1924 / 58 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Mar 1924 18:00:01 GMT) scan diff

sprochen würden, wenn ein deutschnationaler Außenminister an dieser Stelle stünde (Lebhafte Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei, im Zentrum und links.) Ich bin der festen Ueberzeugung, daß man das eine wissen würde: daß leider gegenwärtig unser Weg nur der sein kann, zunächst eimmal andere Mächte zu zwingen, die Verpflich⸗ tungen anzuerkennen, die sie aus dem Versailler Vertrag uns gegen⸗ über übernommen haben. Herr Dr. Helfferich, wenn wir heute das eine zu Wege bringen könnten, daß die rheinländische Bevölkerung unter dem Rheinlandabkommen stände, wemn wir in der Pfalz den Zustand herstellen könnten, wie er dort bestanden hat, bevor die Ver⸗ gewaltigung kam, wem wir die Franzosen aus dem Ruhrgebiet heraus hätten, dann wären wir immer noch unter dem Versailler Vertrag; aber wir hätten für Millionen unserer Volksgenossen außer⸗ ordentlich viel erreicht. (Stürmische Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei, in der Mitte und links.) Wir werden gar keinen anderen Weg geben können, als uns zunächst einmal zu den Pflichten des Versailler Vertrages zu bekennen, in dem auch festgestellt ist, daß wir das Recht haben, eine Nachprüfung unserer Leistungsfähigkeit zu verlangen; wir müßten aber die anderen zwingen, anzuerkennen, was sie diesem Vertrag schulden. Sie selbst, Herr Dr. Helfferich, be⸗ gannen Ihre Rede damit, daß wir gegen ein neues Versailles kämpfen müssen. Sie wollten offenbar damit sagen: ein neues Ver⸗ saille, das schlimmer ist als das alte, Sie haben recht, daß Gefahren in einer Entwicklung liegen, die uns von der Linie zurückbringt, die wir jetzt halten. Ich darf das eine zum Ausdruck bringen, daß sich die Reichsregierung in voller Uebereinstimmung mit dem befindet, was gestern Herr Kollege Kaas, und dem, was heute Herr Dr. Helfferich ausgesprochen haben gegenüber dem Gedanken einer Neu⸗ tralisierung des Rheinlandes. Wenn diese Neutrali⸗ sierung etwa im Sinne der Schaffung eines Pufferstaates zwischen Frankreich und Deutschland gedacht wäre, so kann ich mir nicht denken daß der englische erste Minister derartige Gedanken, die vollkommen von der Treue gegenüber dem Vertrage abweichen, bei sich erwägen kann. Ich möchte vorläufig annehmen und ich habe guten Grund dazu —, daß es sich um etwas anderes handelt, nämlich um die militärische Neutralisierung des Rheinlandes, eine Neutralisierung, die allerdings meiner Moinung nach durch das, was heute im Versailler Vertrag steht, in einer Weise ausgeführt ist, wie sich, glaube ich, dafür ein Beispiel in anderen Verträgen nicht findet. Daß darüber hinaus die deutsche Regierung bereit ist, völker⸗ rechtlich bindende Abmachungen zu treffen unter den am Rhein betei⸗ ligten Staaten, das hat seinerzeit Herr von Rosenberg zum Ausdruck gebracht, das habe ich wiederholt zum Ausdruck gebracht, das besteht auch für uns heute noch. Aber wenn jemand glaubt, den umgekehrten Weg geben zu konnen als den, den ich für richtig halte: nämlich durch Opfer zur Freiheit zu gelangen, wemn man einen Vor⸗ schlag zu machen glaubt „Aufgabe der Freiheit zwecks Minderung der Opfer“, dann glaube ich, daß das ganze deutsche Volk diesen Weg zurückweist. (Stürmischer Beifall.)

Ich bin im Zweifel, ob man die Stellung, die man dem Völkerbunde in diesem Sinne zugedacht hat, nicht falsch auf⸗ faßt. Ich kann mir nicht denken, daß beispielsweise englische Poli⸗ tiker daran denken, einen Rheinstaat unter dem Protektorat des Völkerbundes zu schaffen. Ich kann mir aber denken, daß man die Ueberwachung über die nichtmilitärische Benutzung der Aufmarschstraßen unter die Aufsicht des Völkerbundes stellen könnte. Es ist von dem Völkerbund viel gesprochen worden. Sie haben es auch neulich getan, Herr Dr. Helfferich. Sie haben mich dabei an Ausführungen erinnert, die ich als Abgeordneter ge⸗ macht habe. Sie bringen mich dadurch gar nicht in Verlegenheit. Ich kam mich zu diesen Aeußerungen durchaus als Minister bekennen. Daß der Völkerbund die Pflicht gehabt hätte, bei dem vertrags⸗ widrigen Einmarsch ins Ruhrgebiet seine Stimme zu erheben, das habe ich gesagt, und zu diesen Worten stehe ich jederzeit auch als deutscher Außenminister. (Lebhafter Beifall.) Wenn ich aber jetzt in manchen Zeitungen lesen muß, in denen ich doch stark die Verant⸗ wortlichkeit vermisse, daß man aus meinen Worten, daß wir den Eintritt in den Völkerbund prinzipiell ablehnen, sofort folgert, es solle nun die Schuldlüge erneut anerkannt werden, so ist das eine un⸗ erhörte Fälschung, denn ich habe immer gesagt, daß wir demütigende Bedingungen für den Eintritt nicht anmehmen. (Allseitiger lebhafter Beifall. Zuruf von den Deutschnationalen.) Wie wollen Sie bei einer Weiterführung der Konsolidierung der Verhältnisse die Autorimt der Reichsregierung, die doch auch Sie haben müssen, stabilisieren, wenn Sie in dieser unverantwortlichen Weise immer gegen die Träger der Verantwortung vorgehen? Ich kann für mich den Einspruch gegen eine solche Politik besonders in Anspruch nehmen, weil ich selber im Mittelpunkt von persönlichen Angriffen stehe, die das Maß des Erträglichen längst überschritten haben. Was soll man dazu sagen, wenn ein Mann, wie der Professor von Freytag⸗Loringhoven sagt, ich stände vielleicht unbewußt unter dem Eindruck, daß mein Schwiegervater an einer tschechosowakischen Waffenfabrik beteiligt sei. (Hört, hört! bei den Deutschen Demokraten, bei der Deutschen Volkspartei, im Zentrum und links.) Das ist doch das Gemeinste, was man einem Außenminister vorwerfen kann, denn es besagt in Wirklichkeit nichts anderes, als daß irgendwelche Familienabhängig⸗ keit für eine antidentsche Außenpolitik des Außenministers in Betracht käme. (Zurufe von den Deutschnationalen. Wiederholte Unter⸗ brechung von den Präsident Löbe: Meine Herren, ich bitte um Ruhe!)

Ich höre, daß von seiten eines Mirgliedes dieses hohen Hauses betont wird, daß Aeußerungen mit ihm in Verbindung gebracht würden, die der Wahrheit nicht entsprechen. Es würde mich freuen und ich würde dankbar sein, wenn auch der Oeffentlichkeit bekannt würde, daß eine zweite Behauptung dieses Abgeordneten, die davon spricht, daß der deutsche Außenminister an dem Steigen der tschechischen Krone und des Franken interessiert sei (lebhafte Rufe: Hört, hört!), weil er im Aufsichtsrate tschechischer Gesellschaften sei, ebensowenig der Wahrheit entspricht. Wenn diese Behauptung gefallen wäre, würde mir jedes parlamentarisch zulässige Wort zur Charakterisierung einer derartigen Kampfesweise fehlen. (Zuruf von den Deutsch⸗ nationalen: Wer hat das gesagt?) Nach einem Bericht des „Deut⸗ schen Bauernbund“ hat ein Mitglied dieses Hauses das gesagt. (Rufe links: Lind!) Herr Kollege Hergt, ich habe bis zu dieser Minute keine Richtigstellung erhalten. (Zuruf von den Deutschnationalen: Ich habe Ihnen erklärt, daß sie kommt! Lachen links.) Ich bin auf diese Sache nur eingegangen, weil ein Zwischenruf von links erfolgt war von seiten eines Mitgliedes, es würden Dinge mit ihm in Verbindung gebracht, die der Wahrheit nicht ensprächen. Im übrigen erwähne ich diese Dinge nicht etwa, weil die Person, die

nahme der letzten Kontrollbesuche,

damik gekroffen werden soll, ehwa darunber besonders litte, sondern es geschieht aus dem Grunde, daß ich glaube, daß jede Partei, die einmal damit zu rechnen hat verantwortlich an der Regierung teil⸗ zunehmen, ein Interesse daran haben müßte, daß wir auch wieder etwas von Autorität der Regierung in die Oeffentlichkeit und die öffentliche Meinung hineinbringen. 1 8

Damit kann ich die Ausführungen schließen, die sich auf die speziellen Darlegungen des Herrn Kollegen Dr. Helfferich beziehen. Ich darf Sie aber bitten, Ihre Aufmerksamkeit noch einer Frage zuzuwenden, bei der mir daran liegt, daß über den Stand der Dinge und die Stellung der deutschen Reichsregierung dazu kein Irrtum obwalte. Es hat sich die Oeffentlichkeit mit der Frage der Fort⸗ führung der Militärkontrolle beschäftigt. Eine Aeußerung von „Havas“ spricht davon, daß die Botschafterkonferenz uns einen Vorschlag unterbreiten wolle, der darauf hinausgeht, gewisse Fragen zu regeln, alsdann aber die heutige Militärkontrolle durch eine auf Kosten der Alliierten erhaltene Garantiekommission zu ersetzen. Ich weiß nicht, ob diese Mitteilungen richtig sind. Soweit ich informiert bin, hat die Botschafterkonferenz ausdrücklich beschlossen, ihre Note nicht zu veröffentlichen, bis sie im Besitze der deutschen Antwort wäre. Ich kann deshalb nicht wissen, ob ich wesentlich richtig berichte. Ueber den Stand der Dinge möchte ich aber folgendes sagen:

Die deutsche Abrüstung, wie sie der Teil 5 des Versailler Vertrages vorschreibt, war im Frühjahr 1922 bereits so gut wie beendet. Das ist nicht etwa nur eine These der deutschen Reichsregierung, sondern das hat beispielsweise die englische Regierung im Unterhaus, und zwar auch noch zu späterer Zeit, näm⸗ lich im Frühjahr 1923, wiederholt erklärt, und selbst General Nollet hat, wie wir aus dem Buch des amerikanischen Generals Allen wissen, im Schoße seiner Kommission dusselbe ganz offen zugestanden. Wenn uns gleichwohl die Botschafterkonferenz in der Note vom 14. April 1922 noch als im Rückstand befindlich bezeichnet hat mit einer Reihe wesentlich zum Abrüstungsakt gehörender Maßnahmen, so ist das anscheinend ein Ergebnis der französischen Politik, einer Politik, die Allen in seinem Buche wiederholt charakterisiert hat und die immer wieder von der Vorstellung begleitet ist, als stelle unser Rüstungsstand eine Gefahr für Frankreich dar. Nun sind ja angeblich zur Abrüstung gehörende Maßnahmen bis zum heutigen Tage in suspenso geblieben. Diese Tatsache ist es, an die die Gegenseite immer wieder anknüpft.

Meine Herren, wir haben zwei Noten vom 14. April und 29. September 1922 über diese Fragen erhalten. Hätten sich die

alliierten Mächte mit dem begnügt, was damals erreicht war, so

wäre tatsächlich der Zustand herausgekommen, den der Vertrag von Versailles vorseh. Aber es kam eins hinzu, was uns damals die Durchführung dieser sogenannten fünf Punkte als unmöglich erscheinen ließ, nämlich die schon damals in der Note vom 14. April enthaltene Ankündigung, nach Durchführung jener Restforderungen würde die Kommission nicht etwa verschwinden, sondern sie würde durch ein Garantiekomitee ersetzt werden, das so lange funktionieren solle, bis die Räumung der ersten rheinischen Besatzungszone erfolgt sei. Darauf konnten wir uns nicht einlassen, und darauf können wir uns auch gegenwärtig nicht einlassen. (Bravo!)

Ich habe vorhin gegenüber der Kritik von rechts erklärt: es gibt keine deutsche Regierung, die etwas anderes tun kann, als die Pflichten des Vertrages von Versailles auf sich zu nehmen. Das ist aber auch die Grenze, und darüber hinaus zu dulden, daß Dinge in das Verhältnis der Nationen hineingebracht werden, die gar keine Begründung im Versailler Vertrag finden, ist für die deutsche Regierung unmöglich. (Sehr gut!) Wenn die Militärkontrolle nach Auffassung der Alliierten erledigt ist, dann beginnt diejenige Ueber⸗ wachung des Völkerbundes, die dort festgesetzt ist. Wir haben nichts zu tun mit irgendeiner neuen Garantiekommission. Wir können uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß wir das deshalb annehmen könnten, weil es begrenzt wäre; denn die Begrenzung, die enknüpft an die Räumung gewisser Zonen der besetzten Gebiete, ist so lange keine Begrenzung, als die alliierten Mächte nicht der These des französischen Herrn Ministerpräsidenten entgegentreten, daß über⸗ haupt die Fristen für die Besatzung noch gar nicht zu laufen begonnen hätten. (Sehr gut!) Wir haben uns unsererseits bereit erklärt, über die bekannten fünf Punkte zu diskutieren und unsererseits auch das, was darin zum Ausdruck kommt, nach dem Vertrag zu erfüllen. Darüber hinaus eine weitere Kontrolle anzuerkennen sind wir nicht in der Lage, und ich darf hier auch auf das verweisen, was ich wieder⸗ holt guch an anderer Stelle ausgeführt habe. Glaube man doch nicht, daß es lediglich eine Erfindung der deutschen Regierung ist, wenn sie darauf hingewiesen hat, daß sie die Kontrolle nicht habe vornehmen lassen, weil sie eine Gefährdung der persönlichen Sicherheit und des Lebens der kontrollierenden Offiziere nicht auf sich nehmen wolle. Ich habe nach der Vor⸗ obwohl sie, wie ich dankbar anerkenne, in einer Form sich vollzogen hat, die gewisse Schwierigkeiten beseitigte, beispielsweise auch von dem Herrn Staatspräsidenten von Württemberg ein Schreiben erhalten, worin er darauf hinweist, daß es ihm bei der Stimmung der Bevölkerung nicht möglich erscheine, noch einmal die Gewähr für die Sicherheit der Kontrollierenden zu übernehmen. (Hört, hört!) Aber nicht das ist das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß eine Abrüstung doch kein Vorgang ist, der sich in die Ewigkeit verlängern darf. (Sehr gut!) Eine Abrüstung wird vorgenommen und ist zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet, und ist sie beendet, können auch diese Dinge nicht weiter verewigt werden. Wir müssen deshalb darauf Wert legen gegenüber den Maßnahmen, die uns hier anscheinend unter der Form eines zu ertragenden Garantiekomitees vorgetragen werden, unsere grundsätzliche Stellungnahme von vornherein klar zum Ausdruck zu bringen.

Meine Herren, lassen Sie mich dann noch auf eine Frage ein⸗ gehen, die gestern hier erörtert worden ist, namentlich in den Dar⸗ legungen, die Herr Kollege Kaas gemacht hat. Es handelt sich ich möchte auch hier sagen um die außenpolitische Wirkung von Aeußerungen, die der Herr General Ludendorff in dem Prozeß in München gemacht hat, die die lebhaftesten Kommentare im Inland und Ausland hervorgerufen haben. Zwar müssen wir als Reichs⸗ regierung grundsätzlich ablehnen, Stellung zu allen Angriffen zu nehmen, die etwa von privater Seite gegen fremde Mächte gerichtet werden. Wenn ich jedoch von diesem Grundsatz hier abweiche, dann geschieht es wegen der überragenden Stellung, die General Ludendorff während des Weltkrieges eingenommen hat, die er auch in der öffent⸗ lichen Meinung der Welt heute noch einnimmt. (Rufe links: Heute noch? Bei vernünftigen Leuten nicht mehr! Lachen rechts.) Der Herr General Ludendorff, dem unzweifelhaft in der öffentlichen Meinung der Welt eine große Bedeutung zukommt wegen der

Stellung, die er im Weltkrieg gehabt hak es ist ja köricht, bas in irgendeiner Weise bestreiten zu wollen hat bei seiner Vernehmung im Münchner Prozeß gegen den Heiligen Stuhl den Vorwurf der grundsätzlichen Deutschfeindlichkeit erhoben. Die Reichsregierung kann eine derartige, sachlich vollkommen unberechtigte, in der Form verletzende Aeußerung nur aufs tiefste bedauern und muß sie mit aller Entschiedenheit und mit aller Schärfe zurückweisen (Lebhafter Beifall im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Die Reichsregierung glaubt, wenn sie das tut, daß sie sich in Ueber⸗ einstimmung mit der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes befindet. (Lebhafter Beifall.) Wir wissen das eine, daß der Heilige Stuhl in jahrelangen unermüdlichen, von einem hohen Geist der Unparteilichkeit getragenen Bemühung sich bestrebt hat eine wahre Befriedung der Welt und eine Versöhnung der Völker herbeizuführen. (Hört, hört) Das ist die Auffassung, die wir aus der Stellung des Heiligen Stuhles während des Krieges und nach dem Kriege bis in die Gegenwart hinein gewinnen konnten und gewinnen mußten,

Meine Herren, die Reichsregierung ist von der mit diesen Tat⸗ sachen in Widerspruch stehenden Bekundung des Generals Ludendorff um so peinlicher berührt, als sie in einem Augenblick erfolgt ist, wo die Welt mit Befriedigung auf das karitative Wirken des Papstes schaut, das insbesondere neben anderen notleidenden Völkern dem deutschen Volke in großem Maße zuteil geworden ist Ich kann deshalb nur meinem tiefsten Bedauern darüber Ausdruck geben, daß es möglich war, daß in einer Situation wie der, in der das deutsche Volk heute steht und in der wir doch wahrlich allen Anlaß haben, uns die wenigen zu erhalten, die sich unparteilichen Geist auch uns gegenüber bewahrt haben (sehr wahr!), derartige Angriffe zu erheben (Zustimmung in der Mitte), und möchte bedauern, wenn man die Reichsregierung oder verantwortliche Stellen damit in Verbindung bringen wollte. 1

Meine Herren, auf alle die anderen Fragen, die vielleicht noch zu erörtern sind, einzugehen, wird ja die weitere Debatte Gelegenheit geben, und es wird die Möglichkeit bestehen, auch in anderen Fragen, auf die Herr Dr. Helfferich einzegangen ist, sei es in amtlicher Form in der Oeffentlichkeit oder auch sonst zu antworten Ich kann das eine oder andere übersehen haben, möchte aber zum Schluß zusammen⸗ fassend sagen: Herr Dr. Helfferich, Sie haben vollkommen recht damit, daß nur eine Volksgemeinschaft aller Deutschen uns vor den schweren Erschütterungen bewahren kann, vor denen wir sicherlich noch weiter stehen. Diese Volksgemeinschaft wird sich dann am ehesten offenbaren, wenn wir nicht in einen Wahlkampf hineingehen, in dem sich die einzelnen zerfleischen, sondern in dem man mindestens die Auffassung in bezug auf Außenpolitik vertritt, daß gerade solche Zeiten dazu geeignet sein müßten, innere Widerstände zurückzustellen und eine einheitliche Front nach außen herbeizuführen. (Lebhaftes Bravo bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte). Wenn Sie bei einer solchen Stellungnahme zur Volksgemeinschaft auch dem Gedanken Rechnung tragen, die Autorität der Regierung mit an⸗ zuerkennen und die Situation, in der sie steht und die für sie auch maßgebend ist bei dem, was sie unternimmt, mit zu betrachten, dann werden Sie auch dazu beitragen, den wahren Geist der Volksgemein⸗ schaft zu schaffen, der uns allein die Möglichkeit gibt, in schwerer Arbeit des ganzen Volkes ein Stück politischen Erfolges zu erreichen. (Stürmischer Beifall bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte.)

Parlamentarische Nachrichten.

Nach dem Beschluß des Aeltestenrats des Reichstags, der sich gestern eingehend mit der Geschäftslage beschäftigte, wird heute keine Plenarsitzung abgehalten, dafür wird, wie das Nachrichten büro des Vereins deutscher Zeitungsverleger berichtet, der Haus⸗ haltsausschuß sich mit der Goldnotenbank beschäftigen. Am Montag soll die zweite und dritte Beratung der Haushaltsgesetze stattfinden und hierbei die gestern abgebrochene allgemeine politische Aussprache fort⸗ gesetzt werden. Am Dienstag wird der Gesetzentwurf über die Gold⸗ notenbank und das Postfinanzgesetz in erster Lesung zur Beratung stehen; es wird gehofft, am Mittwoch und Donnerstag diese Be⸗ ratung in zweiter und dritter Lesung zu Ende zu bringen. Damit hätte der Reichstag seine Arbeiten beendet. ““

ZLE1“

Nr. 10 der „Veröffentlichungen des Reichs⸗ gesundheitsamts“ vom 5. März 1924 hatfolgenden Inhalt: Gang der gemeingefährlichen Krankheiten. Zeitweilige Maß⸗ regeln gegen gemeingefährliche Krankheiten. Gesetzgebung usm. (Deutsches Reich.) Beitritt Chinas zum Internationalen Abkommen üͤber das Weißphosphorverbot bei Zündhölzern Einlaßstellen und Stempelzeichen für Fleisch. Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten. ÜUntersuchungsgebühren für ausländisches Fleisch. Gebühren⸗ ordnung für die ÜUntersuchung ausländischen Fleisches. (Preußen., Klärung des Weines. Rotlaufimpfung. (Bavern.) Wutschutz) behandlung. (Württemberg.) Tollwut und Wutschutzimpfung. (Hamburg.) Heil⸗ und Pflegepersonal. Säuglings⸗ und Klein⸗ kinderpflegerinnen. (Schweiz.) Anzeigepflicht für ansteckende Krank⸗ heiten. (Kanton Aargau.) Selbstdispensation der Aerzte. (Kanton Luzern) Assistenten und Stellvertreter der Medizinal⸗ personen. Tierseuchen im Auslande. Desgleichen in Griechen⸗ land. Desgleichen in der Schweiz, 1923. Vermischtes. (Deutschen Reich.) Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau, 3. Vierteljahr 1923. Schließung von Tuberkuloseanstalten. Erkrankungen in den Heimkehrlagern. Wochentabelle über die Geburts⸗ und Sterblichkeitsverhältnisse in den 46 deutschen Großstädten mit 100 000

und mehr Einwohnern. Desgleichen in einigen größeren Städten

des Auslands. Erkrankungen an übertragbaren Krankheiten in deutschen Ländern. Witterung. 8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32.

Drei Beilagen e(eeinschließlich Börsenbeilage.) und Erste bis Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage. 8

1“

8

7 De Nr. 58.

8

itschen Reich

EFortsetzung aus dem Hauptblatt) Deutsche Seesischerei und Bodenseesischerei

für Janunar 1924 (Fangergebnisse usw.). gon deutschen Fischern und von Mannschaften deutscher Schiffe gefangene und an Land gebrachte Fische, Robben, Wal⸗ und andere Seetiere sowie davon gewonnene Erzeugnisse.

Seetiere und davon

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1). Damter Kaiserhummer: 816 Goldmark. 85 Berlin, den 6. März 1924.

Statistisches Reichsamt.

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750 von

Deutscher Reichstag. 407. Sitzung vom 7. März 1924, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 15 Min. Am Ministertisch: Reichsjustizminister Emminger und Reichsminister des Innern Jarres.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der all⸗ gemeinen Aussprache über No 2

Als erster Redner ergreift das Wort der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf von Kanitz.

„Seeine Rede wird nach Eingang des Stenogramms ver⸗ öffentlicht werden.

Abg Dr. Fischer (Dem.): Die Reden der Oppositiongparteien haben uns ernent bestätigt, daß grundsätzlich der Weg des Ermächti⸗ gungsgesetzes bei der der gegenwärtigen Schwierigkeiten der richtige gewesen ist. In Erweiterung der Ausführungen des Reichskanzlers über die Verantwortlichkeit der Regierung für die im Rahmen des Ermächtigungsgesetzes erlassenen Verordnungen vertreten wir die Naffessunge daß diese Verantwortung auch vom Reichstage zu übernehmen ist. Wir tragen die Verantwortung im Bewußtsein des richtigen Weges der Regierungspolitik mit. In der Nichtstellung von Aufhebungsanträgen liegt für uns nicht ein äußerlicher, vielleicht be⸗ quemer Verzicht. eine gewollte Mitübernahme der Ver⸗ trotz Bedenken in manchen Einzelheiten. Die Reichs⸗ regierung soll einer klaren, eindeutigen Entscheidung im Reichstage nicht ausweichen. Befremdet hat uns trotz aller bisherigen schlechten Ersahrungen doch erneut die materielle Inhaltlosigkeit der Opposition. Gerade vor Neuwahlen hat sie die Pflicht, gegenüber den von ihr an⸗ gegriffenen Regierungsmaßnahmen zu sagen, wie sie die Probleme zu lösen gedenkt. Die Zusammenhänge zwischen Währungsgesundung und Ausgleich des Reichshaushalts, zwischen Ergiebigkeit der Steuer⸗ guellen und Steigerung der Produktionsintensität, zwischen Ordnung der öffentlichen Finanzen und der Durchführung der e. bedürfen keiner besonderen Erläuterung. Die Regierungsmaßnahmen EE1“ Fragen gegenüber eine im ganzen innerlich auf eine Richtlinie gebrachte Einheit dar. Ohne Positives an die Stelle der Regierungsmaßnahmen zu setzen, wollen die Deutschnationalen die dritte Steuernotverordnung und die Personalabbauverordnung aüf⸗ heben. Was soll in die Lücken eingefügt werden? Darüber schweigt sich die Opposition aus. Muß nicht jeder Wirtschafter aus den Reihen der Deutschnationalen zugeben, daß eine etwaige Annahme ihrer An⸗ träge sofort die schwersten inflatorischen Auswirkungen nach sich ziehen

kein positiver Aufbauwille, sondern nur die zersetzende Kraft negativer Kritik steht. Die Deutschnationalen haben durch die Anträge gezeigt, daß sie nicht über das Maß an Verantwortlichkeit verfügen, das die erste Voraussetzung einer wirklich pofftin der Regierungsgewalt zu⸗ sirebengen Oppositionspartei ist. Es scheint ihnen selbst klar zu sein, bis auf weiteres ihre parteipolitischen Felsesengen noch nicht zu v 8 Sonst wäre es allzu gewissenlos, sich in der parlamen⸗ tarischen Arbeit so fern von jedem positiven Gebdanken zu halien. Die Sozialdemokratie bringt r eine ffülle von Anregungen. Trotz der Ausführungen Dr. Breitscheids müssen wir aber P.e. auch hier Anträge vorliegen, die, wenn auch gegen den Willen der Antrag⸗ ötschafilich Gefährdungen mit sich bringen. chreitet die wirtschaftliche Gesundung fort, so halten wir es für selbstverständlich, daß dann ein großer beil der Amegungen der So⸗ ialbemokratie in positirvem Sinne entschieden werden bann. Wir sets behes uns auch unsererseits für diesen Zeitpunkt die Vorläge sozialpolitischer Anregungen vorbehalten. Die Abänderungsanträ sen ehitereitgeset sind für uns nicht annehmbar. Die Sozial⸗ demokratie entfernt sich mit den Anregungen von den Grundlagen der interfraktionellen Verständigung, die bei Bildung des zweiten Kabi⸗ netts Stresemann mit ihrer eigenen Mitwirkung zustande kam Eine Annahme der sozialdemokratischen Anträge würde tatsächlich bedeuten, daß der noch von allen Wirtschaftern jetzt als unmöglich angesehene schematische vaücie Gekienef hergestellt wird. Tatsache ist, daß

die jetzt ermöglichte Mehrarbeit eine wesentliche Voraussetzung für die Neubelebung unserer Wirtschaft und die Erhaltung ihrer Steuer⸗ kraft ist, daß von ihr aus die notwendige Kraft gewonnen wird, um die allgemeine wirtschaftliche Gesundung fortzusetzen. Die Weeder⸗ erstarkung der inneren Konsumkvaft, die, wenn auch noch langsame, aber stetige Verminderung der Zahl der Arbeitslosen und der Kurz⸗ arbeiter zeigen, daß wir auf dem richtigen Wege sind. ir werden vüserts nichts unterlassen, um dahin zu wirken, daß der Streit um die eeglichen wird. Falsch ist, wenn die Parole von den Gewerkschaften eute aufgestellt wird: gegen die Sozlalreaktion. Wir glauben uns einig mit der Regierung und den sonstigen die Regierung stützenden Parteien, wenn wir sagen: wir empfinden es gerade in diesen Not⸗ zeiten als eine besondere Pflicht des Staates und der . ft, den Notleidenden nach besten Kräften zu helfen. weit ich dagegen in Arbeitgeberorganisationen unkluge Wider⸗ stände geltend machen, werden diese unsere Gegnerschaft finden. i v praktischen Sozialpolitik werden wir uns aber darüber klar sein müssen, daß wir nicht die früheren, auf wirtschaftlichem Reichtum der Nation aufgebauten Wege weiterhin beschreiten können. Wir sind Ebt gezwungen, die Praxis der sozialpolitischen Arbeit der allgemeinen Volksverarmung anzupassen. Die Lohnpolitik geht wahrlich nicht darauf aus, die Rente des deutschen Kapitalismus auf g8 der Arbeitnehmerschaft steigern zu wollen. Hen Breitscheid hat hier die deutschen Unternehm echt oberflächlich eingeschätzt. Das deutsche Kapital arbeitet heute fast überall ohne Ertrag; die großen steuerlichen eeesfenhhes vor allem aber die außergewöhnlichen Zinssaͤtze für das Hrn 32 Freditkamita. hrn. n di cre is ersenhnn auf. Das igenkapital wei r wohl, nur Vergrößerung des Umsatzes, also volle Ausnußung der technisch⸗wirtschaftlichen voduktionsvoraussetzungen, ihm Erträge zu bringen vermag, u hierzu die Steigerung der inneren Konfamkraft, also Steiagerung des Lebensstandards der Volksgesamtheit, Steigerung der Löhne und Gehälter, auf das volkswirtschaftlich nur mögliche Höchstma erste Voraussetzungen sind. Die Redner der Oyposition haben geglaubt, aus der Stellung von Anträgen seitens der Regierungsparteien bestimmte Schlüsse über die Taktik der Parteien ziehen zu können. Soweit die Anträge unserer Partei in Betracht kommen, stellen wir fest, daß es ich hier nur um Anträge und Anregungen handelt, die in keiner Be⸗ ziehung die Zusammenwirkung der Regierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Festigung der Währung stören. Unsere Anträge bewegen sich in engem Rahmen des F tatsächlich Durchführbaren. Wir geben dem Mittelstand oder der Landwirtschaft nicht die leeren Ver⸗ sprechungen der Deutschnationalen auf Herabsetzung der Steuerlasten, weil wir wissen, daß, praktisch etwa durchgeführt, derartige Liebesdienste sch sehr bald zum Schaden dieser Kreise geltend machen würden. Auch elbst L. Steuern halten wir heute angesichts der Lage unserer Zahlungs⸗ und Handelsbilanz und der dadurch gengebenen natürlichen Grundlage für die Fortsezung der ganzen wirtschaftlichen Gesundungsarbeit für erträglicher als die unsichtbare Zermürbung aller wirtschaftlichen Kräfte durch neue inflatorische Erkrankungen. Auf dem Gebiet der Neuorganisation des Staatsapparates fordern wir kein Vakuum durch Aufhebung der Personalebbauverordnung, sondern die baldigste gesetzliche Neuregelung des Beamtenrechts unter vor⸗

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

1

würde? Wir stellen fest, daß hinter diesen Anträgen der Opposition.

Arbeitszeit immer mehr durch gegenseitige Verständigung aus⸗-

1924

läufiger Aufrechterhaltung dieser Notmaßnahme. Wir gehen dabei von der Ueberzeugung aus, daß der jetzt bis 1927 vorgesehene Schwebe⸗ zustand für ein gedeihliches Verhältnis zwischen Staat und Beamten⸗ scaft unerträglich und für den gewollten Zweck auch nicht erforderlich ist. Die Erklärung des Reichsfinanzministers, daß die Reichs⸗ regierung wenigstens für die weiteren eeee e bestimmte Formen für die Ausschaltung politischer und konfessioneller Gesichts⸗ zu finden hoffe, genüch uns nicht. Wir fordern die Möglichkeit eer Rechtsbeschwerde auch für die Vergangenheit. Was die weib⸗ lichen Beamten angeht, so kann grundsätzlich von einer heute nicht möglichen Doppelversorgung nur echsale werden, Pmeit es sich um

Ehefrauen von Beamten handelt. In allen anderen Fällen halten wir die , ür notwendig. ir sprechen die Erwartung aus, daß solchen Angeste ten, Beamten und Arbeitern des Staates, die über landwirtschaftliche Kenntnis verfügen, die Möglichkeit erleichtert wird, sich eine landwirtschaftliche Neuexistenz aufzubauen. Wir fordern von der Reichsregierung, daß sie bei dem so schweren Wiederaufbau⸗ werk vor allem dem 2 8 die Wege erleichtern soll, daß sie gerade diesen durch die Inflation so entkräfteten Wirtschaftskreisen, denen durch eine Rückwärtsrevidierung der wictf baft , . ersetzung der letzten Jahre nicht geholfen werden kann, die Möglichkeit baldigster Frißt gaxe durch neue Eigenarbeit so weit nur irgend an⸗ gängig erleichtert. Notwendig ist ein Verlassen der verhaßten Wucher⸗ und Preisgesetzgebung und vor allem praktisch, gemäß den Forderungen unseres Kollegen, eine Fühlungnahme geSe den zuständigen Ministerien und den vW1 des Mittelstandes. Die Sense des Handwerks und der verarbeitenden Industrie darf nicht durch eine Zollpolitik auf dem Verordnungswege erschwert werden. Diese Fragen bedürfen einer eingehenden Durchprüfung unter Fe der Erwerbsstände und unter Mitwirkung des arlaments. Als Errabsa für die Besteuerung der Landwirtschaft verlangen wir eine gerechte Verteilung der Steuerlasten innerhalb der EEEöuö6““ von gleicher Bodenqualität und Lage, gleich⸗ gültig ob Klein⸗ oder Großbetriebe, haben pro Flächeneinheit die gleichen Steuerlasten zu tragen. Eingreifendere Systemänderungen erscheinen uns auf steuerlichem Gebiete im Augenblick unmöglich. Bevor nicht die Erö I1 den deutschen eee; vor⸗ liegt, bevor wir nicht über die Goldbilanzen über die wirtschaftliche Kraft und Ertragsfähigkeit wieder ein klares Bild gewonnen haben, wird jede Ausschaltung einer heutigen Ungerechtigkeit und Härte, die eine Lücke im Reichshaushalt und daher eine andere Eingriffs⸗ notwendigkeit lchafft. stete nur zu willkürlichen Eingriffen zwingen. F Zwangsläufigkeit wird jeder, der den Staat über die Wirtschaft stellt, auch anerkennen Trg m ist als Notsteuermäaßnahme der von uns geforderte zeitweise gestaffelte Zuschlag zur Vermögenssteuer unter Beruͤcksichtigung der Vermögensgestaltung von 1913 bis 1923 ein weit besserer Weg als die mit großen wirtschaftlichen Schäden perbundene und in ihren Erträgen zweifelhafte Mietzinssteuer, die auf unseren

Antrag zeitlich bis zum 31. März 1926 beschränkt wurde. Für die

Zukunft bleibt unser Weg der einzige, um wirklich diejenigen feuealic.

zu erfassen, die in der Inflationsperiode ihr Vermögen erhalten oder E vermehren konnten. Diesem gerechten Verlangen des Volkes muß Erfüllung geschehen. Wir begrüßen es, daß breite Kreise des deutschen Unternehmertums im Interesse der weiteren Gesundungsarbeit und im wohlverstandenen wirtschaftlichen Eigeninteresse an der so be⸗ guemen steuerlichen Opposition sich nicht beteiligen, sondern die Sis bringen in dem Bewußtsein, daß diese Opfer den großen Zweck erfü der wirtschaftlichen und politischen Befreiungsarbeit des Volkes zu dienen. Wir Hesbs. daß es ohne schwere Folgen für den Reichs⸗ haushalt möglich und durchführbar ist, die die Wirtschaft schwer hemmenden und indirekt das Kreditkapital übersteuernden Inflations⸗ Buschlage zu den Steuern des Kapitalverkehrs aufzuheben.

nkung des

würde eine solche Regierungsmaßnahme in erster Reihe zugute kommen. Unsere Anregungen auf dem Gebiete der Strafrechtspflege verlangen eine stärkere Beteiligung des Laienelements und eine Wieder⸗ herstellung der Freiheit des Angeklagten in der Verteidigung. Die lötzlichkeit, mit der die Regierung in den Strafprozeß eingegriffen hat, hat im Volke unnötige Beunruhigung hervorgerufen, die wir durch eine Aussprache über unsere Anträge ausgleichen wollen, Auf außenpolitischem Gebiet glauben wir in den Konferenzen der . verständigen, in der Verdichtung der Pläne der Goldkreditbank und der späteren Goldnotenbank hoffnungsvolle Ansätze für eine ver⸗ nünftige ven Lösung der Reparationsfrage sehen zu dürfen. Um so mehr bedauern wir es, daß verblendete politisch unreife Se im deutschen Volke eine Tätigkeit entfalten konnten und noch ent⸗ falten, die den Bestand des Reichs und seine außenpolitische Stellung leich stark gefährden Nicht Nationalgefühl, sondern verächtlicher en⸗ und Klassenegoismus spricht aus all dem, was wir jetzt aus München vernehmen. Wir, die wir gerade in den Jahren der großen Not unser Vaterland tiefer und heißer denn je zu lieben gelernt haben, empfinden es tief beschämend, daß deutsche Menschen so über ihre Milbürger, über die Gegenwart und Zukunft ihres Landes, über das Staatsleben schlechthin zu urteilen sich anmaßen. Wenn innere Zerrissenheit zu so ungeheuerlicher gegenseitiger Verächtlichmachung führt, dann verlieren wir als Volkscanzes das Recht, uns dagegen aufzulehnen wenn das entsprechende Echo aus dem Auslande zu uns bereinklingt. Noch stehen unter den Erschütterungen der Kriegs⸗ und Nachkriegcveit die Prinzipien des neuen Deutschlands. Demokratie und Republik, umstritsen im täglichen politischen Streik. Weil wir in diesen Prinzipien die Zusammenfassung des deutschen Willens nach innerer und äußerer Freiheit, nach nationaler Einheit und. kultureller Erneuerung sehen, weil wir nur in diesen moralischen Kräften die Voraussetzung für eine kraftvolle Reihe wirtschaftlicher Aufbauarbeit erblicken, werden wir trotz aller Versuche der diesem Staat nicht wohlagesinnten Parteien im Kampf für seine Fest gung. nicht erlahmen. Auf den Wegen, die jetzt wieder nach der Ueber⸗

windung des völligen Chaos freigelegt sind, strebt das Volk in⸗

ernster, nüchterner Arbeit nach dem Erfolg seiner Arbeit, späterer Generation ein freies Leben zu ermöclichen. Nicht die Pbrasenhelden, ondern wir und mit uns die sonst die Reichsregiernng stübenden Parteien dürfen für sich in Anspruch nehmen, in Wahrbeit den Namen „Freihei tsvarteien“ zu führen. In der Zusammensetzung aller aufbaubereiten Volkskräfte zu dem großen nationalen rk der Be⸗ freiungsarbeit haben wir stets unsere vornehmste Aufoabe gesehen. Ihr werden wir auch weiterhin dienen in kreuer Erfigkung unserer staatsbürgerlichen Pflicht. (Beifall.) Abg. Beyerle (Baver. Ny.): Das Ende einer Legislatur⸗ periode ist unter besonderen Umständen da. Wir sind mitten drin in einer Auseinandersetzung mit der Regierung über ihre Politik on⸗ läßlich des Ermächtigungsgesetzes. Die Bayerische Volksvartei be⸗ antraot die Aufbebung des politischen Staatsgerichtshofs, sie wünscht Rückkebr zu den alten förderal stischen Verfassungsgrundsätzen. Die Verfassungsreform muß nun allerdings dem näcksten Resckstaag vor⸗ behalten bleiben. Von unserer förderalistischen Grundanschauung gus muß ich die Ausführungen des Kollepen Koch über förderalistische Eigenbrödelei zurückweisen. Herr Koch meinte, der Förderalismus scfmäche die Stellung des Reichs gegenüber den Ländern, aber ist dann elbst für eine vernünftige Dezentralisation eingetreten. Für eipen regktionären Förderalismus sind wir nicht zu baben, wohl aber wollen wir einen gesunden Förderalismus als naturgemäße Regktion gecgen den übertrirbenen Weimarer Unitarisemus, Auch wir sind Freunde des Reickes, aber auf unsere förderolistischen Wünsche können wir nicht verzichten. Nach Herrn Koch könnten wir mit der setzt be⸗ stebenden Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Reich und Gliedstaaten zufrieden sen. Weir hoben seit Weimar und seit Erzbergers Finanz⸗ ofitik zu schlechte Erfahrungen gemacht, um uns damit bexuhigen zu önnen. Mit den Begriffen Zentralisation und Dezentralisation ist

n Staatsanzeiger

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An einer Zinsniveaus des deutschen Geldmarktes haben vor allem Landwirtschaft und Mittelstand ein elementares Interesse und ihnen

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