1923 / 233 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Oct 1923 18:00:01 GMT) scan diff

heschechte, bei dem, glaube ich, der Ruhm nicht auf der Seite derjenigen isst, deren Antworten in diesem Buche fehlen. (Lebhafte Zustimmung.)

Meine Herren, wir sind auch Vorschlägen anderer Mächte näher⸗ getreten. Insbesondere haben wir die Anregung des belgischen Grau⸗ buchs wegen Schaffung von Finanz⸗ und Wirtschaftsmonopolen mit großen jährlichen Beträgen von uns aus tätig weiter verfolgt. Man hat sich in der französischen Presse, die sich ja fast Tag für Tag damit beschäftigt der „Temps“ ist ein reines Lesebuch über deutsche Politik, vom französischen Standpunkt aus gesprochen —, ich sage: man hat in der französischen Presse gelesen, Deutschland habe keine Details für diese Vorschläge gegeben. Ich darf doch demgegenüber darauf hinweisen, daß Besprechungen, die sich auf Details bezogen, ihr Ende mit der Erklärung fanden, daß man über Details erst sprechen könnte, wenn der passive Widerstand aufgegeben sei (aha! und hört, hört! bei der Deutschen Volkspartei und bei den Deutsch⸗ nationalen), und daß sich trotzdem gar nichts an dieser Situation dadurch geändert hat. Nein, Frankreich weiß ganz genau, daß es jederzeit in der Lage wäre, von uns die Details zu erhalten, wenn es selbst auf die Details Wert legen würde. (Sehr gut!) Meine Herren, wir haben den passiven Widerstand aufgegeben, aber wir haben nicht aufgegeben die Forderung nach der Aufrechterhaltung der deutschen Souveränität, die Forderung der Wiederverfügung über das Ruhrgebiet, und wir werden niemals aufgeben den Kampf für die Menschheitsrechte der Vertriebenen und der Gefangenen (Stürmischer Beifall.) Der Vorwurf der Kapitulation wäre erst dann berechtigt, wenn die Rgierung von diesen Grundsätzen abgewichen wäre. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Die Regierung denkt gar nicht daran, auch nur das Geringste von diesen Grundsätzen ihrerseits aufzugeben. (Lebhafter Beifall.) Ob man von diesen Grundsätzen dann, wenn es sich tatsächlich um die Erledigung der politischen Fragen handelt denn der passive Widerstand war eine innerdeutsche Angelegenheit, über die wir zunächst zu entscheiden hatten —, ob man dann, wenn es sich um die Endentscheidung handelt, hier etwas aufgibt, daran möge man ermessen, ob wir zu einer Kapitulation bereit sind oder nicht (Beifallh; nicht aber an der Frage der Aufgabe des passiven Widerstandes. (Sehr richtig!)

Meine Herren, wir sind noch heute ohne offizielle Antwort auf unsere Anfrage wegen gemeinschaftlicher Verhandlungen über die Wiederherstellung geordneter Zustände im besetzten Gebiet. Wir werden diese Anfrage wiederholen, um Klarheit zu schaffen. Irre ich nicht, dann geht das Bestreben Frankreichs dahin, von sich aus ohne Fühlungnahme oder Verhandlung mit der deutschen Regierung die Dinge dort selbst in Ordnung zu bringen. Das zeigen namentlich die Vorgänge in bezug auf die französische Regie, in bezug auf die Forderung, die sie bezüglich des Eintritts deutscher Beamten sttellt. Es ist allerdings unklar geworden, ob die Mitteilungen, die uns über die Forderung eines körperlichen Eides geworden sind, wirklich der Auf⸗ fassung der französischen Regierung entsprechen. Die „Agence Havas“ dementiert offiziös, daß ein derartiger Eid gefordert werden würde. Ich würde es begrüßen, wenn diese offizielle französische Auslassung die richtige wäre. Denn eines wollen wir doch betonen, gleichgültig, ob wir jetzt in der Lage sind, denen zu helfen, die bis in die letzten Tage hin⸗ durch unter weiteren Bedrückungen, Ausweisungen und anderem dulden, unser ist der Boden, unser ist das Land und unser ist die Hoheit in diesem Lande. (Stürmischer Beifall.) Das ist, das bleibt stehen, und das soll bis in alle Zukunft so bleiben. (Erneuter Beifall.)

Sind die Erklärungen richtig, die der Herr französische Minister⸗ präsident Herrn Baldwin gegeben haben soll, daß er keine Annexion, daß er keine Beeinträchtigung territorialer Hoheit versuchen würde, dann glaube ich, hat der Herr französische Ministerpräsident die beste Gelegenheit, vor der ganzen Welt diejenigen Zweifler zum Ver⸗ stummen zu bringen, die an seinen Worten gedeutelt haben, indem er bei den Verhandlungen über Wiederherstellung der Verhältnisse im Ruhrgebiet und im Rheinland zeigt, daß es ihm mit diesen Worten ernst gewesen ist. (Sehr richtig!)

Man spricht immer davon, Deutschland müsse erst seinen guten Willen zeigen. Ich darf doch einmal das eine fragen: über das hinaus, was wir angeboten haben zu leisten und zu erfüllen, in den Angeboten des Memorandums vom 7. Juni, in dem, was ich erwähnt habe, über Finanzmonopol und anderes, was soll denn eigentlich Deutschland darüber hinaus auch nur theoretisch zu leisten sich in seiner Phantasie einbilden? Es ist doch das letzte, was ein Volk überhaupt anbieten kann! Man spricht von unserem guten Willen, den wir zeigen könnten. Unser Wille ist: Verständigung und Frieden. Aber es gibt eine Grenze der Geduld des deutschen Volkes. Das haben die⸗ jenigen Erregungen bewiesen, deren Zuckungen wir gerade auch in dieser Zeit erlebt haben, allerdings in Auswirkungen, die wir nicht billigen, die wir verurteilen, die aber niemals hätten entstehen

unen, wenn nicht die Saat durch die Gewaltpolitik gestreut worden wäre, die gegen Deutschland in den letzten Jahren betrieben worden ist (lebhafte Zustimmung).

Ich sage, eine nationale Erregung über den Ausgang des Ruhr⸗ kampfes ist nur zu begreifen. Bedauerlich ist die Verkennung des Stadtspunkts der Regierung, die Verwechslung der Idee der Aufgabe des passiven Widerstandes mit der Aufgabe des Kampfes für Freiheit von Rhein und Ruhr. Es ist aber weiter tief bedauerlich, daß in einer solchen Zeit, die die Zusammenfassung aller Kräfte erfordert, subversive Tendenzen das Reich von innen bedrohen. (Sehr gut! Glaubt man denn wirklich durch derartige Tendenzen, glaubt man denn wirklich auch durch das Hereintragen von Verfassungsfragen, durch das Hereintragen von Ideen der Diktatur, glaubt man wirklich durch tatsächliche Auflehnung, wie wir sie erlebt haben, glaubt man tatsächlich durch tägliche Aufrufe, die man in das Volk hinaus⸗ schleudert, das schon genug erregt ist durch das, was es an sich sehen muß, glaubt man wirklich dadurch die Zeit zu bändigen, in der wir heute unsererseits leben? Niemals dürften dynastische Fragen, Fragen der Staatsform oder Fragen der Parteien dem Gesamtempfinden ferner stehen als heute, wo das Reich sich in dieser Notlage befindet. (Zustimmung.)

Meine Herren, wir sind durch die Verhältnisse, die sich gezeigt haben, in die Notwendigkeit versetzt worden, den Ausnahmezustand in schärffter Form zu verhängen. Daß die Verhängung notwendig war, daß sie auch kein Bluff oder eine Geste sein sollte, daß sie nicht etwa irgendein innenpolitischer Versuch der Regierung war, ihre Situation irgendwie zu bessern, sondern daß sie ausging von der großen Sorge um die Verhinderung von Vorgängen, die uns in einen Krieg der Bürger gegen die Bürger hineinbrächten, das zeigen doch die blutigen Vorgänge der letzten Tage, auf die ich nachher noch zurückkomme.

Auch die bayerische Regierung hat zur Verhängung des Aus⸗ nahmezustands greifen müssen. Meine Herren, ich glaube, daß die

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Bewegungen, die in Bayern vor sich gehen und die oft angekündigt haben Märsche von Bayern nach Berlin und alle möglichen anderen Dinge, an sich durchaus die Notwendigkeit geben konnten, den Aus⸗ nahmezustand zu verhängen, um dieser Bewegungen Herr zu werden. Die Rechtslage kann nicht zweifelhaft sein. Die für das ganze Reichs⸗ gebiet erlassene Verordnung des Reichspräsidenten ist Teil des Reichs⸗ rechts und geht dem Landesrecht in jeder Form, also auch einer landes⸗ rechtlichen Verordnung nach Artikel 48 Abs. 4, vor. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Das Recht der Landesregierungen nach Artikel 48 Abs. 4, für ihr Gebiet einstweilige Ausnahmen zu treffen, ist nur ein provisorisches Recht und muß nach Sinn und Wortlaut hinter dem allgemeinen und endgültigen Recht des Reichspräsidenten nach Artikel 48 Abs. 2 zurücktreten. Wir würdigen die besonderen Verhältnisse der gegenwärtigen Lage in Bayern, die die bayerische Regierung veranlaßt haben, sich stützen zu wollen auf eine Ver⸗ fügung, die aus bayerischem Recht, aus der bayerischen Landeshoheit selbst hervorgegangen ist. Aus diesem Grunde haben wir unsererseits davon abgesehen, eine Aufhebung der bayerischen Verfügung zu fordern. Wir hoffen, daß ein Nebeneinander der beiden Verfügungen möglich ist, bei der unsere Aufgabe ist, das Recht des Reichs zu schützen, sobald Rechte des Reichs irgendwie dabei in Gefahr kommen, verletzt zu werden (Zuruf von den Kommunisten: Glatte Kapitulation!) Meine Herren, es ist sehr interessant, daß das Wort Kapitulation bald von der einen, bald von der anderen Seite kommt. Lassen Sie mich doch hier ein allgemeines Wort einmal sprechen. Wir leben in einer Zeit, in der die verschiedenen Länder des Reichs eine ganz verschiedene wirtschaftliche, soziale und politische Struktur zeigen. Das ist nicht mor in bezug auf Bayern der Fall; das ist auch der Fall in bezug auf andere Länder, die ebenso abweichen von der Auf⸗ fassung etwa, die hier sich in der Gesamtzusammensetzung des Reichs zeigt, wie etwa Bayern in seiner Auffassung abweicht von der Auf⸗ fassung, die hier ist. Ich würde es für eine ganz falsche Stantskunst halten, hier lediglich das Reich auszuspielen gegen die Länder, sondern ich bin der Meinung, daß hier bis zur Grenze bes Rechts Reich und Länder zusammenwirken müssen. (Sehr gul! bei der Deutschen Volkspartei.) Nur dann wird das Reich bestehen, nur dann wird das Reich sich stützen können auf diejenigen föderalistischen Kräfte, die auch notwendig sind, um das Rei hsganze zu bilden.

Meine Herren, ich darf aber auf das eine hinweisen, das meiner Meinung nach auch gerade von den bayerischen Interessen aus nicht geduldet werden kann. Das ist die Zügellosigkeit, in der man dort vielfach in einzelnen Kreisen glaubt, Institutionen angreifen zu können, die herausbleiben müssen aus dem politischen dampf. Damit meine ich nicht die Reichsregierung als solche, Ich bin Kummer gewohnt und nehme die Dinge nicht immer schwer, wie vielleicht Menschen, die nicht im parlamentarischen Leben gestanden haben. Ich nehme aber davon aus den Reichspräsidenten. Der Reichs⸗ präsident ist die Versinnbildlichung der obersten Spitze des deutschen Volkes. Wer daran denkt, auf Grund der Verfassung einmal dert an dieser Stelle Persönlichkeiten zu sehen, die ihm näherstehen, der sorge zunächst dafür, daß die Institution als solche geachtet wer e, gleichgültig, wer der Inhaber dieser Gewalt ist. (Bravol! in der Mitte und bei den Vereinigten Sozialdemokraten.)

Dann ein Zweites: Ich habe im „Völkischen Beobachter“ einen Aufsatz gelesen, der sich gegen den Chef der Heeresleitung wendete, der davon sprach, es sei das Unglück des deutsches Volkes, daß es Offiziere gäbe, die an den nationalen Charakter des General v. Seeckt glaubten. Ich möchte jedoch einmal die Frage stellen, was würde denn die alte bayerische Armee von ihrem alten Standtpunkt dazu gesagt haben, wenn man gewagt hätte, in dieser Weise das Vertrauen zwischen Offizier und Befehlshaber zu erschüttern? (Sehr gutt in der Mitte.) Das ist die Aufgabe jeder Autorität nach alten oder nach neuen Begriffen. Das ist eine unverantwortliche Hetze, der jeder anständige Mensch mit aller Entschiedenheit entgegentreten muß. (Lebhaftes Bravo bei den Regierungsparteien.)

Gegenüber den mancherlei Zersetzungserscheinungen, die sich bei uns zeigen, sollten wir uns ein Beispiel nehmen an der Art, wie im besetzten Gebiet über die Parteien hinaus sich der Gedanke der nationalen Einheit im besten Sinne des Wortes in der großen Kundgebung in Köln gezeigt hat, einer positiven Kundgebung für Deutschland, und in der stillen Abwehr gegen Kundgebungen, wie die in Düsseldorf. Ich bedauere so tief, daß der Kampf gegen den Staat geführt wird, weil man die Parteien nicht mehr hat, die zu irgendeiner Zeit etwa den Staat regieren. Welche Parteien regieren und welche Regierungen da sind, das ist Episode in der Geschichte; aber, ob das Deutsche Reich und der Staat bleibt, das wird Epoche sein in der Entwicklung unseres Volkes. (Beifall.) Wenn es verbrecherische Naturen gibt, die in der heutigen Zeit glauben, daß das die Gegenwart wäre, in der man gegen diesen Staat anrennen könnte, um ihn aus den Angeln zu heben durch Aufreizung, durch Gewalt, dann lehne ich es ab, darin irgendwelche nationalen Beweggründe zu sehen. (Sehr gutl bei den Vereinigten Sozialdemokraten und in der Mitte) Die Hand unserer Gegner hat uns schwer genug getroffen. Sorgen wir doch dafür, daß wir nicht durch unsere eigenen Hände das Grab weiter schaufeln, daß manche schon vor ihrem geistigen Auge sehen, wenn sie sich die Entwicklung vergegenwärtigen, in der wir stehen.

Von diesem Gesichtspunkte aus muß man auch die Verhältnisse betrachten, die sich beispielsweise in Küstrin ereignet haben, die ein Eingreifen der Reichswehr erforderten. Ich habe keine Veranlassung, besonders der Reichswehr dieserhalb Dank zu sagen, denn es war ihre Pflicht, was sie getan hat; aber feststellen möchte ich das eine, daß sie auch diejenigen zum Schweigen gebracht hat, die so oft das Vertrauen zur Reichswehr in Frage stellen zu können glaubten. Das Reichskabinett hat schon früher in einem Ihnen bekannten Befehl des Reichswehrministeriums dieses Vertrauen zum Ausdruck gebracht, und ich möchte wünschen, daß wir alle die Reichswehr, die ein Instrument des Staates ist, unsererseits aus den politischen Kämpfen herauszulassen, wie wir erwarten, daß die Reichsvwehr sich von allen politischen Kämpfen fernhält. (Zustimmung in den Mitte.) Daß sie ihre Pflicht tut, wenn ihr der Befehl erteilt wird, das hat sie bewiesen. Damit sollten auch die Angriffe aufhören, die so oft gegen sie gerichtet worden sind. Wir brauchen ein Vertrauens⸗ verhältnis der Reichswehr zu allen Parteien. Sie ist Instrument des deutschen Volkes, ist nicht Instrument irgendeiner Partei.

Deshalb muß sie aber auch geschützt sein gegen falsche An⸗ schauungen. (Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten.) Meine Herren, Sie haben doch kein Recht, überhaupt über Instrumente des Staates mitzureden, denn Sie stehen doch gar nicht auf dem Boden des Staates. (Bravo! bei den Regierungsparteien.) Wir gehen doch

nz anderen Grundlage aus. Sie hätten das Recht, diese

Institulion zu kritisieren, wenn Sie sich bewußt auf den Boden stellten, daß Sie überhaupt diesen Staat Ihrerseits wollen Diejenigen, die dort in Küstrin Aufrührer gewesen sim, werden die Schärfe des Gesetzes fühlen. Das Sondergericht ist eingesetzt. Es entspricht der Anwendung des Ausnahmezustandes. Die Vorgänge in Küstrin, die Niederwerfung des Aufstandes, die Einsetzung des Sonder⸗ gerichts zeigen, glaube ich, daß die Regierung gewillt ist, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Manche, die in der Presse glaubten, daß ihr diese Energie fehle, die ihre Leitartikel am liebsten mit der Ueber⸗ schrift versahen: Handeln, nicht reden! können vielleicht angesichts dieser Tatsachen einmal erkennen, daß die Regierung durchaus gewillt ist, wenn sie davon spricht, daß sie mit der Staatsautorität nicht Schindluder treiben läßt, auf diesem Worte die Tat zur gegebenen Stunde folgen zu lassen. (Bravo! bei den Koalitionsparteien, Zurufe von den Kommunisten.) 8 Meine Herren! Ich will mich dann den inneren Verhältnissen zuwenden waffneten Banden in Bayern? Rufe: Ruhel), insbesondere zu den Fragen der Wirtschaft und der Finanzen. (Abgeordneter Koenen: Und die bayerische Frage?) Ich nehme an, daß Sie sie anschneiden werden, dann gibt sich ja Gelegenheit, darüber zu sprechen. Meine Herren, ich brauche Ihnen keinen ausführlichen Status über die finanziellen Verhältnisse zu geben. rapiden Ausmaß das Zurückbleiben der Reichseinnahmen gegenüber den Reichsausgaben weiterhin zeigt, auch wenn demnächst die zunächst für die Uebergangszeit fortgeführte Unterstützung des besetzten Gebieis fortfällt, daß ohne ganz tief eingreifende Maßnahmen auf dem Gebiele der Steuern überhaupt gar keine Aussicht für irzendeine Ordnung der Finanzen besteht. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn die Ministerpräsidenten der Länder zum Ausdruck bringen, wie schwer

einzelne Steuern ihre Landesgenossen treffen. Aber einmal ist diese

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Härte der Steuern nicht auf einzelne Länder beschränkt, sondern sie trifft doch alle. Zweitens bitte ich Sie, sich doch einmal in die Seele

eines Finanzministers hinein zu versetzen, der davor steht, daß über⸗ 8

haupt nur ein sehr geringer Bruchteil des Staatsbedarfs durch Steuern aufgebracht wird, und dem man dann zumutet, einigermaßen leichter Hand auf die wichtigsten Steuereinnahmen verzichten zu sollen.

Wir haben durch den Erlaß vom 29. September d. J. aus⸗ drücklich die Berücksichtigung leistungsschwacher Steuerzahler zum Ausdruck gebracht. Ob wir darüber hinaus zu Erleichterungen eder Aufhebungen kommen werden, das wird sich vor allem dann zeigen, wenn wir uns darüber klar geworden sind, ob wir dem Währungs⸗ verfall selbst werden entgegentreten können durch diejenigen Maß⸗ nahmen, die Sie kennen, auf die ich im einzelnen nicht eingehe, vor allem durch die Maßnahme der Schaffung eines wertbeständigen Geldes als des schärfsten Mittels gegen die Inflation, in der wir stehen. 1

Ich darf aber in bezug auf das Verhältnis von Ländern und Reich eine weitere Erklärung abgeben, die die Reichsregierung auf Vorschlag des früheren Reichsfinanzministers gebilligt hat und die ein Problem anschneidet, das neulich auch die „Bayerische Volkspartei⸗ liche Korrespondenz“ in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen gestellt hat. Das Reich ist heute steuerlich in einer ganz einzigartigen Lage. Es hat nicht nur für seine eigenen Ausgaben aufzukommen, sondern auch für einen großen Teil der Ausgaben der Länder und Kommunen, ohne daß es wirksame Kontrollmaßnahmen darüber hat, wie diese Mittel eigentlich verwendet werden. Nach Auffassung des Kabinetts

kann wirkliche Abhilfe nur durch eine grundlegende Aenderung des Gund Kommunen geschaffen

Verhältnisses zwischen Reich, Ländern werden. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Das setzt voraus,

daß die Länder wieder die volle Verantwortung für ihre Ausgaben

Dazu bedürfen sie der Verfügung über eigene Den Ländern müssen also wieder eigene Steuer⸗

allein übernehmen. Einnahmequellen.

quellen erschlossen werden (hört, hört! bei den Kommunisten), deren

Ausschöpfung sie in den Stand setzen wird, ihre Aufgaben zu erfüllen, und das Reich wird sich dann wieder mehr auf die Bearbeitung seiner eigentlichen Staatsaufgaben beschränken können. Bis zur Durch⸗ führung dieser grundlegenden Reform wird eine Lösung in der Rich⸗ tung gesucht werden müssen, daß sich die Länder ebenso wie das Reich durch Kontingentierung der von ihnen noch zu verwendenden Mittel zur äußersten Sparsamkeit zwingen. Dazu gehört, daß keine Gesetze mehr verabschiedet werden, die neue Belastungen bringen, daß keine neuen Behörden und Beamten eingesetzt werden (sehr gut!), daß keine neuen Verwaltungsarbeiten übernommen werden. Dazu gehört ein Ab⸗ bau der alten Gesetze, dazu gehört ein Abbau der jetzigen Verwaltung und die Beseitigung überflüssig gewordener Behörden.

Meine Herren! Das ist die einmütige Auffassung des Kabinetts und ich glaube doch, daß man da, wo man in einer gewissen Ver⸗ allgemeinerung von liebgewordenen Begriffen von der Berliner Re⸗ gierung immer nur in Gänsefüßchen spricht und dieser Regierung, wie ich glaube, nicht gerade ein hundertprozentiges Vertrauen entgegen⸗ bringt, sachlich und objektiv doch vielleicht anerkennen kann, daß kaum jemals eine Regierung in bezug auf diese Regelung der Dinge sich derartig auf den Standpunkt gestellt hat, eine verloren gegangene Selbständigkeit wieder aufzubauen, wie wir gewillt sind, diesen Weg gemeinschaftlich mit den Ländern zu gehen. Ich sehe hier das wichtigste Moment gerade im Psychologischen. Es geht nicht an, daß jemand Ausgaben machen kann, ohne selbst zu kontrollieren, wie weit seine Verantwortlichkeit das zuläßt. (Lebhafte Zustimmung.) Das muß zur Verschwendung, muß auf der anderen Seite zur Aushöhlung des Reiches führen. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinschaftlich gehen, und ich glaube, Sie können durch diesen Weg auch einmal wieder da eine Mainbrücke schlagen, wo man manchmal die Empfindung hat, als⸗ wenn es Würmer gäbe, die an den Pfeilern nagen, die di ü doch in alle Ewigkeit stützen sollten.

in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol. Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigen teil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle 8 Rechnungsrat Mengering in Berlin. b .

erlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

8 Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. b Berlin. Wilhelmstr. 32.

gWwei Beilagen und Erste bis Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

(Abgeordneter Koenen: Was machen Sie gegen die be⸗ 8

Ich darf nur sagen, daß sich in einem so

Erste Beilage

chsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Berlin, Montag, den 8. Oktober

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Dasjenige, meine Herren, was uns am meisten die ganze Not unserer Verhältnisse vor Augen führt, ist der Währungs⸗ verfall. Es gibt meiner Auffassung nach keinen erfolgreichen Ver⸗ such, ihn durch technische Mittel aufzuhalten. (Sehr richtig! bei den Deutschnationalen) Gewiß, man kann technische Mittel anwenden und wir haben sie angewandt. Sie sind angewandt worden bis zu einem Maße, daß unsere Goldreserve auf ein Minimum herab⸗ gesunken ist. (Zuruf von den Kommunisten: Stinnes hat sie ge⸗ stohlen! Gelächter.) Man kann die Abgabe von Devisen fordern, kann versuchen, durch den Devisenerfassungskommissar alle möglichen Maßnahmen im einzelnen durchzusetzen. Das Entscheidende aber ist doch, daß man das Mißtrauen beseitigt, einmal in eine Währung, die nicht mehr als Zahlungsmittel nach außen zu halten ist, deren Zahlungskraft nach innen zum mindestens stark vermindert ist. Und das zweite, was wichtiger ist, als dieses Mittel, das wir mit der Schaffung eines neuen Geldes zum Ausdruck bringen wollen, ist der Versuch der Gesundung unserer Wirtschaft selber, um sie zu einer erhöhten Produktivität zu veranlassen. (Sehr gut! Zuruf von den Kommunisten!) Wenn es sich dabei darum gehandelt hat, die Wehr⸗ pflicht des Besitzes durchzuführen, dann werden Sie (zu den Kom⸗ munisten), glaube ich, gar keine Veranlassung haben, mich irgendwie jemals als Deserteur von dieser Idee festzustellen. Längs ehe ich an dieser Stelle stand, habe ich mich bemüht, diese Idee zum Aus⸗ druck zu bringen. Die ganzen Vorschläge, die ich für eine einmalige Hergabe des Besitzes an das Reich gemacht habe, um sie zur Grund⸗ lage von Reparationsleistungen zu machen, waren, glaube ich, das weitestgehende Opfer, das überhaupt jemals den Besitz als solchen zugemutet worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) Deshalb sollten Sie mit dieser unsachgemäßen Art aufhören, es so hinzustellen, als wenn Sie allein die Träger von Gedanken wären, die Ihrem Haupt ent⸗ sprungen wären! (Große Heiterkeit und Zustimmung.)

Dreierlei, meine Herren, erscheint uns notwendig, und ich will des hier in Kürze zusammenfassen. Einmal unzweifelhaft wenn ich Ihren Zwischenruf aufnehme, der sich auf eine Aeußerung von mir bezog eine Wehrpflicht des Besitzes nach außen und nach innen als Träger dieser Lasten, zum zweiten ein Eingreifen in die Preisbildung, die bei uns Formen angenommen hat, die nicht mehr ertragen werden können. (Tebhafte Zustimmung.) Was wir brauchen, ist ein Vor⸗ gehen gegen eine Monopolpreistendenz, die uns vielfach mit dazu gebracht hat das wir über dem Weltmarktpreise liegen. Es geht nicht an, daß wir durch Konventionen und Syndikate den Weitbewerb des Wirtschaftslebens überhaupt in der Weise ausschalten, wie er aus⸗ geschaltet worden ist. (Sehr wahr.) Wir haben, zum Teil durch die Verhältnisse des Krieges und der Nachkriegszeit, wo der Bedarf die Produktion weit überstieg, den für die Wirtschaft ganz ungesunden

Zustand, daß der Produzent sich nicht mehr zu sorgen braucht un dor Absatz seiner Wure. Bas isr vas Cnoe en vergen brvght ppr bf⸗.

das ist der Anfang der Stagnation. Wenn dazu das zweite kommt, daß an Stelle der Aufgabe, durch Höchstqualität oder durch ein Minimum von Ausgaben in bezug auf Herstellung der Waren konkurrenzfähig zu sein, wenn an Stelle dieser kaufmännischen Aufgabe die neue tritt, in Konventionssitzungen neue Preise festzusetzen, Ent⸗ wertungsfaktoren hineinzukalkulieren, dann hört wieder auf, was einst Grundlage der Entwicklung der deutschen Wirtschaft war. (Lebhafte Zustimmung.) Wir waren einst beneidet. Mit dieser Preispolitik der Konventionen und Syndikate hätten wir niemals den Weltmarkt erobert und wären niemals vorwärtsgekommen. (Erneute Zustimmung.) Das ist um so weniger zu ertragen in einer Zeit, wo wir vor einer Arbeitslosigkeit stehen, die wir in ihren letzten Grenzen noch gar nicht übersehen, in einer Zeit, wo wir an die gesamte Arbeiterschaft infolge unserer innen⸗ und außenpolitischen Lage herantreten müssen, an die gesamte Beamtenschaft, um sie aufzufordern, durch Mehrleistungen, die sie auf sich nehmen wie wir hoffen in freier Vereinbarung —, das zu erreichen und wichtige Lebensaufgaben des deutschen Volkes zu erfüllen, die notwendig sind, wenn wir nicht sehenden Auges die Ver⸗ elendung des deutschen Volkes zum Prinzip unserer Staatspolitik machen. (Lebhafte Zustimmung.) Die Regelung der Frage der Arbeits⸗ zeit, die Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen in den Parteien gewesen ist, wird nach denjenigen Grundsätzen erfolgen, über die eine Einigung besteht. (Hört! hört! auf der äußersten Linken. Bravo bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte.) Meine Herren! Kaum jemals hat ein Kabinett die Führung der deutschen Politik in schwererer Zeit und in schwererer Not als jetzt übernommen. Wir wissen, daß wir von Versäumnissen auch in dieser kurzen Zeit nicht frei sind, aber wir haben vor der Frage gestanden: was wichtiger ist, das sofortige Zufassen mit Maßnahmen und Verordnungen oder das Aus⸗ arbeiten von einzelnen Gesetzen, was dazu führt, daß die Arbeit Experiment würde. Diejenigen, die Kritik üben, gehen an der Tatsache vorüber, daß man heute häufig Entschließungen in Tagen fordert, wo man früher Monate und Jahre gebrauchte, um die Grund⸗ lage festzulegen, nach der man handelt. Wir haben eine große Anzahl von Maßnahmen in Aussicht genommen. Das geht nicht mit dem parlamentarischen Apparat, so wie er auf⸗ gezogen ist. Deshalb wenden wir uns an Sie um ent⸗ sprechende Ermächtigung für die Lösung finanzieller und wirtschaftlicher Fragen (Abg. v. Graefe: Hört! hört)h. Herr von Graefe, Sie haben so oft nach der illegalen Diktatur gerufen, daß Sie nicht berechtigt sind, hört! hört! zu rufen, wo von legaler Diktatur die Rede ist. Ich sage: Wir bitten Sie um die Zu⸗ stimmung zu dem Ermächtigungsgesetz angesichts der Not der Zeit und der drängenden Aufgaben, vor denen wir stehen. (Zuruf von den Kommunisten: Das alles beim Belagerungszustand!) Es liegt an den Herren, ob der Ausnahmezustand aufgehoben werden kam. Gegen wen ist denn der Ausnahmezustand verhängt worden? Gegen die subversiven Tendenzen, die sich gegen das Reich wenden, und diese subversiven Tendenzen vertreten Sie ebenso wie die Rechts⸗ radikalen in Küstrin (erneuter Lärm und dauernde Zwischenrufe von den Kommunisten). Es ist doch gang klar, daß

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zustand sich gegen diejenigen richtet, von denen man befürchtet, daß sie eine Gefahr für das Reich bilden. Daß die Rechtsradikalen eine Gefahr sind, habe ich durch meine Ausführung über Küstrin be⸗ wiesen. Daß auch Sie (zu den Kommunisten) in ganz unverantwort⸗ licher Weise vielfach gegen den Staat hetzen, werden Sie doch nicht in Abrede stellen (erneute lärmende Zurufe bei den Kommunisten). Unsere Lage in allen diesen Beziehungen kann hoffnungslos und ver⸗ zweifelt aussehen. Trotzdem werden wir nicht untergehen, wenn wir nicht an uns selbst verzweifeln. Wir müssen hin zum Staat und weg von den Parteien, weg von der Ich⸗Sucht. Das Reich ist das einzige, was uns geblieben ist in all' dem Zusammenbruch, den wir erlebt haben. Es jetzt zu erhalten ist die Pflicht, die wir zu erfüllen haben nicht nur gegenüber der Gegenwart, sondern auch gegenüber den Generationen, die nach uns kommen! (Lebhafter anhaltender Beifall bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte. Lärm und lebhafte Rufe: Pfuil auf der äußersten Linken. Erneuter Beifall und Händeklatschen bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte.)

Präsident Löbe teilt mit, daß im Aeltestenrat darüber keine Einigung erzielt sei, ob nach einer Pause von zwei oder drei Stunden während deren die Egx enen beraten können, die Aussprache noch heute stattfinden soll, oder ob das Haus sich dazu bis zum Montag vertagen will.

Abg. Bartz (Komm.) verlangt in längeren Ausführungen zur —8 tsordnung unter andauerndem großen Lärm, so ba er si Les verständlich machen kann, da sofort die Ausspache begonnen werde; denn vimüs⸗ unbedingt dem Volke Fů2 gesagt werden, was zu sagen sei. Die Parteien hätten ja an den Erklärungen des Reichskand ers mitgewirkt, brauchten also keine Vorbereitungen mehr. Aber man wolle hier die parlamentarischen Grundsäße mit Füͤßen treten, dem Volke sollten die wirklichen Zusammenhänge nicht verraten werden. Das sei ein der eigenen Schwäche und S. der

arteien. Die Regierung verlange ein Vertrauensvokum und wün sche, daß schon heute so etwas wie ein einheitlicher Guß heraus⸗ komme. Aber man wolle verhindern, daß die Opposition zum Worte komme. G

Abg. v. Graefe (dtsch.⸗völk.): Wenn eine Regierungserklärung etwas Neues gebracht hat, müssen 15 zunächst die Fraktionen darüber aussprechen; aber die viertägigen Geburtswehen dieses Kabinetts haben nichts anderes geschaffen, als die Galvanisierung der Leiche des alten Kabinetts. [Heiterkeit.) Wer aus der Rede des Reichskanzlers irgendeinen neuen schöpferischen Gedanken entnommen habe, daß er eine Fraktionsaussprache brauche, dem gratuliere er zur Einfalt seines Gemüts. Er beantrage die sofortige Anssprache

ür die sofortige Ausspvache stimmen nur die Kommunisten und Deutschvölkischen, das übrige Haus entscheidet sich für die Vertagung bis Montag. Zuvor wird aber noch in erster Be⸗ ratung ohne Erörterung der Gesetzentwurf über Vermögens⸗ strafen und Bußen an den Rechtsausschuß überwiesen.

Nächste Sitzung: Montag 12 Uhr: Anträge auf Aufhebung der Ausnahmeverordnungen; Ermächtigungsgesetz: Währungs⸗ bankgesetz und kleinere Vorlagen.

Schluß nach 4 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags beschäftigte sich vorgestern zunächst mit dem 4. Nachtragsetat für 1923. In der Begründung führte die Regierung laut Bericht des „Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger“ aus, daß die durch den Reichshaushalt für das Rechnungsjahr 1923 bisber bewilligten und angeforderten Betriebskredite von zusammen 10 845 Billionen Mark infolge der weiteren Markentwertung nicht mehr ausreichen, um die Spanne zwischen Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. Zur Vermeidung von Zahlungsschwierigkeiten sei die Erhöhung des Betriebskredits um weitere 500 000 Billionen Mark erforderlich. Des weiteren wurde ausgeführt, daß die Kosten für die durch das Gesetz zur Sicherung der Brotversorgung im Wirtschaftsjahr 1923/24 vorgesehene Reserve von 1 Million Tonnen Brotgetreide 84 Millionen Gulden betragen. Inzwischen habe sich der Kurs der Mark so verschlechtert, daß der weitere Kreditbedarf für die Be⸗ schaffung der Reserve sich auf rund 30 000 Billionen Mark belaufe. Abg. D. Mumm (D. Nat.) verlangte, daß die Finanzierung der Religionsgesellschaften, insbesondere der Besoldungsaufwand für die Geiftlichen, möglichst bald aus dem Darlehnswege in ein festes Zu⸗ schußverhältnis umgewandelt werde. Abg. Dr. Quaatz (D. Vp.) fragte nach der Hüce des Schadens, den die Franzosen und Belgier während des Ruhreinbruchs bisher durch die Wegnahme von Geldern und Sachwerten verursacht hätten, und wer den Schaden zu tragen habe. Geheimrat Schmidt vom Wiederaufbauministerium erwiderte, daß die Schäden für erpreßte Reparationslieferungen sich schätzungsweise bis Ende September auf 800 Billionen Mark be⸗ liefen Es handle sich hier nicht um die Beschlagnahme von Geldern, sondern in erster Linie um die zwangsweise Abfuhr von Kohlen und deren Nebenprodukten, um die Ausplünderung großer Lager, beispiels⸗ weise der Holzlager im Hafen von Karlsruhe, der großen chemischen und Anilinfabriken ushw. Die Behandlung der Schäden liege der Friedensabrechnungsstelle ob, die dafür zu sorgen habe, daß eine

entsprechende Gutschrift auf das Reparationskonto stattfinden könne.

Abg. D. Schreiber (Zentr.) betonte, daß der Goldetat von Tah zu 88 dringlicher werde. Die Schäden des Ruhr⸗ einbruchs müßten von der Regierung in einer Denkschrift gekennzeichnet werden. Die Zahlungen an die Religionsgesellschaften müßten beschleunigt werden. Einzelne Länder wären säumig. Abg. Hoch (Soz.) hielt es für unberechtigt, daß nur für die Religions⸗ esellschaften beschleunigte Zahlungen verlangt würden. Auch andere sofkal kulturelle Belange seien in großer Not, z. B. viele Kranken⸗ anstalten, Vereine aller Art, Universitäten und Schulen. Abg. Dr. Pachnicke (Dem.) wünschte ebenfalls die Beschleunigung der Zahlungen für die kulturell⸗sozialen Belange und für die Religions⸗ gesellschaften auf Grund von Absatz 8 des § 60 des Finanzausgleichs⸗ esetzes sowie eine Veröffentlichung der Denkschrift über die Echäͤden des Ruhreinbruchs, worauf entsprechende Anträge des Abg. D. Schreiber (Zentr.) vom Haushaltsausschuß angenommen wurden. Von seiten des Reichsfinanzministeriums wurde betont daß die Frage des Goldetats dort bereits bearbeitet werde, so da mit der Vorlage eines Etats für 1924 auf wertbeständiger Grundlage gerechnet werden könne. Nach weiterer kurzer Diskussion wurde der 4. Nachtragsetat angenommen und der Ausschuß wandte sich der Beratung der Richtlinien für die Verwendung der Vorschüsse zur E11“ von Anstalten und Einrich⸗ tungen des Schul⸗ und Bildungswesens zu. Abg. D. Cchre iber (Zentr.) forderte als Berichterstatter ein schnellers Arbeiten des Reichsrats in dieser Angelegen⸗ beit und die Einführung des Begriffs der reichswichtigen Zwischen Reich und Ländern mässe ein Aus⸗ Staatssekretär Sch g vom Reiche

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ministerium des Innern berichtete über die Verhandlun en, die um Reichsrat bezüglich der Richtlinien stattgefunden 8 zu -. Kompromiß geführt haben. Danach kommen für die Zuschüsse in Frage: 1. auf dem Gebiet des Schulwesens einschl. des Fachschul⸗ wesens: Schulen, für deren Gattung öffentliche Schulanstalten ordnungsmäßig vorgesehen sind, ausnahmsweise auch sonstige Anstalten und Einrichtungen, an deren Erhaltung ein besonderes Interesse kultureller, pädagogischer oder weltanschaulicher Art besteht, 2. auf dem Gebiet von Wissenschaft und Kunst: Museen, Bibliotheken und Archive, die der Allgemeinheit zugänglich sind; Theater und Orchester, die der sozialen Kunstpflege dienen, Konservatorien und Kunstschulen, 3. auf dem Gebiete des Volksbildungswesens: Anstalten und Ein⸗ richtungen, die wesentliche Aufgaben der geistigen oder künstlerischen Volkskultur erfüllen. Auch die Vertreter Preußens und Bayerns berichteten über die Verhandlungen im Reichsrat. Der bayerische Vertreter betonte, daß die Entscheidung über die Ge⸗ währung der Zuschüsse den Ländern verbleiben müsse, da nach der Verfassung kulturelle Angelegenheiten Sache der Länder seien. Es dürfe nicht der Grundsatz herrschen: wer die Gelder gebe, habe auch

über die Gelder zu verfügen. Ein derartiger Grundsatz sei wohl vom

privatwirtschaftlichen Standpunkt zu verstehen, nicht aber vom staatspoli⸗ tischen, hier um so weniger, weil die Steuerhoheit der einzelnen Länder stark eingeschränkt sei, das Reich also aus den Ländern seine Gelder entnehme. Im Gegensatz zu dieser Auffassung beschloß der Aus⸗ schuß, daß zwar die Entscheidung, ob eine Anstalt oder Einrichtung nach diesen Richtlinien Reichszuschüsse erhalten könne, die zuständige Landesregierung treffen solle. Soweit es sich aber um Anstalten und Einrichtungen handele, deren Tätigkeitsgebiet sich über das ganze Reich erstrecke oder die die Aufgaben erfüllten, die für das Reich oder große Teile desselben von erheblicher Bedeutung seien, entscheide die Rei sregierung nach Fühlungnahme mit den Ländern. Ange⸗ nommen wurde auch ein Antrag des Abg. D. Mumm (D. Nat.), der bezüglich der Zuschüsse die Lehrdiakonissen den übrigen Ordens⸗ degehörigen gle tellt. Zum Schluß wurde eine Vorschußzahlung

en.

1““

Der Sozialpolitische Ausschuß des vorläufigen Reichswirtschaftsrats hat sich in seiner vorgestrigen Sicung mit dem am 31. Oktober d. J. bevorstehenden Ablauf der Demobil⸗ machungsverordnungen beschäftigt und ist nach Prüfung der derzeitigen Lage zu der Auffassung gelangt, daß eine Beseitigung, insbesondere der sozialpolitischen Verordnungen: 1. betreffend Erwerbslosenfürsorge vom 1. November 1921 nebst ÄAbänderungen, 2. betreffend Arbeitszeit “““ Arbeiter vom 23. November und 17. Dezember 1918,

. betreffend Arbeitszeit der Angestellten vom 18. März 1919, aus allgemeinen sozialpolitischen Gründen zurzeit untunlich erscheint. Hinsichtlich der unter Ziffer 2 und 3 genannten Ver⸗ ordnungen über die Arbeitszeit hält der Sozialpolitische Ausschuß eine Ergänzung dahin gehend für notwendig, daß neben den bestehenden behördlichen Notmaßnahmen auch tarifliche Vereinbarungen von Ueberstundenarbeit zulässig seien. Der Ausschuß ersuchte die Reichs⸗ regierung, die Gültigkeitsdauer der drei genannten Verordnungen bis zum 31. März 1924 zu verlängern. Eine Abstimmung über die Ver⸗ ordnung, betreffend Einstellung und Entlassung von Arbeitern und Angestellten, vom 12. Februar 1920 nebst Abänderungen, ergab, daß mit 17 gegen 12 Stimmen die Verlängerung dieser Verordnung vom Aus⸗ schuß abgelehnt wurde. Die Entscheidung über die Verordnung, betr.

Wahnnahme ebs ü Sti 2 die beiden Hauptansschäfte sa brüeche andr Silledlrbeln chom be Ne⸗ Ein vom Reichsarbeitsminister zur Begutachtung vorgelegter Entwurf einer Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Beschäftigung

Schwerbeschädigter wurde nach kurzer Aussprache dem Demobil⸗ machungsausschuß zur weiteren Beratung überwiesen.

Dem Re ichstag sind die Gesetzentwürfe über Ver⸗ mögensstrafen und Bußen, über die Verkündung von Rechtsordnungen und über die Förderung der Forst⸗ und Weidewirtschaft nebst Begründung zugegangen.

Gefundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Dem Reichsgesundheitsamt ist der Ausbruch und das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche bei Schweinen aus Holland vom Schlachtviehhof in Dresden am 5. Oktober 1923 gemeldet worden.

Handel und Gewerbe. Berlin, den 8. Oktober 1923. Telegraphische Auszahlung.

8. Oktober 5. Oktober Geld Geld

329175000 235410000

275310000 197505000

41895000 29725500

131670000 94164000 148627500 105735000

221445000 158602500 22543500 22656500 16059750 37506000 37694000 26733000

3790500000 3809500000 2723175000

835905000 840095000 598500000 49875000 50125000 3531 1500

149625000 150375000 107131500

112717500 113282500%/ ꝑ80797500 33316500 33483500 ꝑ23940000

413962500 416037500 289275000 80797500 81202500 57855000

11770 11830 8379 24738000 24862000 17755500

1 10025000 44612 8020000

Brief 198495000

29874500 94676000 106265000

159397500 16140250 26867000

2736825000

601500000 35488500

107668500 81202500 24060000

290725000

Brief 330825000 276690000

42105000 132330000 149372500 222555000

Amsterdam⸗ Rotterdam Buenos Aires (Papierpeso) Brüssel und Antwerpen. Christiania. Kopenhagen. Stockholm u. Gothenburg Helsingfors 8 Itälien. . .. London... New York.. EEö“ Lchweiz.. Spanien ... Lissab. Oporto Japan. Rio de Janeiro Wien (1 Kr.)

ugoslawien (Agram und Belgrad).. 4 Kr. =1 Din. Budapest... Sofia... Konstantinop.

17844500

7218000 32080

7182000

31920 5785500

9975000

44388 7980000