beratung des Gesetzentwurfs über die Feier⸗ und Gedenk⸗ tage fort. Zur Diskussion stand § 4, der die Bestimmung politischer Feiertage für Deutschland grundsätzlich nur durch Reichsgesetz für das ganze Reich regeln will; entgegenstehende Festsetzungen der einzelnen Länder sollen außer Kraft treten. Allerdings macht der Regierungsentwur Ausnahme, daß diese Vorschrift nicht für den 1. Mai gelten soll. Regierungsseitig wurde hierzu ausgeführt, daß es nicht im Interesse der Reichseinheit liege, wenn in den verschiedenen Teilen des Deutschen Reichs gegensätzliche politische Feiertage gelten. Die Festlegung verschiedener staatlicher Feiertage führe auch mit Rücksicht auf die engen Beziehnngen der Verwaltung und der Behördentätigkeit, der Wirtschaft, des Handels und des Ver⸗ kehrs zu Unzuträglichkeiten. Die Sozialdemokraten wünschten, daß nicht nur beim 1. Mai dem Reichsgesetz entgegenstehende landes⸗ recht iche Bestimmungen nicht aufgehoben werden dürften, sondern n dies auch beim 9. November der Fall sein müsse. Sachsen, Baden, Thüringen, Hamburg, Braunschweig, Anhalt, Lübeck und Schaumburg⸗ Lippe hätten den Mai bereits zum Feiertag staatsrechtlich erhoben, und man müsse auch bezüglich des 9. November freie Hand lassen. In der Abstimmung wurde der Absatz des § 4 abgelehnt, der den Ländern bezüglich des 1. Mai freie Hand gab. Es glilt also der 1. Mai nicht mehr als Feiertag und kann auch durch Landesrecht nicht mehr zum Feiertag gemacht werden, sobald das Reichsgesetz verabschiedet ist. Einen sozialdemokratischen Antrag, den Ländern auch bezüglich des 9. November freie Hand zu laßfen lehnte die Mehrheit des Ausschusses ebenfalls ab. Also auch der 9. Novemb darf von den Ländern nicht mehr zum Feiertag erhoben werden. übrigen Paragraphen des Gesetzes, die in der Hauptsache gesetzes⸗