Dauer gesehen entscheiden auch bei ihnen die Ideen. lismus wäre in Deutschland nie so groß geworden, wenn das satu⸗ rierte Bürgertum der Friedenszeit seiner Idee eine andere große Idee als solche entgegengesetzt hätte. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.) Heute haben wir, aus der Not geboren, die eine große Idee, die alle erfaßt, die Idee der nationalen Selbstbehauptung. Sie nicht auszubilden als Kernstück und Paradestück einer einzelnen Partei, sondern sie wirken zu lassen in alle Parteien des deutschen Volkes hinein, ist die Aufgabe der Gegenwart. (Bravo!)
Ein zweites. Sie sprachen von Ihrer Stellung zur deutschen Jugend. Sie sprachen von dem Deutschland von morgen. Ich ver⸗ stehe vollkommen die Gedankengänge der deutschen Jugend. Ich habe an sie vor allem gedacht, als ich vorhin davon sprach, daß die nationalen Demütigungen die beste Wurzel wären für das, was wir erleben. Deshalb habe ich auch niemals so einstimmen können in das Verdammungsurteil über diejenigen, die hier Irrwege gehen, weil ich mir sage: ich verstehe dieses Ueberschäumen des Jugendlichen als solchen. Aber bei demjenigen, der für die Führung der Jugend verant⸗ wortlich ist, verstehe ich es nicht. Er hat die Pflicht, wenn er es auch versteht, daß der Becher überschäumt, schließlich dafür zu sorgen, daß der Staat nicht Schaden leidet. (Lebhafte Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte.) Derselbe General Hurt, den ich vorhin erwähnte, hat auch das eine gesagt: wer Führer unserer deutschen Jugend sein will, muß sie zur Zucht und Ordnung erziehen. Das geschieht nicht in schönen Phrasen, sondern durch das Beispiel. So war es die Tradition der alten Armee. (Sehr gut!) Mich dünkt, als wenn dieses Beispiel manchmal fehlte, als wenn man die Politik des Unmöglichen als möglich und die Staatsmänner, die nur das Mögliche können als diejenigen hinstellt, die feige und nicht national genug wären. (Lebhafte Zustimmung.)
Die Wiederaufrichtung Preußens ist nicht durch den Tugendbund und nicht durch Schill, sondern durch Stein und Hardenberg ge⸗ schehen, auch wenn die Erinnerungen an all die anderen immer bleiben wird. (Sehr wahr! in der Mitte und rechts.) So, glaube ich, brauchen wir auch eine Jugend, die gerade daraufhin erzogen werden muß, nicht zwischen rechts und links zu unterscheiden. Denn wenn das Schicksal uns vielleicht noch einmal zwingt, um unser nacktes Leben zu kämpfen, wenn man vielleicht das Deutsche Reich aufteilen will und Pläne nährt, mit denen man hofft, daß wir im Bürgerkrieg zerfleischt werden, können Sie doch überhaupt nur ein Volk haben und eine Idee, aber nicht eine nationale Partei auf der einen und Parteien, die man nicht national nennt, auf der anderen Seite. (Leb⸗ hefte Zustimmung in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei.) Das ist die Aufgabe, in der ich die Jugenderziehung sehe. Und ich glaube, daß diese Auffassung des Nationalen sich durchaus behaupten kann gegenüber jeder anderen, die ihr vielleicht das Nationale abspricht.
Nun darf ich zuletzt noch eingehen auf die Kritik, die speziell Herr Hergt als Chef einer neuen Regierung an der alten Regierung geübt hat. (Große Heiterkeit. Zuruf bei den Deutschnationalen.) — Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter Hergt, Sie haben sich direkt hin⸗ gestellt und uns erzählt, was die neue Regierung tun würde, und es muß Sie doch jemand beauftragt haben, Ihr Programm hier vorzu⸗ tragen. Ich habe in der deutschnationalen Presse so oft die Kritik an der Programmlosigkeit des heutigen Kabinetts gelesen. Meine Herren, ich bin allerdings der Meinung, daß Sie mit Programmen (Sehr richtig! in der Mitte.
die kranke Zeit nicht heilen können. Abgeordneter Graf Westarp: Mit Worten auch nicht!) — Nein, mit Worten gewiß nicht, Herr Graf Westarp! Ich glaube aber in diesen drei Monaten ist genug geschehen auch an Taten seitens der Regierung,
seien sie nun falsch oder richtig. Jedenfalls haben wir uns vor der Verantwortung nicht gescheut, wenn es sich darum handelte, Taten zu unternehmen. (Sehr richtig! in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei.) Wenn es aber ein Fehler der Regierung ist, daß sie nicht ein festes Programm hat, nun, das Programm, das ich vorgestern gehört habe, schien mir auch keine Grundlage zu sein, um daraufhin auch nur zu einer der wirklich akuten Fragen Stellung zu nehmen. (Sehr richtig! in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei.) Der Herr Abgeordnete Hergt hat uns versichert, er wolle keinen Weltbrand entfachen — hoffentlich auch keinen Hausbrand! — (Geiterkeit.) Zedenfalls ist das eine rein negative Feststellung, die ja wohl selbst⸗ verständlich ist; denn wenn irgend ein Volk den Wunsch haben muß, im Frieden zu leben, ist es wohl das deutsche Volk in seiner heutigen Situation. (Sehr richtig! bei den Vereinigten Sozialdemokraten und in der Mitte.)
Herr Abgeordneter Hergt hat uns weiter gesagt, daß keine so⸗ fortige Wiederherstellung der Monarchie in Betracht käme. Er hat Kritik an Einzelheiten geübt, insoweit der Beamtenabbau über die Rechte des Beamten hinweggegangen sein soll; er hat andererseits eine geordnete Finanzwirtschaft verlangt. Aber sonst habe ich an positiven Gedanken für das, was denn nun auf anderem Wege Besseres geschehen soll, fast alles vermißt. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei.)
Meine Herren, ich habe gar kein Hehl daraus gemacht, wie schwer der Weg überhaupt ist, ich sehe ihn auch noch gar nicht und wenn jemand da ist, der den Weg klar und sicher sieht, und wenn die Persönlichkeiten und die Parteien da sind, die sie stützen, und wenn sie die ruhige Sicherheit und Grundlage haben für das verfassungs⸗ mäßige Leben dieses Kabinetts, dann haben Sie nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, dieses Kabinett an die Stelle des heutigen zu setzen.
Der Herr Abgeordnete Hergt hat gesagt, ich selbst hätte aus⸗ gesprochen, eine Kabinettskrise solle nicht länger als vierundzwanzig Stunden dauern. Gewiß, das ist durchaus meine Auffassung, auch wenn durch eine Demission des Kabinetts die Lösung der Krise in vierund⸗ zwanzig Stunden da wäre, wäre sie wahrscheinlich schon erfolgt, wenn die Voraussetzungen erfüllt wären, von denen ich sprach. Heute aber sind die Dinge so, daß ich das eine einmal offen sagen muß — denn ich wünsche hier offen und frei zu sprechen —, daß mir scheint, es besteht mehr eine Parlamentskrise als eine Kabinettskrise; denn die Er⸗ setzung eines Kabinetts durch ein anderes setzt doch voraus, daß das Kabinett des Vertrauens da ist, von dem man in den Zeitungen seit vier Wochen spricht (lebhafte Zustimmung in der Mitte und bei der Deutschen Volkspartei). Sie, meine Herren, haben das Recht und die Pflicht Ihr Verdikt zu sprechen, Sie haben das Recht, die Pflicht und die Verantwortung, zu den Dingen Stellung zu nehmen, und ich habe den Herrn Präsidenten dieses Hauses am Dienstag gebeten, und habe ihn heute wieder gebeten, diese Entscheidung nicht auf⸗ zuschieben, sondern sie herbeizuführen; denn nichts schadet mehr als ein Zustand, bei dem feste Grundlagen überhaupt nicht gegeben sind.
Meine Herren, der Reiz des Ministeramtes im heutigen Deutsch⸗ land ist sehr gering. (Sehr gut! in der Mitte.) Als der Herr Reichskanzler Dr. Cuno sich am 13. August von mir verabschiedete,
Der Sozia⸗
sagte er zu mir: glückliche Stunde meines Lebens verlebt habe. Was uns veranlaßt hat, die Geschäfte zu führen, das war die Verantwortung vor dem Lande. Wir haben die Pflicht, Ihnen unsere Hoffnung zum Aus⸗ druck zu bringen. Ich habe sie Ihnen vorgelegt ohne jede Ver⸗ schönerung, ohne jede Vertuschung, ohne jeden Willen, hiermit irgendwie Beifall zu erwecken. Schließlich gibt es eins, das über uns allein entscheidet: das ist unser Gewissen, und wir haben die Ueberzeugung, daß wir gewissenhaft unsere Pflicht gegenüber Volk und Reich getan haben. (Lebhafter Beifall bei den Deutschen Demo⸗ kraten, im Zentrum und bei der Deutschen Volkspartei. — Hände⸗ klatschen auf den Tribünen. — Glocke des Präsidenten.)
Inzwischen ist folgender Antrag der Deutschnationalen eingegangen: „Der entzieht der Reichsregierung das Vertrauen, dessen sie nach Artikel 54 der Reichsverfassung bedarf.“ Reichsfinanzminister Dr. Luther (von den Kommu⸗ nisten mit Unruhe begrüßt):
Reichsminister der Finanzen Dr. Luther: Meine verehrten Damen und Herren! Mehr als jemals stehen heute im Mittel⸗ punkt der Kräfte, die zu Entscheidungen zwingen, die Finanzen. Es bedarf nicht weitschichtiger Darlegungen über die Finanzen. es bedarf nur der Feststellung der Tatsachen, die heute die Grundlage für die außerordentliche Not bilden, in der wir uns alle befinden. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß das deutsche Volk in seiner Gesamtheit noch keine hinreichende Vorstellung davon hat. wie hart der Druck der Not auf dem Wege über die Finanzen heute auf unserem Staatswesen und auf unserem Volke liegt. (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)
Meine Damen und Herren, es ist vielleicht nicht bequem, auch für die weite Volksgemeinschaft nicht bequem, mit anzuhören, wie es heute tatsächlich mit unseren Finanzen steht. Unzählige Lieb⸗ lingswünsche, die das Volk in allen seinen Teilen seit Jahren gehegt hat, sind nicht mehr zu erfüllen. Die Zeit ist vorbei, wo man mit einem allgemeinem Anerkenntnis durchkommen konnte: es steht schlecht um die Finanzen, aber dies und jenes muß doch noch gemacht werden. Wir können uns ein Leben überhaupt nur erhalten, wenn wir heute alle miteinander von der Tatsache durch⸗ drungen sind, daß nur eiserne Sparsamkeit uns über den tiefen Abgrund hinwegführen kann, an dem wir jetzt entlang taumeln. Das deutsche Leben hat sich seit Jahren in der süßen Gewohnheit der Inflation vollzogen. In den öffentlichen Verbänden, aber auch in der Wirtschaft hat an allen Ecken und Enden der Gedanke geherrscht, daß schließlich immer wieder die Mittel da sein werden. Es ist eine Sisyphusarbeit, heute diese Irrvorstellung aus den
Köpfen der Menschen herauszureißen. Das gilt sicher in starkem
Maße für die Privaten, es gilt nicht minder stark für die Behörden, es gilt für Reich, Länder und Gemeinden.
Derjenige Punkt aber, der uns heute zur absoluten Entscheidung zwingt, ist das Stillegen der Notenpresse. Sie mußte stillgelegt werden, und indem dies geschah, war es mit diesem Leben auf der Grundlage der Inflation vorbei. Daß es nun zur Stillegung der Notenpresse gekommen ist, ist nicht etwa nur ein Ausdruck eines be⸗ rechtigten volkswirtschaftlichen Wunsches gewesen, nicht etwa nur die Folge irgendeiner Regierungsentscheidung, sondern das ist die Folge davon, daß unsere Mark, das Zahlungsmittel, das wir mit der Notenpresse hergestellt haben, ihren letzten Lebenshauch hergegeben hatte. Ein Zahlungsmittel, das nicht mehr die Funktion des Zahlungsmittels erfüllt, ein Zahlungsmittel, mit dem man die Ware nicht mehr in Bewegung setzen kann, ist tot. In dem Augenblick mußte sich die Kraft des Staates darauf richten, ein neues Zahlungsmittel zu schaffen. Der Herr Reichskanzler hat mit großem Recht darauf hingewiesen, daß eine verantwortliche Reichsregierung den Zeitpunkt, wo die Mark ihren letzten Hauch von sich gab, nicht beschleunigen durfte. Immerhin, es kam die Stunde, wo die Vorbereitungen für das neue Zahlungsmittel sofort ergriffen werden mußten. Die Stunde war da, als das Ermächtigungsgesetz seinerzeit vom hohen Hause verabschiedet wurde, und am ersten Werktag darauf ist das Gesetz über die Rentenbank ergangen. Dann begann ein ungeheurer Ansturm, es sollten nur wertbeständige Zahlungsmittel in den Verkehr hinaus⸗ gegeben werden, und es haben schließlich unter dem Druck der politischen Verhältnisse wertbeständige Zahlungsmittel auch in kleineren Mengen herausgegeben werden müssen. Aber, meine Herren, dadurch ist das Problem als solches nicht erleichtert, sondern erschwert worden; denn indem die Zahlungsmittel nicht mit einem Male in großer Menge da waren, sondern nur tropfenweise, machte die Entwertung der Mark weiter rasende Fortschritte. Und nun kamen andere Ursachen dazu. Es kamen jene Ereignisse von vor einigen Wochen, wo die Mark, um es so zu sagen, ihren Todessturz in die Tiefe tat, Ereignisse, die zusammenenhingen mit außen⸗ politischen und innenpolitischen Dingen. Denn wenn auch im letzten Ende der Wert eines Zahlungsmittels auf der wirtschaft⸗ lichen Grundlage beruht, so spielen doch die politischen Creignisse bei der Entwertung eine sehr wesentliche Rolle mit. In dem Augenblick, wo es klar war, daß trotz Einstellung des passiven Widerstandes wir noch ganz übermäßig hohe Zahlungen in das besetzte Gebiet hinein leisten mußten, war es nicht mehr möglich, mit den sonstigen Mitteln einer Stützung die Mark einigermaßen in ihrer Eigenschaft als Zahlungsmittel zu erhalten. Und dann kamen die innerpolitischen Wirren dazu, die den Glauben des Auslandes an die deutsche Wirtschaftskraft weiter auf das tiefste erschütterten. Von dieser Stunde an war es deutlich, daß wir nur noch auf der anderen Grundlage eines neuen Zahlungsmittels weiterleben konnten.
Und nun, meine Damen und Herren, ist die Rentenmark erschienen. Ich wiederhole: Zeitpunkt bestimmt nicht aus irgend einer wohlweisen Ueberlegung heraus, sondern geschaffen durch den Zwang der Tatsachen, und deshalb müssen wir uns auch dem Zwange der Tatsachen, der durch die Stillegung der Notenpresse gegeben ist, in jeder Beziehung anpassen. In der Kritik ist mancherlei davon gesprochen worden, daß andere Lösungen besser gewesen wären. Ach, meine Damen und Herren, es gibt nur eine wirklich gute Lösung. Die heißt erstens, die deutsche Wirtschaft in Ordnung bringen, und die heißt zweitens Währung auf Gold⸗ grundlage. Solange diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist jedes Mittel ein Aushilfsmittel. (Zuruf von den Ver⸗ einigten Sozialdemokraten: Und wie steht es mit den Finanzen?!) — Von den Finanzen werde ich noch genug sprechen! — Aber hat man einmal ein Aushigfsmittel ergriffen, dann kommt es auch darauf an, daß die Volksgemeinschaft mit Entschlasjenhsit sich
Ich verlasse dieses Haus gern, in dem ich keine
hinter die Afsmittel stellt. Meinem Mitarbeiter 8 Reichswährungskommissar Dr. Schacht, ist der Vorwurf 88 1 worden, er sei ja ein Gegner der Rentenmark gewesen. 5 Stadium der Vorbereitungen hat Herr Dr. Schacht . Lösungen für besser gehalten, heute aber hat er sich auf 882 von mir geschilderten Boden gestellt und mit aller Bestimmtte in der Rentenmark dasjenige Mittel erkannt, das uns allein . Verfügung steht, um hinüberzukommen in eine hoffentlich zu reichende Zeit einer Goldwährung und gesunderer Wirtichai verhältnisse.
Meine Herren, auf dem Wege dahin besteht die ungeme Schwierigkeit, daß die tatsächlichen Goldpreise sich zurzeit Deutschland in einer ganz unmöglichen Weise entwickelt habe (Sehr richtig!) Gegen diese Entwicklung der Goldpreise wird 8 seiten der Regierung mit jedem nur möglichen Mittel n gegangen werden. In der praktischen Ausführung ist die Reits
regierung hierbei auf die Länder angewiesen. Die Reichsregiern
hat aber keinen Zweifel, daß die Länder jedes der Staatsgene nur mögliche Mittel einsetzen werden, um dafür zu sorgen, d die Preise sich wieder auf die wirklichen Verhältnisse einstelg Denn, meine Damea und Herren, auch die Auslandsbewertung Mark ist jetzt nicht mehr irgendwie nennenswert verschieden; der Inlandsbewertung. Das ist eben die Wirkung der Stillega der Notenpresse, durch die auch der Mark wieder neues Lc. eingehaucht ist Die letzte Meldung aus New York malr den Dollar über 5 Billionen, während die Inlandsbewerm 4,2 Billionen sind. Es besteht also keine Veranlassung für übersetzten Preise, unter denen jetzt unsere Volkswirtschaft und e Lohn⸗ und Gehaltsempfänger so schwer leiden. (Sehr richtig! nah und in der Mitte)
Ich komme nunmehr auf die Finanzen als solche. Es ist sogenannter Uebergangshaushalt aufgestellt worden, der die g. bis zum 31. März 1924 umfaßt. Dieser Uebergangshaushalt te wendet die Mittel, die aus dem Rentenbankgesetz zur Versügm stehen, für die Regierung restlos, einschließlich der 100 Millicme Rentenmark, die für die Erwerbslosenfürsorge im besetzten Geh⸗ zur Verfügung gestellt sind. Dieser Uebergangshaushalt i aufgebaut, daß seine Ausführung überhaupt nur denkbar ist einer bisher ganz unvorstellbaren Drosselung der Ausgaben n bei einer ebenso bisher unvorstellbaren Steigerung der Einnahme Die Sachlage aber ist so — ich glaube, was ich jetzt ausspreche, von solchem Ernst, daß es das Ohr des Hauses finden könne (sehr richtig!), daß, wenn es nicht gelingt, in der von mir; schilderten Weise die Ausgaben herabzusetzen und die Einnahme zu erhöhen, es für das deutsche Volk keine Lebensmöglichkeit m gibt. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Es gibt ke Möglichkeit mehr, die Druckerpresse in Bewegung zu setzen. . haben mit Hilfe der Druckerpresse das ganze deutsche Sparkepith wie es in den Hypotheken und Obligationen vorhanden war, h auf den Nullpunkt abgebaut. Es gibt keine Möglichkeit meg auf solchem Wege einer neuen Inflation wiederum zu helfen . gibt auch keine Möglichkeit, etwa die Rentenmark als solche en zuweiten — denn das wäre die neue Inflation —, sondern handelt sich darum, mit den enggesteckten Mitteln, die wir hebct durchzukommen. Diese Aufgabe muß und kann nur durchgeich werden, wenn alle verantwortlichen Kreise des Volkes von die bitterernsten Tatbestand durchdrungen sind.
Bei der Löfung dieser Aufgaben handelt es sich auch! außenpolitische Fragen. Daß uns das Ausland in einer dam haften, vorhaltenden Weise hilft, ist immer davon abhängig! macht worden, daß wir alle Kräfte darauf verwenden, unc eigenen Verhältnisse in Ordnung zu bringen. (Sehr richt rechts und in der Mitte.)
Zunächst die Ausgaben! Da ist von einem der Herren I. redner von der Leporelloliste gesprochen worden als von der 9 sammenstellung der Maßnahmen, die seitens der Regierung griffen worden sind. Der Herr Abgeordnete möge mir verzeice wenn ich nicht imstande bin, mit einer so leichten Wendung üß diese Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, hinwegzugehe
Diese Maßnahmen haben sehr vielen Staatsbürgern unsagt
viel Leiden zugefügt und haben der deutschen Wirtschaft unernün Schwierigkeiten verschafft. (Zuruf von den Soztaldemokraten,) Insofern, als der Aermste immer am schwersten getroffen wie aber nicht insofern, als ob irgendeine Auswahl erfolgt wäre. 2 deutsche Regierung ist heute — ich spreche das offen aus — der Lage eines Konkursverwalters. Wir sind heute in die N wendigkeit versetzt, eine große Anzahl Zahlungen, die wir gefett verpflichtet sind zu erfüllen, nicht zu erfüllen, was das Zeite eines Konkursverwalters ist. Wir sind weiter in die Nonvend keit versetzt, in den Mittelpunkt unseres Denkens die Frage— Finanzen zu rücken. Darum gelten bei all den Maßnahmen! Ausgabebeschränkungen nicht mehr die normalen Formen früher. Mit diesen alten Gedankengängen kommen wir nicht ug durch. Es geht heute nicht mehr, daß z. B. gesagt wird: 8 amtenabbauverordnung, gut, aber die Einzelbestimmungen taule nichts. Nein, meine Damen und Herren, es mag wohl sein,] manches hätte besser gemacht werden können, aber wer will des das entscheiden? Heute ist der maßgebende Gesichtspunkt, daß! Schritte, die wir ergreifen, wirkungsvoll sein müssen, und es „. nicht an, daß, wenn nun einmal ein so tiefer Eingriff geschch ist, hinterher dieser Eingriff wieder in Frage gestellt wird. 9 der Sachlage, in der wir uns befinden, kann man nur einen! raden Kurs steuern, oder man steuert gar nicht.
Meine Damen und Herren! Sicherlich gefällt vieles, v geschehen ist, manchem der davon Betroffenen nicht. Es kann al
nicht anders sein. In diesem Haus und draußen wird aber
viel von der Notwendigkeit der Diktatur gesprochen. Ich der dabei nicht an den äußeren Zuchtmeister und sehne mich ui nach ihm, der als Diktator auftreten soll; aber nach einer inne lichen Diktatur sehne ich mich. Wenn das deutsche Volk dabe durchdrungen ist — und es muß davon durchdrungen sein —, N. es Matthäi am letzten ist, dann darf nicht jede Maßnahme, ergriffen wird, hinterher dem Volke unglaubhaft gemacht werde indem nicht anerkannt wird, daß diese harte Maßnahme hat? griffen werden müssen. Diese innere Zucht muß in unser W hinein, wenn es überhaupt durch den Strudel hindurchkommen we Nun, meine Herren, die andere Seite, die Einnahmesei (Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten: Das ist die Haug sache!) — Ich höre den Zwischenruf: das ist die Hauptsache! gibt hier weder Haupt⸗ noch Nebensachen, es gibt nur ein
beiten auf der ganzen Linie oder gar kein Arbeiten! — Was die Einnahmeseite anbetrifft, so muß vor allem folgendes festgestellt werden: Es kommt nicht nur darauf an, daß wir Einnahmen haben, sondern daß wir sie schnell haben. Denn die Sachlage, in der wir uns jetzt befinden, ist die, daß wir mit außerordentlicher Geschwindigkeit den Kredit der Rentenmark abbauen, ohne daß entsprechende Einnahmen in die Reichskassen fließen. Infolge⸗ dessen müssen eine ganze Reihe von steuerlichen Belastungen, die an sich für Januar usw. geplant waren, vorweg genommen und in den Dezember gelegt werden. Zunächst muß dafür gesorgt werden, daß die Umsatzsteuer nicht wieder der Geldentwertung verfällt. Dann müssen die Vorauszahlungen auf die Einkommen⸗ steuer, die an sich für Januar gedacht waren, im Dezember ge⸗ leistet werden. Auch die für Januar in Aussicht genommene Rate der Rhein⸗ und Ruhrabgabe muß zur Hälfte im Dezember bezahlt werden. Damit soll eine Maßnahme verbunden werden. wonach die Devifenbesitzer diese Zahlung in Devisen zu leisten haben. Gleichzeitig mit diesen einzelnen Sondermaßnahmen muß eine durchgreifende Neuregelung des gesamten Steuerwesens erfolgen.
Nun, meine Damen und Herren, ich muß auch hier wie auf der ganzen Linie die Dinge so darstellen, wie ich sie sehe. Eine solche Neuregelung ist auf dem Wege durch den Reichstag mit der erforderlichen Beschleunigung nach Ansicht der gesamten Reichs⸗ regierung nicht möglich. Es war ja auch der Grundgedanke des Ermächtigungsgesetzes, daß gerade diese Frage innerhalb der Reichsregierung erledigt werden sollte. Das Ermächtigungsgesetz ist hinfällig geworden. Es bleibt daher gar keine andere Möglichkeit, als daß die Reichsregierung an den Herrn Reichspräsidenten mit der Bitte herantritt, die ganzen Steuerfragen in einem großen zusammenhängenden Akt auf der Grundlage des Art. 48 der Reichsverfassung zu erledigen. (Abg. Dr. Hertz: Damit jeder Steuerdrückeberger das anfechten kann!) — Diese Anfechtbarkeit halte ich in keiner Weise für gegeben. Denn wenn es nicht ge⸗ lingt, in absehbarer Zeit uns ordnungsmäßige Einnahmen zu⸗ zuführen, dann wird nichts mehr gefährdet sein als die öffentliche Ruhe und Ordnung. (Zustimmung rechts und in der Mitte. — Abg. Keil: Im August haben wir doch auch rasch Steuern ge⸗ macht!) — Aber damals hat es sich nicht um ein so vollkommen umgebautes System gehandelt, wie es jetzt wird durchgeführt werden müssen.
Nun zum Inhalt der Regelung. Da will ich mich auf einige grundlegende Gedanken beschränken. Dabei schicke ich eins voraus. Es besteht nicht die Absicht, irgendeinen alle bisherigen Gedanken⸗ gänge mit einem Mal ablösenden neuen Gedanken in die Welt zu setzen, sondern solche Sachen bauen sich ja organisch auf der bisherigen Grundlage auf. Der Herr Abg. Wels hat in seinen Ausführungen vorgestern gesagt, es komme darauf an, daß jetzt ein tiefer Eingriff erfolge, und ihm sei bekannt, daß Pläne dieser Art im Reichsfinanzministerium unter der Ministerschaft des Herrn Dr. Hilferding ausgearbeitet worden seien. Ich möchte dazu gleich vorweg sagen, daß es im Reichsfinanzministerium Pläne, die weitergehen als das, was ich Ihnen vorschlage, nicht gibt, sondern daß das, was ich vorlege, zum Teil sogar noch über die Pläne hinausgeht, wie sie damals ausgearbeitet worden sind. (Hört! Hört! rechts und in der Mitte.)
Nun zu einigen Einzelpunkten!. Der Leitgedanke, der uns bei der Steuer beherrschen muß, ist die Befreiung der Steuer von den Folgen der Geldentwertung. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte.) Wenn wie bis jetzt die Steuern leider immer nur ganz geringe Beträge der Ausgaben des Reiches eingebracht haben, so hat das nicht etwa an der objektiven Niedrigkeit der Steuern gelegen, sondern es hat daran gelegen, daß die Geldentwertung den Ertrag der Steuern immer wieder aufgefressen hat, ehe die Steuern überhaupt wirkungsvoll wurden. (Zuruf von den Vereinigten Sozialdemokraten: Die Geldentwertung ist doch jetzt weggefallen!) Darum will ich ja auch eine Steuervorlage machen. Man hat dagegen zunächst anzugehen versucht auf dem Wege der Umwertung, indem man verschiedene Multiplikatoren zugrunde legte und die auf Papiermark kalkulierten Steuern so immer wieder in die Höhe brachte. Das war ein Nothilfsmittel, das vielleicht ganz gut gewirkt hätte, wenn es zur Anwendung gekomme wäre bei einer milden Inflation. Bei den inflatorischen Zuständen der letzten Zeit hat dieses Mittel einen irgendwie befriedigenden Erfolg nicht mehr gehabt. Es wird infolgedessen in den neuen Steuergesetzen, soweit irgendmöglich, eine Umstellung der Steuermerkmale auf Gold wie ja auch der neue Haushaltsplan auf Gold aufgebaut wird.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Vereinfachung. Darunter stellt man sich im Publikum vielfach Unmögliches vor. Man stellt sich darunter vielfach vor, es sei möglich, mit ganz wenigen Stenern das gesamte Bild der Steuerbelastung auszuführen. Dem ist, wie jeder Steuerpraktiker weiß, nicht so. Aber worauf es ankommt, ist, daß nicht alle verschiedenen Steuern innerlich gegeneinander angehen. Wir werden vor allen Dingen in dem neuen Steuerprogra⸗ für sorgen, daß die Veranlagungsmerkmale bei Steuern, die sich auf dieselben Gegenstände tatsächlich beziehen, auch die gleichen sind, daß bei Einkommensteuer und Vermögenssteuer dieselben Veranlagungs⸗ merkmale angewendet werden, und wir hoffen, daß die Länder auf diesem Gebiete dem Reiche folgen und nicht für sich besondere Ver⸗ anlagungsmerkmale festsetzen.
Dann muß dafür gesorgt werden, daß die unproduktive Arbeit bei der Steuererhebung nach Möglichkeit ausgeschaltet wird. In dieser Beziehung liegt bekanntlich bei der Lohnsteuer eine besondere Schwierigkeit vor (Sehr richtig! rechts), wo berechtigte soziale Momente sich in Widerspruch mit dem Gesichtspunkt der Aus⸗ schaltung unproduktiver Arbeit befinden. Die Lohnsteuer als Ein⸗ kommensteuer ganz aufzugeben und aus ihr eine reine Gewerbe⸗ abgabe oder Arbeitgeberabgabe zu machen, hat sich die Reichs⸗ regierung nicht entschlossen. Wir glauben, daß es notwendig ist, den Gedanken der Einkommensteuer festzuhalten und ihn in dieser auch für die Menge der Lohn⸗ und Gehaltsempfänger zweckmäßigen Form beizubehalten. Wir werden aber durch eine Vereinigung der Werbungskosten mit den sozialen Abzügen zu einer sehr erheblichen Vereinfachung bei der Veranlagung kommen.
Dann komme ich zur Einkommensteuer im besonderen. Diese Steuer ist ja ein viel umstrittenes Gebiet, umstritten auch, worauf ich nachher noch zu sprechen kommen werde, zwischen Reich und Ländern. Es handelt sich jetzt aber um die konkrete Aufgabe, wie man überhaupt im nächsten Jahre eine Einkommensteuer erhebt. Ein⸗
kommensteuern sind bisher immer auf der Grundlage des Einkommens eines verflossenen Zeitraums erhoben worden, abgesehen von dem Lohnsteuerprinzip. Ein Einkommen des verflossenen Zeitraums, nämlich des Kalenderjahrs 1923, ist aber bei der ungeheuerlichen Geld⸗ entwertung, die dieses ganze Jahr durchsetzt, überhaupt nicht fest⸗ zustellen. Man kann also auf diesem Wege nicht vorankommen. Dar⸗ aus darf nun aber niemand den Schluß ziehen, daß wir etwa im nächsten Jahre eine Einkommensteuer nicht erheben sollten. Wir müssen vielmehr dazu übergehen, im Jahre 1924 Vorauszahlungen auf eine hinterher für 1924 nach dem Einkommen des Jahres 1924 im Jahre 1925 festzustellende Einkommensteuer zu erheben. Es handelt sich also um das Problem, wie man diese Vorauszahlungen festlegen kann. Die Festlegung dieser Vorauszahlungen ist nur nach rohen Merkmalen möglich. Da es nur Vorauszahlungen und keine endgültigen Zahlungen sind, werden sich die Betroffenen mit diesen rohen Merkmalen abfinden müssen. Diese Merkmale werden sich zum Teil auf die bei der Vermögenssteuerveranlagung festgestellten Begriffsmerkmale aufbauen, wie z. B. bei der Landwirtschaft; sie werden sich an anderen Stellen auf die Roheinnahmen aufbauen, zum Teil unter Abzug der Löhne, so beim Gewerbe; sie werden sich in anderen Verhältnissen auf andere Formen aufbauen. Aber eins soll auf jeden Fall als Ausgleich beigefügt werden, und ich denke mir, daß dieser Ausgleich auch bei der endgültigen Einkommensteuer fest⸗ gehalten werden sollte. In der Not und Armut, in der sich unser Volk befindet, ist es oft und mit Recht als aufreizend empfunden worden, daß Menschen einen Aufwand treiben, ja zum Teil einen großen Aufwand entfalten, ohne von der Einkommensteuer erfaßt zu werden. (Lebhafte Zustimmung links.) Oft haben diese Personen in ganz unanfechtbarer Weise nachweisen können, daß sie kein Ein⸗ kommen hatten, sondern von der Substanz lebten. (Sehr richtig!) Wer aber überhaupt von der Substanz leben kann, der muß in den Zeiten, in denen wir leben, steuerlich erfaßt werden, als wenn er ein Einkommen hätte. (Zuruf links: Endlich!) So soll denn in der Vorausbezahlung von vornherein als Ausgleich zu allen übrigen Maß⸗ nahmen vorgesehen werden, daß ein gewisser Prozentsatz des Auf⸗ kommens mit hereingezogen wird. (Zuruf links: Das haben wir vor vier Jahren schon gesagt!) Damals war ich nicht Finanzminister; ich ent also darüber keine Auskunft geben. (Erneuter Zuruf inks.
Dann zur Vermögenssteuer! Auch diese Steuer muß mit einem scharfen Satze angefaßt werden. Die Vorlage wird eine durchschnitt⸗ liche Belastung von fünf vom Tausend enthalten.
Bei der Umsatzsteuer läßt es sich nicht vermeiden, auf den Satz von 2 6 vH heraufzugehen. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß das unter den notwendigen Entschließungen mit die schwerste ist; denn sobald eine Wirtschaft einigermaßen stabil wird, werden selbst⸗ verständlich die höheren Umsatzsteuersätze immer schwerer tragbar werden als in einer noch in vollkommen gleitendem Zustand befind⸗ lichen Wirtschaft. Wir müssen aber den Fehlbetrag des Haushalts⸗ planes decken, und wir müssen darum, solange bis uns hoffentlich die Einkommen⸗ und Vermögenssteuer bessere Erträge liefern, auch an diesen hohen Sätzen der Umsatzsteuer festhalten. (Zuruf links: Und die Erbschaftssteuer?) Ich habe nicht die Absicht, auf jede einzelne Steuer einzugehen, besonders nicht auf diejenigen, die zwar wichtig, vor allem politisch wichtig sind, die aber für das Finanz⸗ aufkommen des Reiches nicht die entscheidende Rolle spielen, wie die Steuern, die ich eben genannt habe. (Erneuter Zuruf links.) Ich kann aber sagen: die Erbschaftssteuer steht auch im Programm.
Meine Damen und Herren! Ich komme nun zum Finanz⸗ ausgleich. Die Frage des Finanzausgleichs ist heute weniger eine finanzielle als eine Frage der allgemeinen Politik des Reiches ge⸗ worden. Finanziell steht zunächst so viel fest, daß die Länder mit einer freien Einkommensteuer, da kein Einkommen aus 1923 da ist, auch nichts anderes anfangen könnten als ein solches Pauschal⸗ verfahren, wie ich es Ihnen in rohen Umrissen geschildert habe. Es sind Verhandlungen mit den Länderregierungen darüber eingeleitet, wie wir die Frage des Finanzausgleichs künftig behandeln. Die Länder haben heute und behalten selbstverständlich die 75 vH der Einkommensteuer. Die Länder können ausbauen, haben zum Teil schon ausgiebig ausgebaut — ich weise auf Preußen hin — die Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteuer.
Die Länder haben heute noch die Zuschüsse zu den Beamten⸗ besoldungen. Das ist eine Angelegenheit, die natürlich auf die Dauer nicht bestehen bleiben kann (sehr richtig!); denn sie ist in Wirklichkeit nichts weiter als eine Beteiligung der Länder an dem Ergebnis der Druckerpresse, und wenn die Druckerpresse zum Still⸗ stand gebrachk wird, dann müssen entsprechend und mit angepaßten Maßnahmen auch die Zuschüsse an die Länder abgebaut werden. (Erneute Zustimmung.)
Das Gesamtbild der Steuern ist nun aber so, daß wir mit all den von mir genannten Steuern, die ich, wie gesagt, — ich sage das absichtlich nach der Linken des Hauses hin — in keiner Weise geringer anspanne, als mein Vorgänger Herr Dr. Hilfferding sie angespannt hat, die Unkosten von Reich, Ländern und Gemeinden angesichts des Zustandes unserer Wirtschaft noch nicht decken können. Wir müssen aber zu einem ausgeglichenen Haushaltungsplan kommen; denn das ist die Voraussetzung für jede Erholung. (Sehr richtig!) Darum bleibt nichts übrig, als an der einzigen Stelle, in der sich in unserer Wirtschaft noch ein Hohlraum befindet, ebenfalls, wenn auch nicht allein für steuerliche Zwecke zu schöpfen. Dieser einzige Hohlraum, den wir in der Volkswirtschaft noch haben, sind die noch nicht auf die wirtschaftlich richtige Höhe gebrachten Mieten. (Hört! hört! bei den Vereinigten Sozialdemokraten.) Die Heraufsetzung der Mieten kann und soll nicht mit einem Ruck erfolgen. Es liegt dem Kabinett zur Beschlußfassung ein Plan vor, wonach die Hinaufsetzung auf Friedensbeträge allmählich durchgeführt werden soll bis zum 30. September 1924, also in einem Zeitraum von dreiviertel Jahren.
Um das Ergebnis, das sich dabei herausstellt, werden viele ringen. In erster Linie werden sich auch die Hypothekengläubiger melden, die durch die vollkommene Geldentwertung um ihre Ersparnisse ge⸗ kommen sind. Ich verstehe den Standpunkt der Hypothekengläubiger pöllig; aber ich sage schon jetzt und bei dieser Gelegenheit: der Anspruch kann nicht befriedigt werden (sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei); denn würde er befriedigt werden, so würde das bedeuten, daß wir unsere öffentlichen Einnahmen nicht in Ord⸗ nung bringen können, und das gesamte Volksinteresse muß höher stehen als das auch noch so berechtigte Interesse vieler schwer ge⸗ troffener Einzelner. Es bleibt also nichts anderes übrig, als das, was doch einmal verloren ist, wenigstens für das Volksganze zu ver⸗
werten, und da sind vier Gesichtspunkte, die in Betracht kommen.
Erstens muß in die Wohnungswirtschaft selbst wieder Ordnung hineingebracht werden, so daß die Häuser wieder ordnungsmäßig unterhalten werden, und daß die Qualen des jetzigen Mietwesens wegfallen Dafür wird ein bestimmter Teil in Anspruch genommen werden. Zweitens wird es notwendig sein, dafür zu sorgen — nicht durch verlorene Zuschüsse, aber wohl durch Vorhaltung von Hypo⸗ theken, die auch als Baugeld in gewissem Umfange dienen können —, daß das Bauwesen wieder in Schwung kommt. Drittens müssen ganz bestimmte Plätze dieser Aufwertung freigehalten werden als Mitsicherung für die Rentenbank und für sonstige allgemeine Be⸗ lastungen, die vielleicht noch notwendig sind. Viertens: was dann noch übrig bleibt — die ersten Dinge waren Reichsfragen, und ich habe nicht erschöpfend aufgezählt, sondern nur die Hauptpunkte an⸗ gegeben —, muß dazu dienen, daß Länder und Gemeinden ihre ein⸗ fachsten Lebensbedürfnisse befriedigen können.
Das Bild, das sich da ergibt, daß wir zu einer neuen Steuer greifen müssen, die im Frieden nicht vorhanden war, ist auch nicht überraschend, denn im Frieden haben besonders die Länder, auch gerade das größte Land Preußen, ganz vorwiegend von Betriebs⸗ einnahmen gelebt, besonders von den Einnahmen der Eisenbahn. Diese Einnahmen der Eisenbahn sind heute bekanntlich nicht vor⸗ handen und wären auch nicht vorhanden, wenn die Eisenbahnen noch in der Hand der Länder wären. (Sehr richtig! bei den Vereinigten Sozialdemokraten und bei der Deutschen Volkspartei.) Denn wirt⸗ schaftliche Ursachen sind die Grundlage der Dinge. Es muß dafür gesorgt werden, daß die notwendigsten Aufgaben unserer Ver⸗ waltung aufrechterhalten werden, und darum müssen wir mit einer neuen Steuer nachhelfen.
Meine Damen und Herren! All dies, was ich Ihnen vor⸗ getragen habe, ist außerordentlich hart. Es ist nach einem Punkte hin auch wirtschaftlich, wenn Sie so wollen, nicht ganz logisch. Denn wenn man aus einer Wirtschaft — und letzten Endes bezahlt doch die Wirtschaft alle Steuern, vom Himmel hoch kommen sie ja nicht her, wenn man aus einer Wirtschaft heraus Steuern haben will, dann muß die Wirtschaft im Grundsatz zuerst leistungs⸗ fähig sein. (Sehr richtig! rechts und bei den Vereinigten Sogial⸗ demokraten.) Mit diesem an sich richtigen Grundsatz würden wir aber zugrunde gehen, denn es dauert Zeit — und kann nicht anders sein —, bis die tief krankgewordene Wirtschaft wieder in der Lage ist, sich voll zu entfalten. In dem Zwischenraum kann das deutsche Volk aber keinen Winterschlaf halten, sondern in dem Zwischen⸗ raum muß das deutsche Volk, so hart der Winter auch werden wird und so unerhörte Opfer er kosten wird, in seiner Gesamtheit leben. Darum müssen wir, obgleich die Wirtschaft noch nicht ihre vollen Lebenskräfte wieder entfaltet hat, ja heut noch weit davon entfernt ist, trotzdem mit festem Griff um der Volksgesamtheit willen die nötigen Steuern und Abgaben uns verschaffen.
Meine Damen und Herren, es muß aber gleichzeitig alles geschehen, um die Wirtschaft wieder in Bewegung zu bringen. An sich ist es nicht die Fachaufgabe des Finanzministers, diese Gesichts⸗ punkte auszusprechen. Aber Finanzen leben nicht für sich allein, sondern sind ja nur ein Ausdruck des Wirtschaftslebens, und darum muß ich auch als Finanzminister aussprechen, daß alle Versuche der Ausgabendrosselung, alle Versuche der Einnahmesteigerung auf die Dauer nichts bedeuten können, wenn die Leistung unserer Wirtschaft und der an einzelnen Stellen noch vorhandene übermäßige Verbrauch unseres Volks nicht aufhören. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Wir brauchen infolgedessen stärkste Arbeitsleistung. Das deutsche Volk kann nur leben, wenn jeder, aber auch jeder von dem Bewußtsein durchdrungen ist, daß es sich jetzt um eine Not⸗ zeit handelt, in der die äußersten Kräfte angespannt werden müssen, damit später eine Zeit kommen kann, wo das deutsche Volk auch wieder einen anderen Lebensinhalt als die Werte schaffende Arbeit allein hat.
Und das andere, meine Damen und Herren, ist, daß sich in allen Teilen des Volks auch eine Sparsamkeit bis zum letzten Punkte durchsetzen muß. Diese Sparsamkeit ist nicht nur aus wirtschaft⸗ lichen Gründen notwendig, sondern sie ist auch das notwendige Gegenstück dafür, daß wir die Arbeitsanspannung auf der ganzen Linie mit allem Nachdruck fordern.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, Ihnen klar zu machen, wie ernst die Lage ist. Ich kann Ihnen nur sagen, daß für mich selbst, der ich ja einigen Einblick von den Dingen hatte, ehe ich Finanzminister wurde, doch die Wirklichkeit, als ich alle Einzelheiten sah, so erschütternd war, wie ich es mir nicht vorgestellt hatte. (Abg. Kunert: Als Ernährungsminister haben Sie das nicht gesehen? Da hätten Sie doch viel mehr Gelegen⸗ heit gehabt.) Herr Abgeordneter, ich möchte mich mit Ihnen nicht gern über meine persönlichen Dinge unterhalten. (Zuruf des Ab⸗ geordneten Kunert.) Verzeihen Sie, ich trage die Verantwortung, die mir obliegt; aber ich verlange auch von denen, die mit mir über Verantwortung reden, daß sie selber das Verantwortungsgefühl haben, wenn jetzt über diesen ungeheuren Ernst unserer Finanzfrage gesprochen wird, nicht vom Gegenstande abzulenken versuchen. (Lachen und Unruhe bei den Kommunisten.) Das ist ja der Fluch, der seit Jahren über unserem deutschen Volke gelegen hat, daß man in der Finanzfrage nicht hat klar sehen wollen. (Zustimmung in der Mitte und links.) Man hat immer geglaubt, es wird noch einige Monate weitergehen. (Erneute Zustimmung in der Mitte und links.) Nun sind wir an dem Punkte, wo es nicht mehr weiter geht, und ich sage Ihnen mit der vollen Verantwortlichkeit, die ich als Finanzminister trage: wenn jetzt nicht endlich das deutsche Volk ein⸗ sieht, daß es mit diesem Gespiele vorbei ist (wiederholte Zustim⸗ mung), daß wir die äußerste Kraft anstrengen müssen auf der Aus⸗ gaben⸗ und auf der Einnahmenseite, dann gibt es für das arme deutsche Volk keine Rettung. Wir müssen uns alle zusammen ver⸗ bünden unter zwei Leitgedanken: Wille zur Arbeit und Wille zur Armut. (Lebhafter Beifall in der Mitte. Unruhe und Zurufe links.)
Abg. Marx (Zentr.) gibt für sühen Partei folgende Erklärung ab: Die Zentrumsfraktion stellt mit schmerzlichem Bedauern fest, daß in einer Zeit, in der die E aller Volkskräfte zur Er⸗ haltung des Reichs und der deutschen Wirtschaft und zur Abwehr des immer unverhüllter zutage tretenden Vernichtungswillens Frankreichs das Gebot der Stunde ist, das e. Volk sich in unfruchtbaren Parteihader verliert. Eine Regierungskrise folgt der anderen, während, insbesondere auch dem Ausland gegenüber, eine starke, sich auf eine möglichst große Mehrheit des Reichstags mit einheitlichem Willen stützende Regierung notwendig ist. Die Zentrumsfraktion hat deshalb alles, was in ihren Kräften Feab. getan, um die große Koalition zu erhalten. Aus der gleichen vaterländischen Gesinnung heraus ist e bereit, sich hinter die jetzige Regierung zu stellen, Sneceet mancher Bedenken gegenüber einzelnen Maßnahmen und Unterlassungen des
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