1923 / 234 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Oct 1923 18:00:01 GMT) scan diff

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eee . darauf hin, daß die

daß es mir unbedingt notwendig erschien, hier die Gründe, die die Regierung dazu veranlaßt haben, in voller Ausführlichkeit vor der gesamten Oeffentlichkeit nicht nur Deutschlands, sondern auch des Auslandes festzulegen. Sie sagen, ich wäre nicht auf den Hauptpunkt eingegangen, nämlich daß die Differenz auch beispielsweise in der Konferenz der Ministerpräsidenten und in der Verhandlung mit den Ruhrvertretern gewesen sei, ob man sofort den Bruch mit Frank⸗ reich hätte vollziehen sollen oder nicht. Darf ich zunächst über die erste Konferenz etwas sagen. Es ist richtig, daß dieser Gedanke von dem bayerischen Herrn Ministerpräsidenten in der Debatte gestreift worden ist. Ich habe ihm die Gegengründe entgegengehalten, die ich auch hier dargelegt habe. Dasjenige, was als Communiqué über die Konferenz der Ministerpräsidenten herausgegangen ist, ist nicht etwa von der Reichspressestelle verfaßt worden, sondern ist in der Konferenz der Ministerpräsidenten unter einmütiger Billigung aller erschienenen Herren Ministerpräsidenten formuliert (lebhafte Rufe links: Hört! hört!), von mir vorgelesen und genehmigt worden. (Erneute lebhafte Rufe links: Hört! hört!) Ich bedauere, daß etwaige Einwendungen, etwaige Separaterklärungen nicht damals im Anschluß an diese Fest⸗ stellung abgegeben worden sind. (Sehr richtig! bei den Koalitions⸗ parteien.) Ich möchte auch bemerken, daß der bayerische Herr Ministerpräsident den Aufruf der deutschen Reichsregierung in einigen Punkten falsch aufgefaßt haben muß; denn er sprach sich gegen die in dem Aufruf zum Ausdruck kommende sofortige Verhandlungsbereit⸗ schaft aus, während von einer sofortigen Verhandlungsberettschaft in dem Aufruf gar nicht gesprochen worden ist. Es ist eine Frage der Nuance, ob man den Rechtsbruch mit diesen rder jenen Worten zum Ausdruck bringen will. Daß er an der Spitze unseres Aufrufes stehen sollte, war von vornherein bestimmt. Von einer Seite wurde ein Bedenken dagegen erhoben; diese eine Seite blieb aber in der Kon⸗ ferenz der Ministerpräsidenten allein.

Was nun die Frage in ihrer praktischen Bedeutung betrifft, so gestatten Sie mir noch eines zu sagen. Bisher hatte sich Frankreich auf den Standpunkt gestellt, es verhandele mit Deutschland nicht, so⸗ lange der passive Widerstand aufrechterhalten würde. Herr Graf Westarp hat ja selbst loyal anerkannt, daß ich mich den verschiedensten Gruppen gegenüber sehr pessimistisch darüber geäußert hätte, ob auch nach Aufgabe des passiven Widerstandes eine Verhandlungsbereitschaft Frankreichs da sein würde. Aber jedenfalls müssen Sie sich doch folgendes vor Augen stellen: Es kann sein, daß der französische Ministerpräsident die Zeit lange hinausziehen will, bis zu der er überhaupt glaubt, an⸗ erkennen zu sollen, daß der passive Widerstand beendet sei. Es kann sein, daß Verhandlungen entweder nicht möglich sind oder daß bei Verhandlungen solche Bedingungen gestellt werden, daß man diese Be⸗ dingungen nicht mit der Unterschrift einer deutschen Regierung decken kann. Wenn Sie aber vor der Welt und wenn Sie vor den Alliier⸗ ten vor allen Dingen beispielsweise gegenüber England und seiner ganzen Einstellung, wie sie in der Rede von Lord Curzon zum Aus⸗ druck kommt die deutsche Sache verfechten wollen, dann müssen Sie auch den Zeitpunkt abwarten, bis die ganze Situation klar vor der Weltöffentlichkeit liegt. (Sehr richtig! bei der D. Vp.) Sie dürfen nicht vorher supponieren: es wird doch nichts helfen! und damit Ihrer⸗ seits heute eine diplomatische Aktion einleiten, die Lord Curzon über⸗ haupt nicht mehr in die Lage versetzt hätte, die Rede zu halten, die er in London in seinem Parlament gehalten hat. Wie wäre es ihm dann möglich gewesen, die ganze Frage des Zusammentritts einer interalliierten Konferenz, seinen Protest gegen die Ruhrbesetzung, gegen die Fixierung der Summe, seine ganze Anerkennung der Loya⸗ lität der deutschen Angebote zu erwähnen und den Wunsch nach einer Lösung dieser Probleme zum Ausdruck zu bringen, wenn Deutschland vorher seinerseits zum Ausdruck gebracht hätte, auf alle Lösungs⸗ möglichkeiten zu verzichten und den Versailler Vertrag als nicht vor⸗ handen anzusehen! (Erneute Zustimmung in der Mitte und links.)

Meine Damen und Herren, es wird vielfach das eine vergessen ich gebe zu, es ist das für die große Oeffentlichkeit schwer zu ver⸗ stehen, aber es ist doch so —: in gewissen Beziehungen ist der Vertrag von Versailles gegenüber der seither getriebenen Gewaltpolitik ein Schutz der deutschen Interessen, und es ist deshalb die Formel gar nicht so einfach, die man so oft hört, daß ein Losreißen von diesem Vertrage etwa sofort eine Besserung der deutschen Situation brächte, von allen Konsequenzen abgesehen. Welches ist denn die Differenz zwischen Baldwin und Poincaré? Doch die, daß London hier vor der ganzen Welt sagt und erneut feststellt: mit den Bestimmungen des Vertrages ist Euer Einbruch in Ruhr und Rhein nicht vereinbar! Und, meine Damen und Herren, so sehr schließlich die großen realen Prinzipien der Gewalt die Weltpolitik beherrschen, wenn Sie an die Zukunft denken, vengessen Sie nicht, was auch auf moralischem Ge⸗ biete ein solcher Protest, von alliierter Seite ausgesprochen, für die endgültige Lösung bedeutet. Wir haben im Kampfe mit den Waffen, in dem wahrlich Deutschland Heldenmütiges geleistet hat, schwer darunter leiden müssen, daß wir gegen eine öffentliche Meinung der Welt ankämpfen mußten, die zum Teil noch bis heute gegen uns eingestellt ist. (Sehr richtig!) Gestatten Sie uns deshalb, daß wir bei unserer Politik davauf Rücksicht nehmen und nicht glauben, mit der bequemen Art, zu sagen: der Vertrag sei zerrissen, die Dinge wenden zu können.

Ich gebe andererseits dem Grafen Westarp das eine zu: die

Verhältnisse können uns eines Tages vor die Frage führen und

oft genug haben wir vor dieser Frage gestanden —, ob wir noch unseren Namen unter einen Vertrag setzen können, der uns Unmögliches zu⸗ mutet für unsere Souveränität, für unsere Ehre, für den Bestand des Deutschen Reiches. Ich bin nicht der Meinung, daß man sich unter allen Umständen darauf einstellen soll, alle Forderungen erfüllen zu müssen. Davon kann gar keine Rede sein. Aber wenn Sie (zu den Deutschnationalen) in diese Situation kommen und ein vertragloser Zustand eintritt, wenn Sie in die Lage kommen, daß wir dieses Nein aussprechen müssen, dann schaffen Sie vorher mit uns die Vor⸗ aussetzungen, daß dieser Zeitpunkt ein geeinigtes deutsches Volk findet, das im Sinne der Volksgemeinschaft zusammensteht. (Lebhafter Beifall bei den Koalitionsparteien. Händeklatschen auch auf den Zuhörertribünen. Glocke des Präsidenten.)

räsident Löbe rügt nachträglich, daß der Abg. Graf Westarp at.) dem Abg. Breitscheid „verleumderische Vevallgemeine⸗ vungen“, und der Abg. Simon⸗Franken (Soz.) dem Abg. Grafen Westarp „Feigheit“ vorgeworfen hat. . Abg. Dr. Scholz (D. Vp.); Zunächst durch Unruhe des Hauses am Spvechen verhindert. Präsident Löbe weist 1 itzung noch nicht geschlossen 18 (Heiterkeit. Zuruf links: Es hat ja schon ein Deutschnationaler gesprochen.) Dieser Zuruf läßt es mir zur besonderen Pflicht werden, hier in aller Oeffentlichkeit folgendes zum Ausdruck zu bringen. Es hat sich in der letzten Woche in der Oeffentlichkeit der Vorwurf eines

—waffenloser Widerstand zum

11“

de n. 1 8 88 öäöö 81“ EEö1ö 5 1 Röu— Dolch⸗ oder Vorstoßes der Deutschen Volkspartei gebildet. (Zuruf des Abg. Kuhnt [Soz.].) Herr Kollege Kuhnt, ich glaube, in der Führung von Dolchen sind Sie mir etwas überlegen. (Heiterkeit.) Als in der vergangenen Woche, vor nunmehr etwa acht Tagen, der Reichskanzler die Parteiführer zusammenberief, um ihnen ein Bild der augenblicklichen Lage zu entwerfen, das alles andere eher als rosig genannt werden konnte, da habe ich in dieser ernsten Stunde einen Ruf zur Einigung an alle Parteien gerichtet. Das ist der „Vorstoß“ der Deutschen Volkspartei gewesen. Ein Ruf zur Einigung aller Parteien, der ungefähr ebenso begründet war wie die soeben gehörten Ausführungen des Reichskanzlers. Daß ein solcher Ruf in der höchsten Not des Vaterlandes angebvacht war, das zu bestreiten wird man wohl kaum in diesem Hause wagen. Das Ern htihmengagefet bedeutet die Verschiebung aus dem Parlament in die sierung. Auch aus diesem Grunde wäre

es an sich außerordentlich zweckhmäßig, daß die Regierung, der die

Ermächtigung erteilt wird, sich auf das ganze Parlament stützt und nicht irgend eine Partei ausschließt. Die Deutsche Volks⸗ artei hat diesen „Dolchstoß“ vor aller Welt wahrhaftig nicht zu sbeuen. Jedenfalls viel weniger als die Einigungsversuche einer rtei, die völlig negativ verlaufen sind. Die Sozialdemokraten wollten von einer Annäherung an die Deutschnationalen deswegen nichts wissen, weil ihnen die Nase des einen oder des anderen nicht gefiel, für eine devartige Nasenpolitik wird man im Volk sehr wenig übrig haben. Die Haltung der Deutschnationalen erinnert an denjenigen, der mit gagen zusieht, wie andere für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen (Sehr gut! b. d. D. Vp. und Heiterkeit), dann aber durch alle Gassen vennt und schreit, sie ätten zu wenig herausgeholt. (Heiterkeit.) Jedenfalls zeugt diese Se nicht von einem starken Gefühl der Verantwortung für die Staatsgeschäfte. Der Erfolg wird zeigen, wo die Männer der raktischen Politik sitzen. ist die Aufgabe des passiven iderstandes eine schwere Belastung der deutschen Volksseele. Monatelang ist der Ruhrkampf als letztes Mittel der Abwehr gegen Frankveich angesehen worden, und sehr schwer wird jetzt dem Bolbe klarzumachen sein, daß seine Einstellung nicht mit einer Kapitulation gleichbedeutend ist. Bittere Notwendigkeit hat das Volk und die Regierung zur Aufgabe gezwungen. Wir danken der Regierung für die Entschlossenheit, mit der sie einen umnhaltbaven Zustand vadikal beseitigt hat, daß sie nicht ihn allmählch in sich zusammenbrechen ließ, um das Odium von sich abzuwälzen. In unserer Einstellung zu Frankreichs Aspirationen wird durch die Einstellung des Kampfes nichts, aber auch gar nichts geändert. (Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei.) Das Volk ist heute entschlossen, wie es immer entschlossen war, keinerlei Bedingungen anzunehmen, die die Ehre und den Bestand der Nation antasten. Wir wollen nicht mit einer Säbelscheide rasseln, in der kein Säbel steckt, aber wir wollen doch auch betonen, daß ein Augenblick kommen kann, der ein ase g mit einer stolzen Geschichte zur Verzweiflung treibt. och ist dieser Moment nicht gekommen, dank der vorbildlichen Haltung der Bevölkerung an „Rhein und Ruhr, er kann kommen, wenn Frankreich auf seiner rücksichtslosen Politik beharrt, und die Folgen würden nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa entsetzliche sein. Daß die Wirkung des Abbruches des Ruhrkampfes schwerste Unruhen auch im unbesetzten Deutschland herbei führen mußte, darüber war sich jedermann klar; daß in Bayern und darauf im Reich der Ausnahmezustand erklärt wurde, war eine Folge dieser Wirkung. Durch die Verhängung dieser beiden Ausnahmezustände ergab sich allerdings eine Rechts⸗ lage, die nicht ganz leicht zu entscheiden ist. Die Hauptsache ist und bleibt, dafür zu sorgen, daß beide Maßnahmen sowohl in Bayern als im Reich durchgeführt werden, und wir sind mit der Regierung der Meinung, es wäre falsch, durch diktatoxrischen Machtspruch die Verhältnisse in Bayern klären zu wollen. Das Reich und Bayern müssen gemeinsam den Zustand der Ordnung herbeizuführen suchen, den sie für nötig halten. (Lachen bei den Kommunisten.) Was die innere Ordnung betrifft, so hat die Reichsregierung in der kurzen Zeit ihrer Tätigkeit schon gezeigt, daß es ihr damit ernst ist. Die Deutsche Volkspartei erwartet von der Regierung, daß sie ins⸗ besondere für die Wiederherstellung der Staatsautorität in achsen und Thüringen sorgt. (Große Unruhe und stürmischer Widerspruch links, Rufe: und Bayernn. Ich habe bisher nicht vernommen, daß die öffentliche Ruhe und Ordnung in Bayern gestört worden wäre, wohl aber in Sachsen und Thüringen. (Wiederholter stürmischer Wider⸗ spruch links und vielfache Rufe: Wo denn? Rufe rechts. Annaberg! hemnitz! Jena! Der Abg. Ledebour richtet an den Redner aus der Mitte des Saales eine längere Apostrophe). Je kleiner die Partei, desto größer der Lärm. (Stürmische Heiterkeit.) Das wirtschaftliche Moment ist bisher in der öffentlichen Diskussion etwas zu kurz gekommen. Hier handelt es sich gerade um eine absolute ebens⸗ frage des Volkes, speziell auf dem Währungsgebiet. Die Hoffnungen in dieser Beziehung sind untrennbar von der Hoffnung auf dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft. Keine Währung läßt sich wert⸗ beständig erhalten, wenn nicht das Minus der Produktionswirt⸗ schaft durch starke Mehrleistungen aus der Welt geschafft wird. Die englische Kohle kostet nur die Hälfte bis Zweidrittel der dentschen Kohle⸗ beinahe doppelt so viel englische Steinkohlen als deutsche sind in den letzten Monaten bei uns verfeuert worden. Das ist ein völlig unhaltbarer Zustand. Alle deutschen Fabrikate werden da⸗ durch erheblich verteuert. Die Folge ist Unfähigkeit Deutschlands zur Konkurrenz auf dem Weltmarkt und weitgreifende Arbeitslosig⸗ keit. Die deutsche Wirtschaft muß von ihren Fesseln befreit werden, die Demobilmachungsverordnungen müssen aufgehoben werden, ebenso wie die Außenhandelskontrolle. Die Arbeitsintensität muß gehoben werden, die Leistung ist bis auf Zweidrittel der Friedens⸗ leistung zurückgegangen. Abbau der Kohlensteuer ist notwendig, ebenso Abbau des Beamtenapparates, am einfachsten durch Schließung aller Anwärterlisten. Wir müssen auch hier alles ab⸗ hängig machen von einem stabilen Währungssystem. Eine der not⸗ wendigsten Maßnahmen ist jetzt bei Beginn des Winters, die Er⸗ nährung der großen Städte sicherzustellen. Wenn für diese Aufgabe ein Mann gefunden wird, der das Vertrauen der Landwirtschaft besitzt, so wird das nur im Interesse der Konsumenten liegen. (Zustimmung rechts.) In dieser Not des Vaterlandes müssen wir die wirtschaftliche Vernunft sprechen lassen, nicht Dogmen. Wir müssen unser Volk zurückführen zur Arbeit, zur Ordnung und zur Sparsamkeit. Dann können wenigstens unsere Enkel vielleicht ein⸗ mal wieder sagen: Wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein! Geifall bei der Deutschen Volkspartei.) 3 Abg. Koch⸗Weser (Dem.) begrüßt die Wiederkehr der großen Koalition. Er weist den Abgeordneten Grafen Westarp darauf hin, daß zahlreiche Kategorien von Arbeitnehmern und anderen, z. B. auch die Vertriebenen, nur in Papiermark zahlen können, daß man also die Papiergeldzahlung nicht zurückweisen dürfe. Auch

die Landwirtschaft müsse ja ihre Steuern in Papier zahlen. Der

Redner fährt fort: Es ist bedauerlich, daß der Reichskanzler in so schwerer Zeit seinen außenpolitischen Aufgaben durch inner⸗ politische Schwierigkeiten entzogen wird. Die Krisis ist die Folge davon, daß wir den Parlamentarismus noch nicht richtig hand⸗ haben können. Parteiführer können leider nicht gegen ihre Partei handeln, sie sind nicht so frei wie die Regierungsmitglieder. Des⸗ halb darf man die Entscheidung nicht wieder wie diesmal in Parteikonventikel legen. Wir hoffen, daß der Reichskanzler in der Führung der auswärtigen Politik die notwendige Zivilcourage aufbringen wird. Ein Reichskanzler darf nicht Rücksicht darauf nehmen: „Wie sag ichs nachher meinen Wählern?“ Der Bevölke⸗ rung in den besetzten Gebieten gebührt unser heißer Dank, daß 8 die Leiden so lange auf sich genommen haben. Der passive

iderstand konnte nicht mehr aufrechterhalten werden. Es hat aber auch keinen Zweck mehr, sich wegen des Beginns des Wider⸗

1 fegeh. nachträglich Selbstvorwürfe zu machen. Wir haben ge⸗

ehen, daß ein waffenloses Volk keinen Freund findet, und daß Scheitern verurteilt ist gegenüber Generalen. Wir mußten die Waffe des passiven Widerstandes aus der Hand legen, weil sie unbrauchbar geworden war. Frankreich will die Separation, nicht die Reparation. Demgegenüber dürfen wir nicht abweichen von unserem festen Standpunkt: kein Opfer an Land und Einwohnern. Eine erfolgreiche Außenpolitik können wir aber nur auf dem Grunde einer geordneten Wirtschaft im

Innern führen. Die Zustände

1

in Sachsen und Thüringen bereiten uns schwere Sorgen. Dort ist der Unternehmer seines Lebenz nicht sicher. (Zuruf links: Unsinn!) In Bayern sollte man in erster Linie die Autorität des Reiches zu wahren suchen. Die Träger der jetzigen Reichsregierung kann man doch nicht für den Zusammenbruch von 1918 verantwortlich machen. Die Sozial⸗ demokratie kann man wohl als nichts anderes als eine einseitige, vielleicht übertriebene Vertretung der Arbeiterklasse bezeichnen. Der Redner kritisiert die Zeitungsverbote der bayerischen Re⸗ gierung, die sich gegen die Demokraten richteten. kenne heute nur drei Tugenden in Deutschland: Arbeiten, Steuern zahlen, einfach leben! Die Versuche, den Staats⸗ haushalt und die Wirtschaft in Ordnung zu bringen, können nicht allein in der Neuordnung der Währung bestehen. Der Gedanke unserer Fraktion, die Goldanleihe so auszubauen und zu fundamentieren, daß das einzelne Stück zugleich als Zahlungs⸗ mittel dienen kann, halten wir auch heute noch für den besten Weg. Der Redner tritt für völlige Durchführung der freien Wirt⸗ schaft ein, stimmt jedoch einer Bekämpfung der Auswüchse der Kartellwirtschaft zu. Die Kohlenpreispolitik sei unhaltbar. Unter der sinkenden Valuta hat sich unsere Wirtschaft an einen ungeheuren Leerlauf gewöhnt, ist ganz abgekommen von der früheren Sparsam⸗ keit. Die Frage des E“ ist für uns keine Frage der Arbeiterversorgung, sondern der Gesundung unserer Wirtschaft, Nicht durch Kurzstunden kann man die Arbeitslosigkeit bekämpfen, sondern durch vermehrte und verbilligte Erzeugung, namentlich in der Urproduktion. Ein Unternehmen wie die Berliner Straßen⸗ bahn könnte durch Verbilligung der Urprodukte wieder rentabel gestaltet werden. Die kinderreichen Arbeiter müssen besser bezahlt werden als die jugendlichen und die ungelernten Arbeiter. Der Redner hebt für die Steuerpolitik den von den Demokraten immer vertretenen Gedanken der Schaffung einer Festmark hervor, fordert Abbau des Beamtenapparats bei den Finanzämtern und Schaffung einer neuen Grundlage für das finanzielle Verhältnis zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. Die Beamten darf man nicht zu Sündenböcken der unzulänglichen Steuerverhältnisse machen. Eine Verringerung der Ministerien würde zur Vereinfachung und Be⸗ schleunigung der Entscheidungen beitragen. Wir wünschen auch eine Vereinfachung der Gesetzgebung. An der Fülle der Gesetze ist aber weniger die Regierung als die Parlamente schuld, die immet über die Menge der Gesetze schimpfen. Die Parlamente selbst ver⸗ langen immer neue Gesetze. Den Grundgedanken des Ermächti⸗ gungsgesetzes müssen wir anerkennen, wenn auch Einzelheiten streitig sein mögen. Bei der Ausführung der Gesetze wünschen wir eine Einschränkung des Bürokratismus. Die Minister selbst müssen entscheiden. Wir befürchten keine Katastrophe für unsern Stact, aber unser Volk ist durch die neun Jahre Kriegszustand mürbe geworden und wünscht Ruhe in bescheidenen, wenn auch ärmlichen, 6 doch sicheren und ruhigen Verhältnissen. Wir haben das Ver⸗ trauen zu dieser Regierung, daß sie uns einen Schritt vorwärtz zu bringen sich bemühen wird. (Beifall bei den Demokraten.) Abg. Leicht (Bayer. Vp.): Es liegt eine Tragik, aber auch schwere Verantworkung darin, daß wir den Zusammenbruch von 1918 nochmals erleben. Das Volk ist betrogen worden durch den Schand, vertrag von Versailles. Die furchtbare Bedrückung wird noch fort⸗ gesetzt. Der Reichskanzler hat die zwangsläufige Aufgabe des passiven Widerstandes richtig, wenn auch nicht vollständig, begründet. Wir . die tieferen Ursachen in dem rüchsichts ofeg Egoismus und der Abkehr unseres Volkes von den christlichen Grundsätzen. Dieser Gefahr muß begegnet werden, auch durch den Ausnahmezustand sowohl eitens des Reiches wie eines Landes. Jedes Land elbst dar⸗ über entscheiden. Wir lehnen deshalb die Anträge auf Aufhebung des SAlagerangezustandes sowohl für Bayern wie das Reich ah. Beide Ausnahmezustände können nebeneinander bestehen. Alle Kreie des Volkes müssen in gerechter Weise für das Reich beisteuern, de 1“ mns gesteigert werden. Nach der Krise der vorige oche 8 der Einfluß unverantwortlicher Kreise zu befürchten. Wir können deshalb nicht für das Ermächti⸗ vögtezsch stimmen. Die Verständigung mit unseren Gegnern dar die Grenzen nicht über⸗ schreiten, die der Reichskanzler gezogen hat, daß wir den Kampf um die Menschenrechte nicht außgeben können, daß unser der Boden, unsa das Land ist. Wir in Bayern die geschlossene Einigkeit des deutschen Volkes in dem nationalen Gedanken, wir fordern die Wahr⸗

haftigkeit und zähe Entschlossenheit, alles zu tun zur Rettung unserch

Vaterlandes. (Beifall.)

Von den Sozialdemokraten, der Deutschen Volkspartei, den Demokraten und dem Zentrum ist folgender gemeinsame Antrag eingegangen: Der Reichstag billigt die Erklärungen dar Reichsregierung und spricht ihr das Vertrauen aus. 1

Abg. Remmele (Komm.): Der Reichskanzler hat den Kon⸗ munisten das Recht mitzureden bestritten. Er kann wohl den Reichstag befehlen, das Maul zu halten, aber die Kommunisten kam er nicht mundtot machen. Er hat das guch selbst zugestanden, dem von uns hängt es nach seiner Erklärung ab, wie lange Sn 8v bestehen bleibt. Jetzt soll also auch in Deutsch⸗ an

arlamentarismus durch die Diktatur abgelöst werden. Den

Reichstag wird das Ermächtigun sgesetz. vorgelegt, und an dieser n” Schnur hängt sich der deutsche Reichstag auf. Die preußische onterrevolutionären Generale ergreifen von der politischen Mact Besitz. Um dem arbeitenden Volk neue Lasten aufzubürden, hat muf den Belagerungszustand verhängt, mit dem man den Achtstundenttt einfach aufheben kann. Die Küstriner Vorgänge hat man den Kon⸗ munisten an die Rockschöße hängen wollen. Wer selbst solche Lügen⸗ nachrichten verbreitet, auf dessen Verbote pfeifen wir Kommunisten Cuno und Stresemann Deutschland Verbündet zu schaffen; sie hätten sich tützen hen de Finsig⸗ Nation ge Redner verliest zum Schluß

haben es versäumt, auf Sowjetrußlaned

einen langen Aufruf seiner Paruh

Darin erklärt scch die Kommunistische Partei bereit, zusammen mit

der werktätigen Bevölkerung die Macht zu übernehmen. Abg. Müller⸗Franken (Soz.) bringt zur hgce en c sofdeer Antrag ein: „Der Reichstag billigt die Rechtsauffassumg Reichsregierung über die bayerische Ausnahmeverordnung und erwartet, daß die Reichsregierung baldigst eine Klärung herbeiführt. Abg. von Graefe (deutsch⸗völkisch) hebt hervor, daß seim Freeschhe stets die Notwendigkeit eines starken nationalen Willens beim Ruhrkampfe betont hätten. Bei, den Sabotageaktm sei dieser 8 Ausdruck gekommen. Die ganze Schuld, de den Reichskanzler und seine Vorgänger trifft, finden mi einen wirklichen Lziderstand ven vornherein nicht organisiert hat. Auch fehlte es an Aufklärung ület die Schuldlüge. Tatsächlich hat man nur die Geldfrage, und zwa⸗ recht unglücklich betrieben. Die Ruhrwiderstandsgewinnler sind mn eenau so widerlich wie die Kriegsgewinnler. Ist es richtig, d er Severing durch den TEö Freund den Befehl na den sührung deutscher GFsess zu uncg- en sei? We

roß die Verwirrung bei der

in der Tatsache, daß man

Kuhrevier senden ließ, die Dure eu. lassen, wenn dies von der Rheinlandkommission befoh bleibt da der Staatsgerichtshof? Wie die Demokratie ist, zeigt die Tatsache, daß der jüdische Demokrat. Hale nach den Bajonetten der Reichswehr rufe. Es schreie zum Himmah wenn die sterbende Demokratie noch in dieser Weise wie ein sterbende Pferd um sich Plage Ein alter Veteran wie der 71jährige Füi ist aber wegen Beleidigung des Ministers Rathenau noch nachträgteh vom Staatsgerichtshof zu Gefängnis verurteilt worden. Der jüdis Gefängnisdirektor Jacobi in Leipzig sagt, daß die bachs, also seines politischen Gegners, juriftisch ein Reichskanzler bedauert, daß die Köpfe der 2 sich; Mitarbeit vFür Verfügung stellen. Das Reichsschatzministerium. 5 einen Abschluß mit dem Oberschieber Wojak getätigt. (Ruf lin Ist der Juden?) Der Verteldiger Wojaks, Herr Abg. Rosenfeld, kam ber darüber Aufschluß geben. Herr Wojak hat in großem Umfang

aandal sei.

eeresgut verschoben, das unterschlagen ist. Dieses unterschlagen

beresgut ist dann dem Pers⸗ Wojak vom der sozialdemokratischer Parteigenosse ist (Lachen links), zur Ve tung durch einen eees übergeben worden, wonach er den Ert⸗ nach Abzug eines Anteils für den standesgemäßen Lebensunter 2 seiner Familie am 1. Oktober, also in längst entwertetem Geldesas das Reich abzufuͤhren hat. Da kann von einem Vertrauen des Vo

Neinen Rest von demokratischem Gewissen

Thabe nur einem Satze seiner Rede eine Berichtigung zu geben.

Köln stattfand, in

Halten, diese hochverräterische Kundgebung in

die sich gegen die Ruhrbesetzung gewendet hat. Dat

Eetbaltung N9 edeckt wird von

D irtschaft sich nicht ee

1 inister Albect eeichsschatzminister b.

ur Regierung nicht b für tte Regierung sein. Wenn die nationale Erhebung unseres Volkes kommt, an die ich glaube so werde ich nicht sügenn an der Spitze zu stehen; das wird die Aus⸗ einandersetzung zwischen denen sein, die noch an eine nationa'e Zukunft unseres Volkes glauben, und den Interationalen.. Die Tragödie in Küstrin war bedauerlich; ich fühle mich als alter Soldat mit der Reichswehr verbunden und bedaure es, daß der Wehrminister nicht die Fühlung mit den Kreisen aufrechtzuerhalten versteht, aus denen der Ersatz für die Reichswehr kommen muß. Roßbach ist 8 Unrecht geschehen. Trotz der großen Koalikion be teht eine iefe Kluft zwischen dem Volke und Füger Koalitionsregierung. Der Reichstag vertritt nicht mehr den Willen des Volkes; es muß jetzt durch die Auflösung an das Volk appelliert Wenn Sie noch 1 1 b ven, müssen Si ü sein. Dann wird auch der Besitz den letzten Gee müssen. Hie Erfür fern. Wir wollen keinen Freiheitskrieg gegen Frankreich, aber einen andern Widerstand als den passiven, einen aktiveren von Kraft getragenen Widerstand des ganzen deutschen Volkes.

Reichsminister des Innern Sollmann: Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Abgeordneten v. Graefe gibt mir keinen Anlaß, ihm zu erwidern. (Heiterkeit rechts.) Ich

Er hat wieder behauptet, der Stellvertreter des

Herrn preußischen Ministers des Innern habe am 20. Juni preußisch

d. J. eine Anordnung

in das Rheinland gegeben, die wohl sinngemäß die preußischen

Beamten unter die Botmäßigkeit der Rheinlandkommissi habe. Der preußische Minister des Innern hat 8 daß diese Behauptung aus einer sehr trüben Quelle stammt aus dem „Deutschen Tageblatt“ (große Heiterkeit links), und daß an dieser Behauptung kein wahres Wort ist. (Hört! Hört! links. Zuruf des Abg. v. Graefe⸗Mecklenburg.) Ich habe aber die Aufmerksamkeit des Hauses für einige kurze Bemerkungen zu erbitten, die ich auf die gestrige Rede (Zuruf rechts) g meine Herren zu den Deutschnationalen), ich möchte gerade Sie als rheinische Abgeordnete bitten, bei dem, was ich zu fagen habe, doch die nötige Ruhe und Würde zu bewahren. (Unruhe rechts.) In der gestrigen Rede des Herrn französischen Ministerpräsidenten (Buruf rechts) Herr Dr. Helfferich, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre voreiligen Zwischenrufe unterlassen würden. (Unruhe rechts.) Die gestrige Rede des Herrn französischen Ministerpräsidenten beschäftigte sich Zuruf rechts) ich lehne es ab, Herr Abgeordneter Dr. Helfferich von Ihnen Erziehung über parlamentarischen Ton entgegenzu⸗ ehmen. (Heiterkeit und Sehr gut! links. Unruhe und Zurufe echts.) Meine Damen und Herren! Ich habe auch als Mitglied der Reichsregierung das Recht, mich gegen verletzende Zwischenrufe von der Rechten zu wehren. (Sehr wahrl links. Zurufe rechts Glocke des Präsidenten.) g

, Der französische Ministerpräsident hat sich in einer seiner estrigen Reden mit den blutigen Vorgängen beschäftigt, die wir um Sonntag vor acht Tagen in Düsseldorf haben erleben müssen in diesem Tage sah das Rheinland zwei große Demonstrationen, eine Kundgebung, 8 im Angesicht des Doms am Rheinufer in

1 r Hunderttausende friedlich ohne wis hre Liebe zu dem preußischen und deutschen G“ In Düsseldorf waren zur selben Stunde 10 000 durch französische Freifahrt aus allen Teilen des besetzten Gebiets zusammengekehrte Scharen zweifelhafter Gestalten versammelt, um eine Kundgebung ür die rheinische Republik zu veranstalten. (Erregte Pfuirufe.) Bei dieser Kundgebung hat es Tote und Verwundete gegeben Der französische Ministerpräsident hat es nun für zweckmäßig ge⸗

- Schu : ind die deutschen Polizeibeamten eines ines Blutbades zu beschuldigen. (Wiederholte Pfuirufe:) Namens her deutschen Reichsregierung lege ich gegen diesen Angriff auf ie deutsche Beamtenschaft Verwahrung ein. (Bravo!) Der franzö⸗ sche Ministerpräsident hat zweifellos auf Grund irriger Berichte na! nal! rechts) die Dinge so dargestellt, als habe eine unschuldige inbewaffnete Menge einer Polizeimacht gegenübergestanden und

i von Polizeibeamten roh überfallen worden. Diese Darstellung t nach den einhelligen deutschen Berichten grundfalsch. Daß sie alsch ist, geht schon daraus hervor, daß neben 7 Toten und 7s Verwundeten der Kundgeber auch drei deutsche Polizeibeamte getötet und 6 verwundet worden sind unter den Schüssen und hieben bewaffneter Stoßtrupps der Sonderbündler. (Hört! Hört!)

Der französische Winisterpräsident hat davon gesprochen, die Manifestanten hätten Forderungen erhoben, die uns in Berlin icht gefielen. Auch das ist ganz irrig ausgedrückt. Die Mani⸗ estanten verlangten auf deutschem Boden die Loslösung deutschen ndes aus dem preußischen Staatsverbande, aus dem Deutschen Keiche. Damit begingen sie eine Tat, die sie von Rechts wegen sinter Schloß und Riegel zu büßen haben. (Stürmische Zu⸗ timmung.) Wenn wir gegen diese Hochverräter nicht so ein⸗ chreiten können, wie es Recht und politische Macht erheischten, o deswegen, weil die französischen und belgischen Behörden seit

Jahren die Hochverräter auf deutschem Boden schützen. (Hört, ört! und Pfuirufe.) Auch in Düsseldorf war, wiederum nach en einmütigen Berichten, die Kundgebung nur möglich, weil die ranzösischen Besatzungsbehörden die Separatisten in ihrem „unver⸗ ußerlichen Menschenrecht“, hochverräterische Handlungen einzu⸗ iten, kräftig unterstützten. Die Bevölkerung der Stadt Düsseldorf at sich an diesem Tage mustergültig benommen. Sie hat ent⸗ prechend den Beschlüssen ihrer Organisationen sich auf Stunden ollkommen von der Straße ferngehalten und die Stadt Düsseldorf undenweise in ein äußerlich totes Gemeinwesen verwandelt. Nur ommunistische Trupps demonstrierten gegen die Separatisten, und bir wollen anerkennen, daß auch diese Kommunisten sich für das utsche Vaterland erhoben haben. (Bravoruf von der Deutschen Solkspartei.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf Einzelheiten des ages nicht eingehen; aber ich halte mich gegenüber der irrigen Darstellung des französischen Herrn Ministerpräsidenten für ver⸗ lichtet und berechtigt, einen amtlichen Bericht zu verlesen, der

. zahlreichen eidlichen Aussagen deutscher Staats⸗ ürger. Dieser Bericht lautet:

Zunächst trafen bewaffnete Stoßtruppen, meist zweifelhafte 1 Elemente aus dem Ruhrgebiet, auf dem Düsseldorfer Bahnhof ein und wurden von dem Weinhändler Oehmen aus Koblenz auf die Fahne

die grün⸗weiß⸗rote Fahne der rheinischen Republik vereidigt. In einer Stärke von etwa 2000 Mann zogen diese bewaffneten Haufen in geschlossener Formation zunächst nach dem

iktatur rr ner vtn. Ret⸗

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halten wurde, und kehrten dann, nachdem unterwegs mehrfach Filmaufnahmen gemacht waren, zum Bahnhof zurück, um die dort inzwischen eingetroffene Hauptmasse der Sonderbündler ab⸗ zuholen. Der eigentliche Demonstrationszug umfaßte etwa 10 000 Personen und bewegte sich vom Hauptbahnhof nach dem Hindenburg⸗Wall zu. Auf dem Marsche dorthin wurden bereits in der Königsallee einige Beamten der blauen Polizei ohne weiteres von den Stoßtrupps überfallen und entwaffnet. Am Hindenburg⸗Wall stießen die Demonstranten mit einigen Trupps von Kommunisten zusammen, und es kam zu Reibereien zwischen den beiden Parteien. Als einige Beamten der blauen Polizei pflichtgemäß eingriffen, um die bedrohte öffentliche Ordnung herzustellen, richtete sich sofort der Angriff der Sonderbündler gegen sie. Einer der Beamten wurde durch einen Schuß schwer verletzt und andere erheblich mißhandelt und entwaffnet. Einige der Polizeibeamten mußten sich vor der nachdrängenden Menge nach der Polize iwache in der Mühlenstraße zurückziehen, wo ein Schutzpolizeikommando von etwa sechzig Mann untergebracht war. Als hier die Ausschreitungen der Menge sowie der Umstand bekannt wurde, daß noch mehrere Beamte der blauen Polizei von der Menge eingeschlossen seien und bedrängt würden, griff nun⸗ mehr die Schutzpolizei pflichtgemäß ein. Die Beamten wurden sofort mit Schüssen aus der Menge empfangen chört, hörth) und erst nachdem ein Schutzpolizeibeamter, dur 58 G ee machten die u“ .“ i n der Schußwaffe Ge⸗ d chußwaffe Gebrauch und säuberten die Straße. Die Massen wandten sich eiligst zur Flucht; mehrere Tote und eine Reihe von Verwundeten blieben auf dem Platze und wurden in das Polizeipräsidium übergeführt. Als die Säube⸗ rungsaktion nahezu durchgeführt war und die Schutzpolizei im Begriff stand, sich zur Wache zurückzuziehen, griffen plötzlich französische Militärpolizei, Kavallerie und Panzerautos ein. (Hört, hört! und Pfuirufe rechts und in der Mitte.) Im Laufe der Aktion wurden die Polizeibeamten umzingelt und entwaffnet und von den Franzosen in Haft genommen. Von den inzwischen herbeigeströmten Sonderbündlern wurden sodann mehrere der wehrlosen Beamten unter den Augen der franzö⸗ sischen Soldaten auf das schwerste mißhandelt. 1 (Hört, hört! und Zurufe rechts.) Im weiteren Verlauf wurden auch die übrigen Wachen der grünen Polizei von den Franzosen besetzt, die Beamten entwaffnet und interniert. Durch französische Anordnung ist sodann die gesamte Schutzpolizei für aufgelöst erklärt worden.

An Toten sind festgestellt worden: ein Beamter der blauen E1“ und sieben Sonderbündler. un wurden vier blaue und i grü izeib sowie 68 Zivilpersonen. 1“

Dies ist der amtliche Bericht, den ich in seinen verschiedenen Partien nachzuprüfen Gelegenheit hatte. Ich füge hinzu, daß von allen Parteien ohne Ausnahme, einschließlich der Deutschnationalen und der Kommunisten in Düsseldorf, das Vorgehen der Sonder⸗ bündler und Franzosen aufs schärvfste verurteilt worden ist. (Bravo!) Nach allen Berichten aus den Rheinlanden lehnt es die Bevölke⸗ rung ich füge hinzu: mit Recht ab, sich dem Tevpror der Sonderbündler weiterhin zu fügen. Die Reichsregierung dankt der Bevölkerung und der Polizei Düsseldorfs ausdrücklich für ihre 88 und weist die Angriffe des französischen Minister⸗

rräsidenten als irrig und verletzend mit a i ü tze ller Entschiedenheit zurück.

Reichswehrminister Dr. Geßler: Meine Damen und Herren! Der Herr Abg. von Graefe hat in seinen Ausführungen auch mit einigen Worten der Vorgänge in Küstrin gedacht und hat sie eine Tragödie genannt. Der Ausdruck „Tragödie“ wird nicht richtig sein. Die Sache ist mehr eine Komödie. Eine Tragödie ist sie nur insofern, als von unverantwortlichen Leuten der nationale Sinn deutscher Jugend schmählich mißbraucht worden ist (Sehr wahr!) und eine Tragödie insofern, als bei dieser Gelegenheit auch wieder ein blühendes Menschenleben zu Tode gekommen ist.

Der Herr Abg. von Graefe hat seine Ausführungen mit mystischen Andeutungen umgeben, als ob an diesen Dingen uns die Schuld treffe, da wir nicht die richtige Fühlung mit dem Volk hielten. Ich glaube, dieser Vorwurf ist unbegründet. Ich habe stets und bei jeder Gelegenheit die Auffassung vertreten: es kann nur eine Macht in Deutschland geben: das ist die Macht des Gesetzes und die Macht der Regierung. Wer sich gegen diese Macht erhebt, ver⸗ sündigt sich an der Majestät des deutschen Volks, und die Macht, die mir anvertraut ist, wird da rücksichtslos zugreifen. (Bravo! in der Mitte und rechts.) Das ist in Küstrin geschehen. Dafür danke ich an dieser Stelle der braven Truppe. (Erneutes Bravo in der Mitte.) Herrn von Graefe möchte ich einen Rat geben: Treten Sie aus der Dunkelheit hervor, machen Sie Ihre Sachen offen. (Abg. von Graefe⸗Mecklenburg: Wo habe ich das nicht getan?2) Herr von Graefe, ich glaube, Sie sind im Irrtum. (Abg. von Graefe⸗ Mecklenburg: Nein, das bin ich nicht!) Dann wissen sie vieles von dem, was bei Ihnen vorgegangen ist, nicht. (Heiterkeit.) Herr von Graefe, Sie sind ein Parteiführer, den ich sehr ernst nehme und der mir schon viele Sorgen bereitet hat. (Abg. von Graefe⸗ Mecklenburg: Es werden noch mehr werden! Unruhe und Zurufe aus dem Hause.) Aber ich werde sie zu rächen wissen, das werden Sie erleben. (Abg. Ledebour: Packen Sie doch endlich aus!) Herr Kollege Ledebour, bei Ihnen nützt es ja doch nichts. denn Sie glauben mir ja nichts. Ihr Vertrauen will ich mir durch Indiskretionen nicht erwerben. Aber Herr von Graefe weiß schon, was ich meine, und wenn er es nicht weiß, so hat er Leute genug an der Hand, die ihn darüber informieren. (Abg. von Graefe⸗Mecklenburg: Das sind doch mystische Andeutungen!) Also einmal ein Privatissimum darüber! (Rufe links: Aber hier im Hause!) Ich meine nur, Sie haben es in der Hand. Tun Sie, was Sie zu tun haben, offen. Das hat dann das Auge des Gesetzes nicht zu scheuen. Dann aber, Herr von Graefe, brauchen Sie auch nicht den Versuch zu machen, sich hinter unseren Rockschößen zu decken. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Abg. von Graefe⸗Mecklen⸗ burg: Ich wollte mich hinter Ihren Rockschößen decken? Na, wir verstehen uns. (Stürmische Heiterkeit. Abg. von Graefe⸗Mecklenburs: Das ist ein Versuch, eine faule Situation zu retten!) Ich versuche keine faule Situation zu retten, sondern wenn Sie sich einmal genau darüber informieren

„Bergischen Löwen“ in der Königsallee, 8 5 E1“ 111“ 1““ bEEI“

wo eine Ansprache ge⸗! w

sich, wo gewisse Dresdener Quellen sind; die führen dann

(Abg. von Graefe⸗Mecklenburg: Dresdener dh.ne⸗E E Zurufe von den Komm.: Nun reden Sie doch einmal frei heraus und nicht immer nur in Andeutungen!) Ich erfülle den Wunsch des Herrn von Graefe, nur Geduld. (Erneuter Zuruf von den Komm.: Aber nicht den Wunsch des Hauses!) Herr Thomas, Sie sind das Haus Gott sei Dank nicht. (Abg. Thomas: Aber wir sind das Haus!) Es käme sehr darauf an, wie die Antwort ausfallen würde, 88.8 man an das Haus appellieren würde. Sie können wohl für sich sprechen; aber ich lehne es ab, Sie als das Haus zu betrachten. Die Dinge liegen aber doch so, daß Sie, Herr von Graefe behauptet haben, daß Sie gewisse militärische Vorbereitungen gewissermaßen im Auftrage der Regierung oder mit Billigung der Regierung getroffen haben, und daß Sie dafür den General von Seeckt und andere Herren als Zeugen benannt haben. (Lebhafte Rufe: Hört! Hört!) Der Vorwurf, der uns von Dresdener Stellen aus gemacht wird (Abg. von Graefe⸗Mecklenburg: Welche Dresdener Stellen denn 2) Herr von Graefe, dann tun Sie mir leid. (Zuruf links: Dann müssen Sie eben deutlicher werden, Herr Minister!) Das Hauptmaterial, das der sächsische Herr Ministerpräsident gegen mich im Besitz zu haben behauptet, sind Ihre Behauptungen im Roßbachprozeß. (Abg. von Graefe [Mecklenburg]: Was Zeigner ge⸗ sagt hat, nehmen Sie für echt?) Herr Dr. Zeigner hält das für echt, was Sie gesagt haben, nicht ich. Sie sind sein Gewährsmann, Sie sind die Quelle, auf die er sich beruft. So liegt die Sache.

Gegen diese Art und Weise muß ich mich auf das entschiedenste wehren, und damit volle Klarheit geschaffen wird, will ich Ihnen nun an dieser Stelle die Mitteilung machen, daß ich, um all den Trei⸗ bereien entgegenzutreten, den General von Seeckt für den ganzen Roßbachprozeß unbedingt vom Amtsgeheimnis entbunden habe. (Hört! Hört!) Damit ist Ihr Wunsch erfüllt. (Abg. von Graefe [Mecklenburg]: Wir wollen abwarten, wie der Prozeß verläuft!) Herr General von Seeckt hat sehr gut gewußt, Herr von Graefe, warum er Ihre verschiedenen Wünsche, mit ihm persönlich in Ver⸗ bindung zu treten, nicht erfüllt hat. (Hört! hört! links.) Es ist ihm bekannt, daß von verschiedenen Gruppen, die da drüben (nach links zeigend) stehen, der Versuch gemacht wird, uns für ihre Zwecke ein⸗ zuspannen, und das lehnen wir unter allen Umständen ab. (Abg. von Graefe [Mecklenburg]: Das hat gar nichts damit zu tun!) Ich weiß nicht, ob das nichts damit zu tun hat. Sie haben es ja in Ihrem Prozeß behauptet. (Widerspruch des Abg. von Graefe [Mecklenburgl.) Gerade die Erfahrungen, die dieser Prozeß gezeitigt hat, zeigen, daß in dieser Beziehung die allergrößte Vorsicht am Platze ist.

Ich darf die Gelegenheit benutzen, Erklärung abzugeben. (Abg. Höllein: Erklären Sie einmal woher Ihre Schwindelmeldung über die „Nationalkommu⸗ nisten“ kam! Große Heiterkeit. Glocke des Präsidenten.) Sie sind ein ahnungsvoller Engel, Herr Kollege Höllein. Das Wort „Nationalkommunisten“ stammt nicht von mir, sondern ist einer Meldung aus Küstrin entnommen, die dadurch hervorgerufen worden ist, daß unter den Leuten in Küstrin sich auch sehr viele Arbeiter befunden haben und daß Sie, Herr Höllein, und die Herren der äußersten Rechten sich gelegentlich in Ihren Organen die Bundes⸗ genossenschaft anbieten. (Abg. Höllein: Hören Sie auf mit diesen faulen Witz! Große Heiterkeit.) Ich weiß nicht, ob der Artikel des Grafen Reventlow in der „Roten Fahne“ ein fauler Witz gewesen ist. Wenn Sie sich gegenseitig so einschätzen, ist das Ihre Sache. (Sehr gut! und Heiterkeit bei den Koalitionsparteien.) Kurz und gut, der Irrtum ist daraus entstanden, daß auch Ihre Leute, dabei gewesen sein konnten; aber ich gebe zu: das ist ein Irrtum ge⸗ wesen. Diese Berichterstattung aus Küstrin hat mir auch Ver⸗ anlassung gegeben, in aller Eile eine Zensurverordnung herauszugeben, und zwar deshalb, weil wir die Erfahrung gemacht haben, daß man versucht hat, durch Korrespondenzen Siegesbulletins in Deutschland zu verbreiten, bevor die Festung Küstrin gefallen war. (Hört, hört! links.) Die erste Nachricht über den Unfall in Küstrin habe ich dadurch bekommen, daß eine große Telegraphenagentur einen großen Siegesbericht verbreitet hat, der ungefähr dahin ging: die Festung Küftrin mit ihren sämtlichen Forts ist gefallen, und die Reichs⸗ wehr ist zu den Siegern übergegangen. (Große Heiterkreit.) Es ist klar, daß in solchen Stunden derartige Nachrichten sehr ge⸗ fährlich sein können und daß sie außerordentlich verwirrend wirken. müssen, wenn sie unwidersprochen durchs Land gehen können. Ich habe deshalb die Zensurverordnung erlassen, daß alle Nachrichten über die Küstriner Unruhen solange nicht publiziert werden dürfen, als sie nicht von uns amtlich geprüft worden sind. Nachdem nun die Küstriner Angelegenheit in Ordnung gebracht ist und durch das außer⸗ ordentliche Gericht auch die politischen Zusammenhänge wohl restlos geklärt worden sind, kann ich hier die Mitteilung machen, daß ich unmittelbar vor der Aufhebung dieser Verordnung stehe. (Beifall. Zurufe bei den Komm.) 8 Reichsjustizminister Dr. Radbruch: Nach den Ausführungen . des Herrn Kollegen Geßler brauche ich die Bezeichnung, die Herr Abg. von Graefe auf den Roßbachprozeß anzuwenden für gut gefunden hat, „Justizskandal“, nicht mehr zurückzuweisen. (Abg. von Graefe [Mecklenburg]: Herrn Dr. Jakobi habe ich zitiert!) Wenn wirklich ein Beamter der Gefangenenanstalt, in der Herr Roßbach in Unter⸗ suchungshaft sitzt, diese Aeußerung getan haben sollte, was ich be⸗ zweifle, dann würde das freilich ein Justizskandal sein, der seine disziplinäre Ahndung finden wird. Es gibt aber in dieser Sache noch einen anderen Justizskandal, Herr von Graefe, nämlich die Art und Weise, wie gewisse Leute die Justiz unter Druckmittel zu setzen ver⸗ sucht haben. (Hört, hört! links. Abg. von Graefe [Mecklenburgl: Wer hat denn das getan?)

Ledebour (b. k. Frn) sagt dem Kabinett Ste C verlangt die d. 5.se) 8 A1ö1“ lehnt das Ermächtigunsgesetz ab. 8

Na

um noch eine andere

findet nach zwölfstündi⸗ eer um 12 Uhr 10 Minuten nachts die große politische Aussprache ihr Ende.

Ein kommunistischer Antrag auf namentliche Abstimmung über das Vertrauensvotum wird nicht genügend unterstützt. In einfacher Abstimmung wird darauf das Vertrauens⸗ votum mit den Stimmen der Regierungs⸗ parteien angenommen. Dagegen stimmt mit den Deutschnationalen und Kommunisten auch die Bayerische Volkspartei. Der deutschnationale Antrag auf Aufhebung des Belagerungszustandes wird abgelehnt. Der kondmunistische Antrag auf Aufhebung des bayerischen Ausnahmezustandea

einem Schlußwort des Abg. Bartz Sesgrwe.

, dann fahren Sie einmal nach Dresden und erkundigen Sie

wird dem Rechtsausschuß überwiesen. Abgelehnt werden die